Schon lange frage ich mich - wer da wen be- bzw. verurteilt ...
und/oder sich vielleicht selbst mit seinen Worten spiegelt. Schon seit ein oder zwei Jahren lese ich zeitweise in diesem Blog und nun nach ein paar Monaten Abwesenheit bemerke ich - keinesfalls verwundert - wie sehr mir die Artikel aus der Seele sprechen.
Gerade die Definitionen zur Spaltung gegenüber Verdrängung sind mir bestenfalls noch intelektuell zugänglich. In der Praxis und mit dem Herzen bleiben mir diese Definitonen ein Rätsel. Denn wenn ich verdränge - was ja bedeutet, dass ich alles daran setze keinen Zugriff auf das "Unerwünschte" mehr zu haben - ist der Effekt äußerlich doch keinesfalls von einer Spaltung (so diese denn in der Praxis und nicht nur in "schlauen" Köpfen existiert) zu unterscheiden. Oder irre ich hier? Mir ist einfach nicht klar - wie ich etwas verdrängen kann und mir gleichzeitig meiner Erwartungen und Erinnerungen gewahr bleiben können sollte. Oder soll ich "nur Gefühle" verdrängen - den Rest aber nicht?
Manchmal drängt sich mir der Verdacht auf hier wird "Gefühle zulassen" in (fast?) jedem Fall mit "Gefühle in Handlungen" umsetzen gleichgesetzt. Ich weiß nur eines: seit ich die gutgemeiten Ratschläge von vielen meiner Mitmenschen über Board geworfen habe und meinen eigenen Weg suche - entdecke ich, dass unterdrückte Gefühle - sehr viel Destruktives bewirken können - wenn sie nicht mal sich selbst gegenüber mehr eingestanden werden können/dürfen.
Leiden ist nicht schön. Aber so-tun-als-ob man nicht leidet ist schrecklicher.
Liebe Grüße
Tamara
sansculotte - 27. Mai, 11:29
Verdrängung <-> Spaltung
Hmm, mal so grob gesagt: bei der Verdrängung ist ein grundsätzlich stabiles Ich vorhanden, das diese Verdrängung betreibt. Bei der Spaltung kann man nicht mehr von einer grundlegenden Identität sprechen, da gibt es viele wechselnde Identitäten oder 'Ichs'.
Wie ist das fühlbar? Nach der Freud'schen Psychodynamik wird Verdrängung als ständiges Unbehagen wahrgenommen, mal schwerer, mal leichter, und zwar vom "'Ich" empfunden. Nach der Theorie der Borderline wird Spaltung gar nicht wahrgenommen. Da ist kein Kern-Ich, das diese Spaltung wahrnehmen könnte. Geht schon sehr in Richtung MPS (Multiple Persönlichkeit ).
Anmerkung zu den Gefühlen: mit den Gefühlen verdrängt man auch Erinnerung, Das eine ist ohne das andere nicht möglich. Traumatische Amnesie, das Nicht-erinnern-Können, gibt es deswegen, weil die Gefühlsreaktion auf das Trauma nicht auszuhalten war. Ich finde es heute deswegen angemessener, von "Abspaltung" zu sprechen, wobei dieser Ausdruck beides - Verdrängung und Spaltung - umfasst - und zwischen diesen beiden Formen der Traumareaktion der Unterschied eigentlich "nur" im Schweregrad des Trauma begründet ist.
Tamara (Gast) - 28. Mai, 13:42
Und wer beurteilt - ob eine Spaltung nicht wahrgenommen wird?
Gilt das für den Moment? Oder über weite Strecken? Also wenn meine Gefühle sehr intensiv sind werden sie "wahrer" auf der Gefühlsebene - was sich natürlich wieder ändert/relativiert, wenn ich von der Palme wieder heruntersteige.
Was ich mit meinem Kommentar oben gern deutlich machen wollte ist die Problematik der Beurteilung von Außen. Zu oft habe ich erlebt, dass Ärzte nach ein paar Minuten sich in der Lage fühlten Diagnosen bzw. Verdachtsdiagnosen zu stellen, die u.a. das gesamte Leben des Patienten prägen können. Nicht nur bei mir - sondern auch bei vielen Menschen in meiner Umgebung. Mir wird der Mensch um den es geht oft zu wenig mit einbezogen.
Außerdem wer sagt denn, dass jemand der "abspaltet" des immer tut und/oder ob da keine "Identität" mehr ist. Beispiel Borderline: Hier wird oft von gewollter "Manipulation" oder von "Suche nach Aufmerksamkeit" geschrieben. Also mir ist folgendes nicht klar: Brauchen wir alle nicht Aufmerksamkeit? Was ist wenn die "Manipulation" (die ja oft Absicht unterstellt wird) verwechselt wird mit der einzigen Methode, die noch funktioniert zumindest etwas Zuwendung zu bekommen und/oder eine Gefühle auszudrücken? Selbst wenn es eher "negative" Zuwendung sein sollte? Was wenn ein Mensch nicht gelernt hat seine Gefühle zu beschreiben? Sie empfindet, aber keine Worte dafür hat, die "Andere" auch verstehen? Mir fällt auf diese Fragen gelten auch für andere "Problematiken".
Um hier kein zu einseitiges Bild zu entwerfen: Ich spreche über die Dinge die meiner Ansicht nach fraglich sind. Also das was ich persönlich hinterfrage. Ich habe auch positvie Erfahrungen mit Ärzten gemacht - wenige - aber immerhin. Diese Menschen hatten eine bemerkenswerte Eigenschaft gemeinsam: Sie interessierten sich für den jeweiligen Menschen, dessen Probleme, dessen Wünsche und Deutungen UND NICHT für die Diagnose.
da ich in meinem allernächsten umfeld praktisch täglich mit traumainduzierter dissoziation (welche in der extremform mps bedeutet) zu tun habe, möchte ich widersprechen: eine dissoziierte persönlichkeit lässt sich zwar in einem gewissen sinne auch als eine gespaltene begreifen; der in der psychoanalytischen theorie vorhandene begriff der spaltung meint imo aber etwas anderes.
bei einer traumatischen dissoziation ist es nicht unbedingt so, das überhaupt kein "kern-selbst" vorhanden ist; eher sind die in den dissoziativen phasen urplötzlich dominierenden anteile als repräsentanten "eingefrorener" traumatischer erinnerungen zu begreifen, in denen auch die zum zeitpunkt der traumatisierung vorhandene persönlichkeitsstruktur gleichfalls "eingefroren" wurde. und das ist der grund dafür, warum bspw. in einem erwachsenen menschen bei einem entsprechenden trigger auf einmal ein kleines leidendes kind die aktuelle realitätswahrnehmung quasi überlagern kann - so jemand ist dann wahrnehmungsmäßig für eine gewisse zeit das kleine kind.
das aktuelle "ich" (besser: selbst) sehe ich in diesem moment eher durch eine art traumatische amnesie stillgelegt, und eben nicht abgespalten.
das konzept der spaltung ist tatsächlich schwer zu begreifen (ich weiß aus meiner zeit in der psychiatrie noch, wie wir als patientInnen uns dauernd darüber in die haare geraten sind ;-) ; und macht eigentlich in meiner perspektive tatsächlich nur dann sinn, wenn eine persönlichkeitsstruktur vorliegt, die der als-ob-struktur gleicht: verdrängung hat ihren - u.u. auch sehr körperlichen - ausdruck und darüber auch eine gewisse ständige präsenz; spaltung hingegen scheint für die spaltenden dem äußeren eindruck nach ziemlich folgenlos zu bleiben, was dann verständlich wird, wenn elementarste selbstwahrnehmungsfähigkeiten nicht (mehr) vorhanden sind, und in der konsequenz eben auch nicht mehr von einem "selbst" im eigentlichen sinne gesprochen werden kann.
eine als-ob oder simulative persönlichkeit kann zwar mit mps verwechselt werden (durch die oberflächlich ähnlich erscheinenden "sprünge" der erscheinungsform), aber die innere struktur scheint mir doch ziemlich unterschiedlich zu sein.
Schon lange frage ich mich - wer da wen be- bzw. verurteilt ...
Gerade die Definitionen zur Spaltung gegenüber Verdrängung sind mir bestenfalls noch intelektuell zugänglich. In der Praxis und mit dem Herzen bleiben mir diese Definitonen ein Rätsel. Denn wenn ich verdränge - was ja bedeutet, dass ich alles daran setze keinen Zugriff auf das "Unerwünschte" mehr zu haben - ist der Effekt äußerlich doch keinesfalls von einer Spaltung (so diese denn in der Praxis und nicht nur in "schlauen" Köpfen existiert) zu unterscheiden. Oder irre ich hier? Mir ist einfach nicht klar - wie ich etwas verdrängen kann und mir gleichzeitig meiner Erwartungen und Erinnerungen gewahr bleiben können sollte. Oder soll ich "nur Gefühle" verdrängen - den Rest aber nicht?
Manchmal drängt sich mir der Verdacht auf hier wird "Gefühle zulassen" in (fast?) jedem Fall mit "Gefühle in Handlungen" umsetzen gleichgesetzt. Ich weiß nur eines: seit ich die gutgemeiten Ratschläge von vielen meiner Mitmenschen über Board geworfen habe und meinen eigenen Weg suche - entdecke ich, dass unterdrückte Gefühle - sehr viel Destruktives bewirken können - wenn sie nicht mal sich selbst gegenüber mehr eingestanden werden können/dürfen.
Leiden ist nicht schön. Aber so-tun-als-ob man nicht leidet ist schrecklicher.
Liebe Grüße
Tamara
Verdrängung <-> Spaltung
Wie ist das fühlbar? Nach der Freud'schen Psychodynamik wird Verdrängung als ständiges Unbehagen wahrgenommen, mal schwerer, mal leichter, und zwar vom "'Ich" empfunden. Nach der Theorie der Borderline wird Spaltung gar nicht wahrgenommen. Da ist kein Kern-Ich, das diese Spaltung wahrnehmen könnte. Geht schon sehr in Richtung MPS (Multiple Persönlichkeit ).
Anmerkung zu den Gefühlen: mit den Gefühlen verdrängt man auch Erinnerung, Das eine ist ohne das andere nicht möglich. Traumatische Amnesie, das Nicht-erinnern-Können, gibt es deswegen, weil die Gefühlsreaktion auf das Trauma nicht auszuhalten war. Ich finde es heute deswegen angemessener, von "Abspaltung" zu sprechen, wobei dieser Ausdruck beides - Verdrängung und Spaltung - umfasst - und zwischen diesen beiden Formen der Traumareaktion der Unterschied eigentlich "nur" im Schweregrad des Trauma begründet ist.
Und wer beurteilt - ob eine Spaltung nicht wahrgenommen wird?
Was ich mit meinem Kommentar oben gern deutlich machen wollte ist die Problematik der Beurteilung von Außen. Zu oft habe ich erlebt, dass Ärzte nach ein paar Minuten sich in der Lage fühlten Diagnosen bzw. Verdachtsdiagnosen zu stellen, die u.a. das gesamte Leben des Patienten prägen können. Nicht nur bei mir - sondern auch bei vielen Menschen in meiner Umgebung. Mir wird der Mensch um den es geht oft zu wenig mit einbezogen.
Außerdem wer sagt denn, dass jemand der "abspaltet" des immer tut und/oder ob da keine "Identität" mehr ist. Beispiel Borderline: Hier wird oft von gewollter "Manipulation" oder von "Suche nach Aufmerksamkeit" geschrieben. Also mir ist folgendes nicht klar: Brauchen wir alle nicht Aufmerksamkeit? Was ist wenn die "Manipulation" (die ja oft Absicht unterstellt wird) verwechselt wird mit der einzigen Methode, die noch funktioniert zumindest etwas Zuwendung zu bekommen und/oder eine Gefühle auszudrücken? Selbst wenn es eher "negative" Zuwendung sein sollte? Was wenn ein Mensch nicht gelernt hat seine Gefühle zu beschreiben? Sie empfindet, aber keine Worte dafür hat, die "Andere" auch verstehen? Mir fällt auf diese Fragen gelten auch für andere "Problematiken".
Um hier kein zu einseitiges Bild zu entwerfen: Ich spreche über die Dinge die meiner Ansicht nach fraglich sind. Also das was ich persönlich hinterfrage. Ich habe auch positvie Erfahrungen mit Ärzten gemacht - wenige - aber immerhin. Diese Menschen hatten eine bemerkenswerte Eigenschaft gemeinsam: Sie interessierten sich für den jeweiligen Menschen, dessen Probleme, dessen Wünsche und Deutungen UND NICHT für die Diagnose.
Liebe Grüße
Tamara
mps?
da ich in meinem allernächsten umfeld praktisch täglich mit traumainduzierter dissoziation (welche in der extremform mps bedeutet) zu tun habe, möchte ich widersprechen: eine dissoziierte persönlichkeit lässt sich zwar in einem gewissen sinne auch als eine gespaltene begreifen; der in der psychoanalytischen theorie vorhandene begriff der spaltung meint imo aber etwas anderes.
bei einer traumatischen dissoziation ist es nicht unbedingt so, das überhaupt kein "kern-selbst" vorhanden ist; eher sind die in den dissoziativen phasen urplötzlich dominierenden anteile als repräsentanten "eingefrorener" traumatischer erinnerungen zu begreifen, in denen auch die zum zeitpunkt der traumatisierung vorhandene persönlichkeitsstruktur gleichfalls "eingefroren" wurde. und das ist der grund dafür, warum bspw. in einem erwachsenen menschen bei einem entsprechenden trigger auf einmal ein kleines leidendes kind die aktuelle realitätswahrnehmung quasi überlagern kann - so jemand ist dann wahrnehmungsmäßig für eine gewisse zeit das kleine kind.
das aktuelle "ich" (besser: selbst) sehe ich in diesem moment eher durch eine art traumatische amnesie stillgelegt, und eben nicht abgespalten.
das konzept der spaltung ist tatsächlich schwer zu begreifen (ich weiß aus meiner zeit in der psychiatrie noch, wie wir als patientInnen uns dauernd darüber in die haare geraten sind ;-) ; und macht eigentlich in meiner perspektive tatsächlich nur dann sinn, wenn eine persönlichkeitsstruktur vorliegt, die der als-ob-struktur gleicht: verdrängung hat ihren - u.u. auch sehr körperlichen - ausdruck und darüber auch eine gewisse ständige präsenz; spaltung hingegen scheint für die spaltenden dem äußeren eindruck nach ziemlich folgenlos zu bleiben, was dann verständlich wird, wenn elementarste selbstwahrnehmungsfähigkeiten nicht (mehr) vorhanden sind, und in der konsequenz eben auch nicht mehr von einem "selbst" im eigentlichen sinne gesprochen werden kann.
eine als-ob oder simulative persönlichkeit kann zwar mit mps verwechselt werden (durch die oberflächlich ähnlich erscheinenden "sprünge" der erscheinungsform), aber die innere struktur scheint mir doch ziemlich unterschiedlich zu sein.
gruß
mo