notiz: krisennews spezial - von (mal wieder) geretteten bankstern

na, welch´überraschung - ähnlich wie in jenen herbsttagen 2008, als der begriff "lehman" schlagartig zum symbol für den ökonomischen hades wurde, könnte auch das gerade vergangene wochenende einmal in historischen rückblicken als - nein, keinesfalls als "wendemarke", sondern eher als unübersehbare wegmarke auf dem weg eines ganzen systems in den finalen abgrund stehen. der bail out von eu und iwf mag zwar zugegebenermaßen für alle, die sich nicht ständig mit den mechanismen von finanzmärkten, währungen und ökonomischen prozessen beschäftigen (dazu gehöre ich ebenso wie vermutlich ein großteil der menschlichen gesellschaft), zunächst undurchschaubar in seiner struktur, seinen motivationen und den konsequenzen sein, aber gerade hier lohnt sich die frage: cui bono?

(...) "Neben der Gemeinschaftswährung profitierten am Montag vor allem Finanzwerte. Aktien der Deutschen Bank stiegen um bis zu zwölf Prozent, Commerzbank-Titel legten zeitweise rund zehn Prozent zu. In Madrid und Paris stiegen Papiere der zuletzt arg gebeutelten spanischen und französischen Banken teils um bis zu 20 Prozent." (...)

das ist europa-, und vermutlich weltweit zu
beobachten:

(...) "Die Titel der Schweizer Grossbanken haben rund zehn Prozent gewonnen. Das ist auch verständlich: Die Aktien der Finanzhäuser haben in den letzten Tagen unter einer generellen Verunsicherung gelitten. Wer hat wie viele Staatsanleihen von Griechenland, aber auch von Portugal, Spanien oder Italien in den Büchern, lautete die bange Frage der Investoren. Im Falle einer Umschuldung oder gar eines Staatsbankrottes wären die betroffenen Banken selbst ins Wanken geraten."

das lässt sich oberflächlich durchaus als "lehman 2.0" bezeichnen, wenn auch insgesamt die dimensionen gleich mal um ein vielfaches höher sind - jetzt geht es um die haushalte ganzer staaten, ja staatengruppen:

"Dank der Europäischen Zentralbank (EZB) ist diese Angst wie weggeblasen. Die EZB hat bekannt gegeben, sie werde ab sofort Staatsanleihen und private Schuldpapiere von Euroland-Mitgliedern als Sicherheit akzeptieren. Will heissen: Die EZB setzt auf die gleichen Instrumente wie die US-Notenbank Federal Reserve System nach dem Kollaps von Lehman Brothers: Sie tauscht «Giftmüll» gegen blitzsaubere Euro-Obligationen ein. Damit sind die Banken fürs erste aus dem Schneider. Was aber ist mit dem europäischen Bürger und Steuerzahler? Wird ihm die Rechnung entweder in höheren Steuern oder höherer Inflation präsentiert werden?" (...)

die erschütternde unschuld der letzten (rhetorischen) frage ist schon wieder fast lustig - aber auch nur fast. eine schleichende, immer stärkere inflation dürfte genauso sicher sein, wie weitere cuts von den staathaushalten angefangen bis hin zur ebene von kommunen und gemeinden. wer sich die länder betrachtet, denen der iwf in der vergangenheit schon mal an der halsschlagader saß, kennt das rabiate vorgehen dieser bande. für die bevölkerung von griechenland sowieso, aber auch für die in portugal, spanien und den anderen potenziellen zielkandidaten der "hilfe" dürfte das
mantra des sparens zu bisher ungeahnten gesellschaftlichen konflikten führen:

(...) "Die entsprechenden Staaten hätten sich als Gegenleistung für die Hilfen auch zu neuen Sparanstrengungen verpflichtet. So hat Spanien angekündigt, man wolle 2010 weitere fünf Milliarden Euro und 2011 weitere zehn Milliarden einsparen. Madrid will damit die Neuverschuldung schneller senken. Das Haushaltsdefizit soll 2010 schon auf 9,3 % gedrückt werden. 2011 will man es nach den neuen Plänen auf 6,5% reduzieren. Wie das geschehen soll, da bleibt die Finanzministerin Elena Salgado einsilbig. Bisher war sogar unklar, wie die schon zuvor angekündigten Sparpläne umgesetzt werden sollen, da Madrid auch ständig neue Ausgaben ankündigt.

Wie schon das bisherige Sparpaket Portugals klar, konkret und glaubwürdig war, hat Lissabon erneut konkret erklärt, an welcher Stelle die zusätzlichen Milliarden eingespart werden. Portugals Ministerpräsident Jose Socrates hat angekündigt, dass die sozialistische Minderheitsregierung zwei große Infrastrukturprogramme auf Eis legen werde. Der neue internationale Flughafen in Lissabon und die dazugehörige Brücke über den Tajo werden zunächst nicht gebaut. Das Defizit soll schon in diesem Jahr von 9,4 auf 7,3 % gesenkt werden, bisher hatte Lissabon für 2010 noch 8,3% angesetzt." (...)


die letztgenannten kürzungen bei großprojekten wie in portugal sind ja dabei noch nicht mal das verkehrteste - solche projekte sind bekanntlich aus diversen gründen in aller regel eh fragwürdige und meistens auch überflüssige ausgaben. der eigentliche batzen wird - und zwar mit einiger sicherheit in der gesamten eurozone, wenn auch in unterschiedlichen dimensionen - in solchen bereichen wie soziales, bildung, kultur und öffentliche (notwendige) infrastruktur angepeilt sein - und dieses "sparen" wird auf jahre, wenn nicht jahrzehnte, konsequenzen und folgen haben, die sich in ihrer ganzen unheilvollen komplexität überhaupt niemand vorstellen kann. die "märkte" haben ihre agenda der umverteilung des gesellschaftlichen reichtums bis dato in letzter hinsicht sehr erfolgreich durchsetzen können - und ohne eine massive umwälzung werden sie das aller voraussicht nach auch weiterhin tun (können) - unterstützt von ihren politikerInnen, die wiederum von einer mehrheitlich in agonie befindlichen bevölkerung passiv unterstützt werden (auch das bloße zuschauen erfüllt diesen tatbestand). bankster wie ackermann können ein weiteres mal ihr "victory" grinsend in die kameras zeigen - profite nicht nur gerettet, sondern gesteigert, und alle risiken und kosten einmal mehr erfolgreich sozialisiert.

*

vielleicht werden wir auch zukünftig irgendwann mal erfahren, was in den tagen und stunden seit dem seltsamen "crash" der wallstreet vergangenen donnerstag bis in die letzte nacht hinein eigentlich wirklich passiert ist - warum musste der bail out unbedingt bis heute morgen vor der öffnung der ersten börsen unter dach und fach sein? was wäre passiert, wenn nicht? bei lehman 1.0 stand das ganze (finanz-)system im herbst 2008 ja ca. 24 bis 48 stunden vor dem totalcrash, bevor damals die us-administration intervenierte - das aktuelle geschehen zeigt ein paar parallelen auf - bis dahin, das letzte woche bereits wieder meldungen über zunehmende und größere störungen im sog. "interbankenmarkt" zu sehen waren, d.h. die banken haben angefangen, sich untereinander wieder keine kredite mehr zu geben - wer sitzt auf wieviel "faulen" staatanleihen? da sich das pack untereinander bestens kennt, dürfte das gegenseitige misstrauen eine sehr reale basis besitzen.

*

aber wie dem auch sei - solange dieses system nicht ganz fundamental zerschlagen und umgestaltet wird, werden "wir" alle einmal mehr für eine klitzekleine minderheit zahlen. interessanterweise sind viele ähnliche stimmen auch
jenseits des atlantiks zu vernehmen - ein kommentarstrang der huffington post kann da als exemplarisches beispiel für dienen:

"German Chancellor Angela Merkel accused the financial industry of playing dirty. 'First the banks failed, forcing states to carry out rescue operations. They plunged the global economy over the precipice and we had to launch recovery packages, which increased our debts, and now they are speculating against these debts. That is very treacherous,' she said. 'Governments must regain supremacy. It is a fight against the markets and I am determined to win this fight.'"

UK Telegraph

Didn't she see the preview that happened here? And you want to go bailout?


antwort 1:

She is naive to believe that there is a division between governments and corporations. They are now one in the same.

ich würde das nicht als "naivität" bezeichnen - nennen wir´s eher bewusste mittäterschaft. und das system lässt sich als kapitalistische variante namens korporatismus mit feudalen zügen, vernebelt durch eine demokratiesimulation, begreifen.

antwort 2:

Battle for planet earth! Bankers vs the rest of us.

etwas seeehr verkürzt, aber als parole der stunde durchaus brauchbar - wobei die banken eben nicht alleine das problem sind, sondern das ganze system, in dem sie eingebettet und fett gepolstert existieren.

ebenfalls verkürzt in der benennung der ursachen (es liegt nicht alles nur am zins), aber eben so treffend im versuch der kurzen
gesamtschau klingt es teils hierzulande:

"Willkommen Europäer in Europa, könnte man heute sagen, denn jetzt sitzen wir wirklich alle in einem Boot. Nur heißt das Schiff Titanic und die Kapitäne ignorieren die Finanzeisberge, welche da draußen umher schwimmen. Solange ein Staat, eine Region, ein Kontinent Kredite aufnehmen muss, um funktionieren zu können, solange wird es langfristig immer eine Versklavung der Bevölkerung oder eine Ausbeutung der natürlichen Ressourcen geben. Zinsen müssen schließlich erwirtschaftet werden und dazu muss jemand verlieren.

Der Planet ächzt an allen Enden, Millionen von Menschen hungern täglich obwohl die Nahrungsmittelproduktion für 12 Milliarden Menschen produzieren kann. Das Artensterben geht weiter und hat den Zenit bereits überschritten und wir bekommen es nicht in die Reihe, die Ursachen für den bestehenden Druck und die damit verbundenen ausufernden psychischen Erkrankungen in den Industrienationen in den Griff zu bekommen.

Die Griechen haben Recht wenn sie sagen „Europäer erhebt euch.“ Der Ausverkauf Europas hat begonnen."


ja. jetzt sind wir alle u.a. auch griechen. nur an der widerständigkeit hapert´s noch.

*

in dem zusammenhang möchte ich auch noch auf ein äusserst lesenswertes
interview hinweisen, welches der dlf mit dem wirtschaftskolumnisten der französischen zeitung "le monde", paul jorion, geführt hat - lesenswert (für mich) v.a. deshalb, weil dort tatsächlich einmal auch für ökonomische laien gut nachvollziebar etwas von den mechanismen erklärt wird, die rund um die funktion des geldes in dieser gesellschaft existieren. das ist zwar noch vor dem aktuellen geschehen entstanden, jedoch in den grundsätzlichen aussagen natürlich weiter gültig (auch der jetzige bail out wird aus systemsicht eigentlich nur eins bringen: zeitgewinn vor dem großen finale). am ende ist zu lesen:

"Der ökonomische Mainstream hat ja die Krise bereits verabschiedet: Positive Zeichen am Horizont, das Schlimmste haben wir hinter uns, Sie sind da sehr viel pessimistischer, Sie glauben an diesen "Double Dip", also an diesen zweifachen Einbruch in Form eines Ws, wobei der zweite Teil sehr viel dramatischer sein wird als der erste, dieser zweite Teil, auf welchem Feld spielt er? Wird es eine Krise der öffentlichen Verschuldung sein? Wird es eine Krise der Nachfrage sein, die durch das Sparen ausgelöst ist? Also eine deflationäre Krise, wo wird sich das abspielen?

Jorion: Da stelle ich zuerst einmal die Frage, wo ist dieser Mainstream, von dem Sie da sprechen. Das sind ein paar Zeitungen, ein paar Fernsehsender, sicher nicht die Mehrheit! Im April lief eine Umfrage in Frankreich. Man hat die Menschen gefragt, ob sie an das Ende der Krise glauben. 75 Prozent haben darauf mit Nein geantwortet.

Was uns wirklich bevorsteht, ist die japanische Krankheit: eine sich dahinschleppende Periode andauernder Stagnation und Deflation. Für Keynes war Deflation die größte Gefahr. Niemand gibt Geld aus, weil morgen ja alles noch viel billiger zu haben sein wird. Die Wirtschaft kommt nahezu zum Stillstand, die Arbeitslosigkeit steigt steil an, es kommt zu einer Verarmung weiter Kreise der Bevölkerung.

Die Rezession wird sich fortsetzen, die Nationalstaaten haben ihr Pulver verschossen. Da kann man nicht mehr nachladen. Die Rettung des Bankensektors hat die letzten Reserven verbraucht, die Staaten haben mehr ausgegeben, als sie hatten. In ihrer Mehrheit sind sie ebenso insolvent wie Griechenland. Die Versuchung ist groß, die Schuldenlast durch eine Inflation abzutragen. Aber eine Inflation ist wie ein Flächenbrand, sie lässt sich kaum steuern.

Man stellt mir sehr oft die Frage, ob wir die finale Krise des Kapitalismus erleben. Ich denke, das stimmt. Es ist eine Art Todeskampf, der sich da abspielt. Er wird vielleicht nicht aus den gleichen Gründen sterben, die Marx vorhergesagt hat. Aber das ändert nichts. Marx kann sich getäuscht haben und das System trotzdem tödlich getroffen sein.

Man muss endlich handeln, man muss die Finanzindustrie daran hindern, weiter Schaden anzurichten. Seit drei Jahren plädiere ich dafür, Wetten auf Preise zu verbieten. Aber nichts bewegt sich. Enorme Summen werden der Wirtschaft durch diese Art des Zockens entzogen. Das ist etwas sehr, sehr Gefährliches."


wobei es ja jetzt so aussieht, als ob die eurozone der erwähnten "versuchung" einer (kontrollierten?) inflation nachgegeben hat - aber was ist das anderes als die wahl einer todesart?

*

(betreffend möglicher inhaltlicher fehler bei meiner bewertung ökonomischer zusammenhänge bin ich natürlich für korrekturen, ergänzungen etc. dankbar - ich finde das wirklich alles hard stuff).
monoma - 11. Mai, 00:54

war frankreich der auslöser?

wären das französische finanzsystem und seine banken gestern über den jordan gegangen ohne bail out ? ein möglicher hinweis:

"Vor dem Euro-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Freitag in Brüssel eskalierte die Lage und zwang die EZB zum Eingreifen. "Plötzlich waren nur noch deutsche Bundesanleihen liquide, noch nicht einmal mehr gute französische Staatstitel", erklärt ein Euro-Notenbanker die Zwangslage. "Es musste gehandelt werden - ohne Rücksicht auf Verluste."

Als Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy den anderen Regierungen einen gigantischen, rund 750 Milliarden Euro schweren Schutzschirm für den Euro abrang, konnte auch die EZB nicht mehr abseits stehen und gab ihren Widerstand auf."


klingt für mich zumindest plausibel - frankreich gilt ja neben d-land als sog. europäisches "kernland", auch hinsichtlich der eurozone. und wie hätte das wohl die französische bevölkerung gefunden, sich mit so einer situation konfrontiert zu sehen? neben den griechen auch durchaus mit einer ganz eigenen widerständigen tradition ausgestattet, die der sarkozy wohl gut genug kennt. das würde tatsächlich etwas von der ungeheuren hektik erklären.

monoma - 11. Mai, 01:19

und wer hat eigentlich...

...heute mal die bejubelten kurse verfolgt? bankaktien hoch, na klar - gold zunächst runter, im laufe des tages aber dann wieder auf über 1200.- $

und der euro selbst gewann für ein paar stunden gegenüber dem dollar an land, um sich dann ebenfalls am nachmittag wieder in die gewohnten sphären des prä-bail-outs zu begeben...

ich mein ja nur: hätte dieses "unglaublich mutige, einmalige rettungspaket" nicht eigentlich mehr effekte an diesen ganzen kursen zeitigen müssen?

*

insgesamt zur krise noch ein paar passende gedanken:

"Es ist eine gigantische Billionen-Dollar-Welt, virtuell und hochgefährlich, deren Rückkopplungen mit der realen Welt keiner mehr erklären und überschauen kann. Es ist die umgekehrte "Matrix": In dem Film wird die virtuelle Welt, die alle für real halten, von der realen manipuliert und beherrscht. Unsere Matrix manipuliert die reale Welt - was im Film nur einer Figur mit Namen Agent Smith gelang."

die grauen herren sind unterwegs...

sansculotte - 11. Mai, 17:13

Zins und Geldschöpfung

Dochdoch. Die Zinsdynamik ist einer der ursächlichen Faktoren für die Krise. Allerdings ist sie "nur" ein - wenn auch das wichtigste - Instrument eines viel mächtigeren Prozesses: des Vorgangs der Geldschöpfung.

Das mystifizierende Geschwätz von Herrn Jorion erklärt hingegen überhaupt nichts. Der bringt nur die üblichen Stereotype und Leerfloskeln an den Mann/ die Frau. Ich will diese unsäglich dumme Propaganda wegen ihrer unerträglichen Plattheit ("Staaten haben mehr ausgegeben als sie hatten .." und so fort) und wegen der vorsätzlichen Verschleierung, die sie betreibt, nun gar nicht detailliert nachbetrachten. Das wäre schiere Vergeudung.

Zur Zinsdynamik empfehle ich die Publikationen und Bildmaterial von Bernd Senf.

Sicher, die Krise ist keine Folge „falscher“ Handlungen, sondern eine systemische, sie ist Konsequenz dessen, was im System des Kapitalismus angelegt ist. Doch auffälligerweise wurde dieses System genau so konzipiert, dass es letztendlich in einer Krise kulminiert, und unbestritten ist auch, dass eine Reihe von politischen Entscheidungen in den letzten Jahren den Weg in eben diese Krise geebnet haben. Die Ursachen für die gegenwärtige Krise sind im wesentlichen in zwei Systemvoraussetzungen zu verorten: zum einen in der Einrichtung eines Zins- und Zinseszinssystems, wobei die Option eines Schuldenerlasses (Sabbatjahr, Jubeljahr) nicht vorgesehen ist. Die bekannten Folgen sind Kapitalakkumulation, Schuldknechtschaft und die Verringerung des Geldflusses. Grundsätzlicher und zugleich weniger anerkannt ist die Tatsache, dass eine prinzipiell offene, exponentielle Dynamik (Zins) in einem begrenzten System (Ressourcen) nicht funktionieren kann.

Zum anderen - und dies wurde bei der Analyse des Kapitalismus bis heute hartnäckig übersehen - stehen wir vor der interessanten Frage, wie unser Geld eigentlich in die Welt kommt. Die Geldschöpfung ist der zentrale Angelpunkt dessen, was menschliches Wirtschaften eigentlich ausmacht. Denn Geld ermöglicht den Austausch von Gütern und Leistungen.

Deshalb ist es nicht unerheblich, danach zu fragen, was Geld eigentlich ist. Man könnte – wie die klassische Theorie vorschlägt – meinen, es sei ein Äquivalent von Leistungen und Gütern. Um es kurz zu machen: das ist es nicht. Nicht mehr. Seit die "Zentral"banken das Geldschöpfen besorgen, und dies mit gesetzlicher Zwangsgewalt, ist Geld lediglich ein gesetzlich verordneter Zahlungszwang für ein Schuldverhältnis, das uns von Anfang an aufgezwungen wird.

Der initialen Geldschöpfung der Notenbanken steht nämlich kein Realwert gegenüber! Dieser wird erst durch den Kauf von Staatsanleihen, d.h. durch die Leistungsverpflichtung der Steuerzahler PRO FUTURO "erschaffen"! Das heisst: die Besicherung des Zentralbankgeldes erfolgt durch die Verpflichtung des Staates, hinreichende Steuerleistung (+ Zins!) aufzubringen. Werterhaltend für das Geld ist lustigerweise die Zahlungsfähigkeit des Staates, einer der wenigen Vorgänge auf dieser Welt, bei dem der Zweck zu seiner eigenen Voraussetzung wird. Denn die Zahlungsfähigkeit des Staates ist letztlich durch die Steuereinnahmen(im Äquivalent Wert der Staatsanleihe + Zins) gesichert, die Steuerzahler können aber nicht mehr Geld aus ihrer Tasche lukrieren als eben schon ausgegebenes Zentralbankgeld, wodurch sie mit weiteren Leistungsversprechen für das neu emittierte Geld einstehen müssen, sich weiterhin verschulden und letztlich in einer nicht enden wollenden und nicht zu Ende zu bringenden (ad infinitum) Schuldknechtschaft landen.
(Zentralbankgeldschöpfung, mehr über diesen Vorgang, bei dem "Geld aus dem Nichts" erschaffen und dann gegen Zinsen an den Staat verliehen wird in Modern Money Mechanics, einem Papier der Chicagoer Federal Resreve)

Das Notenbank-Steuerzahler-System ist eine gigantische Umverteilungsmaschine. Der Mechanismus wird durch die multiple Geldschöpfung ergänzt: Die Notenbank vergibt Geld einerseits gegen Staatsanleihen und zum andern an Kreditbanken gegen Verzinsung. Die Kreditbanken dürfen das Notenbankgeld unter Abzug einer Mindestreserve weiterverleihen. Dabei kann man sich Geld als "Virus" vorstellen und den Kreditnehmer als "Zwischenwirt":

Kreditbank A erhält also 1000,- Euro Notenbankgeld und muss davon 2% Liquiditätsreserve einbehalten. Die übrigen 980,- Euro verleiht Bank A an den Kreditnehmer 1 (KN1). Der KN1 hat für die 980;- Euro bei einem Händler (nennen wir ihn KN2) Waren gekauft und zahlt somit die Ware ab. Der Händler KN2 zahlt seinerseits bei Kreditbank B die 980,- Euro als Einlage ein. Damit hat Bank B ein Guthaben von 980, Euro, von dem sie 2% als Liquiditätsreserve einbehalten muss. Den Rest, also 960,40 Euro, kann Bank B weiterkreditieren und somit an KN3 ausgeben. Das Spiel setzt sich fort, bis aus einer Anfangsemission von 1.000 Euro Zentralbankgeld 50.000 Euro Umlaufgeld entstanden ist. (Giralgeldschöpfung).

Die Kreditforderungen liegen bei der Notenbank (für Notenbankgeld) und bei den Kreditbanken (für Giralgeld). Die Eigentümer dieser Banken (die Zentralbanken sind im Eigentum von Mitgliedsbanken und sind keine staatlichen Institute; sie sind - wenn man so will - Privatkartelle ! siehe auch: Who owns the Federal Reserve?) haben also plötzlich Übertragungsrechte auf Sachwerte gegen Geld, das niemals sachwertgesichert war. Man könnte auch sagen: sie haben sich diese Eigentumsrechte arglistig erschlichen. Angelpunkt ist hier die Anerkenntnis ihres Geldes als gesetzliches Zahlungsmittel. Das ist der Trick und der Grund dafür, warum Gemeinwesen, Staaten, Kommunen und letztlich der Steuerzahler niemals aus der Schuldenfalle entkommen können.

Die Politik hat dafür die Rahmenbedingungen gesetzt, aber dies alles unter dem Diktat der Banken (zB. Basel II). Was wollen die Banken? Die Banken wollen Geld machen, mehr Geld und noch mehr Geld. Die Geldschöpfung der Banken funktioniert über Kredite, also haben politische Maßnahmen und Zentralbankenvorgaben die Kreditvergabe vereinfacht. Nebenbei hat man noch das Kreditrisiko über Ausfallsversicherungen gestreut (vermindert). Der munteren Geldschöpfung der Banken stand nun nichts mehr im Wege. Den Rahmen dafür haben politische Entscheidungsträger und die Zentralbanken geschaffen. Für die Investitionsmöglichkeiten waren zunächst Weltbank und IMF verantwortlich. Als aus den Schwellenländern nichts mehr abzupressen war und weil auch China mit seiner Barterwirtschaft ins Gehege kam, hat man sich aufs Ausplündern der eigenen Bevölkerungen (Immogeschäfte) verlegt.

Das Zentral(Noten)bank-System und das gesamte davon abhängige Bankenwesen (Geschäfts- und Investbanken) sind ein gigantisches Geldumverteilungssystem! Sie tauschen Spielgeld gegen Realwerte.

monoma - 14. Mai, 14:47

@sansculotte

danke für Deine inhaltlichen ergänzungen. zum interview ist von mit aus noch zu sagen, dass ich es durchaus erhellend finde, weil jorion für mich durchaus schlüssig ein paar zentrale mechanismen und auch grundlagen speziell der finazkrise erklärt. da mag - für ein "le monde"-redakteur nicht erstaunlich - dann auch ideologie mitschwingen, aber ich finde einige inhalte durchaus verständnisfördernd.

zins: meine bemerkung bezieht sich gar nicht mal primär aufs "rein" ökonomische - ich habe als finale basis des desasters für mich immer das konstrukt "eigentum" im sinn, und damit meine ich ganz kur, dass sich das "eigentum" im kapitalismus (sowohl produktions- als auch gebrauchseigentum, wobei das letztere nur sekundär ein problem darstellt) erst auf der basis einer bestimmten art der verdinglichten selbst- und fremdwahrnehmung überhaupt etablieren konnte (und natürlich seinerseits diese wahrnehmung rückkoppelnd prägt)
"ich" vs "mein körper" - das ist aus meiner perspektive die basis.
sansculotte - 13. Mai, 01:04

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