Montag, 16. Juni 2008

kontext 41: trauma und musik

zwei artikel, die sich mit ein paar mich etwas überraschenden fragen rund um den komplex der überschrift beschäftigen, fand ich auf den seiten des dachau-institutes , dessen veröffentlichungen ich sowieso allen leserInnen hier nahelegen möchte. zum einen wäre da eine arbeit , die sich mit dem möglichen zusammenhang von kriegstraumata & avantgardistischer musik beschäftigt:

(...)"Ausgangspunkt ist die Beobachtung, daß sich die Beschreibung der Symptome schwer traumatisierter Menschen ( besonders Kriegs- und Kampftraumata ) der von avantgardistischer Musik nach 1950 auffällig ähnelt: emotionale Erstarrung, Dissoziation des Ichs und Verlust des Zeithorizonts.

Bereits nach dem Ersten Weltkrieg zeigt die Musik eine Distanziertheit, oft auch Emotionslosigkeit ( Strawinsky und der Neoklassizismus ) und ein Bedürfnis nach Ordnung ( Schönbergs Zwölftontechnik, bei gleichzeitigem Verlust des tonalen Bezuges ), Phänomene, die mit den Traumata der Krieges zusammenhängen könnten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg treten diese Phänomene in der "Seriellen Musik" mit ihrer gesteigerten Konstruktivität noch intensiver auf. Nach dem Ersten Weltkrieg die Zwölftontechnik, nach dem Zweiten der Serialismus - bemerkenswert, daß ein naheliegender Zusammenhang nie thematisiert wurde, auch nicht von Adorno. Statt dessen macht der Begriff des "musikalischen Materials" unkenntlich, in welcher Weise diese Techniken Ausdruck einer traumatisierten Gesellschaft sind."(...)


ich finde das einen sehr interessanten gedanken, weiß jedoch über die angesprochene musik schlicht zu wenig, um das beurteilen zu können. vielleicht mag sich jemand dazu äußern, der/die mehr musikalische kenntnisse besitzt?

e. munch - der schrei

zum anderen wäre da ein
bericht einer betroffenen über die re-aktivierung erlebter kriegstraumata durch basslastige musik - und wenn Sie sich bisher die möglichen folgen von traumata nicht oder nur unvollständig vorstellen konnten, lesen Sie´s. und lernen einiges über trigger:

(...)"Ich war im August 1942 unweit meiner jetzigen Wohnung geboren worden. Mit dem Beginn der Luft­schlacht um Berlin im August 1943 trafen Bomben mein ehemaliges Wohnhaus am Bahnhof, dem eigentlichen Ziel, - und damit mich. Diese und folgende Katastrophen kündigten sich durch die nahenden Fliegerverbände und ihre Luftvibrationen an. Der Luftschlacht – Amerikaner flogen tagsüber, Briten nachts - war ich als Säugling zwei Jahre lang hilflos ausgeliefert. Dröhnen, Jaulen, Vibrationen, Beben, Detonationen, Erschütterungen, Luftturbulenzen, Schreien traumatisierten meinen Organismus umso mehr, als mein Bewusstsein noch keine neuronale „Abwehr“, keine „Filter“, kein „Verstehen“ entwickelt hatte. Meine Neuronen haltbare „Panik-Verbindungen“.

Im Laufe von dreißig Jahren befriedete (linderte) ich unbewusst den Kriegsschaden, indem ich alles mied, was meinen Organismus in Aufruhr versetzen könnte. Kein Rock’n Roll, keine Großveranstal­tungen, keinen Stress, keine Lautstärken. Wenn es mir irgendwo zu laut wurde, betäubte ich meine Sinne mit Alkohol: Dröhnung gegen Dröhnen. 1973, während des Oktoberkrieges auf dem Sinai, setzte ich mich sogar dem Geräusch der Tiefflieger aus. Als angenehm empfand ich das Geräusch nicht, aber ich hielt es aus. Vierzig Jahre lang lebte ich gesellig, gut und gern. Ich war musikalisch, rhythmusbegabt und hatte ein absolutes Gehör. Ich tanzte viel, um die alten, unbewussten Flucht­reflexe abzureagieren. Heute ist mir durch die exzessive Verstärkung der Musikbässe das Tanzen als lebenswichtiges Ventil verwehrt. Heute soll der Sound mehr gefühlt als gehört werden.

Während der lebensbedrohenden Krebserkrankung brach durch jene zusätzliche Bedrohung, das unerträgliche Dröhnen verstärkter Musikbässe, dem ich in meiner Wohnung Tag und Nacht hilflos ausgeliefert war, jeglicher Schutzwall zusammen. Mein Organismus unterschied nicht zwischen ges­tern und heute. Er erinnerte sich unwillkürlich. Er erkannte in den Schallwellen Vibrationen, Beben, Luftturbulenzen wieder, die ihm im Krieg den „Weltuntergang“ angekündigt hatten. Als diese Er­scheinungen in einem modernen Kostüm auftraten, reagierte mein Organismus so unmittelbar wie damals der des Säuglings."(...)


klingt zumindest für mich spontan einleuchtend, und erinnert mich auch an einen text von klaus theweleit über jimi hendrix, bei dem es u.a. um die fähigkeit von schallwellen ging, verschiedenste körperzustände zu triggern und zu verändern - im positiven sinne allerdings.

*

in eigener sache noch: der
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