notiz: wie die krise beginnt, den (psychophysischen) giftmüll des systems sichtbar zu machen

so vorhersagbar wie deprimierend - zum einen wäre da der klassiker antisemitismus:

"Banker-Portal oder oder Nazi-Website - der Unterschied ist in Zeiten der Finanzkrise nicht immer erkennbar. Denn Internetforen für Finanzexperten werden von antisemitischen Parolen überschwemmt."(...)

klar, für die fraktion des abstrakten hasses ist jetzt erntezeit - "die juden" als feindbild und sündenbock sind nun mal seit eh und je vor allem eine abstrakte konstruktion, die sich wie alle konstrukte dieses kalibers allerdings auf einen kleinen realen kern beziehen muss, der hier durch die historische rolle von juden im geldgeschäft gebildet wird. es geht hier nur um eine scheinbare personalisierung, die ebenso nur scheinbar hilft, die hoch komplexen vorgänge, mit denen wir ständig medial überschüttet werden, zu begreifen - real wird die anscheinend undurchschaubare virtualität und der konstruktivistische charakter gerade der sog. finanzwelt mit einem ebenso konstruktivistischen gebilde beantwortet, um das bedürfnis nach schuldigen zu befriedigen. da dürfte noch einiges an destruktivität lauern.

*

ebenso dürften sich gleichfalls solche
berichte zukünftig häufen:

"Tragödie in Los Angeles: Offenbar aus Geldsorgen hat ein 45-jähriger Finanzmanager seine Frau, seine drei Söhne und seine Schwiegermutter getötet, bevor er sich selbst erschoss. Der Mann hatte im Zuge der Finanzkrise sein Vermögen an der Börse verloren."(...)

als eine art tragödie lässt sich das nur dann begreifen, wenn man sich klarmacht, dass sich solche täter in ihrer ganzen existenz auf gedeih und verderb völlig den herrschenden antisozialen normen und "werten" unterworfen haben - eine andere art des lebens ist denen offensichtlich unvorstell- und denkbar. weshalb ich den finanziellen verlust in solchen fällen auch "nur" für einen trigger halte, der die massive destruktivität der inneren struktur bei solchen menschen am ende nur noch aktiviert - pseudoidentitäten, die ein korsett von u.a. besitz & äußerem ansehen brauchen, um das dahinter lauernde nichts zu verbergen. sicher ist der soziale fall und die sichtbare stigmatisierung als "loser" in den usa noch krasser als hier, aber strukturell sind wir längst dabei, uns dem anzugleichen - vergl. nur die situation von erwerbslosen hier.

*

das, was sich hinter meldungen wie oben verbirgt, ist für mich auch der grund, trotz tiefgehender abneigung (nicht nur) gegen unser heutiges verrücktes ökonomisches system dem finalen crashzeichen in form eines bank runs mit sehr gemischten gefühlen entgegenzusehen. ich hätte überhaupt nichts dagegen, wenn sich banken, börsen, konzerne & regierungen gleichzeitig auf den weg zur müllhalde machen würden - wenn es denn tragfähige und tatsächlich soziale alternativen geben würde, die die mehrheit aller menschen auch durch die dann anstehenden ruppigen zeiten bringen würden. aber dieses system hat das attribut totalitär auch deswegen verdient, weil die verdammte TINA-propaganda ("there is no alternative") offensichtlich in so vielen köpfen die überzeugung gefüttert hat, tatsächlich in der einzig vorstellbaren gesellschaftlichen und wünschenswerten "ordnung" zu leben, das in just dem moment, in dem sich diese "ordnung" als die reale tödliche unordnung demaskiert, die sie immer schon war und auch immer sein wird, keine oder zumindest kaum praktikable konzepte zu einer qualitativ neuen und sozialen gesellschaft existieren. von daher scheint momentan die gleichung zusammenbruch = chaos tatsächlich das realistischste szenario zu sein. ist nur die frage,
wieviel zeit noch bis zu diesem punkt bleibt?

(...)"Der Angestellte der Sicherheitsfirma, der am Eingang der Deutschen Bank am Marienplatz steht, überblickt nicht nur das Gewusel in der Filiale. Seine Firma macht Sicherheitslogistik für Filialen mehrerer Banken in München, und er sagt: „Es wird vermehrt abgehoben. Das ist in allen Filialen so.“ Und bekräftigt: „Die Leute heben große Mengen Geld ab.“(...)

dagegen wird auf dauer auch das tatsächlich inhaltsleere, im wahrsten sinne des wortes ungedeckte und zu nichts verpflichtende "versprechen" der merkel etwas helfen können, welches eher im gegenteil das mißtrauen bei vielen erst geweckt haben dürfte.

*

und selbst wenn das worst-case-szenario eines raschen und kompletten crashs vermieden werden kann - die folgen werden uns trotzdem alle auf jahre beschäftigen - nein, moment, nicht unbedingt alle, wie tanja dückers sehr
treffend herausarbeitet:

(...)"In der Not scheint der ärgste Feind, der böse Staat, auf einmal zum liebsten Freund zu werden. Dabei kann man erahnen, welchen Preis sein Eingreifen haben wird und auf wen die Lasten der Rezession abgewälzt werden: Schließlich wurden schon unter weitaus günstigeren Umständen zahlreiche soziale Grausamkeiten beschlossen. Kürzlich wetterte ein Vertreter der Arbeitgeberseite mit Blick auf die aktuellen Tarifforderungen, die Gewerkschaften hätten "nicht alle Tassen im Schrank". Als sich das Land im Konjunkturhoch befand, stiegen die Löhne nicht - Deutschland bildete im europäischen Vergleich das Schlusslicht hinsichtlich der Lohnentwicklung -, jetzt erscheinen Forderungen danach geradezu als obszön. Gespart werden wird bei den Löhnen und den Sozialleistungen.

An dieser Stelle sei nur daran erinnert, welche Veränderungen in der Hauptstadt nach dem Bankenskandal (2001) zu verzeichnen waren:

Ein Schwimmbad nach dem anderen machte dicht, die nächtliche Beleuchtung im öffentlichen Raum wurde gern mal abgeschaltet, um Strom zu sparen, sogar auf der Avus war es gespenstisch duster, Krankenhäuser wurden kurzerhand geschlossen, Bibliotheken sowieso. Es wurde an Kindertagesstätten, Universitäten, Kultureinrichtungen, bei der Behindertenhilfe, einfach überall gespart. Nicht immer hatte man den Eindruck, noch in der sogenannten Ersten Welt zu leben."(...)


einen schönen tag noch.

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