mit einigen einschränkungen, was die "spiegel"-typische schreibe und darüber eine gewisse verzerrung der inhalte anbelangt, möchte ich doch den artikel unter der obigen überschrift empfehlen, der sowohl in der aktuellen printausgabe als auch z.zt. online vorhanden ist. er stellt erstens einmal mehr ein beispiel dafür dar, wie sich bestimmte szenarien v.a. aus der science fiction auf einmal in der realität manifestieren können (john brunners werke wären hier neben anderen eine referenz); und zweitens lässt er sich als illustration einiger thesen lesen, die bspw. in diesem beitrag enthalten sind. ebenso empfehle ich nochmals die informationen, die hier ganz am ende zur situation in brasilien zu lesen sind. und auch, wenn die skizzierte realität wieder vielleicht manche zur schlußfolgerung "wolfsgesellschaft" bewegen mag, so bleibe ich bei meiner meinung, dass wir hier eher die bitteren früchte von jahrhunderten sozialer gewalt vor uns haben.
"Die Unterwelt greift nach der Macht, die Reichen von São Paulo verbarrikadieren sich in Luxusburgen und fühlen sich nur in Hubschraubern sicher - die größte Stadt auf der Südhalbkugel der Erde gibt eine Vorahnung von der Zukunft der Mega-Citys."(...)
(...)"Gemeint sind die Unterweltler von São Paulo. Die Kuriere, Dealer, Mörder, Reifendiebe und Kidnapper der Stadt, die jungen Frauen, boshaften Greise, die muskelbepackten Männer, die Zwölfjährigen in kurzen Hosen, und nahezu alle sind bewaffnet. Sie sind Bewohner der schätzungsweise 2000 bis 2400 Favelas von São Paulo allein im Stadtgebiet, organisiert im "Primeiro Comando da Capital", dem "Ersten Hauptstadtkommando". Ein sperriger Name, alle sagen ohnehin nur PCC, wie bei einer Partei. Und stünde Elvira de Souza in diesem Moment in der Lounge, stünde sie neben de Nadai am Tresen, würde sie ihm sogar zustimmen. Si, Senhor, unser Aufstand ist politisch, wir glauben nicht an Wahlversprechen, an Almosen, wir wollen die Macht, ein besseres Leben."(...)
ein thema, welches hier mit trauriger regelmäßigkeit eine rolle spielt - zuerst ein paar neue zahlen des schreckens:
(...)"Mindestens 275 Millionen Kinder weltweit sind von Gewalt in der Familie betroffen. "Es ist gegenwärtig eine der meist verbreiteten Menschenrechtsverletzungen." Sie bleibe ein größtenteils verborgenes Problem, dem sich nur wenige Länder stellen, hieß es in dem Bericht."(...)
und die potenziellen - und belegbaren - folgen sollten sich langsam mal herumgesprochen haben:
(...)"Die Folge solcher - oft traumatischer - Erfahrungen auf psychischer und physischer Ebene können Lernschwierigkeiten und eingeschränktes Sozialverhalten sein. Kinder, die in gewaltgeprägten Familien aufwachsen, können gewalttätiges, leichtsinniges oder kriminelles Verhalten an den Tag legen, leiden an Depressionen oder schweren Angstzuständen, kamen die Experten zum Schluss. Auf Grund der begrenzt verfügbaren Daten in manchen Teilen der Welt bezeichnete UNICEF die Zahl von 275 Millionen Kindern als "vorsichtige Schätzung". Wer in seinen ersten Lebensjahren Zeuge von Gewalt in der Familie wird, für denjenigen erhöhen sich die Chancen enorm, später wieder mit Gewalt in Berührung zu kommen - sei es als Opfer oder als Täter."(...)
in mindestens 275 millionen biographien also "erhöhte chancen", die gewalt in den verschiedenen aspekten zu re-inszenieren (und hier geht es "nur" um die familiäre gewalt gegen kinder; die durch bspw. krieg traumatisierten müssen dazugerechnet werden) - falls wir uns immer noch über die achsounbegreifliche neigung unserer spezies wundern, sich selbst das leben zur hölle zu machen, dürfen und müssen wir uns einfach einzigartige kollektive und selbstmörderische dummheit hinsichtlich unseres nichtwissens über unser psychophysisches funktionieren attestieren. wobei dummheit in einer gewissen hinsicht auch hauptsächlich nichts weiter als ein moralisch wertendes synonym und symptom gestörter wahrnehmung darstellt, letztere ebenso häufig als folge traumatischer gewalt auftritt - und sich so die katze in den eigenen schwanz beißt. diesen absolut fatalen kreislauf des wahnsinns endlich, endlich zu durchbrechen - das stellt imo weiterhin die sinnvollste und dringendste aufgabe unserer zeit dar.
(und nein, bitte keine mißverständnisse: ich möchte traumatisierte menschen damit keinesfalls pauschal als dumm bezeichnen - machen Sie sich vielleicht einfach mal gedanken darüber, was dummheit eigentlich ausmacht. und ich möchte mich bei der quelle für den hinweis auf die obige nachricht bedanken, beim forum der subfrequenz, welches ich als sammlung sehr wichtiger und interessanter informationen nur empfehlen kann. das zugehörige fraktallog ist aus gleichem grund eh bereits verlinkt.)
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vor dem hintergrund des obigen sind diskussionen besonders bizarr, bei denen es hauptsächlich darum geht, die im angesicht einer gewaltverseuchten welt durchaus nachvollziehbar renitenten kids mit den mitteln aus dem arsenal einer totalitären pädagogik wieder zur ordnung zu rufen - einen lesenswerten kommentar dazu gibt es hier zu lesen:
(...)"Der neueste Katastrophenmanager heißt Bernhard Bueb, war dreißig Jahre lang Leiter der Internatsschule Schloss Salem und präsentiert ein Traktat, mit dem er den Geist der 68er endgültig aus den deutschen Klassenzimmern exorzieren will: Lob der Disziplin heißt sein Werk, das schon kurz nach Erscheinen einen kollektiven Erlösungsseufzer unter den ratlosen Erziehern hervorgerufen hat. Und auch die Journaille schlägt mit den Flügeln vor Begeisterung angesichts des »erfrischenden Tabubruchs«. Kaum eine Zeitung, kaum ein Sender, in der Bueb seine schmalen Thesen nicht immer wieder aufs Neue zum Besten geben darf. Flankiert von Bild,FAZ und Spiegel, soll »Deutschlands strengster Lehrer« in den Schulen für »Recht und Ordnung« sorgen. Gerade noch wurde anlässlich der Fußball-WM der angeblich entspannte Patriotismus gefeiert – in dessen Gefolge die NPD nun im Osten ihre Wahlsiege feiert –, schon sollen die Hacken zusammengeschlagen werden.
Bueb fordert »Strenge, Härte, Disziplin«. Mehr noch: »die vorbehaltlose Anerkennung von Autorität und Disziplin«. Denn: »Erziehung bedeutet immer Führung.« Und: »Wer führt, erwartet Gefolgschaft.« Natürlich will auch er nur das Beste für unsere Kinder: »Die Fürsorge gebietet manchmal Disziplin ohne Debatte.« Gebetsmühlenhaft bläut er dem Publikum die wenigen Maximen seiner Kasernenhofpädagogik ein. Es ist, als wolle er die Prinzipien seiner Kindererziehung erst mal an den erwachsenen Lesern seines Buches exekutieren, indem er ihnen die Lektüre als Strafe auferlegt.
Keine Frage: Tugenden sind gut. Wären sie schlecht, hießen sie Untugenden. Nur muss eine Tugend sich immer danach fragen lassen, für welche Werte sie eingesetzt wird. Mit Disziplin kann man ein Haus bauen, Geige spielen lernen und einen Fünftausendmeterlauf gewinnen. Mit Disziplin kann man den Regenwald abholzen, in den Krieg ziehen und, wie Oskar Lafontaine in seinen lichteren Momenten formulierte, »ein Konzentrationslager führen«.
»Ja, ohne harte Disziplin kann man das Lager nicht in Schuss halten Sie müssen ja durchgreifen.« Sagt nicht Bernhard Bueb, sondern sagte während des Frankfurter Auschwitz-Prozesses der Angeklagte Stefan Baretzki, ehemals Angehöriger der SS und Kommandoführer in Birkenau. Es gibt Begriffe, Bilder, Wendungen, die vor dem Holocaust vergleichsweise harmlos geklungen haben mögen, die seitdem aber so nachhaltig kontaminiert sind, dass, wer sie verwendet, dies selten unschuldig tut.
Dass ein Hörfunkjournalist Bueb darauf hinweisen konnte, dass sein Buch, würde man nur wenige Passagen streichen, auch als das bildungspolitische Programm der NPD gelesen werden könne, dafür trägt der Autor die Verantwortung. Wenn er schreibt: »Die Nationalsozialisten waren Meister der Gemeinschaftserziehung, das darf man nicht verschweigen.« Oder wenn er sagt: »Gehorsam verlor in den letzten vierzig Jahren jedes Ansehen in der Pädagogik, aber nicht in der Armee.« Und man bekommt mehr als eine Ahnung, wofür er seine Schüler fit machen will, wenn er feststellt: »Soziale Tugenden, die Menschen für Extremsituationen qualifizieren, wie sie der Krieg mit sich bringt, bedürfen der Übung wie andere Tugenden auch.«
dem bleibt eigentlich wenig hinzuzufügen. vielleicht schweben dem herrn bueb ja bootcamps nach us-muster vor? es ist eine sache, notwendige und haltbare grenzen bei und für menschen zu setzen, die diese nicht (mehr) bei sich und anderen wahrnehmen können. das dürfte in unserer lage leider unverzichtbar sein. aber gerade bei kindern und jugendlichen mit den erwiesenermaßen gewaltfördernden und offen menschenverachtenden mitteln aus totalitären institutionen wie zb. dem militär zu arbeiten, ist letztlich als verbrechen zu werten. der ruf nach härte und disziplin stellt einerseits das symptom von hilflosigkeit dar, andererseits ist er ebenso ausdruck des bereits oben erwähnten nichtwissens über die psychophysischen menschlichen strukturen, deren funktionsgesetzen wir alle individuell und kollektiv unterworfen sind. im schlimmsten fall werden die effekte aus solcherlei gehirnwäsche auch bewußt eingesetzt bzw. angestrebt - auch dafür stellt der militärische drill das nachdrücklichste beispiel dar (immer noch die eindrucksvollste und sehenswerteste inszenierung dieses drills und seiner folgen: der erste teil von "full metal jacket" von stanley kubrick).
"Nicht das revolutionäre, aber immerhin das kecke Aufbegehren gegen die Obrigkeit (wie es sich in den Werken von Heine über Tucholsky bis Erich Kästner findet) galt lange Zeit in den gescheiteren Teilen des nachwachsenden Bürgertums als Tugend. Irgendetwas ist seitdem geschehen. Denn jetzt werden, wie eine von dieser Zeitung zitierte Umfrage belegt (ZEIT Nr. 37/06), Polizei und Bundeswehr von den Jugendlichen zu den attraktivsten Ausbildungsunternehmen gezählt. Traumberufe, in denen die Strukturen der Demokratie weitgehend außer Kraft gesetzt sind, wo stattdessen Befehl und Gehorsam gelten. Das scheint Buebs Behauptung Recht zu geben, dass die orientierungslos gewordene Jugend für ein gewisses Maß an Härte geradezu dankbar sei. Die Frage ist nur, ob man als Pädagoge diesem Unterwerfungsbegehren folgen oder ob man ihm entgegenarbeiten sollte.
»Das gepriesene Hart-Sein, zu dem da erzogen werden soll«, schreibt Adorno in seiner berühmten Rede Erziehung nach Auschwitz, »bedeutet Gleichgültigkeit gegen den Schmerz schlechthin."
also funktional eine selbstwahrnehmungsreduktion.
"Dabei wird zwischen dem eigenen und dem anderer nicht einmal so sehr fest unterschieden. Wer hart ist gegen sich, der erkauft sich das Recht, hart auch gegen andere zu sein, und rächt sich für den Schmerz, dessen Regungen er nicht zeigen durfte.« Anders gesagt: Zum Kuscher gehört der Mucker. Und wer klein gemacht wurde, gibt das, einmal aufgestiegen, nach unten weiter. Der Glaube, man müsse der Natur nur ihren Lauf lassen, dann werde sich das Gute schon Bahn brechen, hat die Pädagogik auf einen kurzen Irrweg geführt. Größer, langlebiger, folgenreicher war der Irrglaube, man müsse den Willen der Kinder brechen, um aus ihnen Menschen zu machen."(...)
und u.a. genau dieser zuletzt erwähnte irr- und aberglaube übelster prägung beschert uns bis heute genau die verhältnisse, die weiter oben im bericht von unicef angesprochen werden. all das hat mit "zivilisation" nichts, aber auch gar nichts, zu tun.
(...)"Die Sehnsucht nach der harten Hand, die Ergebenheit vor dem päpstlichen Mummenschanz, der patriotische Taumel während der Weltmeisterschaft, das Wiedererstarken der NPD, die dramatisch sinkenden Wahlbeteiligungen, all das weist auf eine wachsende Demokratiemüdigkeit hin. Das verbliebene Restbürgertum, ebenso denkfaul wie hinfällig, seiner eigenen Geschichte ungewiss oder überdrüssig, hat dem nichts entgegenzusetzen. Lieber sinkt es mit lasziver Eleganz dem starken Mann in die Arme, als sich weiter den Mühen der eigenen Einsichten und Errungenschaften zu unterziehen."(...)
der letzte satz ist zwar schön formuliert, jedoch lässt sich arg bezweifeln, ob das "bürgertum" jemals wirklich daran interessiert war zu begreifen, aus welchen gründen seine und die mitglieder anderer sozialer klassen so "ticken", wie sie´s denn tun. freud hat zwar die tür aufgeschlossen (was sein ewiger verdienst bleiben wird, jenseits aller nötigen und berechtigten kritik), ist letztlich aber noch lange nicht ausreichend zum verstehen unserer selbst. und genau das wird letztlich über sein oder nichtsein der menschheit entscheiden - manchmal finde ich die perspektive eines evolutionären intelligenztestes gar nicht so weit hergeholt. momentan muss am bestehen leider stark gezweifelt werden.
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edit am 04.10: war ja klar, dass es ergänzungsbedarf verschiedenster art geben würde - also:
- einen sehr, sehr finsteren aspekt habe ich - unzulässigerweise, wie ich finde - auf das militär beschränkt. und zwar einfach die sehr reale variante, dass das brechen gerade, aber nicht nur, von kindlichen persönlichkeiten von denjenigen gewollt und propagiert wird, die selbst in unbeschreiblicher art davon wissen, dass sie auf diese weise erstens eine art sklaven zur persönlichen verfügung bekommen (die eher innerfamiliäre variante), und/oder von den heute herrschenden a-sozialen gesellschaftlichen machtverhältnissen profitieren und ebenfalls wissen, dass eingeschüchterte, verängstigte und zur freien kollektivität unfähige menschen keine bedrohung für den status quo darstellen (diejenigen, die auf die gewalt selbst mit gewalt reagieren, können ebenfalls instrumentalisiert werden - so funktioniert das militär - oder aber sind eine aufgabe für die repressionsapparate und geben dazu noch prächtige gesellschaftliche feind- und schreckbilder ab). im kommenden traumaschwerpunkt werde ich u.a. dem schon früher geäusserten verdacht nachgehen, dass massenhafte traumatisierungen durch soziale gewalt vielleicht einen bisher völlig unterschätzten baustein für hierarchische systeme aller art darstellen.
- zum teil des adorno-zitats mit der erwähnten "gleichgültigkeit gegen schmerz" (bei sich und anderen) hatte ich angemerkt, dass ich das funktional für eine reduktion von selbstwahrnehmung halte. das sollte ruhig ergänzt werden: wieder vor dem hintergrund der eigenheiten traumatischer strukturen lässt sich erkennen, dass die erzeugte gleichgültigkeit sich tatsächlich bereits als posttraumatisches symptom verstehen lässt, vielleicht sogar als symptom von dissoziation. derart können posttraumatische strukturen in einem menschen bei entsprechenden inneren und äußeren dispositionen mindestens zu einer art soziopathie führen - das wäre dann die materialisierung der täter-opfer-dialektik.
- nochmals zur dummheit: ich habe mich da ungeschickt ausgedrückt, bin aber gerade nicht in der lage, das zu präzisieren. das ausmaß und die konsequenzen dessen, was so als dummheit verstanden wird, sind in meinen augen jedenfalls wesentlich weitreichender, als ich so als angenommen unterstelle. der dummheit immanent scheint ihre notorische unterschätzung zu sein, und all das hat sehr sehr viel mit unseren jeweiligen wahrnehmungsfähigkeiten zu tun. anders: bestimmte wahrnehmungstunnel erzeugen das phänomen namens dummheit - und diese tunnel, so meine hypothese, können in bestimmten fällen wiederum auch zu den posttraumafolgen gezählt werden. die untertanen dumm zu halten, was die eigene machtbasis anbelangt, ist jedenfalls bis heute eine tägliche beschäftigung von sog. eliten weltweit.
- vielleicht überflüssig, aber ich möchte es trotzdem erwähnen: mit liebe haben die geschilderten praktiken und vorschläge nichts, aber auch gar nichts, zu tun. sicher, ein grundsätzlich liebevoller umgang mit kindern beinhaltet auch die option, bei auftretender notwendigkeit grenzen zu setzen. aber das "wie" ist hier entscheidend. ich glaube, dass bei einer - potenziell erreichbaren - wesentlich verbesserten individuellen und kollektiven psychophysischen selbstregulation viele der heute zu beobachtenden probleme gerade hinsichtlich eigener und fremder grenzen, die wir uns gar als "normal" anzusehen angewöhnt haben, keine große rolle mehr spielen würden. dabei wären dann auch wesentlich mehr als heute bereits die pränatale phase sowie die umstände der schwangerschaft zu berücksichtigen.
- und zum schluß möchte ich noch auf einen ganz frischen tp-artikel zum thema hinweisen.
mit den obigen worten kommentiert der leiter eines wirtschafts-nachrichtendienstes die zunahme der - "offiziell" als solche (!) verstandenen - sog. psychischen krankheiten in d-land. im zusammenhang mit den selektierenden praktiken etlicher versicherungsunternehmen hinsichtlich der absicherung gegen berufsunfähigkeit aufgrund psychischer beeinträchtigung nennt der folgende artikel eine schätzung:
(...)"Die Zahl der Bundesbürger, die an behandlungsdürftigen seelischen Erkrankungen leiden, schätzen Experten mittlerweile auf acht Millionen."(...)
ich persönlich halte diese zahl grundsätzlich für zu niedrig angesetzt - wenn Sie sich erstens klarmachen, dass die gezählten "offiziellen" diagnosen in diesem bereich nach teils inhaltlich durchaus unzureichenden diagnostischen modellen gestellt werden, die bspw. die gesamten folgen gesellschaftlich potenziell traumatisierender gewaltzustände noch nicht einmal ansatzweise erfassen können (das liegt u.a. in der bereits seit längerer zeit diskutierten zu engen begrenzung der diagnose der posttraumatischen belastungsstörung, wie sie heute in den diagnostischen katalogen definiert wird, dazu mehr im künftigen traumaschwerpunkt); zweitens dazu berücksichtigen, dass gerade in diesem medizinischen bereich die kriterien für gesund und krank teils auf dem kopf stehen - wenn Sie bspw. aufgrund von mobbing oder stupider schichtarbeit symptome entwickeln und (lohn-)arbeitsunfähig werden, dann mittels klassischer psychiatrischer behandlung mittels psychopharmaka wieder leistungsfähig werden sollten - ist dieses deckeln einer prinzipiell durchaus als gesund (im sinne von symptomen als warnhinweise und im weiteren sinne auch als versuch der selbstregulation zu verstehenden reaktion) zu betrachtenden reaktion auf unzumutbare soziale bedingungen wirklich als "heilung" zu betrachten? eine rhetorische frage.
drittens, und das hängt mit dem obigen punkt zusammen: wie zb. am modell der als-ob-persönlichkeit sehr deutlich zu sehen ist, werden sogar eindeutig schwer psychopathologische zustände überhaupt nicht als solche wahrgenommen, wenn der betroffene mensch es schafft, die "objektiven" aktuellen gesellschaftlichen kriterien für gesundheit zu erfüllen, bei denen die arbeits- und leistungsfähigkeit oder auch das unauffällige funktionieren quasi "naturgemäß" in einem kapitalistischen system an erster stelle steht (und das kriterium von kognitiver intelligenz, die sich bei fast jedem soziopathen finden lässt, gilt ebenfalls per se als kennzeichen von gesundheit). wie hier im blog bereits mehrfach aufgezeigt wurde, können bspw. deutlich antisozial handelnde personen durchaus als "erfolgreiche und tatkräftige" manager (oder auch politiker) durchgehen; und schwer traumatisierte menschen, die ihren posttraumatischen stress zb. in der symptomatik einer arbeitssucht ("worcoholic") ausagieren, werden von einer wahrnehmungsreduzierten sozialen mitwelt für ihre "produktivität" und "leistungsbereitschaft" sogar noch oft gelobt.
viertens kommt ganz banal noch der folgende punkt hinzu:
(...)"Dabei spiegelt diese Zahl vermutlich nur die halbe Wahrheit. Denn Experten schätzen, dass ohnehin nur die Hälfte der behandlungsbedürftigen Menschen auch wirklich professionellen Rat sucht."(...)
was u.a. an der weiterhin vorhandenen aura des irgendwie unheimlichen ebenso liegen dürfte wie an der damit verbundenen gesellschaftlichen stigmatisierung - "du musst nur wollen" bzw. "reiß dich zusammen" sind sätze, die oft genug nicht nur gedacht werden, wenn es um diese art von krankheit geht. wobei ich mich mehr und mehr frage, wie gesund im sinne von empathie- und liebesfähigkeit eigentlich diejenigen tatsächlich sind, die derartiges von sich geben.
und wenn dann noch diejenigen berücksichtigt werden, die aufgrund verschiedenster umstände nicht zur (lohn-)arbeitenden bevölkerung zählen - alte, flüchtlinge, erwerbslose, hausarbeitende frauen - , dann dürfte sich die tatsächliche zahl noch einmal erhöhen. von den kindern und jugendlichen erst gar nicht zu reden:
(...)"Knapp jedes fünfte Kind in Deutschland ist betroffen, jedes zwanzigste Kind gilt als dringend behandlungsbedürftig. Die Rate ist fast so hoch wie bei Erwachsenen."(...)
ich mache immer mal wieder ein kleines gedankenexperiment: stellen Sie sich einmal vor, all diese krankheiten und störungen - die eben in nicht geringer zahl vor allem durch die herrschenden (anti-)sozialen verhältnisse entscheidend mitverursacht werden - würden als sichtbares symptom auch zb. einen deutlichen pickelbefall im gesicht mit sich bringen. wie sähe es wohl im straßenbild der städte aus? eben. und wie sähe wohl die öffentliche reaktion aus, gerade bei berücksichtigung des umgang mit bspw. infektionskrankheiten? das zitat in der überschrift bringt die tatsächliche lage schon ganz gut auf den punkt: wir haben es mit einer situation zu tun, die im falle einer als solche verstandenen epidemie mit zahlen wie den obigen (verursacht von einem mutierten grippevirus zb.) durchaus die wertung "medizinische katastrophensituation" bekommen würde (und zwar zurecht). wie bei so vielen sachverhalten, spielen auch hier wahrnehmungsstörungen und -defekte eine entscheidende und unheilvolle rolle. wahrnehmungsstörungen, die im übrigen bereits selbst als indiz für einige schwere psychophysische störungen gelten können. und nicht nur dieser fakt macht die ganze situation so vertrackt und gefährlich.
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ausblick: ich hoffe, in der übernächsten woche wieder mehr zeit für die arbeit am blog zu haben. dann wird es zunächst einiges interessante zu den themen autismus und empathie geben, bevor dann der traumaschwerpunkt losgeht. machen Sie´s gut bis dahin.
...und leichten kopfschmerzen nach (und vor) einem langen tag schau ich kurz online in die runde - und finde mal wieder viel zu viel, was mir noch mehr kopfschmerzen bereitet - aber eine geschichte, die ist so - ja, was eigentlich? ehrlich, zynisch, realistisch, widerlich? bitte zum rapport, ministerpräsident:
(...)"Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany sagte kurz nach der Parlamentswahl vom 23. April, er habe die Öffentlichkeit über den Zustand der Wirtschaft belogen, um seine Wiederwahl zu sichern. Er erklärte: "Wir haben am Morgen, am Abend und in der Nacht gelogen." Seine Regierung habe durch "hunderte Tricks" und "göttliche Vorsehung" die Wahl gewonnen."
ach, das geht doch jeder regierung so. lügen, tricks und aberglauben halten den laden am laufen.
"Weiter sagte Gyurcsany: "Was wir in den Monaten davor (vor den Wahlen) heimlich machen konnten, so dass in den letzten Wochen des Wahlkampfes nichts darüber an die Öffentlichkeit dringt, was wir planen, das haben wir getan. Währenddessen wussten wir und ihr wusstet es, dass wir uns, falls der Wahlsieg kommt, danach sehr zusammennehmen müssen."
ach, das geht doch jeder regierung nicht anders. wahlbetrug und beschiss der bevölkerung ist die basis allen regierens.
"Über die Arbeit der Regierung urteilte der Ministerpräsident: "Wir haben es verbockt. Nicht ein bisschen, sondern sehr. In Europa hat man einen solchen Blödsinn, wie wir ihn gemacht haben, noch in keinem anderen Land gemacht. Man kann es erklären. In den letzten anderthalb, zwei Jahren haben wir nur gelogen. Es war vollkommen klar, dass es nicht stimmt, was wir sagen."
ach, das ist doch völlig regierungsspezifisch. blödsinn machen und das blaue von himmel herunter simulieren ist in diesen kreisen die normalität.
"Außerdem sagte der Ministerpräsident in seiner Rede über die Regierungsarbeit: "Wir haben während der letzten vier Jahre eigentlich nichts gemacht. Nichts. Ihr könnt keine einzige bedeutsame Regierungsentscheidung nennen, auf die wir stolz sein könnten, außer jener, dass wir zum Schluss die Regierungsarbeit aus der Scheiße zurückgeholt haben." Weiter hieß es: "Ich bin fast gestorben, als wir eineinhalb Jahre vorgeben mussten, zu regieren."
ach, das ist doch - mir fällt dazu echt nichts mehr ein. es ist letztlich ein historisches dokument ersten ranges - tauschen Sie nur einmal den namen aus, und setzen Sie dafür blairmerkelschröderputinbushchirackohl... ein - und es klingt weiter völlig authentisch und realistisch. und Sie und ich wissen vermutlich auch, warum sich dieser effekt sofort und intuitiv einstellt. scheint fast so, als müsste gyurcsany noch gelobt werden für die tatsache, einmal wirklich klartext geredet zu haben. ungarnspezifisch ist das jedenfalls nicht. und ebensowenig ist dieses treiben an eine der klassischen sog. politischen richtungen gebunden - "sozialistisch", "konservativ", "liberal" - das sind fakebegriffe, die den antisozialen, zerstörenden und quasitotalitären charakter der heutigen "politischen klasse" so ziemlich überall auf dem planeten nur noch notdürftig kaschieren können. genau solche verhältnisse sind es unter anderem, die bei entsprechend geschädigten und disponierten persönlichkeiten den ruf nach "ausmisten!" und dem "starken mann" laut werden lassen - was zwar auch neue fakes und simulationen nach sich zieht, aber nach aller historischer erfahrung in blutbädern zu enden pflegt, die für etliche leute etwas reinigendes an sich zu haben scheinen. nun, wir heutigen wissen das alles - oder könnten es zumindest wissen. die große frage: was werden wir mit diesem wissen anfangen?
in aller regel: nein. einige gründe für diese entscheidung sind hier nachzulesen, u.a. auch der folgende auszug:
(...)"tatsächlich sind aber sämtliche existierenden parteien nur dann als "legal" definiert, wenn sie sich innerhalb vorgegebener grenzen bewegen - und wenn diese vorgegebenen grenzen in zeiten wie heute immer enger gezogen werden (was z.b. ganz zentral grundsätzliche fragen nach menschenwürde, materiellen existenzsicherungen, umgang mit asylsuchenden und anderes betrifft), bekommen die parteien insgesamt einen blockähnlichen charakter, der bereits totalitäre elemente enthält - eine art front, in der die anscheinend widerstreitenden positionen sich nur noch in verschiedenheiten bezgl. irgendwelcher detailfragen ausdrücken, wie diese und jene sache denn jetzt genau zu regeln ist.
ein absolutes tabu ist es jedoch, grundsätzlich strukturelle eigenschaften der sozialen und ökonomischen verhältnisse überhaupt zu thematisieren, jedenfalls für die protagonistInnen der "demokratischen parteien" (die rechtsextremen scheinen dieses tabu zu berühren, wobei es sich jedoch auch nur um eine als-ob-aktion handelt - sie wollen vor allem eine offene zuspitzung der vorhandenen hierarchischen strukturen erreichen, nicht ihre grundsätzliche veränderung. zynisch könnte gesagt werden, sie sind ehrlicher, was die forderungen nach gewalt, zwang und repressionen angeht - die programme und aktionen der sog. demokratischen parteien laufen faktisch auf ähnliche resultate hinaus, werden aber durch sog. "vernünftige argumente" kaschiert, und sind dazu noch recht unsicheren ethischen und moralischen normen teilweise unterworfen, die zumindest oberflächlich berücksichtigt werden müssen.
genau darauf verzichten die faschisten fast völlig, machen das als verächtliche schwäche der "systemparteien"aus und ziehen vermutlich aus diesem kontrast die rolle der "einzigen echten opposition", die sie sich gerne selbst geben, und in der sie von entsprechend disponierten persönlichkeiten dann aufgrund dieses kontrastes in der erscheinungsform auch so wahrgenommen werden. dabei könnten sie mit entsprechendem personal, welches zum glück nicht vorhanden scheint, mit ihren erwähnten offenen forderungen durchaus relevante teile heute vorhandener psychoklassen ansprechen, die sich ebenfalls noch wie ihre vorfahren und von ihnen quasi "geerbt" in einer verfassung befinden, in der u.a. sicherheit durch unterwerfung eine lebensmaxime bildet)."(...)
ps. die wahlbeteiligung sinkt kontinuierlich weiter, damit auch die legitimationsbasis von teilen der herrschenden eliten.
pps. die npd ist mit allem recht als (neo)nationalsozialistische partei zu begreifen - wer jetzt, nach fast zwei jahrzehnten - 1987 kam zunächst die dvu in bremen nach jahrzehnten faschistischer erfolglosigkeit bei wahlen wieder in ein parlament (bremen) - erfahrungen mit pogromen, überfällen und über hundert toten, alles zu verantworten von selbsterklärten nazis, immer noch von "protestwählerInnen" schwafelt, will entweder verharmlosen oder aber muss insgeheim davon ausgehen, dass diese wählerInnen die intelligenz- und wahrnehmungsfähigkeiten von amöben besitzen. die realität sieht schon seit über 15 jahren so aus, dass es in diesem land wieder sowohl handlungsfähige strukturen als auch ein solides potenzial für eine gesellschaftliche strömung gibt, bei der offen propagierter mord und totschlag zu ihren erklärten grundlagen gehören. vor diesem hintergrund bleibe ich bei einem schon vor längerer zeit verfassten fazit (das folgende ist formal, nicht inhaltlich, hinsichtlich einiger fehler damals korrigiert und übersichtlicher gemacht worden):
(...)"wenn es sich beim rassismus und antisemitismus um eine innerhalb einer starken minderheit der gesamtbevölkerung weit verbreitete gesellschaftliche strömungen handelt, wie es seit jahren bzw. jahrzehnten in der brd durch entsprechende untersuchungen/umfragen immer wieder bestätigt wird, dann ist die behauptung einer "niederlage" der rechten nicht angebracht und suggeriert imo eine geradezu gefährliche einstellung, weil die folge auch in einer nachlassenden wachsamkeit bestehen kann.
ich finde eher, dass umgekehrt ein schuh draus wird: wenn es knapp 60 jahre nach der völligen militärischen niederschlagung des nationalsozialismus und dem folgenden totalverbot aller diesbezgl. aktivitäten und einer zumindest "offiziellen" ächtung derselbigen in deutschland wieder
a) funktions- und handlungsfähige bundesweite nationalsozialistische strukturen existieren, welche
b) aufmärsche und propagandaaktionen mit teilweise tausenden von teilnehmern durchführen können,
c) dazu zumindest in ostdeutschland in der lage sind, örtlich faktisch als paralleler machtfaktor in konkurrenz zu staatlichen institutionen und kulturellen bzw. pädagogischen angeboten der "offiziellen" gesellschaft zu treten bzw. diese zu unterwandern, und
d) durch militanten ausdruck rassistischer bzw. antisemitischer ressentiments in der lage sind, die "offizielle" politik in ihrem sinne zu beeinflussen (nach dem pogrom von rostock zb. der prompte umfaller der spd in der asylgesetzgebung, durch das auftreten rechtsradikaler parteien eine zum grossen teil positive aufnahme deren positionen zur "ausländerpolitik", das anstoßen eines neuen öffentlichen diskurses über die notwendigkeit von "nationalgefühl" sowie die debatte über den "nötigen schlussstrich" über die deutsche ns-vergangenheit) - das finde ich neben dem offenen strassenterror eindeutig die fatalste und gefährlichste wirkung dieser szene - eine wirkung auch, welche die militanten gruppen der radikalen "linken" nicht mal ansatzweise entfalten konnten - wenn ich mir das also alles zusammen betrachte, scheinen mir einige bereits vor jahrzehnten formulierte langzeitziele der neonationalsozialisten (u.a. das durchsetzen von öffentlichen auftritten sowie die langsame (wieder-)gewöhnung der öffentlichkeit an nationalsozialistische inhalte eher erfolgreich umgesetzt worden zu sein."(...)
und diese gefahr wird nicht durch wahlevents beseitigt werden können - das bestreben der sog. demokraten geht eigentlich immer nur soweit, aus gründen der imagepflege dahingehend zu wirken, die nazis um jeden preis wieder aus den parlamenten herauszubekommen - "aus den augen, aus dem sinn". die sog. aufarbeitung der vergangenheit ist, wie sich nicht nur an diesem verhalten feststellen lässt, bereits vor langer zeit gescheitert. was kein wunder ist, müsste sich doch eine ernsthafte bearbeitung des vorhandenen offen faschistischen potenzials sehr schnell auch verstärkt mit den psychophysischen zuständen der als solche auftretenden faschisten und ihrer sympathisantenszene beschäftigen. genau das aber scheint nicht gewollt zu sein, würden im nächsten schritt doch auch die "demokratischen eliten" in den focus geraten.
...bzw. dessen ärgerliche rolle in dieser seltsamen gesellschaft sorgt dafür, dass ich die nächste woche(n) größtenteils nicht in diesem virtuellen raum hier anwesend sein werde.
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für diese zeit ein kurz-update zu diversen themen bzw. kurze hinweise auf netzfundstücke:
eine neue studie bringt thesen zum verhältnis zwischen autismus und empathie auf den tisch, die ich in einem eigenen beitrag kommentieren möchte. sie widersprechen diversen ansichten, die ich hier im blog an verschiedenen stellen präsentiert habe, und verdienen eine eingehende beschäftigung - es geht um etwas ziemlich entscheidendes:
(...)"Psychologen schreiben vermehrt über Gemeinsamkeiten zwischen Autisten und Psychopathen, die sie angeblich gefunden haben. J. Arturo Silva konstatiert „eine Assoziation zwischen der Psychopathologie des autistischen Spektrums und dem Verhalten von Serienmördern“. Pierre Flor-Henry schreibt: „Asperger-Syndrom und Psychopathie … teilen sich einige Charakteristika, insbesondere die völlige Abwesenheit jeglicher menschlicher Empathie.“(...)
„Die längste Zeit wurde Autismus als Empathiestörung bezeichnet – in ebenso fälschlicher wie unverantwortlicher Weise“, kritisieren die New Yorker. „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse dazu beitragen, Autisten den Platz im empathischen Spektrum zu geben, den sie verdienen.“ Der ist jedenfalls nicht auf der Seite von Psychopathen. Denn diese besitzen in der Regel eine sehr gute soziale Wahrnehmung. Zu erfassen, was in anderen vor sich geht, bereitet ihnen keinerlei Probleme. Charakteristisch ist vielmehr, dass sie diese Fähigkeit einsetzen, um ihre Opfer zu manipulieren. Psychopathen fehlt die affektive Empathie, sie empfinden also tatsächlich kein Mitleid.
Beim Asperger-Syndrom verhält es sich andersherum, wie die Wissenschaftler jetzt erstmals zeigten."(...)
eine diskussion über diese aussagen könnte sehr aufschlußreich werden. interessanterweise sorgte aber im newsbereich der letzten wochen zum autismus etwas anderes für relativ großes mediales aufsehen - stellvertretend sei hier auf diese meldung Ältere Väter haben häufiger autistische Kinder verwiesen. auch das ist eine these, welche der näheren betrachtung bedarf.
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die nutzung der hauptstadt der elfenbeinküste als deponie für europäischen giftmüll sorgt inzwischen - neben weiteren toten und immer mehr verletzten - für eine schwere innenpolitische krise des landes. und wirft etliche fragen zur verantwortung europäischer behörden auf. mal davon abgesehen, dass es sich hier auch um ein symptom des alten und quasi traditionellen europäischen rassismus handeln könnte:
(...)"Zunächst zählt eine einzige Frage, und da ist die Antwort eindeutig. Hier in Europa wusste jemand sehr genau, dass der Giftmüll seinen Weg nach Afrika finden würde, und das ist nach europäischem Recht strafbar. Ob sie die Behörden vor Ort korrumpierten, ignorierten oder täuschten, ist in Europa zweitrangig, wenngleich für die Klärung der Vorfälle in der Elfenbeinküste selbst von höchster Bedeutung. Auf europäischer Ebene geht es um die Ausfuhr von Giftmüll von Europa nach Afrika. Dies geschieht häufiger als vermutet. Nur weil diesmal die Millionenstadt Abidjan betroffen war und nicht ein fernes Savannengebiet, dessen Bewohner sich kein Gehör verschaffen können, wurde daraus diesmal ein internationaler politischer Skandal.
Wer meint, die Antwort darauf liege allein im juristischen oder technischen Bereich, greift zu kurz. Der Kern des Problems liegt darin, dass es noch immer Europäer gibt, die sich auf dem südlichen Nachbarkontinent wegen der Armut und der Schwäche der Institutionen dort Verhaltensweisen erlauben, die sie sich zu Hause nie trauen würden. Dies reicht von Ausbeutung von Angestellten bis zur Forderung nach Sonderbehandlung durch Behörden und der Erwartung, sich mit Geld alles kaufen zu können. Die Überheblichkeit des weißen Mannes, wenn er afrikanischen Boden betritt und dort endlich ungestraft sämtliche niederen Herrscherinstinkte ausleben darf, hinterlässt giftige Spuren auch dort, wo sie chemisch nicht nachweisbar sind. Das ist das eigentlich Beschämende an der Affäre von Abidjan.(...)"
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bisher kommen die flüchtlinge an den südlichen eu-außengrenzen hauptsächlich aus verschiedenen regionen afrikas - aktuell ist eine neue entwicklung festzuhalten, die einen kleinen eindruck davon geben kann, in welchen dimensionen sich die globalen flüchtlings- und migrationsbewegungen mittlerweile befinden:
(...)"Am Donnerstagabend hatte die spanische Küstenwache vor der Kanareninsel Teneriffa das Boot mit 216 überwiegend pakistanischen Flüchtlingen entdeckt
Wie die Regierung der Kanareninseln berichtet, wurden 18 gesundheitlich angeschlagene Migranten in den südlichen Hafen von Los Cristianos gebracht. Die übrigen 198 Flüchtlinge sollen am Freitagvormittag die Hauptstadt Teneriffas, Santa Cruz, erreichen. Unter ihnen befindet sich die senegalesische Bootsmannschaft.(...)
Nach Informationen der spanischen Tageszeitung El País ist die Mehrzahl der Flüchtlinge im westafrikanischen Guinea-Bissau an Bord gegangen, wo sie mehrere Wochen gewartet hatten."(...)
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bei telepolis gab es in den letzten tagen u.a. beiträge zu posttraumatischen störungen bei us-amerikanischen soldaten des vietnamkrieges; thematisch zusammenhängend damit weitere erkenntnisse der hirnforschung zur erinnerungsspeicherung von belastenden erfahrungen. dürfte beides für viele leserInnen hier zwar nicht unbedingt viel neues enthalten, eignet sich aber als einstieg in die traumathematik im weitesten sinne.
über die möglichen zusammenhänge zwischen dem dasein als sog. "vip" und (übersteigertem) narzissmus bzw. der diagnose einer entsprechenden persönlichkeitsstörung machen sich in den letzten jahren ja so einige leute ihre gedanken - dito dieser, imo leider etwas arg verkürzende tp-beitrag. und sozusagen ganz frisch kommt gerade noch ein artikel, der sich auf eine britische diskussion zur zukunft der kinder im 21. jahrhundert bezieht und ein paar interessante fragen aufwirft.
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fragen, die hier leider erstmal genausowenig ausformuliert werden können wie diejenigen, die das neue buch von sabine bode zum thema "german angst" spontan bei mir hervorgerufen hat - ich schätze ihr erstes buch zum thema der unterschätzen traumatischen folgen des zweiten weltkriegs als informativen überblick (siehe literaturliste); befürchte jedoch so einige fehlschlüsse nicht nur von ihr, was die - imo zweifellos vorhandenen - traumatischen strukturen und ihre auswirkungen in der aktuellen realität dieses landes betrifft. was ich meine, lässt sich bspw. hier nachlesen - wenn neoliberale irrläufer beginnen, sich an diesen und anderen themen bezgl. der individuellen und kollektiven psychophysischen zustände zwecks (ideologischer) instrumentalisierung zur rechtfertigung antisozialer "politik" zu bedienen, wird mir sehr schnell übel. mehr dann, wenn ich das buch von bode selbst gelesen habe - ich hege bezgl der bisherigen öffentlichen aufnahme einen bestimmten verdacht, den ich erstmal überprüfen möchte.
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ausblick: ich möchte die nächsten wochen und monate dafür nutzen, endlich die längst überfälligen schwerpunkte trauma und dissoziation in basisbeiträgen zu bearbeiten. dafür kann ich zwar einige frühere texte von mir an anderer stelle nutzen, aber insgesamt sind diese themenbereiche - zu denen auch die vermutlich "politischte" aller psychiatrischen diagnosen überhaupt zählt, die posttraumatische belastungsstörung - derart komplex und weitreichend, dass sich die reihe dazu über etliche zeit erstrecken wird. wie üblich also die bitte um etwas geduld an Sie, falls die jeweiligen fortsetzungen auf sich warten lassen. beginnen wird das ganze nach bisheriger planung mit einem beitrag, der letztlich u.a. auch weiteres über die zusammenhänge zwischen religion und traumatischen gesellschaftlichen bedingungen enthalten wird, dargestellt anhand der biographie einer recht bekannten historischen persönlichkeit. lassen Sie sich überraschen.
ich werde übrigens auch von zeit zu zeit am index der notizen weiterbasteln und hoffe, dass dieses projekt in absehbarer zukunft soweit auf den letzten stand gebracht sein wird.
afrika? "wir" wollen zwar ihre flüchtlinge nicht - aber dafür können sie ruhig unseren giftmüll bekommen:
(...)"Zu Hunderten mussten Anwohner aus dem Umkreis mehrerer Deponien mit Atemnot, Nasenbluten, Durchfall und Kopfschmerzen in Krankenhäusern behandelt werden, wie Ärzte sagten. Einige der Patienten seien in ernsthaftem Zustand. Medieninformationen zufolge wurde der Müll zwei Wochen zuvor von einem von Niederländern gecharterten Frachter nachts auf drei Kippen in der Metropole der Elfenbeinküste abgeladen.(...)
Allein das Universitätskrankenhaus Codody berichtete von 340 Patienten mit Vergiftungserscheinungen. In der Klinik Treichville wurden weitere Verletzte versorgt. Die Zusammensetzung des Giftgemischs war zunächst unklar. Die Oppositionsbewegung RDR warf den Behörden vor, den Skandal vertuschen zu wollen; die Behörden wüssten genau, dass hoch giftige Schwefelsäure und Chlorelemente auf den Deponien abgelagert worden seien."(...)
das ganz normale geschäft halt.
edit am 08.09.: mittlerweile gibt es als folge der vergiftungen sowohl erste todesfälle als auch den rücktritt der gesamten regierung zu vermelden:
(...)"Der Giftmüll kam am 18. August an Bord des Frachtschiffs "Probo Koala" im Ölterminal des Hafens von Abidjan an. Eine niederländische Transportfirma hatte das Containerschiff gemietet, es fährt unter panamaischer Flagge und ist in griechischem Besitz. Die ivorische Firma "Tommy" beantragte bei den Hafenbehörden, den Frachter gründlich reinigen und die Abfallprodukte entsorgen zu dürfen. Sie bekam die Erlaubnis. Am 22. August fuhr die "Probo Koala" wieder aus Abidjan ab.
Zurück blieben, so haben ivorische Journalisten rekonstruiert, 528 Tonnen hochgiftiger Sondermüll, teils schwarzer Schleim. Die Entsorgungsfirma ließ ihn an neun Orten in der Vier-Millionen-Metropole Abidjan abladen, teils kippten sie ihn in die offene Kanalisation.
Der Müll enthält Chlorpodukte und soll einen hohen Gehalt an Schwefelwasserstoff haben. "Dieses Gas ist sehr giftig", sagt Joachim Wuttke vom Umweltbundesamt. "Es entsteht bei unkontrollierten Reaktionen", sagt der Abfallexperte. Die Anwohner in Abidjan bemerkten die Folgen meist erst, als ihnen vom stechenden Geruch übel wurde. Bald darauf setzten Atemnot, Nasenbluten, Durchfall und Kopfschmerzen ein. Hühner und andere Kleintiere kippten tot um.
Die Oppositionsparteien machen die Regierung für den Skandal verantwortlich. Sie behaupten, Getreue des Staatschefs Gbagbo hätten bis zu 26 Millionen Euro Schmiergeld kassiert. Und die Firma "Tommy" - erst im Juli gegründet - stehe dem Transportminister der Elfenbeinküste mit dem schönen Namen Innocent Anaky nahe."(...)
und, wie oben schon geschrieben: für gewisse leute ist das alles lediglich ein "gutes geschäft":
(...)"Doch das illegale Geschäft ist lukrativ. Wer abgelaufene Ackergifte, verseuchten Klärschlamm oder kontaminierten Elektroschrott ins Ausland karrt, spart sich die aufwendige Entsorgung zuhause. Die sei nämlich teuer, sagt GTZ-Experte Schimpf. "Sie müssen bis zu 2.500 Euro zahlen, um eine Tonne Pestizide zu entsorgen."(...)
geiz ist geil. vor allem dann, wenn die anderen die rechnung bezahlen müssen.
(die ersten beiden beiträge zum thema, in denen es vor allem über (post-)traumatische einflüsse innerhalb der israelischen gesellschaft und ihre möglichen auswirkungen geht, sind hier und hier zu finden).
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ein paar worte vorweg: nicht umsonst hat es länger gedauert, als ich eigentlich dachte, bevor dieser beitrag hier endlich eine form hatte, mit der ich einigermaßen zufrieden bin. die öffentlichen diskussionen rund um die themen islam(-ismus), religiösen und militanten fundamentalismus, den verschiedenen kriegszonen in der islamischen welt, israel und die rolle der usa und europa sind meistens derart polarisiert und in einem negativen sinne irrational, dass ich immer wieder schlicht tiefen widerwillen verspürte, mich weiter zu äußern. eine position zu finden, die ich selbst vertretbar finde, bedeutet auch, sich zwischen faktisch alle stühle zu setzen - und das ist, gerade bei der teils offen hasserfüllten art und weise der öffentlichen diskurse, kein angenehmer platz. andererseits: wo gibt es schon noch solche plätze?
mich stören sehr viele dinge: einmal wäre da der teils offen vertretene rassismus gegenüber menschen aus afrika, der arabischen welt und asien, der sich heute bei vielen verteidigerInnen der sog. "westlichen werte" untrennbar mit einer angeblich "aufgeklärten" islamkritik maskiert (das teile dieser kritik durchaus zutreffend sind, kann dabei keine rechtfertigung für rassistische ressentiments sein). zum anderen machen teile der westlichen linken andersherum strukturell nichts anderes, wenn sie - berechtigt - den erwähnten rassismus anprangern, dabei aber auch die tatsächlich reaktionären (religiös begründeten) strukturen gerade in vielen islamischen ländern unterschlagen und in schlechter, orthodox-vulgär-kommunistischer tradition quasi zu einer art "nebenwiderspruch" werden lassen - das gilt besonders dann, wenn es sich um kritik an den offen sichtbar vorhandenen patriarchalen lebensverhältnissen in diesen ländern geht, die auf einmal zu "kulturspezifischen eigenarten" erklärt werden, bei denen einmischung im emanzipatorischen(!) sinne gleichbedeutend mit imperialistischem chauvinismus sei und primär von ökonomischen interessen bestimmt wäre (was tatsächlich einen aspekt ausmacht - als stichwort reicht hier öl).
und wiederum als heuchelei muss imo die sorge um frauenrechte gelten, die seitens des offiziellen westens genau in dem moment entdeckt wurden, als bspw. die taliban in afghanistan nicht mehr verbündete - wie noch im kampf gegen die sowjetunion, als die usa genau diese taliban als freiheitskämpfer glorifizierten und die fundamental-islamistische ausrichtung ihrerseits als eine art "folkloristischer eigenart" verstanden - waren, sondern zu terroristen der gefährlichsten sorte mutierten. wer soll solchen leuten noch ihre behauptete sorge um frauen- und menschenrechte abnehmen? ich nicht. gerade vor dem hintergrund der tatsache, dass sexistische und patriarchale (ich verstehe unter den begriffen nicht das gleiche) strukturen im westen zwar modifiziert worden sind und in einigen bereichen gerade formaler und abstrakterer art (wie der allgemeinen gesetzgebung z.b.) geglättet erscheinen, nichtsdestotrotz aber in historisch teils neuen und daher auch schwer zu fassenden formen weiter fortbestehen und das leben hier prägen.
ebenfalls widerwärtig ist die instrumentalisierung des - meiner meinung nach sehr wohl vorhandenen, aber nur sehr gezielt mit repressionen zu bekämpfenden - terroristischen potenzials verschiedener islamistischer strömungen für eine inzwischen völlig hemmungslos gewordenen innere aufrüstung der usa und der meisten europäischen länder, die deutlich erkennbar die behauptete sorge für die "sicherheit der bürgerInnen" als maske vor sich herschiebt, um dahinter für die absehbaren schweren sozialen konflikte und verteilungskämpfe der nahen zukunft repressive strukturen zu schaffen, die in dieser art und weise ebenfalls eine historisch neue qualität darstellen und als absolute bedrohung jeder emanzipatorischen bewegung begriffen werden können - es existiert geradezu ein unheilvolles wechselspiel zwischen den jeweiligen strategen des fundamentalistischen terrors und der "inneren sicherheit", in dem alle zutaten von borderline-wahrnehmung zu finden sind: "gut-böse"-zuschreibungen ausschließlicher art (schwarz-weiß-sicht); polarisierendes lagerdenken; weit gehende dehumanisierung des jeweiligen "feindes" sowie eine sehr aufschlussreiche art von apokalyptischer endzeitrhetorik. das es sich bei dem begriff "borderline-wahrnehmung" vor diesem hintergrund nicht nur um eine metapher handelt, wird später noch deutlicher werden.
kurz: die ganze situation ist eine derartige, bei der zumindest bei mir spontan der impuls entsteht, sich die decke über den kopf zu ziehen und laut aufzustöhnen - es gibt imo keinerlei gründe für alle an tatsächlichen sozialen fortschritten interessierte, sich in dieser auseinandersetzung an der seite irgendeiner der beteiligten parteien zu positionieren, und wenn´s auch nur aus angeblich "taktischen" erwägungen sei - im gegenteil liegen die gründe für eine massive kritik an allen beteiligten seiten derart im weg herum, dass es schwerfällt, nicht alle naselang darüber zu stolpern.
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im folgenden will ich nun eine zusammenfassende darstellung der entscheidenden sozialen bedingungen innerhalb weiter teile der sog. islamischen welt aus sicht der psychohistorie darstellen, wie sie lloyd deMause in seiner letzten arbeit präsentiert - in einer erweiterung zu ansätzen, wie sie bspw. bei ché im blog deutlich werden -
(...)"Aber es gibt eine Hardcore-Fraktion der Terrorbomber, die sich rein theologisch-ideologisch definieren und die auch ohne Elend in den Ländern und Palästina-Problem bomben würden. Interessanterweise sozial gesehen ein Oberschichtsphänomen."(...)
- versucht die psychohistorische analyse, hinter die als sekundär begriffenen, objektivistischen religiös-ideologischen konstrukte einen blick auf die dahinterliegenden psychophysischen strukturen der handelnden zu werfen, um derart zu einer neuen art von verstehen zu kommen, welches für eine beseitigung der quellen des fundamentalistischen islamismus und eine angepasste fortschrittliche entwicklung der betroffenen regionen wichtige anregungen geben kann.
und im unterschied zu quasi herkömmlichen psychologisch-psychoanalytischen ansätzen, wie sie hinsichtlich der islamischen welt bspw. martin altmeyer vor knapp einem monat in der "taz" unter dem titel Kultur der Niederlage vorgestellt hat; und die imo in einer typischen art und weise zu sehr von der abstraktion der orthodoxen pa geprägt sind und dabei zu solch unwahrscheinlichen und spekulativen konstruktionen wie der folgenden gelangt:
(...)"Während es wohl der Wahrheit entspräche, dass der Terrorist mordet, um für etwas Rache zu nehmen, wäre womöglich ebenfalls wahr, dass er an seiner Kränkung festhalte, um mit dem Morden weitermachen zu können. Die Unterstellung eines solchen (unbewussten) Verlangens bedeute für den Terroristen freilich eine weitere Erniedrigung, die ihn umso wütender mache, denn das Gefühl der Erniedrigung wolle er (bewusst) nicht behalten, sondern gerade loswerden. Wenn man ihm ein Bedürfnis unterstelle, sich gekränkt fühlen zu dürfen, erkläre man seine Motive und Verhaltensweisen für irrational."(...)
kann der psychohistorische ansatz imo eher eine antwort auf die in der "taz" ebenfalls aufgeworfene frage geben:
(...)"Hinter dem Kalkül des fundamentalistischen Islamismus, als dessen Vollzugsorgane sich terroristische Organisationen wie Hisbollah und Hamas verstehen, muss etwas anderes stehen als der Widerstand gegen die Schmach, die Erniedrigung, die Demütigung der arabisch-islamischen Welt durch Amerika und seinen Vorposten Israel."(...)
- weil er sich weitergehend die konkreten und in einer gewissen art und weise sehr "materiellen" sozialen lebensbedingungen anschaut, durch die wir menschen nun mal bis in unsere gehirne und nervensysteme (beides körperlich) geprägt werden, und die wir wiederum durch die wahrnehmungen / informationen in eben diesen gehirnen und nervensystemen prägen. diese vorgänge nun sind bestimmten gesetzen unterworfen, die zwar leider heute nur ansatzweise sichtbar sind, aber nichtsdestotrotz existieren. und ohne die letztlich keinerlei wirkliches verständnis menschlichen verhaltens möglich ist.
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ich werde deMause im folgenden mit einer sehr komprimierten und in dieser art einzigartigen (zumindest ist mir nicht entsprechendes bekannt) darstellung der teils extrem traumatischen lebensbedingungen in der islamischen welt zitieren, die ich selbst an verschiedenen stellen im text kommentieren will. ich verzichte dabei auf die zahlreichen quellennachweise, die im original (bzw. im buch) angegeben werden - überwiegend bezieht er sich auf quellen aus den islamischen ländern selbst, wobei kritische - und feministische - arbeiten wie bspw. von nawal el saadawi überwiegen, die ich selbst als realistische beschreibungen der sozialen situation einschätze.
er differenziert dabei nicht zwischen den verschiedenen konflikten (z.b. israel - palästinenser), sondern versucht, die in den sozialen bedingungen vorhandenen gemeinsamen quellen der diversen krisen herauszuarbeiten, was die prägungen der islamistischen akteure betrifft.
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(...)"Kinder, die heranwachsen, um islamische Terroristen zu werden, sind Produkte eines frauenfeindlichen fundamentalistischen Systems, das häufig die Familie in zwei separate Gebiete trennt: das der Männer und das der Frauen. Die Kinder wachsen in den Räumen der Frauen auf, welche der Vater nur selten besucht. Selbst in Ländern wie dem heutigen Saudi-Arabien können sich Frauen dem Gesetz gemäß nicht unter nichtverwandte Männer mischen, und öffentliche Orte haben immer noch separate Frauenzonen in Restaurants und an Arbeitsplätzen, denn - wie ein muslimischer Soziologe frei heraus sagt -: »In unserer Gesellschaft gibt es kein freundschaftliches Verhältnis zwischen einem Mann und einer Frau.« Familien, aus denen die meisten Terroristen kommen, sind auch die gewalttätigsten Frauenfeinde; in Afghanistan, zum Beispiel, konnten Mädchen keine Schulen besuchen, und Frauen, die versuchten, ihre Jobs zu behalten oder scheinbar »mit Stolz dahin schritten«, wurden erschossen. Junge Mädchen werden in den meisten fundamentalistischen Familien abscheulich behandelt. Wird ein Junge geboren, herrscht Freude in der Familie; wird ein Mädchen geboren, trauert die ganze Familie.
Die Sexualität des Mädchens ist so verhasst, dass sie, im Alter von etwa 5 Jahren, von Frauen gepackt und zu Boden gedrückt wird und ihr mit einer Rasierklinge oder einer Glasscherbe die Klitoris und häufig auch die Schamlippen abgeschnitten werden. Ihre Agonie und Hilfeschreie werden dabei ignoriert, weil, so sagen sie, ihre Klitoris »schmutzig«, »hässlich«, »giftig« ist, sie »kann einen unersättlichen Appetit auf ausschweifenden Sex verursachen« und »kann Männer impotent machen«. Die Stelle wird dann häufig zugenäht, um Geschlechtsverkehr zu verhindern, es wird nur eine winzige Öffnung zum Urinieren gelassen. Die genitale Verstümmelung ist quälend schmerzhaft. Bis zu einem Drittel der Mädchen sterben an Infektionen, verstümmelte Frauen müssen »langsam und schmerzvoll dahinschlurfen« und sind normalerweise unfähig, einen Orgasmus zu haben. Man schätzt, dass heute über 130 Millionen genital verstümmelte Frauen in islamischen Nationen leben, von Somalia, Nigeria und dem Sudan bis Ägypten, Äthiopien und Pakistan. Eine Studie über ägyptische Mädchen und Frauen ergab zum Beispiel, dass 97 Prozent der ungebildeten und 66 Prozent der gebildeten Familien immer noch weibliche genitale Verstümmelung praktizieren würden. Obwohl in einigen Gebieten diese Praxis weitgehend aufgegeben wurde, nimmt sie in anderen - wie im Sudan und in Uganda - weiter zu, wo 90 Prozent der befragten Frauen angaben, alle ihre Töchter beschneiden zu wollen.
Die Verstümmelung wird nicht vom Qu'an vorgeschrieben; vielmehr sagte Mohammed, man solle Mädchen besser als Jungen behandeln. Dennoch haben Frauen über Jahrtausende hindurch ihren Töchtern diesen Horror zugefügt und inszenieren den ihnen durch Männer zugefügten Missbrauch wieder neu, wenn sie ihre Töchter verstümmeln und fröhliche Lieder wie dieses dabei singen: »Wir waren einmal Freunde, aber heute bin ich der Herr, weil ich ein Mann bin. Schau - ich hab ein Messer in meiner Hand. ... Deine Klitoris; ich werde sie abschneiden und sie wegwerfen, weil heute bin ich ein Mann.«
(dieses und alle folgenden zitate: lloyd deMause "das emotionale leben der nationen"; drava, klagenfurt 2005; isbn 3-85435-454-1; s. 39 - 43)
ich halte primär theologische und religionstheoretische auseinandersetzungen für weitgehend uninteressant, da "heilige bücher" wie die bibel und der koran sowohl beliebig interpretierbar sind als auch vermutlich durch die jahrhunderte immer wieder verändert wurden. so kann aus der bibel sowohl bspw. die inqusition als auch die befreiungstheologie südamerikanischen zuschnitts "begründet" und hergeleitet werden - sich gegenseitig ausschließende handlungsweisungen also, die die willkür deutlich machen, mit der religiöse motive konstruktivistisch begründet und umgesetzt werden. ebenso dürfte es sich mit der obigen äußerung von mohammed verhalten. deMause gibt an anderer stelle dagegen interessante hinweise darauf, dass sämtliche religionen, incl. der sog. naturreligionen, und besonders die damit assoziierten gottheiten, eher als produktionen einer durch extrem verbreitete traumatische erfahrungen allgemein dissoziierten welt- und selbstwahrnehmung zu verstehen sind, in dem die diversen götter als projektionen strafender bzw. lobender und aus der sicht von kindern v.a. mächtiger elternfiguren auftreten - und gerade die im religiösen kontext immer wieder auftretenden phänomene wie bspw. trance, religiöse verzückung, ekstase, aber auch selbstgeisselung und -bestrafung, lassen sich aus heutiger sicht sehr wohl als extremformen dissoziativer zustände begreifen.
eine andere art dissoziativer wahrnehmungsspaltung lässt sich hingegen beim stichwort saudi-arabien konstatieren: bis heute ist das dortige herrschaftssystem als eine art theokratische diktatur zu verstehen, mit einer speziellen variante patriarchaler und sexistischer unterdrückung. und seit jahrzehnten kann festgestellt werden, das diese diktatur ohne die faktische unterstützung der usa - die bis heute andauert, wenn auch in der folge des 11. september 2001 mit einigen "irritationen" - nicht existenzfähig wäre. eine (us-)administration, die im falle afghanistans zur "begründung" eines krieges u.a. menschen- und frauenrechte anführte, die sie im falle saudi-arabiens nicht mal als sekundär relevant ansieht (schließlich sind das immer noch ölliefernde "verbündete"), muss sich mindestens als heuchlerbande bezeichnen lassen, die menschenrechte rein instrumentell dann einsetzt, wenn´s ihr in den propagandistischen kram passt. sie kann allerdings auch als in einem pathologischen wahrnehmungsstatus festhängend begriffen werden - und genau dafür geben die gesamten arbeiten von deMause, der sich über jahrzehnte mit der us-amerikanischen innen- und außenpolitik bzw. ihren versteckten "drehbüchern" beschäftigt hat, etliche indizien.
"Mädchen, die in diesen fundamentalistischen Familien aufwachsen, werden normalerweise so behandelt; als wären sie verschmutzte Wesen, verschleiert, und manchmal von Gruppen vergewaltigt, wenn Männer außerhalb der Familie mit Männern ihrer Familie eine alte Rechnung zu begleichen haben. Studien, wie eine aktuelle Erhebung unter palästinensischen Studenten, zeigen, dass sexueller Missbrauch in islamischen Gesellschaften weit häufiger stattfindet als anderswo, wobei mehrheitlich Mädchen davon betroffen sind, als Kinder sexuell belästigt worden zu sein. Auch eine Heirat kann als Vergewaltigung betrachtet werden, da die Familien häufig den Partner aussuchen und das Mädchen erst 8 Jahre jung ist. Die Schuld für die Vergewaltigung wird oft den Mädchen zugeschoben, da man davon ausgeht, dass »diejenigen, die nicht darum bitten, auch niemals vergewaltigt werden«. Das Verprügeln der Ehefrauen ist üblich und Scheidung auf Wunsch der Frau selten - vielmehr sind Frauen von ihren Familien umgebracht worden, nur weil sie um die Scheidung baten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei »Ärzte für Menschenrechte« herausgefunden wurde, dass »97 Prozent der afghanischen Frauen, die sie untersuchten, unter schweren Depressionen litten«.
Es überrascht auch nicht, dass diese verstümmelten, geprügelten Frauen keine ideale Figur als Mütter abgeben und ihr eigenes Elend wiederum ihren Kindern zufügen. Besucher bei Familien in verschiedensten fundamentalistischen muslimischen Gesellschaften berichten vom »Ohrfeigen, Schlagen, Peitschen und Verprügeln« von Kindern, mit konstanter Beschämung und Demütigung, von ihren Müttern häufig als »Feiglinge« beschimpft, wenn sie sich weigern, andere zu schlagen. Physischer Missbrauch von Kindern geht weiter; gemäß einem Bericht der Pakistanischen Konferenz über Kindesmissbrauch »sehen sich eine große Anzahl von Kindern mit irgendeiner Form physischen Missbrauchs konfrontiert, vom Infantizid und der Weglegung von Babys bis hin zu Schlagen, Schütteln, Verbrennen, Schneiden, Vergiften, Unter-Wasser-Halten oder der Verabreichung von Drogen oder Alkohol oder gewalttätige Handlungen wie Boxen, Treten, Beißen, Würgen, Schlagen, Beschießen oder Stechen«.
kurz: ähnliche und gleiche praktiken also, wie sie in dieser gesellschaft hier in den letzten jahren immer wieder für kurzzeitige mediale aufgeregtheit sorgen - ein beispiel.
"Islamische Schulen praktizieren regelmäßig die Prügelstrafe - speziell in den Religionsschulen, aus denen freiwillige Terroristen so häufig kommen - und ketten ihre Schüler tagelang »in dunklen Räumen mit wenig Nahrung und kaum vorhandener sanitärer Einrichtung« an."
das sind methoden aus dem arsenal der sensorischen deprivation , die auch bei der - ja, programmierung von selbstmordattentätern eine wichtige rolle spielt - dazu bspw. mehr hier und hier.
"Sexueller Missbrauch - beschrieben als »Streicheln der Genitalien, vom Kind die Berührung der Genitalien des Missbrauchers erzwingen, die Masturbation mit dem Kind entweder als Teilnehmer oder Beobachter, oraler Sex, anale oder vaginale Penetration mit Penis, Finger oder jeglichen anderen Objekten und [Kinder-]Prostitution« - ist ausgedehnt vorhanden, jedoch unmöglich zu beziffern.
Auch von Müttern ist berichtet worden, sie würden häufig »den Penis [ihrer Jungen] lange und heftig reiben, um ihn zu vergrößern«. Der Studie über die palästinensischen Studenten folgend, würden die Jungen laut ihren Berichten sogar häufiger sexuell missbraucht werden als Mädchen - Männer wählen die anale Vergewaltigung von kleinen Jungen, um das zu vermeiden, was sie als die »unersättliche Vagina«der Frauen betrachten. Von einigen Gebieten wird berichtet, Kinder hätten mit Narben übersäte Körper von Verbrennungen mit glühendheißen Bügeleisen, die von Bestrafungen ihrer Eltern oder von Heilungen von der Besessenheit durch Dämonen herstammen. Kindern wird strikter Gehorsam gegenüber allen elterlichen Befehlen beigebracht, wie etwa zu stehen, wenn ihre Eltern den Raum betreten, ihre Hände zu küssen, nicht übermäßig zu lachen, sie immens zu fürchten; und sie lernen, dass es schrecklich sündhaft ist, einem ihrer Begehren nachzugeben. Alle diese Kindererziehungspraktiken sind jenen sehr ähnlich, wie sie Kindern im mittelalterlichen Westen routinemäßig zugefügt worden sind."
und in variantionen in deutschland bis mitte des 20. jahrhunderts stark verbreitet waren - die uns heute (hoffentlich) bedrückenden fälle von gewalt gegen kinder in dieser gesellschaft stellen eher relikte dieser massiv traumatischen vergangenheit dar - relikte allerdings, die immer noch in zu großer zahl vorhanden sind. das dabei bis heute auch christlich-religiöse institutionen immer wieder als täter im focus stehen, sollte ein gesundes mißtrauens gegen jede art derartiger "religiösität" unterstützen, die mit "spirituell" begründeten hierarchien daherkommt.
und nun folgt ein sehr wichtiger punkt - lassen Sie sich von einigen begriffen, die Ihnen womöglich seltsam vorkommen mögen, nicht irritieren:
"Die asketischen Resultate solch strafreichen Erziehens sind voraussagbar. Wenn diese missbrauchten Kinder heranwachsen, fühlen sie jedes Mal, wenn sie versuchen, sich selbst zu aktivieren, jedes Mal, wenn sie unabhängig etwas für sich selbst tun wollen, sie könnten in ihren Köpfen die Billigung ihrer Eltern verlieren - hauptsächlich die ihrer Mütter und Großmütter im Frauenquartier. Als ihre Städte in den letzten Jahrzehnten mit Geld aus Ölverkäufen und westlicher Popkultur überflutet wurden, fühlten sich die fundamentalistischen Männer erst zu den neuen Freiheiten und Vergnügungen hingezogen, zogen sich aber bald zurück, weil sie spürten, sie würden die Zustimmung ihrer Mami riskieren und als »böse Buben« gesehen werden."
während ich den ersten satz voll unterschreibe - u.a. aus diesem grund versucht jedes autoritäre bzw. diktatorische system, u.a. über familien- und bildungspolitik destruktiven zugriff auf die lebens- und entwicklungsbedingungen der kinder und jugendlichen zu nehmen -, drückt sich deMause beim konstrukt des "bösen buben" imo etwas unglücklich und in v.a. in orthodox-freudianischer manier aus. genauer wäre es, von in folge massiver traumata entstandenen dissoziativen persönlichkeiten zu sprechen, bei denen einzelne teil-persönlichkeiten die destruktiven handlungen und forderungen der täterInnen repräsentieren, und bei "verstößen" gegen deren gebote und weltsicht massiv aktiviert werden, u.a. in form von existenziellen schuldgefühlen. bei als solchen diagnostizierten dissoziativen (multiplen) persönlichkeiten können diese anteile als quasi selbst existierende (teil-)"persönlichkeiten" von außen beobachtet werden. in schwächerer form können wir sie an und in uns selbst wahrnehmen - als mehr oder weniger deutlich wahrnehmbare innere "stimmen", die auf einem herumhacken - tatsächlich meist in situationen, die im weitesten sinne etwas mit selbstverwirklichung zu tun haben (was u.a. dann zum problem werden kann, wenn sich berechtigte kritik an egozentrischem verhalten mit destruktiven folgen für andere mit diesen stimmen mischt und zu elementarem trotz und massiver abwehr führen kann - zu beobachten ist das immer wieder bspw. bei diskussionen über die notwendige einschränkung des westlichen lebensstandards aus ökologischen und sozialen gründen).
"Menschen aus dem Westen kamen, um jetzt in Form einer Projektion ihr eigenes »Böse Buben«-Ich zu repräsentieren, das abgetötet werden musste, so wie sie von sich selbst meinten, die Strafe verdient zu haben dafür, solch unverzeihliche Sünden zu begehen, nämlich Musik zu hören, Drachen steigen zu lassen und Sex zu genießen. So urteilte jemand: »Amerika ist gottlos. Der westliche Einfluss hier ist keine gute Sache, unsere Leute können CNN, MTV [und] Küssen sehen.« Ein anderer beschrieb seine Gefühle folgendermaßen: »Wir werden die amerikanischen Städte Stück für Stück zerstören, weil euer Lebensstil für uns so anstößig ist, eure pornographischen Filme und das Fernsehen.« Viele waren einer Meinung mit dem iranischen Kulturminister, dass alle amerikanischen Fernsehprogramme »ein Teil eines ausgedehnten Komplotts zur Auslöschung unserer Kultur und unserer heiligen Werte« wären, und hatten aus diesem Grund das Bedürfnis, Amerikaner töten zu müssen. Sayyid Qutb, der intellektuelle Vater des islamischen Terrorismus, beschreibt, wie er sich gegen den Westen wandte, als er bei einem Amerikabesuch einmal einen Kirchentanz beobachtete: »Jeder junge Mann nahm die Hand einer jungen Frau. Und das waren dieselben jungen Männer und Frauen, die gerade eben ihre Hymnen gesungen hatten! Der Raum wurde zu einem Durcheinander von Füßen und Beinen: Arme schlangen sich um Hüften; Lippen trafen Lippen; Oberkörper drückten sich aneinander.«
hier liegt ein vergleich mit den inneren dynamiken von "ideologisch" ganz anders konstruierten autoritären gesellschaftsentwürfen durchaus nahe - in ihrer abwehr und feindschaft gegenüber allem lebendigen, für das die sexualität als das symbol überhaupt angesehen werden kann, finden jenseits aller "ideologischen" differenzen christliche, moslemische und sonstige religiöse fundamentalisten, aber auch bspw. faschisten aller coleur und orthodoxe stalinisten einen sehr aufschlußreichen gemeinsamen nenner. das genau diese lebendigkeit aber auch für die kontrollorientierte, objektivierende und quasiautistische vorherrschende tendenz der westlichen gesellschaften ein greuel ist - die sich zumindest in teilen (!) von den offen traumatischen strukturen der vergangenheit fortentwickelt hat - , bedeutet imo aber nicht, dass es keine unterschiede zu den erwähnten klassisch autoritären formationen geben würde - eher scheinen wir es in unserer gesellschaft mit anderen wegen des ausagierens, aber auch - durch die entwicklung von wissenschaftlichen ansätzen wie der psychiatrie und psychotherapie - qualitativ ebenfalls zumindest teilweise anderen möglichkeiten der tatsächlichen verarbeitung unserer traumatischen kollektiven und individuellen geschichte(n) zu tun zu haben. wobei bis auf weiteres sehr fraglich scheint, wie stark die dadurch vorhandenen tatsächlich emanzipatorischen möglichkeiten real sind.
"Osama bin Laden. selbst »frequentierte während seiner Collegezeit prunkvolle Nachtdubs, Casinos und. Bars [und] war ein Trinker und Schürzenjäger«, fühlte aber bald extreme Schuld für seine Sünden und begann, das Töten von Westlichen wegen ihrer Freiheiten und der Verführung von Moslems zu predigen."
hier sind verblüffende biographische parallelen zu seinem gegenpart george w. bush zu sehen:
(...)"Bush junior ist in zweifacher Hinsicht ein bekehrter Alkoholiker. Mit Ende Dreißig war er der nichtsnutzige Sohn eines reichen, erfolgreichen, patrizischen Vaters - ein Weiberheld und Trinker. Dann fand er Jesus. Um aus der Spirale eines ziellosen Lebens herauszukommen, wurde er unter dem Einfluss des charismatischen Predigers Billy Graham religiös, trank fortan keinen Tropfen mehr und ging in die Politik. Das klingt wie der Stoff für eine Satire (am besten von Tom Wolfe), aber jeder Therapeut weiß, dass ein dramatisches Erlösungserlebnis und die Bindung an neue, starke Werte oft der Weg aus der Selbstzerstörung ist."(...)
die quelle und einige - ältere - gedanken meinerseits dazu sind hier bzw. im zugehörigenden thread zu finden.
"Die meisten Führer der Taliban waren reich, so wie bin Laden, hatten Kontakt mit dem Westen gehabt und waren in ihre terroristische Gewalttätigkeit hineingestoßen worden, schockiert durch »die persönlichen Freiheiten und den Überfluss des Durchschnittsbürgers, durch die Promiskuität und durch den Alkohol- und Drogenkonsum der westlichen Jugend ... Nur eine absolute und bedingungslose Rückkehr in die Arme des konservativen Islamismus könnte die moslemische Welt vor den inhärenten Gefahren und Sünden des Westens bewahren«. Bin Laden kehrte seinem vergnüglichen Leben den Rücken und lebte mit seinen vier Frauen und fünfzehn Kindern in einer kleinen Höhle ohne fließendes Wasser, all jenen mit einem heiligen Krieg drohend, die sündhafte Handlungen und Freiheiten genießen, welche er in sich selbst nicht dulden kann.
Von Kindheit an ist den islamischen Terroristen beigebracht worden, jenen Teil in sich selbst umzubringen - und in weiterer Übertragung auch bei anderen -, der selbstsüchtig ist und gerne persönliches Vergnügen und Freiheiten hätte."
an dieser stelle finde ich das wort "selbstsüchtig" ziemlich unglücklich, zu negativ und zu begrenzend - eher ist eine traumatisierende behandlung von kindern, wie sie hier beschrieben wird, faktisch gegen alle lebendigen anteile wirksam - und wahllose promiskuität wie auch vielfältigster drogenabusus können auch jenseits von moralischen kategorien als symptome gestörter selbstregulation angesehen werden - sie sind imo eine andere art des ausagierens.
"Bereits in ihren von Gewalt und Schrecken beherrschten Elternhäusern - und nicht erst später in den terroristischen Trainingscamps - lernen sie von Anfang an, Märtyrer zu sein und für Allah zu sterben. Als Selbstmordattentäter, die von der Ausführung ihrer Vorhaben abgehalten werden konnten, im TV interviewt wurden, sagten sie, sie fühlten sich »ekstatisch«, als sie auf den Knopf drückten. Sie leugneten, durch die Jungfrauen und andere Verlockungen, die sie angeblich im Paradies erwarteten, motiviert worden zu sein. Stattdessen wollten sie sich Allah anschließen - um die Liebe zu bekommen, die sie nie hatten. Von den Müttern von Märtyrern berichtet man, sie wären glücklich darüber, dass diese sterben. Eine Mutter eines palästinensischen Selbstmordattentäters, der sich in Stücke gerissen hatte, sagte »mit entschlossen freudiger Miene«: »Ich war sehr glücklich, als ich es erfuhr. Ein Märtyrer zu sein, das ist etwas. Nur wenige Menschen können das. Ich habe gebetet, um Gott zu danken. Ich weiß, mein Sohn ist nahe bei mir."
das deutsche wort "eisenmütter", welches heute bezeichnenderweise im netz nur noch im kontext des sog. rechtsrock zu finden ist, kommt mir bei den letzten sätzen in den sinn - es wurde imo sowohl im ersten weltkrieg als auch später im ns als eine art anerkennder auszeichnung für tränen- und gnadenlose mütter verwendet, deren söhne - von ihnen begrüßt - den sog. heldentod auf den schlachtfeldern fanden. ebenfalls lassen sich gewisse parallelen zu einigen heutigen "borderline-müttern" finden, bei denen die empathielosigkeit allerdings nicht durch irgendwelche ideologischen konstrukte bemäntelt wird.
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und ansonsten finde ich, dass die texte oben für sich selbst sprechen - und hoffe, dass sie zumindest dazu anregen, von den eingefahrenen betrachtungsweisen etwas wegzukommen. fertige lösungen kann und will ich hier nicht präsentieren, obwohl sich zumindest einige ansätze von selbst ergeben:
(...)"Zu hören ist auch, was die Attentäter betrifft, eine Kritik am oft verbreiteten Anspruch der Religion, wonach dort die Lösung für alle Probleme zu finden sei. Weshalb gibt es keine "islamische Form der Psychotherapie", fragt etwa ein konvertierter deutscher Muslim. Kriegstraumata könne man mit dem Koran alleine nicht begegnen.(...)"
(quelle)
nicht nur kriegstraumata, so muss ergänzt werden. allerdings lassen sich religionen durchaus jenen "emotionalen stützkorsetten" zuordnen, die ich im letzten blogbeitrag in einem ganz anderen zusammenhang genannt hatte. vermutlich ist diese funktion sogar die eigentliche quelle ihrer attraktivität für geschädigte menschen.