notiz: griechische "kommunisten" verteidigen das parlament [update 2 am 21.10]

wie war das nochmal mit dem satz, das geschichtliche tragödien später als komödien wiederkehren würden? aktuell scheint sich das nicht zu bewahrheiten, denn die nachrichten aus athen von heute erinnern mich spontan an einiges aus der spanischen revolution - history repeating...

"14:25 MEZ Vor allem in der Filellinons- und der Voukourestioustr. gibt es Zusammenstöße zwischen AnarchistInnen und StalinistInnen.

Der Großteil des Syntagma-Platzes wird von Gewalt beherrscht. Es fliegen mehr Mollis und Steine auf die StalinistInnen. Davor versuchte die Polizei von der Stadioustr. aus auf den Platz zu kommen und die AnarchistInnen so einzukesseln.

14.20 MEZ Am laufenden Band werden schwer verletzte DemonstrantInnen (min. 20) in das Medizinzentrum auf dem Syntagma-Platz gebracht. PAME-Mitglieder scheinen direkte Kontakte mit Polizisten zu haben und liefern ihnen DemonstrantInnen aus. Sie griffen sogar militante DemonstrantInnen an. Jetzt greifen DemonstrantInnen die Bullen und die PAME-Wichser an.

AUF DEM SYNTAGMA WIRD DRINGEND VERSTÄRKUNG BENÖTIGT!

14.00 MEZ Auf dem Syntagma eskalieren die Auseinandersetzungen; Molotov-Cocktails fliegen in Ansammlung der Stalinisten.

13:50 MEZ Mitglieder der Bewegung „Den Plirono“ (ich bezahle nicht) ergirffen als erstes Initiative gegen einen stalinistischen „Sicherheitsposten“ in der Nähe des Hotel Great Britain. Dann kamen anti-autoritäre Blöcke, ebenso wie das anarchistische Komitee für soziale Selbstbestimmung.

Die Auseinandersetzungen eskalierten als Demonstranten versuchten das Parlament zu erreichen. Ein sehr großer anarchistischer Block griff die stalinistische Linie an. Sie stehen sich direkt am Hotel Great Britain gegenüber. Die Polizei feuert Tränengas. Die Auseinandersetzungen sind sehr ernst. Leuchtsignale wurden in die Menge gefeuert. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Anarchisten und Stalinisten fliegen Steine und Flaschen. Demonstranten versuchten durch die Reihen der stalinistischen Gewerkschaft PAME zu brechen und zum Parlament zu kommen. Am Syntagma Platz beleidigen die Stalinisten die Demonstranten und verprügeln einige. "


manmanman...

(und ja, die liveberichte stammen zwar von einer seite mit anarchistischen sympathien, werden aber durch andere livestreams bestätigt.)

*

edit: so, ich war jetzt ein paar stunden unterwegs und zwischendurch haben sich die nachrichten eher noch verschlechtert - inzwischen gibt es einen bestätigten
todesfall, und zwar eines dreiundfünfzigjährigen mannes und "pame"-mitglieds. es scheint medial zuerst davon berichtet worden zu sein, dass er aufgrund eines steinwurfs während der oben beschriebenen auseinandersetzungen einen herzinfarkt erlitten habe; das wurde offensichtlich als erstes von griechischen medien berichtet. der arzt des krankenhauses in athen, welches die erfolglose notfallbehandlung durchführte, sagt jedoch etwas anderes - von äusseren verletzungen sei nichts zu sehen und der infarkt hänge wohl hauptsächlich mit einer überdosis an eingeatmeten substanzen aus dem tränengas zusammen, welches von der polizei genutzt wird.

die situation im moment ist verworren und es ist von ferne betrachtet eine ähnliche unsicherheit zu konstatieren wie nach dem tod von drei bankangestellten bei den streiks und protesten im mai dieses jahres. es dürfte auch einige zeit dauern, um die heutigen auseinandersetzungen aufzudröseln, zumal auch berichte über den einsatz von "agent provocateurs" eingehen. das sollte nicht von den grundsätzlichen konflikten innerhalb der griechischen linken hinwegtäuschen, die sich heute zumindest z.t. manifestiert haben. jedenfalls müssen sich beide seiten an die nase fassen - die kke/pame wegen ihrer blockade einer möglichen aufstandssituation sowie ihrer schlägermethoden gegen (nicht nur) anarchistische und andere fraktionen aus der undogmatischen linken; letztere aber ebenso wg. des nicht zu tolerierenden einsatzes von molotov-cocktails gegen kommunistische gruppen, egal wie reaktionär diese sein mögen. und das schreibe ich deshalb, weil ich selbst mit nur rudimentären kenntnissen über die innerlinken konflikte in griechenland nicht ausschliessen kann, dass hier wirklich anarchistische militante agiert haben - und eben keine verkleideten cops, was natürlich eine weitere möglichkeit sein kann.

ich hoffe, es wird aus den beteiligten gruppen in griechenland direkt stellungnahmen geben.

*

edit 2: es ist ein einziges trauerspiel, was sich da gestern getan hat - und nach ansicht einiges bisher vorliegender berichte sehe ich keinen grund, meine einschätzungen zu revidieren - das folgende video zeigt ein teil des geschehens vor dem parlament:




ein anarchosyndikalistisches blog schreibt dazu:

"Die Stalinisten haben eine Kette gebildet. Sie stehen mit Baseballschlägern und Knüppeln bewaffnet VOR der Polizeikette und verhindern den Weitermarsch der Demonstranten auf das Parlament, die für gestern dessen Erstürmung angekündigt hatten. In Griechenland werden die Stimmen lauter die KKE und PAME als das bezeichnen was sie sind: totalitäre Rotfaschisten auf der Seite der kapitalistischen Ordnung. Parallelen zum Mai 1968 in Frankreich werden auffällig, als die dortige KP mit allen Mitteln gegen die wilden Streiks der Arbeiter und das Herannahen der sozialen Revolution agierte. In Griechenland besteht ohne Zweifel eine ähnliche Situation. Der Kapitalismus hat abgewirtschaftet und die Mehrheit der Menschen ist offen für anti-kapitalistische Ideen."

und ich sehe da tausende von nicht vermummten demonstranten aller altersklassen vor der - mit helmen und knüppeln ausgestatteten - kette der kke/pame.

btw: ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das attribut "stalinistisch" wirklich für die mehrheit zutreffend ist - tatsache ist aber, dass es sich bei der kke und ihrer gewerkschaft "pame" um eine hierarchisch und orthodox ausgerichtete kommunistische partei "alten" typs handelt, die die ganzen unheilvollen "traditionen" dieser parteien mit sich schleppt. was ebenso für die marginalisierte
dkp gilt, die ihrer "schwesterpartei" treu zur seite steht. die letzten sätze in ihrer erklärung können sie sich dabei in die haare schmieren, denn faktisch haben gestern die "kommunisten" aller wahrscheinlichkeit nach die parlamentsbeschlüsse in athen, die eine weitere spirale der verelendung einleiten werden, mit ihrem handeln überhaupt erst möglich gemacht. ebenso ist bezeichnend, dass sie in alter schlechter manier jeden militanten widerstand als polizeigesteuert hinstellen - und das ist in so einer totalität einfach bullshit und verdient das etikett verschwörungstheorie. natürlich gibt es polizeispitzel und under-cover-provokateure, und das nicht erst seit gestern. aber die welt ist nicht so einfach gestrickt, wie es ärgerlicherweise bspw. das opablog suggeriert. und damit ausblendet, dass es gestern nach verschiedenen berichten auch militantes handeln von sog. normalbürgerInnen in athen zu beobachten gab. ebenso wie es selbst hierzulande in der vergangenheit - gerne totgeschwiegen - an der startbahn west in frankfurt, in wackersdorf und gorleben der fall war.

aber es ist eine alte erfahrung mit solchen "kommunisten", dass ihnen spontaner - auch militanter - widerstand "von unten", unkontrolliert und vor allem nicht unter ihrer kontrolle (das ist der eigentliche und wesentliche aspekt - die machtfrage), nicht geheuer und ein greuel ist - das zieht sich von der russischen revolution über den spanischen bürgerkrieg und frankreich 1968 bis ins heutige athen. als eine konsequenz ergibt sich daraus nicht nur eine spaltung, sondern in ihrer terminologie auch eine "objektiv konterrevolutionäre" funktion - und zwar von ihnen selbst.

es hat gestern nacht wohl als reaktion in mehreren städten angriffe auf parteibüros der kke gegeben. und bei all dem ist nicht zu vergessen, dass die kke gestern nicht nur die "autonomen" oder anarchisten bekämpft hat, sondern so ziemlich alle oppositionellen kräfte, die nicht unter ihrer ägide stehen - von anderen linken splittergruppen wie trotzkisten angefangen bis hin zu breiten basisbewegungen wie "ich zahle nicht". es wird sich zeigen, wie das künftige verhältnis zwischen all diesen strömungen und der kke aussehen wird. so wie jetzt geht das jedenfalls nicht weiter.
monoma - 20. Okt, 15:39

und telepolis...

...hat eine ganz informative aktuelle zustandsbeschreibung aus dem land.

das vorgehen der stalinisten in athen ist deshalb so gravierend, weil sich bspw. selbst die "tagesschau" gestern genötigt sah, interviews mit demonstrantInnen (und zwar nicht vom "schwarzen block") zu bringen, die klipp und klar den sturz der regierung - und in der folge anullierung aller "vereinbarungen" mit iwf, eu etc. - forderten. in dieser phase geht es tatsächlich darum.

was die sog. "kommunisten" in diesem moment motiviert, sich da wortwörtlich quer zu stellen, erschliesst sich mir - natürlich von außen - kein stück.

spinne (Gast) - 20. Okt, 16:40

sorry, ich check da überhaupt nicht durch. wer sind denn diese "stalinisten"? gewerkschaftler? auch ich hörte in der tageschau, also auch dass sich die gewerkschaftler für einen sturz der regierung aussprachen.

gehts hier also um diese eine gruppierung? gehts um saboteure oder um agent provocateure

alles sehr verwirrend, für aussenstehende.

ps. mir sind bei der letzten demo in stuttgart ja diese ganzen zivilbeamten aufgefallen. also die standen da so vereinzelt am rand rum, allerdings in großer zahl. u. sie fielen einfach direkt auf, man roch es halt förmlich. da nutzten auch gefakte palitücher u. lange haare nix. (hab da ne richtige karikatur gesichtet, auweia!) will das hier mal nur so einwerfen. weil mir das so direkt auffiel, auch weil mich einer von denen mehrmals ablichtete u. der unterschied sich doc sehr von denen, die einach nur fotos machen. es war halt einfach auffällig, die zurückhaltung der polizei auf der einen seite (die ja sonst immer von oben alles filmt) u. diese ganzen zivilcops auf der andren seite in der menge.
proteste können bei uns ,wie wir ja alle wissen, nur mit gewalt niedergeschlagen werden, wenn gewalt von den protestlern ausgeht. kastanien u. so. ...da ist es sicher ratsam, um rechtzeitg zurückschlagen zu können, vorsorglich genügend gewaltpotental in die gruppen zu positionieren.

nur für den fall, sie machen irgendwann tatsächlich druck, stellen ernste forderungen u. so...
Wednesday - 21. Okt, 10:20

Wir sind geboren, um frei zu sein

Wenn ich solche Artikel lese, wird mir klar, daß es grössere Spekulationsperversitäten gibt, als ich sie mir ausmalen kann (wobei mich die Phantasie in Sachen Finanzen grundsätzlich im Stich lässt).

Auf den Strasssen ist in der Früh immer sehr viel los, alle hasten zur Schule, zur Arbeit, wir sind pflichtbewusst, viele haben anscheinend Spaß an all dem, mich hat das schon als Jugendliche erstaunt, dieses Treiben, in einer Millionenstadt ist das besonders deutlich zu beobachten. Es ist merkwürdig, wie "normal" es geworden ist, diese zielbewussten Menschenströme, daß man pünktlich aufsteht, zur Schule/Arbeit marschiert, diesen Drill nicht mehr in Frage stellt, sich in seiner Tätgikeit sogar erfüllt und zufrieden fühlt [ich red nicht von mir ;-)].

Ich kannte Leute, die ganz fassungslos reagierten, als ich sie fragte, ob sie sich ihr Leben nicht auch ohne Lohnarbeit vorstellen könnten. Nein! Was soll ich denn sonst den ganzen Tag machen!, hieß es oft. Ohne Disziplin gehts nun mal nicht!, hieß es gelegentlich von Seiten dener, denen man das System vielleicht regelrecht eingeprügelt hatte. Daß man alles mögliche Nützliche oder "Unnütze" auch ohne Geldsystem machen könnte, ist für anscheinend die meisten Hirne nicht zu verarbeiten, da setzt ein Stutzen und Stottern ein.

Warum sollte es nicht funktionieren? Und ich rede nicht von Tauschmärkten! Eben solche würden früher oder später wieder zur Einführung von handgreiflicher Währung führen. Nein, ein Miteinanderleben wie in "guter Nachbarschaft", in der man sich lange kennt, sich gegenseitig unterstützt, das kennt man z.B. aus Armenvierteln (Hochhäusern). Alle wichtigen Tätigkeiten, Aktionen, (soziale, handwerkliche, ernährungsnotwendige, medizinische) lassen sich aus Spaß an der Freude machen; warum sonst erlernt man zB eine soziale oder handwerkliche Tätigkeit, wenn man die Möglichkeit dazu hat, als aus Freude an dieser Art von Arbeit?

Um so ein System wachsen lassen zu können, müssen wir einiges verlernen: Streben nach Macht, Herrschaft, Übervorteilung, nach Übersättigung.

Ciao
Wednesday
monoma - 21. Okt, 15:13

und noch ein nachschlag...

von telepolis, der sowohl die indizien bezgl. der rolle der kke bestärkt als auch für das wahrscheinliche vorhandensein von polizeiprovokateuren spricht. das dürfte der realität insgesamt recht nahekommen.

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