wildwuchs - 9. Sep, 20:59

nach diesem beitrag hab ich mir glatt wieder klaus theweleits 'männerphantasien' aus dem regal geholt - dort geht es ja auch u.a. darum, dass "Prügel dem soldatischen Mann etwas äusserst Vertrautes" (334) sind....

monoma - 10. Sep, 12:19

ja, alleine schon von den reinen historischen fakten her...

...macht ein vergleich gerade der methoden der damaligen kinder"erziehung" (die später im militär in modifizierter form eigentlich bruchlos weiter angewandt wurden) durchaus sinn. bei den - primär psychoanalytisch motivierten - schlüssen jedoch, die theweleit vor jetzt fast immerhin 30 jahren gezogen hat, gibt es imo aus heutiger sicht einiges zu korrigieren.
che2001 (Gast) - 11. Sep, 14:55

Militärstrafen wie das Auspeitschen mit der neunschwänzigen Katze oder Spießrutenlaufen sind sicher noch etwas Anderes, als eine Fortsetzung der damaligen brutalen Methoden der Kindererziehung. Es ist ein existenzieller Unterschied, ob jemand mit einer Rute geschlagen wird, oder ob jemandem die Rückenmuskeln freigelegt werden. Der Grundansatz stimmt natürlich.

@Theweleit: Was ist daran heute nicht mehr aktuell?
Würde mich sehr interessieren!
monoma - 11. Sep, 15:57

also,...

...wenn ich mir so die nicht nur von deMause ermittelten straf- und erziehungsmethoden in d-land anschaue, dann finde ich die einschätzung als eine art fortsetzung schon berechtigt - werde dazu die nächste zeit vielleicht noch entsprechendes material nachreichen. es geht hier bei weitem nicht nur um schläge mit der rute. das im militärischen bereich spezifische methoden der strafe und demütigung im gebrauch waren, stimmt natürlich.

theweleit: das wäre eigentlich ein eigener artikel, aber ich versuche mal ein paar punkte kurz zu umreißen.

erstens konnte er damals noch nichts vom heutigen wissen der psychotraumatologie verarbeiten - seine in den männerphantasien vorhandene aussage, dass nicht der krieg, sondern primär die wilhelminischen erziehungspraktiken die soldatischen männer geprägt hätten, müsste imo mindestens ergänzt werden - es besteht so langsam heute immerhin ein bewußtsein über kriegsbedingte traumaschäden, allerdings unter vernachlässigung dessen, was ich hier schon öfter als täter-opfer-dialektik benannt habe: im zentrum der aufmerksamkeit stehen meistens diejenigen der veteranen, die durch ihre teils schwere symptomatik als opfer offen wahrnehmbar sind. aber nicht nur im militärischen bereich ist es nun mal so, dass gerade traumatisierte männer auch öfter in ihrem weiteren leben als täter agieren können - als relativ aktuelles beispiel würde mir da zb. das hier einfallen.

nun ist die heutige situation der gi`s nicht unbedingt mit den damaligen soldaten des wk1 zu vergleichen, aber das prinzip des möglichen destruktiven ausagierens lässt sich schon auch damals finden - die freikorps und später die naziverbände dürften eine art unheilvoller stabilisierender funktion - durch die gewohnte "zucht und ordnung" - auf derart massiv geschädigte männer ausgeübt haben, die diese davor "bewahrt" haben dürfte, so zu enden wie die kriegszitterer - und es ihnen ermöglicht hat, mittels reinem destruktiven ausagieren in den (prä-)faschistischen verbänden weiter zu funktionieren. und diese geschichte müsste wie gesagt ergänzend zu den erziehungspraktiken im kaiserreich genannt werden - auch, wenn das eine wahrscheinlich auf dem anderen sogar aufbaut.

ich war vor ein paar jahren mal auf einem kleinen kongreß zum thema trauma und geschichte, bei dem u.a. gerhard vinnai einen vortrag zu den kriegszitterern gehalten hat und dabei auch einen alternativen erklärungsansatz zu den von theweleit ebenfalls ja ausführlich analysierten schlamm-, sumpf-, und ähnlichen metaphern vorgestellt hat, die sich in der zwischenkriegsliteratur der soldatischen männer ja zur genüge finden. er begründete diese auffällige sprachwelt mit den vielen phasen des stellungskrieges, die mit teils sehr langem ausharren in verschlammten gräben und sumpfigen gelände verbunden waren, unterbrochen von teils heftigen feuerüberfällen, in denen die truppen zur passivität verdammt waren (genau aus solchen situationen stammen wahrscheinlich tatsächlich viele symptome der als solche wahrgenommenen traumatisierten soldaten; ich habe während meiner beruflichen tätigkeit u.a. auch einblick in die krankenakten eines damaligen armeelazarettes - eine umfunktionierte psychiatrische "heil- und pflegeanstalt" - nehmen können, und da war genau diese situation immer wieder thema).

kurz: er hielt es für wahrscheinlich, dass es sich bei den hartnäckigen metaphern quasi um den ausdruck unverarbeiteter traumatischer erinnerungen handelt. und ergänzend zu theweleits ansatz finde ich das nicht unwahrscheinlich.

die größten ergänzungen bzw. auch korrekturen sehe ich aber bei einigen psychoanalytischen modellen, mit denen theweleit damals gearbeitet hat - das würde aber gerade den rahmen hier sprengen.

ps. danke auch für deinen hinweis bezgl. taliban/al-quaida. ich habe die passage bei deMause zunächst so verstanden, dass er tatsächlich die taliban-führung zusätzlich zu bin laden meinte - aber was ich bisher zu mullah omar und co. recherchiert habe, rechtfertigt seine aussage nicht. dürfte dann entweder ein luschiger fehler im original oder aber bei der übersetzung sein (letztere gibt es öfter, was ich ärgerlich finde).

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