notiz: "negation der freiheit" - südamerikanische reaktionen auf die neue eu-abschiebe"politik"

eine ganz neue erfahrung mussten dieser tage viele europäische medien verarbeiten: nachdem die neue "rückführungsrichtlinie" im eu-parlament zur effizienteren abschiebung von flüchtlingen und migranten aus europa angenommen worden war, kamen aus venezuela töne , die den seit jahrhunderten dominanten europäischen "eliten" und ihren medien einen spiegel vorhielten, was ihre eigene - als "normal" und üblich - betrachtete praxis der beliebigen, notfalls auch militärischen, einmischung und direktivenvergabe in allen planetaren regionen betrifft:

(...)""Wir können uns dies nicht mit verschränkten Armen ansehen. Die Annahme der sogenannten Rückführungsrichtlinie ist empörend und deshalb lehnen wir sie ab", erklärte Chavéz bei einem Treffen mit dem neuen Präsidenten Paraguays, Fernando Lugo.(...)

Er äußerte die Hoffnung, dass sich "alle unsere Länder gegen diesen Entschluss aussprechen, für die Würde unserer Völker". Chávez kritisierte, dass in Europa inzwischen die Rechte und die Ultrarechte den Ton angeben. Die Länder, welche diese Richtlinie umsetzen, solle das Öl aus Venezuela nicht mehr erreichen, weitete er seine Drohungen aus, die er bisher gegen den US-Konzern Exxon ausgesprochen hatte. "Mit der Anwendung der Rückführungsrichtlinie wird gegen die Menschenrechte verstoßen", fügte er an. Zudem warnte er davor, dass es auch zu einer "Rückkehr der europäischen Investitionen" in die Länder kommen könne, welche die Maßnahmen umsetzten."(...)


die bisherigen
reaktionen auf diese "unbotmäßige einmischung" in die repressive eu-politik "ausgerechnet" aus der sog. "dritten welt" sprechen bände - und verdecken leider auch einerseits, dass chavez mit seiner - sehr berechtigten - meinung über den charakter der eu-"flüchtlingspolitik" nicht alleine da steht, machen andererseits aber auch deutlich, dass die drohung mit dem entzug des schmierstoffes öl durchaus die hiesigen "eliten" zu beeindrucken vermag - gerade vor dem hintergrund der jüngsten entwicklungen rund ums öl.

eine sehr lesenwerte kritik an der eu-abschiebepolitik hat im vorfeld der parlamentarischen verabschiedung jedoch auch der bolivianische präsident evo morales ayma als offenen brief veröffentlicht, der im folgenden auszugsweise
dokumentiert wird:

(...)"Heute ist die Europäische Union das Hauptziel der Migranten der Welt. Der Grund ist der gute Ruf der Europäi­schen Union als Region von Prosperität und öffentlichen Freiheiten. Die Migranten kommen mehrheitlich in die EU, um zu dieser Prosperität beizutragen, nicht um sich ihrer zu bedienen. Sie wirken bei öffentlichen Arbeiten mit, in der Baubranche, im Bereich der Dienstleistungen und in Krankenhäusern. Sie übernehmen meist Tätigkeiten, die Europäer nicht ausüben können oder wollen. Sie tragen zur demographischen Dynamik des europäischen Kontinents bei, zur Aufrechterhaltung des notwendigen Verhältnisses zwischen aktiven und passiven Arbeitskräften, das seine großzügigen sozialen Systeme möglich macht. Sie geben dem Binnenmarkt neue Impulse und stützen den sozialen Zusammenhalt. Die Migranten bieten eine Lösung für die demographischen und finanziellen Probleme der EU.

Uns wiederum bieten die Migranten eine Hilfe zur Entwicklung, die uns die Europäer verweigern – da nur wenige Länder tatsächlich das Minimalziel von 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe aufwenden. Lateinamerika erhielt im Jahr 2006 indes 68 Milliarden US-Dollar Geldüberweisungen von Migranten. Das ist mehr das Doppelte der ausländischen Investitionen in unseren Ländern.

Weltweit erreichen diese Überweisungen von Migranten an ihre Familien 300 Milliarden US-Dollar. Dieser Betrag übersteigt die 104 Milliarden US-Dollar Entwicklungshilfe bei weitem. In meinem eigenen Land, Bolivien, entsprechen die Überweisungen mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes, rund 1,1 Milliarden US-Dollar und dem Wert eines Drittels unserer jährlichen Gasexporte.

Die Wirtschaftskraft der Migranten ist trotzdem vor allem für die Europäer von Vorteil und nur marginal für uns in der Dritten Welt. Wir verlieren Millionen unserer qualifizierten Arbeitskräfte, in die unsere Staaten, obwohl sie arm sind, unzählige Ressourcen investiert haben.

Leider verschlimmert die Abschieberichtlinie der EU diese Situation in erschreckender Weise. Auch wenn wir davon ausgehen, daß jeder Staat oder jede Staatengruppe die eigene Migrationspolitik in voller Souveränität definieren kann, können wir nicht akzeptieren, daß unseren Mitbürgern und lateinamerikanischen Brüdern die Grundrechte verweigert werden. Denn die EU-Abschieberichtlinie sieht die Möglichkeit der Einkerkerung der Migranten ohne Papiere bis zu 18 Monate vor. Danach folgt die Ausweisung oder ihre »Entfernung«, wie der exakte Terminus der Direktive lautet. 18 Monate! Ohne Urteil und Gerechtigkeit! Der vorliegende Entwurf der Richtlinie verletzt damit eindeutig die Artikel 2, 3, 5, 6, 7, 8 und 9 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Darin heißt es unter anderem: »Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen«. Und weiter: »Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.«

Und was das Schlimmste ist: Es wird die Möglichkeit geschaffen, Mütter und Minderjährige, ohne ihre familiäre oder schulische Situation zu berücksichtigen, in Internierungszentren einzusperren. Die Folge sind Depressionen, Hungerstreiks und Selbstmorde. Wie können wir tatenlos akzeptieren, daß Mitbürger und lateinamerikanische Brüder ohne Papiere in Lagern eingepfercht werden? Und das, obwohl sie mehrheitlich seit Jahren dort gearbeitet haben und integriert sind. Auf welcher Seite besteht heute die Pflicht zu humanitärer Einmischung? Was ist mit der »Bewegungsfreiheit«, mit dem Schutz gegen willkürliche Haft?"(...)


den ganzen brief finde ich auch mit seinen historischen bezügen sehr treffend, gelungen und absolut verbreitungswürdig - eine aufgabe, die in diesem falle wiedermal primär das netz übernehmen muss, denn auf den ersten seiten unserer medien sind diese worte. obwohl sie da eigentlich hingehören würden, natürlich nicht zu finden.

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