sansculotte (Gast) - 13. Mär, 22:23

Hallo Mo,

ich möchte nur einen ersten, spontanen Gedanken zu deinem Artikel formulieren: die Antipsychiatrie (und hier besonders Cooper) betont ja immer wieder, dass die Psychiatrie selbst die raffinierteste Form von persönlicher Abwehr, die je in der Auseinandersetzung mit psychischem Leid ersonnen und ausgearbeitet werden konnte, darstellt. Schon das Instrument der Diagnose wirft die Maschine des objektivistischen Modus an, die Diagnose ist initiales Merkmal des distanzierten und sich distanzierenden objektivistischen Modus. Die Psychiatrie zieht sich in einen Turm komplexer Theorie zurück, der hauptsächlich dazu dient, die Sicherheit der Leute, die sie praktizieren, zu gewährleisten. Man könnte meinen, dass es für die Aufrechterhaltung der Impulskontrolle der Psychiatriepraktizierenden von elementarer Bedeutung ist, den Kranken mit einem ausgefeiltem diagnostischen Instrumentarium zum Objekt zu degradieren, so eine sichere Distanz zu setzen und sich hinter einen enormen Menge an Theorie zu verschanzen.

Mein persönlicher Eindruck von Psychatrie Praktizierenden, meine Wahrnehmung ihrer oft auffälligen, fast hölzernen Reserviertheit und ihres Mangels an Spontaneität und Empathie, bestärkt den Verdacht, dass das Theoriengebäude der Psychiatrie nichts anderes ist als der vielleicht elaborierteste Abwehrmechanismus auf dem Gebiet der Rationalisierung.

Im übrigen fiel mir zur vernichtenden Klassifikation in "arbeitsfähig - arbeitsunfähig" noch ein, dass sich ja auch der mE sehr reduzierte Gesundheitsbegriff der im Grunde humanistisch ausgerichteten Tiefenpsychologie und Psychoanalyse seit Freud an dem Kriterium der "Arbeitsfähigkeit" orientiert.

Zuletzt: war es beabsichtigt, dass Du im Schlussteil zur Charakterisierung der malignen psychophysischen Störung den Begriff "Soziopath" heranziehst? Da besteht mE ein klarer Unterschied zu dem aus der klassischen psychiatrischen Diagnostik entlehnten Begriff des "Psychopathen", den Du eingangs problematisiert hattest. Wäre eine Möglichkeit, hier einen konsequenten Begriff für die zu Recht von Dir als bösartiger bezeichnete Störung, die sich eben durch soziale Simulation auszeichnet und hinter gelungener Impulskontrolle maskiert, zu etablieren.

mit freundlichem, s

monoma - 13. Mär, 23:48

hallo sansculotte,

gerade kurz ebenso spontane gedanken zurück:

deiner beobachtung hinsichtlich der strukturellen verhältnisse stimme ich zu, wobei ich hier auch eine - hm, dialektik? am werk sehe: das agieren im objektivistischen modus kann ebensogut eine im prinzip gesunde reaktion auf jemanden sein, der mir bereits von anfang an so begegnet - wäre eine echt simulative beziehung, dürfte aber inzwischen nicht nur in der psychiatrie sehr verbreitet sein - letztere weigert sich allerdings beharrlich (zum größten teil jedenfalls), eine derartige möglichkeit auch nur in erwägung zu ziehen.

mir fällt dabei auch die vielfach schon von psychiatern ausgesprochene vermutung (die sich teils auch belegen lässt) ein, dass zb. im borderlinetherapiebereich überdurchschnittlich viele selbst bl-betroffene therapeutInnen unterwegs sind - m. linehan bspw. hat wohl erfahrungen mit svv.

ich kenne aus persönlicher erfahrung allerdings auch innerhalb der orthodoxen psychiatrie andere leute, die bespw. in den 1980er jahren hier vor ort sehr energisch imo sehr sinnvolle reformen im verkrusteten apparat angeschoben haben - und die ich auch für integer halte. leider kommen die alle nach und nach in den ruhestand.

mit der arbeitsfähigkeit hast du recht, das ist bisher eine ewige und fatale plage - und ich kann das argument "sachzwang" gerade von psychotherapeutischer seite auch nicht mehr hören.

zum soziopathiebegriff demnächst mehr *seufz* mir schwant schon wieder, dass ich eher "antisozial" hätte benutzen sollen...

viele grüße
mo
monoma - 15. Mär, 14:53

begriffe und definitionen

"Zuletzt: war es beabsichtigt, dass Du im Schlussteil zur Charakterisierung der malignen psychophysischen Störung den Begriff "Soziopath" heranziehst? Da besteht mE ein klarer Unterschied zu dem aus der klassischen psychiatrischen Diagnostik entlehnten Begriff des "Psychopathen", den Du eingangs problematisiert hattest."

yo...die soziopathie wird ja "offiziell" als synonym für die antisoziale ps genutzt, als ersatz für die psychopathie - während aber eben psychopathie.forscher wie robert hare auf eine nötige eigenständigkeit des psychopathie-begriffs hinweisen und das mit aegumenten begründen, die ich z.t. nachvollziehen kann (darüber wird noch ausführlicher zu lesen und reden sein). das ich dabei auch am modifizierten psychopathie-begriff einiges zu kritiseiren habe, ist eine andere baustelle.

bezgl. des obigen artikels: einige der täter lassen sich imo durchaus in dieser speziellen art und weise als soziopathisch begreifen. antisozial hingegen haben alle gehandelt, und da sehe ich dann deine nächste anmerkung:

"Wäre eine Möglichkeit, hier einen konsequenten Begriff für die zu Recht von Dir als bösartiger bezeichnete Störung, die sich eben durch soziale Simulation auszeichnet und hinter gelungener Impulskontrolle maskiert, zu etablieren."

tja. das ist eine echte herausforderung, zumal sich eine solche begrifflichkeit niemals in den "offiziellen" diskursen wiederfinden wird (bisher jedenfalls), da diese diskurse diese besondere art von störung - oder sogar des seins - weder als gedanken noch als möglichkeit überhaupt enthalten - die mir bekannten (und ignorierten) ausnahmen sind hier im blog genannt.

gruen arbeitet mit dem begriff des psychopathen, betont allerdings seine definitorischen unterschiede zum orthodoxen psychopathie-begriff und beschreibt letztlich auch eine als-ob-persönlichkeitsstruktur, vermutet aber hinter der ein völlig verstümmeltes selbst.

mertz benennt borderline und psychopathie als synonyme, was imo selbst dann nicht zulässig ist, wenn die psychopathie als synonym der antisozialen ps begriffen wird. und mit den hier teils schon angedeuteten neueren forschungen zur neurophysiologie der "echten" psycho-/soziopathie wird seine gleichsetzung erstmal völlig unhaltbar - hinsichtlich der theorie. praktisch können sich aber bl-menschen durchaus antisozial und auch wie soziopathen verhalten.

aber, und das finde ich bisher persönlich am sinnvollsten: er präzisiert den begriff der als-ob-person, geht aber dabei über gruen hinaus und von einem nicht vorhandenen authentischen (beziehungsfähigen) selbst aus und schlägt die brücke hin zum autismus - simulationsfähiger autismus trifft es bisher am besten, nur verlangt das eben auch eine erweiterung des autismus-begriffs. und um die untersuchung dieser forderung machen sowohl psychiatrie wie psychologie in ihrer großen mehrheit einen bogen, jedenfalls ist mir bisher nichts entsprechendes bekannt.

theweleits begriff des "nicht-zuende-geborenen" hat zwar ähnlich wie das "als-ob" eine art von romantisierendem unterton, der imo auch etwas tragisch-zutreffendes transportiert, ist mir aber letztlich auch zu verharmlosend. hm. ich bin mir einfach unschlüssig. aber die tendenz geht zum simulationsfähigen autisten als vorläufig treffendstem ausdruck.
sansculotte (Gast) - 15. Mär, 17:00

Thx

Wünschenswert wäre es, wenn die Psychiatrie ihre Nosologie selbst mal auf die Reihe bekäme. Das ist allerdings nach der derzeitigen Interessenslage, nach der die Pharmaforschung für jede neu entwickelte Droge auch eine neue Krankheit benötigt und jeder in der Forschung publizierende Mediziner mindestens einmal in seinem Leben eine psychopathologische Auffälligkeit "entdeckt" haben muss, nicht absehbar.

Vielen Dank für Deine ausführliche und hilfreiche Erläuterung zu dem Thema "Diagnostik". Ich dachte zunächst, "Soziopath" würde die von Dir beschriebene Störung einigermaßen treffen. Aber Du weist völlig richtig darauf hin, dass ein ganz entscheidender Unterschied zu der "dissoziativen Persönlichkeitsstörung" (wie es gemäß ICD-10 dzt. heißt) besteht: in der Symptomdiagnose der "antisozialen Persönlichkeit" fehlt die Neigung und Tendenz (oder soll man es bewundernd "Fähigkeit" nennen) zur Simulation einer sozialen Persönlichkeit. ( Mir drängt sich in Anlehnung an die "maskierte Depression" dabei die Beschreibung "maskierte Soziopathie" auf). Außerdem wird für die "dissoziative Persönlichkeitsstörung" ausdrücklich erwähnt: "Es besteht eine geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten". Das trifft mE auf die "Psychopathen im Nadelstreif" zwar auch zu, mit dem Unterschied aber, dass der simulationsfähige Soziopath im entscheidenden Moment noch genug Impulskontrolle besitzt, um die Simulation aufrechtzuerhalten. Erst in einem gesellschaftlich erlaubten (wenn nicht erwünschten) Kontext werden diese aggressiven und gewalttätigen Impulse ausagiert.

"Borderline" trifft die von Dir beschriebene Persönlichkeit mE nicht, dazu fehlt das selbstschädigende Verhalten. Autismus ist wiederum ein weites Feld. Als ob man wüsste, dass sich das, was momentan unter Autismus firmiert, weder eindeutig symptomatisch, noch ätiologisch diagnostizieren lässt, hat man es eben unter "Entwicklungsstörungen" (ab F80) eingereiht. Und damit ist eigentlich alles gesagt: das einzige, was die verschiedenen Formen von Autismus verbindet, ist die Tatsache, dass der Autist eben schon in der Kindheit und Jugend "auffällt". Auf die Ätiologie wird in der Beschreibung der "stärkeren Form", des frühkindlichen oder Kanner-Autismus, noch nicht einmal eingegangen. Ob eine anlagebedingte oder umweltinduzierte hirnorganische Störung vorliegt ist weder bekannt, noch scheint es von Interesse zu sein. Bei der "milderen Form", dem Asperger, findet sich wenigstens eine ausführliche Beschreibung des Krankheitsverlaufs, die auf die sozialen Wechselwirkungen und Implikationen hinweist. Allerdings gelten viele "maskierte Soziopathen" (ich nenn's für mich mal so) als kontaktoffen und sozial interaktionsfähig, was für Autisten definitiv nicht zutrifft.

Im übrigen wird die für Europa geltende ICD-10 jedes Jahr erweitert und hat ein bisschen was von einem Schimpfwortkompendium für Psychoprofis. Fast könnte man schmunzeln, wenn man Beschreibungen wie "unreif", "exzentrisch" und "haltlos" liest, verwiese das nicht schon wieder darauf, dass die Psychiatrie eben das ist, was sie ist: eine subtile Form der Abwehr.

Gemäß Foucault schaffen sich die Institutionen den Gegenstand, der ihr Bestehen rechtfertigt, selbst. Das mag überzeichnet sein. Die außerordentlich komplexe, aber letztlich doch wirkungslose psychiatrische Diagnostik weist aber darauf hin, dass hier versucht wird, etwas "unter Kontrolle" oder "in den Griff" zu bekommen, wobei dieser Prozess allerdings nicht zu einem Abschluss gebracht werden kann (darf). Es ist so, als wären bestimmte dafür disponierte Leute darauf angewiesen, dass die Diagnostik stets "weiterentwickelt" wird und das "Herumdeuteln" ständig weitergeht. Wer angesichts des oben Ausgeführten jetzt ein bisschen schmunzelt, hat wahrscheinlich nicht unrecht.

Zwei abschließende Bemerkungen noch: es ist wichtig, auf die Dialektik zwischen Gesellschaft und Krankheit hinzuweisen; so kann in einer kranken Gesellschaft der Versuch der Selbstheilung als "krankhaft" auffallen, während die zugrundeliegende Pathologie folgerichtig (weil gesellschaftlich "eingebettet") die längste Zeit nicht erkannt wird. Wie Lichtenberg schon sagte: "Was jedermann für ausgemacht hält, verdient es am meisten, untersucht zu werden." Zum Zweiten ist es wichtig, immer wieder deutlich zu machen, dass eine Krankheit, ein Leiden niemals nur psychisch sein kann, sondern immer nur psychophysisch beschreibbar ist. Das Gehirn hängt nicht im luftleeren Raum. Es ist nur ein Knoten unter vielen in den neuronalen und endokrinen Regelsystemen des Körpers. Gerade hinsichtlich der Therapiemöglichkeiten sollte man das nicht vergessen.

Und: fein, dass dieses blog immer wieder daran erinnert.

schöne grüße, s
monoma - 15. Mär, 20:41

re:

hallo sansculotte,

das gibt mir wiederum gelegenheit für ein paar weitere gedanken.

"Wünschenswert wäre es, wenn die Psychiatrie ihre Nosologie selbst mal auf die Reihe bekäme. Das ist allerdings nach der derzeitigen Interessenslage, nach der die Pharmaforschung für jede neu entwickelte Droge auch eine neue Krankheit benötigt und jeder in der Forschung publizierende Mediziner mindestens einmal in seinem Leben eine psychopathologische Auffälligkeit "entdeckt" haben muss, nicht absehbar."

das stimmt, wobei ich den aspekt des einflusses der pharmaindustrie hier gar nicht weiter thematisieren kann - würde einfach ein neues blog erfordern.
allerdings ist sind die sprachlich-diagnostischen psychiatrischen verwirrungen treuer begleiter seit dem beginn der psychiatrie - wobei so schöne namen wie "erotomanie" (für sich sexuell "unschicklich" benehmende frauen) aus dem 19. jahrhundert nur ein beleg sind.

"Vielen Dank für Deine ausführliche und hilfreiche Erläuterung zu dem Thema "Diagnostik". Ich dachte zunächst, "Soziopath" würde die von Dir beschriebene Störung einigermaßen treffen. Aber Du weist völlig richtig darauf hin, dass ein ganz entscheidender Unterschied zu der "dissoziativen Persönlichkeitsstörung" (wie es gemäß ICD-10 dzt. heißt)"

nur kurz eine sachliche korrektur: du meinst hier wahrscheinlich die dissoziale ps - die dissoziative war früher die multiple ps. aber bei diesen beiden wörtern haben sich schon viele verfranst.

"besteht: in der Symptomdiagnose der "antisozialen Persönlichkeit" fehlt die Neigung und Tendenz (oder soll man es bewundernd "Fähigkeit" nennen) zur Simulation einer sozialen Persönlichkeit. ( Mir drängt sich in Anlehnung an die "maskierte Depression" dabei die Beschreibung "maskierte Soziopathie" auf). Außerdem wird für die "dissoziative Persönlichkeitsstörung" ausdrücklich erwähnt: "Es besteht eine geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten". Das trifft mE auf die "Psychopathen im Nadelstreif" zwar auch zu, mit dem Unterschied aber, dass der simulationsfähige Soziopath im entscheidenden Moment noch genug Impulskontrolle besitzt, um die Simulation aufrechtzuerhalten. Erst in einem gesellschaftlich erlaubten (wenn nicht erwünschten) Kontext werden diese aggressiven und gewalttätigen Impulse ausagiert."

yep. dazu kommt der im beitrag bereits als faktisches non-kriterium genannte und zu wertende aspekt auf geltende gesetze - das finde ich im dsm-IV sogar noch penetranter und auch verzerrender.

"Borderline" trifft die von Dir beschriebene Persönlichkeit mE nicht, dazu fehlt das selbstschädigende Verhalten."

hier möchte ich einhaken: svv (ohne jetzt im weitesten sinne ebenso selbstschädigende verhaltensweisen wie zb. drogenabusus einzubeziehen) ist kein "muss" bei borderline - und das wird nicht nur bei mertz konstatiert, sondern auch bspw. c. rohde-dachser mit ihrer skizzierung des blanden borderlinesyndroms gehört dazu - und sie stellt imo korrekt fest, dass sie selbst bl-menschen in der therapie hatte, die fast ohne die offenen symptome aus den katalogen gelebt haben, trotzdem massiv schwierigkeiten in der selbst- und fremdwahrnehmung innerhalb sozialer beziehungen hatten - und in krisenmomenten dann durchaus positivistische symptome gemäß den katalogen entwickeln. mertz baut seine argumentation eigentlich auf dem blanden borderlinesyndrom auf - ich möchte dir das buch nochmal empfehlen, falls du es noch nicht gelesen haben solltest (vielleicht erinnerst du dich diesbezgl. auch an eine mail vor einiger zeit).

"Autismus ist wiederum ein weites Feld. Als ob man wüsste, dass sich das, was momentan unter Autismus firmiert, weder eindeutig symptomatisch, noch ätiologisch diagnostizieren lässt, hat man es eben unter "Entwicklungsstörungen" (ab F80) eingereiht. Und damit ist eigentlich alles gesagt: das einzige, was die verschiedenen Formen von Autismus verbindet, ist die Tatsache, dass der Autist eben schon in der Kindheit und Jugend "auffällt". Auf die Ätiologie wird in der Beschreibung der "stärkeren Form", des frühkindlichen oder Kanner-Autismus, noch nicht einmal eingegangen. Ob eine anlagebedingte oder umweltinduzierte hirnorganische Störung vorliegt ist weder bekannt, noch scheint es von Interesse zu sein. Bei der "milderen Form", dem Asperger, findet sich wenigstens eine ausführliche Beschreibung des Krankheitsverlaufs, die auf die sozialen Wechselwirkungen und Implikationen hinweist. Allerdings gelten viele "maskierte Soziopathen" (ich nenn's für mich mal so) als kontaktoffen und sozial interaktionsfähig, was für Autisten definitiv nicht zutrifft."

ja. der autismus-begriff ist offensichtlich genauso umstritten wie die persönlichkeitsstörungen. aber das dürfte mindestens z.t. auch an etlichen mängeln der entsprechenden theorien liegen.

zum letzten satz: die beobachtung stimmt einerseits, weil "klassische" autisten als nicht simulationsfähig gelten - andererseits aber bedeutet simulationsfähigkeit eben nicht automatisch beziehungsfähigkeit - bei soziopathen, als-ob-persönlichkeiten und eventuell anderen wird ja eben die weitgehend bis völlig fehlende beziehungsfähigkeit (was imo das entscheidende kriterium für autismus sein sollte) durch beziehungssimulationen im extremfall perfekt verdeckt - und wenn außer diesen simulationen, die tiefgehend und weitreichend sein und sogar die betroffenen selbst überzeugen können (weil sie nichts anderes kennen), nicht anderes mehr da ist - lässt sich dann nicht berechtigt eine form von autismus vermuten? ich finde diesen gedanken plausibel.

als modell: für diese simulationen ist der objektivistische modus als werkzeug zuständig - in einer monopolposition, um die durch welche ursachen (gewalt kann eine sein) auch immer ausgefallenen psychophysischen funktionen, die für echte soziale beziehungen notwendig sind, zu kompensieren.

"Im übrigen wird die für Europa geltende ICD-10 jedes Jahr erweitert und hat ein bisschen was von einem Schimpfwortkompendium für Psychoprofis. Fast könnte man schmunzeln, wenn man Beschreibungen wie "unreif", "exzentrisch" und "haltlos" liest, verwiese das nicht schon wieder darauf, dass die Psychiatrie eben das ist, was sie ist: eine subtile Form der Abwehr."

sie hat auf jeden fall einen starken anteil davon, ich stimme zu. aber wie im posting weiter oben schon gesagt: ich würde nicht alle psychiaterInnen in bausch und bogen verdammen.
(und die klassifikationen sind nicht nur im psychiatrischen bereich teils echt lustig - während meiner ausbildung gab´s beim unterricht zu geschichte und struktur der icd auch immer wieder die rubrik "lachen mit den klassifikationen" - gibt da ein paar schöne ärztliche glossen zu, muss ich nochmal nachsehen :-)

"Gemäß Foucault schaffen sich die Institutionen den Gegenstand, der ihr Bestehen rechtfertigt, selbst. Das mag überzeichnet sein. Die außerordentlich komplexe, aber letztlich doch wirkungslose psychiatrische Diagnostik weist aber darauf hin, dass hier versucht wird, etwas "unter Kontrolle" oder "in den Griff" zu bekommen, wobei dieser Prozess allerdings nicht zu einem Abschluss gebracht werden kann (darf)."

hm, wenn du nicht selbst "überzeichnet" geschrieben hättest, würde ich jetzt herumnörgeln :-)
foucault finde ich so eine sache - ich kenne bei weitem nicht alles von ihm, finde speziell in der "mikrophysik der macht" einiges überlegenswert - aber ich finde etliche gedanken, wie den oben, zu - hm, totalitär. das sich die psychiatrie mit etwas realem beschäftigt, ist für mich nicht zu hinterfragen - aber wie sie das tut, und welche schlüsse, konsequenzen und behandlungsmethoden sie entwickelt, um so mehr. es lassen sich auch deutlich kulmunationspunkte von irrtümern und fehlschlüssen benennen, die aber teils nachvollziehbar sind in dem sinne, dass sie die fehlschlüsse verständlich machen (so ist imo die entdeckung, dass es sich bei der "progressiven paralyse" um eine spätform der syphillis handelte, mithin um eine durch identifizierbare erreger ausgelöste schwere psychische störung, sehr stark mitverantwortlich für eine bis heute andauernde biologistische sichtweise in der psychiatrie - auch, wenn die ätiologie der prog. paralyse eigentlich völlig untypisch für psychische störungen ist. aber solche geschichten können unter bestimmten umständen eben ganze bereiche tief prägen).

"Es ist so, als wären bestimmte dafür disponierte Leute darauf angewiesen, dass die Diagnostik stets "weiterentwickelt" wird und das "Herumdeuteln" ständig weitergeht."

die institution erhält sich irgendwann selbst bzw. entwickelt ein starkes interesse daran, ja. aber wie eben schon gesagt, bedeutet das imo nicht, dass es den inhaltlichen gegenstand der institution nur als konstrukt gibt.

"Zwei abschließende Bemerkungen noch: es ist wichtig, auf die Dialektik zwischen Gesellschaft und Krankheit hinzuweisen; so kann in einer kranken Gesellschaft der Versuch der Selbstheilung als "krankhaft" auffallen, während die zugrundeliegende Pathologie folgerichtig (weil gesellschaftlich "eingebettet") die längste Zeit nicht erkannt wird."

ja. das ist ein ganz wichtiger aspekt, der imo auch unbedingt weiter verbreitet gehört. mit den nötigen hinweisen auf daraus folgende mögliche konsequenzen.

"Zum Zweiten ist es wichtig, immer wieder deutlich zu machen, dass eine Krankheit, ein Leiden niemals nur psychisch sein kann, sondern immer nur psychophysisch beschreibbar ist. Das Gehirn hängt nicht im luftleeren Raum. Es ist nur ein Knoten unter vielen in den neuronalen und endokrinen Regelsystemen des Körpers. Gerade hinsichtlich der Therapiemöglichkeiten sollte man das nicht vergessen."

!

"Und: fein, dass dieses blog immer wieder daran erinnert."

:-)

(wobei es irgendwann darüber hinaus gehen muss - je mehr ich hier zusammentrage, desto schlechter wird ganz grundsätzlich mein gefühl zur heutigen realität. erwachen aus einer allgemeinen und sozial induzierten trance aufgrund mehr oder weniger großen traumatisierung? "möchtest du die blaue oder die rote pille?")

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