notiz: krisennews und -gedanken (19)

um die jeweiligen inhalte der krisennews etwas übersichtlicher zu gestalten, werde ich ab jetzt einleitend die themen kurz skizzieren.
  • wie sich die krise ins reale leben frisst: beispiele aus guatemala und österreich
  • bankster und die mafia: un sieht anzeichen für einsatz von drogengeldern zur banken"rettung"
  • britischer minister: "The banks are fucked, we're fucked, the country's fucked."
  • die krise und der profisport: "es geht ans eingemachte" im fußball und der formel 1
  • krisenkaskade: warum peak oil dafür sorgen wird, dass ein hypothetischer "aufschwung" sofort wieder abgewürgt werden wird
  • europäische staaten richten zentrale stelle zur beobachtung und vorwarnung von inneren unruhen ein
  • neues aus griechenland
  • und ein nachtrag: island
*

hierzulande ist es wohl größtenteils immer noch so: wer nicht gerade freunde/bekannte im umfeld hat, die zu der inzwischen in die hunderttausende gehenden zahl von entlassenen leih-, zeit-, oder kurzarbeitern gehören und selbst nicht über genügend kapital verfügte, um sich am weltweiten treiben der finanzmärkte zu beteiligen, dazu noch einen job hat und bei bedarf immer noch geld aus dem automaten bekommt, neigt verständlicherweise dazu - auch bedingt durch die regierungsamtliche desinformationspolitik - im angesicht der immer greller leuchtenden alarmsignale nur noch mit den schultern zu zucken - "ja und? was geht´s mich an?"

neben der bereits öfter konstatierten allgemeinen sozialen trance sowie der oben skizzierten eigenen erfahrungswelt dürfte zu diesem fatalen fehlschluss ein weiterer wahrnehmungsfehler beitragen, der daran liegt, dass menschen in der mehrheit dazu neigen, die verhältnisse bei sich und in dem ihnen zugänglichen umfeld umstandlos auch auf den rest der welt zu projizieren. das ist allerdings ebenfalls ein prozeß, der untrennbar mit dem vorgang der verdrängung all dessen zusammenhängt, was einen selbst in angst versetzen könnte. und eigene vorhandene zweifel werden im zuge dessen gleich mit (scheinbar) entsorgt, was sich daran erkennen lässt, dass nachfragen bezgl. der krise bei solchen zeitgenossen zunehmend zu genervteren bis aggressiven reaktionen führen können.

in gebieten wie bspw. den entvölkerten und vom leerstand befallenen vorstädten vieler us-städte, in den elendszonen osteuropas, in den globalen "automobilstandorten" und anderen zuerst von den krisenfolgen betroffenen zonen sieht die wahrnehmung entsprechend anders aus. erst recht in den planetaren elendszonen des trikonts, der sog. "dritten welt" - was der zusammenbruch der westlich dominierten globalen ökonomie dort anrichtet, lässt sich anhand dieses
beispiels aus guatemala ansatzweise erahnen:

(...)"28 Jahre lang hat sich Casa Alianza intensiv in Mittelamerika um Straßenkinder und mißbrauchte Heranwachsende bemüht. Ihre Sozialarbeiter waren wichtige Ansprechpartner für Tausende Kinder und Jugendliche, die ohne erwachsene Bezugspersonen aufgewachsen sind. In verschiedenen Krisenzentren und Kinderheimen wurde ausgestoßenen Kindern ein neuer Anfang ermöglicht und eine Zukunftsperspektive eröffnet. Das alles ist absehbar vorbei, von heute auf morgen. »Die Arbeit kann nicht weitergeführt werden«, erklärt Leonel Dubon, der Programmdirektor von Casa Alianza. »Uns stehen nicht mehr die notwendigen Mittel zur Verfügung.« Dabei sei die Lage der Kinder insgesamt »ziemlich hoffnungslos. Es gibt keine andere Organisation, die die Rolle von Casa Alianza übernehmen könnte. Dies ist ein harter Schlag für die Straßenkinder und für die Präventionsarbeit in den städtischen Armenvierteln.«(...)

Das Hilfswerk wird seit Jahren auch aus anderen Ländern unterstützt, doch der wichtigste Finanzgeber ist die US-amerikanische Organisation Covenant House. Als die Direktorin von Casa Alianza in Guatemala, Claudia Rivera, vor wenigen Wochen von einem Besuch der Covenant-House-Zentrale in New York zurückgekommen ist, war das düstere Ende schon abzusehen. »Ein gewisser Teil unserer Einnahmen hängt von den Börsenwerten ab. Die Einbrüche der Aktien haben uns geschadet. Außerdem hat die steigende Arbeitslosigkeit in den USA dazu geführt, daß weniger gespendet wird.«(...)


und so wird eine arbeit, die gesellschaftlich nicht nur dort vor ort, sondern auch global von unschätzbarer bedeutung ist - wenigstens die versuchte eindämmung von posttraumatischen störungen im gefolge von armut, struktureller gewalt, elendsökonomie und bürgerkrieg - ebenso bedenkenlos geopfert wie gleichzeitig versucht wird, den strukturell verantwortlichen weltweit die fortsetzung ihrer "spiele" zu ermöglichen - unter einsatz von fantastilliarden. straßenkinder, auch noch ohne weiße hautfarbe? wen interessieren die?

»Jetzt müssen die Straßenkinder die Konsequenzen der Fehler von Wallstreet-Brokern zahlen. Es trifft diejenigen am härtesten, die überhaupt nichts haben, keine Familien, kein Zuhause. Einige haben über Jahre hier im Heim gelebt, und jetzt werden sie wieder rausgeschmissen, vor die Tür gesetzt.«

Der fünfzehnjährigen Brenda steht der Schrecken ins Gesicht geschrieben. »Ich werde meine Freunde vermissen«, sagt sie. »Es ist schwierig, woanders neue Freundinnen zu finden. Wir waren aneinander gewöhnt. Es wird mir schwerfallen, all die Mädchen zu vergessen.« Brenda weiß nicht, wie es jetzt weitergehen soll. »Als ich noch zu Hause war, habe ich nie gelernt, was richtig ist und was falsch. Das habe ich erst hier erfahren und noch vieles mehr. Vielleicht werde ich jetzt auf der Straße leben.« Jedoch danke sie Gott für die 17 Monate, »die ich hier sein durfte«. Allerdings: »Ich habe Angst vor dem, was kommt.«


der letzte satz spielt, wenn auch in anderen dimensionen, ebenfalls eine hauptrolle in der befindlichkeit der bewohnerInnen einer
kleinstadt in österreich:

(...)"In den Medien ist die Wirtschaftskrise allgegenwärtig. Aber richtig spüren kann sie erst, wer hierher kommt; oder in eine andere kleine Gemeinde in einer strukturschwachen Gegend. Kaum wo hat die Krise so stark eingeschlagen wie in Knittelfeld und Umgebung. Sie verändert das Leben von fast jedem hier. Viele Leitbetriebe haben bereits Kurzarbeit oder Stellenabbau angekündigt – vom Motorenbauer ATB in Spielberg über den Leiterplattenhersteller AT&S in Hinterberg bis zu Stahl Judenburg und Austria Federn. Das Ebenseer Betonwerk in Knittelfeld sperrt zu, das Wienerberger Ziegelwerk im angrenzenden Apfelberg hat Anfang November einen unbegrenzten „Winterstillstand“ verhängt.

„Früher hat es halt geheißen, die Leute müssen ein bissel flexibel sein und nach Graz fahren, wenn sie ihren Arbeitsplatz verloren haben. Aber dort wird jetzt auch massiv abgebaut“, sagt ATB-Betriebsrat Michael Leitner, der sich gerade mit 80 Kündigungen im Betrieb herumschlagen muss. Die Leute sind verunsichert, und die Angst vor der Zukunft frisst sich wie ein Krebsgeschwür in die Köpfe. Ob beim Stammtisch, beim Damenkränzchen oder im Sparverein, es gibt kaum noch ein anderes Thema. „Viele fragen sich: Bin ich dabei? Trifft’s mich auch?“, erzählt der Knittelfelder „Bachwirt“ Sepp Hölzl."(...)


zuerst kommen die offenen elendszonen, dann die strukturschwachen gebiete, und am ende werden sich immer mehr auch in den strahlenden metropolen des planeten ebenfalls diesen fragen stellen müssen. in dieser hinsicht zumindest ist die krise eine art gleichmacher.

*

könnten solche ängste gekoppelt mit weiteren informationen über die reale struktur der globalen wirtschaft bei den betroffenen wenigstens eine art aha-effekt erzeugen? die sehr fließenden grenzen zwischen "legaler" und "illegalisierter" ökonomie waren im blog schon öfter thema, und vor diesem hintergrund mutet das folgende auch
nicht wirklich überraschend an:

(...)""Vielfach ist Drogengeld derzeit das einzige verfügbare liquide Investmentkapital", so Costa: "In der zweiten Hälfte des Jahres 2008 wiederum war Liquidität das größte Problem des Bankensystems, und damit wurde flüssiges Kapital zu einem wichtigen Faktor."

Die UNODC habe Anzeichen gefunden, dass "Interbank-Kredite durch Geldmittel finanziert worden, die aus dem Drogenhandel und anderen illegalen Aktivitäten kommen". Es gebe "Hinweise, dass manche Banken auf diese Art und Weise gerettet wurden"(...)


wenn man sich klar macht, dass banken in verschiedenem ausmaß auch den service der geldwäsche für solche und andere (waffen- und menschenhandel zb.) gelder anbieten, auf den die verschiedenen global aktiven mafiösen corporations zwecks aufrechterhaltung des legalitätsanscheins dringend angewiesen sind, bekommen fragen danach, warum eigentlich seitens der "offiziellen" politik das ganze globale finanzsystems bis an den rand des eigenen ruins um jeden preis "gerettet" werden soll, eine weitere mögliche antwort - und zwar eine, die aufgrund ihrer unglaublichen implikationen für verhalten und position jedes einzelnen menschen in diesem system kaum jemand hören werden will.

*

und auch vor diesem hintergrund möchte ich hier ein
zitat dokumentieren, welches der betreffende zwar hinsichtlich der besonders prekären britischen situation gemacht hat, das aber nichtsdestotrotz in den heutigen zeiten eine deftige allgemeingültigkeit beanspruchen darf:

(...)"After watching the slide in bank shares on Friday, one cabinet minister did not altogether joke when he said: "The banks are fucked, we're fucked, the country's fucked."(...)

and capitalism sucks!

*

wer will, kann in den medienwirksamsten sportarten wie fußball und dem total durchgeballerten rennirrsinn der "formel 1" wie im spiegel die gleichen merkmale eines pathologischen exponentiellen wachstumszwangs erkennen, unter denen auch die restlichen bereiche der globalen gesellschaften ächzen: immer mehr von allem muss es sein; mehr zuschauer, mehr fernsehgelder, höhere ablösesummen und gehälter, mehr leistung - letzteres auch, wenn´s denn "sein muss", unter inkaufnahme des psychophysischen ruins von gedopten sportlern. aber auch hier beginnt die krise, die strukturellen
grenzen des ganzen sichtbar zu machen:

(...)"In dieser Krise geht es wirklich ans Eingemachte", sagte Manager Hoeneß dem "Spiegel". Der Manager erwartet in den kommenden sechs Monaten deutliche Veränderungen bei den Besitzverhältnissen der Vereine.

Auch Bayern-Vorstandschef Rummenigge fürchtet angesichts der Krise um die Zukunft europäischer Klubs. Er habe von Kollegen aus England, Spanien und Italien von "ganz massiven Problemen" gehört, "weniger bei den absoluten Topklubs, aber eine Stufe darunter", sagte er der "Süddeutschen Zeitung": "Es scheint zahlreiche Klubs zu geben, die ernsthaft bankrottgefährdet sind."(...)


interessant ist vor allem, dass die argumentation analog der von hiesigen politikern in der jüngsten vergangenheit anmutet: "die großen" sind sicher, was sich bspw. beim blick nach spanien, wo die tatsächlichen - und seit eh und je hoch verschuldeten - riesen wie bspw. real madrid nicht unwesentlich von spanischen bauunternehmen gesponsert werden, irgendwie doch relativiert - das dürfte bei der rasanten krisenentwicklung nicht nur in spanien in bälde bei allen beteiligten zu der frage führen: "brot oder spiele?"

zum anderen erklärt rummenigge gleich mal die deutsche bundesliga implizit für "solide" und "krisenfest", was sich gleichfalls so überzeugend anhört wie das geschwafel von steinbrück im vergangenen herbst - "krise? nicht bei uns". schönreden bis zum eigenen untergang. und ähnliches ist auch beim nur noch mit dem wort "dekadent" zu bezeichnenden quatsch zu verzeichnen, hochgetunte autos
im kreis um die wette fahren zu lassen:

"Die Weltwirtschaftskrise bremst die Formel 1 aus und zwingt die Rennställe, die Gürtel deutlich enger zu schnallen. Ein rigider Sparkurs soll den Teams und Herstellern das langfristige Überleben in der Königsklasse ermöglichen. Die Verantwortlichen sind bemüht Optimismus zu verbreiten – und beschwören die Chancen, die in der erzwungenen Schrumpfkur stecken. Echte Zuversicht oder Durchhalteparolen?(...)

Die Weltwirtschaftskrise bremst die Formel 1 aus und zwingt die Rennställe auf Sparkurs - mit teils drastischen Folgen: So schockte Honda die Serie Anfang Dezember mit dem sofortigen Rückzug aus der Formel 1. Aber auch Ferrari, Toyota und McLaren-Mercedes reagierten, verzichteten auf die bislang übliche pompösen Präsentation ihrer neuen Wagen für die Saison 2009. Und das Wort Personalabbau ist in aller Munde. Renault hat angeblich bereits 100 Mitarbeiter entlassen und Red-Bull-Teamchef Christian Horner befürchtet Ähnliches. Erste Betroffene sind die Mitarbeiter der Testteams, die wegen des Testverbots während der Saison alle aufgelöst werden."(...)


wenn die "formel 1" in den orkus gehen würde, wäre das endlich mal eine absolut positive krisenfolge.

*

in dieser reihe habe ich unter dem stichwort der krisenkaskade öfter versucht, meinen eindruck zu vermitteln, dass es sich bei der weltwirtschaftskrise "nur" um einen stein innerhalb eines gebildes handelt, welches die dem westlichen "way of life" huldigenden gesellschaften global an ihre grenzen und darüber hinaus führen wird. und so ist die derzeitige aufmerksamkeitsfixierung auf die ökonomische krise zwar verständlich, jedoch - wie eigentlich üblich - mal wieder außerordentlich kurzsichtig. genauso wie das bestreben, das system doch bitte so weiterlaufen lassen zu können wie bisher. peak oil war bereits oft ein thema, und ich kann zum wiederholten nur dringend davor warnen, die niedrigen ölpreise im moment als grund für sorglosigkeit anzusehen. es ist nämlich bereits jetzt schon absehbar, was im - allerdings immer hypothetischer werdenden - fall passiert, dass die derzeitige globale ökonomie nochmals die kurve kriegen sollte - sie würde in diesem falle umstandlos in ihre
nächste strukturkrise eintreten:

(...)""Die Zeit billiger Energie ist vorbei“: Damit überschrieb die Internationale Energieagentur (IEA) im November ihren neuen Weltenergiebericht. Die weltweit geförderte Ölmenge, so die Kernbotschaft, werde im Jahre 2020 ihr Maximum erreichen (peak oil) und danach sukzessive zurückgehen. Hingegen werde die Ölnach-frage weiter anwachsen und das Preisniveau deutlich nach oben treiben. Von 2025 an sei ein Ölpreis von bis zu 200 Dollar pro Barrel möglich.

Zu Beginn des Jahres 2008 hätte diese Prognose sicherlich für viel Aufregung gesorgt. Doch Anfang 2009, in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise, ist diese überaus wichtige Meldung leider untergegangen. Die neue Ölmarktanalyse unterscheidet sich deutlich von früheren Berichten der IEA. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte weist die Energieagentur darauf hin, dass das Ölangebot weltweit seinem Ende entgegengeht – und die Ölpreise diesen Sachverhalt widerspiegeln werden. Besonders interessant ist das Ergebnis auch deshalb, weil die IEA bis vor Kurzem noch betont hatte, das Öl werde noch deutlich über 40 Jahre in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, und der Ölpreis werde auf maximal 60 Dollar pro Barrel im Jahre 2030 steigen."(...)


die jetzige krise stoppt u.a. auch alle investitionen in die schwerer zu erschließenden ölquellen wie die ölsande u.ä. - was zur folge haben wird, dass es sehr schnell zu einem unterangebot kommen würde, falls die globale nachfrage im zuge eines aufschubs (und nichts anderes wäre ein "aufschwung") für unsere art der ökonomie wieder anziehen würde - für diesen fall wird von verschiedenen seiten mit einem preisanstieg auf bis zu 200 $ pro barrel gerechnet, der sich sofort wieder in krisensymptomen niederschlagen würde. das ist übrigens auch der grund, warum ich die bisherige autoindustrie als historisches auslaufmodell bezeichne - aus dieser situation gibt es für diese industrie (und ganze andere ölabhängige industriezweige) in ihrer jetzigen form kein entkommen mehr. game over und ab zur mülldeponie der geschichte.

und das
blog der sehr lesenswerten seite oelschock.de drückt das grundsätzliche problem hinsichtlich wirtschaftskrise & peakoil so aus:

(...)"Stattdessen ist der Super-GAU aller Peak-Oil-Warner eingetreten: Ohne dass die allgemeine Öffentlichkeit sich des Problems „Hubbert-Maximum“ überhaupt ausreichend bewusst wäre, hat schon der erste Ansturm der Ölpreise mit dazu beigetragen, dass die Weltwirtschaft abgeschmiert ist wie ein Luftballon beim Kindergeburtstag, der knatternd und mit waghalsigen Flugmanövern seine Luft ausstößt und als schlaffes Häufchen Elend hinter dem Sofa landet. Und schon reden alle nur noch davon, wie man den Laden wieder in Gang bekommen kann. Wie die Regierung doch bitte nur irgendwie genug Geld herbeizaubert, damit nicht noch eines der Supermonster von Banken, Versicherungen oder Konzernen – die man doch früher so schrecklich und bedrohend fand, ohne die aber unser „System“ nicht einen Tag fortbestünde – den Jordan von der anderen Seite kennen lernt. Welchen Preis man zahlen muss, damit nur ja keine radikalen Änderungen notwendig werden.

Alle sind am Zittern. Wer sich in der Mittelschicht oder weiter unten ein Haus gebaut hat, ein neues Auto fährt, gerne drei Flugreisen im Jahr macht und immer die neueste Konsumelektronik kauft, muss in der Regel Schulden abstottern, jeden Monat, jahrelang, jahrzehntelang. Ein Ausfall kommt nicht in Frage, schon eine längere Krankheit des Familien-Hauptverdieners kann ganze Lebensplanungen zerbröseln lassen wie Pergament aus der Zeit der salischen Kaiser. Und dann erst „die schlimmste Krise, die ich in den letzten 30 Jahren erlebt habe“ (Josef Ackermann), die 2009 möglicherweise dazu führt, dass nicht nur die Zeitarbeiter einer ungewissen Zukunft entgegen sehen...! Beinahe jeder ist heute ein „Stakeholder“ der Mega-Maschine Kapitalismus, die so effizient ist, wenn es um die die schnelle Ausbeutung und Nutzung von Rohstoffen zur Produktion von „Überfluss“ geht, die aber so kläglich versagt, wenn es um die Entwicklung einer dauerhaft haltbaren Perspektive geht. Beinahe jeder ist strukturell unfähig, über die Mega-Maschine hinaus zu denken. Wo doch nichts dringender notwendig wäre.(...)

In all den kakophonischen Meldungen zur „Krise“ droht die wirklich wichtige Botschaft unterzugehen: dass uns das Hubbert-Maximum und all die parallelen Ressourcen- und Stabilitätskrisen zwingen, unsere bisherige Wirtschafts- und Lebensweise zu überdenken und neu auszurichten. Dass wir gar keine Wahl haben – außer der, den Übergang zu einer weniger energieintensiven Gesellschaft bewusst und bewahrend oder chaotisch und zerstörerisch anzugehen."(...)


nein, wir haben tatsächlich keine wahl mehr. und ich vermute, auch nur noch ein relativ schmales zeitfenster, um das mit allen konsequenzen zu realisieren, bevor es hier völlig ungemütlich wird - mit extrabetonung auf "völlig".

*

diese aufziehenden ungemütlichkeiten haben innerhalb der europäischen union dazu geführt, dass aktuell eine - durch wen eigentlich legitimierte? - instanz in brüssel geschaffen worden ist, deren einzige funktion die beobachtung der bevölkerungsstimmungen zwecks zeitiger
vorwarnung vor inneren unruhen darstellt:

"EU member states are "intensively" monitoring the risk of spreading civil unrest in Europe, as riots over the economic crisis erupt in Iceland following street clashes in Latvia, Lithuania, Bulgaria and Greece.(...)

EU ambassadors in Brussels are discussing the issue and receiving "regular updates", according to another official, although he added that more intelligence on the situation is needed to see whether the riots are "part of a social trend" or manipulation by opposition elements.(...)

"[It could happen] almost everywhere, in Europe certainly, and also in emerging countries," he said. "You've had some strikes that look like normal, usual strikes, but it may worsen in the coming months."

Asked which countries were most at risk, Mr Strauss-Kahn mentioned Hungary, Ukraine, Latvia and Belarus. "It can be my own country [France], the UK, it can be eastern Europe," he said.

"The situation is really, really serious," he added."


die herren bereiten sich also vor. noch fragen, warum in der eu und speziell hierzulande in den letzten jahren die berge an gesetzen zur inneren "sicherheit" bzw. repression durchgeprügelt worden sind?

*

genau deswegen, um solche situation des sozialen ausnahmezustands wie im dezember in griechenland noch irgendwie unter kontrolle halten zu können. während die mainstreammedien hierzulande nur noch die jeweils aktuelle randale kurz erwähnen - wie vor ein paar tagen in athen -, so sind die eigentlichen auflösungs- und neufindungsprozesse dort kein
thema mehr:

(...)"Aus Solidarität mit Cuneva sind die Gewerkschaftszentralen in Thessaloníki, Ioánnina, Pátras und Vólos besetzt. In Thessaloníki wurden am 7.1. und 8.1. die Niederlassungen von OIKOMET und der Leiharbeitsfirma Adecco durch AktivistInnen vollkommen zerstört.(...)

In ganz Griechenland sind momentan 5o Fakultäten besetzt - in den Vollversammlungen bekämpfen sich BefürworterInnen der Besetzungen einerseits und Néa Dimokratía-StudentInnen oder KKE-StudentInnen (beide wollen Vorlesungen durchsetzen) andererseits mit allen Mitteln.

Momentan findet in Athen erneut eine Demonstration für eine Bildungsreform statt. Die Regierung Karamanlís hat einen Bildungsdialog auf der Basis Null angeboten, was die Gewerkschaften des Bildungssektors und Studi/schülervereinigungen für einen Trick halten um Zeit zu gewinnen."(...)


(constantina cuneva ist eine gewerkschafterin, auf die im dezember ein säureattentat verübt wurde).
und warum sich griechische, besonders die jüngere, bevölkerung sowohl nicht so schnell wieder ruhigstellen lassen wird als auch tatsächlich ein fanal für europa, vielleicht sogar die übrige welt, gesetzt hat, macht der folgende
artikel deutlich:

(...)"Entscheidend wird sein, ob die Protestbewegung einen langen Atem entwickelt. "Die große Finanzkrise wird bald auch bei uns ankommen. Deshalb werden viele Jugendliche auch weiterhin keine besseren Zukunftsaussichten haben", meint der Journalist Dimitris Tsiodras. "Weder kann man im Bildungswesen von heute auf morgen alles verbessern noch wird man die politische Korruption rasch beseitigen. Zündstoff bleibt da also genug."(...)

Die Proteste der Jugend werden nicht auf Griechenland beschränkt bleiben, sondern auch andere Länder erfassen und dort mit gleichgesinnten Gruppen verschmelzen. Der Grund dafür ist in all diesen Gesellschaften derselbe: Die heutigen Jugendlichen können - als erste Generation seit 1945 - nicht mehr erwarten, dass es ihnen künftig besser gehen wird als ihren Eltern."


wahrlich, es wird ein bemerkenswertes jahr werden.

edit: einen nachtrag möchte ich noch loswerden - der letzte satz gerade ist für
island schon jetzt realität:

"Big Trouble in little Island: Die Regierung des kleinen Inselstaates sieht sich derzeit täglich dem Zorn ihrer Wähler über die katastrophale Finanzkrise ausgesetzt. Am Samstagabend erreichten die Proteste ihren vorläufigen Höhepunkt. Rund 6000 Demonstranten marschierten vor das Parlament in Reykjavík und skandierten: "Für eine neue Republik". Es war die größte Demonstration in der erst 64 Jahre alten Geschichte der Republik, die ja bekanntlich nur rund 320.000 Einwohner zählt. Die Proteste eskalierten zuletzt, die Polizei setzte erstmals seit 1949 Tränengas ein."(...)

und das ist auch eine antwort auf die im kommentar zu den letzten news geäusserte frage meinerseits, wie sich die proteste nach der ankündigung von neuwahlen weiter entwickeln - sie werden größer.

(...)"Unter dem Druck der täglichen Straßenproteste und immer neuer Hiobsbotschaften schlug Haarde am Wochenende ganz neue Töne an: "Ich möchte meine Verachtung für all das zum Ausdruck bringen, was jetzt über unsere Banken ans Licht gekommen ist", sagte der Regierungschef."(...)

und solchen aussagen wird offensichtlich nicht (mehr) geglaubt.
monoma - 26. Jan, 18:21

nachtrag: frankreich vor generalstreik

weil´s thematisch zu etlichem oben passt, hier eine der ersten meldungen dazu:

(...)"Am kommenden Donnerstag steht in Frankreich ein Generalstreik auf dem Programm, um eine bessere Beschäftigungs- und Lohnpolitik zu fordern. Die Sozialbewegung, der sich die meisten öffentlichen Dienste und zahlreiche Privatbetriebe angeschlossen haben, erfreut sich in der öffentlichen Meinung großer Beliebtheit, während sie in der konservativen Regierung Besorgnis erweckt.(...)

"Alle Gewerkschaftsverbände rufen auch in Unternehmen, die solche Appelle nie gekannt haben, zum Streik auf", sagte der CGT-Chef am Montag im Radiosender "France Inter" und fügte hinzu: "Die Beteiligung der Arbeitnehmer an diesem Protesttag wird beeindruckend sein, weit jenseits von dem, was man in den letzten Jahren gesehen hat."
"Aufschrei des Zorns"

CFDT-Chef François Chereque erwartet sich einen "Aufschrei des Zorns" vonseiten der Lohnempfänger. "Es besteht eine wirkliche Notwendigkeit für die Arbeitnehmer, klar zu sagen, dass es ungerecht ist, dass sie mit ihren Löhnen, ihren Arbeitsplätzen, ihren erworbenen Rechten die Konsequenzen einer Krise zahlen müssen, für die sie nicht verantwortlich sind"(...)


und die ängste der "elite":

"Er sei "sehr besorgt" über den Streiktag und befürchte einen Anstieg der Gewaltakte, wie man sie innerhalb der Sozialbewegungen bereits feststellen könne. "Die Krise schafft viele Befürchtungen und manchmal brutale Reaktionen", so Woerth."

das kann ich mir vorstellen, dass ihnen andere "brutale reaktionen" als die eigenen nicht in den kram passen.

monoma - 26. Jan, 19:47

nachtrag peak oil

gerade gefunden, reiche ich diesen text, interessanterweise verfasst und veröffentlicht in einem der derzetigen ökonomie durchaus wohlgesonnenen umfeld, nach - in anderen worte ist dort das zu lesen, was schon oben im beitrag steht:

(...)"Eine schnell und weiter wachsende Weltwirtschaft könnten die bestehenden Ölfelder nicht mehr bedienen - und vermutlich auch nicht die alternativen Energieformen!"(...)

mit betonung auf "exponentiell":

(...)"Eine Exponentialfunktion ist definiert als "gleicher prozentualer Anstieg pro Zeiteinheit". Dies ist zu Beginn völlig harmlos. Ab dem "Knick", den jede Exponentialfunktion einmal erreicht, wird jedoch offensichtlich, dass der absolute Anstieg pro Zeiteinheit nicht immer gleich ist, sondern ständig und beschleunigt immer weiter anwächst. Wenn der Knick erst erreicht ist, geht alles extrem schnell und die Unnatürlichkeit und Untragbarkeit der Funktion in einer endlichen Welt wird für den Menschen spürbar. Wir würden zwar nicht so weit gehen wie der Autor Richard Heinberg, der in einem Buch "the peak of everything" postuliert. Aber Peak Oil genügt in jedem Fall, um innerhalb weniger Jahre zumindest einige scheinbar nachhaltige Systeme ins Ungleichgewicht zu bringen bzw. sie - falls nicht rechtzeitig umgesteuert wird - zu zerstören!

Das realwirtschaftliche Wachstum stößt zunehmend an die Grenzen der Endlichkeit natürlicher Ressourcen. Mit Peak Oil werden diese Grenzen innerhalb weniger Jahre sichtbar und für alle Menschen spürbar. Aber es gab schon länger viele dramatische Warnzeichen: Wasserknappheit, Aussterben von Tierarten, Verlust von Wäldern und fruchtbaren Böden, Überfischung der Meere. Wir müssen erkennen, dass wir in einer Zeit leben, in der unser exponentiell wachsender Ressourcenbedarf in vielen kritischen und existenziellen Bereichen an harte, unausweichliche, physische Grenzen stößt! Und in einer exponentiellen Wachstumswelt hat man nur wenig Zeit, sich darauf einzustellen und umzusteuern."(...)


so sieht´s aus.

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