Freitag, 23. Mai 2008

notiz: von hormonen und bedenklichen büchern

vom - in bezug aufs soziale leben gesehen - wahren wunderhormon oxytocin war hier schon einem beitrag über die pränatale phase die rede. nun hat die zeit weiteres zusammengetragen:

(...)"Wissenschaftler aus Zürich wollen das nun erstmals für eine der fundamentalsten Gefühlsregungen herausgefunden haben, die es im emotionalen Gewirr des Menschen gibt: das Vertrauen. Ohne Vertrauen sind Liebe, Freundschaft, Führung und Handelsbeziehungen nicht möglich, schrieb der Gefühlsforscher Antonio Damasio vor Jahren. Denn wo das Vertrauen fehlt, gewinnt die Angst die Oberhand. Angst davor, betrogen, hintergangen oder ausgegrenzt zu werden. Wer das soziale Miteinander von Menschen verstehen will, kommt an der Vertrauensforschung also nicht vorbei. Und auch nicht an einem ganz bestimmten Hormon.

Oxytocin heißt es, und eigentlich kennen es die Neuropsychologen vor allem als das Hormon der Liebe und Mütterlichkeit: Es regt die Wehen bei der Geburt an, befördert die Milchproduktion, es bindet die Mama an ihren Nachwuchs und sogar den Papa an die Mama."(...)


besonders interessant fand ich dabei die möglichen implikationen, die sich aus der folgenden beobachtung ergeben:

(...)"Ist Vertrauen also der unmittelbare Gegenspieler der Angst? Nicht ganz. Das Vertrauen ließ sich nur modulieren, wenn die Geschäftsbeziehung und damit auch die Ängste sozialer Natur waren. Das Oxytocin hatte keinen Einfluss auf die Angst vor einem Computer, der das Geld per Lotterie zu mehren versuchte."(...)

was die behauptungen über die angebliche gleichartigkeit von "beziehungen" zu maschinen oder auch virtuellen beziehungssimulationen mit authentischen beziehungen ins rechte licht rückt.

*

ein zweites für unser psychopyhsisches befinden wichtiges hormon wird heute in der taz thematisiert -
serotonin...

(...)"...ist ein Neurotransmitter, wirkt also als Botenstoff zwischen den Nervenzellen (Neuronen) und gilt als "Glückshormon". Das ist laut Brocke zwar nicht ganz falsch, aber nur die halbe Wahrheit: Serotonin hat viele verschiedene komplexe Funktionen im Organismus. Die Erzeugung des Gefühls der ruhigen Zufriedenheit - nicht etwa des Rauschs oder der Euphorie - ist nur eine.

Zunächst wirkt Serotonin ganz simpel gefäßverengend. Aber es ist auch für die Körpertemperatur und zur Reproduktion von Zellen, etwa der Leberzellen, wichtig. Schlaf und Hunger, Libido und Sexualtrieb sind serotoninabhängig; eine gute Verdauung und ein ausgeglichenes Gemüt beruhen auf Serotonin. Problematisch sind die Mangelsymptome: Vom Reizdarm mit Schwindel, Durchfall und Zittern über Migräne bis zur Depression mit Angstattacken, Schlaf- und Essstörungen, aber auch aggressiven Verhaltensmustern reichen die dem Serotoninmangel zugeschriebenen Krankheitsbilder."(...)


ich finde es immer wieder faszinierend, mir vorzustellen, wie mehr oder weniger komplexe chemische moleküle recht komplexe zustände des bewußtseins hervorrufen bzw. beeinflussen können.

abseits von diesem aspekt folgen am ende noch ein paar wichtige sätze, die etwas deutlich machen, was nicht oft genug gesagt werden kann:

(...)"Der Mensch, ein Produkt aus genetisch bedingten Schaltkreisen? Burkhard Brocke weist solche derzeit modischen Radikalfolgerungen von sich: "Der Anteil des Verhaltens, das durch so eine genetische Disposition beeinflusst ist - nicht determiniert - beträgt etwa 5 Prozent." Die restlichen 95 Prozent seien durch andere, auch andere genetische Faktoren sowie durch soziale Aspekte bedingt. Daher gelte: "Wenn die Umwelt klasse ist, die Lebenssituation stimmt und keine Schicksalsschläge stören, ist die Prognose auch mit angeborener Neigung zur Depression noch gut."

*

wenn die umwelt hingegen nicht so klasse ist, kann das zu zuständen führen, bei denen die betroffenen dann in ihrer ratlosigkeit traditionell real zwar wirkungslose, aber immerhin trostversprechende hilfe von ganz oben erflehen - aber obacht!
das böse lauert an ganz unerwarteten stellen:

(...)"Kaum habe er früher die Bibel zur Hand genommen, berichtet der Mann aus dem Publikum, da hätten sexuelle Bilder seinen Kopf überschwemmt."(...)

bevor jetzt aber der eine oder die andere hier bereits neugierig auf dem weg zum bücherregal sein sollte, muss doch gewarnt werden:

(...)"Ein "sehr frommer" Psychiater etwa habe sich dann doch auf Neuroleptika verlegt, als sein Patient jedes Mal einen psychotischen Schub bekam, wenn er sich der Bibel näherte."(...)

vielleicht sollten auf bibeln, analog zu zigarettenpackungen, demnächst ebenfalls warnungen angebracht werden? vor der dazugehörigen sekte muss jedenfalls mit fug und recht gewarnt werden:

(...)"Ein Jugendlicher mit Wuschelfrisur indes springt auf und legt eine temperamentvolle Argumentation vor, warum es das Böse eigentlich nicht geben kann. "Hat nicht ein guter Gott die Welt erschaffen?" Da bremst ihn ausgerechnet der Skeptiker Lemhöfer: Das Böse stecke tief im Menschen drin, und der Teufel sei vor allem eine Metapher."(...)

metapher -
ja klar , aber antworten auf die frage, wie und warum das böse im menschen entsteht (und wer davon eigentlich profitiert), sollten nun in keinem fall einer sekte, gleich welcher coleur, überlassen bleiben.

Montag, 19. Mai 2008

"badland"

mit dem begriff der täter-opfer-dialektik hatte ich den letzten beitrag abgeschlossen, und gerade läuft ein film an, der zumindest dem inhalt nach ein versuch der darstellung dieser fatalen (post-)traumatischen dynamik sein könnte:

(...)"Jerry kehrt aus dem Mittleren Osten als gebrochener Mann zurück, stark verändert durch traumatische Erlebnisse, die über alle menschliche Vorstellungskraft hinausgehen. Er lebt in Armut, seine Kinder ängstigen sich vor seinen plötzlichen Wutanfällen, und seine Frau Nora ignoriert seine nächtlichen Albträume und das wiederkehrende Nasenbluten. Geld, das ihre Söhne mit Zeitungsaustragen verdient haben, versteckt sie vor ihrem Mann, für den Fall, dass sie ihn verlassen muss. Der enge Wohnwagen, in dem sie leben, wird zum Gefängnis. Jerrys Scheitern als Mann und die Folgen seiner Taten im Irak ist die Strafe, die von der ganzen Familie erduldet werden muss."(...)

auch, wenn ich beim trailer ein etwas zwiespältiges gefühl bekomme, dürfte es sich lohnen, den film zu sehen, der gerade angelaufen ist.


notiz: aufgelesenes

der angekündigte beitrag rund um den bereich objektivität und soziopathie hängt immer noch in der warteschleife, verändert sich dauernd und macht mir reichlich zu schaffen - zumal die immer widerwärtiger werdenden zustände ständig neues material liefern. aber er wird kommen.

*

und aufgreifen werde ich da auf jeden fall auch ein zitat von einem jener schreibtischtäter, die sich in der quasikriminellen vereinigung namens "initiative neue soziale marktwirtschaft" organisieren, von der die folgen ihres treibens bspw. im gerade erschienenen
armutsbericht zwar nur unvollständig abgebildet, aber immerhin doch zu erahnen sind. sein name lautet bernd raffelhüschen , und in einem interview lassen sich folgende sätze bestaunen:

(...)"ZG: Als Experte für sozialstaatliche Themen stehen Sie sicherlich in einem besonderen Verhältnis zu den Gesellschaftsgruppen, welche Sie unter die akademische Lupe nehmen. Inwieweit versuchen Sie sich in die Lage der jeweils Betroffenen hineinzuversetzen?

Raffelhüschen: Das dürfen sie gar nicht oder zumindest erst dann, wenn sie fertig sind. Politikberatung müssen sie nach dem Gesetz der großen Zahl machen! Es geht gar nicht anders, denn rationale Politik darf nicht an individuellen Spezialsituationen festgemacht werden. D.h. man braucht da eine grobe Linie, die auch erstmal abstrahiert, die erst einmal gar nicht sieht, dass ein Rentner eben ein Mensch ist, dass ein Junkie ein Mensch ist, usw. Das dürfen sie nicht machen. "(...)


"rationale Politik" = empathiebefreit. (und auf menschen dürfen Sie dabei nicht achten, bzw: Sie dürfen menschen nicht achten. genau so sieht das, was hier so unter "politik" verkauft wird, dann auch aus). das ist echte
objektivistische logik , die sich da frech artikuliert. aus dem gerade verlinkten beitrag auch noch das folgende zitat von j. erik mertz, weil´s so schön passt:

"Die Psychose beginnt in der Regel nicht erst mit dem offensichtlichen Wahnsinn, der auffällig störenden Verrücktheit, sondern lange, lange vorher, die Psychose beginnt haargenau als beliebig rationales, im objektiven Sinne beliebig realitätstüchtiges Kontrollbewußtsein, das allerdings in einer funktionalen Monopolposition operiert.(...)

"Weicht die stets objektive Realitätsbewältigung des Psychotikers von den jeweils geltenden objektiven Realitätsnormen seiner Bezugskultur ab, so gilt er als `verrückt´, gelingt ihm eine flächendeckende Anpassung an die geltenden objektiven Realitätsnormen, so könnte er z.B. die unauffällige Existenz eines theoretischen Physikers führen oder vielleicht sogar durch die Konstruktion einer wissenschaftlichen Theorie, etwa einer Relativitätstheorie, auffallen."


oder aber die existenz eines professors für finanzwirtschaft führen.

*

passend zum oben erwähnten armutsbericht (und ebenfalls als übelriechender ausfluß objektivistischer logik zu begreifen) ein weiteres
interview :

(...)WELT ONLINE: Es geht also darum, welche Behandlungen notwendig oder sinnvoll sind und welche den Patienten nicht mehr bezahlt werden.

Hoppe: Ja. Es ist inzwischen so, dass wegen der strikten Ausgabenbegrenzung nicht mehr alles für alle bezahlbar ist. Das heißt, eine Form von Rationierung medizinischer Leistung ist unumgänglich. Aber diese Rationierung soll transparent sein, und sie soll nicht vom behandelnden Arzt getroffen werden müssen.

WELT ONLINE: Bisher haben Sie sich immer gegen Rationierung gewehrt. Woher der Sinneswandel?

Hoppe: Es gibt seit Jahren eine heimliche Rationierung. Wir Ärzte haben sie bisher nicht akzeptiert und versucht, sie zu kompensieren. Inzwischen ist klar, dass es Rationierung in jedem Land der Welt gibt, eben auch bei uns in Deutschland. Die Rationierung muss aber offen diskutiert werden, und dabei wollen auch wir Ärzte mitreden. Die Politik und die Kassen dürfen nicht länger behaupten, die Patienten bekämen die notwendige Versorgung, und in Wirklichkeit wird dieses Notwendige dem Finanzierbaren angepasst."(...)


da hatte der
herr hipp damals ja einen offensichtlich wahrhaft prophetischen moment.

*

zu den potenziellen opfern dieser "rationierung" dürften auch viele angehörige der im folgenden
artikel genannten gruppe gehören:

(...)"Der Zweite Weltkrieg liegt mehr als 60 Jahre zurück, doch noch immer leiden alte Menschen in Deutschland wegen der schrecklichen Erinnerungen an psychischen Störungen. Nach einer aktuellen Studie leiden Ältere dreimal so häufig an einer sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) wie die jüngere Bevölkerung. Das haben Wissenschaftler der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit Kollegen von der Universität Zürich herausgefunden. Sie hatten 2400 Menschen aus allen Altersgruppen befragt.(...)

Die Wissenschaftler riefen Haus- und Fachärzte auf, sensibler für solche Belastungen zu sein. Maercker sagte, die Betroffenen litten häufig an Schlafstörungen, Panikattacken und Schuldgefühlen. Die Probleme würden aber häufig falsch als Depressionen diagnostiziert."(...)


das lässt sich auch als ergänzung zum thema
vegetative dystonie lesen, während ich die im artikel genannten zahlen zur verbreitung der "offiziellen" ptbs mit vorsicht betrachte - bekanntlich halte ich deren definitionen für zu eng gefasst. andererseits ist das auch eine weitere erklärung für die teils extrem reaktionären haltungen, die sich in diesem land bei älteren menschen zu oft finden lassen. grundsätzliche und tiefsitzende angstgefühle sowie die daraus resultierenden sicherheitsbedürfnisse (die dann von leuten wie schäuble & co. geschickt instrumentalisiert werden, wobei schäuble vielleicht aus eigener betroffenheit darin besonders penetrant ist ) sind bei traumatisierten menschen nicht eben selten.

*

das thema traumatisierung (aufgrund zum himmel schreiender antisozialer verhältnisse) spielt auch bei den derzeitigen
pogromen in südafrika

(...)"Seit letzte Woche im Township Alexandra in Johannesburgs Norden zwei Menschen bei Angriffen ums Leben kamen, breitet sich der Terror wie ein Flächenbrand aus. Die Todesmeldungen erhöhen sich fast stündlich: Montag früh hieß es, dass allein am Wochenende 13 Menschen gestorben seien und etwa 2.000 ihr Dach über dem Kopf verloren hätten, mittags wurde die Zahl der Toten mit 22 angegeben. Niemand weiß vorherzusagen, in welcher Ecke einer Ansammlung von Bretterhütten jemand zur Zielscheibe wird."(...)

eine hauptrolle, die in diesem fall zumindest indirekt auch vom
kommentator in der taz erkannt wird:

(...)"Fakt ist, dass jetzt in Johannesburg Menschen aufgrund ihrer Herkunft gejagt und getötet werden. Man mag das für einen Ausdruck sozialer Unzufriedenheit halten. Aber niemand kann ernsthaft vertreten, man müsse Migrantinnen aus Hochhausfenstern werfen und Flüchtlinge verbrennen, weil es in den Townships zu wenig Arbeit gibt.

Die Verrohung der südafrikanischen Gesellschaft in der Zeit der Apartheid hat sich tief in die Köpfe der Bevölkerung eingegraben. Sie geht einher mit einer Abschottung vom als minderwertig empfundenen Rest Afrikas. Das gilt für Schwarz wie für Weiß. Diese geistigen Mauern in den Köpfen sind in 14 Jahren Demokratie kaum abgebaut worden - genauso wenig wie die realen Mauern zwischen Arm und Reich."


es ist wichtig, sich dabei immer wieder klarzumachen, das die genannte verrohung ein ausdruck für das ist, was sich in vergangenen und aktuellen antisozialen zuständen in den hirnen & nervensystemen der handelnden verändert hat. täter-opfer-dialektik.

Montag, 12. Mai 2008

kontext 40: "Ins Hirn gebrannt"

nein, überraschend ist das keinesfalls, was da in diesem artikel zu lesen ist:

(...)"Vernachlässigung und Missbrauch in der frühen Kindheit können die Hirnchemie der Opfer zeitlebens verändern. Auf welchem Wege die traumatischen Eindrücke ihre Spuren in den Neuronen hinterlassen, ist eines der großen Rätsel der Hirnforschung.

Eine Studie kanadischer Forscher an Suizidopfern deutet aber darauf hin, dass Gewalterlebnisse und fehlende Liebe die Aktivität der Gene im Hippocampus verändern können, der Hirnregion, die bei der Verarbeitung von Emotionen eine zentrale Rolle spielt. "(...)


das zusammenspiel von genen und (anti-)sozialen bedingungen war hier schon verschiedentlich angerissen worden, und einen auf den punkt treffenden
kommentar hat vor längerer zeit mondschaukel hinterlassen. die jetzige studie untermauert diese perspektive durchaus deutlich.

(...)"In Versuchen an Ratten hatte seine Arbeitsgruppe allerdings bereits vor vier Jahren gezeigt, dass das Verhalten der Mutter das Genaktivierungsmuster in den Gehirnen von neugeborenen Ratten nachweislich beeinflusst. "Ähnliche Beobachtungen haben wir auch in unserem Labor gemacht", sagt Marcus Ising vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. "Die Studie zeigt, dass sich diese Resultate offenbar auf den Menschen übertragen lassen."(...)

ich muss mir bei meinen nahezu täglichen wut-, angst- und resignationsanflügen angesichts des zustands unserer spezies immer wieder klar machen, dass wir im evolutionären zeitrahmen eine sehr, sehr junge erscheinung sind, und entsprechend unter ganz spezifischer dummheit leiden, was unser eigenes - "artgemäßes" - funktionieren anbelangt. und wenn man sich anschaut, wie das wissen bezgl. letzteren in den letzten jahrzehnten teils geradezu explodiert ist, ist das kein geringer hoffnungsschimmer - auch, wenn´s mit der umsetzung natürlich an allen ecken und enden hapert.

(danke an wednesday wiedermal für den hinweis auf den artikel).

Donnerstag, 1. Mai 2008

notiz: "wallraff was here"

so stand es, wenn man den büchern glauben darf, in den 1970ern in diversen "bild"-redaktionen an den wänden geschrieben. nun hat er in bewährter manier wieder einen unerwünschten besuch abgestattet: einer miesen kleinen kapitalistischen klitsche , die für eine miese große kapitalistische klitsche im wahrsten sinne des wortes die sklavenarbeit macht. und u.a. die frage bei mir aufgeworfen, wodurch sich eigentlich für derartiges verantwortliche manager und "unternehmer" qualitativ und strukturell von leuten wie josef f. (siehe letzten beitrag) unterscheiden. in der fähigkeit zur verdinglichung haben´s manche zeitgenossen gar weit gebracht.

Mittwoch, 30. April 2008

notiz: "amstetten" und die drei affen ( 2. update am 04.05.08)

wobei letztere perfekt symbolisiert werden durch einen satz in einem kommentar
aus der taz neulich:

(...)"Wissend also, dass aus dem Fall gesellschaftlich nichts zu lernen ist,..."(...)

natürlich. nichts ist zu lernen (wobei ich auch schon bessere statements in den letzten tagen gelesen habe, aber der taz-kommentator gibt durchaus eine repräsentative linie des mainstreams wieder).

nur als kleine erinnerung bzw. denkanstoß:


"Dann zitiert Havemann Aussagen von Eltern: "Ich habe dieses Kind in die Welt gesetzt, ich kann damit machen, was ich will", sagen sie."

und weiter hatte ich damals kommentiert:

(...)"ich kann damit machen, was ich will" - mein eigentum, im sinne eines beliebigen dings. nicht oft genug kann wiederholt werden, dass es sich bei solchen äußerungen aller wahrscheinlichkeit nach um eine art symptom des objektivistischen wahrnehmungsmodus in einer krankheitswertigen monopolposition handelt - auch die täterInnen nehmen sich letztlich selbst, v.a. ihren körper, als ding wahr - und sitzen als virtuelles und immaterielles "ich" irgendwo "in" ihrem kopf, paranoid und kontrollierend. (...)

nein, der täter josef f. ist nicht das monster. eher ist er einer von vielen monstern, von denen die schlimmsten ähnliche terrorregimes, wie es hier innerhalb einer familie errichtet wurde, gleich für ganze länder und regionen aufbauen.

in einem gleichen sich aber all die kleinen und großen tyrannen dieses schlages:


"Solche Menschen leben in einem eigenen Universum"

existenzielle konstruktivisten allesamt, womit das wesen einer realitätstüchtigen psychose auf den punkt gebracht wäre. und von menschen, die sich in einem solchen modus befinden (bzw. auf dem weg dahin sind), dürfte es viel zu viele geben. aber daraus darf natürlich "gesellschaftlich nichts zu lernen" sein. wo kämen wir da schließlich hin? mit den kollateralschäden muss schließlich seit eh und je gelebt werden. die heben schließlich ja auch die auflage.

*

edit am 02.05.08: übrigens, schon mal vom französischen dorf
coulommes gehört?

(...)"Der frühere Bürgermeister erklärte ihr: "Ja, ich wusste es, das ganze Dorf wusste es. Aber beschmutzen Sie Coulommes nicht. Was die Leute untereinander treiben, hat uns nicht zu beschäftigen."(...)

image ist alles, die realität ist nichts. bzw. ist sie meistens schmutzig.

*

edit: was erstens - bei einigermaßen vorhandenen kenntnis der uns menschen bestimmenden psychophysischen gesetzmäßigkeiten - schon zu erwarten war, wird nun in einer neuen
leserpost bei alice miller thematisiert. ein kurzer auszug aus dem dort zitierten artikel des britischen independent:

(...)"In an interview, the sister of Fritzl's wife, Rosemarie, a woman identified as 56-year-old Christine R said that Fritzl had been brought up by a single mother with an explosive temper who resorted to violence to control her child.

"Josef grew up without a father. His mother raised him with her fists," Mrs R said. "She used to beat him black and blue almost every day. Something must have been broken in him because of that. He was unable to feel any kind of sympathy for other people. He humiliated my sister for most of her life." (...)


die schwester der ehefrau des f. berichtet hier, dass der junge ohne vater bei einer extrem gewalttätigen mutter aufwuchs, die ihn fast jeden tag verprügelte - und das er unfähig gewesen sei, irgendeine art von mitgefühl für andere menschen zu spüren (was seine taten nachdrücklich belegen).

und ob f. nun bereits pränatal oder "erst" im verlauf seines postnatalen lebens zu einem quasi oder echten soziopathen geworden ist, mag für die ganze geschichte sogar zweitrangig sein - wenn die obigen informationen stimmen, liegt hier wieder einmal eine grauenhafte re-inszenierung vor, aus der natürlich "gesellschaftlich nichts zu lernen ist".

solange diese - und andere -. gesellschaften nicht lernen wollen, werden sie´s zu spüren kriegen. bis zum bitteren ende.

und noch ein nachtrag, weil mir der artikel gerade erst vor die augen gekommen ist: spon
zitiert ebenfalls die schwägerin, verschweigt dabei aber die aussagen über die mutter des f.:

(...)"Die Schwägerin Josef Fritzls beschrieb unterdessen den Mann ihrer Schwester als einen Tyrannen, der eine Atmosphäre der Angst im Haus verbreitet habe. "Wenn er gesagt hat, es ist schwarz, dann war es schwarz, auch wenn es zehn Mal weiß war", sagte Christine R. Josef habe keinen Widerspruch geduldet. Sie selbst habe sich bei Familienfesten vor ihm gefürchtet. Man könne sich vorstellen, wie es für eine Frau gewesen sein müsse, die so viele Jahre mit ihm verbracht habe.

"Als die Rosemarie den Sepp geheiratet hat, war sie 17. Sie hat keinen Beruf erlernt, war ihm immer ausgeliefert – und er hat das 51 Jahre lang ausgenützt", sagte Christine R. der Zeitung "Österreich". Josef Fritzl sei ein "Despot". "Er hat die Kinder gedrillt. Wenn er das Zimmer betreten hat, waren alle sofort still – auch wenn sie vorher gespielt hatten. Man hat die ständige Angst vor Strafen gespürt. Die einzige Chance für die Kinder, diesem Klima zu entkommen, war zu heiraten. Und das haben auch alle gemacht, sobald sie alt genug waren."(...)


die typische methode, (auch zutreffende) informationen aus ihrem kontext zu lösen, erhält und verstärkt das bild des scheinbar "grundlos" oder gar "natürwüchsigen" bösen "im menschen" - auch das ist eine wirkungsvolle methode, positive soziale veränderungen abzublocken und in unseren sozialen verhältnissen weiter das mißtrauen gegeneinander aufrechzuerhalten. machttechniken. wobei auch die obigen zitate bei genauerer betrachtung genügend belege für die vermutete re-inszenierung liefern.

Sonntag, 27. April 2008

kontext 39: "...Sie spielen alle, alle eine Rolle" - sonntagslektüre mit kurt tucholsky...

...der unter seinem pseudonym ignaz wrobel 1928 in der "weltbühne" treffende beobachtungen über die spezifisch "deutschen" formen von objektivismus, dissoziation und als-ob-zuständen veröffentlichte. voilá: Das "Menschliche"

Freitag, 18. April 2008

notiz: ein langer weg liegt noch vor uns...

...wenn das in dieser post an alice miller geschilderte den tatsächlichen bewußtseinsstand unter medizinerInnen hinsichtlich der gewalt gegen kinder abbildet.

Montag, 14. April 2008

notiz: erde essen - die hungerrevolten kommen zurück

die kombination aus der üblichen antisozialität des kapitalismus ,den immer stärker wahrnehmbaren folgen von "peakoil" - zukünftig wird noch der anthropogene klimawandel dazukommen - sowie die allgemeine rücksichts- und empathielosigkeit von zu großen teilen der bevölkerungen der sog. "demokratischen" westlichen welt (deren "politik" wäre ohne innere zustimmung dieser bevölkerungen schlicht nicht möglich) führt zu zuständen, über deren konsequenzen noch viel zu wenig geredet wird - wenn jedenfalls sätze wie die gleich folgenden bereits in den mainstreammedien zu lesen sind, wird das wahre ausmaß des nur noch als verbrecherisch zu bezeichnenden desasters des kapitalismus als weltsystem noch monströser sein, als uns allen klar - und lieb - sein dürfte.

(...)"Auf dem Dach des einstigen Kerkers legen erfinderische Frauen etwas aus, das an Kekse erinnert und auch so genannt wird. Die wichtigste Zutat bringen Lastwagen aus den nahen Bergen, es ist gelber Lehm, der mit etwas Salz und Pflanzenfett zu einem Teig verrührt wird und dann in der Tropensonne trocknet.

Für viele Haitianer sind Lehmkekse die einzige Mahlzeit. Sie schmecken nach Fett, saugen die Feuchtigkeit aus dem Mund und hinterlassen einen Nachgeschmack von Dreck. Häufig verursachen sie Durchfall, aber sie betäuben das Hungergefühl. "Ich hoffe, dass ich eines Tages auf sie verzichten kann", sagt Marie Noël, 40, die ihre sieben Kinder mit dem erdigen Fraß durchbringt. Der Lehm für 100 Plätzchen kostet fünf Dollar; binnen eines Jahres ist der Preis um 1,50 Dollar gestiegen, also um rund 40 Prozent."(...)


so schildert - revolutionärer neigungen wirklich unverdächtig
spon in einem artikel die lage in haiti, und sieht sich zu folgenden schlüssen gezwungen:

(...)"Es war eine dieser Rebellionen, die sich zurzeit weltweit häufen und die wohl nur Vorboten dessen sind, was noch kommt.

Nahrung wird immer knapper, immer teurer, sie ist für viele Menschen schon unbezahlbar. Die reichsten 200 Individuen besitzen so viel Geld wie gut 40 Prozent der Weltbevölkerung. 850 Millionen Menschen aber müssen jeden Tag hungrig schlafen gehen. Dieses Elend sei "eine der schlimmsten Verletzungen der Menschenwürde", sagt der frühere Uno-Generalsekretär Kofi Annan.

Ist es verwunderlich, dass die Verzweiflung in Gewalt umschlägt?"(...)


(den letzten satz sollten wir uns alle sehr, sehr gut merken - um bei gelegenheit die amnesien unserer "eliten" und besonders ihrer medien damit zu beheben.)

und ein weiteres
mainstreamorgan sieht sich zu einem bemerkenswerten kommentar gezwungen:

(...)"Ägypten, Äthiopien, Bangladesh, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Madagaskar, Mauretanien, Kamerun, Indonesien, Philippinen, Senegal, Tunesien. Und nun Haiti. In der Dritten Welt ist eine Hungerrevolte ausgebrochen.(...)

Die Ursachen sind zum Teil hausgemacht: Korruption der herrschenden "Eliten", die Entwicklungshilfegelder in den eigenen Taschen verschwinden lassen, falsche Entwicklungskonzepte, welche die Agrarproduktion vernachlässigen."


auch wenn hier mal wieder nicht davon geredet wird, wer diese "eliten" eigentlich korrumpiert und welche interessen damit umgesetzt werden und ebenso unterschlagen wird, das die agrarproduktion in den allermeisten ländern des trikonts keinesfalls in eigener verantwortung betrieben werden kann (der kommentator hat wohl noch nie etwas von "monsanto" und co. gehört), so folgen doch ein paar grundsätzlich richtige einsichten:

Die Hauptgründe aber sind globaler Natur: Missernten werden vielfach durch die Auswirkungen des Klimawandels hervorgerufen. Die großen Industrienationen, namentlich die USA, aber auch Russland, China und Indien, sind nicht bereit, den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch zu senken. Der so genannte Emissionshandel ist ein Riesenschacher, der die armen Länder zwingt, die Zukunft ihrer natürlichen Umwelt auf dem Altar des Mammons der Reichen dieser Welt zu opfern.

Die ungleichen Austauschbedingungen tun ein Übriges. Trotz tendenziell steigender Rohstoffpreise wird das große Geschäft immer noch mit den Fertigprodukten gemacht, die in den entwickelten Staaten aus den Ressourcen der Dritten Welt gefertigt werden. Der Versuch der Industrienationen aus der Treibstofffalle herauszukommen hat erst wieder zu absurden Beschlüssen der EU-Umweltminister vom Wochenende im slowenischen Brdo geführt. Trotz der weltweit steigenden Nahrungsmittelpreise halten 27 Demokratien daran fest, anderen Völkern die Lebensgrundlage zu beschneiden."(...)


in der folge bekommt auch noch der iwf zumindest ein bißchen sein fett weg - insgesamt ist das immerhin ein anfang, etwas realistischer über die global erbärmlichen zustände zu berichten. aber wirklich interessant wird es hier erst werden, wenn das dreckessen da unten bspw. mit den
"suiziden" in folge der "hartz-gesetze" hier als die zusammengehörigen seiten der gleichen medaille verstanden werden, die sie real sind. und wenn endlich relevante teile der hiesigen bevölkerung(-en) im westen begreifen, dass ihre halluzinierte (und auch medial dauerproduzierte) angebliche "interessengleichheit" mit einer wirklich kleinen, antisozialen und schwerkriminellen minderheit selbsterklärter "eliten" letztlich zu ihrem eigenen untergang führen wird. wenn dieser tag irgendwann kommen sollte, werden die antisozialen erstaunt feststellen, dass sie ihr leben innerhalb einer als-ob-realität gefristet haben, die ihnen dann weder kampfroboter noch drohnen, weder schnüffeldatenbanken noch sonderkommandos erhalten werden.

und je schneller dieser tag kommt, umso besser.

*

ein paar stunden später noch ein notwendiger zusatz: die worte "halluziniert" und "interessengleichheit" oben laden allzu sehr zu mißverständnissen ein - die angesprochenen interessen sind für mich nicht in erster hinsicht ökonomische (obwohl die natürlich auch eine rolle spielen), eher geht es mir um die rolle der "eliten" als (ausagierende) repräsentanten sowie auch in gewisser hinsicht organisatoren von weit verbreiteten psychophysischen strukturen, die sowohl ein (partielles) überleben der einzelnen menschen in dieser gesellschaft als auch das funktionieren der herrschenden hierarchien ermöglichen - beides ist nicht als unabhängig, sondern als zutiefst ineinander verwoben zu verstehen. und beides ist langfristig absolut dysfunktional und letztlich tödlich - diese einsicht ist es, die zu verbreiten dringend nötig wäre.

und "halluzinieren" ist kein synonym für den alten (falschen) evergreen von den "verführten massen", sondern eher im klinischen sinne zu verstehen - für das eben angesprochene funktionieren arbeiten wir alle mehr oder weniger mit objektivistischen fiktionen und konstruktionen, deren extremformen u.a. halluzinationen bilden. das ist kein widerspruch zur feststellung, dass es tatsächlich bspw. mediale manipulationen gibt - aber auch die könnten nicht unbedingt so erfolgreich sein ohne eine komplementäre bereitschaft, sich manipulieren zu lassen.

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