Freitag, 5. August 2011

notiz: systemweiter kollaps - nicht mehr "ob", sondern nur noch: "wann und wie?"

"Und wenn wir einst aus der Distanz der Geschichte auf unsere Zeit zurückblicken werden, werden die Sorgen um einen Euro-Zonen Staatsbankrott, wegen chinesischer Spekulationsblasen und US Staatsdefiziten nur als Vorboten einer viel gewaltigeren Katastrophe erkannt werden."

die obigen zeilen stammen aus einem papier, welches im frühjahr 2010 veröffentlicht wurde und das ich im letzten jahr bereits einmal ohne weiteren kommentar meinerseits verlinkt hatte. da ich vermute, dass sich die leserInnen hier inzwischen durch den
crash course von chris martenson durchgearbeitet haben, sei dieses papier als vertiefende und ergänzende lektüre speziell zum thema peak oil dringend empfohlen - es macht die von martenson bereits angerissene dynamik nochmals um vieles deutlicher. die zusammenfassung aus dem "tipping point" der irischen stiftung feasta lautet so:

(...) "Unserer Meinung nach ist unsere Zivilisation jedoch zumindest an einem kritischen Wendepunkt und möglicherweise vor einem totalen Kollaps. Eine Folge von sich gegenseitig bedingenden Zusammenbrüchen wird beschrieben, dies scheint uns unausweichlich. Das allgemeine Prinzip hinter diesen dynamischen Vorgängen sind sich selbst verstärkende Rückkopplungen.

• Ein Rückgang der Energieflüsse wird die weltweite Wirtschaftsleistung verringern; verringerte weltweite Wirtschaftsleistung wird unsere
Möglichkeiten, Energie zu produzieren, zu handeln und zu benutzen verringern; dies bedingt wiederum eine Reduktion der Wirtschaftsleistung

• Kreditvergabe ist die Quelle unseres Geldkreislaufes und ist die tief verwurzelte, einheitlichen Grundlage globalen Wirtschaftens. In einer
wachsenden Wirtschaft können Schulden und Zinsen zurückgezahlt werden, in einer schrumpfenden Wirtschaft kann nicht einmal die ursprüngliche Schuld zurückgezahlt werden. Anders gesagt können reduzierte Energieströme die zum Bezahlen der Schulden nötige Wirtschaftsleistung nicht aufrechterhalten. Ausständige Schulden sind nicht tilgbar, neue Kredite werden nicht vergeben.

• Unsere lokalen Bedürfnisse und unser Wohlergehen wurden von enorm vernetzten globalisierten Lieferketten immer abhängiger. Eine Säule in diesem System ist Vertrauen in das Währungssystem und in die vermittelnde Rolle der Banken. Geld in unserer Wirtschaft wird durch Schulden gesichert und hat keinen Wert an sich; das Risiko von Deflation oder Hyperinflation gefährdet die Währungsstabilität. Zusätzlich droht dem gesamten Bankensystem die Zahlungsunfähigkeit sobald Darlehen und Vermögenswerte nicht einbringbar sind. Eine kollabierende Infrastruktur reißt die Banken mit in den Abgrund.

• Ein Zusammenbruch der Banken wird den Welthandel stoppen. Unsere „regionalen“ globalisierten Wirtschaftsräume werden zersplittern, denn es gibt in den industrialisierten Nationen so gut wie keine ausschließlich einheimisch produzierten Waren mehr. Je mehr wir von komplexen Systemen und Wechselwirkungen abhängig sind, je globaler diese sind, desto anfälliger sind wir für einen totalen Systemcrash.

• Ein weiterer Eckpfeiler unserer Zivilisation ist der Betrieb lebensnotwendiger Infrastruktur wie z.B. IT-Telekommunikation, Stromerzeugung, Finanzsystem, Transport, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Ein Kollaps in einem System kann zu einem dominoartigen Kollaps in anderen Systemen führen, hervorgerufen durch die ständig steigenden gegenseitigen Abhängigkeiten. All diese Systeme sind von kontinuierlicher Wartung abhängig, benötigen ständig Nachschub an hochwertigen Ressourcen aus komplexen Lieferketten, sind teilweise auf kurze Lebenszyklen ausgelegt und sind oft nur in großen Einheiten wirtschaftlich. Natürlich benötigen sie auch ein funktionierendes Währungs- und Finanzsystem. All diese Abhängigkeiten erhöhen das Risiko eines systemweiten Zusammenbruchs.

• Die Nahrungsmittelindustrie ist besonders in unseren hochentwickelten Industrienationen enorm abhängig von fossilen Treibstoffen, ist verstreut
lokalisiert und in ihren Lieferketten wiederum hochkomplex vernetzt, ohne große Lagerbestände oder Puffer, die Lieferengpässe entschärfen könnten.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang nicht nur die Erzeugung von Nahrungsmitteln, sondern auch die drohenden eingeschränkten
Möglichkeiten, Überschüsse und Mängel an Lebensmitteln auszugleichen. Warum? Fehlende Möglichkeiten, den Handel zu organisieren und zu
finanzieren, bzw. ein Zusammenbruch der Kaufkraft.

• Peak-Oil ist voraussichtlich auch der Höhepunkt der allgemeinen Energieproduktion. Die Möglichkeit, neue und auch alternative Energieträger
aufzubauen, bzw. auch die existierende Energieinfrastruktur zu betreiben, ist wahrscheinlich stark gefährdet. Sehen wir schon bald gravierende Engpässe, ohne die Fähigkeit gegenzusteuern?

• Alles bis jetzt Aufgezählte ist nicht linear, schließt sich auch nicht gegenseitig aus, sondern verstärkt sich im Gegenteil noch" (...)


die besondere stärken dieser knapp sechzig seiten liegen besonders in der nachvollziehbaren darstellung der technologischen und letztlich physikalischen grenzen nicht nur für die westliche, sondern für jede art industrieller zivilisation auf diesem planeten. ebenso werden die fatalen rückkoppelungsprozesse deutlich, die jede art von hochkomplexen systemen am ende wieder "gesundschrumpfen" lassen.

wer will, kann dieses papier ebenso wie martensons crash course mit dem aktuell laufenden börsencrash rückkoppeln; das lässt sich vor allem über eine betrachtung der ölpreise seit sommer 2008 nachvollziehen. was nicht heisst, dass das aktuelle ökonomische geschehen global nun vor allem bereits eine reaktion auf den peak darstellt. aber der letztere spielt ebenso eine rolle wie bei der finanzkrise 2008, vor allem im zusammenwirken mit diversen anderen fatalen eigenarten unseres systems.

aber so oder so: wir sind in der "verlängerung des finales kurz vor abpfiff", wie ich es neulich treffend in einem kommentar an anderer stelle gelesen habe. ob es nun noch drei wochen, drei monate oder drei jahre dauert - who cares? alle sichtbaren versuche vor allem der "politischen eliten" laufen seit geraumer zeit nur noch darauf hinaus, eben zeit zu gewinnen. die hochdynamischen zusammenbruchsprozesse auf inzwischen fast allen relevanten gesellschaftlichen ebenen sind in ihrer komplexität weder zu überblicken und erst recht nicht mehr steuerbar. bleibt nur, sich die folgenden sätze aus dem tipping point zu verdeutlichen, um sich auf die unvermeidlichen schocks mit durchaus traumatischem potenzial innerlich und äusserlich vorzubereiten:

(...) "Wichtig sind jetzt Weisheit und Schnelligkeit. Unser politisches und soziales System hat sich nicht dahingehend entwickelt, um schnelle und entschiedene Handlungen zu setzen. In entwickelten Demokratien versuchen konkurrierende Interessen ein Stück vom Reichtum zu ergattern und den Status Quo zu erhalten. Konstruktives Handeln an den Grenzen des Möglichen ist gefordert, gefordert ist auch individueller Mut und
die Unterstützung derjenigen, die die prekäre aktuelle Lage klar erkennen.

Zuletzt ist das auch eine ganz persönliche Geschichte. Es erwartet uns eine schwierige Zeit, für manche wird sie grauenvoll. Wir werden wahrscheinlich eine bedeutende Zunahme der Sterblichkeit erleben. Es erwartet uns aber auch eine Zeit der Befreiung für viele Menschen, sie werden sich in einer neuen sozialen und persönlichen Rolle wiederfinden, mit neuen Freunden und Verbindungen, mit neuen Fertigkeiten und Aktivitäten, mit der Möglichkeit, anderen zu helfen, frei von der subtilen Verführung des statusbezogenen Konsums, mit Freude gewonnen aus der
gemeinsame Bemühung um ein ehrenwertes Ziel."


*

in eigener sache: es kann durchaus noch einen weiteren monat dauern, bis ich wieder einen regelmässigen onlinezugang habe (falls da nicht doch schneller als erwartet ein paar ereignisse dazwischenkommen...) darum muss vieles andere - von fukushima über eine EHEC-nachbereitung bis hin zu der und den globalen unruhe(n) liegenbleiben. was ich selbst mit am bedauerlichsten finde, aber die situation ist nun mal gerade so. ich wünsche Ihnen jedenfalls einen erträglichen restsommer, in dem sehr wahrscheinlich keine langeweile aufkommen wird.

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