notiz: sprachlos
vielleicht werfen Sie vor den nächsten sätzen nocheinmal einen blick hierauf, um ein gefühl für die verbreitung gewisser wahrnehmungsarten, die gewisse handlungsarten erst möglich machen, zu bekommen.
und jetzt setzen Sie sich besser gut hin - nicht nur ich bin bei der folgenden meldung kurzzeitig total fassungslos geworden:
es geht um die gesetzlichen regelungen für versuche mit pestiziden - keine medikamente - an menschen in den usa, zu denen in einem tp-artikel heute folgendes zu lesen ist:
"Menschenversuche werden nach Recherchen von Frontal21 bei Pestizidherstellern immer beliebter. Im Auftrag von Bayer etwa wurde Versuchspersonen in Holland ein radioaktiv versetztes Insektizid auf die Haut aufgetragen. Andere Versuchspersonen inhalierten das Insektizid Cyfluthrin - es findet sich etwa in dem Insektenspray Blattanex von Bayer."
in den usa ergab sich folgende entwicklung:
"Die Umweltbehörde akzeptiert nach heftigen Diskussionen seit 1998 keine von der Industrie finanzierten Forschungsergebnisse mit Versuchen an Menschen mehr. Die Vorteile solcher Tests an Menschen sind, dass keine Versuche an Tieren notwendig sind und die Einschätzung des Risikopotenzials genauer ist. Bei Tierversuchen muss berücksichtigt werden, dass diese weniger empfindlich für bestimmte Pestizide sein könnten. Der Sinn der Tests an Menschen für die Industrie ist einerseits Kostenersparnis und andererseits die Chance, die Grenzwerte hochsetzen zu können. Gegen die Entscheidung, Tests an Menschen nicht mehr zur Beurteilung zuzulassen, hatten die Pestizidhersteller 2002 Beschwerde eingelegt, nachdem die Umweltbehörde unter der neuen Bush-Regierung bereits an die National Academy of Sciences gewandt hatte, um das Verbot wieder zu lockern. Das Berufungsgericht entschied 2003, die EPA dürfe nur dann Ergebnisse der von der Industrie finanzierten Forschung zurückweisen, wenn sie für Versuche an Menschen klare Richtlinien vorgibt. Eine solche Richtlinie hat nun die EPA im September im Kontext von Pestizid-Tests veröffentlicht."
und das, was ist in diesen richtlinien offensichtlich enthalten ist, ist mit dem begriff "perfide" nur unzureichend beschrieben:
"Was eigentlich erst einmal ziemlich eindeutig klingt, erweist sich dann doch eher als Regelwerk zur Öffnung von Ausnahmen für das angeblich strikte Verbot, Tests an schwangeren Frauen und Kindern durchzuführen. Dabei werden Schutzmaßnahmen, die ansonsten für die medizinische Forschung vorgeschrieben sind, weit unterlaufen. So heißt es beispielsweise, dass der Independent Review Board (IRB) bei Kindern (unter 18 Jahren) überprüfen muss, ob die Zustimmung dieser zu den Tests erfolgt ist. Wenn aber "die Fähigkeit einiger oder aller Kinder so beschränkt ist, dass (man) sie nicht vernünftig befragen kann … so ist die Zustimmung der Kinder nicht zwingend für die Fortführung der Forschung." Doch selbst bei Kindern, die ihre Zustimmung geben könnten, wären Ausnahmen möglich. Zustimmen müssten auch die Erziehungsberechtigten. Bei Eltern würde es auch reichen, wenn nur ein Elternteil zustimmt."
aufgeweichte gesetzliche bestimmungen, wie sie in allen möglichen bereichen so zu finden sind also. deutlich bereits hier ein schwächerer status von kindern. das ist aber nicht alles:
"Es sind aber noch weitere Ausnahmen vorgesehen. So sollen Tests an Kindern oder Menschengruppen erlaubt sein, für die die Zustimmung der Eltern oder des Vormunds keine "vernünftige Anforderung für den Schutz der Versuchspersonen" darstellen. Als Beispiele werden "vernachlässigte oder missbrauchte Kinder" genannt."
ich lese einmal, stutze, ich lese zweimal, stutze wieder - und merke, wie die information dieser sätze sich sehr langsam mit ihrer vollen wucht als erkenntnis breit macht. was zum teufel steht da? steht da wirklich, dass irgendwelche bürokraten auf druck von konzernlobbys ernsthaft vorschlagen, vernachlässigte oder missbrauchte kinder als geeignete menschliche testobjekte für die wirkungen von schädlingsbekämpfungsmitteln zu betrachten? mit der "begründung", dass ja die (täter-)eltern dieser kinder sowieso nicht die geeigneten personen zum schutz derselben wären?
ja. genau das steht da.
haben Sie auch schon mal dran gedacht, einfach amok zu laufen, wenn die zumutungen der dingweltbewohner schier unerträglich werden?
"Vorgesehen ist auch, dass die Regeln für Tests, die außerhalb der USA durchgeführt werden, teilweise oder ganz ausgesetzt werden können. Danach können die Chemiekonzerne ihre Tests im Ausland durchführen lassen, wo es keine oder kaum Schutzmaßnahmen gibt. Die Ergebnisse würden dennoch anerkannt werden. Und wenn es sich um wissenschaftlich gültige, aber ethisch nicht korrekte Tests (ethically deficient) handelt, können diese herangezogen (werden), wenn die Umweltbehörde damit ihren Aufgaben nachkommen und beispielsweise Grenzwerte festlegen kann. Man würde dies auch gerne dann zulassen, wenn dabei schwangere Frauen und Kinder absichtlich Pestiziden ausgesetzt wurden."
sprachlos. hatte ich gestern von neidischen mafiosi geschrieben? nun, die eine mafia ist verboten.
und jetzt setzen Sie sich besser gut hin - nicht nur ich bin bei der folgenden meldung kurzzeitig total fassungslos geworden:
es geht um die gesetzlichen regelungen für versuche mit pestiziden - keine medikamente - an menschen in den usa, zu denen in einem tp-artikel heute folgendes zu lesen ist:
"Menschenversuche werden nach Recherchen von Frontal21 bei Pestizidherstellern immer beliebter. Im Auftrag von Bayer etwa wurde Versuchspersonen in Holland ein radioaktiv versetztes Insektizid auf die Haut aufgetragen. Andere Versuchspersonen inhalierten das Insektizid Cyfluthrin - es findet sich etwa in dem Insektenspray Blattanex von Bayer."
in den usa ergab sich folgende entwicklung:
"Die Umweltbehörde akzeptiert nach heftigen Diskussionen seit 1998 keine von der Industrie finanzierten Forschungsergebnisse mit Versuchen an Menschen mehr. Die Vorteile solcher Tests an Menschen sind, dass keine Versuche an Tieren notwendig sind und die Einschätzung des Risikopotenzials genauer ist. Bei Tierversuchen muss berücksichtigt werden, dass diese weniger empfindlich für bestimmte Pestizide sein könnten. Der Sinn der Tests an Menschen für die Industrie ist einerseits Kostenersparnis und andererseits die Chance, die Grenzwerte hochsetzen zu können. Gegen die Entscheidung, Tests an Menschen nicht mehr zur Beurteilung zuzulassen, hatten die Pestizidhersteller 2002 Beschwerde eingelegt, nachdem die Umweltbehörde unter der neuen Bush-Regierung bereits an die National Academy of Sciences gewandt hatte, um das Verbot wieder zu lockern. Das Berufungsgericht entschied 2003, die EPA dürfe nur dann Ergebnisse der von der Industrie finanzierten Forschung zurückweisen, wenn sie für Versuche an Menschen klare Richtlinien vorgibt. Eine solche Richtlinie hat nun die EPA im September im Kontext von Pestizid-Tests veröffentlicht."
und das, was ist in diesen richtlinien offensichtlich enthalten ist, ist mit dem begriff "perfide" nur unzureichend beschrieben:
"Was eigentlich erst einmal ziemlich eindeutig klingt, erweist sich dann doch eher als Regelwerk zur Öffnung von Ausnahmen für das angeblich strikte Verbot, Tests an schwangeren Frauen und Kindern durchzuführen. Dabei werden Schutzmaßnahmen, die ansonsten für die medizinische Forschung vorgeschrieben sind, weit unterlaufen. So heißt es beispielsweise, dass der Independent Review Board (IRB) bei Kindern (unter 18 Jahren) überprüfen muss, ob die Zustimmung dieser zu den Tests erfolgt ist. Wenn aber "die Fähigkeit einiger oder aller Kinder so beschränkt ist, dass (man) sie nicht vernünftig befragen kann … so ist die Zustimmung der Kinder nicht zwingend für die Fortführung der Forschung." Doch selbst bei Kindern, die ihre Zustimmung geben könnten, wären Ausnahmen möglich. Zustimmen müssten auch die Erziehungsberechtigten. Bei Eltern würde es auch reichen, wenn nur ein Elternteil zustimmt."
aufgeweichte gesetzliche bestimmungen, wie sie in allen möglichen bereichen so zu finden sind also. deutlich bereits hier ein schwächerer status von kindern. das ist aber nicht alles:
"Es sind aber noch weitere Ausnahmen vorgesehen. So sollen Tests an Kindern oder Menschengruppen erlaubt sein, für die die Zustimmung der Eltern oder des Vormunds keine "vernünftige Anforderung für den Schutz der Versuchspersonen" darstellen. Als Beispiele werden "vernachlässigte oder missbrauchte Kinder" genannt."
ich lese einmal, stutze, ich lese zweimal, stutze wieder - und merke, wie die information dieser sätze sich sehr langsam mit ihrer vollen wucht als erkenntnis breit macht. was zum teufel steht da? steht da wirklich, dass irgendwelche bürokraten auf druck von konzernlobbys ernsthaft vorschlagen, vernachlässigte oder missbrauchte kinder als geeignete menschliche testobjekte für die wirkungen von schädlingsbekämpfungsmitteln zu betrachten? mit der "begründung", dass ja die (täter-)eltern dieser kinder sowieso nicht die geeigneten personen zum schutz derselben wären?
ja. genau das steht da.
haben Sie auch schon mal dran gedacht, einfach amok zu laufen, wenn die zumutungen der dingweltbewohner schier unerträglich werden?
"Vorgesehen ist auch, dass die Regeln für Tests, die außerhalb der USA durchgeführt werden, teilweise oder ganz ausgesetzt werden können. Danach können die Chemiekonzerne ihre Tests im Ausland durchführen lassen, wo es keine oder kaum Schutzmaßnahmen gibt. Die Ergebnisse würden dennoch anerkannt werden. Und wenn es sich um wissenschaftlich gültige, aber ethisch nicht korrekte Tests (ethically deficient) handelt, können diese herangezogen (werden), wenn die Umweltbehörde damit ihren Aufgaben nachkommen und beispielsweise Grenzwerte festlegen kann. Man würde dies auch gerne dann zulassen, wenn dabei schwangere Frauen und Kinder absichtlich Pestiziden ausgesetzt wurden."
sprachlos. hatte ich gestern von neidischen mafiosi geschrieben? nun, die eine mafia ist verboten.
monoma - 19. Nov, 20:43
Zumutungen
> die zumutungen der dingweltbewohner schier unerträglich werden?
Amok nicht, aber endlos heulen könnt ich.
Evolutionspsychologie
Unglaublich, nicht? Die Gene sind schuld, ja, schon klar... Immerhin wird die Aussage abgeschwächt, fast sogar korrigiert, aber der normale Leser, so ist das leider, stelle ich immer wieder fest, behält eher das einfache Rezept im Gedächtnis. Und die königlichen Löwen.
Re: Evolutionspsychologie
Von Schuld ist hier noch keine Rede, bei der Erklärung durch evolutionsbedingte Faktoren steht die Suche nach den Ursachen im Vordergrund. Und wenn zwischen Stiefelternschaft und Kindesmisshandlung ein Kausalzusammenhang vorliegt, wie es die überdeutliche Korrelation vermuten lässt, dann kann dieses Wissen auch dazu verwendet werden, dass präventiv gearbeitet wird: Stiefelternschaft ist dann als Risikofaktor erkannt, was zum vermehrten Einsatz von Hilfs- und Unterstützungsangeboten für die Betroffenen führen sollte.
Die Verantwortung für sein Tun (um auf die Floskel "schuld ist.." zurückzukommen) liegt immer noch beim Täter selbst. Die Erklärung durch stammesgeschichtliches "Erbe" rechtfertigt oder entschuldigt gar nichts, aber den Einfluß dieser Faktoren anzuerkennen würde weiterhelfen.
Nachsatz: das ist nun alles schon ziemlich Offtopic in bezug auf den zugrundeliegenden tp-Artikel. Über den Artikel selbst bin ich fassungslos, schockiert, entsetzt, gelähmt. Wütend und traurig, dass so etwas möglich ist. Umso notwendiger ist es, verschiedene neue Ansätze einer menschengerechteren Anthropologie, wie etwa de Mause's Psychohistorie oder das Kontinuum-Konzept von Liedloff oder die Ausführungen von Arthur Janov, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen.
mfG, s
Ursache, Schuldfrage, Gottesurteil
Zum Thema des TP-Artikels, wie meist: "Ewiger Schrecken. Fortsetzung folgt."
W.