notiz: nase voll - von schnupfen, finanzkrisen, soziopathen & zeltstädten, krieg & ptbs, peakoil...

und sie ist nicht nur metaphorisch, die volle nase - ich lag die letzten tage mit einer ausgewachsenen erkältung flach, die mich immer noch beschäftigt und für große unlust und schlechte laune sorgt. daher verzögern sich alle angekündigten beitrage mal wieder, und für den moment gibt´s nur ein paar hinweise auf aufgefischtes aus dem netz, was allerdings die schlechte laune keinesfalls zu verbessern vermag. aber für den augenblick will ich einfach mal der ansonsten durchaus unrealistischen maxime folgen, nach der geteiltes leid auch schon halbes leid sei.

*

"Die US-Kreditkrise entwickelt sich immer mehr zum Kriminalfall. Jetzt hat die Justiz Betrugsermittlungen aufgenommen. Im Fadenkreuz stehen nicht nur Einzeltäter, sondern auch große Investmentbanken. Sie sollen das Chaos absichtlich mitverursacht haben - um dann eiskalt zu profitieren.

Die Geschichte der Wall Street ist immer schon auch eine Geschichte des Verbrechens gewesen. Eine Geschichte von Betrügern und bösen Buben, von Gaunern und Gangstern. Das liegt in der Natur des Geldes."(...)


so steht´s jedenfalls in
spon geschrieben, und das ist ein weiteres unerfreuliches beispiel für das, was sich als fragmentierende/spaltende/dissoziative wahrnehmung in den mainstreammedien allerorten und tag für tag beobachten lässt. das globale börsen-monopoly auch als "geschichte des verbrechens" zu begreifen, ist dabei ein ganz richtiger aspekt. und ließ mich wieder an diesen schönen satz erinnern:

"Könnte ich die Psychopathen nicht im Gefängnis studieren - an der Wall Street würde ich genug von ihnen finden."

eine vor solchen hintergründen gezogene schlußfolgerung wie im spon-artikel jedoch -

(...)"So ist es kein Wunder, dass auch in diesen aktuellen US-Krisenzeiten unweigerlich die Frage aufkam: Wer trägt denn wirklich Schuld an dem ganzen Schlamassel? Eine Antwort, die man in den USA dieser Tage immer lauter hört ist: kriminelle Elemente!"(...)

- ist eine für die systemerhaltung zwar nützliche, aber schlicht irreführende pseudoantwort, für die eine fragmentierende wahrnehmung grundvoraussetzung ist. klar dürften sich gerade soziopathische charaktere in den größtenteils virtuellen welten der globalen finanztransaktionen wohlfühlen, in denen mit konstruierten "produkten" gehandelt wurde bzw. wird, für die zum vollen verständnis ihres aufbaus jeder außenstehende erstmal ein paar wochen intensive gedankliche arbeit leisten muss. bloß: um in solchen dimensionen wie jetzt sichtbar wirken zu können, braucht selbst der intelligenteste soziopath entsprechenden "humus" in form eines begünstigenden umfeldes, in dem er sich nicht nur wie ein fisch imwasser bewegen kann, sondern auch toleriert und womöglich für seine "erfolge" noch bewundert wird. und genau dieser humus steht bei der aktuellen wirtschafts"ordnung" in form von ideologie, gesetzen, willfährigen staaten und politikern sowie einer größtenteils mit immer weniger brot & ausreichend dümmlichen spielen in sozialer trance gehaltenen & befindlichen öffentlichkeit in nur allzugroßem maß zur verfügung.

und die
affinität des kapitalismus zur soziopathie - vielleicht mit am deutlichsten zum ausdruck gebracht im konstrukt des homo oeconomicus als immer noch verbreitetes modell "des" menschen - ist dabei das strukturelle grundproblem der ganzen geschichte, welches auch nicht dadurch gelöst werden kann, bei den jeweils aktuellen "skandalen" und krisen die besonders auffälligen (oder dümmsten) protagonisten aus dem verkehr zu ziehen, sondern nur durch einen im besten sinne radikalen schnitt: und der muss zum beginn beim begriff des "eigentums" (produktionseigentum, nicht gebrauchseigentum ist in einem späteren schritt das ziel der operation) ansetzen, bei dem es sich um ein konstrukt handelt, welches vermutlich eine der größten kollektivhalluzinationen in der geschichte dieser spezies überhaupt darstellt. und dessen materielle basis in unserer als "normal" empfundenen wahrnehmung stecken dürfte, dass ich bzw. wir einen körper "haben", der quasi unser "grundeigentum" darstellen würde. das "ich" aber, das solches wahrnimmt, ist allen indizien nach weder die einzige menschenmögliche, noch die gesündeste form der selbstwahrnehmung, die uns möglich ist, sondern das produkt der ganz "normalen" pathologischen sozialen zustände, an die wir uns alle über jahrhunderte gewöhnt haben. wenn Sie ernsthaft zu denjenigen gehören sollten, die an diese halluzination glauben - "mein körper gehört mir" - ,dann werden Sie spätestens im moment Ihres todes eine große und vermutlich für Sie unerfreuliche überraschung erleben...

(und nein, für den gegenseitigen respekt vor eigenen und fremden körperlichen grenzen und der allgemeinen integrität jedes menschen ist die postulierung der einbildung namens "eigentum" durchaus nicht nötig, und gleiches gilt für einen angemessenen umgang mit fremden gebrauchseigentum. derlei fähigkeiten haben eher etwas mit nicht pathologisch funktionierenden (selbst-)wahrnehmungsfähigkeiten und daraus folgenden eigenschaften wie vertrauensfähigkeit und großzügigkeit zu tun.)

*

um von den abstrakten stürzenden (oder steigenden) kurven der diagramme von kursen und inflationsindexen wieder in die reale welt zu kommen und um zu sehen, wie sich das treiben der finanzeliten in dieser auswirkt, ist es hilfreich, einmal einen blick auf eine der
zeltstädte zu werfen:

(...)" Die Sonne über Kalifornien sorgt für angenehme Temperaturen. Herb duftende Holzspäne bedecken den Boden. Darauf stehen in Reih und Glied 149 grün-weiße Polyesterzelte, fabrikneu. Ein Campingplatz? Das Idyll trügt. Alle zehn Minuten peitscht ein startender Jet über den kargen Staubplatz. Erholung findet hier sowieso niemand.

Das Lager ist eine staatliche Reaktion auf eine wild wuchernde Zeltstadt, die sich in den letzten Monaten am Stadtrand von Los Angeles ausgebreitet hat. Zeitweise 600 Frauen, Männer und Kinder hausten dort zwischen Gleisen und streunenden Hunden, Bergen von Abfall und klapprigen Möbeln. Jetzt wurde daneben eine zweite, offizielle Zeltstadt errichtet. Die Menschen, die hier leben, gehören zu den Millionen zahlungsunfähiger US-Familien, deren Häuser im Zug der aktuellen Finanzkrise zwangsversteigert werden. Der Staat weiß keine Antwort auf ihre Probleme; alles, was er zu bieten hat, sind notdürftige Unterkünfte – und das mitten in den USA."(...)


ja, und das mitten in den USA. aber immerhin haben sie dort noch genügend
parkplätze - für diejenigen, die noch ums zelt drumrum kommen:

(...)"Es ist noch gar nicht so lange her, da lebte die ehemalige Notarin im kalifornischen Santa Barbara in einem Apartment mit einem Garten voller Rosen und Jasmin. Dann aber kam die Immobilienkrise. Harvey verlor ihren Job - und das in einer Stadt, in der ein Haus im Schnitt eine Million Dollar kostet. Nun wohnt die Mutter von drei erwachsenen Kindern auf einem Parkplatz - immerhin einem der bestbewachten der Stadt. Er gehört zu den zwölf Parkplätzen in Santa Barbara, die vom Wohltätigkeitsverein New Beginnings (Neuanfänge) gesichert werden. Auf ihnen stehen insgesamt 55 Autos mit unfreiwilligen Dauercampern.

Der Leiter der Obdachlosenorganisation National Coalition for the Homeless, Michael Stoops, hält Harveys Geschichte keineswegs für ein Einzelschicksal. "Uns berichten viele Vereine und Menschen ganz ähnliches", sagt er. "Das ist definitiv ein Trend." Für viele Menschen, die Haus oder Arbeit verlören, sei es "der schlimmste Alptraum", buchstäblich auf der Straße zu landen. Deshalb lebten sie lieber in ihrem Auto.

Zwar habe die Obdachlosigkeit in der traditionellen Mittelklasse noch keine "epidemischen Ausmaße" erreicht, sagt Gary Linker, der Leiter von New Beginnings. Aber es seien "doch einige" Menschen betroffen. Allerdings gebe es im Vergleich zu früher immer mehr US-Bürger aus der unteren Mittelschicht, die auf Parkplätze umziehen müssten. Das Spektrum von Menschen, die auf den geschützten Stellplätzen lebten, sei jedoch breit, auch Verwirrte und Drogenabhängige seien darunter. Immerhin hat jeder zweite Dauerparker Arbeit. Elektriker sind dabei, Klempner und Busfahrer."(...)


"home of the brave, land of the free" - auch wenn der tapfere nur noch die freiheit hat, sich zwischen parkplatz und zelt zu entscheiden.

*

oder aber sich in alter schlechter manier von der army anwerben zulassen. wo dann auch home of the brave, land of the free gesummt wird. da war doch noch was? ahja, schauen Sie sich mal zum ersten nur
dieses bild an. schauen Sie sich´s lange an.

und dann lesen Sie sich zweitens
das durch:

(...)"Da rannte Elliott in Silver Spring, einem Vorort Washingtons, sturzbetrunken auf die Straße, brüllend, mit einer geladenen Smith & Wesson herumfuchtelnd. "Wollt Ihr mich erschießen?", forderte er die Polizisten heraus, die ihn aus der Entfernung ins Visier nahmen. "Erschießt mich!" Erst nach 20 Minuten setzte ihn der Taser-Stromschlag eines Cops außer Gefecht.

Bis heute kann sich Elliot nicht an die Details des Vorfalls erinnern. Nur eins weiß er: Er ist noch mal davongekommen. Denn Elliot versuchte damals nichts anderes als "suicide by cop" ("Selbstmord per Polizei") - eine nicht zuletzt bei Veteranen immer beliebtere Methode, ihr posttraumatisches Seelenleid zu beenden.

Elliott hatte Glück im Unglück. Doch Tausende andere Veteranen gehen ungehindert in den Freitod, auf diese oder herkömmliche Weise, mit Schlaftabletten, dem Strick, Schusswaffen: Suizid, so Experten, ist zu einer regelrechten Epidemie unter US-Kriegsheimkehrern eskaliert."(...)


zur täter-opfer-problematik bei us-veteranen hatte ich früher in einer
filmbesprechung schon etliches geschrieben, was ich weiter für gültig halte. im lichte der aktuellen entwicklungen jedoch tritt der ganze irr-sinn der us-amerikanischen & kapitalistischen welt"ordnung" mit ihren katastrophalen folgen für das reale leben realer menschen jedoch auf eine derart drastische weise hervor, dass es einen nur noch so schüttelt.

*

Mit Vollgas gegen die Wand scheint aber das motto der gesamten, vom westlichen "way of (antisocial) life" dominierten - oder vielleicht besser: infizierten - welt zu sein, wobei ich letztens ja schon auf einen teil dieser wand hingewiesen habe, der unter dem namen peak oil inzwischen breiter bekannt geworden ist. und das der ölpreis gegenwärtig mal wieder fällt, hat mit der grundsätzlichen realität des peaks nichts weiter zu tun. als anschaungsmaterial zum schluß noch zwei kurze filme zum thema - einmal von der nzz, der auch auf die seltsamen und sich anscheinend selbst reproduzierenden ölvorkommen einiger opec-staaten eingeht:



und zum anderen ein beißendes stück politisches kabarett direkt "aus der anstalt", welches sich mit dem ebenfalls bereits angesprochenen quasi suchtverhältnis der westlichen gesellschaften bezgl. des öls beschäftigt (danke an lotta für den hinweis darauf!):



*

als nächstes geht´s dann hier weiter mit der diskussion rund um den autismusbegriff.
perfectcrime (Gast) - 17. Jul, 20:28

Ein Schöner rundumschlag

war das. Ich wünschte ich hätte auch mal etwas mehr zeit um mal wieder allen gestalten dieser Welt mein ungeteilte aufmerksamkeit zukommen zu lassen, aber die uni raubt mir selbst die letzten freien Sekunden.

Zum Spiegel-Artikel und den Schlüssen daraus bin ich nicht ganz deiner Meinung. Ich finde nämlich, dass die Aktionen von FBI und Co in dieser Sache zwar nicht vorbildlich, aber dennoch positiv sind. Dort wird von hohen Stellen versucht, etwas gegen die Moral- und Gesetzlosigkeit in der Wirtschaft zu unternehmen. Viele Wirtschaftskriminelle sitzen dort Haftstrafen von 40 oder mehr Jahren ab, aktuell werden Großbanken wegen Hilfe bei der Steuerhinterziehung rangenommen (und auch dort wurde schon persönlich gegen Täter vorgegangen - ein Banker der UBS wurde schon seit längerem in Amerika von der Ausreise gehindert und quasi unter "Hausarrest" gestellt. Und auch in dem aktuellen Fall werden sicher ein paar Gestalten "bluten" müssen. Die Ansicht, dass es solche Taten nur in - und vor allem wegen - des Umfelds gebe stimmt sicherlich, ich finde aber, dass es in dieser Sache eben nicht gilt. Die Amerikaner greifen durch, und deine Sichtweise ist sehr deutsch. Hier laufen nämlich Herren wie Hartz, Kleinfeld und von Pierer noch frei herum. Ich würde wetten, dass dies im amerikanischen Umfeld nicht so sein würde.

Richtig ungemütlich wird allerdings der von dir angeführte Fall des US-Soldaten Elliot, der "volltrunken" eine Schießerei mit der Polizei angezettelt hat. In diesem Fall steckt die ganze Niederträchtigkeit der US-Behörden drin. Denn Elliot war einer der als "Versuchskanninchen" mißbrauchten Kriegsveteranen, die von der Veteranenbehörde VA als Versuchspersonen für das gefährliche Medikament Chantix anwarben. Zu den Nebenwirkungen dieses Medikaments gehören Selbstmordgedanken - dieses Medikament einer Risikogruppe mit erhöhter Selbstmordrate zu verornden halte ich für kaltblütigen Mord. Die Masse der Verabreichungen, 32.000 Soldaten wurden diesem Medikament ausgesetzt lässt einen ob der kaltblütigkeit und Hinterlistigkeit erschaudern. Denn die Veteranenbehörde wusste mehrere Monate um die gefährlichen Nebenwirkungen, ohne die betroffenen EX-Soldaten zu informieren. Wenn man der Behörde nun wirklich bösartigkeit unterstellen wolle, man könnte glatt auf die Idee kommen, man versuchte so, die geschätzten 300 Milliarden an zukünftigen Versorungskosten für die Veteranen etwas zu drücken.

monoma - 18. Jul, 11:41

@perfectcrime

"Die Ansicht, dass es solche Taten nur in - und vor allem wegen - des Umfelds gebe stimmt sicherlich, ich finde aber, dass es in dieser Sache eben nicht gilt. Die Amerikaner greifen durch, und deine Sichtweise ist sehr deutsch. Hier laufen nämlich Herren wie Hartz, Kleinfeld und von Pierer noch frei herum. Ich würde wetten, dass dies im amerikanischen Umfeld nicht so sein würde."

jein. nein zum postulierten "durchgreifen" - das tun sie eben nur scheinbar, denn ein reales durchgreifen würde sofort die systemfrage aufwerfen. hier geht´s eher um bauernopfer - eben diejenigen, die sich zu dumm angestellt haben. die anderen werden gleichfalls weiter "frei herumlaufen". das die von dir genannten hier noch frei herumlaufen, stimmt natürlich.
und ich halte fbi und co. nebenbei gesagt durchaus selbst für quasikriminelle organisationen.

danke auf jeden fall für den hinweis auf die geschichte mit dem medikament, die ist offenbar an mir vorbeigegangen.
Wednesday - 18. Jul, 11:21

> Immerhin hat jeder zweite Dauerparker Arbeit.

Das Drama Armut trotz Vollzeitarbeit hat Barbara Ehrenreich zB in "Arbeit poor" sehr engagiert beschrieben. Es gibt auch sonst Gutes von ihr.

Ciao
W.

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Den Spiegel-Artikel gibt's übrigens hier im Netz: http://www.spiegel.de/spie gel/spiegelspecial/d-45964 806.html
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