kontext 46: "die wurzeln der gewalt sind NICHT unbekannt" (thesen von alice miller) [update]
zwei anmerkungen dazu noch: leider fehlt hier der hinweis auf die möglichen und durchaus bekannten destruktiven entwicklungen der pränatalen phase. und zweitens wäre es dringend notwendig, dass wir uns alle auch emotional klarmachen, das das dargestellte einen wesentlichen kern des aktuellen herrschaftssystems ausmacht. auch, wenn ich damit eulen nach athen tragen sollte, kann das nicht oft genug erwähnt werden.
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edit am 22.10.: erinnern Sie sich noch an die geschehnisse, die vor ein paar monaten unter dem ortsnamen "amstetten" die schlagzeilen beherrschten und auch hier im blog thema waren? im damaligen beitrag hatte ich das schon aufgegriffen, was jetzt durch das fällige gutachten zur person des josef f. sowohl deutlicher wird als auch wie eine personifizierung der thesen im video oben daherkommt:
(...)"...habe der Inzest-Täter eine "Lebensbeichte" abgelegt, aus der hervorgeht, dass er als Kind massiv misshandelt und erniedrigt wurde. Wie die Psychologin in ihrem Bericht festhielt, fehle dem Täter jede Fähigkeit zu Mitgefühl. Dadurch habe er seine Tochter Elisabeth selbst zum Opfer seiner seelischen Verkrüppelung gemacht.(...)
Fritzl galt nach außen hin als unauffällig. Nach Ansicht der Gutachterin habe er sich bereits als Kind zwei Fähigkeiten bis zur Perfektion angeeignet: Unerträgliches zu verdrängen und sich selbst eine erträgliche Wahrheit zu erschaffen. So soll die Lebenssituation des Täters seinen seelischen Zustand widergespiegelt haben: Oben führte er das biedere Leben mit der Familie, unten im Keller lebte er seine Phantasien aus."(...)
wie ich damals schon sagte: ein existenzieller konstruktivist. offen muss allerdings die frage bleiben, ob diese simulation einer "heilen welt" nach außen ausdruck einer traumainduzierten dissoziation oder aber symptom einer echten soziopathie gewesen ist - im letzteren fall wäre die gutachterin glatt in die irre geführt worden. in jedem fall allerdings ist die schlußfolgerung der "vollen schuldfähigkeit" genau das symptom der blindheit und des ideologischen festklammerns an konstrukten wie "verantwortlichkeit" und "freiem willen" seitens psychiatrie & justiz, welches ich in vielen beiträgen schon kritisiert habe - die tatsachen der möglichen antisozialen entwicklung nach traumatisierung einerseits und der existenz von echten soziopathen andererseits sind etwas, was die beiden erwähnten konstrukte voll gegen die wand laufen lässt.
ich empfehle auch die kommentare im zugehörigen forum der sz, vor allem den des users "winterwoods" von 12.23 h, der hinsichtlich der besonderheiten der soziopathie einige schlüsse zieht, die ich weitgehend unterschreibe.
monoma - 20. Okt, 17:04
Ich weiß noch, wie ich im Radio hörte, dass das Schlagen von Kindern gesetzlich verboten wurde. Ich hatte eine spontane rein körperliche Reaktion der Befriedigung, die ich nicht vergessen werde.
Leider ist es nicht nur das Schlagen. Es geschieht auch ohne Schläge. Ich würde den Thesen Alice Millers gerne hinzufügen, dass sozusagen (bis auf eine sehr kleine Minderheit) alle Kinder von ihren wie auch immer sich selbstentfremdeten Eltern sich selbst entfremdet werden, wie auch immer mit oder ohne Schläge.
Wenn die Diskussion sich immer wieder darum dreht, wie wir diese Welt verändern können, dann sehe ich persönlich nur den Weg, diese Selbstentfremdungen (die Abtrennung von den "wahren" Emotionen) rückgängig zu machen. Das klingt irgendwie nicht genau so, wie ich es meine, denn diesen Weg kann ersteinmal nur jeder und jede für sich selbst beschreiten. Und dennoch sollte genau dieser Weg ein Wert werden, dass Empathie und Selbstliebe zentrale Elemente der Gesellschaft werden. Das wäre ein erster Schritt und was danach kommen könnte, kann ich mir, leider, nicht ausmalen. Eine solche Welt voller Menschen, die anfangen die Verantwortung für ihr Leben und ihr Sein zu übernehmen, die ihr "so geworden sein" nicht mehr hinnehmen, sondern sich dort hin zurück begeben und hinter Image (als-ob-persönlichkeiten) und Körperpanzerungen ihre verlorenen, gekränkten, gedemütigten Kinder wieder annehmen, es ist kaum vorstellbar. Die Vorstellung, dass es nicht nur die kleine Gruppe von Leuten, die ich kenne, sind, die diesen Weg beschreiten sondern viele und dass ein tiefes Gespräch über denn eigenen Prozess zurück zu sich selbst, so selbstverständlich sei, wie ein Gespräch über das Wetter, das ist eine Vorstellung, die mir gut gefällt. Allein das würde schon so viel verändern.