Die Hochstapler
und gleich noch einen filmtipp möchte ich nachlegen: Die Hochstapler vom regisseur alexander adolph greift letztlich eines der zentralen blogthemen hier auf - die menschlichen fähigkeiten zur simulation, die existenz von als-ob-strategien sowie das psychiatrische modell der als-ob-persönlichkeit.
"Man nennt sie Hochstapler oder Millionenbetrüger. Sie selbst bezeichnen sich als Märchenerzähler. DIE HOCHSTAPLER zeigt vier Männer, die ein besonderes Wissen weitergeben: Wie man andere belügt, betrügt, manipuliert, für dumm verkauft, wie sie sich Geld, Aufmerksamkeit und Liebe erschwindelt haben – und was das Lügen mit einem anstellt.(...)
Mitunter mag den Zuschauer die Vorstellung überkommen, dass es virtuose Schauspieler sind, die einen dramatischen Text interpretieren. Doch diese Oberfläche bekommt langsam Risse.
Was auf den ersten Blick ein sensationeller und mitunter sehr komischer Einblick in die Welt des Verbrechens zu sein scheint – vier Protagonisten, die packend und unterhaltsam erzählen – birgt etwas ganz anderes: Ein Kammerspiel über den Mechanismus des Lügens. Über den Wunsch, nicht der zu sein, der man ist. Darüber, wie man sich über die Manipulation der Wahrnehmung anderer zu einem neuen Menschen stilisiert – bis man selbst in dieser Rolle gefangen wird und die eigene Persönlichkeit auseinander fällt. Vor allem aber handelt DIE HOCHSTAPLER von einer Gier, die in uns allen steckt – und das ist nicht die Gier nach Geld, sondern nach Anerkennung und Liebe."(...)
und bei mindestens zweien der vier dokumentierten protagonisten des als-ob finden sich sofort und ohne große umschweife hinweise auf destruktive bzw. traumatische strukturen in ihren - hm, biographien:
"Aufgewachsen in der Nähe von Bitterfeld, begann seine kriminelle Karriere mit einer Höllenfahrt durch Spezialkinderheime der DDR, deren traurigen Höhepunkt die Jugendstrafanstalt Torgau darstellte. Nach der Wende fand auf ihn Erwachsenenstrafrecht Anwendung und die Abstände zwischen den Gefängnis-Aufenthalten wurden immer kürzer.
In den spärlichen Momenten der Freiheit erfand er neue Identitäten, um sich für die Eigene „zu rechtfertigen.“ Diese selbst geschaffenen Märchenwelten entwickelten eine erstaunliche Eigendynamik."(...)
(torsten s.)
"Seine Eltern waren Zeugen Jehovas, Weihnachten und Geburtstage wurden nicht gefeiert. Dafür hatten er und sein Bruder schon in frühen Jahren Kunden zu akquirieren."(...)
(peter g.)
das prä-, peri- und natürlich auch postnatale traumtische bedingungen (im weitesten sinne gemeint, also jenseits der zu engen kriterien der heutigen mainstream-trauma-definitionen) u.a. als bewältigungs- und kompensationsfunktion zu einem "aufblähen" unserer objektivistischen fähigkeiten führen können, ist nach wie vor ein these, die sehr ernst genommen werden muss - und vielleicht gerade deshalb hartnäckig beschwiegen wird. ich bin übrigens mißtrauisch bei einer aussage wie derjenigen im ersten satz zu mark z.:
"Eine behütete Kindheit hat er gehabt. In der Schule war er allseits beliebt und sie wählten ihn zum Klassensprecher. Dennoch sagt er, habe er den anderen Leuten stets etwas vorgemacht."(...)
meistens wird darunter inzwischen eine normale oder gar überdurchschnittlich gute materielle versorgung verstanden - was noch lange nichts über die qualität der sozialen beziehungen des mark z. aussagt. wer anderen stets etwas vormachen muss, sprich simulieren, ist jedenfalls weit weg von authentischen beziehungen.
(...)"Der „andere“ Mark Z. nutzte die Mittel der Empathie und verstand sich hervorragend im Lesen von körperlichen Signalen. Er schuf Situationen, in welchen ihm seine Opfer blind vertrauten. Dabei hielt er sich stets an die Regeln des „perfekten“ Verkäufers."(...)
das ist tatsächlich eine beschreibung, wie sie auch auf die in den beiträgen zur als-ob-persönlichkeit näher dargestellte virtuelle figur des tom ripley perfekt passen würde - oder auf eine antisoziale persönlichkeit, u.u. bei bestimmten hirnveränderungen auch auf einen soziopathen, im klinischen sinne.
ich denke ebenfalls, dass alle vier in dem sinne nicht repräsentativ für derartig strukturierte persönlichkeiten sind, als sie eben auf dauer nicht erfolgreich gewesen sind - nicht nur mertz, sondern auch andere praktiker / theoretiker aus psychiatrie und psychologie haben wiederholt darauf hingewiesen, an welchen bedenklichen stellen in den heutigen machthierarchien sich funktionelle oder strukturelle soziopathen finden lassen. wenn sie "gut" im simulieren und manipulieren sind, bleiben sie als die schwer gestörten personen, die sie faktisch sind, nahezu unsichtbar, d.h. lassen öffentlich nur ihre maske(n) sichtbar werden - und lassen gleichfalls nur durch die wirkungen ihres objektivistischen handelns ihre anwesenheit erahnen.
das könnte natürlich alles nicht so relativ glatt über die bühne gehen, wenn die erwähnten machthierarchien nicht selbst strukturell eine schwer objektivistische schlagseite aufweisen würden (dazu hatte ich bezgl. eines weiteren vertreters des als-ob hier mehr geschrieben).
ebenfalls wird etwas deutlich, was bereits in der diskussion zu den thesen von mertz ein punkt gewesen ist: mehr oder weniger zufällig können menschen in einem solchen modus auch gegen die herrschenden machtstrukturen aktiv werden - ich hatte damals schon das beispiel von oskar schindler angeführt, und bei torsten s. wird etwas strukturell ähnliches sichtbar:
(...)"Mit keinem Pfennig in der Tasche hat er sich als Diplomat und persönlicher Freund Joschka Fischers ausgegeben. Gern ging er luxuriös einkaufen, das meiste davon hat er wieder hergeschenkt. Nachdem er für die Darstellung des erfundenen Diplomaten eine weitere Haftstrafe verbüßt hatte, begab er sich in einen kleinen Ort in Mecklenburg-Vorpommern und organisierte als amerikanischer Major eine Nato-Sicherheitskonferenz. Innerhalb weniger Stunden stellte er eine ganze Stadt auf den Kopf, vom Hotel, über das Krankenhaus, Einrichtungs- und Autohäuser bis hin zum Bürgermeister - so glaubhaft, dass ihn die örtliche Polizei entkommen ließ."(...)
das problem bei derlei aktionen (wenn sie eben nicht von grundsätzlich sowohl authentizitäts- als auch simulationsfähigen menschen im sinne eines bewußten widerstands ausgeführt werden) - der ich selbst aufgrund ihres inhaltes mit einer gewissen sympathie gegenüberstehe - ist nur der punkt, den ich bereits früher von mertz zitiert hatte:
"Es sind hier, um es einmal ganz unmißverständlich auszudrücken, ausschließlich situative Zufälle, nämlich die günstigen Gelegenheiten oder externalen Kontrollmechanismen der jeweiligen historischen Situation, die aus ein und derselben Als-Ob-Person beispielsweise einen weithin respektierten Moraltheologen oder einen begnadeten Folterer machen. Bei entsprechender Intelligenz und persönlichem Geschick ist auch ein völlig reibungsloser Wechsel von einem zum anderen möglich."(...)
(mertz, "borderline..."; s. 56)
mehr bleibt dem aus meiner sicht momentan nicht hinzuzufügen.
*
abschließend möchte ich auf einen auszug aus einer rezension seitens des deutschen ärzteblattes hinweisen, die sich im pressespiegel zum film finden lässt:
„Die Geschichten, die die vier inhaftierten Männer in Alexander Adolphs Interviewfilm „Die Hochstapler“ aus ihrem Leben erzählen, sind unglaublich, sind ebenso aberwitzig wie tragisch. Ihre Berichte reichen von den prägenden Erlebnissen ihrer Kindheit bis zur detaillierten Darlegung der Methoden, mit denen sie zunächst die Zuneigung und später das Geld ihrer Mitmenschen erschwindelten. Unkommentiert werden die Interviews aneinander gereiht, ergänzt durch die Stimmen von Eltern, Anwälten und Opfern.
Das Ergebnis ist eine ebenso behutsame wie vielschichtige Charakterstudie, durch die zwischen den Zeilen die Pathogenese zutiefst menschlicher Sehnsüchte scheint. Dass die Erfüllung dieser Sehnsüchte im Endeffekt – von den Tätern wie von den Opfern – über die Anhäufung des Placebos Geld erreicht werden soll, wirft ein Schlaglicht auf die Prioritäten, die sich in unserer Wirtschaftsordnung verfestigt haben. Und so ist „Die Hochstapler“ gleichzeitig eine hintersinnige Gesellschaftsstudie, die unausgesprochen die Frage nach der Wertigkeit menschlicher Gefühle in einer Welt aus Renditen und Gewinnmargen stellt. Der Betrüger erscheint in dieser Welt als die Gallionsfigur einer Gesellschaft, in der Geldscheine eine größere Inspiration darstellen als die Menschen, die sie besitzen.”
und die in den letzten sätzen genannten aspekte halte ich nicht nur für sehr treffend und bezeichnend, sondern sie veranlassen mich auch auch zur besuchsempfehlung, ebenfalls ohne ihn bisher gesehen zu haben. und ich habe das gefühl, dass es sehr aufschlußreich sein könnte, diese dokumentation mit der hier gestern vorgestellten vom großen ausverkauf als zusammengehörig zu betrachten - zwei seiten der gleichen medaille, die da heißt: das system der verwertung (im kapitalistischen sinne), verdinglichung und objektivierung bzw. der in diesen übergriffen strukturell und zwangsläufig enthaltenen gewalt erzeugt sich über diverse psychophysische mechanismen die ihm kompatiblen menschen. und diejenigen menschen, die in modellen wie der als-ob-persönlichkeit beschrieben werden können, sind zu begreifen als solche sich in konkreten (pseudo-)lebensläufen manifestierenden versuche des überlebens unter grundsätzlich pathologischen und antisozialen bedingungen.
*
wenn Sie den film "brazil" kennen und mögen, werden Sie sich vielleicht an den unsterblichen dialog der hauptfigur sam lowry mit dem guerilla-klempner harry tuttle erinnern:
"Aber...aber...das ist ja Scheisse!"
(tuttle, sich ruhig eine zigarette ansteckend):
"Ganz recht, mein Junge. Wir stecken alle tief drin".
und das ist der präziseste und zusammenfassendste kommentar zu unserer welt in ihrer heutigen erbärmlichen verfassung, der mir bis dato bekannt ist. einen schönen sonntag noch.
"Man nennt sie Hochstapler oder Millionenbetrüger. Sie selbst bezeichnen sich als Märchenerzähler. DIE HOCHSTAPLER zeigt vier Männer, die ein besonderes Wissen weitergeben: Wie man andere belügt, betrügt, manipuliert, für dumm verkauft, wie sie sich Geld, Aufmerksamkeit und Liebe erschwindelt haben – und was das Lügen mit einem anstellt.(...)
Mitunter mag den Zuschauer die Vorstellung überkommen, dass es virtuose Schauspieler sind, die einen dramatischen Text interpretieren. Doch diese Oberfläche bekommt langsam Risse.
Was auf den ersten Blick ein sensationeller und mitunter sehr komischer Einblick in die Welt des Verbrechens zu sein scheint – vier Protagonisten, die packend und unterhaltsam erzählen – birgt etwas ganz anderes: Ein Kammerspiel über den Mechanismus des Lügens. Über den Wunsch, nicht der zu sein, der man ist. Darüber, wie man sich über die Manipulation der Wahrnehmung anderer zu einem neuen Menschen stilisiert – bis man selbst in dieser Rolle gefangen wird und die eigene Persönlichkeit auseinander fällt. Vor allem aber handelt DIE HOCHSTAPLER von einer Gier, die in uns allen steckt – und das ist nicht die Gier nach Geld, sondern nach Anerkennung und Liebe."(...)
und bei mindestens zweien der vier dokumentierten protagonisten des als-ob finden sich sofort und ohne große umschweife hinweise auf destruktive bzw. traumatische strukturen in ihren - hm, biographien:
"Aufgewachsen in der Nähe von Bitterfeld, begann seine kriminelle Karriere mit einer Höllenfahrt durch Spezialkinderheime der DDR, deren traurigen Höhepunkt die Jugendstrafanstalt Torgau darstellte. Nach der Wende fand auf ihn Erwachsenenstrafrecht Anwendung und die Abstände zwischen den Gefängnis-Aufenthalten wurden immer kürzer.
In den spärlichen Momenten der Freiheit erfand er neue Identitäten, um sich für die Eigene „zu rechtfertigen.“ Diese selbst geschaffenen Märchenwelten entwickelten eine erstaunliche Eigendynamik."(...)
(torsten s.)
"Seine Eltern waren Zeugen Jehovas, Weihnachten und Geburtstage wurden nicht gefeiert. Dafür hatten er und sein Bruder schon in frühen Jahren Kunden zu akquirieren."(...)
(peter g.)
das prä-, peri- und natürlich auch postnatale traumtische bedingungen (im weitesten sinne gemeint, also jenseits der zu engen kriterien der heutigen mainstream-trauma-definitionen) u.a. als bewältigungs- und kompensationsfunktion zu einem "aufblähen" unserer objektivistischen fähigkeiten führen können, ist nach wie vor ein these, die sehr ernst genommen werden muss - und vielleicht gerade deshalb hartnäckig beschwiegen wird. ich bin übrigens mißtrauisch bei einer aussage wie derjenigen im ersten satz zu mark z.:
"Eine behütete Kindheit hat er gehabt. In der Schule war er allseits beliebt und sie wählten ihn zum Klassensprecher. Dennoch sagt er, habe er den anderen Leuten stets etwas vorgemacht."(...)
meistens wird darunter inzwischen eine normale oder gar überdurchschnittlich gute materielle versorgung verstanden - was noch lange nichts über die qualität der sozialen beziehungen des mark z. aussagt. wer anderen stets etwas vormachen muss, sprich simulieren, ist jedenfalls weit weg von authentischen beziehungen.
(...)"Der „andere“ Mark Z. nutzte die Mittel der Empathie und verstand sich hervorragend im Lesen von körperlichen Signalen. Er schuf Situationen, in welchen ihm seine Opfer blind vertrauten. Dabei hielt er sich stets an die Regeln des „perfekten“ Verkäufers."(...)
das ist tatsächlich eine beschreibung, wie sie auch auf die in den beiträgen zur als-ob-persönlichkeit näher dargestellte virtuelle figur des tom ripley perfekt passen würde - oder auf eine antisoziale persönlichkeit, u.u. bei bestimmten hirnveränderungen auch auf einen soziopathen, im klinischen sinne.
ich denke ebenfalls, dass alle vier in dem sinne nicht repräsentativ für derartig strukturierte persönlichkeiten sind, als sie eben auf dauer nicht erfolgreich gewesen sind - nicht nur mertz, sondern auch andere praktiker / theoretiker aus psychiatrie und psychologie haben wiederholt darauf hingewiesen, an welchen bedenklichen stellen in den heutigen machthierarchien sich funktionelle oder strukturelle soziopathen finden lassen. wenn sie "gut" im simulieren und manipulieren sind, bleiben sie als die schwer gestörten personen, die sie faktisch sind, nahezu unsichtbar, d.h. lassen öffentlich nur ihre maske(n) sichtbar werden - und lassen gleichfalls nur durch die wirkungen ihres objektivistischen handelns ihre anwesenheit erahnen.
das könnte natürlich alles nicht so relativ glatt über die bühne gehen, wenn die erwähnten machthierarchien nicht selbst strukturell eine schwer objektivistische schlagseite aufweisen würden (dazu hatte ich bezgl. eines weiteren vertreters des als-ob hier mehr geschrieben).
ebenfalls wird etwas deutlich, was bereits in der diskussion zu den thesen von mertz ein punkt gewesen ist: mehr oder weniger zufällig können menschen in einem solchen modus auch gegen die herrschenden machtstrukturen aktiv werden - ich hatte damals schon das beispiel von oskar schindler angeführt, und bei torsten s. wird etwas strukturell ähnliches sichtbar:
(...)"Mit keinem Pfennig in der Tasche hat er sich als Diplomat und persönlicher Freund Joschka Fischers ausgegeben. Gern ging er luxuriös einkaufen, das meiste davon hat er wieder hergeschenkt. Nachdem er für die Darstellung des erfundenen Diplomaten eine weitere Haftstrafe verbüßt hatte, begab er sich in einen kleinen Ort in Mecklenburg-Vorpommern und organisierte als amerikanischer Major eine Nato-Sicherheitskonferenz. Innerhalb weniger Stunden stellte er eine ganze Stadt auf den Kopf, vom Hotel, über das Krankenhaus, Einrichtungs- und Autohäuser bis hin zum Bürgermeister - so glaubhaft, dass ihn die örtliche Polizei entkommen ließ."(...)
das problem bei derlei aktionen (wenn sie eben nicht von grundsätzlich sowohl authentizitäts- als auch simulationsfähigen menschen im sinne eines bewußten widerstands ausgeführt werden) - der ich selbst aufgrund ihres inhaltes mit einer gewissen sympathie gegenüberstehe - ist nur der punkt, den ich bereits früher von mertz zitiert hatte:
"Es sind hier, um es einmal ganz unmißverständlich auszudrücken, ausschließlich situative Zufälle, nämlich die günstigen Gelegenheiten oder externalen Kontrollmechanismen der jeweiligen historischen Situation, die aus ein und derselben Als-Ob-Person beispielsweise einen weithin respektierten Moraltheologen oder einen begnadeten Folterer machen. Bei entsprechender Intelligenz und persönlichem Geschick ist auch ein völlig reibungsloser Wechsel von einem zum anderen möglich."(...)
(mertz, "borderline..."; s. 56)
mehr bleibt dem aus meiner sicht momentan nicht hinzuzufügen.
*
abschließend möchte ich auf einen auszug aus einer rezension seitens des deutschen ärzteblattes hinweisen, die sich im pressespiegel zum film finden lässt:
„Die Geschichten, die die vier inhaftierten Männer in Alexander Adolphs Interviewfilm „Die Hochstapler“ aus ihrem Leben erzählen, sind unglaublich, sind ebenso aberwitzig wie tragisch. Ihre Berichte reichen von den prägenden Erlebnissen ihrer Kindheit bis zur detaillierten Darlegung der Methoden, mit denen sie zunächst die Zuneigung und später das Geld ihrer Mitmenschen erschwindelten. Unkommentiert werden die Interviews aneinander gereiht, ergänzt durch die Stimmen von Eltern, Anwälten und Opfern.
Das Ergebnis ist eine ebenso behutsame wie vielschichtige Charakterstudie, durch die zwischen den Zeilen die Pathogenese zutiefst menschlicher Sehnsüchte scheint. Dass die Erfüllung dieser Sehnsüchte im Endeffekt – von den Tätern wie von den Opfern – über die Anhäufung des Placebos Geld erreicht werden soll, wirft ein Schlaglicht auf die Prioritäten, die sich in unserer Wirtschaftsordnung verfestigt haben. Und so ist „Die Hochstapler“ gleichzeitig eine hintersinnige Gesellschaftsstudie, die unausgesprochen die Frage nach der Wertigkeit menschlicher Gefühle in einer Welt aus Renditen und Gewinnmargen stellt. Der Betrüger erscheint in dieser Welt als die Gallionsfigur einer Gesellschaft, in der Geldscheine eine größere Inspiration darstellen als die Menschen, die sie besitzen.”
und die in den letzten sätzen genannten aspekte halte ich nicht nur für sehr treffend und bezeichnend, sondern sie veranlassen mich auch auch zur besuchsempfehlung, ebenfalls ohne ihn bisher gesehen zu haben. und ich habe das gefühl, dass es sehr aufschlußreich sein könnte, diese dokumentation mit der hier gestern vorgestellten vom großen ausverkauf als zusammengehörig zu betrachten - zwei seiten der gleichen medaille, die da heißt: das system der verwertung (im kapitalistischen sinne), verdinglichung und objektivierung bzw. der in diesen übergriffen strukturell und zwangsläufig enthaltenen gewalt erzeugt sich über diverse psychophysische mechanismen die ihm kompatiblen menschen. und diejenigen menschen, die in modellen wie der als-ob-persönlichkeit beschrieben werden können, sind zu begreifen als solche sich in konkreten (pseudo-)lebensläufen manifestierenden versuche des überlebens unter grundsätzlich pathologischen und antisozialen bedingungen.
*
wenn Sie den film "brazil" kennen und mögen, werden Sie sich vielleicht an den unsterblichen dialog der hauptfigur sam lowry mit dem guerilla-klempner harry tuttle erinnern:
"Aber...aber...das ist ja Scheisse!"
(tuttle, sich ruhig eine zigarette ansteckend):
"Ganz recht, mein Junge. Wir stecken alle tief drin".
und das ist der präziseste und zusammenfassendste kommentar zu unserer welt in ihrer heutigen erbärmlichen verfassung, der mir bis dato bekannt ist. einen schönen sonntag noch.
monoma - 22. Apr, 13:24
Stinksauer ??
fast habe ich das Gefühl, Du bist stinksauer...
Normalerweise müßte Deutschland wegen recht ausgeprägter Überverblödung geschlossen werden..., aber keiner traut sich. In einem bestimmten Forum, Du kennst es auch, treten Mitglieder dafür ein, das das Grundeinkommen sich nicht durchsetzen darf. Motto: Stoppt Götz Werner
Mal ehrlich, wer so dämlich ist und daherkommt, hat es vielleicht nicht besser verdient.
Das hat mit Niveau nichts mehr zu tun, das ist schon schlimmste Verblödung, auf die die einzelnen Adepten scheinbar noch stolz sind.
An dieser Stelle lege ich mir jetzt die Karten.
Dein Vorteil ist unbestreitbar, das du stinksauer zu sein scheinst...., immerhin noch besser als komplett zu resignieren, wie ich das gerade tu.
Salü,
Kandinsky
wie, resignieren?
ja, eine ordentliche portion wut als ständige begleiterin ist bei diesen zuständen durchaus realitätsangemessen. genauso wie ihre schwestern, depression und verzweiflung. aber das gehört alles dazu, jedenfalls unter solchen verhältnissen wie sie nun mal (noch) da sind.
dein gefühl hat dich zumindest also nicht völlig getrogen ;-)
aber mein gefühl sagt mir - völlig unbegründet und vielleicht sogar närrisch - das langsam, sehr langsam, verschiedene dinge in bewegung geraten.
ich würde also die resignation noch etwas vertrösten.
gruß aus der stadt, die mit dem satz verbunden ist:
"etwas besseres als den tod finden wir überall!"
no pasaran & venceremos,
mo (der sich jetzt tatsächlich noch einen schönen sonntag geben wird)
ps. betreff grundeinkommen: ich weiß, worauf du dich beziehst, finde aber auch, dass bei einigen derzeitigen vorschlägen aus bestimmten ecken dazu tatsächlich ein dicker, häßlicher und neoliberaler wurm drin ist.