kontext 55: "eigentümlich frei" oder doch eher nur eigentümlich beschränkt? von kapitalisten, die sich über soziopathie beschweren

anders liesse sich auch sagen, dass der folgende beitrag in gewissem sinne von pyromanen handelt, die sich über die mitentzündeten feuersbrünste in ihrer straße beklagen. in der selbstdarstellung der zeitschrift "eigentümlich frei" wird in den zentralen sätzen gleich mal die eigene tiefgreifende innere konfusion deutlich:

(...)"Wir wissen, dass die Handwerksordnung, der Meisterzwang oder der ausufernde Sozialstaat ebenso falsch und unsozial sind wie Rauchverbote oder Quotenregelungen. Im Zusammenleben der Menschen gibt es nur zwei Wege: Gewalt oder Freiwilligkeit, Gewehr oder Vertrag, Zensur oder freies Wort, Sozialismus oder Eigentum, Politik oder Handel. Wir treten kompromisslos für Freiwilligkeit, Vertrag, das freie Wort, Eigentum und Handel ein, wo andere der sozialdemokratischen Versuchung oft genug nicht widerstehen können."(...)

die "sozialdemokratische versuchung" wird an anderer stelle auch so beschrieben:

"Der Massenmensch kollektivistisch-totalitärer Ideologien dagegen ist eine Nummer, austauschbar und gewöhnlich."

als oberbegriff für dieses tatsächlich höchst eigentümliche gebräu wird dann noch das schöne wort
"libertär" missbraucht, was deutlich macht, dass es sich hier um selbsterklärte sog. "anarcho"-kapitalisten oder möglicherweise auch individual-"anarchisten" handelt, die sich zumindest von der eigenen ideologie her auf die entsprechenden "traditionslinien" zurückführen lassen. ich habe die wortbezüge zum anarchismus bei den obigen begriffen bewusst in hochkommata gesetzt, weil die gemeinten bezüge meiner meinung nach nicht nur nichts mit anarchismus oder auch libertärer politik zu tun haben, sondern in gewisser hinsicht ihren gegenpol darstellen: einen gegenpol, der nicht authentische individualität - die sich selbstbewusst im besten sinne und aus einsicht in die unaufhebbare beziehungsbasis jeder menschlichen existenz für strukturen authentischer kollektivität einsetzt, was sich durchaus als libertärer sozialismus verstehen liesse - zum ziel hat, sondern genau jene art von egozentrismus, der im totalitären kapitalismus zu häufig mit individualität verwechselt und gleichgesetzt wird und bereits eine mehr als fließende grenze zu all den auch klinisch relevanten phänomenen der antisozialität aufweist, deren gravierendste ausprägung in der form des soziopathen, aka als-ob-persönlichkeit, bekanntlich eines meiner hauptthemen hier darstellt. der benannte egozentrismus führt gesellschaftlich übrigens zu keiner wie auch immer gearteten anarchie, sondern regelmässig zur anomie, d.h. aufgrund seiner immanenten negierung aller sozialen bezüge in ein a-soziales chaos (welches nur aus dümmlicher böswilligkeit ständig als diffamierendes synonym mit der anarchie [= ordnung ohne herrschaft] gleichgesetzt wird).

es ist vor diesem hintergrund auch durchaus nicht zufällig, dass in dieser zeitschrift immer mal wieder
loblieder auf die extremistische objektivistin und kapitalistin ayn rand angestimmt werden, deren beliebtheit bei "eifrei" eben aus dem von ihr konstruierten gerüst herrühren dürfte, welches für anhänger der antisozialen als-ob-"selbst"verwirklichung als ideologische basis dienen kann.

*

bei diesem szenario ist es nun nicht nur ärgerlich, sondern geradezu geschichtsklitternd, was sich ein autor dieser zeitschrift in einem beitrag mit der überschrift
"Der funktionelle Soziopath" geleistet hat - herumlamentierende pyromanen in aktion. es beginnt bereits mit der überschrift, bei der die einschränkung mittels des attributes "funktionell" keinesfalls nachvollziehbar ist, sondern das problem ebenso bei den strukturellen soziopathen liegt, die bereits pränatal in dieser existenzform gelandet sind und nichts anderes kennen können. dazu bedeutet funktionell in diesem sinne eben, dass sich menschen wie soziopathen benehmen können, ohne jedoch im klinischen sinne soziopathen zu sein. oder anders: die oftmals und fälschlicherweise mit der soziopathie gleichgesetzte antisoziale persönlichkeitsstörung enthält zwar die strukturelle soziopathie als untergruppe, reicht jedoch weit darüber hinaus. wir werden gleich noch sehen, dass sich der autor bei seiner ursachensuche in bereichen bewegt, die eher für strukturelle soziopathen relevant sind.

nun besteht eines der probleme für leute wie diesen autor (der sich selbst als "kapitalist" bezeichnet) darin, dass er und seine gesinnungsgenossInnen sich zwar gerne und bevorzugt in den scheinbar grenzenlos "freien" konstruktivistischen bzw. virtuellen welten des
objektivistischen modus herumtreiben, dieser funktionsmodus aber auch nur das simulativ verwursten kann, was er als input aus der authentischen realität erhält (was übrigens eine funktionelle grundlage jeder soziopathischen und antisozialen wahrnehmung ist). und so sah sich der verfasser offenbar dazu gewungen, tatsächlich ein paar teile der realität auch realistisch wahrzunehmen. so lassen sich jedenfalls die einleitenden absätze verstehen, an derem ende zu lesen ist:

(...)"Es erschreckt und gibt uns Rätsel auf, wenn ein Teenager wegen Hänselei oder Depressionen ein Dutzend seiner Mitschüler umbringt; aber ist es nicht genauso rätselhaft und frappierend, wenn „Freunde“ nicht in der Lage zu sein scheinen, genug Sorge zu empfinden um Alarm auszulösen, wenn eine Vertraute einfach verschwindet?

Ich glaube, dass diese Missklänge auffällig und weit verbreitet sind. Bis jetzt ist es immer noch relativ selten, dass sie in extreme Gewalt münden. Wenn meine Theorie über das, was hier passiert, sich jedoch als richtig erweist, werden wir in den kommenden Jahren noch viel mehr scheinbar unerklärliche Gewalt sehen."


soweit d´accord. jetzt aber geht´s zu den möglichen ursachen:

"Was ist meine Theorie? Ich bin davon überzeugt, dass wir zurzeit die ersten Ergebnisse der Folgen eines systemweiten Zusammenbruchs der Kindererziehung im familiären und institutionellen Bereich erleben. Dieser Zusammenbruch bringt einen neuen virulenten Stamm von Persönlichkeitsgestörten hervor: die funktionellen Soziopathen.

Ein Soziopath ist ein Mensch ohne Gewissen und ohne tiefere emotionale Bindungen zu anderen Menschen, individuell und kollektiv. Die Wissenschaft sucht seit langem nach einer organischen Grundlage für diese Art von Krankheit. Es ist aber auch bekannt, dass frühe Umwelt-Einflüsse eine wichtige Rolle bei der Formung einer menschenverachtenden Persönlichkeit spielen."


auch das ist alles, aufgrund relativer oberflächlichkeit, nicht direkt falsch, wenngleich in schlechter dissoziierender tradition hier sowohl die existenz von soziopathie in früheren epochen als auch die sozialen bedingungen, unter denen sich der heutige umgang mit kindern abspielt, abgespalten werden. dazu ist der implizit konstruierte gegensatz zwischen "organischer grundlage" und "umwelteinflüssen" schlicht unzutreffend, weil sich gerade die hirnphysiologie wie überhaupt das ganze gebilde unserer beiden nervensysteme (vergessen Sie nicht das
enterische) unter beteiligung der zuständigen gene in einer sehr engen und sozusagen dialektischen wechselbeziehung mit der sozialen und nichtmenschlichen umwelt entwickelt - die soziopathie als defektphänomen lässt sich aus dieser perspektive als eine sehr drastische art der versuchten kompensation von schweren mängeln bzw. defiziten in der struktur dieser wechselbeziehung begreifen.

bis zu diesem punkt ist aber die eigentliche aussage des artikels immer noch sehr nebulös - worauf will der autor denn nun eigentlich hinaus?

"Ich bin davon überzeugt, dass wir, als Kultur, über eine zufällige Kombination von Bildungspädagogik und Kindererziehung Ansätze geschaffen haben, die praktisch ideal sind für die Erzeugung menschenverachtender Persönlichkeiten bei anderenfalls gesunden Kindern.

Dass die Stärkung des Selbstwertgefühls heute das Haupt-, wenn nicht das Kardinalziel der elementaren Bildung ist, reduziert bei Kindern drastisch deren Möglichkeit, den notwendigen Schmerz darüber wahrzunehmen, dass die Welt, außerhalb von ihnen, Anforderungen an sie stellen kann und stellen wird."(...)


im ersten satz wird unausgesprochen nochmal ein bisschen 68er-bashing betrieben, um dann im zweiten endgültig die hosen herunterzulassen: die "Stärkung des Selbstwertgefühls" führt letztlich zu "menschenverachtenden Persönlichkeiten bei andernfalls gesunden Kindern". ich kann mich gar nicht entscheiden, ob das nun eher dümmer oder dreister ist, aber es kann natürlich auch gut sein, dass ich im gegensatz zum vertreter einer strömung, die ganz im ernst konstruktivistische bzw. objektivistische seinsmodi vertritt, eine andere definition von selbstwert habe - jemand, der wie eingangs dargelegt antisozialen egozentrismus als "freiheit" wahrnimmt und dazu den fetisch "eigentum" anbetet (dessen historisch-materielle grundlage ich weiter in einer sehr alten,
kulturellen und wahrscheinlich traumainduzierten spaltung zwischen "ich/ego" und körper sehe, die in der folge dazu führt, das das "ich" nur als virtuelles wahrgenommen wird, welches den körper "besitzt", ein verhältnis, das real unmöglich ist und bereits eine pathologische konstellation darstellt), dürfte selbstwertgefühl tatsächlich mit dem benannten egozentrismus gleichsetzen, und in einer solchen logik ist die stärkung des letzteren dann natürlich nicht nur überflüssig, sondern auch für antisozialität verantwortlich.

vor dieser logik muss aber eigentlich das attribut pervertiert, d.h. auf den kopf gedreht, stehen - denn selbstwert, besser gesagt ein gesundes selbstgefühl (= authentische identität, aus dem körper stammend und in ihm ruhend) hat sehr viel mit
urvertrauen zu tun, also damit, ob ich bereits in pränatalen zuständen (und natürlich auch später) zweckfrei geliebt wurde, also ausdrücklich nicht wg. irgendwelcher eigenschaften oder gar "leistungen", sondern wegen meines bloßen da-seins. das ist nach allem, was wir wissen können, eine ganz entscheidende basis, auf der sich eine gesunde psychophysische entwicklung erst entfalten kann.

es liesse sich dabei durchaus darüber streiten, ob diese fehlende basis später überhaupt auch nur ansatzweise "nachentwickelt" werden kann, aber um diese frage soll es jetzt nicht gehen. stattdessen geht es um die behauptung, ob die stärkung des selbstwertgefühls "bei Kindern drastisch deren Möglichkeit reduziert, den notwendigen Schmerz darüber wahrzunehmen, dass die Welt, außerhalb von ihnen, Anforderungen an sie stellen kann und stellen wird."

andersrum wird hier ein schuh draus: erst kinder mit einem ausgeprägten selbstgefühl im oben skizzierten sinne, d.h. mit einer authentischen identität, sind überhaupt in der lage, empathisch die welt wahrzunehmen, sich zu ihr bewusst zu positionieren und auch mit den unausweichlichen frustrationen umzugehen (wobei das "unausweichlich" genauer definiert werden muss - frustrationen, die sich bspw. durch die verrückte kapitalistische ökonomie mit ihren teils mörderischen zumutungen ergeben, sind weder nötig noch unausweichlich). es beschleicht mich an dieser stelle auch der verdacht, ob der autor - womöglich projektiv? - hier im hinterkopf dauernd das wort "narzisstisch" mit dem selbstwertgefühl verwechselt hat. aber wie dem auch sei: die fragliche these ist als blanker und gefährlicher unfug zu werten, selbst wenn man die möglichkeit einbezieht, dass bei bereits wahrnehmungsmässig vorgeschädigten kindern mit antisozialen tendenzen versuche, ihr selbstwertgefühl zu stärken, ähnliche effekte nach sich ziehen können wie therapieversuche mit strukturellen soziopathen: sie lernen lediglich besser, zu tun als ob, also auf gesellschaftliche anforderungen in simulativer und mechanistischer weise einzugehen - aber immer zu ihrem vorteil.

weiter im text:

(...)"Die Freizügigkeit, die mit der Emphase auf das Selbstwertgefühl einhergeht, sabotiert die Entwicklung eines echten Selbst jeder Art.

Was will der coole Junge von heute? Respekt!

Wofür? Dafür, das er ein cooler Junge ist.

Und das coole Mädchen und der coole Junge wissen dabei immer weniger, bekommen dafür aber bessere Noten. An den Schulen wird mehr und mehr „eine Leistungsbewertung propagiert, die Quoten für die Vergabe von guten Noten und Abschlüssen unabhängig von der tatsächlich erreichten Leistung“ festlegt, wie Jan Fleischhauer in seinem Buch „Unter Linken“ beschreibt. In der Germanys-next-Superstar-Kultur wird diese (wenn überhaupt) zu Mittelmäßigkeit dann zu Genialität aufgeblasen."(...)


zum ersten satz nur dies: augenscheinlich stört den autor am meisten die freizügigkeit, wobei darin implizit uralte klischees über die "antiautoritäre erziehung" mitschwingen. diese klischees hatten während einer kurzen zeit zwar eine realen kern (wenn antiautoritär mit grenzenlosigkeit gleichgesetzt wurde); jedoch gibt es keinen nachvollziehbaren grund dafür, warum freizügigkeit und sinnvolle grenzen sich gegenseitig ausschließen würden (das ist natürlich nur auf den umgang mit kindern bezogen). dazu gehört gleichfalls, dass wiederum ein intaktes selbstgefühl die wahrscheinlichkeit dafür drastisch erhöht, dass derartige grenzen auch als solche wahrgenommen werden - eine grundlage für die spätere fähigkeit zur selbstregulation innerhalb sozialer beziehungen, was nebenbei gesagt auch eine ganz elementare basis einer anarchistischen gesellschaft darstellt.

dann: wollen alle jungs cool sein? wenn ja, warum wollen sie es? vielleicht auch deswegen, weil ihnen das ständig von kapitalistischen medien als "männlich" vorgekaut wird? weil die kapitalistischen "helden"gestalten in virtuellen welten und der realität ständig das "ideal" cooler unerreichbarkeit, oder besser, unberührbarkeit, simulieren? ein paar veränderungen in richtung (pseudo-)emotionalität haben eher etwas mit den inhalten der jeweils angesagten simulationen zu tun, die nicht zuletzt von der kapitalistischen ökonomie zwecks "teamfähigkeit" u.ä. nachgefragt werden.

das folgende gejammer über die "linke" leistungsbewertung (bei kindern bis zu einem bestimmten alter überhaupt ein skandal), in der neben der nichthinterfragung des konventionellen leistungsbegriffs auch noch ein erzreaktionärer und zwangsweise objektivistischer (orientiert an "noten und abschlüssen", also am schein) bildungsbegriff sichtbar wird, komplettiert das bild einer position, die ganz zurecht u.a. zu diesem schluß gelangt:

"Das alles ist nur die Tünche einer erschreckenden Leere und Kälte."

das sich das vor allem auf seinen eigenen text beziehen könnte, ist dem verfasser wohl bis heute nicht so recht klar.

*

die meisten der angesprochenen zentralen aspekte meiner argumentation sind im blog in diversen artikeln ausführlicher nachzulesen, ich empfehle für interessierte den
index und auch die interne suchfunktion in der sidebar. und zum schluß sollte dann auch noch die wesentlich wahrscheinlichere realität der soziopathie zur sprache kommen, wie ich sie neulich einmal zusammengefasst habe:

"ich betrachte das "subjekt" im kapitalismus immer als ein als-ob-subjekt, weil es sich von seinen dominierenden psychophysischen funktionsweisen her betrachtet eher um ein schwer beschädigtes subjekt handelt, welches diese beschädigungen - die sich vor allem im gesamten bereich der sozialen beziehungen manifestieren - kompensatorisch versucht, mittels verdinglichung/objektivierung seiner selbst und auch aller anderen, genauer gesagt alles lebendigen anderen, auszugleichen - es geht also um überlebensversuche, die bei einer postulierung des subjekts als "eigentlich überflüssig" an stärke und verzweiflung nur noch zunehmen werden. die sog. subjektform, die kurz als identisch mit der "kapitalistischen daseinsform" begreift, ist aus meiner perspektive eigentlich keine authentische subjektform mehr, besser gesagt, es ist ihre totale negierung: nämlich der soziopath (unabhängig davon, unter welchen namen diese extreme manifestation der kapitalistischen normen in körperlicher gestalt nun historisch bisher aufgetreten ist). hier haben wir den meiner meinung nach einzigen tatsächlichen fall, in dem das subjekt aufgrund psychophysischer prozesse tatsächlich zu einer art objekt im totalitären, d.h. allumfassenden sinne, und damit zur kapitalistischen daseinsform, geworden ist."

ein objekt als produkt der ganz normalen
verdinglichung im kapitalismus - das ist das resultat der "freiheit" von "eigentum und handel", wie sie "eifrei" propagiert. und daran sollten sie auch gemessen werden.
sansculotte (Gast) - 7. Jun, 13:04

flüchtige assoziation

Zu den Ursachen und Entstehungsbedingungen der Soziopathie ist bei mir die Frage aufgetaucht, ob die Erforschung dieses Phänomens denn irgendeine Möglichkeit der Therapierbarkeit der Soziopathie oder dissozialen Störung eröffnet. Es scheint ja, dass - unabhängig davon, ob die Ätiologie genetische oder umweltbedingte (wobei ich deiner Meinung hinsichtlich der Fragwürdigkeit dieser Grenzziehung bin) Ursachen ausmacht, diese Störung dermaßen "fest verdrahtet", also organisch im Gehirn und NS so tief verwurzelt ist, dass sie nahezu untherapierbar ist (es sei denn durch einen "palliativen Generalangriff", der nur als Zwangsbehandlung durchgeführt werden könnte).

Erschreckend auch folgender Gedanke: was, wenn es Soziopathen deshalb gibt, weil sie evolutionär erfolgreich sind? Es wird ja kaum jemand bestreiten, dass - wenn Hemmnisse durch allzuviel Skrupel oder Mitgefühl erst einmal beseitigt sind - ein höchst effektives Individuum auf den Plan tritt. Der Soziopath wäre dann sozusagen der handlungsoptimierte Prototyp der Gattung Mensch, der im Gegensatz zu uns "Handbremsenfahrern" aus einem größtmöglichen Entscheidungsspielraum heraus agieren kann.

Und ein Drittes: der einzige Verbindungspunkt, den die Als-ob-Person zur Realität noch zu haben scheint, ist das zugrundeliegende Trauma. Auch das ist hinsichtlich der Therapieprognose nicht gerade ermutigend.

LG, sansc

monoma - 7. Jun, 16:38

hallo sansculotte,

...schön, mal wieder was von Dir zu lesen ;-)

zum unschönen thema:

"...ob die Erforschung dieses Phänomens denn irgendeine Möglichkeit der Therapierbarkeit der Soziopathie oder dissozialen Störung eröffnet."

bei der dissozialen ps sicherlich (weil sich dahinter oft eigentlich andere störungen verbergen dürften, wie bps, nps und auch ptbs). aber die soziopathie ist wie gesagt nicht das gleiche, und da gibst Du ja im nächsten satz selbst den grund dafür an.

alles, was mir bspw. von leuten wie robert hare (zb. im "handbuch der bl-störungen") dazu bekannt ist, läuft darauf hinaus, dass soziopathen nicht nur nicht therapiefähig sind - weil ihnen u.a. die dazu nötigen inneren instanzen fehlen -, sondern therapien bei ihnen sogar als kontraindikation gelten, weil sie sie als simulatives training nutzen (derart sind einige gefährliche soziopathen verifiziert schon mittels getäuschter gutachter wieder aus ihren knästen gelangt. nicht, dass ich letztere für irgendeine lösung halten würde, sei angefügt).

"was, wenn es Soziopathen deshalb gibt, weil sie evolutionär erfolgreich sind? Es wird ja kaum jemand bestreiten, dass - wenn Hemmnisse durch allzuviel Skrupel oder Mitgefühl erst einmal beseitigt sind - ein höchst effektives Individuum auf den Plan tritt. Der Soziopath wäre dann sozusagen der handlungsoptimierte Prototyp der Gattung Mensch, der im Gegensatz zu uns "Handbremsenfahrern" aus einem größtmöglichen Entscheidungsspielraum heraus agieren kann."

ja, die these habe ich auch schon öfter hier vertreten. es liegt schon seit monaten ein basisbeitrag zur soziopathie halbfertig auf halde, bei dem dieser aspekt mit zentral behandelt werden wird.

Deinen dritten punkt hingegen verstehe ich irgendwie nicht. kannst Du das näher ausführen?

grüße
mo

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