Sonntag, 14. Dezember 2008

assoziation: "menschen sterben, und ihr schweigt - scheiben klirren, und ihr schreit" - von erlaubten und verbotenen gewalten

die parole in der überschrift habe ich das erste mal auf demonstrationen während der - fast vergessenen - unruhigen und bewegten jahre 1980/81 gehört, genauer nach dem tod von klaus-jürgen rattay im damaligen westberlin (details sind im verlinkten beitrag zu finden). damals war´s nicht nur in westdeutschland unruhig, sondern ebenso in holland, großbritannien, italien, der schweiz... - hausbesetzungen, anschläge, straßenunruhen, anti-akw-proteste und die startbahn west in frankfurt prägten ebenso wie die revolution in nicaragua und der guerillakrieg in el salvador eine länderübergreifende bewegung, deren stärke in ihrer vielschichtigkeit lag, die aber gleichzeitig viele - v.a. kulturelle - momente einer klassischen jugendbewegung nicht überschreiten konnte.

trotz aller militanz gab es in dieser zeit nichts vergleichbares analog zu den aktuellen griechischen unruhen, und das mag auch daran liegen, dass die gesellschaftlichen verhältnisse heute trotz aller scheinbaren erstarrung wesentlich instabiler geworden sind. die parole jedoch finde ich nach wie vor sehr treffend in ihrer kenntlichmachung des primats der dingwelt und ihrer gleichzeitigen impliziten benennung der ungeheuren heuchelei, die noch stets jeden "krawall" in der (medialen) öffentlichkeit begleitet hat, und so natürlich auch die ereignisse in griechenland.

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diese heuchelei löst in mir immer noch die gleiche (v)erbitterung aus, die ich als jugendlicher damals gespürt habe - anklagende zeigefinger auf ausgebrannte autos, kaputte schaufensterscheiben und verwüstete bankfilialien auf der einen seite, schweigen, ignoranz, schulterzucken und zustimmende passivität auf der anderen im angesicht von millionenfachen tod und elend durch den hunger, die kriege, die ökologische verwüstung sowie die zerstörung sozialer beziehungen und traumatisierungen planetenweit, die von der "besten aller welten" in gestalt der westlich-industriellen "zivilisation" bis heute ungebremst zur erhaltung des eigenen status quo verursacht werden. der ordentliche normale bürger, der sich wie ein schaf bösartig blökend die abgrundtief verlogenen postulate und bewertungen der "eliten" zu eigen macht und sich aus allem heraushält, was seine eigene friedhofsruhe stören könnte - zb. die verprügelten kinder in der wohnung nebenan -, alles als kriminelles chaos empfindet, was seinen eigenen pervertierten lebensinn bedrohen könnte - zb. kratzer im autolack -, und alles als unverschämte zumutung, was seine als-ob-freiheit des ungehinderten konsums in frage stellt, ist nach wie vor eine erbärmliche und dümmliche karikatur des menschseins, die sich in wahnhafter verkennung der realität dazu noch erdreistet, sich selbst für einen, wenn nicht den gipfelpunkt der schöpfung zu halten und dumpf "polizei" brüllt, wenn sich die realität in handfesten formen in seine simulationen und die erbittert verteidigte trance zu drängen droht. um diese spezies zu betrachten, reicht momentan ein blick in viele online-foren.

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solche leute, deren funktion in vielerlei hinsicht mit der metapher des nützlichen idioten der herrschenden mafiösen strukturen auf den punkt gebracht werden kann, haben ebenso keinerlei legitimation sich über gegengewalt zu beschweren, wie die "eliten", die für sich ganz selbstverständlich in anspuch nehmen, gewalt je nach bedarf und abgesichert von den von ihnen geschaffenen apparaten, instanzen und gesetzen beliebig einzusetzen. diesem anspruch dienen die mechanismen der demokratiesimulationen ebenso wie die einschüchternde präsenz von militär, polizei, geheimdiensten, justiz und gefängnissen. nein, nicht der eindämmung der vielfältig vorhandenen antisozialen gewalt in den sozialen beziehungen dienen diese einrichtungen - das ist eher eine zweitrangige symptombekämpfung von phänomenen, die in einer grundsätzlich durch gewalt strukturierten gesellschaft zwanghaft ständig produziert (und bis zu bestimmten grenzen in kauf genommen) werden, sondern primär dienen sie einzig und alleine dem machterhalt und der absicherung der vorhandenen hierarchien, die von den herrschenden "eliten" als existenzielles elixier, als der für sie einzig zählende "lebenssinn" innerhalb des nur quantifizieren könnenden objektivistischen modus´ gebraucht werden. da sie die folgen ihrer gewalt zu großen teilen nicht wahrnehmen können, existieren diese folgen für sie in einem umfassenden sinne auch nicht. was dazu führt, dass gewalt ständig nur unter strategischen und taktischen gesichtspunkten gesehen werden kann.

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aus diesen gründen habe ich
neulich das folgende fazit gezogen:

"und das macht meiner meinung auch sog. gewaltdebatten, jedenfalls in ihrer bisherigen form, ziemlich überflüssig."

das möchte ich im folgenden präzisieren:

wie ebenfalls im letzten beitrag schon geschrieben, respektiere ich gewaltlosigkeit als persönliche maxime und als ausdruck tiefgreifender biographisch-persönlicher erfahrungen absolut (wenn sie denn nicht blind ist gegenüber der systemimmanenten und -produzierten gewalt), sehe jedoch ein grundsätzliches problem darin, wenn aus dieser haltung heraus versucht wird, in gesellschaftliche prozesse einzugreifen. das problem liegt dabei in der wahrnehmungsbedingten und - eigentlich - grundsätzlich sinnvollen annahme, das mein menschliches gegenüber grundsätzlich gleich "tickt" (funktioniert) wie ich selbst.

ohne diese jeden tag unzählige male benutzte hypothese, die eigentlich eine art von grundsätzlichem vertrauensvorschuß darstellt, wäre die soziale menschliche welt, wären beziehungen aller art zwar vielleicht nicht unmöglich, würden sich jedoch tiefgreifend anders und v.a. komplizierter gestalten als eh schon.

diese gerade umschriebene annahme lässt sich als teil unserer aller psychophysischen grundausstattung ansehen, und wenn ich "alle" schreibe, meine ich in diesem fall auch alle, selbst die soziopathischen zeitgenossen, die meiner meinung nach mit der gleichen hypothese operieren. aber genau in letzterem zeigt sich bereits das erwähnte problem.

gewaltlosigkeit als ethisch-moralisch leitende matrix hinter gesellschaftlich-politischem engagement kann nur funktionieren, wenn das angesprochene gegenüber - also im normalfall die herrschende macht - , die in der demonstrativ gewaltfreien position enthaltenen angebote von offenheit, beziehung, verzicht auf verletzung u.a. auch als solche wahrnehmen, sprich sich davon berühren lassen kann. die idee hinter aktionen wie unterschriftensammlungen, petitionen, öffentlichen appellen, kundgebungen und menschenketten etc. geht unausgesprochen eben von dieser der anderen seite unterstellten fähigkeit aus: mitmenschliche kritik ernst zu nehmen, sich davon berühren zu lassen und gegebenenfalls konsequenzen für das eigene handeln zu ziehen.

ich fürchte allerdings, genau wegen dieser unterstellung bleibt die gewaltfreie aktion bis heute so offenkundig wirkungslos (zu ein paar immer wieder angeführten anscheinenden ausnahmen komme ich noch).

denn die ernsthafte frage, die sich stellt: was ist denn, wenn mein gegenüber die stillschweigend unterstellte gleichheit bzw. die benannten fähigkeiten gar nicht oder nur in verzerrten formen aufweist?

was ist denn, wenn mein gegenüber zu denjenigen gehören sollte, die aufgrund unserer verfluchten jahrtausendealten "tradition" von vielfältigster antisozialer gewalt bereits die strukturen und symptome von einer oder mehreren der im blog thematisierten beziehungskrankheiten aufweist, zu deren merkmalen es gehört, die selbst- und fremdwahrnehmung quantitativ und qualitativ in richtung objektivismus zu verschieben? wenn ich es gar mit einem durch die traumatischen gesellschaftlichen verhältnisse erzeugten psychophysischen quasi-mutanten zu tun habe, wie er sich in gestalt der strukturellen soziopathen am deutlichsten manifestiert?

in diesem fall wird die oben beschriebene sinnvolle annahme zu einem hochgefährlichen wahrnehmungsmässigen rohrkrepierer, und zwar gleich doppelt: einmal bleibe ich in einer realitätswidrigen illusion hängen, die im schlimmsten fall zu völlig falschen einschätzungen der realität mit der implikation der eigenen vernichtung führen kann, zum anderen bleibt aber auch das gegenüber in seiner objektivistischen konstruktion hängen, welche funktionsbedingt meine postulierte gewaltlosigkeit nun seinerseits nur als strategische heuchelei wahrnimmt - "der tickt so wie ich auch". eine fatale art der kompletten nicht-kommunikation, in der intentionen und motive beidseitig real nicht nur völlig aneinander vorbeirauschen, sondern auch schlicht aufgrund der beidseitigen unhinterfragten hypothese nicht wahrgenommen werden können. und in dieser konstallation bleibt diejenige seite sieger, die die größeren machtmittel incl. der nötigen skrupellosigkeit für ihren einsatz besitzt.

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der philosoph
günther anders hat das obige in einem bemerkenswerten interview mit seinem fiktiven selbst in folgenden worten ausgedrückt (der genannte minister friedrich zimmermann war ende der 80ger jahre bundesinnenminister unter kohl und galt als csu-hardliner):

Anders fiktiv: Der (zimmermann) hat (...) die Unterscheidung zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit verwischt. Laut `Welt´ hat er nämlich gesagt: `Auch gewaltloser Widerstand ist Gewalt. Und zwar deshalb, weil er Widerstand ist.´

Anders: Kurz, Widerstand als solcher ist gewalttätig. Eine schöne Gleichung (...)

Anders: (...)Und um noch einmal auf das schändliche Wort von Zimmermann zurückzukommen, auf dieses entrechtende, höhnende, lieblose, undemokratische und unchristliche Wort `gewaltloser Widerstand ist Gewalt, weil Widerstand´ - dieses `Weil´ ist in der Tat das niederträchtigste Weil, das ich je gehört habe. Nicht nur seine diktatorische Mentalität bezeugt Zimmermann durch diese Formel, er prahlt mit ihr geradezu. Statt aus seinem hätte sie glatt aus dem bellenden Mund Hitlers kommen können. Sie ist ein um 50 Jahre verspätetes Echo.

Soweit, glauben Sie, sind wir beinahe?

Das ist keine Sache des Glaubens. Wer wie Zimmermann verkündet, gewaltloser Widerstand sei, weil Widerstand, Gewalt, der versagt jedem Widerspruch sein Recht und macht dadurch jede freie Meinungsäußerung, jede Kritik an Maßnahmen der herrschenden Macht zur strafwürdigen Anmaßung. Und das ist das Ende jeder Freiheit. So würde z.B. jede noch so freundlich angebrachte Warnung vor Kriegsspielzeug verdächtig werden, sie sei eine als `christlich´ oder als `gewaltlos´ getarnte Gewaltaktion gegen die sogenannten `freiheitlichen Werte´. Natürlich gibt es zuweilen - das läßt sich nicht abstreiten - Fälle, in denen Freundlichen, die sich für offiziell nicht Gebotenes oder gar für amtlich Verbotenes direkt einsetzen, gewisse vorübergehende Erfolge beschieden sind. Aber in den Augen der Zimmermänner stehen eben Erfolge eigentlich nur den Machtinhabern zu. Und eigentlich (aber natürlich unausgesprochenerweise) dürfen Erfolge ausschließlich durch Drohung mit Gewalt (die Macht und dadurch Legitimität beweist) durchgesetzt werden. Was die erhobene und zuschlagende Hand des Establishments kann (und deshalb angeblich darf und soll), das darf der streichelnden nicht gestattet sein.

In den Augen der Zimmermänner ist Güte, die einzugreifen sucht (was ihr zuweilen sogar glückt), nichts als ein Trick. Und Sanftheit nichts als getarnte Gewalt. Jedes Schaf gilt ihnen als Wolf im Schafspelz - echte Schafe gibt es aus der Perspektive der Mächtigen nicht, und das bedeutet natürlich auch: Echte Christen sind in den Augen derer, die nur die Gewalt und der auf Gewalt beruhenden Macht Legitimation zuerkennen, eo ipso Heuchler. Daß das von den Zimmermännern niemals zugegeben werden würde, gehört zum Wesen der Zimmermänner. Und das die sich als `gewaltlos´tarnenden Wölfe im Schafspelz von den rechtschaffenen Wölfen (die, weil sie Machteigentümer sind, auch legitim das Gewaltmonopol besitzen), nicht geduldet werden können, das versteht sich von selbst.(...)

(auszüge aus "die zuspitzung 1: vom ende des pazifimus" in "günther anders - gewalt ja oder nein. eine notwendige diskussion" hrsg. manfred bissinger; münchen 1987; knaur; isbn 3-426-03893-5; s. 103, 106 - 107)


"jedes schaf gilt ihnen als wolf im schafspelz" - eine treffende metapher für die weiter oben beschriebene fatale psychophysische hypothese der grundsätzlichen gegenseitigen gleichheit. beispiele für diesen wahrnehmungsfehler lassen sich heute ebenso ohne probleme finden, besonders die immer wieder angeführte "menschliche natur" mit ihrer angeblich immanenten gier, gar mordlust, wurzelt in genau diesem fehler bei denjenigen, die damit ankommen. wie früher schon geschrieben: das ist ihre eigene projektion ihrer eigenen selbstwahrnehmung.

und aus diesem grund sind wir alle in den augen der paranoiden macht auch zwingend und notwendig tatsächlich verdächtig und müssen umfassenden kontroll- und überwachungsmaßnahmen unterworfen werden. und zwar ganz egal, ob und was wir real tun und lassen. schäuble ist ein würdiger nachfolger von zimmermann.

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das buch, aus dem ich gerade zitiert habe, ist eines, welches in der form heute womöglich gar nicht mehr erscheinen dürfte. der anlaß war ein interview des damaligen herausgebers der zeitschrift "natur" mit günther anders, in dem dieser einige aufsehenerregende gedanken zum weiteren weg des anti-atom-widerstands nach dem super-GAU von tschernobyl 1986 formulierte. gedanken, die zu einer breiten öffentlichen diskussion um die gewaltfrage führten, unter beteiligung sowohl der "natur"-leserInnenschaft als auch großer teile des damals noch existierenden milieus der (links-)liberalen intellektuellen der alten brd. darunter bspw. namen wie heinrich albertz, ingeborg drewitz, axel eggebrecht, erich kuby und etliche andere. ihren reaktionen ist im buch ein ganzes kapitel gewidmet, ein paar auszüge:

"Wer öffentlich zur Gewalt aufruft, soll selbst bereit sein, ins Feuer zu gehen. Das wird der von mir sehr ernstgenommene Günther Anders sicher nicht tun. Er trägt nun die Verantwortung dafür, daß sich jeder Terrorist auf ihn berufen kann.
Ich halte seinen Aufruf nicht nur für falsch, sondern für unverantwortlich. Ich werde mich weiter strikt an den Satz halten: "Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen." Das gilt für alle Seiten des mörderischen Konfliktes, in dem wir stehen." (Heinrich Albertz, S. 37)

"Gewalt gegen Sachen wird zu "Terrorismus" erklärt, um den vielfältigen, diffusen Widerstand treffen und kriminalisieren zu können zur Durchsetzung des von der Bevölkerung abgelehnten Atomprogramms. Ganz anders, wenn es um die Interessen der Großindustrie geht. Dann bleibt Gewalt gegen Sachen im Werte von vielen hundert Millionen und sogar Gewalt gegen Menschen unverfolgt oder ein Kavaliersdelikt. Die, die gleich tonnenweise und vorsätzlich Gift in den Rhein und damit in unser Trinkwasser schütten sitzen mit dem Minister am Konferenztisch und feilschen darüber, daß sie in Zukunft doch bitteschön freiwillig auf solche Gewalt verzichten.
Für die Regierenden ist offensichtlich nicht Gewalt gleich Gewalt. Es kommt für sie darauf an, wer in welchem Interesse das staatliche Gewaltmonopol verletzt. Es wird Zeit, daß die da oben ihr Verhältnis zur Gewalt überprüfen. Ihre Beteuerungen der Abscheu vor Gewalt klingen so unglaubhaft." (Hans-Christian Ströbele, S. 80f.)

"Gewalt ist nicht Gewalt. Es kommt darauf an, wer wann wo für welche Gewalt ist. Es ist etwas anderes, ob einer, der keine Gewalt hat (außer der sprachlichen) für Gewalt ist, so wie der ehrenwerte Günther Anders, ob ob einer wie der Staat, der vor Gewalttaten strotzt, Gewalt abzulehnen vorgibt." (Joseph von Westfalen, S. 85)


im kern war die reaktion der "promis" damals eindeutig ablehnend (die zitatauswahl oben ist nicht repräsentativ); etwas anders verhielt sich das bei den leserInnen:

"Es ist in der Geschichte der Menschheit noch nie gelungen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Versuche enden stets im vielfach gesteigerten Chaos und schwerstem Unglück." (Leonore E., Oberursel, S. 113)

"Seit Auschwitz sollte eigentlich allen endgültig klar sein, daß die Gewaltlosigkeit der Machtlosen nicht in der Lage ist, die Mächtigen von der amoralischen Ausübung der Gewalt abzuhalten." (Hans-Werner K., Frankfurt, S. 116)

"Die Alternative zu den nun leider wenigen wirkungsvollen Demonstrationen ist nicht automtatisch Gewalt, sondern eine nur durch menschliche Phantasie begrenzte Palette von Widerstand." (Thomas L., Sulzbach, S. 121)

"... was prinzipiell eher bedeutet, daß ich einem Gegner, der mich mit einem Tötungsgegenstand bedroht, doch zunächst einmal die Waffe aus der Hand schlage, anstatt den Menschen gleich umzuhauen." (Felicia M., Kassel, S. 122)

"Die tägliche kleine Sabotageaktion, angefangen von Kaufboykott bestimmter Produkte, über zubetonierte Abwasserrohre, bis hin zum umgeknickten Stormmast - vielfach, phantasievoll und unkontrollliert eingesetzt, gibt uns eine noch lange nicht ausgeschöpfte Kraft. ... Angst machen den Mächtigen nicht einige Gewaltaktionen, sonden die zunehmenden Sympathien hierfür in wachsenden Bevölkerungskreisen." (K. Lauer, Saarbrücken, S. 123)

"Da sitzen wir nun am Tisch, wir Gewaltlosen, schlagen natur auf und beginnen zu blättern. Wir sind zwar für Widerstand, aber gewaltlos muß er sein. ... Gewalt ist moralisch verwerflich und wird schwer bestraft. Außerdem provoziert man damit die Poizei, die einen dann verprügelt. Gewaltos wollen wir werden und gewaltlos auch dorthin kommen.

Doch dann das Gespräch mit Günther Anders über Notstand und Notwehr. Es macht uns neugierig und wir lesen. Was steht da?! Was spricht er da aus? Aber er spricht es aus! Ganz schön mutig, dafür kann man ins Zuchthaus kommen, neuerdings! - Wir meinen, in uns bewege sich etwas, oberhalb des Magens, und ein Kloß im Hals läßt uns den Kopf anheben, um zu schlucken. Ein seltsames Kribbeln durchströmt den Körper, als strahle ein warmer Hoffnungsschimmer auf die verkrämpfte Backe, und wir stellen fest, daß wir kaum zuvor einen Text so verschlungen haben.
Doch - Nein! - Nein, wie sind doch gegen Gewalt, keine Gewalt gegen Menschen und auch nicht gegen Sachen!. Wie kann man nur so etwas schreiben?!

Wir legen den Text weg, stehen auf und sehen zum Fenster raus: Die Fichten auf dem Hügel sind durchsichtiger denn je. Die Autos vor der Ampel unten machen einen Höllenlärm ... auf einem LKW erkennen wir den Schutt des alten Fachwerkhauses aus der Nachbarstraße ... Eine Frau an der Ampel schlägt ein Kind, weil es nicht bei Fuß bleiben will ...

Auf jeden Fall sind wir gegen Gewalt. Wir müssen nur noch zahlreicher auf die Straße! - Nein, nicht für Politiker oder die Bevölkerung, die uns sowieso nicht hören, sondern um Eindruck zu schinden beim großen Gewalo, Schutzpatron der Gewaltlosen, der hoffentilch bald zu uns kommt und zur Belohung die Atomkraft abschafft und die Raketen und vielleicht auch ein bißchen die Chemie-Industrie und ein paar Autos und ... und ... und ..." (Carl Christian R., Kirn, S. 127f.)

"Welches Verhängnis, wenn Menschen gutgläubig nachgeben, auf Gewalt verzichten, weil sie an die Gewaltlosigkeit glauben! Sie werden dann nur um so radikaler von der Gewalt überwunden!" (Steffen S., Mannheim, S. 130)


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Sie sehen schon, das die erwähnten gesellschaftlichen probleme den geist der 80er jahre atmen - jedoch im prinzip heute noch aktuell, wenn nicht verschärft und ergänzt sind um die entwicklungen seit dem 11.09.2001 und die heutigen umfassenden krisensymptome. das tabu, welches anders damals ankratzte, liest sich auf den kern gebracht folgendermaßen (und die im zentrum seiner argumentation stehende atomara bedrohung würde er wahrscheinlich heute noch mit der bio/gentechnologie, dem klimawandel und auch der wirtschaftskrise ergänzen):

""Keiner von denen - und ich sprech vor allem von Politikern, Generälen, Wissenschaftlern und Journalisten - keiner von denen, die die atomare Massenbedrohung oder den Massenmord vorbereiten, mit diesem drohen oder die Möglichkeit des Massenmordes durch sogenannte friedliche Atomanlagen mindestens in Kauf nehmen - keiner von denen darf mehr oder soll mehr seines Lebens sicher sein. Da sie uns pausenlos programmatisch und professionell in Angst versetzen, sollen nun endlich auch sie in Angst leben müssen. Die uns bedrohen, sollen von uns bedroht werden. Und nicht nur bedroht werden, sondern dadurch, daß wir unsere Drohungen hier und dort wahrmachen, eingeschüchtert, dadurch zu Einsicht gebracht und dadurch zur Umkehr veranlaßt werden. Damit am Ende niemand mehr bedroht sei, nicht wir und auch sie nicht. Ob uns das gelingt, ob wir durch unsere Gegenbedrohung die Gefährdung der Menschheit noch neutralisieren können, das weiß ich nicht. Aber daß wir das ohne unsere Gegendrohung nicht können, das weiß ich." (Charles Meunier* - meines wissens ein kanadischer künstler, anmerkg. mo)

*übersetzung durch günther anders am 28.9.1986, im buch auf s.89


weitere argumentationen aus dem interview von anders mit seinem fiktiven selbst:

"... Das Recht auf Notwehr tödlich Bedrohter und in jeder Sekunde Angreifbarer ist natürlich natürlich! Selbst das Naturrecht ...

Die Absage an Gewaltlosigkeit nennen Sie "Notwehr"?

Schon wieder dieses "Nennen"! Sie ist Notwehr! Und da die Bedrohung total und die mögliche Vernichtung global ist, hat unser Notwehr total und global zu werden. Zum Verteidigungskrieg aller Bedrohten. Und das heißt: aller Menschen heute und morgen." (s.91)

"Wir Atomgegner kämpfen also, wie gesagt, einen Verteidigungskampf gegen so enorme Bedroher, wie es deren nie zuvor gegeben hatte. Also haben wir das Recht, Gegengewalt auszuüben, obwohl hinter dieser keine "amtliche" und "rechtmäßige" Macht, also kein Staat, steht. Aber Notstand legitimiert Notwehr, Moral bricht Legalität. Diese Regel zweihundert Jahre nach Kant eigens zu begründen, erübrigt sich ja wohl." (s. 93)

"Happenings sind nicht genug!

(Befremdet:) Happenings! Dieser Vergleich überschreitet doch wohl ...

Nein. Gar nichts überschreitet er. Und ist auch nicht nur ein Vergleich. Gewaltlose Widerstandsaktionen ähneln nicht nur Happenings. Sie sind Happenings.

Und warum sind sie das?

Deshalb, weil Happinings verspielte Scheinakte sind und Als-Obs, die so tun, als seien sie mehr: nämlich wirkliche Aktionen oder mindestens Bastarde von Sein und Schein, von Ernst und Spiel." (s.98)

"Unsere Gewaltausübung darf immer nur als Verzweiflungsmittel, immer nur als Gegengewalt, immer nur als Provisorium eingesetzt werden." (s.102)

"Gewaltlosigkeit gegen Gewalt taugt nichts. Diejenigen, die die Vernichtung von Millionen Heutiger und Morgiger, also unsere endgültige Vernichtung vorbereiten oder mindestens in Kauf nehmen, die müssen verschwinden, die darf es nicht mehr geben." (s. 104)


na, harter tobak, oder? bevor sich hier einige bemüßigt fühlen sollten, in ihrer strukturellen obrigkeitshörigkeit zur nächsten polizeiwache zu rennen: informieren Sie sich vorsichthalber vorher darüber, wer günther anders war. und realisieren Sie, dass dieses buch bis heute "legal" gehandelt wird.

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es gibt natürlich etliche gute argumente gegen gewalt, und ich glaube, die meisten sind mir durchaus bekannt. am ernstesten davon nehme ich - bei ansicht des blogs wahrscheinlich nachvollziehbar - ihre potenziell traumatischen folgen bzw. die kreisläufe des traumas, die dringend unterbrochen werden müssen. was bedeutet, innerhalb der sozialen beziehungen gewalt klar und deutlich zu ächten!

aber: die sphären von macht und herrschaft bzw. diejenigen, die dort ihre psychophysischen defekte kompensieren und ausagieren, haben sich selbst zeitweise oder auf dauer aus diesen sozialen beziehungen ausgeschlossen und setzen dieselben sowie im weiteren die elementarsten überlebensbedingungen der gesamten spezies durch ihr fortgesetzt destruktives handeln unter permanent zunehmenden lebensgefährlichen druck. und deshalb kann die eben erwähnte maxime von der ächtung für sie nicht gelten! es geht dabei keinesfalls um grundsätzliche vernichtung, sondern um ihre unschädlichmachung - das verhindern ihres weiteren agierens. und da bin ich allerdings der gleichen meinung wie anders: das wird nicht ohne einen sorgfältig kontrollierten und abgewogenen einsatz von gewalt möglich sein.

als alternative sehe ich bisher einzig die option einer wirklich massenhaft getragenen sozialen isolierung der erwähnten elitären schichten. das würde bedeuten, die zusammen- oder eher zuarbeit für das und mit dem system auf allen nur denkbaren gebieten einfach einzustellen -> totale aufkündigung der loyalität. das aber wäre nur erreichbare, wenn sich die soziale trance soweit aufösen lassen würde, dass relevante teile der hiesigen bevölkerung zu einem schier unfassbaren psychophysischen entwicklungssprung in der lage wären bzw. diesen mit der gemeinten auflösung bereits beginnen würden. ob es diese möglichkeit gibt?

ghandi oder martin luther king werden meistens als beispiele für funktionierende gewaltlose widerstandshandlungen aufgeführt. ich würde ja sagen, bei ansicht der heutigen realitäten in den usa ist zu sehen, dass sich zwar einige symptome des rassismus dort abgeschwächt haben (obamas wahl mag dafür ein beispiel sein), jedoch strukturell viele schwarze nach wie vor die absolute arschkarte haben. und zu einer realistischen bewertung ghandis ist eine beschäftigung mit den damaligen speziellen bedingungen in indien ganz hilfreich, die er vorgefunden hat. die sind meiner meinung nach nicht übertragbar auf andere zeiten und räume.

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es gäbe noch viel zum thema zu sagen, aber ich möchte Ihnen einfach zum schluß einen
text aus dem heutigen griechenland mit auf den weg geben, der mit seiner - mich sehr berührenden - sprache für sich selbst spricht und dabei deutlich macht, dass die ganze sog. gewaltdebatte am ende wahrscheinlich etwas sekundäres ist. will sagen: die hauptarbeit gerade in einem land wie hier liegt aktuell darin, jetzt die deformierten und angegriffenen sozialen beziehungen zu heilen und diesen prozeß auf immer weitere kreise auszuweiten. und mit diesem unbescheidenem wunsch verabschiede ich mich für heute.

(...)"Morgen bricht ein Tag heran, und nichts wird mehr das Gleiche sein. Was kann befreiender sein als dies, nach so vielen Tagen der Gleichheit? Eine Kugel war nötig, um die brutale Abfolge dieser Identischen Tage zu durchbrechen. Der Mord an einem 15 jährigen Jungen war der Moment, in dem eine Loslösung statt fand, stark genug um die Welt auf den Kopf zu stellen. Eine Loslösung von dem warten auf andere Tage, zu einem Punkt, an dem so viele gleichzeitig dachten: „Das war es, kein Schritt weiter, alles muss sich ändern, und wir werden es verändern.“ Die Rache für den Tod von Alex, wurde zur Rache für jeden einzelnen Tag, gezwungen in dieser Welt aufzuwachen. Und was so schwierig schien, stellte sich als simpel heraus.

Dies ist was passierte, und was wir haben. Wenn uns etwas Angst macht, dann ist es die Rückkehr zur Normalität. In den Zerstörungen und Plünderungen unserer ach so heilen Städte sehen wie nicht nur das offensichtliche Resultat unserer Wut, sondern auch die Möglichkeit zu leben zu beginnen. Uns bleibt nichts anderes mehr zu tun, als uns zu installieren in der Möglichkeit und sie in ein lebendes Experiment umzuwandeln: Angefangen beim alltäglichen Leben, unserer Kreativität, der Macht unsere Wünsche zu materialisieren, der Macht die Wirklichkeit nicht zu betrachten, sondern zu konstruieren*. Dies ist unser lebenswichtiger Raum. Alles andere ist Tod.

Die die verstehen wollen, werden verstehen. Jetzt ist die Zeit, die unsichtbaren Zellen zu durchbrechen, die alle und jeden an ihre kleinen pathetischen Leben ketten. Und dies fordert nicht einzig oder notwendigerweise jemanden auf, eine Polizeistation anzugreiffen oder Einkaufszentren und Banken abzufackeln. Die Zeit sein Sofa zu verlassen, die passive Betrachtung des eigenen Lebens, und auf die Strasse zu gehen, um zu sprechen und zu hören, alles private hinter sich zu lassen, sich zu involvieren in die sozialen Beziehungen; die destabilisierende Kraft einer Atombombe. Und dies ist genau, da die Fixierung eines jeden (bis jetzt) auf seinen Mikrokosmos wie an die Anziehungskraft eines Atoms gebunden ist, die Kraft, welche die (kapitalistische) Welt umkehren wird. Das ist das Dilemma: Mit dem Aufständischen oder alleine. Und dies ist einer der wirklich wenigen Momente, in denen dieses Dilemma so Absolut und so Real sein kann."


(*hier würde ich gerne ersetzen: wahrnehmen und gestalten!)

Freitag, 12. Dezember 2008

notiz: krisennews und -gedanken (10)

weil ich weiterhin finde, dass die unruhen in griechenland teils deutlich den charakter einer sozialrevolte aufweisen, die sich trotz einiger dortiger innenpolitischer eigenheiten auch durch die weltwirtschaftskrise speist, bleiben diesbezgl. meldungen vorläufig in dieser reihe. mittlerweile verschwindet das thema gerade wieder aus den titelschlagzeilen und aufmachern des mainstreams, aber natürlich nicht aus der realität. und es deutet einiges darauf hin, dass es jetzt eigentlich erst wirklich beginnt, spannend zu werden. ein bericht aus einem weiteren neuen blog zu den unruhen, alexisg., der sich mit der situation in der stadt patras beschäftigt, macht das deutlich:

(...)"Am Donnerstag dem 11.12 um 19 Uhr begann eine Demo, die berühmte Demo, zu der wir den ganzen Tag über aufgerufen haben, eine Demo mit 6000 Leuten (eine Anzahl, die Patra noch nie zuvor gesehen hat) und eine komplett friedliche Demo. Nicht mal eine Nase blutete. Zusammen mit dem Schwarzen Block. Und mit den Polizei-“Robotern“, die uns in geringem Abstand gefolgt sind und den ganzen Weg über provoziert haben. Aber nichts ist passiert.

Deswegen wird über Patra nicht berichtet. Weil Patra bewiesen hat, dass Chaos sich mit der Ordnung anfreunden KANN. Wir haben gestern gewonnen. Jetzt wissen die Bürger Patras, dass wir nicht gegen sie sind. Sie haben uns gesehen, sie haben unsere Gesichter gesehen, sie haben sich der Demo angeschlossen. Und unser Poster für heute, das gerade gedruckt wird, sagt: „Auf diesen Straßen, in dieser Gesellschaft geschieht die Rebellion; es ist keine Utopie.“ Und ruft auf zu Streiks, Schul- und Universitätsbesetzungen, Demos und Gegeninformation.(...)

Wir werden versuchen, jetzt die Arbeiter zu erreichen. Ohne sie gibt es keinen Weg, den Kapitalismus an seiner Wurzel zu verletzen - der Produktion. Ohne die Arbeiter können sie uns töten, und das meine ich ernst."(...)


und dann kommt die unbekannte autorin auf ein element der unruhe zu sprechen, welches ich - aus ganz eigenen erfahrungen - für eines der wichtigsten prozesse in emanzipatorischen kämpfen überhaupt halte: das lernen in und an der realität, das lernen über die bedeutung und veränderung des eigenen seins IN einem kollektiven prozeß:

(...)"Weißt du, „Tu, was du nicht lassen kannst“ - das ist ein Motto, dass jeder a priori akzeptiert. Deswegen gibt es keinen Grund, zu versuchen, nett und höflich zu klingen mit den Ideen, die man vertritt. Jemanden anzubrüllen bedeutet nicht Disrespekt, es zeigt „es ist mir nicht egal, was du machst“ und es funktioniert.

Außerdem lerne ich der Spontaneität zu vertrauen. Das fühlt sich sehr wichtig an, weil es auch das Vertrauen unter Menschen verstärkt.

„Fuck the Police“ ist nicht der einzige Slogan. Es gibt noch viele mehr, jeden Tag werden neue erfunden, alte sind Klassiker wie „Die Leidenschaft für die Freiheit ist stärker als jeder Käfig“ oder „Bullen, Pressen, Neonazis arbeiten zusammen“ oder „Hey Leute, kommt schon, beugt nicht euren Kopf, der einzige Weg ist Widerstand und Kampf“ oder „Hey, ihr, die ihr am Rande steht, schließt euch an“ oder „Geschichte wird geschrieben durch Ungehorsamkeit“ …

Wie du sehen kannst, gibt es noch keine Slogans, die sich auf eine neue Gesellschaft beziehen. Es gibt noch keine Slogans, die von Sozialismus, Kommunismus, Anarchismus oder irgendeiner Alternative zum Kapitalismus sprechen. Es ist zu zeitig. Es ist noch viel Zeit, also lass uns einen Schritt nach dem nächsten machen. Jetzt erstmal ist es wichtig, zu beweisen, dass Veränderung passieren kann, dass Rebellion mehr als ein Traum sein kann, dass wir zusammen gegen das System kämpfen können, dass wir zusammen diskutieren, singen, spielen und lachen können, egal was unsere Ideologien sind. Wir mögen das System nicht. Und wir haben Ideen… verdammt viele Ideen."(...)


patras ist dazu - auch das erwähnt der obige bericht - diejenige stadt, in der es bisher die deutlichsten beweise für eine allianz in unheilvoller (und nicht nur griechischer) tradition gibt:
faschisten hand in hand mit der polizei als verteidiger des verrotteten systems. selbst für all diejenigen, welche die situation dort eher pessimistisch einschätzen, sollte das ein indiz dafür sein, dass es sich hier um eine authentische - und nicht bloß simulierte bzw. inszenierte - rebellion handelt. nazis aller coleur haben ein gutes gespür für alles, was für sie zur echten bedrohung werden kann.

solche töne aus patras wie oben mögen in den desillusionierten ohren allzu vieler wie töne aus einer anderen welt klingen, aber sie stehen nicht alleine -
o-töne aus athen:

(...)"Wir können sagen, dass einige Gebiete des Stadtzentrums eine gesicherte Selbstverwaltung besitzen, mit Sicherheit wird dort die Polizei nicht reingehen...

Freunde in aller Welt, wenn ihr eure Solidarität ausdrücken wollt, kämpft weiter in euren Ländern und verstärkt diese Kämpfe. Sie haben wirklich Angst vor uns glaubt uns, ihr könnte es euch nicht vorstellen, hier können wir es deutlich sehen. Die Wiederkehr der Revolte, wie wir sie in Büchern lesen konnten, besteht wirklich, wir könne es euch versichern, wir leben sie. Es ist wunderbar! In einer Nacht verstarb die „Realität“, die „Normalität“.. Bald wird es auch in euren Ländern passieren....

Macht Pläne, seid bereit!"


diese phase der revolte liest sich in den nachrichtenagenturen des mainstreams etwa so:

(...)"In der griechischen Protestbewegung vollzieht sich eine fast eine Woche nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen Jugendlichen ein Wandel: Mit täglichen Demonstrationen wollen Studenten und andere Gruppen eine Politikänderung bezüglich Ausgabenkürzungen, den Rücktritt des Innenministers und die Freilassung aller in den gewaltsamen Ausschreitungen seit vergangenen Samstag festgenommenen Personen erreichen. Am Freitag zogen rund 3.000 Demonstranten mit diesen Forderungen durch Athen, die Kundgebung blieb zunächst weitgehend friedlich.(...)

Demonstranten besetzten vorübergehend einen privaten Athener Radiosender und verlasen eine Erklärung. In der nordwestgriechischen Stadt Ioannina wurde eine Verwaltungsgebäude kurzzeitig besetzt, teilten die Behörden mit. Zunächst waren Demonstrationen vor allem Ausdruck der Empörung über den Tod des 15-jährigen Alexandros Grigoropolous am vergangenen Samstag. Es gab aber auch Unruhen in vielen griechischen Städten, bei denen Hunderte von Geschäften und Dutzende von Autos zerstört wurden. Über die Forderung nach Bestrafung der für die tödlichen Schüsse verantwortlichen Polizisten hinaus wurden bald auch zunehmend politische Forderungen erhoben. Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis wies die Forderungen nach Rücktritt und Neuwahl, die auch von der Opposition erhoben wurden, am Freitag zurück. «Was als ein Ausbruch der Empörung über die Tötung von Alexandros begann ist jetzt eine mehr organisierte Form des Protests», sagte Petros Constantinou, einer der Organisatoren und Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei."(...)


wobei natürlich die etablierten parteien und auch gewerkschaften alles dafür tun werden, die revolte in ihrem sinne zu organisieren. denn die im beitrag aus athen erwähnte angst ist auch die ihre, die inzwischen offen ausgesprochen wird:

(...)"Die Proteste sind inzwischen über die griechischen Grenzen hinausgegangen, in Dänemark, Italien und Spanien kam es auch zu Zwischenfällen mit Steinewerfern. Damit wächst die Sorge, die Proteste in Griechenland könnten für Globalisierungsgegner und von Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit betroffene Jugendliche in ganz Europa zum Beginn einer Rebellion werden."(...)

oder auf den punkt gebracht:
Griechische Unruhen alarmieren die Regierungen von Europa:

"Finanz- und Wirtschaftskrise haben genug sozialen Brennstoff angehäuft, dass jederzeit ein Funken gewaltsame Proteste wie in den vergangenen Tagen in griechischen Städten auslösen könnte.

Am Donnerstag flogen in Dänemark, Italien und Spanien Steine in Schaufensterscheiben und Banken. In Frankreich zogen Demonstranten vor das griechische Konsulat in Bordeaux und steckten Autos in Brand. An Wänden tauchten Graffiti mit der Ankündigung eines Aufstandes auf.

Am Freitag beteiligten sich in Italien Tausende an einem Generalstreik, der allerdings nichts mit dem Tod des griechischen Jugendlichen am vergangenen Samstag zu tun hatte. Und in Athen flogen nach einer zunächst friedlichen Kundgebung wieder Steine und Brandsätze.

So deutet inzwischen einiges darauf hin, dass die Rezession in Europa eine Massenbewegung gegen Sparmassnahmen und andere von Politik und Wirtschaft eingeleitete Gegenmassnahmen auslösen könnte. Das hat es in dieser Form jahrelang nicht mehr gegeben, die Durchschnittsbevölkerung hat die ihr auferlegten Bürden bislang getragen."(...)


und genau das ist das (überaus wünschenswerte und überfällige) szenario, für das mit aller wahrscheinlichkeit all die aufrüstung der inneren repression, überwachung und kontrolle im gesamten westen gedacht ist. millionen von potenziellen "terroristen", die aus der sicht der "eliten" auch nichts anderes sein können, weil für die ihr als "natürlich" empfundener anspruch auf macht und herrschaft tatsächlich ihr elementarstes inneres bedürfnis darstellt. quasi die einzig denkbare lebensform schwer gestörter personen. und jede negierung dieses anspruchs kann nur als tödliche bedrohung, mithin "terror", wahrgenommen werden. dabei ist es letztlich übrigens egal, ob diese negierung militant oder gewaltfrei daherkommt - die bewertung bleibt dieselbe, nur die reaktionen werden jeweils von verschiedenen taktischen und strategischen überlegungen bestimmt. wie in der vergangenheit hier schon oftmals ausgeführt: der objektivistische modus, der sich bei großen teilen der "eliten" in nahezu unverborgener form findet, kann nicht anders reagieren. und das macht meiner meinung auch sog. gewaltdebatten, jedenfalls in ihrer bisherigen form, ziemlich überflüssig. oder anders gesagt: soziopathische persönlichkeiten (die objektivste extremform sozusagen) lassen sich nur durch handfeste grenzen beeindrucken. alles andere können sie nur als "schwäche" wahrnehmen.

*

wir machen einen abstecher in den hohen norden, nach island - auch um dieses land ist es nach den für die dortigen verhältnisse ungeheuerlichen aktionen wie der versuchten stürmung einer polizeiwache sowie der zentralbank vor einigen wochen medial wieder ruhiger geworden. der zwanghaften logik der mainstreammedien entsprechend, die sich kollektive prozesse nur als verkappten ausdruck des handelns von "führungspersonen" ausmalen können, brachte die taz neulich ein
portrait eines solchen "kopfes" (fällt auch anderen dabei immer die hydra ein?) möglicherweise ist island aber auch von der bevölkerungszahl - mittlere großstadt - tatsächlich klein genug, damit solche personalisierungen zumindest teilweise sinn machen. unabhängig davon enthält der artikel einige interessante informationen:

(...)"Hördur Torfa, 63 Jahre alt, Sänger, Dichter und Regisseur, steht seit Anfang Oktober an der Spitze einer wachsenden Protestbewegung. "Diejenigen, die uns in diese prekäre Lage gebracht haben, wollen uns erzählen, das wird schon wieder alles. Aber wir glauben ihnen nicht mehr", sagt er.(...)

Torfa tritt für politische Erneuerung, für Neuwahlen ein. Die "Clique" soll endlich zurücktreten, fordern er und eine wachsende Zahl anderer Menschen: "Anfang Oktober waren wir nur fünf oder sieben Leute", erzählt er. "Jetzt sind es bis zu 7.000, die am Wochenende zu den Protesten kommen." 7.000 Teilnehmer, das klingt zunächst nicht sonderlich beeindruckend, doch bei der geringen Einwohnerzahl Islands sind es über 2 Prozent der Bevölkerung.(...)

Aufruhr auf den Straßen, fliegende Tomaten und Tränengas aus Polizeikanonen kennen viele Isländer nur aus Filmen. Es sind historische Zeiten. In Island gibt es nicht viele Waffen, das Land hatte nie eine eigene Armee. Schon im Jahr 1000 nach Christus beschlossen die Bewohner, Volksversammlungen einzuberufen und über wichtige Entscheidungen demokratisch abzustimmen, statt sich, wie in anderen Ländern damals und noch viele weitere Jahrhunderte lang üblich, der Tyrannei eines einzelnen Königs oder Häuptlings zu unterwerfen. Dafür genossen die gewählten Politiker auch stets ein recht hohes Ansehen und das Vertrauen der Bevölkerung. Bis vor Kurzem war es völlig normal, sie morgens in der Hauptstadt Reykjavík beim Bäcker zu treffen und eine kurze Unterhaltung zu führen. Inzwischen traut sich Premierminister Geir Haarde ohne Bodyguards nicht mehr aus dem Haus. Die guten alten Zeiten wünschen sich viele zurück."(...)


natürlich eine führungsfigur, die "strikt gegen gewalt" ist (was ich als persönliche und durch biographische erfahrungen erworbene maxime durchaus respektiere). und die "guten alten zeiten" sind nichts weiter als zeiten einer funktionierenden herrschaft. so unverhohlen wird systemstützung betrieben. es wird spannend sein zu verfolgen, was sich nicht nur in island im verlauf der weiteren krisenentwicklung an lern- und veränderungsprozessen tut. wieviele selbstbewusste menschen gibt es in europa? (denn nur die können grundsätzlich positive qualitative soziale veränderungen anstoßen und durchführen - sklaven von macht und herrschaft machen nicht nur keine revolutionen, sondern haben angst davor). und die antwort auf diese frage wird auch eine antwort auf die frage nach einer positiveren qualität des umgangs mit kindern in den europäischen gesellschaften innerhalb der letzten jahrzehnte sein.

*

ein update zu der in der letzten folge der krisennews erwähnten fabrikbesetzung in chicago: die
besetzung wurde erfolgreich beendet, erfolgreich jedenfalls aus der perspektive der belegschaft:

(...)"Die Aktion der Belegschaft von Republic in Chicago ist von Erfolg gekrönt: die staatlich extremsubventionierte Bank of America mußte nachgeben, dem Unternehmen wird der Kredit gewährt - zweckgebunden, ausschließlich zur Finanzierung der bestehenden Ansprüche der Belegschaft. Weitere Gelder sind vorhanden für die Gründung einer Stiftung der Belegschaft, die die Weiterexistenz des Unternehmens Republic betreiben soll."(...)

zu diesem ende dürften viele verschiedene dinge beigetragen haben - vermutlich ist neben der neulich schon erwähnten symbolkraft (im verlinkten text ist u.a. kurz erwähnt, dass diese besetzung und überhaupt die us-historie von fabrikbesetzungen unter dortigen gewerkschaftern stark diskutiert wird), auch die für alle öffentlichkeit erkennbar erbärmliche lage und position des kreditgebers, der "bank of america", mitverantwortlich für das schnelle einlenken. eine bank übrigens, die gerade
die streichung von bis zu 35.000 jobs ankündigte, und sich daher auch nicht in der lage befindet, irgendetwas zu fordern oder aussitzen zu können. nicht zuletzt dürfte die positionierung von obama eine rolle gespielt haben, und das wird er sich wahrscheinlich als glaubwürdigkeitspunkt bei vielen us-linksliberalen verbuchen können. wir werden sehen, ob diese verschüttete tradition in den usa in den nächsten monaten ein revival erfährt - womöglich in der autoindustrie?

Mittwoch, 10. Dezember 2008

notiz: krisennews und -gedanken (9)

heute nur in einer kurzfassung.

*

wenn die kreditkartenblase platzt... gestern in der mittagspause bei der tankstelle gegenüber eingekauft, und an der kasse ein schild folgenden inhaltes bestaunt:

"Wegen der aktuellen Wirtschaftslage akzeptieren wir ab sofort keine Kreditkarten von (es folgen zwei bekannte und "große" namen) mehr. Wir bitten um Ihr Verständnis"

*

das die aktuellen unruhen in griechenland in den letzten tagen den charakter einer sozialen revolte bekommen haben, hängt mit einiger wahrscheinlichkeit - wie im letzten beitrag skizziert - auch damit zusammen, dass tatsächlich die weltwirtschaftskrise derart verschärfend auf etliche "hausgemachte" griechische probleme wirkt, das sich das unbehagen in vielen bevölkerungsschichten in der jetzigen situation luft macht. genauer macht es
vassilis vassilikos in einem interview:

(...)"Also nicht nur die Finanzkrise?

„Die zählt mit Sicherheit auch zu den Ursachen, aber davor kommt noch der Immobilienskandal, in den das Kloster Vatopedi auf dem Berg Athos verwickelt ist. Und die gefälschten Prozesse, mit Richtern, die ihre Entscheidungen entsprechend den politischen Spielen ändern. Und der versuchte Selbstmord des dreisten Generaldirektors des Kultusministeriums, der die EU-Subventionen verwaltet und die Grundstücke in der Nähe der archäologischen Stätten zu Schleuderpreisen verscherbelt hat. Dann das Rentengesetz und der Beschluss der Regierung, 28 Milliarden Euro an Hilfsgeldern für die Banken bereitzustellen und nicht für die Menschen, die Probleme haben, sich Lebensmittel zu kaufen.“

Ist das also das Unterholz, das für den Brand bereit ist?

„Ja, die Griechen hatten seit langem die Neigung, sich zu erheben, aber es fehlte der Auslöser. Als sie ihn fanden, haben alle trockenen Zweige Feuer gefangen.“(...)


indymedia ist derzeitig bezgl. der situation in griechenland und ihrer folgen als informationsquelle sehr zu empfehlen, dazu kommen inzwischen blogs wie
tears and anger greece, in denen berichte direkt aus dem land u lesen sind. ich bin mir sicher, dass die weitere entwicklung weltweit sehr genau beobachtet wird - u.a. deswegen, weil sie auch in meinen augen tatsächlich eine art warnsignal für die herrschenden "eliten" darstellt.

*

ähnliches ließe sich auch von einer
fabrikbesetzung sagen, die in chicago stattfindet - ich setze mal die ganze erklärung rein:

"Am 5. Dezember haben etwa 250 Arbeiter_innen von "Republic Windows and Doors" in Chicago ihre Fabrik besetzt. Nach der offiziellen Schließung der Fabrik am selben Tag fordern sie ein Gespräch mit der Geschäftsführung und die Zahlung des Lohnes für die 60 Tage, die sie sonst Kündigungsschutz genossen hätten. Dieser Artikel ist eine Übersetzung ihrer Erklärung von bailoutpeople.org
"Wir senden diese Nachricht an alle Arbeiter_innen in Amerika. Wir werden den Kampf weiterführen und wir bitten um Eure unterstützung."
Vincente Rangel, United Electrical Workers Vertreter und Teilnehmer an der Besetzung

Etwa 250 Angestellte der Republic Windows and Doors Fabrik in Chicago, IL haben am Freitag den 5. Dezember, dem letzten vorgesehenen Arbeitstag vor der Schließung, mit einer Besetzung der Fabrik begonnen. Die Arbeiter_innen - Teil der United Electrical Workers Union Bezirk 1110 hatten zuvor nicht die rechtlich notwendige Mitteilung 60 Tage vor Schließung der Fabrik erhalten. Ausserdem sind das Management und die Besitzer der Fabrik nicht zu einem vereinbarten Treffen am 5. Dezember erschienen.

Die Arbeiter_innen haben beschlossen die Fabrik zu besetzen. Sie haben sich entschieden in der Fabrik zu bleiben bis sie zumindest den Lohn für 60 Tage erhalten haben. Die Besitzer sagen, dass sie die Fabrik schließen mussten, weil die Bank of America (BoA) sich weigerte ihren Kredit zu verlängern. Die BoA hat in den letzten drei Monaten Hunderte Milliarden Dollar an Geldern aus den staatlichen Rettungsprogrammen erhalten.

Diese Arbeiter_innen, die größtenteils Immigrant_inn_en mit latin@ Hintergrund sind haben einen mutigen Schritt unternommen, indem sie sich mit ihren Körpern in den Weg gestellt haben als Teil ihres Kampfes um das Recht ihre Familien zu ernähren und mit Respekt und Würde behandelt zu werden wie alle Menschen. Auf eine Art und Weise kämpfen sie für die Rechte aller Arbeiter_innen, die angegriffen werden - seien es Restaurantmitarbeiter_innen, öffentliche Angestellte oder Arbeiter_innen in der Automobilindustrie, die kämpfen um ihre Jobs und Gewerkschaften zu behalten.

Wir müssen sie unterstützen.

An alle - egal unter welchen Umständen - die wütend sind über die Massenentlassungen, Häuserräumungen und die wortwörtlichen Billionen von Dollar, die die Regierung ausgibt um Banken zu retten, während sie nichts gegen die Entlassungen und Räumungen tut, die die arme und arbeitende Bevölkerung betreffen:
Solidarisiert Euch mit diesen Arbeiter_innen in Chicago. Ihr könntet als nächstes dran sein.

Arbeit mit einem Lohn, der zum Leben reicht ist ein Grundrecht!

Ein Aufruf vom "Bail Out the People Movement"


nun, bei arbeitsplätzen in bereichen wie der autoindustrie tue ich mich wirklich schwer, solidarisch für deren erhalt zu sein - auch, wenn die frage immer noch offen ist, was denn eine alternative für die dort (und in anderen fragwürdigen produktionen) beschäftigten sein könnte. weiter wie bisher ist definitiv keine lösung.

ansonsten sind die forderungen natürlich völlig berechtigt und nachvollziehbar, und interessant ist, welche
öffentliche wirkung diese besetzung mittlerweile in den usa hat:

(...)"Inzwischen hat die Besetzung landesweit Aufmerksamkeit erregt, insbesondere seit sich Obama in einer öffentlichen Erklärung am vergangenen Sonntag hinter ihre Aktion gestellt hatte. Vor seinem Wahlsieg war der künftige US-Präsident Senator von Illinois und residierte in Chicago. Ohne Schnörkel forderte Obama Republic Windows and Doors auf, seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Beschäftigten nachzukommen und die ausstehenden Trennungs- und Urlaubsgelder zu zahlen. »Die Arbeiter verlangen nichts anderes als die Zahlungen, die sie verdient haben. Ich denke, daß sie vollkommen recht haben, mit dem was sie tun. Ich glaube, daß die Art, wie sie behandelt werden, symptomatisch für das ist, was derzeit überall in der Wirtschaft unseres Landes passiert«, sagte Obama. Daraufhin ließ die oberste Staatsanwältin des Bundesstaates, Lisa Madigan, umgehend eine Untersuchung gegen das Unternehmen einleiten, dessen Führung sich bis zu diesem Zeitpunkt in Schweigen gehüllt hatte.

Der Zorn der Fabrikbesetzer und ihrer Unterstützer richtet sich hauptsächlich gegen die teuren Rettungspakete für die Banken und Großkonzerne. Sie werfen der Regierung vor, daß das Los der einfachen Arbeiter ihr egal sei. Insgesamt haben die USA von Mai bis Oktober dieses Jahres 1,55 Million Arbeitsplätze verloren, soviel wie während der gesamten Rezession des Jahres 2001 zusammengenommen. Der große Schock kam dann im November, als 533333 US-Bürger arbeitslos wurden, fast doppelt soviel, wie Experten erwartet hatten."(...)


geht es Ihnen auch so, dass die zitierten sätze von obama als erste reaktion eine art grundlegender verblüffung auslösen? die frage ist natürlich: wie ernst meint er das? meint er das ernst? oder ist das eher eine raffinierte beruhigungspille, um entwicklungen im keim zu ersticken, die im folgenden umrissen werden:

(...)"Besorgt berichtete denn auch die New York Times am Montag über die Fabrikbesetzung in Chicago. Diese sei ein Zeichen dafür, daß der Unmut in der Bevölkerung über den Verlust der Arbeitsplätze »überkochen« könnte. Zu ihrer eigenen Überraschung sind die kämpfenden Beschäftigten von Republic Windows and Doors für Hunderttausende ihrer Kollegen landesweit zum Symbol geworden. Der schwarze Bürgerrechtler und ehemalige US-Präsidentschaftskandidat Jesse Jackson besuchte die besetzte Fabrik, brachte gebratene Truthähne und die Zusicherung der Unterstützung seiner lokalen Bürgerrechtsorganisation Rainbow/PUSH Coalition mit. Zugleich gab Jackson seiner Hoffnung Ausdruck, daß »dies endlich der Anfang eines langen Kampfes für die Rechte der Arbeiter ist«. Auch das Mitglied des US-Repräsentantenhauses, der Demokrat Jan Schakowsky aus Illinois, bezeichnete die Aktion als Beginn einer Bewegung, mit weltweiter Resonanz. Der stellvertretende Vorsitzende der lokalen Gewerkschaft, Melvin Maclin, der bei Republic Windows and Doors angestellt war, kann sich über so viel Zuspruch nur verwundert die Augen reiben. »Das hätten wir nie erwartet«, sagte er und fügte hinzu, »Statt dessen waren wir sicher, wir würden dafür ins Gefängnis gehen.«

Inzwischen hat die Firmenleitung erklärt, daß ihre Hausbank, die Bank of America, ihr plötzlich die Kredite gekündigt und das Unternehmen sogar angewiesen habe, den Angestellten keine Trennungsgelder zu zahlen. Da dieser Bankengigant vor wenigen Wochen eine staatliche Hilfe aus dem US-Rettungspaket für die Finanzwirtschaft von 25 Milliarden Dollar bekommen hatte, sind Gewerkschafter im ganzen Land aufgebracht und haben für Dienstag (Ortszeit) in Chicago zu einer Demonstration aufgerufen. Die großen Geldhäuser an der Wall Street lamentieren inzwischen über die »gefährliche Einmischung« des Staates in Geschäftsangelegenheiten."(...)


*

aber man muss nicht in us-amerikanische großstädte schauen, um anzeichen für interessante entwicklungen zu sehen - es reicht auch schon ein blick in die
norddeutsche pampa :

(...)"Die Metaller im ländlichen Schleswig-Holstein rebellieren. Am Freitag morgen besetzten die 100 Beschäftigten der Hohenlockstedter Walz- und Umformtechnik (HWU) ihr insolventes Werk im 6000-Einwohner-Ort Hohenlockstedt, stellten Feuertonnen auf und ketteten das Werkstor zu. Sie wollen damit verhindern, zum Jahresende vom Insolvenzverwalter Yvo Dengs vor die Tür gesetzt zu werden. »Es kann nicht angehen, daß Banken und Großkonzerne einen Schutzschirm bekommen, für die Beschäftigten der Automobilzulieferer jedoch die Arbeitslosigkeit in Kauf genommen wird«, erklärte der IG-Metall-Bevollmächtigte Uwe Zabel laut einem Bericht von NDR online."(...)

auch wenn ich mit diesem betrieb ein ähnliches problem wie oben erwähnt habe - als positive entwicklung lässt sich das selbst aktiv werden nicht genug schätzen. ebenso wie diese aktion der besetzenden belegschaft:

(...)"Die Hälfte der HWU-Belegschaft fuhr nach Beginn der Besetzung in die Kleinstadt Wedel vor den Toren Hamburgs. Dort streiken seit Montag die 150 Arbeiter und Angestellten der Medizintechnikfirma Möller-Wedel. Das Traditionsunternehmen war vor zwei Jahren nach dem Verkauf an die Schweizer Firma Haag-Streit aus dem Unternehmerverband Nordmetall ausgestiegen. Die IG Metall Unterelbe will mit einem zunächst auf drei Wochen angelegten Streik die Übernahme aller gültigen Metall-Tarifverträge durch Möller-Wedel erreichen.

Die Arbeiter bei Möller-Wedel zeigen Entschlossenheit. Selbst bei Schneetreiben harrten die Streikposten am Werkstor aus. IG-Metaller Zabel teilte mit, am Dienstag morgen hätten Streikbrecher versucht, »Rangeleien mit den Streikposten anzuzetteln« – doch die »Provokationen« seien »fehlgeschlagen«.(...)


neben allem anderen sind das auch schöne beispiele für nachrichten, die - vermutlich mit ausnahme einiger lokalmedien - in diesen tagen schlicht unterschlagen werden. insofern seien all diejenigen um verständnis gebeten, denen die "eigentlichen" blogthemen hier gerade zu kurz kommen. in meinen augen gibt es allerdings etliche anknüpfungspunkte, auch wenn diese gerade eher unsichtbar erscheinen.

Sonntag, 7. Dezember 2008

notiz: im schatten der (ökonomischen) krise... [update griechenland]

...geht so einiges an anderen meldungen unter, die auf den ersten blick nichts mit den gegenwärtigen zuständen zu tun zu haben scheinen, auf den zweiten blick jedoch strukturen deutlicher werden lassen, die auch in der herrschenden verrückten ökonomie begründet sind. nehmen wir zb. den hiesigen rassismus, speziell seine institutionalisierte form, und betrachten ein gerichtsurteil dieser woche, bei dem es um den tod eines schwarzen angeblichen kleindealers nach einer polizeilichen brechmittelvergabe ging:

(...)"Mit einem Freispruch endete am Donnerstag in Bremen der Prozess um den Brechmitteltod des Sierra-Leoners Laya Alama Condé. Das Landgericht war der Ansicht, dass dem Angeklagten Polizeiarzt Igor V. der Vorwurf der fahrlässigen Tötung nicht nachzuweisen ist. V. hatte dem Afrikaner im Dezember 2004 Brechmittel eingeflößt, weil Polizisten ihn verdächtigten, Kokainkügelchen verschluckt zu haben. Der 35-Jährige fiel ins Koma und starb wenige Tage später."(...)

bemerkenswert ist der grund für den freispruch:

(...)"In seiner Urteilsbegründung sagte der Kammervorsitzende Bernd Asbrock, der Angeklagte habe "objektiv gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen", etwa bei der Erstuntersuchung Condés. Auch hätten weder V. noch die Polizisten vor der Maßnahme einen Dolmetscher oder einen Richter gerufen. Vor allem aber hätte V. seine erste erzwungene Brechmittelvergabe viel früher beenden müssen. Condés Zustand war während der rund zweistündigen Maßnahme so kritisch geworden, dass ein Notarzt hinzugerufen werden musste. Doch nachdem das Rettungsteam Condé wieder stabilisiert hatte, flößte V. ihm weiter Wasser ein, damit er seinen Mageninhalt restlos hervorwürgte. "Wäre hier abgebrochen worden, hätte sich der Tod vermeiden lassen", sagte Asbrock."(...)

das klingt in den ohren von juristischen laien eigentlich eindeutig, oder? aber herrschendes recht hat bekanntlich mit gerechtigkeit nicht viel zu tun:

(...)"Für die Verurteilung war die eigentliche Todesursache jedoch nicht ausschlaggebend. Zwar habe sich V. "mehrerer objektiver Pflichtverletzungen" schuldig gemacht, die ursächlich für den Tod waren, so die Richter. Weil er dies aber wegen "mangelnder Ausbildung und Erfahrung mit Brechmittelvergaben subjektiv nicht erkennen" konnte, folgte die Kammer dem Antrag der Anklagebehörde."(...)

muss das noch kommentiert werden? wobei für mich das übel tiefer liegt, nämlich in der ganzen latent rassistischen struktur, die sich in den sog. sicherheitsbehörden immer wieder u.a. in solchen fällen bahn bricht.

und speziell bei diesem thema sollte ein inzwischen schon ein paar jahre altes urteil des europäischen gerichtshofes nicht vergessen werden - ich hatte damals den folgenden
auszug kurz kommentiert:

"Der Einsatz von Brechmitteln gegen Kleindealer verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Deutschland wurde deshalb gestern vom Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt. Der Brechmitteleinsatz sei eine "inhumane und erniedrigende Behandlung", entschieden die Richter mit 10 zu 6 Stimmen. Wenn der Staat auf diese Weise gewonnene Beweismittel im Strafprozess verwendet, verstoße dies gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Die Bundesrepublik muss dem Kläger Abu Bakah Jalloh jetzt 10.000 Euro Schmerzensgeld bezahlen."(...)


augenscheinlich scheint dieses urteil im aktuellen prozeß keine rolle gespielt zu haben, jedenfalls konnte ich diesbezgl. nichts finden.

*

und am morgigen montag werden wir mit einiger wahrscheinlichkeit zeugen eines weiteren urteils werden, dessen tenor jetzt schon medial zu
besichtigen ist:

(...)"Der langwierige Prozess um den Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle steht unmittelbar vor seinem Abschluss. Wie eine Sprecherin des Landgerichtes Dessau-Roßlau am Freitag betonte, soll das Verfahren gegen zwei Polizisten am Montag definitiv zum Abschluss gebracht werden.

Knapp vier Jahre nach dem Tod des Afrikaners wird das Ergebnis mit größter Spannung erwartet. Allerdings ist völlig unklar, ob überhaupt ein Urteil verkündet wird. Das Landgericht hatte die vergangenen beiden Termine für die Plädoyers kurzfristig abgesagt. Möglich ist auch, dass das Verfahren gegen einen oder beide Polizisten ganz oder teilweise eingestellt wird."(...)


ein mögliches ende, welches natürlich bei auffrischung der erinnerung an diese
geschichte zu erwarten war - ODER?

(...)"Nach einer durchfeierten Nacht vom 6. auf den 7. Januar 2005 spricht Oury Jalloh morgens gegen 8:00 Uhr stark betrunken zwei Putzfrauen der Dessauer Stadtreinigung an, um für ein Telefonat ein Handy zu erfragen. Der exakte Hergang dieser Konfrontation ist nicht rekonstruierbar. Allerdings fühlen sich die beiden Frauen belästigt und die Polizei wird gerufen. Diese kontrolliert Jalloh gegen 8:15 Uhr, verhaftet ihn unmittelbar und bringt ihn zum Dessauer Polizeirevier Wolfgangstraße. Der behandelnde Arzt im Revier untersucht ihn und erklärt ihn für „gewahrsamstauglich". Jalloh wird Blut abgenommen und schließlich in Zelle Nr. 5 gebracht. Gegen 12:00 Uhr bricht dort ein Feuer aus: Die Feuerwehr kann nur noch den verkohlten Leichnam von Oury Jalloh bergen. Bei 345 Grad Celsius hat er einen Hitzeschock erlitten, der sofort zu Atemstillstand und Herztod führte.

In den folgenden Tagen, Wochen und Monaten kommen Details über den Tod an die Öffentlichkeit, die viele Fragen aufwerfen: So war Oury Jalloh an Händen und Füßen gefesselt, die Zelle war gefliest und die Matratze, auf der er lag, war feuerfest. Zunächst wurden am Brandort auch keine Mittel gefunden, mit dem man ein Feuer hätte entzünden können. Erst später taucht auf einer Aservatenliste plötzlich ein Feuerzeug auf, obwohl bei der Durchsuchung von Oury Jalloh durch einen Polizisten keines gefunden worden war. Oury Jalloh wurde nicht visuell überwacht. Die Überwachung fand durch eine Gegensprechanlage statt, die von dem Dienstgruppenleiter leiser gestellt war. Als der Feueralarm ausbrach, wurde dieser mehrmals ignoriert und schließlich ausgestellt. Weitere Ermittlungen ergaben zudem, dass der Dienstgruppenleiter, der Arzt sowie zwei Polizisten direkt nach dem Brand rassistische Äußerungen gemacht haben. Da bei der ersten Obduktion des Leichnams auf Röntgenbilder verzichtet wurde, veranlassten Freunde von Oury Jalloh eine zweite Obduktion. Hier stellte sich ferner heraus, dass er einen Nasenbeinbruch erlitten hatte."(...)


die sog. rechtsfreien räume finden sich historisch und aktuell eigentlich immer nur innerhalb staatlicher institutionen. wobei für derartiges eine billigung bzw. tolerierung seitens breiterer bevölkerungsteile eine unverzichtbare voraussetzung ist. und eine solche autoritätshörigkeit und unterwerfungsbereitschaft gehört in diesem land bekanntlich traditionell zur staatsbürgerlichen grundausstattung.

*

was sich in anderen ländern nicht so krass verhält - in der letzten nacht ist es in griechenland zu (mindestens) einem
tödlichen schuss aus einer polizeilichen dienstwaffe gekommen...

(...)"Ein 37 Jahre alter Polizist, der den tödlichen Schuss abgegeben haben soll, bekräftigte, er habe lediglich drei Warnschüsse abgefeuert. Einer davon habe den Jugendlichen als Querschläger getroffen. Zuvor habe eine Gruppe Autonomer seinen Streifenwagen, in dem er zusammen mit einem Kollegen gesessen habe, mit Steinen und anderen Wurfgeschoßen angegriffen. Die beiden Beamten hätten versucht, die Randalierer festzunehmen, hieß es.

Nach Darstellung von Augenzeugen soll es jedoch nur zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den Autonomen und der Besatzung des Polizeiwagens gekommen sein. Anschließend habe der Polizist direkt in die Richtung des Burschen geschossen. "Es war kaltblütiger Mord", meinte ein Augenzeuge im Radio."(...)


...der nicht ohne folgen geblieben ist:



die genaueren umstände der schüsse werden hoffentlich in den nächsten tagen bekannt werden, jedoch ist jetzt schon absehbar, dass diese schüsse in der angespannten situation in griechenland wie benzin auf glut wirken werden - gesammelte informationen zum thema zb.
hier und hier:

(...)"Unruhen weiten sich auf das ganze Land aus

Während die Justiz ermittelt, gibt es weiteren Proteste auf der Straße, Medien sprechen schon nicht mehr nur von Jugendkrawallen. Auch im nordgriechischen Thessaloniki wurden fünf Banken beschädigt, ein Polizeirevier angegriffen und eine Straße blockiert. 2000 Demonstranten versammelten sich in der Innenstadt von Thessaloniki und zogen zum Sitz des Regionalministeriums. In Patras wurde ein Polizeirevier mit Brandsätzen angegriffen, es gab Ausschreitungen. In Komotini und Ioannina, ebenso wie auf der Mittelmeerinsel Kreta kam es zu Krawallen. In Heraklion entstand an drei Bankfilialen Schaden durch Brandsätze. Polizisten versuchten die Lage unter Kontrolle zu bringen, Tränengas wurde eingesetzt. Es sei die schlimmste Bürgerunruhe in Griechenland seit 25 Jahren schreibt die Presse. In Athen wurde in der Nacht ein Gebäude der polytechnischen Hochschule besetzt, die Fassadenfenster des Rathauses zerstört und auch andere Universitätsgebäude der Hauptstadt wurden okkupiert. Etwa 2000 Menschen gingen in die Polytechnische Fachhochschule, wo der Kampf gegen die Diktatur in den 60er angefangen hatte. Eine entscheidende Schwächung erfuhr dort damals die Junta am 17. November 1973 durch den Aufstand der Studenten, der unter Einsatz von Panzern brutal zusammengeschossen wurde und das Regime innerlich und äußerlich diskreditierte. Die Sicherheitskräfte sperrten das Stadtzentrum von Athen ab und gingen gegen die Protestierenden vor. Autonome und andere Gruppen haben für Sonntagnachmittag weitere Proteste angekündigt, mehrere Aktionen sollen im Laufe der nächsten Tage im Ausland vor den griechischen Botschaften stattfinden."


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edit am 08.12.:
drüben hat che die frage gestellt: Ist das der erste Aufstand im Zeichen der Bankenkrise? ich würde sagen, nicht nur, aber auch - ein sehr informatives posting bei indymedia macht einiges zu den hintergründen deutlich und erklärt die aktuelle wucht der unruhen:

(...)"Die Explosivität der derzeitigen Situation in Griechenland lässt sich nur verstehen, wenn man den tragischen Tod des Schülers vor dem Hintergrund der aktuellen politischen, ökonomischen und soziologischen Gegenwart Griechenlands betrachtet. Bisher vom Ausland weitgehend unbemerkt ist die Regierungspartei Nea Dimokratia mehr und mehr in eine Krise gestürzt, die den griechischen Staat in seinen Grundfesten erschüttert.(...)

Finanzminister Alogoskoufis ist dafür verantwortlich, dass die Staatsfinanzen brach liegen und staatliche Krankenhäuser wegen insgesamt einer Milliarde Euro Schulden aus nicht bezahlten Rechnungen nicht mehr beliefert werden. Der Staat ist einfach seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen. Damit nicht genug: Auch die klammen Sozialversicherungskassen bekommen keine Unterstützung. Selbst Sozialpflichtversicherte Arbeitnehmer müssen Medikamente und Ärzte zunächst privat bezahlen.

Griechische Schulkinder müssen derzeit als einzige in Europa während der Sekundarstufe durchgehend Nachhilfeschulen besuchen. Die Qualität der staatlichen Schulen ist zu schlecht.

Darüber hinaus leidet Griechenland an einer Teuerungsrate für die Grundversorgung, die in ganz Europa Ihresgleichen sucht. Die Banken, die trotz Rekordgewinnen eine staatliche Stütze von 28 Milliarden Euro erhalten, erhöhen die Zinsen für Privat- und Geschäftskunden, während gleichzeitig die europäische Zentralbank den Zinssatz senkt.

Die derart strapazierten Griechen befinden sich derzeit fast alle am Rand des wirtschaftlichen Ruins. Im Gegensatz zum übrigen Europa gibt es noch keine Signale von der Politik, die auf bessere Zeiten oder wenigstens eine kontrollierte Krise hoffen lassen. Im Gegenteil. Minister Alogoskoufis will eine Kopfsteuer einführen, die selbst Bürger unter der Armutsgrenze trifft. Demnach soll jeder Bürger Steuern zahlen, unabhängig davon ob er irgendwelche Einnahmen hat. Der gleiche Minister, der durch seine Unterschrift unter den Immobiliendeal mit den Mönchen den Staat um eine Milliardensumme geschädigt hat und den Banken einen weiteren Bonus verschafft hat.

Vor diesem Hintergrund, und mit dem Wissen, dass noch keine der für die oben genannten Skandale verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen wurde, muss man die bürgerkriegsähnlichen Zustände im heutigen Athen betrachten. Die Griechen haben ihr Vertrauen in Kirche, Regierung und Justiz verloren."(...)


und aktuell sieht es
heute morgen so aus:

(...)"Von Entwarnung könne jedoch nicht die Rede sein, hieß es. Aus Protest blieben am Montag alle Schulen geschlossen. "Viele Schüler haben die Gebäude besetzt. Wir Lehrer streiken für drei Tage", sagte der Präsident der Lehrergewerkschaft, Dimitris Bratis.

Für den Abend und die kommenden Tagen wurden neue Demonstrationen autonomer Gruppen gegen die Polizei angekündigt."(...)


und am mittwoch gibt es einen schon länger geplanten landesweiten streiktag...

Donnerstag, 4. Dezember 2008

kontext 47: tausend schläge = zwei morde ? [update]

auf die folgende geschichte bin ich dank dieses postings bei indymedia aufmerksam geworden, und der bzw. die unbekannte verfasserIn hat das mit folgenden worten eingeleitet:

"Täglich werden Kinder tausendfach geschlagen, vernachlässigt und misshandelt.

Sind ihren eigenen Eltern ausgeliefert und lebenslang verdonnert die Traumatisierer trotz der erlittenen Schmerzen zu ehren.
Die Gesellschaften schwingen in dieser Dynamik, ihre Kriege sind Auswüchse des in der Kindheit raus gepressten Mitgefühls. Später z.B. als Politiker und Unternehmerinnen kämpfen die EX-Kinder in ihrem Karrierewahn immer noch um die Gunst ihrer Mamas und Papas (und häufig mit ihren transgenerational weitergegebenen psychischen Problemen)."


und damit durchaus ein gutes stück realität beschrieben. eine realität, in der vor kurzem in den usa ein achtjähriger junge seinen vater und dessen freund erschoß - und damit für allgemeines
mediales rätselraten hinsichtlich seiner motive gesorgt hat. die frage ist nun: können all diese medien nicht recherchieren? wie kommt es, dass nirgendwo (jedenfalls in den von mir durchgesehenen artikeln) diese quelle aufgegriffen wird?

"An 8-year-old St. Johns boy charged with double-homicide may have kept a written record of spankings by his parents, vowing that the 1,000th would be his limit, according to a police records released Friday.

A search affidavit by Sgt. Lucas Rodriguez says the child "is believed to have made ledgers and or communicated in the form of writings about his intentions. (The boy) told a CPS . . . worker that when he reached one thousand spankings . . . that would be his limit. (The boy) kept a tally of his spankings on a piece of paper."(...)


mit anderen worten: dieser junge hat über die prügel seitens seiner eltern eine art statistik geführt, und den tausendsten an- und übergriff als absolute grenze begriffen - und dann eben nicht "nur" zurückgeschlagen (was aus seiner position auch keine option gegenüber ausgewachsenen männern gewesen sein dürfte), sondern -geschossen.

(...)"Dem Staatsanwalt zeigt er seine Aufzeichnungen über die tausend Schläge die er von seinen Eltern erhalten hatte.
Seine Großmutter sagte: "Sie waren zu hart zu dem Jungen".(...)


ich bin momentan aufgrund mir noch fehlender weiterer quellen nicht ganz sicher, ob ich diesem bericht vertrauen soll - andererseits wäre das geschilderte etwas, dessen brisanz auch in dieser gesellschaft durchaus für eine art selbstzensur bei den berichterstattern sorgen könnte. täter-opfer-dialektik und traumadynamik sind hier womöglich in ihren destruktiven wirkungen sozusagen hautnah zu begreifen. ich werde mal etwas weiter recherchieren.

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edit am 05.12.: das online nur noch ältere artikel zu der geschichte zu finden sind, dürfte damit zusammenhängen, dass der zuständige richter im november recht schnell eine
nachrichtensperre angeordnet hat, die im interesse des jungen zwar sehr verständlich ist...

(...)"Außerdem verhängte Roca eine Nachrichtensperre. Dem Achtjährigen wird vorgeworfen, in der vergangenen Woche seinen Vater und dessen Arbeitskollegen mit einem Jagdgewehr erschossen zu haben. Die Polizei geht von einer geplanten Tat aus und hat erklärt, der Junge habe die Morde gestanden. Auf der Suche nach einem Motiv wird auch häusliche Gewalt oder Missbrauch nicht ausgeschlossen. Nachbarn und Freunde beschrieben den 29-jährigen Vater jedoch als fürsorglich und liebevoll. "(...)

...aber bei mir jedoch auch zur frage geführt hat, ob und was für weitere motive seitens der behörden es dafür wohl geben mag. bei ansicht gerade der letzten aussage im obigen zitat hat sich bei mir der eindruck deutlich verstärkt, dass der hintergrund tatsächlich so wie eingangs geschildert aussieht - "nachbarn und freunde" sind immer sehr verdutzt, wenn sich der nette bursche von nebenan als gar nicht so nett entpuppt.

notiz: krisennews und -gedanken (8)

zunächst ein hinweis in eigener sache auf ein update des inzwischen schon älteren hinweises zum dokumentarfilm "der große ausverkauf" - den film gibt es im obigen beitrag jetzt zu sehen, und er ist meiner meinung nach eine hervorragende untermauerung und ergänzung der informationen zum aktuellen krisengeschehen.

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und für den neuen beitrag dieser reihe fange ich am besten damit an, die tendenz, die sich bereits in den letzten artikeln abgezeichnet hat, zu unterstreichen - stichwort krisenkaskade. nicht nur eine weltwirtschafts- , hunger- und energiekrise sind derzeitig zu bestaunen, sondern vor ein paar wochen hat sich über ein, zwei tage eine
meldung in den schlagzeilen gehalten, deren brisanz in der sog. öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt geblieben zu sein scheint:

(...)"Auf gerade einmal 2,40 Meter über dem Meeresspiegel kommt die höchste Erhebung des Inselstaats im Indischen Ozean. Die Erderwärmung und der steigende Meeresspiegel sind für die insgesamt 1192 Malediven-Inseln daher hochgefährlich.(...)

Mohammed Nasheed hat nun eine kühne Idee. Der erste demokratisch gewählte Präsident der Malediven plant nichts weniger als den Exodus seiner kompletten Republik - die Umsiedlung von rund 300.000 Insulanern aufs Festland. Die Milliardeneinnahmen aus dem Tourismus, so Nasheeds Vision, sollen künftig zumindest teilweise in den Kauf von Land fließen; flutsicheres Terrain, auf das die Malediver eines Tages flüchten können. "Wir können selber nichts machen, um den Klimawandel aufzuhalten", sagte der 41-Jährige, der am Dienstag sein Amt antreten soll, der Zeitung "Guardian". "Wir müssen daher woanders Land kaufen. Wir sichern uns so für den Notfall ab."(...)

Die Zukunftsängste der Malediver werfen ein Schlaglicht auf ein ungelöstes Problem: Welche Rechte haben Bürger, die durch den Klimawandel Grund und Boden verlieren? Was, wenn ganze Staaten verschwinden? Experten der United Nations University schätzen, dass bis 2050 mindestens 200 Millionen Menschen wegen zerstörter Umwelt ihre Heimat verlieren.

"Wir wollen die Malediven nicht verlassen, aber wir wollen auch nicht als Umweltflüchtlinge jahrzehntelang in Zelten leben müssen", so der frühere Menschenrechtsaktivist Nasheed"(...)


ich möchte hier nun keine debatte über die existenz des klimawandels führen, dazu gibt es an anderen stellen im netz genügend raum. ich persönlich finde mögliche destruktive auswirkungen der industriellen "zivilisation" sowohl auf das klima wie auch auf andere systeme der planetaren ökologie nicht nur nicht erstaunlich, sondern sowohl zu erwarten als auch sehr wahrscheinlich. und die sog. "skepsis" gegenüber wissenschaftlichen und institutionellen voraussagen bezgl. des klimas rührt für mich zumindest z.t. daher, dass so ziemlich alle "offiziellen" institutionen incl. "der politik" seit jahrzehnten in mehr oder weniger großem maße jeden tag ihre glaubwürdigkeit und legitimation in den augen immer mehr menschen verlieren, die dann dazu neigen, jede aussage aus dieser ecke mit grundsätzlichem misstrauen zu betrachten. was zwar verständlich ist, aber andererseits auch die eigene wahrnehmung in die irre führen kann.

jedenfalls halte ich klimaveränderungen in großem maßstab trotz aller kenntnis über die komplexität des weltklimas durchaus für etwas reales, und die obige meldung hat für mich gleichfalls den charakter eines menetekels. und die parole "kopf in den sand!" wird kein stück dabei helfen, mit den zukünftigen folgen u.a. in gestalt gewaltiger umweltbedingter flucht- und migrationsströme weltweit umzugehen. oder wollen wir warten, bis sich in gigantischen lagern und zeltstädten weltweit die betroffenen der diversen krisen in ihrer hoffnungs- und perspektivlosigkeit gegenseitig an den hals gehen? soziopathische "lösungen" geben sich zwar gerne als endlösungen aus, sind aber natürlich keine lösungen in egal welchem sinne.

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das obige sollte selbstverständlich auch beim aktuellen gejammer diverser autoindustrien im hinterkopf bleiben, ebenso beim täglich heruntergerasselten mantra "konsumiert gefälligst!", welches jetzt in d-land durch den vor ein paar wochen schon als gerücht herumgeisternden vorschlag, bevölkerungsweit einkaufsgutscheine zwecks päppelung der heiligen konsumkuh seitens der regierung auszugeben, einen höchst bizarren unterton erhalten hat. wenn jetzt ernsthaft solche aktionen erwogen werden, so war bereits damals mein spontaner erster gedanke, dann muss die scheiße ja inzwischen nicht nur am dampfen sein, sondern schon kurz vor explosion stehen. heute würde ich im zynismusmodus ja sagen, dass die einzig sinnvolle verwendung solcher gutscheine im kauf von überlebensrationen und waffen besteht... aber soweit bin ich persönlich dann doch (noch) nicht.

jedenfalls verzichte ich schon mal ohne dank präventiv auf derartigen unsinn, dessen eigentliche (und desaströse) aussage ein
user im tagesschauforum in wenigen sätzen auf den punkt gebracht hat:

"Was ich an diesem "Konsumgutschein" interessant finde, ist wie offen auf diese Weise unser Wirtschaftssystem als das entlarvt wird, was es ist...nämlich ein auf (möglichst) immer weiter ansteigendem Konsum basierendes System.

Ein System, in dem der Idealbürger offensichtlich jemand ist, der , wenn er nicht gerade fleissig arbeitet ( egal was er dabei macht..die Sinnfrage stellt sich gar nicht) , das erworbene Geld sofort wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückspült.

Ich frage mich, wie es in einem solchen System möglich sein soll "nachhaltig" zu wirtschaften. Wie soll ein System, das auf dem grenzenlosen Konsum basiert mit "weniger" auskommen? Weniger Müll? Weniger Umweltverschmutzung? Weniger Energieverbrauch? Unmöglich, wenn gleichzeitig "immer mehr" konsumiert werden muss."


und ich ergänze das mit dem auszug aus einem alten
kommentar meinerseits zum beitrag über die toten der hiesigen "sozialpolitik":

"egal, aus welcher perspektive ich mir die zustände auch betrachte: die "party" namens westlicher lebensstil ist zu ende. definitiv. jedes weitere aufschieben dieser einsicht und v.a. der daraus folgenden konsequenzen ist untrennbar verbunden mit einer täglich größer werdenden existenziellen gefährdung all dessen, was sich als unsere menschliche substanz begreifen ließe, ja inzwischen sogar der biologischen und ökologischen grundlagen unserer existenz.

und darum: totale aufkündigung der loyalität."


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als letzteres dürften u.a. die chinesischen "eliten" die ereignisse empfinden, von denen hier nur bruchstückhaft etwas bekannt wird - hatte ich die folgende
meldung vor ein paar tagen noch mit einiger skepsis betrachtet...

(...)"10 000e wütende Chinesen zogen, mit Äxten, Eisenketten oder Holzknüppeln bewaffnet durch das Zentrum von Longnan in Chinas nordwestlicher Provinz Gansu. Sie schlugen auf Polizeibeamte ein, setzten öffentliche Gebäude in Brand, plünderten Supermärkte und zertrümmerten Autos...

Ursache hierfür: Laut chinesischen Staats-Medien sind rund 67.000 klein- und mittelständische Unternehmen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres Pleite gegangen."(...)


...so wird heute auch an
anderer stelle ausführlich über die derzeitige lage der millionen chinesischer wanderarbeiterInnen in der eskalierenden krise berichtet:

"Eine Straße in einem trostlosen Fabrikviertel ist für Chinas Regierung zum Symbol einer neuen Bedrohung geworden. Die Wirtschaft leidet unter einer Exportflaute, die viele Arbeitsplätze kostet. Das Heer der Wanderarbeiter steht auf - deren Mut zum Protest stiftet andere Unzufriedene an.(...)

Nach 30 Jahren Aufschwung muss die Führung in Peking um die soziale Stabilität im Land bangen. Steigende Preise, Korruption und Willkür, leere Versprechungen der Partei - überall in diesem Land mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern gehen nun die Menschen auf die Straße. Mal formieren sich Taxifahrer in Chongqing zu einem Protestzug, mal stürmen von Umsiedlung bedrohte Bürger wie in der Stadt Longnan die Behörden.

Diese Meldungen gehen längst auch in China um. Und so tritt im fernen Peking zwei Tage nach der Randale in der Spielzeugfabrik Kader Zhang Ping vor die Presse, stellvertretend für Chinas Regierung. Ein bulliger Mann mit kantigem Scheitel, in dunklem Anzug, weißem Hemd, also ganz im alten Stil der Partei sitzt der Chef der mächtigen Entwicklungs- und Reformkommission auf einem Podest. Interessant an seinem Auftritt ist, was er außer den bekannten Wir-haben-alles-im-Griff-Parolen sagt. Zhang warnt. Man fürchte um den sozialen Frieden im Land. "Eine überhöhte Zahl von Pleiten und Produktionskürzungen wird zu massiver Arbeitslosigkeit führen und Unruhen schüren." Seine Sätze sind amtliche Beglaubigungen. Die Wut von Dongguan ist kein vereinzelter Protest irgendwo in der Provinz."(...)


es ist wirklich keine allzu gewagte prognose mehr zu sagen, dass wir in den nächsten monaten und jahren dinge miterleben werden müssen - und zwar mit einiger wahrscheinlichkeit auch am eigenen leib - , die uns wie ein alptraum vorkommen werden. ja, die manische party namens "kapitalismus" endet mit einem monströsen globalen kater, und nun geht´s ans aufräumen und an die frage, wer die rechnung bezahlen wird. an den zugrundliegenden soziopathischen leitbildern dieses systems jedoch wird noch kaum gekratzt.

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einen nachtrag zur letzten krisennews noch der vollständigkeit halber: telepolis mit einem
artikel zum eigenwilligen lettischen verständnis von redefreiheit in der krise.

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und von lettland ist es assoziationsmäßig nur ein klitzekleiner sprung zum baltic dry index, der inzwischen immer neue
rekorde des niedergangs aufstellt:

"Der Baltic Dry Index (BDI) zeigt mit seinem unglaublichen Absturz auf ein 22-Jahrestief, dass sich die Weltwirtschaft in Richtung auf eine schwere Depression zu bewegt oder sich bereits sogar schon in einer befindet!(...)

Die Brisanz welche in dem Absturz des BDIs liegt wird kaum erkannt. Hier entsteht ein nachhaltiger Schaden für den Welthandel und es deutet sich bei einem so akuten Schrumpfungsprozess als Folge auch eine nachhaltige Zerstörung von Produktionskapazitäten an!"


ich empfehle auch die dortigen kommentare, die teils infos enthalten, die die realen folgen dieser entwicklung illustrieren und deutlich machen.

Dienstag, 2. Dezember 2008

tv-tipp: heute ab 21.00 h auf arte, themenabend "die hungerkrise"

wer heute abend noch nichts vorhat bzw. mit den geplanten aktivitäten unzufrieden ist, sollte sich das nicht entgehen lassen:

(...)"Grundnahrungsmittel und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse erleben in der letzten Zeit weltweit rasante Preisanstiege. Der Themenabend forscht nach den Ursachen und dokumentiert, dass wieder einmal die ärmsten Länder der Welt am härtesten getroffen werden."(...)

Sonntag, 30. November 2008

notiz: krisennews und -gedanken (7) [update]

„Der Klassenkampf ist ein historischer Fakt, er wird von meiner Klasse, der Klasse der Reichen geführt und wir sind dabei ihn zu gewinnen“ (warren buffet, us-amerikanischer multimilliardär, in der new york times vom 26.11.2006)

"Der grösste Kredit, auf dem das Kapital gegenwärtig seine Herrschaft errichtet, ist weder seine ökonomische noch seine militärische Kraft. Es sind vielmehr die sich beharrlich reproduzierenden Fiktionen und Halluzinationen der Alltagscharaktere. Diese Krise mag fundamental sein, doch wenn wir gar nicht daran glauben, wird sie aber schön schauen, die Krise."
(franz schandl, österreichischer historiker und redakteur der zeitschrift
streifzüge)

"Jeder, der glaubt, dass exponentielles Wachstum für immer weitergehen kann in einer endlichen Welt, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom."
(kenneth e. boulding, us-amerikanischer ökonom und sozialwissenschaftler)


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mit den drei obigen zitaten sind wesentliche eckpunkte der derzeitigen situation meiner meinung nach sehr schön zugespitzt auf den punkt gebracht. und rund um diese drei punkte werden sich auch die einzelnen teile dieser neuen ausgabe der krisenreihe hier bewegen. ist es übrigens notwendig, noch zu erwähnen, warum ein blog, welches sich thematisch rund um den komplex beziehungskrankheiten und gesellschaft dreht, der aktuellen weltwirtschaftskrise so derart viel platz einräumt? auch die antwort(en) auf diese frage lassen sich in den obigen zitaten finden - von der frage nach der inneren strukturierung von leuten wie buffet über die (noch) systemtragenden "fiktionen und halluzinationen der alltagscharaktere" (ein treffendes synonym für das als-ob-leben) bis zur frage der grenzen, die uns jeweils individuell und kollektiv (als spezies) gesetzt sind, und ihrer wahrnehmung - so ziemlich alle zentralen parameter und bedingungen der sich weiter entfaltenden krise weisen bei näherer betrachtung auch immer - und ich finde: zwangsläufig - auf die jeweiligen psychophysischen und psychopathologischen eigenschaften der aktiven und auch der passiven protagonistInnen hin.

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wobei mich momentan das stichwort der passivität am meisten interessiert, und wie in den letzten folgen der reihe und auch gleich zu sehen sein wird, ist das eine haltung (bezogen auf relevante bevölkerungsmehrheiten), die zwar nicht nur in diesem land hier, aber gerade hier besonders ausgeprägt ist - und das macht die derzeitige situation nochmals fataler, als sie eh schon ist.

einiges von den möglichen gründen hatte ich schon im letzten
teil umschrieben, und ich möchte es nicht wiederholen. zuletzt beschäftigten mich diese gründe vor ein paar tagen in einer betriebsversammlung des kleinen mittelständischen unternehmens, in dem ich lohnarbeite, und zu der ein mitarbeiter der für uns zuständigen gewerkschaft eingeladen war, um etwas zur krise und der gewerkschaftssicht darauf zu erzählen. sinngemäß sagte der mann zu diesem speziellen punkt in etwa, dass er sich wundere und auch nicht verstehe, wie das alltagsleben noch so relativ normal weiterlaufen könnte. und führte das auf eine strategie der regierungspolitik zurück, viele der - zunächst noch - primär finanziellen belastungen der krise hintenrum und still und heimlich auf die bevölkerung abzuwälzen. bei betrachtung der ereignisse der letzten zwei bis drei monate sowie der medienberichterstattung ist das durchaus nachvollziehbar. andererseits gilt aber auch weiter, dass die entsprechende innere disposition dafür bei der zielgruppe auch vorhanden sein muss, sich quasi mit offiziellen beruhigungspillen auch abspeisen zu lassen bzw. lassen zu wollen. und das ist keinesfalls nicht nur eine frage der zweifellos größtenteils schönfärbenden berichte der mainstreammedien.

ansonsten gab´s auch aktuelle einschätzungen der geschäftsführung zu hören, die ich hier aus nachvollziehbaren gründen nicht detailliert wiedergeben werde. nur soviel: das kommende jahr 2009 wird auch auf basis der letzten quartalszahlen als problematisch und teils unkalkulierbar eingeschätzt - womit wir uns denn auch in den chor der immer lauter wehklagenden stimmen aus immer mehr bereichen der sog. realwirtschaft eingegliedert haben. und womit die krise dann für mich und die mitarbeiterInnen auch im ganz persönlichen leben angekommen ist, was durchaus kein angenehmes gefühl darstellt. die weiteren persönlichen und ans kollektive gebundenen perspektiven sind das eine, und schon diesbezgl. bin ich seit längerer zeit schwer beunruhigt. die ganz konkreten persönlichen aussichten jedoch, an denen bspw. auch die frage der eigenen reproduktion hängt, werden jetzt gleichfalls unsicher. und so bin ich unfreiwillig in die lage versetzt, das, was ich selbst konkret bezgl. dieser perspektiven wahrnehme oder eben auch nicht wahrnehme, wie eine art seismograph zu registrieren und daraus von fall zu fall auch trends zu schließen, die bei psychophysisch ähnlich strukturierten menschen gleichfalls auftreten könnten. das immerhin macht die situation aufgrund meiner allgemeinen neugier für mich noch erträglich. aber verschiedene ängste werden mehr und mehr thema.

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bei der erwähnten versammlung kam ganz zum ende auch die frage auf, warum wir (kollektiv als betrieb und individuell als konsumentInnen) zum teufel nochmal eigentlich so auf die frage des wachstums fixiert sind, wo doch genau dieser immerwährende und als quasi naturgesetzliche determinante verkaufte drang und zwang nach (materiellem) wachstum nicht nur eine der wesentlichen krisenursachen darstellt, sondern inzwischen allerorten als die angeblich einzige "lösung" präsentiert wird? richtige frage, gute frage, und ein paar gute antworten sind in der aktuellen taz zu
lesen, wo u.a. ausgeführt wird:

(...)"Denn nicht zu wenig Konsum ist das Problem der nationalen und internationalen Wirtschaft, sondern zu viel vom falschen. Erinnern wir uns: In den USA begann die Finanzkrise mit einem Kaufrausch im Immobiliensektor, der über ungesicherte Kredite finanziert war. Die zweite Schockwelle wird folgen, wenn ausfallende Kreditkartenschulden die globalen Märkte erfassen werden. Und dann geben auch noch die Staaten dem Wachstum zuliebe ihre nicht vorhandenen Gelder aus. So gehört nicht viel Fantasie dazu, die nächste Krise durch kollabierende öffentliche Haushalte kommen zu sehen. Wir merken: Jede dieser Krisen wird befeuert durch Konsum, den wir uns bei genauer Betrachtung gar nicht leisten können.

Klar, wer mit viel Geld spontanes Wachstum schafft, kann damit kurzfristig als Retter der Wirtschaft dastehen. Er mag sich über die Wahlperiode hinwegdilettieren. Doch dauerhaft wird er der Wirtschaft damit nicht helfen, sondern sie vielmehr ruinieren. Denn jede neue Krise nach dem Abflauen des provozierten Wachstums wird heftiger werden als die jeweilige zuvor.

Über kurz oder lang nämlich muss das materiell-quantitative Wachstum vor die Wand laufen. Zwangsläufig, denn die Grenzen des Wachstums sind in Sicht. Sie sind der entscheidende Auslöser des Bebens der Weltwirtschaft. Nun kann man zwar durchaus zu recht über die fehlende Kontrolle der Geldmärkte oder die Gier der Finanzakteure lamentieren, doch das sind Nebenschauplätze. Längst definieren die natürlichen Ressourcen das ökonomische Limit: Energie und Rohstoffe sind knapp. Jeder politische Wachstumsimpuls wird daher zur Folge haben, dass der Ölpreis wieder emporschnellt und so das Wachstum wieder abwürgt. Naturgesetze lassen sich eben nicht überlisten - selbst von Ökonomen nicht."(...)


yep, immer wieder nötig, zu wiederholen, dass wir es gerade nicht nur mit einer, sondern mit den dynamiken gleich mehrerer krisen zu tun haben, die sich gegenseitig beeinflussen - stichwort bspw.
peakoil. und vor diesem hintergrund neige ich immer mehr dazu anzunehmen, dass, selbst den fall vorausgesetzt, die "eliten" (deren instrumentell-objektivistische intelligenz und überlebensdrang niemand unterschätzen sollte!) und "ihr" system kriegen für dieses mal noch die kurve (was momentan durchaus fraglich erscheint), die gesamte menschliche welt in eine art kaskade von immer schneller aufeinanderfolgenden gesellschaftlichen und ökonomischen krisen gerät, über der immer greller die botschaft zu lesen sein wird:

(qualitative und grundsätzliche) individuelle und kollektive veränderung oder tod (bzw. ein zeitalter der barbarei, welches für die allermeisten von uns den letztgenannten bedeuten würde).

falls ich Ihnen damit jetzt gerade die stimmung versaue, tut´s mir ja leid - aber ich komme, egal wie ich das alles drehe und wende, zu keinem anderen, mir realistisch erscheinendem ergebnis.

*

schauen wir uns mal an, ob es möglich ist, anhand der entwicklung in ganz verschiedenen ländern bereits tendenzen in die eine oder andere der beiden oben genannten richtungen zu erkennen.

aus japan, dem land des
hikikomori, erreichen uns dieser tage nachrichten wie diese...

"Japans Industrie hat ihre Produktion kräftig gedrosselt. Damit mehren sich die Hinweise, dass die Rezession noch tiefgreifender wird als befürchtet. Im Oktober ging die Fertigung um 3,1 Prozent zurück. Das Verarbeitende Gewerbe wird deshalb im letzten Vierteljahr wohl im Rekordtempo um 8,6 Prozent schrumpfen. Exportstarken Firmen wie Toyota brechen die Aufträge weg. Das ist dramatisch, weil der Export die wesentliche Stütze der Wirtschaft ist. Manche Experten befürchten, dass Japan die längste konjunkturelle Durststrecke seiner Geschichte droht."(...)

...vor derem hintergrund dann infos wie der folgende
artikel, obwohl der inhalt mich teils schon überrascht hat, dann doch verständlicher werden:

"Nein zur Armut!", schallte es aus dem Megafon. "Steht auf und verändert die Gesellschaft!" Mit solchen Forderungen zogen kürzlich Tausende Japaner durch Tokio. Sie waren in diesem Jahr nicht allein: In mehr als 40 Städten gingen Menschen auf die Straße. Ihre Proteste richteten sich gegen die unsicheren Lebensverhältnisse im Land - und signalisierten ein neues Bewusstsein: Die sozialen Verlierer in Japan begehren auf und lassen sich nicht mehr länger als Versager abstempeln. "Ich bekomme kaum Arbeit und finde nur schwer eine Wohnung", beschwerte sich eine junge Frau. "Man sagt mir oft, ich sei dafür selbst verantwortlich. Aber das stimmt einfach nicht."(...)

Der 1929 verfasste Proletarier-Roman "Kanikosen" über die Ausbeutung von Arbeitern auf einem Krabbenfänger-Schiff entwickelt sich zu einem Bestseller. Mehr als eine halbe Million Exemplare wurden in diesem Jahr verkauft, weil sich viele Leser nach Ansicht des Verlages in den sklavenartigen Arbeitsbedingungen jener Zeit wiedererkennen. In den Buchläden stapeln sich anti-kapitalistische Werke. Das erfolgreichste Buch des Jahres - "Gieriger Kapitalismus und die Selbstzerstörung der Wall Street" von Hideki Mitani - wirft Japan vor, seine Unternehmenskultur auf dem Altar des angelsächsischen Kapitalismus geopfert zu haben. Im Dezember erscheint "Das Kapital" von Karl Marx erstmals als Manga.

Die Kommunistische Partei Japans gewann in weniger als einem Jahr mehr als zehntausend neue Mitglieder."(...)


neben der information, dass also auch in japan die fiktion des raffenden (aka "wall street") und schaffenden ("japanische unternehmenskultur") kapitalismus mit allen nationalistischen und faschistoiden untertönen gedeiht, finde ich vor den mir bekannten hintergründen der japanischen gesellschaft tatsächlich einen derart öffentlich werdenden protest, der sich gegen zentrale eigenarten des systems wendet, schwer bemerkenswert. die - teils religiös untermauerten - dortigen gesellschaftlichen hierarchien, deren erstickung aller tatsächlich authentischen individuellen regungen meiner meinung nach eben auch phänomene wie das hikikomori mit hervorbringt, grundsätzlich in frage zu stellen, dürfte für viele der dortigen menschen tatsächlich eine art revolutionären schritt darstellen. also genau das, was hierzulande bisher fast völlig fehlt.

*

die im letzten beitrag schon thematisierten zustände auf einer anderen insel, nämlich island, produzieren inzwischen ähnliche bilder, wie sie auch in spanien schon zu sehen waren - es wird
unruhig:

(...)"In der isländischen Hauptstadt ist es am Samstag zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.
Die Polizisten setzten Pfefferspray ein, einige der Protestierenden mussten mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Die Demonstranten hatten versucht, in eine Polizeiwache in Reykjavik einzudringen, wo sie einen seit Freitag dort festgehaltenen Mann befreien wollten.(...)

In Island ist es in den vergangenen Wochen zu zahlreichen Protesten gekommen, nachdem die Wirtschaft des Landes im Zuge der weltweiten Finanzkrise nahezu zusammengebrochen ist."(...)


und eine nötige
anmerkung dazu:

(...)"Dies mag für deutsche Ohren lächerlich klingen. In Island hingegen, wo man gar nichts anderes als friedliche Demonstrationen kennt (...), ist dies ein nie gekannter Gewaltausbruch.

die beiden berichte beziehen sich auf eine demonstration vom 22.11., aber wie einem weiteren
artikel zu entnehmen ist, bildet sich dort seit wochen eine tradition von samstagsdemonstrationen heraus:

"Wie auch an den Samstagen zuvor fand am 22. November eine große Demonstration vor dem Parlament in Reykjavik statt. Dieses mal kam es im Anschluss zu Auseinandersetzungen vor der Polizeistation. Die buntgemischte Demonstration unter Beteiligung von linken und anarchistischen Gruppen fordert den Rücktritt der Regierung unter der konservativen Unabhängigkeitspartei von Premierminister Haarde, welche für die neoliberale Politik der letzten Jahre, die in Island im Staatsbankrott gipfelte verantwortlich gemacht wird. Während der regelmäßigen Samstagsdemos flogen immer wieder Farbeier und Obst gegen das Regierungsgebäude.(...)

U.a. richtete sich der Protest auch gegen den IWF, welcher der Regierung kürzlich Kredit gewährte, aber auch gegen die enge Verknüpfung von Premierminister Haarde und dem Chef der Zentralbank David Oddson.
Insgesamt nahmen an der Demonstration letzten Samstag mehrere tausend Leute teil, was gemessen an der Gesamteinwohnerzahl Islands- 300 000 - einem Massenprotest gleichkommt."(...)


einen atmosphärischen eindruck von diesen demos lässt das folgende video zu:



leider existieren dafür keine übersetzungen, es wäre spannend zu hören, was dort im einzelnen gesagt wird.

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auch im brennpunkt usa sind die inzwischen wahrnehmbaren krisenfolgen für eine täglich größer werdende menge von menschen schlicht verheerend, wie nicht nur die allgemeinen
armutszahlen zeigen...

"Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise steigt nicht nur die Zahl der Arbeitslosen in den USA, auch die Zahl der Amerikaner, die auf Lebensmittelmarken (food stamps) angewiesen sind, nimmt wieder zu. Erwartet wird, dass erstmals seit der Flutkatastrophe durch den Wirbelsturm Katrina 2005, als kurzzeitig im November 2005 ein Höchststand von 29,8 Millionen erreicht wurde, mehr als 30 Millionen Menschen auf das Programm rekurrieren, das seit 1. Oktober unter dem angeblich weniger stigmatisierenden Namen Simplified Nutrition Assistance Program, abgekürzt SNAP, läuft."(...)

...sondern damit zusammenhängend auch die in den letzten beiträgen schon erwähnte persönliche katastrophe der obdachlosigkeit als eine mögliche armutsfolge, die aufgrund der us-spezifischen verhältnisse nicht selten gewaltsam tödlich enden kann, wie eine
meldung von anfang november zeigt:

(...)"In einem Obdachlosen-Lager bei Los Angeles sind fünf Personen einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Polizisten fanden die Leichen der zwei Frauen und drei Männer nach einem anonymen Hinweis am Sonntag in Long Beach.

Auf einige der Opfer sei mehrfach geschossen worden. Anwohner berichteten, sie hätten Sonntagmorgen mehrere Schüsse und lautes Schreien gehört.(...)

In der Gegend waren Obdachlose in den vergangenen Monaten immer wieder Opfer von Verbrechen geworden. Zuletzt wurde Ende September ein Obdachloser bei lebendigem Leibe angezündet und so getötet. In und um Los Angeles leben Schätzungen zufolge rund 73.000 Menschen ohne Dach über dem Kopf. "


wie schrieb ich weiter oben? veränderung oder tod/barbarei !

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und für all diejenigen, denen bei den verlautbarungen aus unseren spaß- und gute-launeministerien regelmässig die gesichtszüge entgleisen, hat wirtschaftsquerschuss wieder einmal die mühe auf sich genommen, die regierungsamtlichen fiktionen an der bösen realität platzen zu lassen -
Der deutsche Arbeitsmarkt im November 2008 macht deutlich, dass auch die eingangs erwähnte "hintenrum-strategie" in bälde ihr ende finden wird...und ob das ein ende mit wenig oder viel schrecken sein wird, bestimmen wir alle tag für tag mit.

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einen kleinen nachtrag habe ich noch vergessen - eine
geschichte aus lettland nämlich:

"Die Finanzkrise hält in Lettland nicht nur Politiker und Ökonomen in Atem, sondern auch die Sicherheitspolizei. Seit in der Baltenrepublik die Gerüchte über eine mögliche Abwertung des Lats nicht verstummen, geht die Sicherheitspolizei konsequent gegen jeden vor, der öffentlich eine Abwertung der Landeswährung anspricht oder gar dazu auffordert, Spareinlagen abzuheben. So wurde ein Dozent der Universität Ventspils Mitte November zwei Tage lang wegen des Vorwurfs festgehalten, er habe mit seinen Aussagen das lettische Finanzsystem destabilisiert."(...)

das absichern der offiziell angeordneten und erlaubten fiktionen mittels polizei & strafgesetzbuch - so sind sie, unsere demokratiesimulationen.

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edit am 03.12.: aus aktuellen anlässen einige nachträge - in island kam es gestern zu einer halbsymbolischen
stürmung der zentralbank:

(...)"Angesichts der desolaten wirtschaftlichen Lage platzt sogar den sonst so friedliebenden Isländern der Kragen. Am Montag sind mehrere hundert Demonstranten in die Isländische Zentralbank (Seðlabanki Íslands) eingedrungen. Zuerst schlug die Menge gegen die Glastür, später wurden die Menschen dann in das Gebäude hineingelassen. In der Lobby erklangen Protestlieder und sie skandierten "Weg mit David".

Mit "David" ist David Oddsson gemeint. Der isländische Notenbankchef machte als Ministerpräsident von 1991 bis 2004 den Inselstaat zu einem wirtschaftsliberalen Musterland. Oddsson privatisierte Banken, öffnete die Geldmärkte und ermöglichte so der Finanzbranche ein rasantes Wachstum. Nun kreiden die Isländer ihm den Absturz des Landes an."(...)




eine nachricht übrigens, die es das erste mal auch breiter in die hiesigen mainstreammedien schaffte.

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während hierzulande vor ein paar wochen die mitarbeiterInnen am hauptsitz der bayrischen landesbank in münchen für "ihren" vorstandsvorsitzenden demonstrierten - erinnern Sie sich? - , also genau den gleichen mann, der jetzt im zuge der verschärften krise dieser bank ein paar tausend entlassungen ankündigte - davon einen nicht geringen teil am hauptsitz in münchen. sollen wir das als ironische botschaft der geschichte betrachten? es ist eben sehr wahrscheinlich, dass etliche der damals demonstrierenden jetzt aus eben dem mund, vor den sie sich damals gestellt haben, ihre kündigung entgegengenommen haben. wenn das keine lernprozesse in gang bringt, was denn dann?

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und zum thema der obdachlosigkeit in den usa bzw. den zunehmenden angriffen auf obdachlose dort gibt´s jetzt einen ausführlichen
beitrag auf telepolis.

Freitag, 14. November 2008

notiz: krisennews und -gedanken (6)

zum beginn der heutigen folge zunächst ein kleines quiz - wer sagte die folgenden sehr aktuell klingenden worte bezgl. der verfassung großer teile der hiesigen bevölkerung...

"Sie lebt an sich selbst und ihrer Geschichte vorbei, die Bevölkerung der Bundesrepublik, uninformiert und unaufgeklärt, desorientiert, unentschieden zwischen BILD und RTL-News, im Bilde über "Deutschland sucht den Superstar" und die Bundesligaergebnisse, nicht über Finanzkrise und Überwachungsstaat. (...) 26 Jahre Kohl, Schröder und Merkel haben aus 80 Millionen Deutschen, Schreibern und Lesern, Politikern und Kommentatoren, Zuschauern und Produzenten an Fernsehschirm und Monitor ein Volk von Halbinformanden und Halbinformierten gemacht, von denen die einen nur die Hälfte dessen sagen, was sie wissen, von denen die anderen nur die Hälfte dessen erfahren, was sie brauchen; belastet mit Vorurteilen, umgeben von Tabus, eingeschnürt in Illusionen, so daß sie ihre eigenen Vorteile nicht mehr zu erkennen vermögen, ihre eigenen Interessen nicht mehr wahrzunehmen."

...und ihrer aktuellen regierung:

"Zu den Mitteln Großer-Koalitions-Politik gehören: die Verdrängung politischer Sachdiskussionen zugunsten von Personalfragen (!), die Unterordnung politischer Meinungsverschiedenheiten unter ein alle Personen ergreifendes Ziel. Was mit diesen Mitteln bewirkt wird, ist das, was man gemeinhin Entpolitisierung nennt. Die Politik der Großen Koalition zielt nicht auf eine regierungstreue Bevölkerung, sondern auf eine unpolitische. Regierungstreue stellt sich dann von selbst ein."

ich habe übrigens im ersten zitat insgesamt neun worte ausgewechselt / ersetzt, ohne jedoch den sinn zu entstellen. und klar sind das explizit politische kommentare, die gerade bei der beschäftigung mit "eigenen vorteilen" bzw. interessen der bevölkerung die vorhandene innere widersprüchlichkeit der als tendenziell nur "unterdrückt" bzw. "unbewusst" dargestellten interessen nicht berücksichtigen. trotzdem steckt da für mich einiges an realität dahinter, und besonders bemerkenswert daran ist - aber zur auflösung komme ich am schluß des beitrags.

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die benannte desorientierung und uninformiertheit vieler menschen hat zu einem guten teil auch damit etwas zu tun, wie dreist hier von sog. "führungspersönlichkeiten" aus politik & wirtschaft seit dem offenen "ausbruch" der krise gelogen wurde - hieß es vor ca. einem halben jahr noch "es gibt gar keine krise" bzw. " die krise ist ausgestanden" (so sinngemäß u.a. ackermann), ging es dann zur "krise als us-amerikanischem problem" (steinbrück), um inzwischen beim zugeständnis einer klitzekleinen rezession (diverse) gelandet zu sein - häppchenweise wird so das harmoniesüchtige und beruhigungswillige publikum an der kurzen leine im theater der illusionen und des als-ob geführt, auf das ja niemand auf die idee kommt, ernsthaft das nachdenken und -fühlen zu beginnen - denn wer dieses verpönte vorhaben angeht, kann längst nicht mehr über die allerorten leuchtenden roten lampen und gellenden alarmklingeln hinwegsehen und -hören. einige beispiele aus dieser kakofonie eines inzwischen täglich sichtbarer werdenden globalen (und nicht nur mehr primär ökonomischen) zusammenbruchs habe ich im folgenden zusammengestellt.

*

uninformiertheit bzw. der unwillen, überhaupt etwas von den laufenden destruktiven prozessen wahrzunehmen, dürfte neben der bereits früher thematisierten sozialen trance auch an der abstraktheit liegen, die gerade ökonomische vorgänge auszeichnet und es schwer machen, so etwas wie emotionale berührung zu empfinden. das ändert sich regelmässig erst dann, wenn die abstrakten zahlen - soundsoviel prozent mehr erwerbslose, mehr obdachlose, mehr armut - mit dem konkreten schicksal von betroffenen menschen in verbindung gebracht werden. zwei visualisierte beispiele dafür, wie sich die krise in den usa auswirkt:
der zerfall in ohio, dito in californien.

neben solchen krassen verelendungsprozessen sind die weiteren aussichten für die usa derart, dass obama tatsächlich nur scheitern kann - die
kreditkartenblase beginnt zu platzen...

(...)"Meldungen, wonach immer mehr Amerikaner ihre Kreditkartenschulden nicht begleichen, haben die Finanzbranche alarmiert. Etwa 900 Milliarden Dollar beträgt die Summe der ausstehenden Kredite.

Rund 5,5 Prozent davon sind faul und selbst optimistischen Prognosen zufolge werden es schon bald mehr als sieben Prozent sein. Das Problem: Anders als Hypotheken sind Kreditkartenschulden nicht mit Vermögen besichert. Jeder Ausfall bedeutet einen Totalverlust."(...)


...und das lässt sich zwar mit diversen buchungstricks (ein bereits bei anderen müllkrediten bewährtes staatlich eingeräumtes mittel der bankster) wie weitere stückelung der in raten zurückzuzahlenden schulden, verlängerung der ratenrückzahlung etc. verlangsamen, aber letztlich nicht verhindern. es wird zeit geschunden, um den ganz großen knall jeweils auf den nächsten tag, die nächste woche oder den nächsten monat zu verschieben - zeit, die die "eliten" gerade auch dringend nötig haben, die sich alle anderen aber eigentlich überhaupt nicht mehr leisten können. zu monströs sind die
paukenschläge der desillusionierung in der us-wirtschaft, um das eigentlich wünschenswerte und überfällige ende des globalen kapitalismus unter us-vorherrschaft nicht auch mit einer ordentlichen portion beunruhigung im bauch wahrzunehmen.

denn wer wird - und zwar nicht nur monetär - für all das in vielfältigster hinsicht bezahlen? naomi klein gab neulich nicht nur auf diese frage eine
mögliche antwort, sondern auch gründe für die oben erwähnte elitäre zeitschinderei an:

(...)"In Wahrheit hat überhaupt keine Verstaatlichung stattgefunden. Da die Steuerzahler keine Kontrolle über das Rettungspaket haben, können die Banken das Geld ausgeben, wie sie wollen (für Boni und Fusionierungen), während die Regierung nur höflich darum bitten kann, man möge doch einen Teil auch für die Kredite verwenden.

Was ist also der wahre Grund für die Bereitstellung des Rettungspaketes? Ich fürchte, dass es bei dem Fonds nicht um eine einmalige Finanzspritze an das Großunternehmertum geht, sondern vielmehr darum, die Staatskasse auf Jahre hinaus weiter plündern zu können.

Man darf nicht vergessen, dass die große Sorge der Global Player, besonders der Banken, nicht der fehlenden Kreditlinie, sondern ihren fallenden Aktienkursen gilt. Investoren haben das Vertrauen in die Banken verloren - und das aus gutem Grund. Darum ist die Investition der Staatskasse so willkommen."(...)


ein szenario, welches im kern - mit ein paar länderspezifischen kosmetischen korrekturen bzw. beruhigungspillen wie gehaltsobergrenzen u.ä. - auch für die europäischen staaten zutreffend sein dürfte.

*

aber immerhin bemerkenswert, dass die redaktion der frankfurter rundschau in der gleichen serie, innerhalb der naomi klein das obige verfasst hat, auch eine stimme derjenigen zu wort kommen lässt, die gerade in den kreisen von bankstern & managern vor jahrzehnten dafür sorgten, dass diese herren ihre häuser und autos zeitweise zu hochsicherheitstrakten umfunktionieren mussten - und die deshalb logischerweise auch bis heute - und aus sicht der "elite" verständlich - als eigentliches symbol für "den terrorismus" fungieren. und es wundert mich etwas, dass aus diesen kreisen noch kein empörter aufschrei mit inhalten wie "terroristisches gedankengut", "demokratiegefährdend" und was dergleichen phrasen mehr sind, zu vernehmen war - die ehemalige aktivistin der "bewegung 2. juni" und der raf,
inge viett, ruft zu nichts weniger als zur sozialen revolution auf:

(...)"Es gibt nur eine Lösung: die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die gesellschaftliche Planung von Produktion und Verteilung. Also die Enteignung der Großeigentümer. Also die soziale Revolution. Das Problem: Die Bevölkerung sieht das noch nicht, und die Linke traut sich nicht einmal, es zu sagen und noch viel weniger es praktisch zu organisieren.

Die objektiv potenziellen Gegner des Kapitalismus: die Lohnabhängigen, die Gewerkschaften, das gesamte linke Spektrum, sind auf die kapitalistische Krise nicht vorbereitet. Leider. Das Glück dabei: die faschistischen und potenziell faschistischen Kräfte sind es auch noch nicht."


und macht dabei aus meiner sicht den gleichen fehler, den ich auch beim eingangszitat konstatieren muss: die bevölkerung will mehrheitlich vielleicht auch gar nichts sehen; und die "objektiv potenziellen gegner" sind ebenfalls ein teil dieser bevölkerung, und damit den gleichen wahrnehmungsbeschränkungen unterworfen. wenn auch mit einigen schwer erarbeiteten größeren spielräumen bei den letzteren - die sog. radikale linke fängt besonders bei den schon langjährig ökonomiekritischen gruppen an, aus der starre zu erwachen. die zeitschrift wildcat kommt sowohl mit einem lesenswerten gesamtüberblick zur
globalen krise incl. berichten zu den aktuellen krisenfolgen in einzelnen staaten heraus als auch mit daran anschließenden 23 thesen, in denen sehr zu recht betont wird:

"Die Krise ist eine des kapitalistischen Weltsystems"

weitere ansätze zum besseren verständnis lassen sich bspw. auf seiten wie
krisis.org und exit-online finden. und das sind definitiv keine beruhigungspillen, die da verabreicht werden.

*

aber um zu direkten berichten aus einzelnen ländern zu gelangen, ist es z.zt. nicht mal nötig, speziell auf seiten wie die gerade genannten zurückzugreifen - selbst touristische sites wie zb. über
island sehen sich genötigt, ihr publikum mit ungewohnten einblicken in die realität zu konfrontieren:

(...)"Für die Isländer hat die Krise nun auch ganz konkrete Auswirkungen. Die Inflationsrate liegt mit 14% auf Rekordniveau. Preise für Obst und Gemüse sind in den vergangenen Monaten um fast 50% gestiegen. Viele Händler und Supermarktketten können keine Devisen mehr beschaffen, um dringend benötigte Waren im Ausland zu kaufen. Die Arbeitslosenquote stieg binnen Monatsfrist von 1,3% auf 2,4%, die Zahl ausländischer Arbeitskräfte halbierte sich im gleichen Zeitraum auf knapp unter 10.000. Die Baubranche kam praktisch zum erliegen."(...)

*

und wie Sie vielleicht wissen, setzt island in dieser situation voll auf den internationalen währungsfond (iwf), dessen unheilvolles treiben in der vergangenheit hier schon in einer der letzten folgen thema gewesen ist. und der iwf bleibt seiner linie konsequent treu, die da lautet:
streichungen, kürzungen, privatisierungen:

(...)"Dafür muss die Regierung in Kiew einem strikten Finanzplan folgen. Das bedeutet: Sozialleistungen einfrieren, Gaspreise erhöhen, Staatsunternehmen privatisieren und Subventionen abbauen. Die Banken werden schon seit Oktober streng reguliert.

Die Ukraine ist nach Island und Ungarn das dritte Land, das in Folge der Finanzkrise Hilfszusagen des IWF erhalten hat. Auch Pakistan hat schon angefragt. Weitere Länder könnten folgen. Spekuliert wird vor allem über Rumänien, das von der internationalen Ratingagentur Standard & Poors kürzlich in seiner Kreditwürdigkeit auf "junk" herabgestuft wurde, sowie Serbien, die Seychellen und Griechenland."(...)


natürlich gelten die genannten attribute immer nur für die jeweils breite masse, niemals aber für die leistungsträger - ob das womöglich damit zusammenhängt, dass der iwf letztlich nur ein instrument der letzteren darstellt? und deshalb auch ganz logischerweise eine "politik" des "mehr-desselben" fährt, nämlich mehr genau desselben, was in gestalt von deregulierungen, ausplünderung immer größerer bevölkerungsteile und hemmungsloser privatisierung zu einem großen teil die destruktive wucht der krise mit hervorgebracht hat. zu "reformieren" gibt´s an so einem verein nix mehr.

*

was macht eigentlich unser inzwischen schon alter bekannter, der baltic dry index, der einigen aufschluss über wichtige ströme des schiffsbasierten welthandels gibt? rischtisch, er
kriselt weiter so vor sich hin:

(...)""Die Lage ist sehr ernst", meint Jeremy Penn, Präsident der Baltic Exchange, welche die Daten zum BDI-Index ermittelt. "Frachtraten sind noch nie so steil gefallen. Der Welthandel mit Rohstoffen krankt vor allem an der Schwierigkeit Akkreditive von Banken zu erhalten."

Als Ursache für die wegbrechenden Frachtraten sind neben der wegbrechenden Nachfrage, also auch die mangelnden Akkreditive, eine Art Zahlungsversprechen der Bank eines Importeurs, für die Ware eines Exporteurs Zahlung zu leisten! Für die Zahlung muss der Importeur eine entsprechende Kreditlinie bei seiner Bank haben, diese werden aber gerade massiv gestrichen! Von den weltweit gehandelten Gütern im Volumen von 13,57 Billionen Dollar in 2007, wurden 90% auf Basis der Akkreditive abgewickelt."(...)


grunsätzlich hat sich also nichts an der weiterhin prekären situation geändert, und das macht - zumindest nach meinem verständnis - auch deutlich, dass ein immer wieder postuliertes vorrangiges ziel der sog. "rettungspakete", nämlich den interbankenhandel, an dem die kreditvergabe der banken untereinander und in der folge auch an die sog. realwirtschaft hängt, wieder ins laufen zu bringen, bisher glatt verfehlt wird. und vor diesem hintergrund bekommen naomi kleins argumente zur tatsächlichen verwendung der abermilliarden weiter oben nochmals gewicht.

*

aber nicht nur auf den ozeanen ist eine zunehmende leere zu beobachten, inzwischen sind auch die straßen betroffen. das legen zumindest die beiträge in einem
forum selbstständiger (lkw-)spediteure nahe, in denen sich - in etwas branchenbedingt esoterischer sprache - einträge wie bspw. die folgenden finden - auszüge:

(...)"Letzte Woche am Freitag hat ein Kollege fast 4 Stunden gesucht, bis er eine Ladung aus PLZ 4 nach PLZ 7 gefunden hat, die auch ordentlich bezahlt wurde. Ansonsten war da bis letzte Woche fast immer freie Auswahl angesagt.

Aktuell absolut tot auch auf der Relation Süd-D - Nord-D, da Exportladungen nach HH und HB zwar stockend laufen, aber alles andere fast zum Erliegen gekommen ist.
Daimler hat faktisch die 4-Tage-Woche eingeführt, sodaß freitags im Raum Stuttgart mehr als 100 Linien nicht bedient werden.....
Heute in Heilbronn im Hafen standen mind. 20 Sattelzüge aus TR, die teilweise schon seit Tagen auf Rückladung warten....(...)
Daimler stellt 63 Mio. @ bereit, um die Gefahr von drohenden kurzfristigen Händlerinsolvenzen vorübergehend zu bannen und den Händlern werbetechnisch und bei Vorführfahrzeugen unter die Arme zu greifen
Bosch arbeitet ab nächste Woche für 6 Monate in Bamberg kurz, weitere Werke werden folgen -> das große Zulieferersterben setzt ein.

Und die TU sind dann die nächsten....wir müssen uns ganz warm anziehen!"

(auf der ersten seite unten)


und zusammenfassend wird auf seite 11 ein medienbericht zitiert:

"Ertragslage bei den Verkehrs- und Logistikfirmen verschlechtert sich „dramatisch“
München. „Der Wirtschaftsbereich Verkehr und Logistik befindet sich derzeit am Rande einer Rezession“, heißt es in einem Bericht der Creditreform, der der VerkehrsRundschau vorliegt. Danach ist der Branchenindex Verkehr/Logistik im dritten Quartal um 3,5 Punkte auf 0,3 Punkte abgestürzt. Das war der schwerste Einbruch des Index seit dem Beginn der Berechnungen. Die Branche liegt in dieser Wertung mit Abstand auf dem letzten Platz von insgesamt elf analysierten Wirtschaftszweigen.

Laut dem Bericht erzielten lediglich 31,3 Prozent der Betriebe aus dem Sektor Verkehr und Logistik ein Umsatzplus. 21,5 Prozent der Unternehmen vermeldeten im dritten Quartal 2008 einen Umsatzrückgang. Die zukünftige Situation wird ebenfalls skeptisch beurteilt. 28,8 Prozent rechnen mit steigenden, nahezu gleich viele Unternehmen (27,5 Prozent) mit sinkenden Umsätzen.

Doch viel entscheidender: Die Gewinne stürzen ab. „In den zurückliegenden Monaten verschlechterte sich die Ertragslage in der Verkehrs- und Logistikwirtschaft dramatisch“, schreiben die Experten von Creditreform. Nur 15,9 Prozent der Logistikfirmen verzeichneten demnach Ertragssteigerungen. Bei 56 Prozent hingegen verschlechtern sich die Ertragszahlen."(...)


die dortigen teilnehmer berichten übrigens auch von leerer werdenden autobahnen in ländern wie spanien und italien.

*

bei den stichworten "spanien" und "autos" kam mir übrigens auch eine
meldung in erinnerung, die in den hiesigen medien bestimmt nicht zufällig bestenfalls unter "ferner liefen" rangierte - angst, dass das dargestellte schule machen könnte?

"Die Krise der Automobilindustrie hat in Spanien zu einem Gewaltausbruch geführt. In Barcelona griffen Nissan-Arbeiter den Verwaltungssitz des japanischen Autobauers an. Sie bewarfen das Gebäude mit Steinen, Eiern und Knallkörpern.

Zuvor hatten sich Hunderte Beschäftigte zu einem Protestmarsch versammelt, um gegen die von Nissan geplanten Stellenstreichungen zu demonstrieren. Wie Autobauer weltweit leidet auch Nissan unter dem Nachfrageeinbruch und will in Barcelona mehr als anderthalbtausend Arbeitsplätze abbauen. Außerdem soll die Produktion zurückgefahren werden."(...)




und ich wette, dass Sie von protesten ähnlichen kalibers anlässlich einer
werftenschließung in gijon gleichfalls nichts mitbekommen haben - oder?

*

aber es ist zugegebenermaßen inzwischen auch so gut wie unmöglich geworden, den tag für tag einströmenden krisennachrichten auch nur ansatzweise zu folgen, und in meinem kopf spukt seit ein paar tagen die idee herum, dass vielleicht ein neues - und kollektiv betriebenes - blog sinnvoll wäre, welches sich nur darauf konzentriert, entsprechende informationen zu sammeln und zu verbreiten. alleine diese arbeit ist immens, aber nötig, weil wir davon ausgehen müssen, dass im weiteren verlauf eskalierende soziale unruhen aller art konsequent medial zensiert werden. wie sehen Sie da draußen das?

*

tja, und gerade die leerer werdenden autobahnen sind durchaus ein symbol für die zwiespältigkeit der ganzen geschichte, die ich in den letzten beiträgen dieser reihe schon thematisiert habe. es bleibt dabei, dass ich viele wirkungen der krise durchaus für wünschenswert halte, gerade was einen auf vielfältige weise und zwangsläufig zurückgehenden konsum anbelangt, an dessen durchweg negativen begleiterscheinungen wir uns über die jahrzehnte angewöhnt haben, konsequent vorbeizuschauen. andererseits fehlt natürlich weiterhin eine grundsätzliche alternative, was nur den schluß zulässt, dass es jetzt und hier an der zeit ist, eine eben solche zu entwickeln. ja, ich bin ganz unbescheiden. und lege noch eine phrase aus dem depot des positiven denkens nach: "es ist notwendig, daher ist es möglich". gefällt mir in situationen wie diesen immer wieder ganz gut.

*

von wem die zitate am anfang denn nun sind? nun, die schrieb eine kolumnistin der zeitschrift "konkret" jeweils 1964 und 1966. ihr name war ulrike meinhof, und bemerkenswert finde ich die fast schon unheimliche kontinuität bezgl. der inneren verfassung großer bevölkerungsteile hier, die es möglich macht, über 40 jahre später die zitate als aktuell treffend zu empfinden. das sagt auch viel über die "alte brd" aus, der heutzutage so einige immer noch hinterhertrauern. und es sagt keinesfalls etwas gutes aus.

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