assoziation: peak oil, tote tiere, ruinierte menschen und kapitalistische kriminalität

eigentlich wollte ich mir ja zumindest übers wochenende nichts von außen "diktieren" lassen, was die bloggerei und überhaupt das schreiben (einige mails rund ums blog harren noch ihrer beantwortung) betrifft - eigentlich. inzwischen hat sich jedoch der vor ein paar tagen vermutlich nicht nur von mir eher beiläufig registrierte unfall auf der bohrinsel "deepwater horizon" im golf von mexico als ein monströses technoindustrielles desaster ersten grades herausgestellt, mit einigen dimensionen, die im folgenden kurz skizziert werden sollen. und neben den dazugehörigen eher "rationalen" betrachtungen möchte ich auch ausdrücklich erwähnen, dass mich solche bilder...

veroelter vogel in der san francisco bay zweitausendsieben
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photo von mila zinkova
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via wikipedia commons
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...wie dieses eines verölten vogels in der san franciso bay 2007 (photo von mila zinkova) regelmässig stinksauer machen - und das nicht nur wegen einer fast schon misanthropischen scham im angesicht der durch übles menschliches treiben gequälten kreatur, die nicht begreifen kann, was ihr geschieht (aber, und da bin ich mir sicher, leidet), sondern auch deshalb, weil sich alles gerede und alle wohlfeilen absichtsbekundungen nach derlei großtechnologischen verbrechen regelmässig als billige luftnummern herausstellen - oder will sich jemand hinstellen und behaupten, dass aus der kette von dimensionsmässig vergleichbaren störfällen wie bspw. seveso 1977, bhopal 1984, dem atomaren gau von tschernobyl (in einem quasi staatskapitalistischen system, ganz recht) und der vergiftung des rheins im gleichen jahr 1986 sowie den schweren unfällen mit supertankern wie der "exxon valdez" 1989 irgendwo und irgendwann wirklich grundsätzliche und einschneidende konsequenzen gezogen worden wären?

natürlich nicht - es fällt erstens auf, dass bei den obigen beispielen überall verschiedene, aber weltweit bekannte corporations beteiligt waren, deren macht und kriminelle energie im gleichnamigen
film präzise dokumentiert wurde; und zweitens, dass bei den meisten derartigen "unfällen" ein fataler mix aus menschlicher selbstüberschätzung, mangelnder beherrschung der technologie, verantwortungslosigkeit, unterlaufenen sicherheitsstandards und profitmaximierung um buchstäblich jeden preis ursächlich beteiligt gewesen ist, gefolgt von vertuschungs- und verharmlosungsversuchen sowie dem mehr oder weniger unverschämten bemühen, sich jeweils möglichst erfolgreich um die fälligen entschädigungen zu drücken. mit moralischen kategorien ist derlei treiben nicht beizukommen, im systemimmanenten verständnis sind das alles durchaus "rationale" verhaltensweisen. von "außen" betrachtet jedoch lässt sich etwas wahrnehmen, was in "the corporation" völlig berechtigt als soziopathische, antisoziale grundstruktur von gebilden wie großkonzernen (und ich füge hinzu: auch von den verantwortlichen führungskräften sowie teilen ihrer lakaien) gezeichnet worden ist. und unter diesem aspekt sollten sie auch wahrgenommen und behandelt werden.

*

das sich nun "bp" öffentlich sehr schnell zur übernahme der kosten (was immer das dann auch konkret bedeutet) breit erklärt hat, dürfte als allerletztes mit solchen dingen wie echter verantwortungsübernahme oder gar wirklicher reue zu tun haben, sondern eher damit, dass auch die pr-abteilungen dieser kriminellen organisationen inzwischen wissen, dass sich solche (absehbaren) debakel wirklich großen stils öffentlich nicht wirklich gut machen und eine ernste delle ins geschäft schlagen können, vom image mal ganz zu schweigen.

und es dürfte auch etwas mit den tatsächlichen
hintergründen in diesem fall zu tun haben - die sehen hinsichtlich "bp" nämlich so aus:

(...) "Doch BP macht es sich mit der Schuldzuweisung an die Schweizer Firma etwas zu leicht, wie verschiedene Kommentatoren bemerkten. «Es war der britische Ölkonzern, der Transocean den gefährlichen Auftrag gab. BP liess das Unternehmen in in einer Tiefe bohren, die technisch nicht mit letzter Sicherheit zu kontrollieren ist», schreibt etwa die «Financial Times Deutschland». Das «Wall Street Journal» weist darauf hin, dass die Sicherheitstechnik der «Deepwater Horizon» nicht auf dem modernsten Stand gewesen sei. Es habe ein Schalter gefehlt, mit dem das Bohrloch hätte verschlossen werden können. Warum? BP hatte zusammen mit anderen Ölfirmen im amerikanischen Parlament lobbyiert, dass diese Schalter anders als etwa in Norwegen und Brasilien nicht zur Vorschrift werden. Kein Wunder: Ein Stück kostet 500'000 Franken." (...)

weil da einige herren etwas sparen wollten, gibt es jetzt also eine situation, die - stand heute abend -
so aussieht:

(...) "Die küstennahen Feuchtgebiete sind die Laichgebiete und Brutstätten von zahlreichen Krebstieren, Fisch- und Vogelarten. „Gerade für Vögel könnte die Zeit nicht schlechter gewählt sein“, sagt Melanie Driscoll von der US-Vogelschutzorganisation Audubon. Viele Vögel brüten in der Gegend, auch Zugvögel auf dem Weg von Südamerika in arktische Gebiete sind zur Zeit dort. (...)

„Über die Nahrungskette sind beinahe alle Tiere bedroht, die in der Küstenregion leben“, sagt Maggy Nugues vom Bremer Leibniz-Zentrum für marine Tropenökologie. Zahlreiche Tierarten ernähren sich von Plankton - etwa Krabben, Muscheln, Austern und Shrimps. Eingeöltes Plankton können sie entweder gar nicht fressen oder wenn sie es doch tun, vergiften sie sich an der verseuchten Nahrung. Dadurch fehlt dann wieder Nahrung für andere Tiere, etwa Otter, der sich von Muscheln ernähren.

Auch Delphine und Wale sollen betroffen sein. Die können doch weite Strecken zurücklegen - können sie nicht aus dem verseuchen Gebiet verschwinden?

Doch, können sie - sagt Maggy Nugues. „Delfine und Wale werden merken, dass das Wasser nicht in Ordnung ist, verlassen das Gebiet und fressen auch nicht mehr dort.“ Allerdings ernähren auch sie sich von Plankton und Fischen. Sind diese durch Öl verseucht, können die Tiere erkranken. Verseuchte Fische können sich sehr viel weiterräumiger ausbreiten, als der Ölteppich selbst. Wie genau sich das auf die großen Meeressäuger auswirken wird, ist aufgrund der geringen Erfahrungswerte schwer einzuschätzen.

Man hört immer wieder, das Mississippi-Delta sei besonders empfindlich. Warum?

Die Region besteht zu einem großen Teil aus Mangrovenwäldern. Mangroven atmen über Luftwurzeln - deren Öffnungen werden durch das Öl verklebt. Die Pflanzen sterben und mit ihnen der Lebensraum für zahlreiche Tierarten." (...)


oder, aus finanzieller warte - leider und bezeichnenderweise die einzige ebene für etliche zeitgenossen, die von ihnen wirklich wahrgenommen wird -
so :

(...) "Der Fischerei und dem Tourismus in der Region, die sich gerade erst von den Folgen "Katrinas" erholt haben, drohen schwere Schäden. Experten gehen davon aus, dass das Öl Umweltschäden anrichten wird, die nur schwer zu beseitigen sein werden. Die Küstengewässer und Sumpfgebiete im Golf von Mexiko sind Heimat zahlreicher Tierarten wie Seekühe, Delfine, Wale, Tümmler, Pelikanen sowie anderer Vögel. Im Golf gibt es zudem riesige Mengen an Meeresfrüchten wie Austern, Krabben Muscheln und Fische.

Die Energie-Experten der Agentur Fitch schätzen, dass allein die Eindämmung des Ölteppichs und die anschließende Säuberung drei Milliarden Dollar erreichen könnte. Der Analysten Neil McMahon von der Investmentfirma Bernstein rechnete zudem vor, dass in der Fischereiindustrie Schäden von 2,5 Milliarden Dollar und in der Tourismusbranche von drei Milliarden Dollar zu erwarten sind."


wobei ich persönlich das entscheidende die in der fiktiven kategorie "geld" nicht messbaren qualen der unzähligen lebewesen finde, die letztlich einmal mehr vom wahnsinn des ölzeitalters sowie der damit verbundenen bzw. immanenten kapitalistischen schwerkriminalität zum tode verurteilt werden.

*

es gibt aber noch einen weiteren aspekt des ganzen, der bisher - zumindest bei den mir bekannten berichten - nirgendwo aufgegriffen wurde, aber wirklich schlimme befürchtungen wecken muss (vielleicht wird er genau deswegen beschwiegen) - die einzige mir bisher bekannte ausnahme ist dieser
artikel, der den zusammenhang deutlich macht und benennt:

(...) "Da die klassischen Ölquellen nach und nach versiegen, sind Ölkonzerne darauf angewiesen, andere Vorkommen zu erschließen, um den Energiebedarf zu decken – etwa in der Tiefsee sowie in den sandigen Böden Kanadas, wo Öl aus Teersand gefördert werden kann. Dies ist mit mehr Aufwand, höheren Kosten und deutlich größeren Belastungen für die Umwelt verbunden." (...)

kurz: es war eine tiefseebohrinsel, die da versunken ist - und genau diese eigenschaft macht die schließung der lecks jetzt so schwierig - hoher druck, dunkelheit, unzugänglichkeit für taucher bzw. notwendigkeit für high-tech-material . und damit wird genau das deutlich, was im zitat als "mehr aufwand, höhere kosten und deutlich größere umweltbelastungen" umschrieben ist: tiefseebohrungen sind bereits ein teil der manischen jagd nach den letzten erreichbaren ölvorräten, und damit spiegeln sie ebenfalls einen teil der realität von
peak oil - siehe auch hier - wieder. und wie dieser fall jetzt gerade deutlich unterstreicht, steigen die risiken beim gierigen grapschen nach den letzten vorräten des schmierstoffs für die industrielle "zivilisation" absehbar in einer derart unakzeptablen weise an, dass die dringlichkeit der beendigung des zeitalters der fossilen energien einem schier ins gesicht springt. und noch mehr die dringlichkeit der beendigung des auf diesen fossilen energien basierenden totalitären kapitalismus: weil die profitmaximierung um jeden preis das eherne gesetz dieses systems, ja eigentlich seinen einzigen inhalt darstellt, ist das verhalten von bp, wie es weiter oben kurz skizziert wurde, keinesfalls irgendwie als "ausrutscher" zu begreifen, sondern als "normalität", die unter den systemvorgaben ohne weiteres zur offenen kriminalität (wenn auch vermutlich nicht im sinne der herrschenden strafgesetze) mutiert.

anders: es liegt auf der hand, dass bei immer schwierigeren umständen der ölförderung solche "unfälle" keine ausnahmen bleiben werden - was das in gebieten wie den polarregionen oder auch anderen tiefseezonen mit einiger wahrscheinlichkeit bedeutet, müssen wir gerade miterleben. aber wenn man sich den umgang mit der gleichfalls hochriskanten - und zwar in jeder beziehung, vom uranabbau bis zur fiktiven "endlagerung - atomenergie betrachtet, die unter strukturell ähnlichen prämissen wie die ölförderung betrieben wird, bleibt die wahrscheinlichkeit für lerneffekte gering - auch, wenn obama inzwischen andere tiefseeprojekte erstmal ausgesetzt (und eben nicht definitiv beendet) hat. dafür ist letztlich auch eine verbreitete haltung mitverantwortlich, wie sie jemand im "standard"forum
zur schau stellt:

(...) "ich will die errungenschaften der modernen gesellschaft nicht aufgeben. ich will im auto fahren wann ich es will und wohin ich will, ich will wenn ich es möchte ein flugzeug besteigen können und in ein land reisen können, das mich interessiert.

kaufen sie sich einen bauernhof (kein stromanschluss, kein traktor), züchten sie tiere und pflanzen sie obst, gemüse und getreide. und schauen sie sich mal an, was für ein sch** leben das ist."


wer derart "ich will" brüllt, will und wird letztendlich und tatsächlich nur eines: mit dem kopf frontal gegen eine betonwand laufen. ich fürchte, anders werden die nach dem westlichen "way of life" strukturierten gesellschaften incl. einer mehrheit ihrer bewohnerInnen ihre grenzen auch nicht (mehr) lernen, als nur noch auf die ganz harte und schmerzvolle tour (da kann dann beizeiten auch ein naturphänomen wie ein
vulkanausbruch wertvolle lektionen vermitteln). mal abgesehen davon: woher will der im tatsächlichen sinne a-soziale ignorant wissen, was ein scheißleben ist? in der heutigen gesellschaftlichen form können sich wirklich und tatsächlich nur noch gestörte auf die dauer wohlfühlen (und halten das auch noch für "freiheit") - das nenne ich ein scheißleben ! und das ist keine haltlose polemik, sondern ein nüchterner tatsachenbestand (wer das nicht glaubt, darf sich zb. einmal das blog von vorne bis hinten durchlesen und dann wiederkommen).

*

einmal mehr lautet abschließend ein wesentliches fazit aus dem ölteppich im golf so: es ist absolut zeit, aufzuräumen - im ganz eigenen überlebensinteresse.
monoma - 3. Mai, 01:29

...

Am Anfang der Katastrophe:

"Wie in Zeitlupe erleben wir eine der größten Katastrophen in der Geschichte der Ölförderung. Schon jetzt ist die Ausdehnung des Ölteppichs von 9.000 Quadratkilometern - halb so groß wie Sachsen - gigantisch, und sie wird weiter wachsen. Wer erinnert sich jetzt noch an den Präsidentschaftswahlkampf mit dem verbohrten John McCain, der mit dem Slogan "Drill here, drill now" durch die Lande gereist war und - auf dem Höhepunkt der Ölpreiskrise - am liebsten gleich die halbe Arktis angebohrt hätte. Und das wird kommen! Mit den hohen Ölpreisen und dem Erreichen des weltweiten Fördermaximums (peak oil) wird die Ölgewinnung noch aufwändiger und gefährlicher. Und die Schere zwischen einer wachsenden Nachfrage und der gleichzeitig stagnierenden und später sinkenden Förderung wird alle Hemmungen beseitigen."

che2001 (Gast) - 3. Mai, 16:35

Well I'm standing by a river
But the water doesn't flow
It boils with every poison you can think of
And I'm underneath the streetlight
But the light of joy I know
Scared beyond belief way down in the shadows
And the perverted fear of violence
Chokes the smile on every face
And common sense is ringing out the bell
This ain't no technological breakdown
Oh no, this is the road to hell

And all the roads jam up with credit
And there's nothing you can do
It's all just bits of paper flying away from you
Oh look out world, take a good look
What comes down here
You must learn this lesson fast and learn it well
This ain't no upwardly mobile freeway
Oh no, this is the road
Said this is the road
This is the road to hell


Chris Rhea
Quirinus (Gast) - 5. Mai, 14:17

Ein Kommentarschreiber ...

auf dieser Seite meint, bei dem Unfall könnte es sich um Sabotage seitens derer gehandelt haben, "die militärisch die Öl-Territorien 'beschützen' und nicht mehr so viel zu tun hätten, wenn das Öl direkt vor der Nase der Amerikaner sprude[l]n würde". Ich würde mich nicht wundern, wenn es tatsächlich so wäre.
Peter (Gast) - 5. Mai, 22:02

@QUIRINUS

Das ist durchaus im Bereich des Möglichen. In einer verdinglichten Welt wird ständig um die Ecke gedacht – eiskalte Berechnung eben. Da unser einer gewöhnlich nicht so skrupellos denkt, kommen wir gar nicht auf die Idee, dass solche Zusammenhänge existieren könnten. Wüssten wir, was hinter den Kulissen tatsächlich abgeht, wir würden es nicht verkraften (meine Vermutung).

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