notiz: krisennews und -gedanken (13)

eines der ärgerlichsten, aber auch bezeichnendsten merkmale vieler statements zur weltwirtschaftskrise besteht - selbst beim zugeständnis der tatsache, es hier nicht mit einer der üblichen zyklischen krisen zu tun zu haben - in der unfähigkeit, jenseits der primär ökonomischen symptome auch die anderen monströsen anzeichen dafür wahrzunehmen, dass sich das ganze bisherige politische & ökonomische system der westlichen welt plus seiner überall vorhandenen globalen ableger auf dem weg in den abgrund befindet. und letzteres hat zentral etwas mit dem kapitalismusimmanenten zwang zum ständigen exponentiellen wachstum (wie krebszellen) zu tun, der neben der gleichfalls immanenten und eher personengebundenen bestrebung nach immer mehr quantifizierbarem materiellem "reichtum" incl. ständiger reichtumskonzentration und -umverteilung nach oben der einfluß ist, welcher die aktuelle krisenkaskade bis zum jetzigen moment täglich befeuert.

so haben wir eben nicht nur eine weltwirtschaftskrise, die - und dafür muss ich mich nicht mehr allzuweit aus dem fenster lehnen - in vielen regionen der welt eine dynamik erreichen wird, die historisch ohne beispiel ist. sondern wir hatten bereits sozusagen im vorlauf eine globale
hungerkrise, die weiterhin vorhanden ist und sich absehbar verschärfen wird; wir haben - trotz der aussichtlosen versuche der leugnung von diversen seiten - eine ökologische krise, deren schärfste globale variante der anthropogene klimawandel darstellt; ferner haben wir es mit ressourcenkrisen wie peak oil zu tun. und ob man unter letztere rubrik auch die aufziehende globale wasserkrise führen sollte, ist dann eher definitionssache. jedenfalls wird das wasser in nächster zukunft für noch mehr instabilitäten sorgen als heute das öl - auch damit lehne ich mich nicht weit aus dem fenster:

(...)"Wie steht es im 21. Jahrhundert um die globale Verteilung der Ressource Wasser? Filmemacherin Irena Salina hat drei Jahre lang Wissenschaftler und Umweltbeauftragte in aller Welt zu diesem Thema befragt. Ihre Untersuchung führt sie in südafrikanische Townships, in denen die Trinkwasserversorgung privatisiert ist und die Ärmsten der Armen verschmutztes Flusswasser trinken müssen. Im indischen Bundesstaat Rajasthan schließen sich Dörfer zu Genossenschaften zusammen und fangen Regenwasser auf, um den Wasserhändlern zu trotzen. In Südamerika beobachtet Irena Salina, dass Wasserreserven wiederholt chemisch verseucht werden, und in Kanada, dass große Lebensmittelkonzerne ganze Flüsse austrocknen lassen.

Überall bietet sich ihr das gleiche Bild eines ökologischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und menschlichen Skandals. Aber es zeigt sich auch, dass es an den Orten Hoffnung gibt, an denen sich die Bevölkerung organisiert und um ihr Recht auf Wasser kämpft."(...)


sehen Sie sich die doku an, die nächsten tage bieten dafür genügend zeit:



hier geht´s direkt weiter zu den anderen teilen des videos.

*

was ich oben gerade mit "personengebunden" meinte, macht der folgende
artikel etwas deutlicher:

(...)"Gowers schildert den Lehman-Boss als einen "Mann mit einer fast unerträglich starken Persönlichkeit", der den Gewinn der Bank von 1994 bis 2007 von 113 Millionen auf 4,2 Milliarden Dollar steigerte. Damit schuf Fuld sich einen nahezu unangreifbaren Ruf: "Zu sagen, dass Dick Fuld von einem Persönlichkeitskult umgeben war, wäre eine Untertreibung. Er war ein Paradebeispiel für einen allmächtigen Unternehmenschef", schreibt Gowers. "Für viele Mitarbeiter und für die Außenwelt personifizierte er Lehman, sein Charakter war untrennbar verbunden mit dem der Firma."

Fuld soll selbst seinen engsten Mitarbeitern große Loyalität, aber auch Furcht eingeflößt haben, so dass sie ihm hörig waren "wie einem mittelalterlichen Monarchen" und alles von ihm fern hielten, was er nicht hören wollte. "Seine Bösartigkeit konnte einschüchternd sein. Regelmäßig wies er Kollegen zurecht, die auch nur geringfügig von der Kleiderordnung abwichen."

Fuld sah Lehman laut Gowers wie im "Krieg", die Mitarbeiter waren seine Truppen. Investoren, die auf fallende Lehman-Kurse setzten, drohte er auf einer Konferenz: Wenn er einen von ihnen finde, "will ich ihm das Herz herausreißen und es vor seinen Augen essen, während er noch lebt"(...)


die these, dass sich das system selbst die passenden persönlichkeitstypen bzw. -defekte sozusagen per innerer selektion heranzüchtet, ist hier im blog nicht neu. ebenfalls nicht die erkenntnis, das von einer "fast unerträglich starken persönlichkeit" nur innerhalb der systemlogik die rede sein kann. wer so auftritt wie beschrieben, hat eher elementare probleme - jedenfalls in der authentischen sozialen menschlichen welt. das diese probleme in form wie empathieunfähigkeit, dominanz einer streng objektivistischen instrumentellen intelligenz und ausrichtung an quantitäten und zahlen innerhalb unserer grundlos glorifizierten gesellschaftlich herrschenden strukturen als positiv gewertet werden - das ist genau das symptom, welches das lebensgefährliche wesen dieser strukturen überdeutlich macht. funktionelle und/oder strukturelle soziopathen an der macht - ihre bevorzugte überlebensform.

*

was das treiben dieser leute dann alles so für folgen hat, war in den letzten news auch bezgl. der usa immer wieder thema. die in den news nr. 11 zum schluß kurz erwähnten probleme mit der unterstützung von erwerbslosen in vielen us-bundesstaaten lassen sich inzwischen konkretisieren -
kollaps mit ansage:

(...)"In 30 der 50 Bundesstaaten steuern die Fonds, die Arbeitslosenhilfen auszahlen, auf die Insolvenz zu. "Das Problem war noch nie so verbreitet, nie waren so viele Staaten gleichzeitig in Geldnot", sagt Heidi Shierholz vom gewerkschaftsnahen Economic Policy Institute. Die Gouverneure haben es versäumt, in den Jahren des Aufschwungs ein Polster aufzubauen, das jetzt den konjunkturellen Sturzflug abfedern könnte. Michigan und Indiana, wo sich die amerikanische Schwerindustrie schon seit Jahren in der Krise befindet, sind bereits pleite. Sie mussten sich Geld in Washington pumpen. Auch South Carolina hat kürzlich einen Kredit beantragt, und in Kalifornien, New York, Ohio und Rhode Island sind die Ersparnisse spätestens Anfang des Jahres aufgebraucht.

Seit Dezember vergangenen Jahres sind in den USA zwei Millionen Jobs verloren gegangen, und Schätzungen zufolge werden im kommenden Jahr weitere vier Millionen verschwinden. Allein im November beantragten 573 000 Amerikaner Arbeitslosenhilfe. So viele waren es seit 1982 nicht mehr. In vielen Bundesstaaten beträgt die Arbeitslosenquote mehr als neun Prozent. Damit hat das Problem eine kritische Masse erreicht, unter der die staatliche Versicherung zusammenbrechen könnte."(...)


wie in den letzten news schon umschrieben: die bereitstellung von aktiven armee-einheiten hat aus sicht der "eliten" schon ihren sinn. erst prügel, dann kugeln statt nahrung. leider gibt es ernsthafte chancen dafür, dass wir - und vor allem die us-bevölkerung - solche szenen 2009 erleben müssen.

*

wieder mal ein blick nach asien - einmal wäre da eine möglichkeit, sich jeweils recht aktuell einen brauchbaren überblick zu verschaffen, die ich Ihnen nicht vorenthalten will - die seite umwälzung.de bietet asienbezogene
news, mittels derer die zunehmenden sozialen konflikte und kämpfe in vielen dortigen staaten zumindest ansatzweise nachzuvollziehen sind. zum anderen hat sich mittlerweile unter den news nr.11 ein längerer kommentarstrang entwickelt, in dem u.a. die chinesischen wanderarbeiterInnen eine rolle spielen - ebenso wie in einem interview, welches sich vor allem mit der chinesischen it-industrie beschäftigt (und ja, die wahrscheinlichkeit dafür, dass sowohl mein als auch Ihr computer bauteile aus china aufweisen, ist verdammt hoch):

(...)"Welchen Eindruck haben Sie von den Arbeitsbedingungen in der Computerindustrie Chinas gewonnen?

Einen äußerst schlechten. Wir haben die Situa­tion in den Fabriken des Pearl River Delta untersucht, der Region im Süden Chinas, die das bedeutendste und modernste Wirtschafts- und Produktionszentrum des Landes darstellt.

Es sind vor allem zwei Punkte, die wir mit unserer Studie hervorheben wollen. Viele Leute glauben, es sei gefährlicher, in einer Schuh- oder Textilfabrik zu arbeiten, als elektronische Teile zusammenzubauen. Doch das ist ein Irrglaube. Vor allem in den Fabriken, in denen Leiterplatten für Computer hergestellt werden, sehen wir landesweit die größten Probleme, was die Gesundheit und den Schutz von Arbeitern betrifft. Diese müssen dort ohne adäquate Schutzvorkehrungen in geschlossenen Räumen ohne Belüftung mit gefährlichen und giftigen Chemikalien hantieren, viele von ihnen haben deswegen Haut­allergien und ständige Kopfschmerzen.

Der zweite Aspekt, den wir besonders skandalös finden, ist die unterbezahlte Arbeit und die unbezahlten Überstunden, die in den Fabriken der IT-Branche üblich zu sein scheinen. Teilweise erhalten die Arbeiter nicht einmal den gesetzlich vor­geschriebenen Mindestlohn, geschweige denn die ebenfalls gesetzlich geregelten Sonderzulagen für die Arbeit an Wochenenden und Feiertagen, teil­weise müssen die Arbeiter wochenlang ohne einen freien Tag arbeiten.

Die großen multinationalen Konzerne wie HP, Dell oder Fujitsu-Siemens machen mit der Ausbeutung der Arbeiter größte Profite, doch die Arbeiter werden daran nicht beteiligt.(...)

In China wird von immer mehr Arbeiterstreiks und -demonstrationen berichtet. Wehren sich auch die Arbeiter der IT-Industrie gegen die Arbeitsbedingungen?

Landesweit nimmt der Protest von Arbeitern seit Mitte der neunziger Jahre zu. Inoffiziellen Zahlen zufolge findet im Pearl River Delta jeden Tag min­destens ein Streik statt, an dem mehr als 1 000 Arbeiter beteiligt sind. Mittlerweile wird in den Werkshallen der IT-Fabriken derart oft zu spontanen Streiks und Demonstrationen aufgerufen, dass einige Leute von täglichem Widerstand und wilden Streiks in der Region sprechen. Da ist also durchaus eine Kraft vorhanden, die um die Rechte der Arbeiter kämpft und den Druck auf die Regierung erhöht, weitere und bessere Arbeitsgeset­ze zu erlassen. So ist beispielsweise seit dem 1. Januar ein Gesetz über Arbeitsverträge in Kraft, auch das kann als ein Ergebnis des Drucks gewertet werden, der von den massiven Arbeiterpro­testen in den vergangenen Jahren ausging.

Es sind aber nicht nur die Arbeiter im Süden, sondern auch die Arbeiter der staatlichen Betriebe im Norden, Taxifahrer, Hausangestellte oder Trans­portarbeiter, die auf die Straße gehen. 87 000 Arbeiterproteste wurden allein im Jahr 2005 gezählt.(...)

Die Wanderarbeiter stellen den größten Teil der Arbeiter in den IT-Fabriken im Süden. Sie sind gleichzeitig diejenigen, für die es am schwierigsten ist, ihre Rechte zu verteidigen. Denn ihnen fehlt das Geld, um Monate oder gar Jahre auf eine Entscheidung des Gerichts zu warten, wenn sie ihren Job verlieren. Sie müssen die Stadt verlassen, um sich woanders einen neuen Job zu suchen."(...)


(@mr. lemmy c.: nun, wie sieht´s also aus mit der "freiwilligkeit" und dem "besseren leben"? ich glaube eher, hier liegt ein klassisches beispiel für "vom regen in die traufe" vor.)

bei betrachtung der aktuellen ökonomischen lage in china muss ebenfalls von einer erhöhten wahrscheinlichkeit dafür ausgegangen werden, dass es dort im nächsten jahr umfassend kracht - denn lokal ist das schon permanente realität, und zwar schon seit den sog. "wachstumszeiten".

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