notiz: klartext - im oktober war tatsächlich ein bank run im gange!

ein kleiner zeitsprung:

(...)"Der Angestellte der Sicherheitsfirma, der am Eingang der Deutschen Bank am Marienplatz steht, überblickt nicht nur das Gewusel in der Filiale. Seine Firma macht Sicherheitslogistik für Filialen mehrerer Banken in München, und er sagt: „Es wird vermehrt abgehoben. Das ist in allen Filialen so.“ Und bekräftigt: „Die Leute heben große Mengen Geld ab.“(...)

diese info zitierte ich anfang oktober, genauer am 7.10. nun kommt eine art
bestätigung dafür, die schlaglichtartig einiges deutlicher werden lässt:

(...)"Die Rede ist von Kernschmelze, Flächenbrand, Abgrund. Ist es wirklich so schlimm? Michael Best, Leiter der ARD-Börsenredaktion, erinnert sich: "Ende September, Anfang Oktober wurden die 500-Euro-Scheine knapp. In der Schweiz begannen sie 1000-Franken-Scheine nachzudrucken." Bis am 5. Oktober die Bundesregierung die improvisierte Erklärung abgibt und alle Spareinlagen der Bürger im Wert von 1500 Milliarden Euro garantiert. "Das half und zwar sofort", sagt Best.

In Windeseile schnürt die Bundesregierung ein Multimilliarden-Rettungspaket für die Banken, die Parlamentarier beraten die Nacht durch. Eile ist geboten, eine deutsche Großbank, die Hypo Real Estate, ist im freien Fall. "Wir standen am Abgrund, vor dem Kollaps der Geldwirtschaft. Ein paar Tage noch und man hätte keine Geldscheine mehr aus dem Automaten bekommen", sagt Best. "Nur der Staat konnte noch helfen und die Notenbanken."(...)


diese worte lassen all das gerede der notorischen optimisten und schönfärber erstens als die durchhalteparolen kenntlich werden, die sie sind.

zweitens, und das halte ich für bedeutsamer: es bleibt tatsächlich nur der schluß zu ziehen, dass ein - "rechtlich", also juristisch, völlig irrelevantes - versprechen seitens der regierung, dessen einlösung real den staat an seine finanziellen grenzen führen würde, als massensedierung gewirkt hat - letztlich eine art der fiktion, die auf reinem glauben beruht. das nun bestätigt aus meiner sicht etliches, was ich in den krisennews zum psychophysischen zustand eines großteils der hiesigen bevölkerung angesichts der krise geschrieben habe.

drittens aber: was unterscheidet die heutige ökonomische situation eigentlich qualitativ von der damaligen? der fortgang des allgemeinen geldverkehrs mag vorläufig gewährleistet sein, und wenn man sich klar macht, das ein (massiver) bank run als wahrscheinlichste folge einen sofortigen zusammenbruch des finanzsystems nach sich ziehen würde, ist die strategie der "eliten" vom oktober schon klar - das zumindest musste aus deren sicht auf alle fälle verhindert werden. ich sehe hingegen nicht, dass sich die ökonomischen fundamentaldaten grundsätzlich verändert haben, d.h., veränderung ist schon zu beobachten, aber fast durchgängig
negativer art - zumindest aus systemstützenden perspektiven.

viertens: ganz offensichtlich haben damals die (mainstream-)medien bei der verschleierung der tatsächlichen lage mehrheitlich mitgeholfen. das mögen nun einige wieder als "politische verantwortung" oder ähnlichen phrasen sogar positiv bewerten. ich werte es hingegen als weiteres zeichen dafür, dass sich die sog. "vierte gewalt" im zweifelsfall immer an der seite der macht wiederfindet. was zwar auch keine neue erkenntnis darstellt, aber eine, die permanenter wiederholung bedarf.

mein vorläufiges fazit insgesamt: es besteht absolut kein grund mehr dazu, den (regierungs-)offiziellen politischen statements zur krise auch nur ansatzweise über den weg zu trauen. vor allem dann nicht, wenn sie die fiktion von "es-ist-alles-in-bester-ordnung" verbreiten.

*

nachtrag/edit am 31.01.09: zeitlich perfekt passt das in
diesem beitrag erwähnte treffen von regierung und mainstreampresse ins szenario, welches am 08.10. stattgefunden haben soll - und die presse ist der "bitte" augenscheinlich nachgekommen, natürlich nur aus "staatsbürgerlicher verantwortung."
Peter (Gast) - 30. Dez, 15:22

Dax...

Die Massensedierung funktioniert wirklich prächtig, wenn man sich beispielsweise auch die erstaunliche (relative) Stabilität der Aktienmärkte anschaut - angesichts der zu erwartenden bzw schon im Gange seienden Wirtschaftskrise ist es doch nicht nachvollziehbar, dass die Leute überhaupt noch Aktien kaufen. Die müssen ja glauben, dass es bald wieder nach oben geht...
Ein guter Artikel übrigens, auch Deine Krisengedanken von gestern!
Einen guten Rutsch ins neue Jahr
Peter

monoma - 31. Dez, 13:50

auch dir alles gute...

...und was den dax betrifft: auch der wird hauptsächlich von imaginationen und fiktionen angetrieben, ist also ungefähr so aussagekräftig wie fanprognosen und -wetten auf ihren lieblingsverein ;-)
archenoe - 30. Dez, 17:45

Konzentration auf einige Banken/Firmen + Personifizierung

Deine grundsätzliche Einschätzung teile ich. Was mir jedoch an dem Tagesschau-Artikel nicht so passt, sind die Zuspitzungen auf einige Firmen und Banken sowie auf einige Personen. So geht heute leider Journalismus, so dass auch dieser Artikel - nur schwerer erkennbar - genau in die Strategie der "vierten Gewalt" passt, wie Du sie charakterisierst. Zwar ist es durchaus denkbar, dass zahlreiche Personen in den Banken/Firmen so konkretistisch denken und reagieren wie im Artikel beschrieben, also z.B. wirklich geschockt waren von den Lehmann-Leuten und ihrer Flucht aus dem Bankgebäude. Auch ist es möglich, dass es tatsächlich Engpässe bei Bargeldscheinen gegeben hat.
Nur: Wenn die Panik so weit fortgeschritten gewesen wäre, wie es der ARD-Börsenredaktionschef nahelegt, dann hätten auch die Merkelschen Beruhigungen nichts mehr genützt. Außerdem geht heute vieles über den bargeldlosen Zahlungsverkehr.
Schiefer aber wird die Geschichte, wenn im Artikel suggeriert wird, dass vorwiegend die Fehlleistung der US-Regierung für den Fast-GAU verantwortlich war, dass also die verpasste Rettung von Lehman alles halb so schlimm hätte werden lassen. Will sagen: Auch die Tagesschau will die fundamental-strukturelle Doppelkrise der in eine Überproduktionskrise einmündenden Profitratenkrise in der Produktions- und Dienstleistungswirtschaft sowie der sich als platzende Immobilien- und Kreditblase in einem weltweiten Defizitkreislauf zeigenden Finanzkrise noch nicht wahrhaben. Auch solche Pressemeldungen gehen von einer absichtsvoll falsch gewählten Reihenfolge des Krisenverlaufs aus. Nicht die Finanzkrise hat die Überproduktionskrise hervorgerufen, sondern die miesen Profitaussichten in der "Realwirtschaft"bei verschärftem internationalen Konkurrenzkampf haben das Kapital zunehmend in den Finanzbereich getrieben und dort zu dem kreditfinanzierten Defizitkreislauf geführt, der nun in der Finanzkrise die "Realwirtschaft" noch zusätzlich durch stockenden Kreditfluss bedroht. Tatsächlich haben die exorbitanten Gewinne in der Finanzwirtschaft über mehrere Jahrzehnte die kapitalistische Strukturkrise verzögert/überdeckt. Und jetzt crasht es doppelt, sich gegenseitig befeuernd, denn eigentlich müsste nun noch mehr Kapital in die Finanzwirtschaft als Ausweg aus der Profitklemme in der Realwirtschaft fließen. Das aber macht zur Zeit eben auch keinen Sinn.

Es wird einfach kaum in Publikationsmitteln seriös diskutiert. Ich suche immer noch Artikel oder Aufsätze, in denen mal Klartext über die Möglichkeiten der kapitalistischen Erneuerung gesprochen wird, denn diese Erneuerung soll doch offenkundig angestrebt werden ("Revolutionssituation ohne Revolutionäre").
Die Möglichkeiten sind ja schnell aufgezählt:
1. Krieg, aber bitte ein großer - aus zahlreihen Gründen momentan wenig wahrscheinlich.
2. Erschließung neuer Märkte - wo bitte soll das funktionieren?
3. Echte Produktinnovationen mit Multiplikatoreffekt (benötigter Wirkungsgrad wie die Dampfmaschine oder der Otto-Motor). Ist so etwas in Sicht? Nein. Ersatzinnovationen, wohin man auch schaut.
(Der galoppierende Schwachsinn wird ja an Politikerappellen deutlich: Leute kauft Autos! Diese Dinger mit dieser Motortechnik aus der Steinzeit des Kapitalismus? Man könnte ebenso fordern: Kauft mehr Sofas, Drittkühlschränke und Rasenmäher!)

Und nun?

monoma - 31. Dez, 14:02

den ganzen artikel...

hatte ich gar nicht als bezug genommen, und da teile ich deine inhaltliche kritik weitgehend. aber das hier sehe ich anders:

Nur: Wenn die Panik so weit fortgeschritten gewesen wäre, wie es der ARD-Börsenredaktionschef nahelegt, dann hätten auch die Merkelschen Beruhigungen nichts mehr genützt. Außerdem geht heute vieles über den bargeldlosen Zahlungsverkehr.

ich glaube, da gehst du hinsichtlich der beruhigungspillen zu rational vor - ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass viele leute das geglaubt haben, weil sie nicht zuletzt glauben wollten und wollen. ohne diese bereitschaft hätte bzw. würde dieses völlig zu nichts verpflichtende versprechen nicht bis heute wirken. und den bargeldlosen verkehr sehe ich im zusammenhang mit einem bank run als sekundär an; wobei es auch viele kontoverschiebungen gegeben haben dürfte, hin zu den angeblich sicheren banken wie sparkassen u.ä.

Und nun?

die eine-million-euro-frage...

ich befürchte, dass versucht wird, so lange wie möglich - und mit allen nur vorhandenen mitteln - die simulation eines funktionierenden betriebes aufrechtzuerhalten. ich denke, das dieser versuch bereits mittelfristig zum scheitern verurteilt ist. und ich hoffe, dass bis dahin kollektive und individuelle prozesse in gang gekommen sind, die die bereitschaft zur destruktion im angesicht des ja nur für systemprofiteure realen untergangs wirkungsvoll bremsen können, was auch die entwicklung tragfähiger alternativen impliziert.

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