Quirinus (Gast) - 9. Jun, 14:50

Wörter wie "Kettensäge"

werden in der Metaphorik unserer Politiker gewiß noch eine große Rolle spielen, und zwar insbesondere der jüngeren Politiker. Und die werden es, wie so oft, den Journalisten überlassen, jetzt noch in der Politik tabuisierte Begriffe salonfähig zu machen, und sie dann 'nur' zitieren, bis sie sich verselbständigen. Hier eine Meldung von gestern:
Graz (OTS) - Allein die Zahl für sich genommen ist beeindruckend: 80.000.000.000 Euro. So hoch beziffert die deutsche Regierung ihre Sparpläne bis zum Jahr 2014. Sparen mit der Nagelschere ist da nicht möglich, wie es der Vizekanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle betont. Nein, das ist ein Einschnitt mit der Kettensäge in den Sozialstaat.
Und woher kennen jüngere Journalisten wie Ingo Hasewend solche Szenen? In allererster Linie aus der Popkultur, wo sie nicht zufällig massenhafte Verbreitung fanden, als gegen Ende der 70er Jahre immer mehr Jugendliche ihren täglichen Zustand mit "boredom" und "Langeweile" beschrieben, sich nach einem befreienden "Chaos" voller "Gefühl und Härte" sehnten und massenhaft Filme mit Kettensägenmassakern zu rezipieren begannen. Solche Filme wären heute wohl auch ein fester Bestandteil der Unterhaltungsindustrie, hätte es die beiden Weltkriege nie gegeben. Und tatsächlich wurde (und wird) ja zugunsten solcher Filme von Experten oft damit argumentiert, sie böten ein Ventil für alle Aggressionen und dienten somit dem Frieden. Deshalb ist es auch kein Zufall, daß es gegen Ende des 20. Jahrhunderts Mode wurde, jede Reihe von Kürzungen des Sozialetas als "Katalog der Grausamkeiten" zu bezeichnen und derlei Phrasen achzelzuckend hinzunehmen. Diese Passivität ist nicht zuletzt eine Folge der Marginalisierung des muttersprachlichen und des Literaturunterrichts seit Beginn der 70er Jahre. Ganze Schüler- und damit auch Politiker- und Journalistengenerationen haben es nicht mehr gelernt, genau zu lesen und zuzuhören - und wurden damit zur leichten Beute derer, die schon immer von der Unbildung der Massen profitiert haben und jetzt auch in den hochindustrialisierten westlichen Ländern endlich wieder massiv davon profitieren können. Denn sprachlicher und politischer Analphabetismus gehen Hand in Hand. Die detailliertesten und erschütterndsten Fakten bleiben selbst bei den emotional noch intakten Menschen ohne nachhaltige Wirkung, wenn sie nicht reflektiert werden. Und das ist nur möglich mittels der Sprache - eine Binsenwahrheit, die jedoch vor 30 Jahren gerade von den vermeintlich fortschrittlichsten meiner Lehrerkollegen vehement bestritten wurde, auch deshalb rapide in Vergessenheit geriet und erst allmählich von einigen wieder akzeptiert wird. Doch was damals angerichtet wurde, ist nicht rückgängig zu machen. Mittlerweile kann man den Leuten buchstäblich alles erzählen - und die allermeisten merken nicht mehr, was ihnen da vermittelt wird. Metaphern? Sind doch völlig unwichtig. Es kommt doch nicht auf irgendwelche Formulierungen, sondern nur auf die jeweils gemeinten Fakten an. In diesem Sinne sagte mir einst ein Mitglied der Bremer WASG: "Wir sind doch hier nicht in irgendeinem Literaturzirkel. Wir machen hier Politik."

Und die sieht dann eben irgendwann auf allen Seiten so</<> aus.

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