Sven (Gast) - 8. Nov, 12:57

Führer und „Verführte“

Danke für den Hinweis auf diese Doku! Ich fand, dass in der Sendung die Kindheitsgeschichte des Protagonisten wie auch aller anderen Psychopathen zu kurz kam. Ein Fachmensch äußerte gar, dass Psychopathen auch eine „gute Kindheit“ haben können. Dies widerspricht allem, was ich denke und fühle, gesehen habe und an Fundiertem zu dem Thema gelesen habe. Sehr oft fällt mir allerdings auf, dass PsychologInnen selbst diese Zusammenhänge verleugnen oder abmildern. In meinem Blog habe ich gerade etwas über die USA geschrieben. In Zahlen fiel mir erst jetzt noch mal ein, darauf hinzuweisen, dass die USA zwischen 1981 und Anfang 2009 nachweislich von als Kind misshandelten, gequälten und somit traumatisierten Präsidenten regiert wurden. (was davor war, habe ich noch nicht weiter untersucht) Ebenso zeigt sich, dass in den USA nicht-geschlagene Kinder die Ausnahme darstellen. Hier verbindet sich im Großen das, was diese Doku in privaten Beziehungen zeigt. Zwischen Führer und „Verführten“ oder Geführten besteht eine psychische Verbindung, sofern sie ähnliche Kindheitsmuster durchlaufen haben.

schiaparelli (Gast) - 8. Nov, 23:38

missverständniss?

"Ein Fachmensch äußerte gar, dass Psychopathen auch eine „gute Kindheit“ haben können."
bei allen schwammigkeiten der definition und schwierigkeiten der diagnostik: wenn es sich so verhält, wie im film behauptet wurde, dass nur einer von hundert soziopathen überhaupt diagnostiziert wird, deutet sich schon an, dass es eventuell nur die extremeren, auffällig gewordenen sind, die hinsichtlich ihrer vergangenheit durchleuchtet werden. was die möglichkeit offen lässt, dass der rest ganz "normal" unter uns lebt, seine deffizite kaschieren kann und sich darauf beschränkt seine familie oder untergebene zu drangsalieren. nicht jeder soziopath wird zum axtschwingenden massenmörder oder präsidialer kriegsfürst in amerika...

darüber hinaus ägert es mich maßlos als opfer von soziopathen, dem man bis zur passenden traumadiagnose gern eine kombinierte persönlichkeitsstörung (persönlichkeitsstörung = "psychopathie"!) attestiert hat darüber, von jemandem, der sagt er habe sich damit beschäftigt, mit soziopathen gleigesetzt zu werden! wobei diese traumadiagnose "persönlichkeitsveränderung nach extrembelastung" (aka "kz-syndrom") formal auch den psychopathien zugerechnet wird. mir wird von therapeutenseite gerne eine mangelnde skrupellosigkeit und unterentwickelte aggressivität unterstellt.
um etwas licht und farbe in die grautöne zu bringen, muss man einfach genau bleiben, wenn man allgemeinverständnis in das psychologische wirrwar bringen will, jenseits der begrifflichkeiten, wie sie die medien kolportieren.
Sven (Gast) - 9. Nov, 10:27

@Schiaparelli

Den ersten Absatz deiner Antwort kann ich nur unterschreiben. Beim zweiten Absatz bin ich nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstehe. Du bist als Kind Opfer geworden? lese ich heraus. Damit bist Du für mich natürlich nicht gleichzusetzen mit einem Soziopathen oder Gewalttäter. Mich persönlich interessieren ehrlich gesagt psychologische Definitionen von Störungen nicht wirklich. Das ist vielleicht eher wichtiger für Therapien, weniger für die Analyse gesellschaftlicher Prozesse, meine ich. Wer als Kind Opfer elterlicher Gewalt wurde, der muss i.d.R. zum Selbstschutz Gefühle und bestimmte Erlebnisse abspalten. Es gibt Menschen, die kommen damit relativ gut durch Leben. Unter bestimmten Bedingungen greifen „Führer“ wie auch Partner in privaten Beziehungen allerdings diese wunden Punkte auf und benutzen sie für ihre Zwecke. Das funktioniert leider sehr gut, wie uns die Geschichte lehrt.
Wer als Kind Gewalt erfuhr, hat einfach eine andere psychische Grundlage, als jemand, der Liebe und keine Gewalt erfuhr. Das ist einfach so, ob man will oder nicht. Und das hat Folgen, politische wie auch persönliche. Das zeigt mir diese Doku, auch wenn sie auf „Kindheit“ nur beiläufig eingeht. Der Filmemacher hat dabei sogar nicht EINMAL nach der Kindheit seines Hauptdarstellers gefragt, das finde ich wirklich sehr nachlässig.
monoma - 11. Nov, 00:46

kindheit

das würde ich erweitern - es spricht meiner meinung bei vielen soziopathen etliches für eine pränatale basis der störung (was übrigens genetische einflüsse durchaus mit einschliesst).

@schiaparelli:

darüber hinaus ägert es mich maßlos als opfer von soziopathen, dem man bis zur passenden traumadiagnose gern eine kombinierte persönlichkeitsstörung (persönlichkeitsstörung = "psychopathie"!) attestiert hat darüber, von jemandem, der sagt er habe sich damit beschäftigt, mit soziopathen gleigesetzt zu werden!

ich bin mir gerade nicht sicher, auf was sich das genau bezieht - ist das letztere eine aussage von therapeutenseite?

falls ja, würde ich das für eine durch die entsprechenden diagnostischen modelle induzierte typische fehlinterpretation halten, die in psychiatrie und psychologie vermutlich weit verbreitet ist. das hat etwas damit zu tun, dass die echte soziopathie umstandslos mit der "antisozialen / dissozialen persönlichkeitsstörung" gleichgesetzt wird. ein schwerer fehler, der besonders von robert hare immer wieder kritisiert wird.

kurz: die verbreitesten persönlichkeitsstörungen, wie bspw. borderline und narzisstische ps, können, aber müssen nicht auch zu antisozialem verhalten führen. gleiches gilt für alle expliziten traumastörungen überhaupt: die täter-opfer-dialektik, d.h. das zwanghafte re-inszenieren der traumatischen struktur mit teils umgekehrten rollen, kann, wie zb. alice miller anhand ihrer analyse von jürgen bartsch schlüssig gezeigt hat, von außen wie das handeln eines soziopathen erscheinen. bei bartsch scheint mir aber die letztere wertung nicht zuzutreffen, jedenfalls nicht vor dem hintergrund der millerschen darstellung. antisozial hat er auf jeden fall gehandelt, aber das ist eben nicht grundsätzlich gleichzusetzen mit der soziopathie.

das habe ich früher schon an anderen stellen im blog immer wieder betont: in diesem ganzen bereich ist eine konzentrierte genauigkeit für die diagnostik ebenso nötig wie plausible diagnostische modelle, die die nötigen differenzierungen auch zulassen. beides ist bis heute nur fragmentarisch oder gar nicht vorhanden. und so sieht dann leider auch vielfach die praxis in den involvierten bereichen aus.
sven (Gast) - 11. Nov, 10:46

@Monoma

"es spricht meiner meinung bei vielen soziopathen etliches für eine pränatale basis der störung"

Ich denke, dass sich destruktive Einflüsse auf den Fötus immer und grundsätzlich vermuten lassen, wenn von den Eltern Gewalt/Vernachlässigung auf die späteren Kinder ausgeht. Letzteres ist ja oftmals deutlicher nachzuweisen, als ersteres. Wer seine Kinder schlägt etc., der zeigt damit ein hohes destruktives Potential und Gefühllosigkeit. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass auch schon während der Schwangerschaft eine gute Beziehung zwischen Mutter (und Vater) und Kind bestand und besonders auf die Bedürfnisse des Fötus geachtet wurde (Stichwort: z.B. Rauchen und Alkoholkonsum etc.) Eine destruktive „pränatale Basis“ und eine „destruktive Kindheit“ sind Dinge, die grundsätzlich zusammengehören und ursächlich von den psychischen Problemen der Eltern ausgehen.

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