(...)"Der Angestellte der Sicherheitsfirma, der am Eingang der Deutschen Bank am Marienplatz steht, überblickt nicht nur das Gewusel in der Filiale. Seine Firma macht Sicherheitslogistik für Filialen mehrerer Banken in München, und er sagt: „Es wird vermehrt abgehoben. Das ist in allen Filialen so.“ Und bekräftigt: „Die Leute heben große Mengen Geld ab.“(...)
diese info zitierte ich anfang oktober, genauer am 7.10. nun kommt eine artbestätigungdafür, die schlaglichtartig einiges deutlicher werden lässt:
(...)"Die Rede ist von Kernschmelze, Flächenbrand, Abgrund. Ist es wirklich so schlimm? Michael Best, Leiter der ARD-Börsenredaktion, erinnert sich: "Ende September, Anfang Oktober wurden die 500-Euro-Scheine knapp. In der Schweiz begannen sie 1000-Franken-Scheine nachzudrucken." Bis am 5. Oktober die Bundesregierung die improvisierte Erklärung abgibt und alle Spareinlagen der Bürger im Wert von 1500 Milliarden Euro garantiert. "Das half und zwar sofort", sagt Best.
In Windeseile schnürt die Bundesregierung ein Multimilliarden-Rettungspaket für die Banken, die Parlamentarier beraten die Nacht durch. Eile ist geboten, eine deutsche Großbank, die Hypo Real Estate, ist im freien Fall. "Wir standen am Abgrund, vor dem Kollaps der Geldwirtschaft. Ein paar Tage noch und man hätte keine Geldscheine mehr aus dem Automaten bekommen", sagt Best. "Nur der Staat konnte noch helfen und die Notenbanken."(...)
diese worte lassen all das gerede der notorischen optimisten und schönfärber erstens als die durchhalteparolen kenntlich werden, die sie sind.
zweitens, und das halte ich für bedeutsamer: es bleibt tatsächlich nur der schluß zu ziehen, dass ein - "rechtlich", also juristisch, völlig irrelevantes - versprechen seitens der regierung, dessen einlösung real den staat an seine finanziellen grenzen führen würde, als massensedierung gewirkt hat - letztlich eine art der fiktion, die auf reinem glauben beruht. das nun bestätigt aus meiner sicht etliches, was ich in den krisennews zum psychophysischen zustand eines großteils der hiesigen bevölkerung angesichts der krise geschrieben habe.
drittens aber: was unterscheidet die heutige ökonomische situation eigentlich qualitativ von der damaligen? der fortgang des allgemeinen geldverkehrs mag vorläufig gewährleistet sein, und wenn man sich klar macht, das ein (massiver) bank run als wahrscheinlichste folge einen sofortigen zusammenbruch des finanzsystems nach sich ziehen würde, ist die strategie der "eliten" vom oktober schon klar - das zumindest musste aus deren sicht auf alle fälle verhindert werden. ich sehe hingegen nicht, dass sich die ökonomischen fundamentaldaten grundsätzlich verändert haben, d.h., veränderung ist schon zu beobachten, aber fast durchgängignegativer art - zumindest aus systemstützenden perspektiven.
viertens: ganz offensichtlich haben damals die (mainstream-)medien bei der verschleierung der tatsächlichen lage mehrheitlich mitgeholfen. das mögen nun einige wieder als "politische verantwortung" oder ähnlichen phrasen sogar positiv bewerten. ich werte es hingegen als weiteres zeichen dafür, dass sich die sog. "vierte gewalt" im zweifelsfall immer an der seite der macht wiederfindet. was zwar auch keine neue erkenntnis darstellt, aber eine, die permanenter wiederholung bedarf.
mein vorläufiges fazit insgesamt: es besteht absolut kein grund mehr dazu, den (regierungs-)offiziellen politischen statements zur krise auch nur ansatzweise über den weg zu trauen. vor allem dann nicht, wenn sie die fiktion von "es-ist-alles-in-bester-ordnung" verbreiten.
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nachtrag/edit am 31.01.09: zeitlich perfekt passt das indiesembeitrag erwähnte treffen von regierung und mainstreampresse ins szenario, welches am 08.10. stattgefunden haben soll - und die presse ist der "bitte" augenscheinlich nachgekommen, natürlich nur aus "staatsbürgerlicher verantwortung."
wenn man sich in diesen tagen quer durch den mainstream von print- und onlinemedien arbeitet, so ist die polarisierung im angesicht des kommenden jahres 2009 nicht zu übersehen - während auf der einen seite wahlweise bilder von scharfkantigen eisbergen, unermesslichen abgründen und verheerenden großbränden dominieren (die durch die krise generierten bilder werden hoffentlich in bälde einmal von psychohistorikern näher betrachtet werden), lässt sich die verfassung der anderen seite auf einen begriff bringen: "crisis? what crisis?" und allerhöchstens wird eine - inzwischen immerhin von "klitzeklein" auf "etwas größer" mutierte - rezession zugestanden, nach der aber "alles wieder so sein wird wie vorher".
letzteres lässt sich mit halbwegs funktionierenden wahrnehmungsfähigkeiten nur als drohung begreifen. weiter mit dem zwang zum exponentiellen wachstum, weiter mit der umverteilung von unten nach oben, mehr konsum, mehr straßen, mehr autos, mehr müll. und vor allem mehr psychophysisches elend bei der ungebremsten expansion der dingwelt. das ist nicht nur der wunsch der "eliten", sondern auch derjenige ihrer medial sedierten und konsum als sinnstiftend empfindenden braven untertanen, für deren idealtypische form das wort "ich-ag" die am treffendsten auf den punkt bringende metapher darstellt. unfähig, sich alternativen auch nur vorzustellen, werden ihnen entweder grenzen gesetzt werden müssen - oder sie werden die real vorhandenen grenzen ihrer irregeleiteten form des versuchs zu überleben an mehr und mehr stellen erreichen und sich blutige köpfe holen.
hinsichtlich der weltwirtschaftskrise sieht diese mischung aus wahrnehmungsunfähigkeiten und fiktionalen wünschen aus offiziellem munde dann zb.soaus:
(...)"Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zeigt sich optimistisch: Der SPD-Politiker sieht positive Anzeichen, dass Deutschland ohne großen Schaden aus der Finanzkrise hervorgeht. "Es gibt zum Glück auch positive Entwicklungen", sagte er der "Neuen Presse". "Die Benzinpreise gehen zurück, der Wechselkurs hilft der Exportindustrie. Die Inflation ist gesunken. Die real verfügbaren Einkommen steigen. Die Rentenerhöhung zum Juli 2009 wird um 2,5 Prozent höher als in den Vorjahren ausfallen. Es gibt keine Immobilienblase in unserem Land. Deutschland hat die Kraft, die Krise zu bewältigen. Auch wenn das ein schweres Stück Arbeit für uns alle wird", zeigte sich der Finanzminister optimistisch."(...)
ja, es ist eine beleidigung für pippi langstrumpf, wenn Ihnen an dieser stelle der zugehörige titelsong in den kopf kommen sollte. immerhin hatte pippi einen gesunden kontakt zur realität, die sie in ihrem sinne auf den kopf stellte. steinbrück jedoch scheint sich - stellvertretend für viele andere seiner klasse - in einer art parallelwelt zu befinden:
"Die Benzinpreise gehen zurück,..." - was sich selbst mit nur einem fitzelchen verständnis für ökonomische zusammenhänge primär als zeichen für die wucht der krise begreifen lässt (besonders auch bei betrachtung der nichtvorhandenen auswirkungen der förderreduzierung der opec). und ebenfalls bleibt der fakt, dass eine hypothetische reanimation der westlichen art des kapitalismus sofort vor dem hintergrund von peak oil den ölpreis explodieren lassen würde.
"...der Wechselkurs hilft der Exportindustrie." selbst billige maschinen und anlagen werden woanders nicht mehr gekauft werden, wenn ganze industrien den geist aufgeben. und das es gegenwärtig so gut wie keine kredite für investitionen gibt - ein durchaus globales phänomen - ist ihm auch nicht aufgefallen.
"Die Inflation ist gesunken." was sich eben derzeitig genausogut als indiz für eine deflationäre entwicklung begreifen lässt.
"Die real verfügbaren Einkommen steigen." na steinbrück, gehen Sie doch mal in eines der städtischen ballungsgebiete mit vielen erwerbslosen und tröten diesen spruch dort in der gegend herum. auch die vielen teilzeitjobber und zeitarbeiterInnen freuen sich bestimmt über solch frohe botschaft.
"Die Rentenerhöhung zum Juli 2009 wird um 2,5 Prozent höher als in den Vorjahren ausfallen." was sich bei dem für nächstes jahr zu erwartendem wandel der deflationären tendenzen zu einer inflation, die sich gewaschen haben wird, konkret wie auswirken wird?
"Es gibt keine Immobilienblase in unserem Land." was sich bezgl. büroräumen erst noch zeigen wird, wie ich glaube. ansonsten gibt´s hier zustimmung: wir haben hier primär zunächst eine blase von offiziellen simulationen und fiktionen. und wenn diese blase erstmal platzt...
"Deutschland hat die Kraft, die Krise zu bewältigen." wer oder was ist dieses "deutschland"?
"Auch wenn das ein schweres Stück Arbeit für uns alle wird." eine verklausulierte version von blut, schweiß und tränen. und fraglich ist auch, ob es wirklich uns alle treffen wird. aber vielleicht hat der minister ja auch die verteidigung der elitären pfründe im sinn, wenn er von "arbeit" redet - und das dürfte in diesem fall tatsächlich einmal zutreffend sein.
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angesichts solch hochoffiziellem pfeifen im stockfinsteren walde bekommt nun auch der mediale mainstreambeklemmungen:
(...)"Wer sollte auch antworten? Regierung und Opposition sind ineinander verschlungen, und man weiß nicht, ob sie miteinander ringen oder sich gegenseitig trösten. Die Bundespolitik erweist sich derzeit als geschlossenes und selbstgenügsames System, von dem wenig zu erwarten ist. Aber auch alle anderen gesellschaftlichen Kräfte wirken auf sich selbst zurückgezogen. Es gibt wirklich ein deutsches Problem. Wir machen es uns gerade so richtig gemütlich miteinander. Die Stille im Lande ist nicht bloß ein Ausdruck der Jahreszeit, sie ist ein Symptom: Auf zu vielen Feldern ist das betretene Schweigen das einzig verbliebene Kommunikationsmittel.(...)
Aufklärung ist kein Wert an sich mehr und investigative Kritik ein aussterbendes Handwerk, dem nur noch das Freiluftmuseum fehlt. Nie erfolgt auf einen Skandal oder eine Krise eine Reaktion von einiger Anmut oder gar Originalität. Nie wird mehr zugestanden, als bekannt ist, nie wird das eigene Handeln in eine Geschichte gekleidet und der Öffentlichkeit dargestellt.
Sich bedeckt zu halten, sichert offensichtlich mehr Vorteile als die offene Auseinandersetzung oder gar das umfassende Geständnis. Es ist, als hätten sich die Eliten unserer einst so zivilen Republik die Maxime französischer Kardinäle aus den Zeiten vor der bürgerlichen Öffentlichkeit zu eigen gemacht: Man verlässt die Ambiguität nur zum eigenen Nachteil.
Ist auch bequemer. So bleibt auch das ganze Land schön still."(...)
auch wenn ich das als eine seltsam diffuse symptombeschreibung betrachte: die diagnosen des schweigens und der stille im angesicht des heranziehenden sturmes sind als eine aktuelle spezifisch hiesige art des wegduckens tatsächlich weit verbreitet, unterbrochen nur von den offiziellen durchhalteparolen alá steinbrück. das heisst, manchmal verirren sich auch realistischewetterberichtein die mediale öffentlichkeit:
(...)"SAP-Mitbegründer Hasso Plattner blickt für seinen Konzern pessimistisch in das neue Jahr 2009. "Schlimmer als schlechte Aussichten sind gar keine. Es herrscht totaler Nebel. Wir haben keine Ahnung mehr, wie es weitergeht"(...)
keine ahnung haben, aber dann trotzdem - oder gerade - noch die unverzichtbare prävention:
(...)"Dennoch übte Plattner auch Kritik am neuerdings kapitalismusfeindlichen Klima - speziell in Deutschland: "Es gibt so eine Stimmung im Land, dass wir Kapitalismus eigentlich gar nicht mehr wollen, sondern was anderes, Netteres. Es existiert aber nichts Besseres, trotz vieler Schwächen und Schattenseiten des Systems", sagte Plattner."
die "eliten" schießen gerade häufiger wirklich schöne eigentore: kapitalismus = nicht nett. ja, so lässt sich das flapsig auch sagen. und weil dieses unnette system gerade für immer mehr hautnah spürbar wird, muss das TINA*-prinzip zur anwendung kommen. aber auch prinzipien können abnutzungserscheinungen aufweisen.
(*"there is no alternative", margaret thatcher)
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wie sich die krise hierzulande vorwärts frisst: drei beispiele, die immerhin auch einige lektionen über die heutigen globalen ökonomischen zusammenhänge bereithalten. oder wissen Sie, wo Ihraltpapierso landet?
(...)"Doch so jäh, wie die Bankenkrise über viele hereinbrach, so plötzlich fiel auch das Geschäft mit dem Recyclingmüll in sich zusammen. Von Oktober auf November sank der Preis um 40 Prozent, inzwischen bekommen Papierhändler nicht mehr als zehn Euro für eine Tonne. "Wir bekommen die Krise mit voller Wucht zu spüren", sagt Jörg Lacher vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung. Vor allem die plötzlich nachlassende Nachfrage aus China und Indien lasse die Preise dramatisch purzeln."(...)
sieh an, die vorzeigeländer kapitalistischer entwicklung in asien - was sogar stimmt, wenn man die aussage eingrenzt: entwicklung für ganz wenige.
nun mag altpapier für viele nicht gerade ein existenzielles gut sein, ganz im gegensatz zugetreide:
(...)"Viele Bauern in Deutschland sind in diesem Herbst wegen der Finanzkrise auf großen Teilen ihrer Getreideernte sitzen geblieben. Die Landhandelshäuser hätten den Landwirten nicht wie sonst die Ernte im großen Stil aufgekauft, weil die Kredite dafür fehlten, sagte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist alles auf Kredit finanziert." Dabei sind die Lager weltweit so leer wie seit Jahrzehnten nicht: Dort lagern laut Sonnleitner nur Getreidereserven für etwa zwei Monate.
Erstmals hatte es heuer überhaupt wieder eine der Nachfrage entsprechende Ernte gegeben, nachdem in den Vorjahren immer wieder von den Vorräten gezehrt werden musste. "Die Versorgungslage ist weltweit knapp", warnte Sonnleitner.
Die Situation am Getreidemarkt werde sich im kommenden Jahr weiter zuspitzen. Denn wegen der - wie auch bei anderen Rohstoffen - gesunkenen Preise fehle es den Bauern an Geld für Düngemittel. „Es wird weltweit dermaßen an Düngung gespart und der Anbau von Getreide eingeschränkt, dass wir 2009 eine enorme Minderernte haben werden.“ Die diesjährige Ernte liege inzwischen vielfach immer noch auf den Höfen."(...)
was dann wiederum die stadtbevölkerung zunächst(!) nicht so interessieren mag - wer bspw. induisburglebt, sieht vor einem eventuellen brotmangel erstmal anderen sorgen entgegen:
(...)"Der Regierungspräsident hat die Regie über den städtischen Haushalt übernommen. Gestern erläuterte Regierungspräsident Jürgen Büssow den Kommunalpolitikern sein weiteres Vorgehen. Ohne seine Zustimmung darf die Stadt (mit Ausnahme der Pflichtaufgaben, die allerdings auf ihre Verpflichtung überprüft werden) kein Geld mehr ausgeben. Nach seinen Berechnungen wird die Stadt bereits 2009 ihre letzten Rücklagen aufgebraucht und bis 2012 einen Schuldenberg von fast 350 Millionen Euro aufgehäuft haben. Alle laufenden Sparbemühungen der Stadt reichen nach seinen Einschätzung nicht aus, so dass bis 2013 zusätzlich 100 Millionen Euro eingespart werden müssen – pro Jahr."(...)
mit anderen worten: duisburg hat jetzt eine art insolvenzverwalter vorgesetzt bekommen, und dessen bestrebungen lassen nichts gutes erahnen:
(...)"Gleichzeitig fordert die Bezirksregierung „kostendeckende Gebühren“ und die Anhebung kommunaler Steuern – eine Maßnahme, die bei Oberbürgermeister Adolf Sauerland auf energischen Widerstand stieß. „Gerade Unternehmen, die sich hier ansiedeln wollen und viele Arbeitsplätze schaffen, schrecken wir so wieder ab.“ So habe man auch Multi Development aus Düsseldorf nach Duisburg holen können, obwohl die Gewerbesteuer hier höher liege.
Auch die Forderung nach weiterem Personalabbau bei der Stadt stieß bei Sauerland auf wenig Gegenliebe. „Ich möchte nicht die Verantwortung für ein totes Kind übernehmen wie in Bremen, nur weil bei den Mitarbeitern für den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) gespart wird“, so der OB."(...)
und dann noch eine floskel, die uns in den nächsten jahren zu den ohren herauskommen wird:
"In Duisburg müsse man in den nächsten vier Jahren „den Gürtel noch enger schnallen und den Haushalt konsolidieren.“
vielleicht erinnern Sie sich noch an die information aus den news nr. 12, wo es hieß, dass sich 18 städte aus nrw mit einer art hilfsappell bezgl. ihrer finanziellen situation an die öffentlichkeit gewandt haben? da im obigen artikel faktisch nichts zu den gründen für den duisburger quasi-bankrott gesagt wird, drängt sich der verdacht auf, dass es sich dabei auch um die folgen des sog.cross-border-leasingshandeln könnte. in diesem fall könnte in den kommenden monaten eine neue parole ihren weg gehen: duisburg ist überall.
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aber ach, ich höre schon einige leserInnen schimpfen - "unbegründeter pessimismus! schwarzmalerei!" okay, speziell für Sie habe ich da die mutmachendeneujahrsanspracheunserer aller kanzlerin. ähm, da muss etwas durcheinander gekommen sein - das ist authentisch und war so nicht vorgesehen. fiktionen braucht das land, aber keine fiktionale authentizität.
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überhaupt, all dieseansprachen, die jetzt dazu auffordern, zur besinnung zu kommen:
(...)"Nicolas Sarkozy spricht davon, dass die Krise den Franzosen auch vor Augen führen könne, was wirklich wichtig sei im Leben. Der britische Premier Gordon Brown appelliert in einer Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede an die moralische "Charakterstärke und innere Festigkeit", die den Briten in Zeiten der Krise immer schon zugewachsen sei. Die deutschen Bischöfe rufen in ihren Weihnachtsbotschaften angesichts der Finanzkrise zu einer "Rückbesinnung auf nicht materielle Werte" auf. Papst Benedikt XVI. sieht in der Krise die Chance, die Werte neu zu erfahren, für die Weihnachten stehe - "Wärme, Einfachheit, Freundschaft und Verbundenheit". In Dubai übrigens predigten die Imame in der vergangenen Woche ebenfalls von einer Rückkehr zu den alten Werten, in diesem Falle freilich denen des Islams, die "Verrohung der Sitten" in Zeiten des Booms müsse einer Rückbesinnung auf das gottgefällige Leben, auf die traditionellen Werte des Islams weichen."
sollten all diese triefenden appelle tatsächlich einen realen kern enthalten?
"Der Freiraum, der hier beschworen wird, verdankt sich einer ganz substantiellen, nicht zu denunzierenden Sehnsucht. Einer Sehnsucht danach, dass der Markt sich nicht mehr als "ständiges ökonomisches Tribunal aufspreizt" (wie es Foucault schon in den siebziger Jahren formulierte), ein Tribunal, vor dem sich gefälligst all unser Handeln zu verantworten habe. Eine Sehnsucht danach, dass es ein Ende haben möge mit der ideologischen Überprägung des Kapitalismus, dem heilsbringerischen Gerede, man habe sich selbst nur endlich als Ich-AG mit enggeschnalltem Gürtel und die Gesellschaft als totales Profitcenter zu organisieren, dann werde alles gut. Eine Sehnsucht danach, so schlicht und verschwommen das klingen mag, aufrecht, weniger gehetzt durchs Leben zu gehen, frei von der Zwangsherrschaft der Arbeit.(...)
Aber wahrscheinlich steckt hinter solchen Sehnsüchten auch eine Ahnung um die zermürbenden Nebenwirkungen unserer Leistungsethik. Der Soziologe Alain Ehrenberg hat in seinem Buch "Das erschöpfte Selbst" herausgearbeitet, wie sich das freiheitliche Versprechen der Selbstverwirklichung hinter dem Rücken der so wunderbar Selbstverwirklichten schleichend in einen dämonischen Zwang verwandelte: Indem das authentische Selbst umfunktioniert wurde zum produktiven Motor all unseren Handelns, ist die Erschöpfung vorprogrammiert. "Seien Sie besonders, oder Sie werden ausgesondert!"(...)
dann wäre tatsächlich ein grundsätzlicher optimismus angesagt - falls sich zusammenhänge wie oben skizziert nicht nur in diffusen, sondern in nachhaltigen zuständen emotionaler vernunft bei vielen menschen manifestieren würden. aber das ist zur zeit nur ein wunsch. dazu kommt noch, dass es schwer zu erkennen ist, dass es sich bei den erwähnten anforderungen eher um simulationen des authentischen handelt - ein authentisches selbst zu leben, bedeutet in und für dieses system heute den größten anzunehmenden störfaktor.
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der eine weiter oben zitierte konzernboss hat keine ahnung mehr, wie es weitergeht - aber auch waschechte bankster stochern imnebel:
„Ich verstehe selbst nicht, warum wir Banker uns immer noch kein Geld leihen.“
mysterien überall, ihr eigenes system ist ihnen vollends zum rätsel geworden. und banker wären momentan also lieber kantinenpersonal. aber wer möchte sich schon von zwielichtigen gestalten bedienen lassen?
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soweit eine eher zufällige sammlung von stimmen, stimmungen und zuständen aus diesem land, die Sie hoffentlich für ebenso aufschlußreich halten wie ich. und wie schon öfter in der reihe hier ausgeführt: wenn sich diese krise tatsächlich als grundsätzlicher und von strukturellerer art als bisherige zyklische krisen herausstellen sollte, wonach es nach meinem eindruck eben auch aussieht, bietet das ganz ernsthaft wirklich chancen und kann neue räume öffnen. auch, wenn unsere kollektiven und individuellen psychophysischen voraussetzungen dafür, diese räume positiv nutzen zu können, bei realistischer betrachtung eben nicht besonders gut erscheinen. aber ich finde die these von möglichen evolutionären spüngen in diesem zusammenhang recht tröstlich.
und vor diesem ambivalenten hintergrund abschließend ein paar blicke ins sog. ausland. zunächst die vorstellung einer wissenschaftlichen feldforschung aus den usa, die einige hinweise darauf gibt, wie eineposttraumatische ökonomiefunktionieren kann:
"Unter dem Schutz des Gangsterbosses J.T. studierte der Soziologe Sudhir Venkatesh jahrelang die Ökonomie des Chicagoer Untergrundes. Er hospitierte bei den örtlichen Drogendealern - und stellte fest: Sie sind so gut organisiert wie Mittelständler.(...)
Mit Sozialromantik hat das wenig zu tun. Vielmehr beschreibt Venkatesh ein System von Regeln, Standards und rationalen Verhaltensweisen, mit deren Hilfe sich die Außenseiter der Gesellschaft über Wasser halten. Im Chicagoer Ghetto sind das in erster Linie Afroamerikaner. In der Welt der Weißen haben sie kaum eine Chance, aber ihre Untergrund-Ökonomie ist ein wohlorganisierter, vielfältiger Mikrokosmos.
Strafbare Handlungen wie Drogenhandel, Prostitution und Diebstahl gehören ebenso dazu wie Arbeiten, die legal sind, aber eben "außerhalb der Bücher" stattfinden, wie Babysitten, Haareschneiden und Taxidienste. Das Angebot stellt sich hochflexibel auf wechselnde Bedarfe ein: "Im Handumdrehen werden Prediger Friseure, Sänger Nachhilfelehrer, Barmänner Hilfsmechaniker", beobachtete Venkatesh.
Die Mängel des Systems liegen auf der Hand, aber es funktioniert: Über 90 Prozent der Bewohner in den Hochhausburgen waren arbeitslos. Gleichwohl ging im Chicagoer Süden jeder seinen Geschäften nach. Selbst die Obdachlosen suchten sich ihre Schlafstellen mit System aus - indem sie vor Geschäften und in leerstehenden Häusern campierten, fungierten sie als Nachtwächter und bekamen dafür ein paar Dollar.
Da in den Vierteln der Armen Geld ein chronisch knappes Gut ist, spielt Tauschwirtschaft eine bedeutende Rolle. Die Putzfrau, die nebenbei einen kleinen illegalen Catering-Service betreibt, entlohnt den ebenfalls schwarzarbeitenden Elektriker mit kostenlosen Mittagessen. Der Automechaniker nimmt gebrauchte Handys in Zahlung. Ein Obdachloser, der bei seiner Cousine einzieht, stellt statt Mietbeteiligung sein Auto zur Verfügung. Eine Prostituierte vertreibt gelegentlich Drogen für die Gang, damit sie bei Problemen mit Freiern um Schutz nachsuchen kann.
Öffentliche Güter wie Sicherheit und die Garantie von Eigentumsrechten sind knapp; Korruption, Gewalt und Ausbeutung gehören zum Alltag. Schließlich ist ein großer Teil der Geschäfte illegal, und die Polizei kümmert sich kaum um die Probleme der Slumbewohner. Die Ordnungsfunktion übernehmen andere, vor allem Pastoren, die dafür eine Spende erwarten."(...)
ich möchte nicht unken, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es hier und in europa generell in den nächsten jahren gleichfalls gebiete geben wird, in denen etliches von den beschriebenen zuständen realität ist - und damit meine ich nicht die schon existierenden elendszonen vor allem in osteuropa. in einer rezension des gleichen buches in der "taz" fand sich übrigens auch ein vergleich der ghetto-ökonomie bzw. der rolle der ghetto-elite mit dem handeln transnationaler konzerne. ich muss wohl nicht ausführen, was damit gemeint ist.
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und was gibt´s noch so? in italien wird öffentlich und offiziell die wahrscheinlichkeit für einenstaatsbankrottverhandelt; in großbritannien geht´s jetzt dem einzelhandel und etlichen kettenan den kragen:
(...)"Die Menschen standen Schlange, um die besten Schnäppchen zu erhalten und die Preise auszuhandeln. Woolworth muss trotzdem ein Viertel seiner Häuser schließen, andere Ketten folgen oder sind bereits gefolgt, die Preise sollen weiter fallen, die Verluste steigen. Ende des nächsten Monats dürfte jedes zehnte Geschäft in den Einkaufsstraßen der Städte leer stehen, wird gewarnt. Die Schulden der Geschäfte und Ketten steigen, die Gewinne sinken."(...)
während die situation in griechenland wieder völlig aus den schlagzeilen verschwunden ist, kommen gerade von dort wirklich nachrichten, diemut machen:
(...)"Gemeindegebäude und Rathäuser wurden in ganz Athen besetzt und überall in Athen und Thessaloniki gibt es mittlerweile offene Plena von Bürger_innen, „Popular Assemblies“. Einer der positivsten Aspekte der Revolte wird nun deutlich: Die Leute nehmen sich ihr Leben zurück, Straße für Straße, Platz für Platz, Viertel für Viertel. Es geht jetzt nicht um den Sturz der Regierung, um „offene Rechnungen“, um diffuse Forderungen, irgendwelche Rechtfertigungen. Die Leute auf der Straße fordern nichts; sie besetzen, sie organisieren sich,, sie wissen, dass es keinen Weg zurück zur Normalität gibt, das diese Normalität zu bekämpfen eine Frage von Leben oder Tod ist."(...)
und es geht auch um ganz konkretenwiderstandgegen das ganz normale kapitalistische alltagsgeschäft:
(...)"Gegen 13 Uhr besetzten rund 100 AnarchistInnen und andere linke und linksradikale Personen die Zentrale der Athener Verkehrsgesellschaft (ISAP), (vergleichbar der BVG in BERLIN) um gegen den Säure-Angriff auf die Gewerkschafterin Constandina Couneva vom 23.12.08, die miesen Arbeitsbedingungen des Subunternehmens IKOMET, die Couneva beschaeftigt und der ISAP, die Subunternehmen wie IKOMET mit der Reinigung ihrer U-Bahnhoefe beauftragt, zu protestieren."(...)
da gibt´s für alle hoffenden hier eine ganze menge zu lernen.
(...)"Selbst über die Feiertage müssen rund 18000 Menschen in Deutschland auf der Straße, in Parks oder in Ruinen übernachten. Die Zahl der Obdachlosen werde sich aufgrund der schärferen Hartz-Regeln und steigender Mietpreise in nächster Zeit weiter erhöhen, warnen Experten.
»Da baut sich gerade eine Welle auf«,sagt Rolf Keichel, Vorstandsmitglied des Fachverbands Evangelische Obdachlosenhilfe. »Wir können uns gar nicht vorstellen, was es heißt, bei Minustemperaturen draußen zu leben.«Eine Nacht in klirrender Kälte bedeutet immer Lebensgefahr. Erst vor wenigen Tagen erfror ein Obdachloser in Wismar, im November ein Mann in Soest, im September ein Dresdner in seinem Nachtlager im Park."(...)
auch diese toten sind in gewisser weise eine antwort (und die hier mehrheitlich immer noch bevorzugte) auf die fragemarkt oder leben?, wobei dingwelt und markt mit fließenden grenzen und wie bösartige siamesische zwillinge daherkommen:
(...)"Kaufen, Tauschen, Handeln, Bewerten, das ist nicht der Weisheit letzter Schluss, sondern ökonomisches Diktat. Markt und Mensch sind also keine eherne Zusammengehörigkeit, sondern vielmehr ein Widerspruch. Dort, wo der Markt herrscht, ist der Mensch durchgestrichen und dort, wohin der Mensch sich als solcher rettet, dort ist kein Markt. Es geht unfreundlicher Weise darum, das Geschäft (und alles was dazu gehört) als lebensfeindliche Form menschlicher Kommunikation zu dechiffrieren. Es ist pathologisch, schwer pathologisch. Geschäfte fressen Zeit und Raum auf. Lebenszeit. Lebensraum. Leben.
Käufer sein ist jedenfalls keine in der Natur angelegte Eigenschaft, sondern eine kulturelle Normierung, die zu einem Anspruch an alle geworden ist. Da ist nichts Ewiges an ihr. Praktische Befreiung beginnt, wo die Menschen mit dem Kaufen und Verkaufen bewusst aufhören. Wenn sie sich geben und sich nehmen, was sie brauchen. Wenn sie die Kostenrechung verwerfen und durch profane Zuneigung und Zueignung ersetzen. Wenn Angebot und Nachfrage durch Eingabe und Entnahme ersetzt werden. Wenn der konkurrenzistische Geschäftstrieb von einer kompetenten Kooperation abgelöst wird. Wenn die Trennung von Motiv und Bedingung bei der Transaktion von Gütern überwunden wird.
Wie sagt doch der Erste Gott im Brechtschen Stück „Der gute Mensch von Sezuan“: „Ich gebe zu, ich verstehe nichts von Geschäften, vielleicht muss man sich da erkundigen, was das Übliche ist. Aber überhaupt Geschäfte! Machten die sieben guten Könige Geschäfte? Verkaufte der gerechte Kung Fische? Was haben Geschäfte mit einem rechtschaffenen und würdigen Leben zu tun?“ – Nichts! Absolut Nichts!"
in diesem sinne wünsche ich ein paar ruhige tage für alle leserInnen.
eines der ärgerlichsten, aber auch bezeichnendsten merkmale vieler statements zur weltwirtschaftskrise besteht - selbst beim zugeständnis der tatsache, es hier nicht mit einer der üblichen zyklischen krisen zu tun zu haben - in der unfähigkeit, jenseits der primär ökonomischen symptome auch die anderen monströsen anzeichen dafür wahrzunehmen, dass sich das ganze bisherige politische & ökonomische system der westlichen welt plus seiner überall vorhandenen globalen ableger auf dem weg in den abgrund befindet. und letzteres hat zentral etwas mit dem kapitalismusimmanenten zwang zum ständigen exponentiellen wachstum (wie krebszellen) zu tun, der neben der gleichfalls immanenten und eher personengebundenen bestrebung nach immer mehr quantifizierbarem materiellem "reichtum" incl. ständiger reichtumskonzentration und -umverteilung nach oben der einfluß ist, welcher die aktuelle krisenkaskade bis zum jetzigen moment täglich befeuert.
so haben wir eben nicht nur eine weltwirtschaftskrise, die - und dafür muss ich mich nicht mehr allzuweit aus dem fenster lehnen - in vielen regionen der welt eine dynamik erreichen wird, die historisch ohne beispiel ist. sondern wir hatten bereits sozusagen im vorlauf eine globalehungerkrise, die weiterhin vorhanden ist und sich absehbar verschärfen wird; wir haben - trotz der aussichtlosen versuche der leugnung von diversen seiten - eine ökologische krise, deren schärfste globale variante der anthropogene klimawandel darstellt; ferner haben wir es mit ressourcenkrisen wiepeak oilzu tun. und ob man unter letztere rubrik auch die aufziehende globalewasserkriseführen sollte, ist dann eher definitionssache. jedenfalls wird das wasser in nächster zukunft für noch mehr instabilitäten sorgen als heute das öl - auch damit lehne ich mich nicht weit aus dem fenster:
(...)"Wie steht es im 21. Jahrhundert um die globale Verteilung der Ressource Wasser? Filmemacherin Irena Salina hat drei Jahre lang Wissenschaftler und Umweltbeauftragte in aller Welt zu diesem Thema befragt. Ihre Untersuchung führt sie in südafrikanische Townships, in denen die Trinkwasserversorgung privatisiert ist und die Ärmsten der Armen verschmutztes Flusswasser trinken müssen. Im indischen Bundesstaat Rajasthan schließen sich Dörfer zu Genossenschaften zusammen und fangen Regenwasser auf, um den Wasserhändlern zu trotzen. In Südamerika beobachtet Irena Salina, dass Wasserreserven wiederholt chemisch verseucht werden, und in Kanada, dass große Lebensmittelkonzerne ganze Flüsse austrocknen lassen.
Überall bietet sich ihr das gleiche Bild eines ökologischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und menschlichen Skandals. Aber es zeigt sich auch, dass es an den Orten Hoffnung gibt, an denen sich die Bevölkerung organisiert und um ihr Recht auf Wasser kämpft."(...)
sehen Sie sich die doku an, die nächsten tage bieten dafür genügend zeit:
hiergeht´s direkt weiter zu den anderen teilen des videos.
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was ich oben gerade mit "personengebunden" meinte, macht der folgendeartikeletwas deutlicher:
(...)"Gowers schildert den Lehman-Boss als einen "Mann mit einer fast unerträglich starken Persönlichkeit", der den Gewinn der Bank von 1994 bis 2007 von 113 Millionen auf 4,2 Milliarden Dollar steigerte. Damit schuf Fuld sich einen nahezu unangreifbaren Ruf: "Zu sagen, dass Dick Fuld von einem Persönlichkeitskult umgeben war, wäre eine Untertreibung. Er war ein Paradebeispiel für einen allmächtigen Unternehmenschef", schreibt Gowers. "Für viele Mitarbeiter und für die Außenwelt personifizierte er Lehman, sein Charakter war untrennbar verbunden mit dem der Firma."
Fuld soll selbst seinen engsten Mitarbeitern große Loyalität, aber auch Furcht eingeflößt haben, so dass sie ihm hörig waren "wie einem mittelalterlichen Monarchen" und alles von ihm fern hielten, was er nicht hören wollte. "Seine Bösartigkeit konnte einschüchternd sein. Regelmäßig wies er Kollegen zurecht, die auch nur geringfügig von der Kleiderordnung abwichen."
Fuld sah Lehman laut Gowers wie im "Krieg", die Mitarbeiter waren seine Truppen. Investoren, die auf fallende Lehman-Kurse setzten, drohte er auf einer Konferenz: Wenn er einen von ihnen finde, "will ich ihm das Herz herausreißen und es vor seinen Augen essen, während er noch lebt"(...)
die these, dass sich das system selbst die passenden persönlichkeitstypen bzw. -defekte sozusagen per innerer selektion heranzüchtet, ist hier im blog nicht neu. ebenfalls nicht die erkenntnis, das von einer "fast unerträglich starken persönlichkeit" nur innerhalb der systemlogik die rede sein kann. wer so auftritt wie beschrieben, hat eher elementare probleme - jedenfalls in der authentischen sozialen menschlichen welt. das diese probleme in form wie empathieunfähigkeit, dominanz einer streng objektivistischen instrumentellen intelligenz und ausrichtung an quantitäten und zahlen innerhalb unserer grundlos glorifizierten gesellschaftlich herrschenden strukturen als positiv gewertet werden - das ist genau das symptom, welches das lebensgefährliche wesen dieser strukturen überdeutlich macht. funktionelle und/oder strukturelle soziopathen an der macht - ihre bevorzugte überlebensform.
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was das treiben dieser leute dann alles so für folgen hat, war in den letzten news auch bezgl. der usa immer wieder thema. die in den news nr. 11 zum schluß kurz erwähnten probleme mit der unterstützung von erwerbslosen in vielen us-bundesstaaten lassen sich inzwischen konkretisieren -kollaps mit ansage:
(...)"In 30 der 50 Bundesstaaten steuern die Fonds, die Arbeitslosenhilfen auszahlen, auf die Insolvenz zu. "Das Problem war noch nie so verbreitet, nie waren so viele Staaten gleichzeitig in Geldnot", sagt Heidi Shierholz vom gewerkschaftsnahen Economic Policy Institute. Die Gouverneure haben es versäumt, in den Jahren des Aufschwungs ein Polster aufzubauen, das jetzt den konjunkturellen Sturzflug abfedern könnte. Michigan und Indiana, wo sich die amerikanische Schwerindustrie schon seit Jahren in der Krise befindet, sind bereits pleite. Sie mussten sich Geld in Washington pumpen. Auch South Carolina hat kürzlich einen Kredit beantragt, und in Kalifornien, New York, Ohio und Rhode Island sind die Ersparnisse spätestens Anfang des Jahres aufgebraucht.
Seit Dezember vergangenen Jahres sind in den USA zwei Millionen Jobs verloren gegangen, und Schätzungen zufolge werden im kommenden Jahr weitere vier Millionen verschwinden. Allein im November beantragten 573 000 Amerikaner Arbeitslosenhilfe. So viele waren es seit 1982 nicht mehr. In vielen Bundesstaaten beträgt die Arbeitslosenquote mehr als neun Prozent. Damit hat das Problem eine kritische Masse erreicht, unter der die staatliche Versicherung zusammenbrechen könnte."(...)
wie in den letzten news schon umschrieben: die bereitstellung von aktiven armee-einheiten hat aus sicht der "eliten" schon ihren sinn. erst prügel, dann kugeln statt nahrung. leider gibt es ernsthafte chancen dafür, dass wir - und vor allem die us-bevölkerung - solche szenen 2009 erleben müssen.
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wieder mal ein blick nach asien - einmal wäre da eine möglichkeit, sich jeweils recht aktuell einen brauchbaren überblick zu verschaffen, die ich Ihnen nicht vorenthalten will - die seite umwälzung.de bietet asienbezogenenews, mittels derer die zunehmenden sozialen konflikte und kämpfe in vielen dortigen staaten zumindest ansatzweise nachzuvollziehen sind. zum anderen hat sich mittlerweile unter den news nr.11 ein längerer kommentarstrang entwickelt, in dem u.a. die chinesischen wanderarbeiterInnen eine rolle spielen - ebenso wie in eineminterview, welches sich vor allem mit der chinesischen it-industrie beschäftigt (und ja, die wahrscheinlichkeit dafür, dass sowohl mein als auch Ihr computer bauteile aus china aufweisen, ist verdammt hoch):
(...)"Welchen Eindruck haben Sie von den Arbeitsbedingungen in der Computerindustrie Chinas gewonnen?
Einen äußerst schlechten. Wir haben die Situation in den Fabriken des Pearl River Delta untersucht, der Region im Süden Chinas, die das bedeutendste und modernste Wirtschafts- und Produktionszentrum des Landes darstellt.
Es sind vor allem zwei Punkte, die wir mit unserer Studie hervorheben wollen. Viele Leute glauben, es sei gefährlicher, in einer Schuh- oder Textilfabrik zu arbeiten, als elektronische Teile zusammenzubauen. Doch das ist ein Irrglaube. Vor allem in den Fabriken, in denen Leiterplatten für Computer hergestellt werden, sehen wir landesweit die größten Probleme, was die Gesundheit und den Schutz von Arbeitern betrifft. Diese müssen dort ohne adäquate Schutzvorkehrungen in geschlossenen Räumen ohne Belüftung mit gefährlichen und giftigen Chemikalien hantieren, viele von ihnen haben deswegen Hautallergien und ständige Kopfschmerzen.
Der zweite Aspekt, den wir besonders skandalös finden, ist die unterbezahlte Arbeit und die unbezahlten Überstunden, die in den Fabriken der IT-Branche üblich zu sein scheinen. Teilweise erhalten die Arbeiter nicht einmal den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn, geschweige denn die ebenfalls gesetzlich geregelten Sonderzulagen für die Arbeit an Wochenenden und Feiertagen, teilweise müssen die Arbeiter wochenlang ohne einen freien Tag arbeiten.
Die großen multinationalen Konzerne wie HP, Dell oder Fujitsu-Siemens machen mit der Ausbeutung der Arbeiter größte Profite, doch die Arbeiter werden daran nicht beteiligt.(...)
In China wird von immer mehr Arbeiterstreiks und -demonstrationen berichtet. Wehren sich auch die Arbeiter der IT-Industrie gegen die Arbeitsbedingungen?
Landesweit nimmt der Protest von Arbeitern seit Mitte der neunziger Jahre zu. Inoffiziellen Zahlen zufolge findet im Pearl River Delta jeden Tag mindestens ein Streik statt, an dem mehr als 1 000 Arbeiter beteiligt sind. Mittlerweile wird in den Werkshallen der IT-Fabriken derart oft zu spontanen Streiks und Demonstrationen aufgerufen, dass einige Leute von täglichem Widerstand und wilden Streiks in der Region sprechen. Da ist also durchaus eine Kraft vorhanden, die um die Rechte der Arbeiter kämpft und den Druck auf die Regierung erhöht, weitere und bessere Arbeitsgesetze zu erlassen. So ist beispielsweise seit dem 1. Januar ein Gesetz über Arbeitsverträge in Kraft, auch das kann als ein Ergebnis des Drucks gewertet werden, der von den massiven Arbeiterprotesten in den vergangenen Jahren ausging.
Es sind aber nicht nur die Arbeiter im Süden, sondern auch die Arbeiter der staatlichen Betriebe im Norden, Taxifahrer, Hausangestellte oder Transportarbeiter, die auf die Straße gehen. 87 000 Arbeiterproteste wurden allein im Jahr 2005 gezählt.(...)
Die Wanderarbeiter stellen den größten Teil der Arbeiter in den IT-Fabriken im Süden. Sie sind gleichzeitig diejenigen, für die es am schwierigsten ist, ihre Rechte zu verteidigen. Denn ihnen fehlt das Geld, um Monate oder gar Jahre auf eine Entscheidung des Gerichts zu warten, wenn sie ihren Job verlieren. Sie müssen die Stadt verlassen, um sich woanders einen neuen Job zu suchen."(...)
(@mr. lemmy c.: nun, wie sieht´s also aus mit der "freiwilligkeit" und dem "besseren leben"? ich glaube eher, hier liegt ein klassisches beispiel für "vom regen in die traufe" vor.)
bei betrachtung der aktuellen ökonomischen lage in china muss ebenfalls von einer erhöhten wahrscheinlichkeit dafür ausgegangen werden, dass es dort im nächsten jahr umfassend kracht - denn lokal ist das schon permanente realität, und zwar schon seit den sog. "wachstumszeiten".
ich begrüße - und zwar bei allen dreien schon längst überfällig - dasgblog(ebenfalls mit einer vorliebe für lange texte),konsumpfals höchst informatives blog über eben denselbigen, sowiewirtschaftquerschuss, das blog, welches unverzichtbar geworden ist für die primär ökonomischen aspekte der systemkrise. allen hiesigen leserInnen seien die drei wärmstens empfohlen!
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es wird wieder mal höchste zeit für eine aktualisierung des index, das wird vermutlich in den nächsten tagen der fall sein.
beim anblick der täglichen news befallen mich zunehmend kopfschmerzen... wobei: eher nehme ich die sowie das deutlicher werdende bauchgrummeln in kauf, als das ich mich in dengleichmutder allgemeinen trance begebe:
(...)"Der aufreizende Gleichmut, mit dem die »Kapitalverbrechen« des Finanzsystems (Spiegel) zu den Akten genommen werden, ist keine Spezialität von ZDFRTL, er ist typisch. Überall in der Gesellschaft herrscht informierte Apathie und unheimliche Gelassenheit, und der Glühweinverkauf auf Weihnachtsmärkten zeigt eine erfreuliche Tendenz: Es geht aufwärts. Gestern noch zeigte die Öffentlichkeit ihren treuen Alarmisten bei jeder Wortmeldung die Rote Karte; heute, wo die Realität selbst Alarm schlägt, trainiert sie ihre seelische Festigkeit im Erdulden schlimmer Nachrichten. Wir erleben, so gab der Sozialpsychologe Harald Welzer in der FAS mit fasziniertem Schaudern zu Protokoll, eine »Epochenwende«, eine tiefe Zäsur, während gleichzeitig das Leben seinen gewohnten Gang gehe. »Die Autos fahren, Restaurants sind geöffnet, die Welt ist nach wie vor in Farbe.« Alltag und Apokalypse, Normalität und Ausnahmezustand durchdringen sich wechselseitig und bilden das paradoxe Mischgefühl der neuen Epoche. Alles scheint wie immer, doch nichts ist wie sonst."(...)
ganz recht, in diesem teil der welt - in anderen schon lange und längst nicht mehr - scheint alles wie immer - genau dieser schein dürfte zu einem großen teil das produkt jener fiktionen und halluzinationen sein, die franz schandl als inzwischen eigentlich tragenden motor der real immer weiter kollabierenden kapitalistischen ökonomie ausmachte (das schandl-zitat habe ich in den letzten beiträgen bereits zweimal gebracht, darum verzichte ich auf die wiederholung). aber wie schon letztens in einem kommentar gesagt: in wettlauf zwischen realität und fiktionen wird die erstere unzweifelhaft die ziellinie als erste erreichen. die frage ist jetzt nur noch: wann ist es (hier) soweit? und noch wichtiger: wie werden all die mitmenschen auf den dann fälligeneinbruch der realitätreagieren? immerhin wird diese frage dann nur in ausnahmefällen innerhalb der gemütlichen diskurse kulturwissenschaftlicher tagungen beantwortet werden; sondern dann wird sie im alltag, auf den straßen, in banken, geschäften und unternehmen beantwortet werden müssen.
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prognosen, zumindest ökonomischer art, will ja inzwischen kaum noch jemand hören, was nicht zuletzt auch mit dem offenbar werdenden versagen all der mainstreamökonomen zusammenhängt, die der kriseneskalation von beginn an hinterherhecheln. dabei gibt es durchaus auch vorhersagen, die aufgrund ihrer vorhandenen orientierung an der realität ernst genommen werden müssen.leapist dabei ein - meinem eindruck nach eher (links-)liberaler - europäischer think tank, der regelmäßig ein newsletter, dasglobal europe anticipation bulletinGEAB veröffentlicht - in wesentlichen teilen leider nur per abo einsehbar, aber die zusammenfassungen werden als pressemitteilungen herausgegeben. und in der neuesten mitteilung steht nun folgendes:
(...)"LEAP/E2020 geht davon aus, dass diese umfassende weltweite Krise sich im März 2009 noch einmal beschleunigen wird. Wie im September 2008 wird sie einen Gang höher schalten. Wir gehen davon aus, dass mit Ende des ersten Quartals 2009 die Welt erkennen wird, dass das Fundament der Weltwirtschaft dreifach untergraben wird, nämlich durch :
1. den psychologischen Faktor der allgemeinen Erkenntnis über die Nachhaltigkeit der Krise ;
2. die weltweite Explosion der Arbeitslosigkeit ;
3. das Risiko eines Zusammenbruchs des kapitalfinanzierten Rentensystems.
Die Krise erzeugt eine negative Stimmung und die negative Stimmung verschärft die Krise. Wenn die Menschen in Europa, Amerika und Asien erst zur Überzeugung gelangt sein werden, dass die Krise jeglicher nationaler oder internationaler Kontrolle entglitten ist, dass sie alle Weltregionen in Mitleidenschaft zieht (auch wenn einige mehr betroffen sein sollten als andere - vgl. 28. Ausgabe des GEAB), dass sie mit ihren Auswirkungen nun auch die Realwirtschaft in Mitleidenschaft zieht, dass sie unmittelbar die Lebensgrundlage Hunderter von Millionen Menschen in der industrialisierten Welt gefährdet, dann ist eine weitere Beschleunigung nicht mehr vermeidbar. Die nationalen Regierungen und die internationalen Institutionen haben nur noch ein bis drei Monate, um sich auf diese Situation vorzubereiten. Das soziale Konfliktpotential ist enorm. Die Länder, die in Zeiten explodierender Arbeitslosigkeit und insolventer Pensionsfonds keine sozialen Mindeststandards garantieren können, werden, wenn Angst viele Menschen ergreift, der Gefahr sozialer Instabilität am stärksten ausgesetzt sein."(...)
da sich die leute in diesem think tank als ratgeber der europäischen regierungen begreifen, ist die anfängliche focussierung auf die "negative stimmung" durchaus begreiflich, und ich kann mir gut vorstellen, dass in diesen tagen etliche meetings u.ä. innerhalb der apparate stattfinden, die sich nur diesem thema widmen - "wie erzeugen wir um himmels willen wieder eine positive stimmung?" was aber nur dem versuch gleichkommt, die vorhandenen fiktionen zu kräftigen - ein unterfangen, welches fehlschlagen wird bzw. muss, wenn Sie sich nochmal oben die einleitenden worte betrachten.
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was u.a. auch damit zusammenhängt, dass so viele tatsachen gar nicht geschönt werden können - es sei denn, die apparate würden den direkten zugriff auf alle medien versuchen. das aber wäre spätestens im moment eines solchen versuches ein sicheres anzeichen für den kurz bevorstehenden allgemeinen ausnahmezustand. was das für tatsachen sein können? ein kleiner und recht wahlloser überblick:
"Die künftige US-Regierung will mit massiven Investitionen den völligen Absturz der Wirtschaft verhindern. Die Lage sei schlechter als befürchtet, warnt der designierte Vizepräsident Joe Biden. Ein weiteres 700-Milliarden-Paket zur Bekämpfung der Krise sei dringend notwendig."(...)
"18 Städte aus dem Ruhrgebiet und dem Bergischen Land fordern einen Rettungsschirm für ihre Stadtkassen. Ohne Hilfe drohe den Kommunen eine Finanz-Katastrophe."(...)
(...)" Immer mehr Firmen schicken ihre Beschäftigten deshalb in Kurzarbeit: So bereitet sich der Stahlkonzern ThyssenKrupp darauf vor, seine Produktion wegen der Flaute in der Autoindustrie bis September herunterzufahren. Treffen dürfte es 20.000 der 41.000 Beschäftigten, bestätigte ein Sprecher von ThyssenKrupp Steel in Duisburg. Betriebsratschef Willi Segerath sagte, für die Stahlarbeiter bedeute dies Nettogehaltsverluste von sieben bis zehn Prozent.
Kurzarbeit melden auch der Stuttgarter Autohersteller Daimler sowie die Zulieferer Bosch und Continental an. Der Leverkusener Chemiekonzern Lanxess prüft noch. Auch der Chiphersteller Infineon, dessen sächsische Tochter Qimonda ums Überleben kämpft, schickt seine Beschäftigten ab 1. Januar nach Hause. Insgesamt wurde im November für 165.000 Arbeitnehmer Kurzarbeit beantragt, im Oktober waren es nur 57.000."(...)
und das sind nur drei meldungen aus einer wahren flut in diesen tagen, über die den überblick zu erhalten sich schon lange als fast aussichtsloses unterfangen darstellt. und selbstverständlich kommt es dabei auch immer auf die perspektive an - ich persönlich finde längst nicht alles nur negativ, jedenfalls nicht von solchen standpunkten aus gesehen wie denen, das konstrukt der lohn(zwangs)arbeit als lebenssinn (mit dem impliziten konsum zwecks kompensation) als destruktiv und verrückt genauso abzulehnen wie unsere ganze existierende soziale und ökonomische organisationsform überhaupt. und vor diesem hintergrund erklärt sich ein teil meiner kopfschmerzen auch durch die kenntnisnahme von angeblichen "lösungsversuchen" wie bspw. mehrstrassenbau- nichts kann gleichzeitig die ratlosigkeit und dummheit, aber auch skrupellosigkeit der "eliten" besser unter beweis stellen als dieses stumpfe "mehr desselben" in zeiten von klimawandel und peak oil. bei solch allgemeingefährlichen aktionen bekommen fragen und gedanken wie die vongünther andersdann nochmals ein anderes gewicht.
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das leitet über zum begriff der "sozialen stabilität", der auch im GEAB nicht zufällig eine wesentliche rolle spielt. die dürfte sich dann im nächsten jahr mehr und mehr verflüchtigen, was - begrenzt - an solchen etwas surrealen szenen wie aus island deutlich wird:
anhand der news-beiträge aus den letzten wochen lässt sich dort die entwicklung gut nachvollziehen - mittlerweile finden nicht mehr nur samstags regelmässige demonstrationen statt, sondern täglich. und was da im video zu sehen ist, ist eine aktion gegen die isländische kreditaufsichtsbehörde. außerdem wurde am mittwoch eine filiale der landesbank mit der forderung nach rücktritt der kompletten geschäftsführung besetzt. was passiert daim eissturm?:
(...)"Das Empörende für die Menschen ist, dass keiner seinen Hut nimmt. Davíd Oddsson, der ehemalige Ministerpräsident, der die Privatisierung der Banken einleitete und heute die Landsbanki leitet, denkt nicht daran zu gehen. Und die Banker, die auch die Pensionen der Alten verzockt haben? Die ihre unglaublichen Gehälter damit begründeten, dass sie so viel Verantwortung auf ihren Schultern trügen? Sind alle verschwunden. Vilhjálmur Bjarnason, der konservative Ökonom, der einem ruhig und sachlich die Zusammenhänge der Katastrophe auseinandersetzen kann, kriegt rote Flecken am Hals, als er sagt: "Das Unglaubliche ist, denen ging es nur ums Spielen. Die Banken, unser aller Geld, das Land, alles war für die Spielzeug." Und Gudmundsson wird recht laut, als er sagt, er kriege das mit seinem Rechtsempfinden nicht zusammen, die die"s verbockt haben, sitzen in Südfrankreich und all die vernünftigen Bürger, die nicht mitgemacht haben, sollen auf Jahrzehnte hinaus bezahlen.
Die Behörden sind keine Demonstrationen gewöhnt. Sie sind äußerst nervös und setzen Pfefferspray gegen junge Studenten ein. Die Künstlerin Katrín Ólafsdãttir hat gefilmt, wie ein paar Jugendliche von der Polizei gefesselt und abgeführt werden, die ruhig auf dem Bürgersteig standen. Als Ólafsdãttir zu einer danebenstehenden Journalistin sagt, das sei unerhört, entgegnet die: "Die Polizisten tun nur ihren Job." Ólafsdãttir aus dem Off: "Ihren Job? Die Demonstration war friedlich, warum werden die festgenommen?" Die Dame in schwarz: "Ich habe nichts gesehen." Am nächsten Tag wurden die Demonstranten als Abschaum bezeichnet. Soviel zur Rolle der Medien, die übrigens fast alle den mächtigsten Männern des Landes gehören.
Und, wie geht es nun weiter? Einar Már Gudmundssons Enkelin Kreppa heißt mittlerweile Pauline. Die Demonstranten gehen seit Montag jeden Tag auf die Straße; am Mittwoch gingen erstmals Scheiben zu Bruch. Die Arbeitslosigkeit ist mittlerweile auf 5,4 Prozent gestiegen; prognostiziert werden zwischen 10 und 25 Prozent. Die Inflation schnellte auf 18 Prozent hoch. Was deshalb so schlimm ist, weil viele Isländer Kredite in ausländischer Währung aufgenommen haben, wer also im Oktober 15 Millionen Kronen Schulden hatte, der hat jetzt 22. Kein Wunder, dass 40 Prozent der 20- bis 25-Jährigen überlegen, auszuwandern, "schließlich ist kein Land der Erde je so schnell und krass abgestürzt in Friedenszeiten", sagt der Ökonom Jãn Daníelsson. Nur Vilhjálmur Bjarnason, früher das Orakel, will sich nicht mehr äußern zur Zukunft. Er sagt nur: "Es ticken noch fürchterliche Zeitbomben, aber die will ich nicht nennen. Ich will noch leben an Weihnachten."(...)
ja, zeitbomben. auf denen sitzen wir alle schon unser ganzes leben lang. nur wird das ticken immer lauter.
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und das die "eliten" dieses ticken ebenso vernehmen und sich - was noch wichtiger ist - davon von fall zu fall auch beeindrucken lassen, zeigten vor ein paar tagen meldungen ausfrankreich:
(...)"Im Vergleich zu dem, was gerade in Athen passiert, ging es in Frankreich in den letzten zwei Wochen noch ruhig zu. Aber weil die Stimmung zu kippen drohte, ruderte die Regierung von Präsident Nicolas Sarkozy zurück und verschob kurzerhand eine umstrittene Schulreform.
In Brest warfen demonstrierende Schüler in den letzten Tagen Schaufensterscheiben ein, zerkratzten und zerbeulten Autos, einige schmissen Steine. In Lille zündeten junge Leute Mülltonnen und ein Auto an und zertrümmerten eine Bushaltestelle. In Nantes stürmten sie Schulen und schäumten sie mit Feuerlöschern voll. In einem Pariser Vorort wurde ein Schulleiter durch einen Brandsatz leicht verletzt, wie die Behörden mitteilten.
Überall in Frankreich, in Städten wie Dörfern, ließen Schüler in den vergangenen Wochen den Unterricht ausfallen, besetzten Schulen und zogen mit Transparenten durch die Straßen. Ihr Ziel: eine umstrittene Oberstufenreform verhindern, durch die rund 25.000 Stellen gestrichen werden sollten. Ihre Gegner: Präsident SarKozy und sein Bildungsminister Xavier Darcos.
Erst demonstrierten die Schüler friedlich, dann immer energischer, mittlerweile ziemlich krawallig. Jetzt gaben Sarkozy und sein Minister klein bei und verschoben kurzerhand ihr umstrittenes Vorhaben. "Das Klima ist objektiv ungeeignet, gelassen voranzuschreiten", sagte Darcos.
Damit untertreibt er: Laut Medienberichten fürchtet die Regierung griechische Verhältnisse, die Zeitung Le Monde schreibt vom "griechischen Syndrom".(...)
das hat zwar nur mittelbar etwas mit der allgemeinen krise zu tun, ist aber trotzdem in form des üblichen "wir-müssen-sparen-vor-allem-beim-sozialen" - geplärres der kapitalistischen "eliten" ein teil von ihr. und erst recht ist die benannte furcht der regierung deutlich ein resultat dessen, was bis zum heutigen tag in griechenland passiert.
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bevor wir dorthin einen blick werfen, möchte ich Sie aber noch an die in den letzten news skizzierte lage in den usa erinnern. und ebenfalls andiese nachricht aus dem september, in der es um die bereitstellung aktiver einheiten der us-army für den inlandseinsatz ging. ein republikanischer senatorwarntedieser tage vor bevorstehenden inneren unruhen in den usa, was auch die hektischen aktivitäten zur "rettung" der dortigen autoindustrie letztlich ebenso verständlich macht wie den widerstand von seiten der republikaner dagegen sowie wie die bereitstellung der armee:
(...)“We’re going to have riots. There are already people rioting because they’re losing their jobs when everybody else is being bailed out. The fairness of it becomes more and more evident as we go along. The auto companies may be hurting,” he said, but “there are very few companies that aren’t hurting and they’re going to hurt. We don’t have enough money to bail everyone out.”(...)
der letzte satz ist entscheidend. es brennt inzwischen an viel zu vielen stellen in der us-ökonomie gleichzeitig, und diese erkenntnis dürfte auch den weiter oben zitierten biden zu seiner aussage bewogen haben.
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zur situation in griechenland möchte ich heute in der hauptsache auf zwei umfassende zusammenfassungen verweisen: einmal beicontrainfo, zum anderen sind auch beitelepoliseinblicke jenseits des mainstreams zu gewinnen. bemerkenswert sind dabei für mich nicht nur die zunehmenden besetzungen plus anschließender alternativer nutzung von tv- und radiosendern, sondern auch die besetzungen öffentlicher gebäude wie rathäuser u.ä.
ein beitrag bei indymedia, dem anschein nach direktaus athen, enthält hingegen informationen, die zumindest ich bisher nicht verifizieren konnte, deren brisanz aber vor dem hintergrund der aktuellen situation nicht zu unterschätzen ist. wie gesagt, das folgende muss erst noch von anderen seiten bestätigt werden:
(...)"Ein Soldat hat informiert das Soldaten aus 45 Kasernen in ganz Griechenland öffentlich erklären das sie sich weigern auf der Strasse zu gehen und Waffen gegen menschen mit denen sie gemeinsame Zukunft wünsche haben zu terrorisieren. sie machen öffentlich das in mehre Kasernen Polizei Fahrzeuge gebracht werden um da geschützt zu sein, das es die Vorstufe von Ausnahme zustand ist, manche Kasernen mit Plastik Geschosse beliefert würden mit der ansage bei eigenen Gefahr zu schiessen.
sie sind mehre hundert Soldaten die öffentlich sich weigern und informieren wollen. eine interessante info ist das deutsche und italienische spezialeinheiten nach Griechenland gekommen sind mit den Auftrag die aufstandsbekämpfung zu unterstützen."(...)
und der letzte satz beschreibt eben bei der europäischen zusammenarbeit in sachen repression etwas, was durchaus im bereich des vorstellbaren liegt. eine zunehmende - parteiische - politisierung der armee hingegen dürfte nicht nur für die griechischen "eliten" ein absolutes warnsignal darstellen. und das würde ich als weiteren grund dafür ansehen, die information hinsichtlich der hilfe zur aufstandsbekämpfung ernst zu nehmen.
es ist offensichtlich die zeit der zurückkehrenden gespenster, nicht nur der zottelige marx tummelt sich fröhlich im mainstream und blamiert die kapitalismusgläubige ökonomie, sondern auch in anderen wissenschaftszweigen sieht man sich - natürlich ganz unversehends - mit den als "tot" deklarierten untoten aus dem keller der eigenen fiktiven realitäten konfrontiert. im falle der kulturwissenschaften trägt dieser quicklebendige und mit guten gründen extrem missgelaunte zombie den namenrealität:
"Ohne den Anspruch, Aussagen über die Wirklichkeit zu treffen, geht in den Wissenschaften gar nichts. Dabei ist das, was real genannt wird, stets umstritten. Speziell in den Kulturwissenschaften herrscht eine Lesart vor, der zufolge Realität sozial oder kulturell konstruiert sei. Doch auch bei ihnen geht seit geraumer Zeit wieder das "Gespenst des Realen" um."(...)
zynisch könnte man fragen, ob die wiederkehr dieses gespenstes nicht auch etwas mit den trüben ökonomisch-finanziellen perspektiven der sog. geisteswissenschaften generell zu tun haben könnte - die famose konstruktion beliebiger virtueller welten (für die es dann womöglich wissenschaftliche reputation, diplome und fördermittel gab) ist ein unterfangen, welches als basis untrennbar von der befriedigung gewisser körperlicher grundbedürfnisse abhängt (und nein, die halluzinationen von hungernden beruhen zwar funktionsmässig auf den gleichen mechanismen, haben aber einen anderen strukturellen hintergrund).
aber gut, ich lasse den zynismus rechts liegen - immerhin ist das thema bzw. die tatsache überhaupt der gleich zur sprache kommendenkonferenzetwas, was im besten fall einen höchst überfälligen und notwendigen paradigmenwechsel ankündigen könnte:
"In den Kulturwissenschaften gaben im letzten Jahrzehnt konstruktivistische Ansätze den Ton an: Wir konstruieren die Welt durch Symbole und Repräsentationen. Das heißt aber auch, dass wir das Reale "als solches" von uns fernhalten und ungreifbar machen. Wenn dieses Verfahren versagt, kommt es zum "Einbruch des Realen" in die Bedeutungswelt der Kultur. Vor allem in Horror und Trauma zeigen sich, so die These, Einbruchsstellen des Realen, weil Traumaerfahrungen sich nicht in symbolischen Praktiken bewältigen lassen."(...)
klar - wenn es blutig und schmerzhaft wird, brechen die konstruktionen zusammen (der wunsch nach diesem zusammenbruch könnte bekanntlich auch eine hauptrolle bei den diversen praktiken des selbstverletzenden verhaltens spielen), außer bei jenen abgebrühten zeitgenossen, deren wahrnehmung so defekthaft ist, dass zur kompensation dieser defekte nichts anderes mehr als konstruktionen (aka fiktionen, halluzinationen, als-ob-zustände) zur verfügung stehen. den stammleserInnen hier werden diese gedanken nicht neu sein. ebensowenig wie die oben im letzten satz benannte tatsache, die bspw. von einem konstruktivistisch argumentierenden wie dem verstorbenem paul watzlawickimplizit bestrittenwurde (im verlinkten beitrag der letzte teil unten). ich hatte die fällige kritik damals so ausgedrückt:
"das der begriff der wahrheit tatsächlich zur rechtfertigung von und für destruktive fiktionen benutzt wird und wurde, macht ihn deswegen absolut nicht überflüssig. wie üblich in den bekannten westlichen philosophischen strömungen, wird schlicht ihre eigene - und wichtigste - voraussetzung vergessen: sie stammen alle aus einer kultur mit verbreiteten traumatischen sozialstrukturen, die sie unreflektiert wiederspiegeln. die real nicht begründbare dominanz, die sie allesamt dem "geistigen" (aka objektivistischen) teil des menschen zusprechen, ist bereits teil einer traumainduzierten strukturellen fragmentierung auch und gerade bei denjenigen, die solche konstrukte entwickeln. sie tun das aus ihrer eigenen - bereits geschädigten - wahrnehmung heraus und setzen die ergebnisse dann als generelles und absolutes.
damit verbunden ist regelmäßig und zwangsläufig die verleugnung des körpers, wobei diese nicht platt wie bspw. im christentum (fiktion religiösen typs), sondern subtiler stattfindet - körperliche vorgänge gerade in sozialen beziehungen werden hier grundsätzlich als manipulierbar verstanden, eine konstellation, die nur bei einer bereits vorhandenen opposition (virtuelles) "geistiges ich" vs. körper überhaupt möglich ist) und der in ihm basierten möglichkeiten der authentischen wahrnehmung, auf der jede authentische - d.h. vollständige und auch gesunde - menschliche identität beruht. die durch die traditionellen erziehungspraktiken verhinderte bzw. gestörte entwicklung dieses identitätsgefühls führt zwangsläufig zu kompensationsversuchen in form von fiktionen und konstruktionen - zu als-ob-realitäten bzw. virtuellen simulationen. die von von foerster angeführten beispiele wie die kreuzzüge stellen letztlich materielle umsetzungen von als-ob-realitäten wie "göttern" (und auch "nationen") dar - und die werden nicht grundsätzlich mittels anderer simulationen aus der welt geschafft (was der konstruktivismus vorschlägt, und besonders watzlawick mit seiner "als-ob-therapie", die zb. bei traumatisierten, deren authentische gewalterfahrungen ganz real in neuronalen sub-netzwerken des gehirns und auch im körpergedächtnis gespeichert sind, dazu führt, dass die betroffenen diese erfahrungen verleugnen, als fiktion betrachten sollen), sondern einzig und alleine durch die in * allen menschen grundsätzlich angelegte volle entfaltung bzw. wiedererlangung der authentischen, körperlich basierten wahrnehmung mit all ihren beziehungsoptionen."
(* = hier würde ich mittlerweile dazu tendieren, das wörtchen "fast" zu benutzen.)
deshalb finde ich töne wie rund um diesen kongress dann auch so interessant - es geht weiter mit zitaten aus dem ersten link ganz oben:
(...)"Mit dem Realen hat es in der Moderne eine merkwürdige Bewandtnis. Spontan wird man sagen: Nichts ist gegenwärtiger und unabweisbarer als das Reale. Und doch tun Dichter, Maler, Philosophen und selbst Naturwissenschaftler sich notorisch schwer damit, Auskunft darüber zu geben, wie es 'wirklich ist'.(...)
tja, dazu braucht es lediglich funktionierende selbst- und fremdwahrnehmung, die von ihrem ganzen ansatz her dafür ausgelegt ist, die (menschliche) realität zu erfassen - genauer: zu spüren. generationenalte praktiken der desensibilisierung und der entwertung der selbstwahrnehmung vor allem bei kindern führen dann u.a. zu genau diesem resultat:
"Und doch tun Dichter, Maler, Philosophen und selbst Naturwissenschaftler sich notorisch schwer damit, Auskunft darüber zu geben, wie es 'wirklich ist'.
und verbringen dann ihr restliches leben mit vielfältigsten versuchen, diese wirklichkeit zu fassen zu bekommen. dabei sind die erstgenannten i.d.r. sogar potenziell erfolgreicher, weil sie es sich zumindest teilweise gestatten, ihre inneren schmerzen wahrzunehmen und sie in teils sehr berührende (genau das macht authentische kunst aus) materielle ausdrucksformen zu transformieren.
"Denn was sich sprachlich und bildnerisch zum Ausdruck bringen lässt oder was sich in wissenschaftlichen Versuchsanordnungen zeigt, ist schon nicht mehr das Reale 'als solches', sondern gleichsam gefiltert (und womöglich verfälscht) durch den Eigensinn subjektiver Erfahrung, kultureller Zeichensysteme oder technischer Apparate."
"eigensinn subjektiver erfahrung" ist nun mal eine der blumigsten metaphern, die ich für inneren schmerz je gehört habe. unerfreulich ist dabei aber auch die notorische implizite entwertung subjektiver wahrnehmung, die ich allerdings für unser mensch-sein konstituierend halte. und zum stichwort "technische apparate" (man könnte hier auch die naturwissenschaftlichen techniken insgesamt anführen): im streit mit konstruktivistischen ideologen jeder coleur kommt meistens als letztes argument die berufung auf die moderne physik, gerade teilchen- und quantenphysik, welche die vorstellung einer objektiven realität ein für alle mal erledigt hätten. darauf hatte ich früher mal die folgendeantwortversucht:
"erstens: ich habe keinerlei grundsätzliche schwierigkeiten mit bestimmten vorstellungen, die sich bspw. durch bereiche wie die neurowissenschaften oder auch die moderne physik ergeben - ganz grob und verkürzt meine ich damit, dass wir durch unser gehirn und mittels unserer wahrnehmung in einem gewissen sinne erst das quasi erschaffen (das wort "konstruieren" greift an dieser stelle zu kurz und inpliziert imo auch etwas falsches), was wir als materielle realität um uns herum wahrnehmen - in dem sinne, das bspw. farben, gerüche, geschmack und all die unzähligen wahrnehmungen durch das zusammenspiel von im "außen" vorhandenen atomen und molekülen mit den atomen und molekülen unseres körpers zustandekommen. und das andere sinne bspw. bei tieren wie fledermäusen (ultraschall) für diese auch dafür sorgen, dass sie eine qualitativ andere welt als die menschliche erleben - wobei wir über dieses erleben nur spekulieren können. ich hoffe, das für Sie einigermaßen deutlich ist, was ich hier meine. aber wie gesagt: eine konstruktion im sinne einer rein aktiven bzw. bewußten handlung ist das für mich nicht, weil wir für die gesamte dauer unserer existenz untrennbar in diesen prozeß eingebunden sind und das sozusagen einen grundlegenden und integralen teil unseres seins ausmacht. ebenfalls ist unsere grundlegende und spezifisch menschliche realitätswahrnehmung an unsere körperlichkeit gebunden. und das ist imo zu unterscheiden von der art konstruktivismus, für die primär der objektivistische modus zuständig ist. und meine kritik bezieht sich eben auf diese letztere art.
zweitens: eine folgerung daraus kann ich hoffentlich ziemlich kurz abhandeln - es geht um den konsens der realität, den wir alle permanent und ununterbrochen produzieren. wobei es hier um die äußere realität geht - in der bspw. ein tisch durch seine funktion und handfeste beschaffenheit definiert wird, und in der wir durch die nutzung der sprache - hier eben des wortes "tisch" - dieses wissen bei uns allen aufrufen und uns derart verständigen können - und zwar relativ unabhängig von unseren ganz persönlichen assoziationen und empfindungen, die wir mit einem tisch ansonsten noch verbinden - die können sehr unterschiedlich sein, und vervollständigen sozusagen den grundkonsens "tisch" um eine einzigartige, individuelle note. nur in diesem sinne ließe sich behaupten, dass jede person einen tisch "für sich" wahrnimmt (wie es der radikale konstruktivismus nahelegen würde) - aber das ist eben nur die eine hälfte der realität, wobei sie untrennbar zur - und hier ist dieses wort angemessen - objektiven realität dazugehört. es lässt sich unmöglich sagen, dass die eine hälfte "besser" oder "realer" als die andere wäre - nur das die funktion, welche die objektive realität schafft, eine elementar subjektive ist (genauer nachzulesen in den weiter unten stehenden beiträgen zum thema objektivismus und subjektivität.)
und so wird hoffentlich deutlich, dass die trennung zwischen subjektiven und objektivitäten realitäten ein grundlegender irrtum ist - wenn es den anschein dieser trennung trotzdem gibt, so hat das gründe, die eher in unseren verrückten sozialen verhältnissen zu suchen (und zu finden) sind.
drittens: wenn schon der allgemeine, eher philosophische konstruktivismus derartige verwirrungen anzettelt, so wird das im falle der konstruktivistischen psychologischen ansichten geradezu kriminell: dieses denken konsequent auf das soziale leben angewandt, landet man(n) schurstracks beim solipsismus - in dieser sicht ist und bleibt jede/r von uns auf ewig eingekerkert in einer inneren zelle ohne ausgang, deren wände aus schichten von abbildungen, illusionen und fiktionen bestehen - ohne jede chance, jemals die tatsächliche realität wahrzunehmen. das erinnert nicht ganz zufällig auch an den autismus , wobei hier defektbedingt das meiste bzw. all das von dem verschwunden ist, was wir allgemein als subjektive realität zu bezeichnen pflegen - es bleibt einzig der objektivistische modus mit seinen konstruktionen übrig, die ohne den elementaren subjektiven teil zwar weiterhin funktional(!) subjektiv sind und bleiben, aber eben die typischen mechanistisch-toten eigenschaften der objektivistischen produktionen als totale und einzige realitätswahrnehmung zulassen - einfach, weil die wahrnehmungsfähigkeiten, die die lebendigen qualitäten wahrnehmen könnten, geschädigt oder nicht (mehr) vorhanden sind."
auch mit inzwischen mehrjährigem abstand scheinen mir in den obigen absätzen die wesentlichen kritikpunkte am konstruktivismus weiter treffend zu sein. und vor diesem hintergrund lese ich im aktuellen text:
"So suggeriert der Begriff des Realen einerseits etwas Eigentliches, Wesentliches und Grundlegendes, dessen man andererseits nur in einer entstellten und verminderten Gestalt habhaft werden kann.
'Das Reale' ist massive Präsenz, die aber nicht repräsentiert werden kann und sich in dem Maß entzieht, in dem man sie zu fixieren versucht. Es liegt geradezu in der Definition des Realen, dass es nicht von den Vorstellungen erreicht wird, die man sich von ihm macht."(...)
nochmal: "entstellt und vermindert" erscheint die "gestalt" der realität nur dann, wenn die psychophysischen funktionen der realitätswahrnehmung entstellt und vermindert sind. und für das letztere ist i.d.r. die vielfältige gewalt in unseren sozialstrukturen verantwortlich.
den letzten satz im zitat hingegen unterschreibe ich, aus einem gleich folgenden grund:
"So paradox es klingt: Das Reale stört als exzentrische Größe die innere Stimmigkeit der Sprach- und Erkenntnissysteme, die sich um seine Bestimmung bemühen. Daher rühren auch die Versuche, es sich unter dem Stichwort der sozialen bzw. kulturellen Konstruktion der Realität gleichsam vom Leibe zu halten."
das die "innere stimmigkeit" der sprach- und erkenntnissysteme nur ein mehr oder weniger schöner schein ist, lässt sich grob gesagt dadurch verstehen, in dem man die psychophysische quelle dieser systeme (ein sehr passender begriff) betrachtet: es ist diejenige instanz in uns, die sich als objektivistischer modus begreifen lässt - derjenige teil, der die (schlimmstenfalls völlig empathielose) art der instrumentellen "vernunft" hervorbringt, deren wildes wuchern dafür mitverantwortlich ist, das die westliche "zivilisation" in nicht mehr allzu ferner zukunft komplett gegen die wand fahren wird, falls wir nicht zuvor die fallen unserer bisherigen annahmen über die realität erkennen. die nur aus psychotraumatologischer sicht verständliche glorifizierung dieser tödlichen art der "objektivität" verhindert bis dato auch weitgehend die erkenntnis des grundes hierfür:
"Es liegt geradezu in der Definition des Realen, dass es nicht von den Vorstellungen erreicht wird, die man sich von ihm macht."
und das liegt schlicht und einfach daran, dass die konstruktionen des objektivistischen modus, wenn sie in einem menschen oder auch ganzen gesellschaften dominant werden, als kompensationsversuch von wahrnehmungsdefekten fungieren. wie schon früher ausführlicher erläutert, ist dieser modus zu unserem unglück funktionell weder dafür gedacht noch ausgestattet, die - hm, ganzheitliche subjektive realitätswahrnehmung zu ersetzen. das geht einfach nicht. und das geht unter anderem auch deswegen nicht, weil die volle realitätswahrnehmung bereiche umfasst, die dem werkzeug der objektiv-instrumentellen vernunft nicht zugänglich sind - bspw. intuitionen, ahnungen, das ganze spektrum der unaussprechlichen und teils widersprüchlichen gefühle. ich kann das werkzeug zwar nutzen, um solche inhalte auszudrücken (das machen zb. wie schon erwähnt künstlerInnen), aber dabei kommt es zwangsläufig trotzdem zu einem informationsverlust, bei dem die entscheidende frage jedoch sein dürfte, wie groß er real ist. kann ich in einer fremden erfahrung sozusagen mitschwingen, und zwar auch in dem wissen, dass ich diese erfahrung in ihrer originären form niemals kennen werde? oder muss ich mir komplett etwas konstruieren, was beliebig weit vom eigentlich gemeinten entfernt sein kann? noch anders: wie weit sind meine möglichen vorstellungen über fremde realität entfernt von der tatsächlichen realität? die beantwortung dieser frage ist meiner meinung nach überhaupt kein intellektuelles spielchen, sondern aufgrund ihrer implikationen lebenswichtig.
und das letztere sehe ich auch dann als gültig, wenn ich mir deutlich mache, dass der realität unsere vorstellungen letztlich egal sein können - sie ist einfach, und wird wahrgenommen, fehlwahrgenommen oder auch gar nicht wahrgenommen.
"Gleichwohl ist es niemals zu bannen. Regelmäßig taucht es wieder auf, wenn die Faszinationsphase eines neuen ästhetischen oder wissenschaftlichen Paradigmas abklingt. Und so könnte man das Reale als eine Art Wiedergänger porträtieren, der jeden Tod übersteht - sei es durch den philosophischen Idealismus, der das schöpferische Ich privilegiert; den Symbolismus, der unsere Weltsicht durch die Art unserer Symbolverwendung geprägt sieht; oder den sogenannten linguistic turn des 20. Jahrhunderts, demzufolge sprachliche Zeichen die Welt nicht bloß abbilden, sondern erzeugen.
Wie ein Kobold schaut das Reale um die Ecke, sobald die Verdrängungsenergien der jeweiligen Theorie zu erlahmen beginnen. Und diese koboldhafte Wiederkehr kennzeichnet offenbar auch die aktuelle theoretische Situation."(...)
"wie ein kobold", allerdings ein ziemlich böser, drängen sich bspw. auch traumatische erinnerungen mittels flashback in die wahrnehmung betroffener - sobald "die verdrängungsenergien zu erlahmen beginnen".
und wenn ich das auf die situation der kulturwissenschaftlichen theorie & praxis beziehe: solche momente sind eine chance für einen prozeß der wiederherstellung oder rückerlangung von verlorengegangenem wahrnehmungspotenzial, in letzter konsequenz also für subjektwerdung. und von daher sage ich nochmal mit nachdruck:
(...)"»Das System macht keine Fehler, das System ist der Fehler.« Diese schlichte Tatsache ist in Griechenland weit über die Anarchisten hinaus verinnerlicht bei den Schülern, Studierenden und Arbeitenden, die nicht nur in diesen Tagen gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen kämpfen. Sie alle setzen sich jeweils mit ihren eigenen Methoden zur Wehr – mit Kundgebungen, Schulbesetzungen, Schweigemärschen, Demonstrationen, mit Streiks, Werksbesetzungen, mit Steinen und Brandsätzen, mit Kerzen und Blumen. Und auch wenn in den eigenen Reihen die Auseinandersetzung über die Wahl der »richtigen« Mitteln oft heftig geführt wird, ist man von der in Deutschland bis zum G-8-Gipfel noch geradezu reflexhaft geleisteten Distanzierung von Gegengewalt weit entfernt.(...)
Die Angriffe auf Banken und Polizeiautos werden in den nächsten Tagen wieder auf das eher gewohnte Maß zurückgehen. Die Chance für Veränderungen im Land liegen in der beharrlichen Arbeit, an der Organisierung einer größtmöglichen Anzahl von Ausgebeuteten. Daran arbeiteten – wenn auch getrennt – die Kommunisten, die Linken, aber auch die Libertären und Anarchisten nicht erst seit den tödlichen Schüssen auf Alexis Grigoropoulos. Nur eben meist nicht im Rampenlicht der internationalen Aufmerksamkeit."
es finden weiterhin täglich in vielen städten und dörfern demonstrationen statt, viele universitäten sind besetzt, die letzten zahlen (per indymedia) sprechen auch von ca. 400 besetzten schulen. für den 20.12. wird aus griechenland zu eineminternationalen aktionstag aufgerufen. und die these von einer sozialen revolteerhärtetsich:
(...)"Laut einer in der Zeitung Kathimerini veröffentlichten Umfrage stuft die Mehrzahl der Griechen die Proteste als „Volksaufstand“ ein. Sechs von zehn sagten demnach, es handle sich um ein „Massenphänomen“ und nicht nur um eine protestierende Minderheit. Der konservative Zeitungsverleger Giorgos Kyrtsos meint, die Proteste seien Ausdruck einer weit verbreiteten Unzufriedenheit. „Wir treten jetzt in eine lange Periode der Wirtschaftskrise ein“, sagt er.
„Aber es gibt auch eine sich vertiefende soziale Krise, in Verbindung mit einem schwachen Staat. Wir befinden uns wirklich an einem Kreuzweg.“ Scharf kritisiert er das Verhalten der Regierung angesichts der Unruhen. „Das ist die einzige Regierung, an die ich mich erinnern kann, die es geschafft hat, nicht nur die rebellische Jugend, sondern auch die ordnungsliebende Menge gegen sich aufzubringen. Sie hat niemandem etwas anzubieten.“(...)
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während hierzulande das weihnachtsgebimmel und -geklingel für verschärfte sedierung sorgt. manchmal ertappe ich mich bei der vorstellung, ob nicht tatsächlich tranquilizer im trinkwasser - aber nein, es ist dann doch wahrscheinlich "nur" die stinknormale soziale trance. die womöglich immer mehr dafür verantwortlich ist, dass uns der ganze laden bisher noch nicht um die ohren fliegt. beim studium diverser wirtschaftsblogs und -foren durch die letzten monate ist mir aufgefallen, dass die dortigen szenarien im abstand von ein paar wochen dann später auch im mainstream verkündet werden. und während dieser jetzt bei der schweren rezession angelangt ist, wird online schon an vielen orten diedepressionals realistisches szenario gehandelt. der unterschied zwischen beidem? nun, ich würde das so überspitzt formulieren: in einer schweren rezession gehen wir in billigklamotten zur tafel, um uns dort mit resten abspeisen zu lassen. in einer depression hingegen finden wir uns womöglich ziemlich zerlumpt vor einer staatlichen suppenküche auf einem öffentlichen platz wieder. schafsmentalität natürlich vorausgesetzt.
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der existenz von fehlwahrnehmungen und folgender schönrednerei allerorten wird dabei zugebenermaßen auch dadurch gefördert, dass sowohl die meisten zuständigen "experten" als auch erst recht die politik herzerfrischend wenig ahnung von der derzeitigen ökonomischen prozessen zu haben scheint - was soll man dann noch groß der bevölkerung zuwerfen, außer beruhigungspillen? wenn ich es - mit aller vorsicht - richtig begreife, ist noch nicht einmal die hier und da bereits begrabene finanzkrise des herbstes begriffen worden, geschweige denn beendet - einen blick in die konstruktivistische welt der finanzprodukte und undurchsichtiger bilanzen liefert einmal mehr wirtschaftsquerschuss, heute mit einer weiterbildung zur frage, was eigentlichlevel-3-assetssind, und warum sie womöglich auch eine bedeutung für Ihr leben haben.
btw: kann sich eigentlich noch jemand an die zeit so von anfang september bis mitte oktober erinnern, als die lehman bros. den verdienten weg aller kapitalistischen institutionen antraten? ich meine die abermilliarden, die bereits vor den ganzen "rettungsschirmen" woche für woche von diversen zentralbanken rund um den globus in "die märkte" geschüttet worden sind. wer hat dieses geld real, wo ist es geblieben? und wer bezahlt die rechnung? fragen über fragen tun sich auf, und falls es in einigen jahren noch bücher und verlage geben sollte, prognostiziere ich schon mal eine flut von historischen rückblicken, ökonomischen selbstkasteiungen und soziologischen analysen.
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das wörtchen "falls" oben steht da schon begründet - robert kurz macht sich in der taz gedanken zursystemkrise, und verteilt am ende noch ein paar dezente watschen nach links:
(...)"Weltweit steht die marktwirtschaftlich befriedete politische Linke mit offenem Mund da. Alle pragmatische Realpolitik in der besten aller Welten erweist sich als Lebenslüge. Der Epochenbruch von 2008 dementiert nicht den von 1989, sondern bildet dessen Fortsetzung. Denn das Ende des östlichen Staatskapitalismus gehörte ebenso wie die asiatischen und lateinamerikanischen Krisenschübe der 90er Jahre und der Dotcom-Crash 2001 zu den Vorboten einer allgemeinen Weltmarkt- und Systemkrise.
Der Kapitalismus scheitert an seinen eigenen Kriterien. Politisches business as usual war gestern. Das wird sich spätestens dann herumsprechen, wenn die Krise in den Alltag der postmodernen Ich-AG-Menschen durchbricht."
yep, yep und yep. wir hatten die metapher hier schon vor ein paar wochen: "revolutionäre situation ohne revolutionäre". (danke dafür an g.)
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und ich kann nur dazu raten, die metapher tatsächlich ernstzunehmen. denn die basis für eine revolution wird letztlich in unendlich vielen kleinen und gar unscheinbaren alltagssitutionen gelegt, die dann am ende eine art akkumulation der wut ergeben. oder auch "nur" das wachsen der erkenntnis, dass "es" so auf keinen fall weitergehen kann. was "es" dabei meinen kann, zeigt der folgendeartikel:
(...)"Das System ist grausam geworden und funktioniert eigentlich nicht gut - das beunruhigt." Overprocessing, Bürokratie, Arbeitsüberlastung, Stress bis zum Burn-out und Demotivation seien die Namen für diesen großen Frust.(...)
innere kündigung ist letztlich nur ein synonym für die aufkündigung der loyalität. erst zum "eigenen" betrieb, dann irgendwann auf die gesamte art der herrschenden ökonomie, dann folgt ein sprung zum staat - und dann irgendwann vielleicht im besten falle das, was im gestrigen beitrag der text aus griechenland so prägnant-poetisch auf den punkt brachte:
"Eine Loslösung von dem Warten auf andere Tage, zu einem Punkt, an dem so viele gleichzeitig dachten: „Das war es, kein Schritt weiter, alles muss sich ändern, und wir werden es verändern.“
yo!
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bei weissgarnix fand sich vor ein paar tagen ein beitrag mit dem titelDie anal-erotische Finanzkrise, den ich in wesentlichen teilen sehr ärgerlich finde. ein ausführlicher kommentar dazu, sobald ich mehr zeit zum schreiben habe. aber den wollte ich Ihnen schon vorher vorstellen, zumal er wenigstens einen versuch darstellt, die ganze geschichte mal aus einer völlig zu kurz kommenden und unterbelichteten perspektive zu betrachten.
"Trotz des starken Wirtschaftswachstums in Indien haben sich im Jahr 2007 erneut mehr als 16 600 verarmte Bauern das Leben genommen. Die Zeitung "The Hindu" berichtete unter Berufung auf offizielle Statistiken, allein im westindischen Maharashtra hätten aus wirtschaftlicher Not über 4000 Bauern den Freitod gewählt. Die Gesamtzahl der Kleinbauern-Selbstmorde liege etwas unter der im Jahr 2006, als sich landesweit mehr als 17 000 Landwirte das Leben genommen hätten. Der Trend sei aber ungebrochen. Seit dem Jahr 1997 hätten sich 180 000 meist hoch verschuldete Bauern in Indien selbst getötet."(...)
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edit am 16.12.: zwei weitere nachträge, die ich einfach mal mit rein packe.
der eindruck, dass manche mitmenschen nicht von hier bis zur nächsten ecke denken können, überkommt mich derzeitig öfter bei freudenausbrüchen angesichts des niedrigen öl- bzw. benzinpreises. ja hallo? da öl der treib- und schmierstoff der motoren der globalen kapitalistischen ökonomie darstellt, was bedeutet denn dann die tatsache, dass der preis aufgrund niedriger nachfrage so derart eingebrochen ist? und was bedeutet die immer heftiger verleugnete bis bekämpfte realität vonpeak oildaher für die zukunft dieser art von ökonomie? richtig:Es reicht einfach nicht:
(...)""Ich bin Pessimist", behauptet Altvater von sich selbst. Entsprechend düster fällt die Zukunftsprognose aus, die er im Jahr 2005 in seinem Buch "Das Ende des Kapitalismus wie wir ihn kennen" aufgestellt hat: Altvater vertritt darin die These, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem bald den Exitus erleiden wird, weil ihm seine wichtigsten Ressourcen ausgehen: Öl und Gas. "Unser Zivilisationsmuster ist dann am Ende", sagt Altvater.
Mit dieser Einschätzung steht er nicht alleine da. Im deutschsprachigen Raum haben sich bisher allerdings nur wenige Wissenschaftler mit der Frage beschäftigt, welche Folgen es für Wirtschaft und Gesellschaft haben wird, wenn fossile Energieträger in absehbarer Zeit zur Neige gehen.
Einen von ihnen ist Jörg Schindler, Geschäftsführer des Ludwig-Bölkow-Instituts für Systemtechnik in Ottobrunn, das sich mit umweltfreundlichen Energie- und Verkehrssystemen beschäftigt. Über sich selbst sagt Schindler, er sei Optimist, doch das Ergebnis seiner Studie zur Verfügbarkeit von Öl und Gas ist furchterregend: ,"Es könnte Dinge geschehen, die wir nie zuvor erlebt haben und die wir wahrscheinlich nie wieder erleben werden, wenn die Übergangsphase abgeschlossen ist", schreibt Schindler darin.
Sein zentraler Befund lautet: Die weltweite Ölförderung hat im Jahr 2006 ihren Höhepunkt erreicht und wird bereits im nächsten Jahr zurückgehen - und zwar unwiderruflich. Beim Erdgas sieht die Situation nur unwesentlich besser aus. Selbst neue Funde könnten den Rückgang der Öl-Produktion allenfalls bremsen, aber keinesfalls aufhalten.
Denn von den 48 wichtigsten Förderländern haben 33 ihr Fördermaximum bereits hinter sich. Nur ein Beispiel: Das Ölfeld Cantarell vor der mexikanischen Küste zählt zu den größten der Welt, seine Förderleistung bricht jedoch so stark ein, dass Mexiko voraussichtlich in fünf Jahren kein Öl mehr exportieren kann."(...)
die nicht mehr allzu gewagte prognose, die sich daraus zwangsläufig ergibt: die aktuelle krise wird kein ende mehr finden. jedenfalls solange nicht, wie nicht qualitative und grundsätzliche veränderungen nicht nur unserer art der ökonomie, sondern des gesamten lebensstils, mit absoluter priorität auf die agenda gesetzt werden. und gerade daran werden die "eliten" zum größten teil keinerlei interesse haben.
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und was krise bedeutet, ist in den usaimmer offenerzu beobachten:
(...)"Nahe dem Pentagon am südlichen Ufer des Potomac in einem grossen Einkaufszentrum stehen die Dinge entsprechend; nicht einmal unerhörte Discounts - «70 Prozent!» - animieren die Käufer. «Alle Schnäppchen, deren Preise mit 99 Cents enden, sind nochmals 30 Prozent verbilligt!», lockt die Managerin einer Bekleidungskette, ohne dass sich ihr Laden deshalb mit Kunden füllte.
Schon möglich, dass auch sie im Frühjahr, wenn die Zahl der Pleiten explodieren dürfte, auf der Strasse stehen wird. Nahezu 60'000 Betriebe und Firmen sind 2008 im Schlepptau der Krise in die Insolvenz geschlittert, darunter grosse Banken wie Lehman Brothers und kleine Klitschen, die ihren Inhabern gleichwohl den amerikanischen Traum garantierten. In Detroit hoffen die Autowerker unterdessen auf ein weihnachtliches Wunder, derweil Autohändler Verkäufer und Mechaniker feuern.
So steil sind die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung angestiegen, dass 30 Bundesstaaten das Arbeitslosengeld auszugehen droht, während die Kassen zweier Staaten - Michigan und Indiana - bereits leer sind. Kalifornien steht vor einem Budgetloch von über 40 Milliarden Dollar, andere Staaten haben längst begonnen, Bedienstete zu entlassen und Projekte einzufrieren.(...)
Millionen Amerikaner haben ihre Wohnungen und Häuser bereits verloren, weitere Millionen werden sich 2009 dazugesellen - und Wohnviertel hinterlassen, deren unheimliche Leere sich nicht dem Einsatz einer Neutronenbombe verdankt, sondern dem Untergang des Turbokapitalismus. Mittlerweile wächst die Zahl der Hungernden und zehrt jeder Zehnte bereits von staatlichen Lebensmittelmarken.
«Mehr und mehr arbeitende Arme schliessen sich den Reihen arbeitsloser, verarmter und obdachloser Familien an», berichtete Carolyn Duff, die Vorsitzende der Vereinigung der Krankenschwestern in amerikanischen Schulen, vorige Woche bei einer Anhörung über die Lebensmittelkrise vor dem Landwirtschaftsausschuss des Senats. Das Land, lautete danach das Fazit des demokratischen Senators Patrick Leahy, befinde sich in einer «signifikanten Wirtschaftskrise, und Hunger ist eines der ersten Anzeichen, das wir in dieser reichsten Nation der Erde sehen».(...)
sollte man jetzt zynisch werden und gerade auch im angesicht einer meldung wie weiter oben stehend aus indien sagen, dass es ja mal wenigstens "die richtigen" trifft, nämlich die bewohnerInnen ausgerechnet des landes, welches wie kein zweites den kapitalismus global durchgesetzt hat? oder eher berücksichtigen, dass es auch in den usa größtenteils wieder diejenigen treffen wird, die eh die arschkarte gezogen haben? und hoffen, dass sich auch dort endlich etwas zu rühren anfängt?