notiz: eyjafjallajökull [update]

"Der unaussprechliche Vulkan stemmt sich nicht nur sprachlich gegen den mainstream, sondern ist konsequent und schreitet auch in der Praxis zur anarchistischen Tat. Vorbildlich ! Bravo !". yo ;-) ein beeindruckender vulkan auf einer sympathischen insel - wunderschöne photos gibt´s hier - mein favorit ist die nummer 17. es ist immer wieder nötig, den größenwahn besonders der "zivilisierten" menschlichen welt auf normalmaß herunterzuholen. und letzteres darf aktuell wortwörtlich verstanden werden.

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edit am 18.04.: ich finde solche ereignisse - wie auch andere naturphänomene wie erdbeben, tsunamis, tornados, hurricanes etc. - deswegen so faszinierend, weil sie trotz all ihrer zwar potenziell traumatischen, aber unpersönlichen gewalt jedes mal eine sehr nachdrückliche erinnerung an unsere spezies vermitteln: nämlich die, dass wir ein untrennbarer teil der gesamten planetarischen bios- und geosphäre sind, und unser gesamtes soziales leben nicht nur in engen wechselwirkungen mit den diesbezgl. aktivitäten steht, sondern schlicht auf dieser basis beruht. ebenso wie bspw. die großen seuchen des mittelalters können auch geologische und meteorologische gewalten nicht nur einzelne gesellschaften, sondern im extremfall ganze kontinente bzw. ihre menschliche bevölkerung mit krassen und nachhaltigen brüchen in ihrem sozialen leben konfrontieren und den "lauf der geschichte" in völlig andere richtungen lenken. gerade der isländische vulkanismus hat da aller wahrscheinlichkeit nach schon früher mindestens ein prägnantes
beispiel für geliefert:

(...) "Aktuell besteht jedoch noch kein Anlass zur Sorge, dass unser Sommer unterkühlt ausfällt, beruhigt Karsten Haase: "Momentan reicht die Menge an freigesetztem Schwefeldioxid noch nicht aus, um das Klima zu beeinflussen." Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass isländische Vulkane das Wetter in Europa beeinflussten: "1783 fand auf der Insel eine sehr starke Eruption statt, während der enorme Mengen Lava freigesetzt wurden. Ganz Europa war davon massiv betroffen."

Damals brach der Vulkan Laki aus und schickte seine Schwefelfracht ostwärts: Rund 120 Millionen Tonnen Schwefeldioxid könnten damals den Himmel getrübt haben, schätzt der britische Geologe Colin Macpherson von der University of Durham - das Dreifache dessen, was Europas Industrie im Jahr 2006 produzierte. Die Folgen waren verheerend: Auf Island starben tausende Menschen an einer Hungersnot, weil Felder verwüstet wurden und das Vieh starb. Großbritannien und weite Teile Kontinentaleuropas lagen unter einer quasi konstanten Nebeldecke und mussten 1783/84 durch einen extrem kalten Winter, der ebenfalls viele Opfer forderte. Womöglich wurde sogar die Französische Revolution durch die vulkanischen Kalamitäten mit ausgelöst: Die dadurch verursachten Wetterextreme vernichteten Ernten und töteten das Vieh, was die verarmte und ausgezehrte Bevölkerung schließlich zum Aufstand trieb." (...)


nebenbei gesagt, ist der verlinkte artikel, aus dem das obige stammt, eindeutig einer der besten mir bekannten, die bisher zum aktuellen ausbruch und seinen folgen veröffentlicht worden sind - tipp! davon abgesehen, lässt sich bei der betrachtung des gesamten irdischen vulkanismus vor dem hintergrund der aktuellen folgen der isländischen asche lebhaft vorstellen, wie die heutigen hochindustrialisierten gesellschaften regelrecht kollabieren würden, wenn zb. einer der bekannten
supervulkane wie der yellowstone in den usa ausbrechen würde - ereignisse, die schon öfter in der vergangenheit zu zuständen geführt haben, die sich aus menschlicher sicht nur als globale katastrophe bezeichnen lassen; incl. mehrjährigen drastischen klimaveränderungen mit allen folgen für flora und fauna. die heutige welt ist nicht zuletzt von solchen ereignissen nachhaltig geprägt worden - eine art schöpferische zerstörung.

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aktuell ist auf island kein ende des ausbruchs abzusehen, und auch die meteorologischen bedingungen sprechen nicht dafür, dass sich die aschewolken schnell verflüchtigen würden. kein wunder also, dass die luftfahrtbranche langsam sehr nervös wird und laut diversen medienberichten beginnt, das flugverbot in frage zu stellen. hier bahnt sich ein schwerer konflikt zwischen profitinteressen und menschenleben an, der direkt auf weitere anstehende, strukturell ähnliche großkonflikte in unseren gesellschaften in den kommenden jahren verweist - ganze industriezweige und wirtschaftsgebiete werden u.a. durch peak oil in ähnliche situationen geraten, wenn deutlich wird, dass die materielle basis bestimmter industrien einfach nicht mehr aufrechterhalten werden kann. wenn der vulkan die nächsten wochen und monate weiter aktiv wäre, käme es auch immer wieder zu passenden wetterlagen, in denen die asche nach europa gelangen würde - die folgen für den luftverkehr - den ich persönlich zu großem teilen für überflüssig und ersetzbar halte - wären ein desaster. von daher ist das derzeitige gemotze schon verständlich, aber nicht nur den betreffenden managern, sondern auch den inzwischen wieder auf der bildfläche erscheinenden verschwörungstheoretikern sei dieser
bericht aus finnland vom vergangenen freitag empfohlen, in dem die finnische luftwaffe von eigenen erfahrungen mit der asche (incl. photos) am vergangenen donnerstag berichtet - die haben schlicht sehr viel glück gehabt mit ihren maschinen.

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bestenfalls kann der vulkan bei entsprechenden bedingungen hier in wichtigen teilbereichen, die auf dem luftverkehr beruhen - u.a. tourismus, just-in-time-produktion etc. - für ein phase der längeren entschleunigung sorgen. und das wäre dann mal eine wirklich beeindruckende einmischung natürlicher gegebenheiten ins menschliche treiben, zumal es zumindest bisher keine todesopfer gefordert hat. schlimmstenfalls sind dieser ausbruch wie auch die auffällig vielen schweren erdbeben der letzten monate aber auch das indiz für eine phase global gesteigerter geologischer aktivitäten, die sich dann zu folgen akkumulieren können, die nicht mehr als entschleunigung, sondern nur noch als gegen-die-wand-fahren-lassen der menschlichen gesellschaft generell bewertet werden können. machen könnten "wir" dagegen garnix, und so bleibt - wiedereinmal - im angesicht der naturgewalten als vielleicht wichtigste lektion die demut übrig, die uns in aller wünschenswerten deutlichkeit an unseren platz im gefüge der natürlichen beziehungen erinnert - wenn nötig, auch mit dem holzhammer.
monoma - 20. Apr, 22:49

ein paar nachträge auf die schnelle

- weitere eindrucksvolle photos bei boston.com

- ein paar grundsätzlichere gedanken in der zeit - unsere verletzliche techno-zivilisation (ja, wird zeit für ordentliche wunden, und den salzstreuer gibt´s hinterher)

- interessante schilderung der folgen der flugsperren in afrika, gleichzeitig ein lehrreiches beispiel für die bedeutung des luftverkehrs in der heutigen globalen irrsinnigen ökonomie: die globalisierung legt eine pause ein

- das ganze erbärmliche schauspiel rund um die bettelnd-drohenden airlines, protestierende piloten und sichtflüge sowie die ignoranz der vielflieger greife ich vermutlich in den nächsten tagen nochmal in einem längerem update auf.

- niemand kann sagen, ob und wann die katla, die zornige große schwester des eyjafjallajökull, aus ihrem schlaf erwacht. interessante infos dazu und auch zu einem ? einer ? dritten im vulkanischen bunde, hekla. wenn sich katla in absehbarer zeit - das kann übermorgen, in vier monaten oder einem jahr oder länger sein - einmischen sollte, kann das für europa sehr ungemütlich werden. und dann werden bodengebundene ferien- und blumenflieger eher ein kleines problem (zumindest für diejenigen, die sich keine andere gesellschaft vorstellen können / wollen) sein.

monoma - 23. Apr, 23:58

geradezu surrealistische bilder...

...aus licht, feuer, eis, luft und stein sind hier zu sehen.

ein vulkan an sich ist schon beeindruckend; in der isländischen vereisten bergwelt steigert sich das durch die kontraste nochmals, aber mit den polarlichtern drüber wird´s schlicht atemberaubend. wirklich wunderschön!

katla, btw, ist übrigens z.zt. relativ ruhig. aber wie im vorangehenden kommentar schon geschrieben: es bleibt in letzter konsequenz nur eines - warten. "sie" wird nicht für immer ruhig bleiben. ebensowenig wie der vesuv, der ätna, pinatubo ....yellowstone. bis hin selbst zur eifel.

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