Sonntag, 3. April 2011

assoziation: von bleiernen zeiten und ihrem dahinschmelzen (9)

(zu den vorherigen folgen geht´s hier).

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während ich heute so durch den ersten wirklichen frühlingstag geradelt bin, habe ich beim anblick des summenden und fröhlichen treibens draussen höchst ambivalente gefühle gehabt - einmal viel stärker als in vergangenen jahren eine mir durchaus vertraute, schwer in worte zu fassende sehnsucht, die sich nicht umstandslos als fernweh (schöne worte beide) entschlüsseln lässt, sondern darüber hinaus auch viele erinnerungen an vergangenes mit sich bringt, welches sich auf eigenartige weise aktuell anfühlt.

diese primär körperliche und passemde wahrnehmungsebene wurde ständig von virtuellen produktionen von gedanken durchzogen, die ebenfalls sehr spontan entstanden - gedanken in die richtung, wieviele all dieser schicken gestylten menschen, oft genug mit sonnenbrille im wehenden haar und handy am ohr, sich wirklich darüber im klaren im sind, dass die gesamte art und weise ihres bisher gewohnten lebens ein sehr fragiles gewebe darstellt, welches sich nicht nur seit längerer zeit in erschütterten schwingungen befindet, sondern bereits an diversen stellen löcher und risse aufweist. ich musste in den letzten wochen immer wieder mal an die aus vielen trickfilmen und comics wohlbekannte situation des wanderers denken, der, die augen starr nach oben gerichtet, den rand eines klaffenden abgrunds bereits überquert hat und jetzt auf nichts mehr geht, die unbarmherzigen gesetze der schwerkraft einzig durch seine reduzierte wahrnehmung einen moment anscheinend ausser kraft setzend. Sie werden wissen, wie das üblicherweise weitergeht: früher oder später kommt ein erstaunter, dann schnell entsetzter blick nach unten und whooosch!

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ich habe mich trotz der gefahr gewisser irritationen durch den titel dieser kleinen reihe dazu entschieden, ihn beizubehalten. das hat in diesem fall nichts mit einer durchaus vorhandenen sarkastischen oder zynischen ader meinerseits zu tun, sondern damit, dass ich das strahlende wrack in fukushima als weiteres einer ganzen reihe von menetekeln betrachte, die in den vergangenen jahren erschienen sind. und ich bin durchaus auch inspiriert vom vorgehen des
aushilfshausmeisters, der den GAU in japan schon seit einigen folgen gleichrangig neben der aufständen in nordafrika und arabien behandelt. mittlerweile kann ich dabei durchaus sinn sehen, weil zwischen den derzeitigen ereignissen durchaus gar nicht mal so untergründige beziehungen bestehen, wenn man sich die situation der menschlichen gesellschaften global genauer betrachtet. aus diesem grund folge ich auch dem beispiel des hausmeisters und will versuchen, beides zusammen zu betrachten.

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als beispiel für das zuletzt gemeinte will ich mich zentral mit zwei kommentaren beschäftigen, die in dieser woche veröffentlicht wurden und die mit zum besten gehören, was ich seit langem im hiesigen medialen mainstream gelesen habe. beide beschäftigen sich u.a. mit einer haltung, die ich auch sehr vielen der anfangs erwähnten schicken menschen zuschreiben würde - in einem
kommentar bei "spon" wurde das wie folgt formuliert:

"Wieso wollt ihr immer anderen vorschreiben wie sie zu leben haben.
Ich WILL Auto fahren
Ich WILL Erdbeeren im Winter." (...)


es lassen sich ganze abende mit der mediation über diese sätze verbringen. wer genau ist "ihr"? was wird vorgeschrieben? wieso ist sich der verfasser augenscheinlich überhaupt nicht im klaren über die - hm, dialektik in seiner beschwerde? (sein umgesetzter WILLEN führt im- und explizit umgekehrt zu massiven, sogar teils sehr bedrohlichen einschränkungen des lebens von anderen.) und vor allem: was für eine art "ich" ist es, das da empört nach auto und erdbeeren kreischt und sich offensichtlich durch den bloßen gedanken an verzicht existenziell getroffen und eingeschränkt fühlt?

alles so fragen, für die ich in der vergangenheit schon im blog versucht habe, antworten zu skizzieren. die beiden kommentare nun, die jetzt folgen, geben ebenfalls implizite und sehr weitreichende antworten, die dem verfasser des obigen sehr wahrscheinlich kein stück gefallen werden - und nicht nur ihm. aber ich persönlich sehe solche leute inzwischen durchaus in der position des weiter oben erwähnten comicwesens über dem abgrund. das wäre nur dann tragikomisch, wenn diese sich derart manifestierende haltung nicht auch bedeuten würde, dass solche leute in ihrer bodenlosen ignoranz ganze gesellschaften mit über den abgrund zerren. "ich WILL aber!" was sie aller wahrscheinlichkeit nach in letzter konsequenz bekommen werden, ist im besten falle ein aufstand, im schlechtesten ein zustand zwischen dystopie und anomie. aus einer (rein imaginären) neutralen perspektive muss ich sagen, dass beides voll und ganz verdient wäre, wobei meine präferenzen deutlich sein sollten.

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in der "süddeutschen" fand sich vor ein paar tagen (für ein paar stunden war das sogar der aufmacher) unter der erfreulich deutlichen überschrift
stunde der heuchler ein bemerkenswerter kommentar, der oberflächlich primär auf die "grün" wählenden teile der bevölkerung abzielt, aber real zumindest nach meinem verständnis eine breitseite gegen ganze lebensentwürfe und -modelle darstellt:

(...) "Auch ein Porsche Cayenne eignet sich dazu, das Altglas zum Container zu bringen. Ein Porsche Cayenne ist aber sehr, sehr schlecht für die Umwelt. In der Standardausstattung hat das Auto 290 Pferdestärken. Das ist völliger Wahnsinn. Aber dieser Wahnsinn, den die Porsche AG mit Sitz in Stuttgart-Zuffenhausen produziert, verschafft rund 7500 Vollzeitbeschäftigten in Deutschland einen sicheren Arbeitsplatz.

Wird nun der neue grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der im Wahlkampf eine grünere Automobilindustrie gefordert hat, hingehen und die Porsche-Werke von einem auf den anderen Tag schließen lassen? Konsequent wäre es.

Wenn die Partei der Grünen im Kern des südwestdeutschen Bürgertums angekommen ist,(...) dann wird das Grün der Grünen endgültig zum zeitgemäßen Ausdruck der Widersprüche, in denen der leidlich aufgeklärte Mensch der westlichen Welt heute steckt. Man könnte auch sagen: Es ist die Stunde der Heuchler.

Der global verbreitete urbane Lebensstil ist durch die Ökologie insgesamt in Frage gestellt: Mobilität durch Bildung, Pendelverkehr und Flugreisen, kapitalistische Produktvielfalt, Ästhetik des Konsums, Partizipation durch Wohlstand, leuchtende Städte, Massenmedien, der riesige Stromverbrauch des Internets, beheizte Wohnungen und warme Duschen - all das steht auf dem Spiel oder müsste massiv eingeschränkt werden, wenn die Gesellschaft tatsächlich radikal auf Nachhaltigkeit umgestellt würde." (...)


yeah! ich weiß ja nicht, wie es Ihnen damit geht, aber ich finde das ungeheuer wohltuend, wenn sich im medialen strom dieser zeiten mal zur abwechslung ganze fragmente der authentischen realität wiederspiegeln, statt der ansonsten ständig dargebotenen simulationen und illusionen aus den werkstätten der pr- und marketingabteilungen plus den produkten sedierter journalistInnen.

ich habe dem sachlich nichts zuzufügen ausser der feststellung: genau so ist es. niemand, der auch nur einen hauch von verständnis für die globale situation hat, in der sich unsere spezies befindet, kann ernsthaft widersprechen. was übrigens auch und gerade für viele teile der linken gilt, die sich langsam aber sicher damit konfrontieren müssen, dass auch für das marxsche gedankengebäude grenzen gelten, die sich primär und zwangsläufig durch seine eingebundenheit in westliche denk- und philosophietraditionen ergeben, was darauf hinausläuft, dass deren fundamentale fehler (die ich früher an anderen stellen schon mal umrissen habe) gar nicht anders als von marx mit eingebaut werden konnten. linke ausserhalb europas und der usa haben diese tatsache übrigens schon länger im auge; ich erinnere mich an ein lesebuch in den 90ern, in denen ein tupamaro aus uruguay den bezug auf indigene gesellschaftsmodelle mit der blindheit und auch arroganten abwertung der gesamten europäischen philosophie einschließlich marx für lebens- und gesellschaftsmodelle ausserhalb des westlichen "kulturkreises" begründete. es geht dabei übrigens nicht um die unreflektierte lobpreisung anderer kultureller modelle. aber vor allem der westlich-christlich-europäische naturbegriff ist ein einziges desaster; und prinzipiell auch das damit assoziierte menschenbild - "ich denke, also bin ich" und "macht euch die erde untertan" stellen zwei grelle wegweiser auf dem weg in eine grandiose sackgasse dar, die leider auch in diversen facetten linker politik- und weltmodelle existieren, von denen "die grünen" bekanntlich ursprünglich abstammen, zumindest zu großen teilen.

(...) "Das ist also das Lebensmodell, wenn die Grünen zur Mehrheitspartei werden: Der Mann arbeitet bei Bosch und macht irgendwelche klimaschädlichen Sachen - Bosch ist zum Beispiel der weltweit größte Hersteller von Verpackungsmaschinen für Konsumgüter -, während die Frau, die gegen Stuttgart 21 ist, im Ökosupermarkt leckeren Biokäse aus der Region und vollmundigen Biowein aus Apulien kauft, möglichst Verpackung vermeidend. Die Tochter studiert in Tübingen, demonstriert gegen Atomkraft und wird von ihrem Freund abgeholt, der praktischerweise ein Auto hat und dann mit ihr über die Autobahn rast. Nicht so schön aber wär's, wenn den vielen Indern und Chinesen ihr Wunsch nach einer passablen Wohnung, einem kleinen Auto und einem Besuch im Steakhaus erfüllt würde. So etwas muss auf Regierungskonferenzen unbedingt verhindert werden, idealerweise von grünen Ministern, unsere Kinder werden es uns danken." (...)

wunderschön boshaft formuliert zum einen, zum anderen aber wird zuletzt genau der punkt erwähnt, der am ende ganz basal dazu beitragen wird, den westlichen "way of life" auf seinen verdienten platz auf dem müllhaufen der geschichte zu befördern. mit welchem recht und mit welchen argumenten wollen europa und die usa dem rest der welt deutlich machen, dass das hier besonders in den jahrzehnten seit dem ende des wk2 existierende niveau des materiellen wohlstands eine historische abartigkeit, eine riesige blase darstellt, die aus sehr vielen und absolut zwingenden gründen platzen muss, aber bitte nicht hier bei "uns". und wenn schon, dann wenigstens bei uns als letzte, ohne sich dabei endgültig als jene raffgierigen plünderer und diebe der globalen ressourcen zu demaskieren, die besonders aus europa während der letzten jahrhunderte wie eine plage ausgeschwärmt sind?

wie die erwartbare und berechtigte antwort darauf aussieht, lässt sich bereits in der globalen politk bspw. von ländern wie indien und china betrachten. und ich schreibe "berechtigt", obwohl ich die ökonomische entwicklung dieser und anderer "schwellen"- und "entwicklungs"länder - diverse variationen des selben themas der kapitalistischen modernisierung - in so ziemlich allen aspekten katastrophal finde, nicht nur für die jeweiligen staaten. es ist aber zwingend ein ding der schieren unmöglichkeit, ohne weitreichendes runterfahren, eindämmen, abschalten der westlichen konsumgesellschaften und der damit assoziierten lebensstile von anderen zu fordern, sie sollen den versuch doch bitte unterlassen - und wenn die gründe dafür noch so zwingend sind -, an dieser lebensweise zu partizipieren. auf derartige ansinnen dürfte es mehrheitlich aus den oasen der sahara, aus andentälern, aus afrikanischen steppen und von asiatischen küsten die jeweiligen kulturellen äquivalente des gezeigten vogels geben. der spätestens dann durch andere gesten ersetzt werden dürfte, wenn auch dort überall deutlich wird, dass das durch internet und us-amerikanische soaps imaginierte "paradies" nicht nur keins ist, sondern auch definitiv unerreichbar ist und bleibt.

(...) "Der unersättliche Kapitalismus, der unsere Lebensform garantiert, bildet den Hintergrund für das grüne Lebensgefühl der Mittelklassen; mit fundamentaler Umkehr hat das alles nichts zu tun. Man muss ja schließlich auch Geld verdienen. Deshalb wird auch gerne die Illusion genährt, aus derselben Wachstumsdynamik, die Ressourcen verbraucht, entstünden auch bald jene Erfindungen, die den Ressourcenverbrauch stoppen - und uns zugleich im Wesentlichen so weiterleben lassen wie bisher. Wer wollte das nicht?" (...)

ähm, ich zum beispiel. die versteckten kosten dieses "so weiterlebens", und zwar auch und gerade solche, die sich gar nicht mal primär monetär quantifizieren lassen, sind inzwischen so krass und destruktiv - am schlimmsten in der verwüstung der beziehungsfähigkeiten zu beobachten -, dass jedes gerade von "effizienz", "lebensqualität" etc. als reaktion nur noch grelles hohngelächter verdient.

alles in allem ein erstaunlicher kommentar, gerade vor dem hintergrund der inhaltlichen entwicklung der "sz" in den letzten jahren. und nicht zufällig hat der in ein paar tagen mehr als fünfhundert kommentare nach sich gezogen, dort auch eher ungewöhnlich.

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ob der folgende kommentar mit dem sehr treffenden titel
zurück in die wirklichkeit in der "taz" auch so eine diskussion anstösst? der rundumschlag ist in gewisser weise noch breiter und auch fundamentaler als in der "süddeutschen", werden doch zusätzlich ein paar eigenarten unserer jetzigen lebensrealität angesprochen, die ich hier auch immer wieder im focus habe:

"Die AKW-Katastrophe von Fukushima hat nicht nur die extremen Risiken der Atomenergie aufgezeigt, die skrupellose Profitgier der Stromkonzerne und die Verantwortungslosigkeit der atomkraftfreundlichen Regierungen. Sie hat auch ein Schlaglicht auf die Irrealität unserer alltäglichen Lebensführung in den westlichen Industrienationen geworfen.

Nehmen wir Japan: Ein Land, das seit Jahrzehnten die Mikroelektronik beherrscht, das Millionen von Menschen damit beschäftigt, die Menschheit mit digitalen Spielen, mobilem Internet, elektronischen Zahlungssystemen und anderem Schnickschnack zu beglücken, schafft es nicht, ein sicheres System der Energieversorgung zu errichten. Und offenbar gab es dort bis vor Kurzem kaum jemanden, der sich für diese Fragen interessierte.

Doch Japan ist überall! (...) Die breite Mehrheit unserer Gesellschaft plagt sich dagegen mit ganz anderen Problemen: mit dem Chatten im Internet, dem persönlichen Auftritt bei Facebook, den Leistungsvergleichen vor dem Kauf eines Navis und den günstigsten Flatrates fürs Handy.

Die Katastrophe in Fukushima ist nur die Spitze des Eisbergs. Sie ist das Symptom einer gesellschaftlichen Entwicklung in den führenden Wirtschaftsnationen der Welt. Die großen, überlebensnotwendigen Fragen treten zunehmend in den Hintergrund menschlichen Denkens und Handelns.

Das hat seine Gründe: In der modernen "Dienstleistungsgesellschaft" lebt der Mensch, von Naturgewalten abgeschirmt, in klimatisierten Bürotürmen und verbringt auch seine Freizeit vor dem Monitor. Der Kontakt zu den natürlichen Bedingungen des Lebens verflüchtigt sich. Sie erscheinen als äußere Selbstverständlichkeiten, die sich der aktiven Beeinflussung entziehen.

Der aufgeblasene postindustrielle Sektor produziert derweil Pseudogüter und Fantasiedienstleistungen: das Design, um die Marke A von der Marke B zu unterscheiden, sogenannte Finanzdienstleistungen, die virtuelles Geld aus einer Datei in die andere verschieben. Kommunikationsberater beraten die Unternehmensberater und lassen ihre Beratungsqualität anschließend evaluieren, um bei einer Zertifizierungsagentur ein Zertifikat zu erwerben. Bestimmt die Hälfte der städtischen Büroflächen könnte man mühelos planieren - und die Menschheit wäre um nichts ärmer.

Zwischen First und Second Life verschwinden die Grenzen. Was ist virtuell, was materiell? Kommt einem Short-Zertifikat auf den DAX gegenständliche Realität zu, oder ist es reine Fantasie? Bedeutet das Getippe im Chatroom Freundschaftspflege oder nur deren Simulation? Es gibt Leute, die studieren das TV-Programm eifriger als ihren Hartz-IV-Bescheid, weil das Leben vor dem Fernseher mit oder ohne Kürzungen irgendwie weitergeht."


jeder satz ein treffer, jede aussage ein fanal und eine anklage zugleich, deshalb zitiere ich hier ausgiebiger als sonst:

"In manchen Fußgängerzonen finden sich kaum noch andere Geschäfte als Handyläden. Der Mensch als Insasse einer entfremdeten Welt begibt sich auf Traumreise. Sein Leben wird zu einem verlängerten Kindergartenaufenthalt, in dem es nie genug Tastaturen gibt, auf denen man spielen kann. Wenn etwas piept oder quietscht, kommt Freude auf.

Je unwichtiger ein Gegenstand für das reale Leben objektiv ist, desto mehr Zeit, Material und Geld verschwendet unsere Gesellschaft für seine Herstellung und Nutzung: Während nur noch 292.500 Menschen damit beschäftigt sind, unser tägliches Brot zu backen, arbeiten in der Werbeindustrie mehr als 550.000 Beschäftigte. Wir können Aktien vom Display unseres Handys aus ordern, aber den künstlich geschaffenen Stress der Arbeit immer weniger bewältigen.

Nach Feierabend Freunde zu treffen, dazu fehlt uns die Muße, weil die Arbeit derart verdichtet ist, dass am Abend das Gehirn seine Schotten dicht macht. Bei der France Télécom sprangen vor zwei Jahren die Mitarbeiter aus Verzweiflung gleich reihenweise aus dem Fenster. Wer acht Stunden am Tag mit kryptischen E-Mails und zermürbenden Meetings traktiert wird, hat danach für Beziehungsdiskussionen keinen Nerv mehr. Die unverbindliche SMS ist das Einzige, was noch geht." (...)


die dargestellte rolle der akw in einer so reduzierten und deformierten art der wahrnehmung unterschreibe ich weitgehend, und der appell am ende ist zwar aus meiner perspektive noch unzureichend, aber dennoch ein nötiger anfang:

(...) "Klar, ein Zurück in die "Müsli-Zeit" kann es nicht geben. Doch die Konsequenz aus der Fukushima-Katastrophe sollte ein neuer Realismus sein: Boykottiert die Unterhaltungsindustrie, führt handyfreie Tage ein und entsorgt endlich die Glotze! Nehmt wieder realen Kontakt zu den Menschen und zur Natur auf und gestaltet euer Leben selber - überall da, wo es geht!"

yay! im grunde wird hier schon ziemlich viel von dem zusammengefasst, was ich neulich in den kommentaren zu einem anderen beitrag mit bezug auf "den kommenden aufstand" schon mal geschrieben hatte und was auch "das unsichtbare komitee" nach meinem verständnis ähnlich formuliert und auf den punkt bringt: der alltag hier ist die eigentliche katastrophe, die alle anderen - ob das nun ölteppiche von der größe ganzer kleinstaaten sind, vor sich hinrauchende akw-ruinen, oder aber die langfristig vielleicht noch schlimmeren, aber unspektakulären prozesse der allmählichen vergiftung ganzer lebensbereiche, aber auch zb. finanzkrisen - hervorbringt. der alltag der weitaus meisten menschen beruht inzwischen - und diese aussage begründe ich primär, aber nicht nur, aus eigenem erleben - auf der gleichen art illusionärer blasen wie das gesamte gesellschaftliche leben westlicher zurichtung. die explosion des virtuellen und objektivistischen ist vor diesem hintergrund eine sehr logische reaktion, wenn auch grundsätzlich leider ungeeignet zur realen problembewältigung, auf eine fundamentale und existenzielle krise, weil sie dem "mehr-desselben-prinip" folgt.

da aber unserer alltag in der regel am engsten und nahesten mit unserem denken und fühlen verbunden ist und dieses auch - selbst bw. gerade in den verzerrungen - getreulich wiederspiegelt, erlaubt diese tatsache auch eine nähere bestimmung des ausmaßes der krise, in der sich die westlichen lebensentwürfe inzwischen ganz offen befinden. es ist nicht nur eine finanzkrise, nicht nur eine wirtschaftskrise, nicht nur eine ressourcenkrise in vielen bereichen - die genannten plus die ökologischen krisen zusammen machen es notwendig, eine systemkrise zu konstatieren. aber selbst dieser befund bringt die sache vermutlich noch nicht auf den punkt - da alles dafür spricht, dass unser alltägliches und gewohntes fühlen und denken selbst in gewaltigem ausmaß fundamental und grundsätzlich falsch ist, neige ich persönlich inzwischen dazu, von einer evolutionären krise auszugehen, weil sie derart tiefe und fundamentale veränderungen in uns selbst, genauer der art unserer selbst- und fremdwahrnehmung und folglich den ganz persönlichen wertesystemen nötig macht, dass ich dafür nirgends auch nur ansatzweise etwas historisch vergleichbares sehe. und wir sind evolutionsgeschichtlich eine wirklich junge spezies, gerade mal am rand des krabbelalters angekommen.

mir ist schon klar, dass dieser gedanke der weiteren erläuterung bedarf, und ich werde in kommenden beiträgen auch drauf zurückkommen. für heute und zu später stunde möchte ich ihn jedoch schon mal in den (virtuellen) raum stellen.

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