assoziation: piercing, tattoos, body modification - ein nachtrag
da meine gedanken zu diesem thema doch so einige kommentare ausgelöst haben, möchte ich das, was ich dazu im sinn habe, kurz präzisieren (mal von der tatsache abgesehen, dass "tatoo" mit doppel-o geschrieben wird - ähem...)
ich stimme etlichen der kommentierenden leserInnen zu - natürlich ist es auch eine modebewegung, die auch den üblichen vermarktungsmechanismen unterworfen ist bzw. sich durch eben diese mechanismen vermutlich erst durchsetzen konnte. aber das betrachte ich nur als einen aspekt - modewellen sind zumindest zum teil immer auch ausdruck kollektiver strömungen in teilen der gesellschaft, und brauchen diese basis schlicht und einfach - sonst könnten sie nicht existieren.
und vor diesem hintergrund gingen meine gedanken eher in die richtung, was für kollektive strömungen - verstanden als inszenierter ausdruck / verarbeitungsversuch weit verbreiteter realer erfahrungen - imstande sein können, ein verlangen nach doch mehr oder weniger schmerzhaften eingriffen am eigenen körper auszulösen. eingriffe zudem, deren jüngere ursprünge in der westlichen kultur in den genannten milieus zu suchen sind. was für zeichen benutzen also der ohrgepiercte banker oder polizist, die dezent tätowierte businessfrau?
es sind schlicht als "rebellisch" codierte zeichen, die aus welten der organisierten schmerzzufügung bzw. hinnahme zwecks lustgewinn (s/m) und der parallelwelt der mehr oder weniger organisierten kriminalität stammen.
rein sachlich also aus banden-strukturen, ohne die moralischen oder sonstigen wertungen bei diesem begriff jetzt zu berücksichtigen... ich halte "subkultur" für eine modernisierte version des wortes bande. wenn Sie sich nun einmal diesen hier schon früher erwähnten tp-artikel und meinen kommentar dazu anschauen, wird vielleicht deutlicher, warum ich die erklärung "modewelle" als zu oberflächlich ansehe. ich tendiere eher dazu, das, was allgemein unter "strukturen der organisierten kriminalität" oder auch mafia läuft, als eine weltweit zu beobachtende und geradezu typische folge von massentraumatisierungen besonders nach politischer/kriegerischer gewalt anzusehen - wie in diesem blog schon mehrfach aufgezeigt, greifen traumatische prozesse vor allem die menschlichen fähigkeiten zum sozialen an -das gesellschaften, in denen massentraumatisierungen vorkommen oder kamen, danach für kriminalität in diversen formen (als ausdruck der durch das kollektive trauma geförderten antisozialität) und, damit einhergehend, bandenbildung (die auch verschiedene formen annehmen kann - vielleicht sogar die form eines sog. multinationalen konzerns...?) anfälliger werden, lässt sich imo sogar statistisch belegen - in meinem kommentar bei tp habe ich ein paar beispiele erwähnt. vielleicht wird es jetzt klarer, warum ich zu meinen gedanken gekommen bin? das heißt jetzt - wie schon gesagt - im umkehrschluß nicht, dass alle gepiercten und tätowierten menschen derart ihre persönlichen traumata zur schau stellen. aber womöglich bestimmte kollektive strömungen ausagieren, die mit den erwähnten prozessen sehr viel zu tun haben.
zweite frage in diesem zusammenhang: ist das "modische" piercing bzw. tattoo gleichzusetzen mit dem extrempiercing bzw. dem, was unter body modification läuft?
"In der jugendlichen Subkultur der USA hat das Interesse an Body Modification in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen. Über „Conventions" und „Netzwerke" breitet sich der Trend derzeit „bis ins letzte Kaff" aus, berichtet der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke, der den bislang vor allem in Amerika grassierenden Verstümmelungskult wissenschaftlich zu ergründen versucht.
Mit Tätowierungen und Piercings haben die planvollen Selbstverletzungen nicht mehr viel gemein. In vielen Bodmod-Studios hängt der Geruch von verbranntem Fleisch in der Luft, weil selbst ernannte Folterknechte die Körper ihrer Klienten mit rot glühenden Eisen traktieren („Branding").
Extreme Gewebedehnungen („Stretchings") und Genitalpiercings zeichnen Bodmod-Anhänger bis an ihr Lebensende. Gewebeschnitte („Cuttings"), bei denen die Wunden häufig mit Mineralpulver oder Meersalz eingerieben und wiederholt nachgeschnitten werden, um die Narbenbildung zu verstärken, zaubern bleibende Versehrungen auf die Haut. „Es scheint ein Bedürfnis nach bizarren Körperritualen zu geben", erklärt der Kriminalbiologe, „das in unserer Gesellschaft nicht gestillt wird."
Vieles wird auf Video festgehalten, weil die blutigen Akte nicht beliebig wiederholbar sind. Anders als an der amerikanischen Ostküste finden die Selbstverstümmelungen in den Metropolen im Westen oft als rituelle „Sessions" und „Performances" vor handverlesenem Publikum statt.
Die Kontrolle über den Schmerz ist den Folter-Fans wichtiger als ein möglicher sexueller Reiz. „Mit Sadomasochismus", erläutert Benecke, „haben die meisten in der Szene nichts am Hut." Europäische Betrachter reagieren auf die Verstümmelungspraktiken geschockt. Über ein Jahr lang hat Benecke am Rechtsmedizinischen Institut der Stadt New York gearbeitet. In seiner Freizeit interviewte er Anhänger des Bodmod-Kults. Als er das Ergebnis seiner Recherchen kürzlich auf einer Tagung deutscher Rechtsmediziner in Frankfurt am Main präsentierte, waren selbst abgebrühte Obduktionsexperten über die gezeigten Bilder bestürzt.
Beim Kongress anwesende forensische Psychiater murmelten angesichts der Verstümmelungen ratlos von „Borderline-Persönlichkeiten". Sind die Selbstverstümmler also nur psychisch Kranke? Dann müssten Persönlichkeitsstörungen bei Urvölkem die Regel sein. Denn die Gewohnheit, den menschlichen Körper als Mal-, Brand- und Schneidegrund zu betrachten, ist fast so alt wie der Mensch selbst. Auf ägyptischen Mumien etwa haben Archäologen Spuren von Tätowierungen, Schmucknarben und Nabelpiercings entdeckt. Die mittelamerikanischen Mayas durchbohrten bei rituellen Feiern Penis oder Zunge. Die noch weichen Schädelknochen ihrer Säuglinge und Kleinkinder wurden dem herrschenden Schönheitsideal entsprechend verformt. Nordamerikanische Indianer baumelten beim "Sonnentanz", der so genannten 0-Kee-Pa-Zeremonie, an Fleischerhaken, die sie sich durch Brusthaut und -muskeln trieben. Extreme Gewebedehnungen sind noch heute in vielen afrikanischen Kulturen weit verbreitet. Narbenmuster auf der Haut signalisieren Stammeszugehörigkeit, sozialen Rang, durchlaufene Lebensstadien oder die Intaktheit des Immunsystems. „Wir alle machen etwas mit unserem Körper", sagt Enid Schildkrout, Anthropologe am Amerikanischen Museum für Naturgeschichte in New York, „um anderen zu zeigen, wer wir sind - selbst wenn wir uns nur die Haare kämmen."
Verstümmelungstraditionen sind aber beileibe nicht auf entlegene Regionen und vergangene Kulturen beschränkt. Auch Mitglieder schlagender Verbindungen sind stolz darauf, sich durch die Mensur prachtvolle Narben zuzufügen. Bis heute steht der Schmiss in bestimmten Kreisen für Maskulinität, Unerschrockenheit und gehobenen sozialen Status. Früher waren viele Frauen ganz wild auf die Narbenträger: „Ein Renommier-Schmiss zeigte", so der US-Historiker Kevin McAleer, „dass sein Träger Mut und Ausbildung besitzt - und damit ein guter Bräutigam ist." Einige der Männerbündler tauchen gelegentlich noch heute bei plastischen Chirurgen auf, um sich ihre Narben kunstvoll nachbessern zu lassen. Auch das Nipple-Piercing ist ein alter Brauch, den vermutlich schon die Offiziere der römischen Legionen praktizierten."
meine antwort auf die oben gestellte frage: nein. wobei ich das, was hier als body modification beschrieben wird, als quasikern dessen ansehe, was in piercing- und tatoostudios heute in den milderen varianten so abläuft. dabei ist der obige hinweis auf verstümmelungstraditionen älterer kulturen deswegen interessant, weil z.b. lloyd deMause gerade die benannten kulturen als außerwestliche beispiele für weit verbreiteten infantizid - absolut üblen bis mörderischen umgang mit kindern und babys - benennt, und die genannten rituale als re-inszenierung traumatischer erfahrungen begreift.
und die als "initiationsriten" zu verstehenden erwähnten rituale westlicher männerbünde bzw. -banden gerade militärischer bzw. militaristischer prägung lassen sich ebenfalls in den oben erwähnten kontexten begreifen - elemente von re-inszenierungen bzw. simulierten neugeburten - unter bewusster und rigider abgrenzung zum "alten" leben mit seinen vermutlich vielfach schmerzhaften erfahrungen - lassen sich imo ohne große probleme finden. ich sehe sogar zusammenhänge zur existenz virtueller welten - die bewegungen hin zur neukonstruktion des eigenen selbst sowie die vielfältigen manipulationen am eigenen körper ähneln sich imo sehr.
ich hoffe, es ist insgesamt etwas deutlicher geworden, warum ich das sage, was ich sage? ich bin noch etwas angeschlagen von einer schweren erkältung die tage, und möglicherweise durch eine gewisse matschigkeit im kopf nicht ganz in der lage, gedankengänge auf den für mich genauen punkt zu bringen. aber das wird sich hoffentlich bald wieder ändern.
ich stimme etlichen der kommentierenden leserInnen zu - natürlich ist es auch eine modebewegung, die auch den üblichen vermarktungsmechanismen unterworfen ist bzw. sich durch eben diese mechanismen vermutlich erst durchsetzen konnte. aber das betrachte ich nur als einen aspekt - modewellen sind zumindest zum teil immer auch ausdruck kollektiver strömungen in teilen der gesellschaft, und brauchen diese basis schlicht und einfach - sonst könnten sie nicht existieren.
und vor diesem hintergrund gingen meine gedanken eher in die richtung, was für kollektive strömungen - verstanden als inszenierter ausdruck / verarbeitungsversuch weit verbreiteter realer erfahrungen - imstande sein können, ein verlangen nach doch mehr oder weniger schmerzhaften eingriffen am eigenen körper auszulösen. eingriffe zudem, deren jüngere ursprünge in der westlichen kultur in den genannten milieus zu suchen sind. was für zeichen benutzen also der ohrgepiercte banker oder polizist, die dezent tätowierte businessfrau?
es sind schlicht als "rebellisch" codierte zeichen, die aus welten der organisierten schmerzzufügung bzw. hinnahme zwecks lustgewinn (s/m) und der parallelwelt der mehr oder weniger organisierten kriminalität stammen.
rein sachlich also aus banden-strukturen, ohne die moralischen oder sonstigen wertungen bei diesem begriff jetzt zu berücksichtigen... ich halte "subkultur" für eine modernisierte version des wortes bande. wenn Sie sich nun einmal diesen hier schon früher erwähnten tp-artikel und meinen kommentar dazu anschauen, wird vielleicht deutlicher, warum ich die erklärung "modewelle" als zu oberflächlich ansehe. ich tendiere eher dazu, das, was allgemein unter "strukturen der organisierten kriminalität" oder auch mafia läuft, als eine weltweit zu beobachtende und geradezu typische folge von massentraumatisierungen besonders nach politischer/kriegerischer gewalt anzusehen - wie in diesem blog schon mehrfach aufgezeigt, greifen traumatische prozesse vor allem die menschlichen fähigkeiten zum sozialen an -das gesellschaften, in denen massentraumatisierungen vorkommen oder kamen, danach für kriminalität in diversen formen (als ausdruck der durch das kollektive trauma geförderten antisozialität) und, damit einhergehend, bandenbildung (die auch verschiedene formen annehmen kann - vielleicht sogar die form eines sog. multinationalen konzerns...?) anfälliger werden, lässt sich imo sogar statistisch belegen - in meinem kommentar bei tp habe ich ein paar beispiele erwähnt. vielleicht wird es jetzt klarer, warum ich zu meinen gedanken gekommen bin? das heißt jetzt - wie schon gesagt - im umkehrschluß nicht, dass alle gepiercten und tätowierten menschen derart ihre persönlichen traumata zur schau stellen. aber womöglich bestimmte kollektive strömungen ausagieren, die mit den erwähnten prozessen sehr viel zu tun haben.
zweite frage in diesem zusammenhang: ist das "modische" piercing bzw. tattoo gleichzusetzen mit dem extrempiercing bzw. dem, was unter body modification läuft?
"In der jugendlichen Subkultur der USA hat das Interesse an Body Modification in den vergangenen fünf Jahren stark zugenommen. Über „Conventions" und „Netzwerke" breitet sich der Trend derzeit „bis ins letzte Kaff" aus, berichtet der Kölner Kriminalbiologe Mark Benecke, der den bislang vor allem in Amerika grassierenden Verstümmelungskult wissenschaftlich zu ergründen versucht.
Mit Tätowierungen und Piercings haben die planvollen Selbstverletzungen nicht mehr viel gemein. In vielen Bodmod-Studios hängt der Geruch von verbranntem Fleisch in der Luft, weil selbst ernannte Folterknechte die Körper ihrer Klienten mit rot glühenden Eisen traktieren („Branding").
Extreme Gewebedehnungen („Stretchings") und Genitalpiercings zeichnen Bodmod-Anhänger bis an ihr Lebensende. Gewebeschnitte („Cuttings"), bei denen die Wunden häufig mit Mineralpulver oder Meersalz eingerieben und wiederholt nachgeschnitten werden, um die Narbenbildung zu verstärken, zaubern bleibende Versehrungen auf die Haut. „Es scheint ein Bedürfnis nach bizarren Körperritualen zu geben", erklärt der Kriminalbiologe, „das in unserer Gesellschaft nicht gestillt wird."
Vieles wird auf Video festgehalten, weil die blutigen Akte nicht beliebig wiederholbar sind. Anders als an der amerikanischen Ostküste finden die Selbstverstümmelungen in den Metropolen im Westen oft als rituelle „Sessions" und „Performances" vor handverlesenem Publikum statt.
Die Kontrolle über den Schmerz ist den Folter-Fans wichtiger als ein möglicher sexueller Reiz. „Mit Sadomasochismus", erläutert Benecke, „haben die meisten in der Szene nichts am Hut." Europäische Betrachter reagieren auf die Verstümmelungspraktiken geschockt. Über ein Jahr lang hat Benecke am Rechtsmedizinischen Institut der Stadt New York gearbeitet. In seiner Freizeit interviewte er Anhänger des Bodmod-Kults. Als er das Ergebnis seiner Recherchen kürzlich auf einer Tagung deutscher Rechtsmediziner in Frankfurt am Main präsentierte, waren selbst abgebrühte Obduktionsexperten über die gezeigten Bilder bestürzt.
Beim Kongress anwesende forensische Psychiater murmelten angesichts der Verstümmelungen ratlos von „Borderline-Persönlichkeiten". Sind die Selbstverstümmler also nur psychisch Kranke? Dann müssten Persönlichkeitsstörungen bei Urvölkem die Regel sein. Denn die Gewohnheit, den menschlichen Körper als Mal-, Brand- und Schneidegrund zu betrachten, ist fast so alt wie der Mensch selbst. Auf ägyptischen Mumien etwa haben Archäologen Spuren von Tätowierungen, Schmucknarben und Nabelpiercings entdeckt. Die mittelamerikanischen Mayas durchbohrten bei rituellen Feiern Penis oder Zunge. Die noch weichen Schädelknochen ihrer Säuglinge und Kleinkinder wurden dem herrschenden Schönheitsideal entsprechend verformt. Nordamerikanische Indianer baumelten beim "Sonnentanz", der so genannten 0-Kee-Pa-Zeremonie, an Fleischerhaken, die sie sich durch Brusthaut und -muskeln trieben. Extreme Gewebedehnungen sind noch heute in vielen afrikanischen Kulturen weit verbreitet. Narbenmuster auf der Haut signalisieren Stammeszugehörigkeit, sozialen Rang, durchlaufene Lebensstadien oder die Intaktheit des Immunsystems. „Wir alle machen etwas mit unserem Körper", sagt Enid Schildkrout, Anthropologe am Amerikanischen Museum für Naturgeschichte in New York, „um anderen zu zeigen, wer wir sind - selbst wenn wir uns nur die Haare kämmen."
Verstümmelungstraditionen sind aber beileibe nicht auf entlegene Regionen und vergangene Kulturen beschränkt. Auch Mitglieder schlagender Verbindungen sind stolz darauf, sich durch die Mensur prachtvolle Narben zuzufügen. Bis heute steht der Schmiss in bestimmten Kreisen für Maskulinität, Unerschrockenheit und gehobenen sozialen Status. Früher waren viele Frauen ganz wild auf die Narbenträger: „Ein Renommier-Schmiss zeigte", so der US-Historiker Kevin McAleer, „dass sein Träger Mut und Ausbildung besitzt - und damit ein guter Bräutigam ist." Einige der Männerbündler tauchen gelegentlich noch heute bei plastischen Chirurgen auf, um sich ihre Narben kunstvoll nachbessern zu lassen. Auch das Nipple-Piercing ist ein alter Brauch, den vermutlich schon die Offiziere der römischen Legionen praktizierten."
meine antwort auf die oben gestellte frage: nein. wobei ich das, was hier als body modification beschrieben wird, als quasikern dessen ansehe, was in piercing- und tatoostudios heute in den milderen varianten so abläuft. dabei ist der obige hinweis auf verstümmelungstraditionen älterer kulturen deswegen interessant, weil z.b. lloyd deMause gerade die benannten kulturen als außerwestliche beispiele für weit verbreiteten infantizid - absolut üblen bis mörderischen umgang mit kindern und babys - benennt, und die genannten rituale als re-inszenierung traumatischer erfahrungen begreift.
und die als "initiationsriten" zu verstehenden erwähnten rituale westlicher männerbünde bzw. -banden gerade militärischer bzw. militaristischer prägung lassen sich ebenfalls in den oben erwähnten kontexten begreifen - elemente von re-inszenierungen bzw. simulierten neugeburten - unter bewusster und rigider abgrenzung zum "alten" leben mit seinen vermutlich vielfach schmerzhaften erfahrungen - lassen sich imo ohne große probleme finden. ich sehe sogar zusammenhänge zur existenz virtueller welten - die bewegungen hin zur neukonstruktion des eigenen selbst sowie die vielfältigen manipulationen am eigenen körper ähneln sich imo sehr.
ich hoffe, es ist insgesamt etwas deutlicher geworden, warum ich das sage, was ich sage? ich bin noch etwas angeschlagen von einer schweren erkältung die tage, und möglicherweise durch eine gewisse matschigkeit im kopf nicht ganz in der lage, gedankengänge auf den für mich genauen punkt zu bringen. aber das wird sich hoffentlich bald wieder ändern.
monoma - 29. Nov, 17:18
----------------------
In diesem Zusammenhang ist eine weitere Form interessant:
"Ein 39-jähriger Deutscher [...] sucht „nach einer Möglichkeit, meine innere Identität als Mensch mit einer Querschnittlähmung zu realisieren und somit psychische Heilung zu erlangen."
http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/756/64692/
@che
aber auch, wenn die freude an der kunst am eigenen körper eine rolle spielen mag (wobei mir da eher die körpermalerei aus den hippiezeiten in den sinn kommen würde) - der fakt bleibt, dass es doch eine bemerkenswerte entwicklung in den letzten zwei bis drei jahrzehnten gegeben hat. vielleicht warst du ja auch in 70ern "bravo"-leser *g* und kannst dich an die fast in jeder ausgabe vorhandenen kleinanzeigen erinnern, in denen für die entfernung von tattoos geworben wurde? oder wie ca. 1977 ein typ wie "rocky" aus hamburg, volltätowiert, iroschnitt und nasenpiercing, von der "bravo" als skurrilität gehypt wurde, der heute vermutlich fast kein aufsehen mehr erregen würde?
seefahrer- und knastmilieu, also antibürgerliche welten, waren wie gesagt auch die assoziationen von uns kids damals. und die typische symbolik dieser welten hat sich also als normalität auf faktisch alle gesellschaftlichen bereiche ausgedehnt - und zwar unter verschärften und haarsträubenden sozialen bedingungen. dieser zusammenhang ist es, der mich zum nachdenken bringt.
die ganz offen schmerzerzeugenden und/oder gar verstümmelnden praktiken habe ich dabei noch nicht mal so im blick, weil da die motivationen/hintergründe für mich sehr deutlich zu sein scheinen. aber die modifizierten und milderen formen als mainstreamereignis - darüber wird mir zuwenig geredet.
ich kann zum thema auch die schilderungen von solschenyzin im "archipel gulag" empfehlen, in denen er die welt der erklärt kriminellen häftlinge beschreibt. ebenfalls greift ein aktueller tp-artikel das gangwesen und seine ausbreitung auf den amerikanischen kontinenten auf, zu dem die erwähnten maras gezählt werden müssen.
mir geht es dabei keinesfalls um die sorge für die bürgerlich-kapitalistische gesellschaft, die sich eh bereits in der sackgasse befindet (zombienation...). aber ich kann in der verbreitung von praktiken (nicht nur) aus dem gangwesen auch nicht unbedingt eine emanzipatorische tendenz erkennen, sondern sehe eher die im ausgangsbeitrag geschilderten zusammenhänge, die bei mir ziemlich ungute gefühle wecken.