Ihr Text macht mich ein bißchen ratlos. Einerseits verweisen Sie auf einen früheren Text zu Begriffen wie "Parasiten" und "Schmarotzer" - in dem Sie sehr deutliche Worte zu diesem Ideologem finden - und immunisieren sich damit teilweise gegen Kritik aus eine bestimmten Richtung. Andererseits sind Sie dann doch für den Songtext von RoboZ zu erwärmen, weil er so schön auf die "Klassengesellschaft" hinweist. Wie soll man nun auf sowas antworten?
Ausgesprochen ärgerlich ist es für mich aber auch, mit Hans-Werner Sinn in einen Topf geschmissen zu werden; zwischen der Äußerungen eines Herrn Sinn und z.B. der wertkritischen Position zu unterscheiden ist wohl Ihre Sache nicht. Herr Sinn kann aber aus der Position der neoklassischen Ökonomie heraus zur Analyse der objektiven Seite der Krise nicht viel mehr beitragen als eben jene
schwammigen Bemerkungen über den "anonymen Systemfehler". Das als Entlastungsdiskurs zu Gunsten der "Eliten" zu interpretieren ist einfach. Easy target.
Aber damit nicht genug: Sie wollen den Affekt gegen die Profiteure des Neoliberalismus, der sich im Ideologem vom aussaugenden, schmarotzenden Parasiten zeigt, auch als "antikapitalistischen Impuls" willkommen heißen und versteigen sich zu einer merkwürdigen triebdynamisch begründeten Variante des Leute-da-abholen-wo-sie-sind. "Bestimmte Linke" sind es dann, die nicht nur die geknechete Arbeiterschaft ihrer Aggression berauben und sie in die Depression treiben (wo sie in den Hungerstreik treten um ihren Arbeitsplatz zu retten oder sich gar die Finger abschneiden), sondern auch Schuld waren am Nationalsozialismus und vermutlich auch jetzt schon Schuld sind an der nächsten Katastrophe - da sie die "wesentlichen Lektionen des Faschismus" nicht
verstanden haben. Geht's noch?
Und zu den "konkreten TäterInnen": Der Widerspruch von "anonymen Systemzwängen" und konkret handelnden Personen taucht bei Ihnen zwar auf, wird aber kurzerhand dann gleich im nächsten Absatz zur Subjektseite hin aufgelöst. Bei der thematischen Ausrichtung des Blogs muß so eine subjektivistische Schlagseite der Theorie eigentlich auch nicht verwundern. Falsch ist sie aber trotzdem.
Sicher wird man die Auseinandersetzung zum Teil (!) auch mit ganz konkreten Personen der "Elite" führen müssen, wenn es darum geht zu einem anderen Modus der Vergesellschaftung zu finden. Und wenn diese Personen dabei im Weg stehen müssen sie eben zur Seite geräumt werden. Das ist aber immer noch etwas ganz anderes als die Ideologie, die in diesen Personen die Ursache (!) für die Probleme des "Systems" sieht und folgerichtig dann eben die Personen beseitigen will. Leider ist dabei auch zu beobachten, daß der angebliche "Bruch" mit dem "System" dann doch wieder nur auf ein austauschen von Personen rausläuft und die Grundkategorien von Markt/Staat/Demokratie/Arbeit/Wert/Geld - die eben auch Existenzweisen der Moderne sind und jeder Subjektivität vorrausgehen - nicht angetastet werden sollen.
Begriffen werden müsste stattdessen endlich mal der Unterschied von stofflichem und monetärem Reichtum; die Menschen müssten sich weigern, sich "vorrechnen zu lassen, daß ihre eigene Existenz unrentabel ist" (R. Kurz, aus dem Kopf zitiert) und eine breite soziale Bewegung müsste versuchen jenseits der genannten Kategorien und der Wertverwertung zu einem neuen Modus von Vergesellschaft zu finden.
...für die späte antwort; momentan liegen meine online-zeiten aus diversen gründen meistens an den wochenenden.
*
"Ihr Text macht mich ein bißchen ratlos. Einerseits verweisen Sie auf einen früheren Text zu Begriffen wie "Parasiten" und "Schmarotzer" - in dem Sie sehr deutliche Worte zu diesem Ideologem finden - und immunisieren sich damit teilweise gegen Kritik aus eine bestimmten Richtung. Andererseits sind Sie dann doch für den Songtext von RoboZ zu erwärmen, weil er so schön auf die "Klassengesellschaft" hinweist. Wie soll man nun auf sowas antworten?"
ich vermute, die schwierigkeit in der letzten frage liegt darin begründet, weil Sie diesen satz - "ich persönlich fand den text größtenteils spontan und emotional erstmal ansprechend" - anders oder auch vielleicht gar nicht gewichtet haben als ich.
dazu muss ich noch erwähnen, dass ich viele teile des textes nicht nur wg. dem erwähnten hinweis ansprechend finde, sondern auch bspw. wg. der expliziten benennung der funktion der medien.
"Ausgesprochen ärgerlich ist es für mich aber auch, mit Hans-Werner Sinn in einen Topf geschmissen zu werden..."
das nun kann ich durchaus nachvollziehen...
"Das als Entlastungsdiskurs zu Gunsten der "Eliten" zu interpretieren ist einfach."
...aber ich bleibe dabei, dass bestimmte aussagen von links letztlich und vom ergebnis in die gleiche kerbe wie sinn schlagen, wenn sie mit dem hinweis auf die systemstruktur nur eine apersonalisierte kritik als zulässig definieren - warum aber eine auch personalisierende kritik in meinen augen nicht nur zulässig, sondern auch nötig ist, habe ich im beitrag versucht zu skizzieren.
"Aber damit nicht genug: Sie wollen den Affekt gegen die Profiteure des Neoliberalismus, der sich im Ideologem vom aussaugenden, schmarotzenden Parasiten zeigt, auch als "antikapitalistischen Impuls" willkommen heißen und versteigen sich zu einer merkwürdigen triebdynamisch begründeten Variante des Leute-da-abholen-wo-sie-sind."
vielleicht zu schwammig formuliert von mir: ich begreife den "affekt" als anfang, und zwar als nötigen - manchmal habe ich den eindruck, teile der linken, insbesondere aus dem bildungsbürgerlichen und studentischen milieu, haben ein mächtiges problem mit aggressionen - wenn ich wütend bin, bin ich zunächst mal wütend und lasse die entsprechenden impulse nicht als erstes durch die mühle des in bestimmter weise ebenfalls fetischisierten "rationalen verstandes" laufen, weil das aus meiner sicht bereits mit ein teil des allgemeinen problems westlich sozialisierter menschen darstellt.
das oben erwähnte problem mit aggressiven impulsen sehe ich u.a. darin, dass viele leute offensichtlich nicht imstande sind, zwischen gefühlen und einhergehenden phantasien einerseits und dem, was sich dann davon in der realität ausdrückt andererseits zu differenzieren. ich weiß nicht genau, von wem das zitat stammt, dass (sinngemäß) "ein revolutionär zunächst einmal das wahrnehmen müsse, was tatsächlich vorhanden ist". aber das trifft´s ziemlich genau: gefühle und phantasien, aber auch körperliche ausdrücke wie haltung, mimik u.a. sind unbedingt frei von äusseren und bewussten einschränkungen, auflagen, befehlen etc. wahrzunehmen (das sie´s real nicht sind, ist etwas anderes, was ich hier gerade nicht meine). will sagen: das psychophysische "material" zeigt mir selbst über mich und auch andere - leidlich funktionierende wahrnehmungsfähigkeiten vorausgesetzt - den aktuellen und authentischen seinszustand an, und das ist weit und breit, soweit ich sehe, die grundlegendste basis, von der aus alle gesellschaftliche aktivität (oder auch nichtaktivität) von menschen ausgehen kann. und die einzige basis, von der ich "die leute" tatsächlich "abholen" kann. das wörtchen "triebdynamisch" in diesem zusammenhang führt übrigens aus meiner perspektive etwas in die irre, weil die damit implizierte klassische psychoanalyse seit freud (bis auf den frühesten beginn als ausnahme, siehe freuds erste ausführungen zur ursache der weiblichen hysterie) niemals die konsequenzen aus der tatsache gezogen hat, dass die im westen verbreiteten "charaker"- bzw. persönlichkeitsstrukturen" mehrheitlich bereits ausdrücke von sehr alten pathologischen (traumatischen) sozialstrukturen darstellen, und dementsprechend die emotionalen und rationalen ausdrücke und verhaltensweisen der menschen nicht als anthropologische konstante verstanden werden dürfen (denn letzteres führt bei nichtbeachtung dann immer zu solch "fundierten" aussagen wie "der-mensch-ist-grundsätzlich-egoistisch, gierig"-usw.)
""Bestimmte Linke" sind es dann, die nicht nur die geknechete Arbeiterschaft ihrer Aggression berauben und sie in die Depression treiben (wo sie in den Hungerstreik treten um ihren Arbeitsplatz zu retten oder sich gar die Finger abschneiden), sondern auch Schuld waren am Nationalsozialismus und vermutlich auch jetzt schon Schuld sind an der nächsten Katastrophe - da sie die "wesentlichen Lektionen des Faschismus" nicht
verstanden haben. Geht's noch?"
aber klar geht´s noch - erstens ist die "schuld" von Ihnen selbst eingeführt (ich habe von mittäterschaft geschrieben, und das aus meiner sicht auch begründet.) zweitens maße ich mir nicht an, die these vom fatalen linken nichtbegreifen der inneren dynamik des ns selbst in die welt gesetzt zu haben - der allererste war aus meinr sicht wilhelm reich, auch bei ernst bloch finden sich entsprechende aussagen, und zu theweleit muss ich hoffentlich nichts mehr schreiben. drittens aber werte ich den einfluss der heutigen linken auch nicht über (darum das "mit" vor täterschaft): die "eliten" setzen und pushen die diskurse von der "selbstverantwortlichkeit = letztlich selbst schuld an deinen lebensbedingungen" u.a., treiben die diese miesen spielchen nicht verstehenden menschen in selbstanklagen und depressionen - und dann kommen teile der linken und behaupten: "aber ihr dürft diese "eliten" nicht hassen, weil sie ja nur in den systemzwängen handeln" - das ist das gemeinte. und das kritisiere ich. oder erzählen Sie mir doch mal, wie Sie gegen teils hoch abstrakte kategorien wie "arbeit", "wert", oder auch "staat" und "markt" etc. authentische wut empfinden wollen, ohne zuvor größere gedankliche und emotionale verrenkungen zu produzieren? was dabei herauskommen kann, sind - bestenfalls - objektivistische surrogate, die in ihren wirkungen eher lähmend sind. aus dem widerspruch, das bspw. das konstrukt "staat" nicht "für sich" materiell existiert, sondern ständig in jedem augenblick aus der arbeit vieler millionen menschen (re-)produziert wird - minister, parlamentarier, gerichtsvollzieher, knastwärter, finanzbeamte, polizisten etc. etc. - führen Ihre gedanken jedenfalls bis zu dieser stelle nicht heraus.
"Und zu den "konkreten TäterInnen": Der Widerspruch von "anonymen Systemzwängen" und konkret handelnden Personen taucht bei Ihnen zwar auf, wird aber kurzerhand dann gleich im nächsten Absatz zur Subjektseite hin aufgelöst. Bei der thematischen Ausrichtung des Blogs muß so eine subjektivistische Schlagseite der Theorie eigentlich auch nicht verwundern. Falsch ist sie aber trotzdem."
zum ersten satz: und was ist daran, wenn ich an meine letzte obige antwort anknüpfe, so grundlegend falsch? zweitens aber vermute ich, dass sich unsere jeweilige definition von "subjekt" doch stark unterscheidet - meine ist auszugsweisehier nachzulesen; und dann werden Sie vielleicht auch besser verstehen können, warum ich beim (impliziten) vorwurf des "subjektivismus" dann doch eher grinsen muss.
"Sicher wird man die Auseinandersetzung zum Teil (!) auch mit ganz konkreten Personen der "Elite" führen müssen, wenn es darum geht zu einem anderen Modus der Vergesellschaftung zu finden. Und wenn diese Personen dabei im Weg stehen müssen sie eben zur Seite geräumt werden."
d´accord. wobei ich die existenzielle bedeutung, die machtpositionen für bestimmte menschen haben, vermutlich aus meiner sicht anders gewichte und deshalb auch einen ganz zentralen und heftigen konflikt, oder nennen wir´s richtiger krieg, vor uns allen liegen sehe. die lassen sich nicht einfach mal so "eben zur seite räumen".
"Das ist aber immer noch etwas ganz anderes als die Ideologie, die in diesen Personen die Ursache (!) für die Probleme des "Systems" sieht und folgerichtig dann eben die Personen beseitigen will. Leider ist dabei auch zu beobachten, daß der angebliche "Bruch" mit dem "System" dann doch wieder nur auf ein austauschen von Personen rausläuft und die Grundkategorien von Markt/Staat/Demokratie/Arbeit/Wert/Geld - die eben auch Existenzweisen der Moderne sind und jeder Subjektivität vorrausgehen - nicht angetastet werden sollen."
gut, jetzt kommen wir aus meiner sicht zum knackpunkt. Ihren ersten satz würde ich teilweise (!) unterschreiben, aber eben nur teilweise, weil ich jeweilige gesellschaftliche systeme primär als ausdruck / zusammensetzung der jeweils vorhandenen und dominierenden psychophysischen bedürfnisse der handelnden begreife. diese aussage habe ich an vielen stellen im blog immer wieder versucht, deutlich zu machen.
natürlich gibt es dabei auch eine wechselbeziehung zwischen einmal etablieretn systemen und den in sie hereingeborenen menschen, aber im streit um henne und ei nehme ich bei dieser frage ganz klar die antwort "henne". deutlich, was ich meine?
und sicher reicht ein reines austauschen von personen nicht aus, kein widerspruch. ich will eher die entsprechenden positionen dieser personen, oder noch genauer, die bedürfnisse nach diesen positionen, aus der welt haben.
und dazu muss ich nicht - wie das bei Ihnen, und neulich auch bei robert kurz - anklingt, "das" subjekt als kapitalistisches konstrukt denunzieren, sondern eher versuchen, das zu begreifen, was ich in einem beitrag neulich als antwortversuch so formuliert hatte (ganz zum schluß):
"ich betrachte das "subjekt" im kapitalismus immer als ein als-ob-subjekt, weil es sich von seinen dominierenden psychophysischen funktionsweisen her betrachtet eher um ein schwer beschädigtes subjekt handelt, welches diese beschädigungen - die sich vor allem im gesamten bereich der sozialen beziehungen manifestieren - kompensatorisch versucht, mittels verdinglichung/objektivierung seiner selbst und auch aller anderen, genauer gesagt alles lebendigen anderen, auszugleichen - es geht also um überlebensversuche, die bei einer postulierung des subjekts als "eigentlich überflüssig" an stärke und verzweiflung nur noch zunehmen werden. die sog. subjektform, die kurz als identisch mit der "kapitalistischen daseinsform" begreift, ist aus meiner perspektive eigentlich keine authentische subjektform mehr, besser gesagt, es ist ihre totale negierung: nämlich der soziopath (unabhängig davon, unter welchen namen diese extreme manifestation der kapitalistischen normen in körperlicher gestalt nun historisch bisher aufgetreten ist). hier haben wir den meiner meinung nach einzigen tatsächlichen fall, in dem das subjekt aufgrund psychophysischer prozesse tatsächlich zu einer art objekt im totalitären, d.h. allumfassenden sinne, und damit zur kapitalistischen daseinsform, geworden ist.
es bedarf zu einer tatsächlichen emanzipation bei den meisten menschen also eher des zurückdrängens der objektivistischen, konstruktivistischen und simulativen prozesse, was ich gleichbedeutend mit gesundung begreifen würde - und zwar nicht mit einer gesundung im sinne kapitalistischer verwertungs- und leistungsfähigkeit, wie hoffentlich klar sein sollte. wir brauchen gerade mehr authentische subjektivität und auch individualität, um zur authentischen kollektivität zu kommen!"
(und an dieser stelle schließe ich auch nochmal einen kreis zu einer strittigen aussage weiter oben: das bis heute weitgehende (aus meiner sicht) nichtbegreifen des menschlichen psychophysischen funktionierens und der damit assoziierten (un-)möglichkeiten seitens "der linken" - in diesem fall lässt sich berechtigt von einer gesamtheit reden - stellt eben das erwähnte fatale versagen im angesicht des faschismus dar).
"Begriffen werden müsste stattdessen endlich mal der Unterschied von stofflichem und monetärem Reichtum; die Menschen müssten sich weigern, sich "vorrechnen zu lassen, daß ihre eigene Existenz unrentabel ist" (R. Kurz, aus dem Kopf zitiert) und eine breite soziale Bewegung müsste versuchen jenseits der genannten Kategorien und der Wertverwertung zu einem neuen Modus von Vergesellschaft zu finden."
die dominanz des wörtchens "müsste" dürfte Ihnen bei der obigen skizze selbst schon aufgefallen sein, oder? all dieses "müsste" kann aber aus meiner sicht erst zu einem authentischen wollen werden, wenn den leuten ihre letzten bruchstücke von selbstwahrnehmung, so verzerrt und/oder pervertiert diese auch sein mögen, nicht von vorneherein aus den (scheinbaren) höhen des abstrakten verstandes heraus abgesprochen oder gar verboten werden. und auch hier gilt wieder: verständnis ist nicht gleich akzeptanz (was zb. antisemitische affekte betrifft), und auch muss und soll nicht alles reflektionslos ausagiert werden, was da so spontan aus "dem inneren" kommt. aber wahrgenommen werden muss es, dabei bleibe ich - und deshalb auch meine ansicht zum umstrittenen text.
Ausgesprochen ärgerlich ist es für mich aber auch, mit Hans-Werner Sinn in einen Topf geschmissen zu werden; zwischen der Äußerungen eines Herrn Sinn und z.B. der wertkritischen Position zu unterscheiden ist wohl Ihre Sache nicht. Herr Sinn kann aber aus der Position der neoklassischen Ökonomie heraus zur Analyse der objektiven Seite der Krise nicht viel mehr beitragen als eben jene
schwammigen Bemerkungen über den "anonymen Systemfehler". Das als Entlastungsdiskurs zu Gunsten der "Eliten" zu interpretieren ist einfach. Easy target.
Aber damit nicht genug: Sie wollen den Affekt gegen die Profiteure des Neoliberalismus, der sich im Ideologem vom aussaugenden, schmarotzenden Parasiten zeigt, auch als "antikapitalistischen Impuls" willkommen heißen und versteigen sich zu einer merkwürdigen triebdynamisch begründeten Variante des Leute-da-abholen-wo-sie-sind. "Bestimmte Linke" sind es dann, die nicht nur die geknechete Arbeiterschaft ihrer Aggression berauben und sie in die Depression treiben (wo sie in den Hungerstreik treten um ihren Arbeitsplatz zu retten oder sich gar die Finger abschneiden), sondern auch Schuld waren am Nationalsozialismus und vermutlich auch jetzt schon Schuld sind an der nächsten Katastrophe - da sie die "wesentlichen Lektionen des Faschismus" nicht
verstanden haben. Geht's noch?
Und zu den "konkreten TäterInnen": Der Widerspruch von "anonymen Systemzwängen" und konkret handelnden Personen taucht bei Ihnen zwar auf, wird aber kurzerhand dann gleich im nächsten Absatz zur Subjektseite hin aufgelöst. Bei der thematischen Ausrichtung des Blogs muß so eine subjektivistische Schlagseite der Theorie eigentlich auch nicht verwundern. Falsch ist sie aber trotzdem.
Sicher wird man die Auseinandersetzung zum Teil (!) auch mit ganz konkreten Personen der "Elite" führen müssen, wenn es darum geht zu einem anderen Modus der Vergesellschaftung zu finden. Und wenn diese Personen dabei im Weg stehen müssen sie eben zur Seite geräumt werden. Das ist aber immer noch etwas ganz anderes als die Ideologie, die in diesen Personen die Ursache (!) für die Probleme des "Systems" sieht und folgerichtig dann eben die Personen beseitigen will. Leider ist dabei auch zu beobachten, daß der angebliche "Bruch" mit dem "System" dann doch wieder nur auf ein austauschen von Personen rausläuft und die Grundkategorien von Markt/Staat/Demokratie/Arbeit/Wert/Geld - die eben auch Existenzweisen der Moderne sind und jeder Subjektivität vorrausgehen - nicht angetastet werden sollen.
Begriffen werden müsste stattdessen endlich mal der Unterschied von stofflichem und monetärem Reichtum; die Menschen müssten sich weigern, sich "vorrechnen zu lassen, daß ihre eigene Existenz unrentabel ist" (R. Kurz, aus dem Kopf zitiert) und eine breite soziale Bewegung müsste versuchen jenseits der genannten Kategorien und der Wertverwertung zu einem neuen Modus von Vergesellschaft zu finden.
zunächst mal sorry...
*
"Ihr Text macht mich ein bißchen ratlos. Einerseits verweisen Sie auf einen früheren Text zu Begriffen wie "Parasiten" und "Schmarotzer" - in dem Sie sehr deutliche Worte zu diesem Ideologem finden - und immunisieren sich damit teilweise gegen Kritik aus eine bestimmten Richtung. Andererseits sind Sie dann doch für den Songtext von RoboZ zu erwärmen, weil er so schön auf die "Klassengesellschaft" hinweist. Wie soll man nun auf sowas antworten?"
ich vermute, die schwierigkeit in der letzten frage liegt darin begründet, weil Sie diesen satz - "ich persönlich fand den text größtenteils spontan und emotional erstmal ansprechend" - anders oder auch vielleicht gar nicht gewichtet haben als ich.
dazu muss ich noch erwähnen, dass ich viele teile des textes nicht nur wg. dem erwähnten hinweis ansprechend finde, sondern auch bspw. wg. der expliziten benennung der funktion der medien.
"Ausgesprochen ärgerlich ist es für mich aber auch, mit Hans-Werner Sinn in einen Topf geschmissen zu werden..."
das nun kann ich durchaus nachvollziehen...
"Das als Entlastungsdiskurs zu Gunsten der "Eliten" zu interpretieren ist einfach."
...aber ich bleibe dabei, dass bestimmte aussagen von links letztlich und vom ergebnis in die gleiche kerbe wie sinn schlagen, wenn sie mit dem hinweis auf die systemstruktur nur eine apersonalisierte kritik als zulässig definieren - warum aber eine auch personalisierende kritik in meinen augen nicht nur zulässig, sondern auch nötig ist, habe ich im beitrag versucht zu skizzieren.
"Aber damit nicht genug: Sie wollen den Affekt gegen die Profiteure des Neoliberalismus, der sich im Ideologem vom aussaugenden, schmarotzenden Parasiten zeigt, auch als "antikapitalistischen Impuls" willkommen heißen und versteigen sich zu einer merkwürdigen triebdynamisch begründeten Variante des Leute-da-abholen-wo-sie-sind."
vielleicht zu schwammig formuliert von mir: ich begreife den "affekt" als anfang, und zwar als nötigen - manchmal habe ich den eindruck, teile der linken, insbesondere aus dem bildungsbürgerlichen und studentischen milieu, haben ein mächtiges problem mit aggressionen - wenn ich wütend bin, bin ich zunächst mal wütend und lasse die entsprechenden impulse nicht als erstes durch die mühle des in bestimmter weise ebenfalls fetischisierten "rationalen verstandes" laufen, weil das aus meiner sicht bereits mit ein teil des allgemeinen problems westlich sozialisierter menschen darstellt.
das oben erwähnte problem mit aggressiven impulsen sehe ich u.a. darin, dass viele leute offensichtlich nicht imstande sind, zwischen gefühlen und einhergehenden phantasien einerseits und dem, was sich dann davon in der realität ausdrückt andererseits zu differenzieren. ich weiß nicht genau, von wem das zitat stammt, dass (sinngemäß) "ein revolutionär zunächst einmal das wahrnehmen müsse, was tatsächlich vorhanden ist". aber das trifft´s ziemlich genau: gefühle und phantasien, aber auch körperliche ausdrücke wie haltung, mimik u.a. sind unbedingt frei von äusseren und bewussten einschränkungen, auflagen, befehlen etc. wahrzunehmen (das sie´s real nicht sind, ist etwas anderes, was ich hier gerade nicht meine). will sagen: das psychophysische "material" zeigt mir selbst über mich und auch andere - leidlich funktionierende wahrnehmungsfähigkeiten vorausgesetzt - den aktuellen und authentischen seinszustand an, und das ist weit und breit, soweit ich sehe, die grundlegendste basis, von der aus alle gesellschaftliche aktivität (oder auch nichtaktivität) von menschen ausgehen kann. und die einzige basis, von der ich "die leute" tatsächlich "abholen" kann. das wörtchen "triebdynamisch" in diesem zusammenhang führt übrigens aus meiner perspektive etwas in die irre, weil die damit implizierte klassische psychoanalyse seit freud (bis auf den frühesten beginn als ausnahme, siehe freuds erste ausführungen zur ursache der weiblichen hysterie) niemals die konsequenzen aus der tatsache gezogen hat, dass die im westen verbreiteten "charaker"- bzw. persönlichkeitsstrukturen" mehrheitlich bereits ausdrücke von sehr alten pathologischen (traumatischen) sozialstrukturen darstellen, und dementsprechend die emotionalen und rationalen ausdrücke und verhaltensweisen der menschen nicht als anthropologische konstante verstanden werden dürfen (denn letzteres führt bei nichtbeachtung dann immer zu solch "fundierten" aussagen wie "der-mensch-ist-grundsätzlich-egoistisch, gierig"-usw.)
""Bestimmte Linke" sind es dann, die nicht nur die geknechete Arbeiterschaft ihrer Aggression berauben und sie in die Depression treiben (wo sie in den Hungerstreik treten um ihren Arbeitsplatz zu retten oder sich gar die Finger abschneiden), sondern auch Schuld waren am Nationalsozialismus und vermutlich auch jetzt schon Schuld sind an der nächsten Katastrophe - da sie die "wesentlichen Lektionen des Faschismus" nicht
verstanden haben. Geht's noch?"
aber klar geht´s noch - erstens ist die "schuld" von Ihnen selbst eingeführt (ich habe von mittäterschaft geschrieben, und das aus meiner sicht auch begründet.) zweitens maße ich mir nicht an, die these vom fatalen linken nichtbegreifen der inneren dynamik des ns selbst in die welt gesetzt zu haben - der allererste war aus meinr sicht wilhelm reich, auch bei ernst bloch finden sich entsprechende aussagen, und zu theweleit muss ich hoffentlich nichts mehr schreiben. drittens aber werte ich den einfluss der heutigen linken auch nicht über (darum das "mit" vor täterschaft): die "eliten" setzen und pushen die diskurse von der "selbstverantwortlichkeit = letztlich selbst schuld an deinen lebensbedingungen" u.a., treiben die diese miesen spielchen nicht verstehenden menschen in selbstanklagen und depressionen - und dann kommen teile der linken und behaupten: "aber ihr dürft diese "eliten" nicht hassen, weil sie ja nur in den systemzwängen handeln" - das ist das gemeinte. und das kritisiere ich. oder erzählen Sie mir doch mal, wie Sie gegen teils hoch abstrakte kategorien wie "arbeit", "wert", oder auch "staat" und "markt" etc. authentische wut empfinden wollen, ohne zuvor größere gedankliche und emotionale verrenkungen zu produzieren? was dabei herauskommen kann, sind - bestenfalls - objektivistische surrogate, die in ihren wirkungen eher lähmend sind. aus dem widerspruch, das bspw. das konstrukt "staat" nicht "für sich" materiell existiert, sondern ständig in jedem augenblick aus der arbeit vieler millionen menschen (re-)produziert wird - minister, parlamentarier, gerichtsvollzieher, knastwärter, finanzbeamte, polizisten etc. etc. - führen Ihre gedanken jedenfalls bis zu dieser stelle nicht heraus.
"Und zu den "konkreten TäterInnen": Der Widerspruch von "anonymen Systemzwängen" und konkret handelnden Personen taucht bei Ihnen zwar auf, wird aber kurzerhand dann gleich im nächsten Absatz zur Subjektseite hin aufgelöst. Bei der thematischen Ausrichtung des Blogs muß so eine subjektivistische Schlagseite der Theorie eigentlich auch nicht verwundern. Falsch ist sie aber trotzdem."
zum ersten satz: und was ist daran, wenn ich an meine letzte obige antwort anknüpfe, so grundlegend falsch? zweitens aber vermute ich, dass sich unsere jeweilige definition von "subjekt" doch stark unterscheidet - meine ist auszugsweisehier nachzulesen; und dann werden Sie vielleicht auch besser verstehen können, warum ich beim (impliziten) vorwurf des "subjektivismus" dann doch eher grinsen muss.
"Sicher wird man die Auseinandersetzung zum Teil (!) auch mit ganz konkreten Personen der "Elite" führen müssen, wenn es darum geht zu einem anderen Modus der Vergesellschaftung zu finden. Und wenn diese Personen dabei im Weg stehen müssen sie eben zur Seite geräumt werden."
d´accord. wobei ich die existenzielle bedeutung, die machtpositionen für bestimmte menschen haben, vermutlich aus meiner sicht anders gewichte und deshalb auch einen ganz zentralen und heftigen konflikt, oder nennen wir´s richtiger krieg, vor uns allen liegen sehe. die lassen sich nicht einfach mal so "eben zur seite räumen".
"Das ist aber immer noch etwas ganz anderes als die Ideologie, die in diesen Personen die Ursache (!) für die Probleme des "Systems" sieht und folgerichtig dann eben die Personen beseitigen will. Leider ist dabei auch zu beobachten, daß der angebliche "Bruch" mit dem "System" dann doch wieder nur auf ein austauschen von Personen rausläuft und die Grundkategorien von Markt/Staat/Demokratie/Arbeit/Wert/Geld - die eben auch Existenzweisen der Moderne sind und jeder Subjektivität vorrausgehen - nicht angetastet werden sollen."
gut, jetzt kommen wir aus meiner sicht zum knackpunkt. Ihren ersten satz würde ich teilweise (!) unterschreiben, aber eben nur teilweise, weil ich jeweilige gesellschaftliche systeme primär als ausdruck / zusammensetzung der jeweils vorhandenen und dominierenden psychophysischen bedürfnisse der handelnden begreife. diese aussage habe ich an vielen stellen im blog immer wieder versucht, deutlich zu machen.
natürlich gibt es dabei auch eine wechselbeziehung zwischen einmal etablieretn systemen und den in sie hereingeborenen menschen, aber im streit um henne und ei nehme ich bei dieser frage ganz klar die antwort "henne". deutlich, was ich meine?
und sicher reicht ein reines austauschen von personen nicht aus, kein widerspruch. ich will eher die entsprechenden positionen dieser personen, oder noch genauer, die bedürfnisse nach diesen positionen, aus der welt haben.
und dazu muss ich nicht - wie das bei Ihnen, und neulich auch bei robert kurz - anklingt, "das" subjekt als kapitalistisches konstrukt denunzieren, sondern eher versuchen, das zu begreifen, was ich in einem beitrag neulich als antwortversuch so formuliert hatte (ganz zum schluß):
"ich betrachte das "subjekt" im kapitalismus immer als ein als-ob-subjekt, weil es sich von seinen dominierenden psychophysischen funktionsweisen her betrachtet eher um ein schwer beschädigtes subjekt handelt, welches diese beschädigungen - die sich vor allem im gesamten bereich der sozialen beziehungen manifestieren - kompensatorisch versucht, mittels verdinglichung/objektivierung seiner selbst und auch aller anderen, genauer gesagt alles lebendigen anderen, auszugleichen - es geht also um überlebensversuche, die bei einer postulierung des subjekts als "eigentlich überflüssig" an stärke und verzweiflung nur noch zunehmen werden. die sog. subjektform, die kurz als identisch mit der "kapitalistischen daseinsform" begreift, ist aus meiner perspektive eigentlich keine authentische subjektform mehr, besser gesagt, es ist ihre totale negierung: nämlich der soziopath (unabhängig davon, unter welchen namen diese extreme manifestation der kapitalistischen normen in körperlicher gestalt nun historisch bisher aufgetreten ist). hier haben wir den meiner meinung nach einzigen tatsächlichen fall, in dem das subjekt aufgrund psychophysischer prozesse tatsächlich zu einer art objekt im totalitären, d.h. allumfassenden sinne, und damit zur kapitalistischen daseinsform, geworden ist.
es bedarf zu einer tatsächlichen emanzipation bei den meisten menschen also eher des zurückdrängens der objektivistischen, konstruktivistischen und simulativen prozesse, was ich gleichbedeutend mit gesundung begreifen würde - und zwar nicht mit einer gesundung im sinne kapitalistischer verwertungs- und leistungsfähigkeit, wie hoffentlich klar sein sollte. wir brauchen gerade mehr authentische subjektivität und auch individualität, um zur authentischen kollektivität zu kommen!"
(und an dieser stelle schließe ich auch nochmal einen kreis zu einer strittigen aussage weiter oben: das bis heute weitgehende (aus meiner sicht) nichtbegreifen des menschlichen psychophysischen funktionierens und der damit assoziierten (un-)möglichkeiten seitens "der linken" - in diesem fall lässt sich berechtigt von einer gesamtheit reden - stellt eben das erwähnte fatale versagen im angesicht des faschismus dar).
"Begriffen werden müsste stattdessen endlich mal der Unterschied von stofflichem und monetärem Reichtum; die Menschen müssten sich weigern, sich "vorrechnen zu lassen, daß ihre eigene Existenz unrentabel ist" (R. Kurz, aus dem Kopf zitiert) und eine breite soziale Bewegung müsste versuchen jenseits der genannten Kategorien und der Wertverwertung zu einem neuen Modus von Vergesellschaft zu finden."
die dominanz des wörtchens "müsste" dürfte Ihnen bei der obigen skizze selbst schon aufgefallen sein, oder? all dieses "müsste" kann aber aus meiner sicht erst zu einem authentischen wollen werden, wenn den leuten ihre letzten bruchstücke von selbstwahrnehmung, so verzerrt und/oder pervertiert diese auch sein mögen, nicht von vorneherein aus den (scheinbaren) höhen des abstrakten verstandes heraus abgesprochen oder gar verboten werden. und auch hier gilt wieder: verständnis ist nicht gleich akzeptanz (was zb. antisemitische affekte betrifft), und auch muss und soll nicht alles reflektionslos ausagiert werden, was da so spontan aus "dem inneren" kommt. aber wahrgenommen werden muss es, dabei bleibe ich - und deshalb auch meine ansicht zum umstrittenen text.