notiz: lesetipps zum wochenende - von behavioristischen anreizen, marilyn monroe, interessierten babys und dem wachstumswahn
bevor ich mich wieder den harrenden und fälligen fortsetzungen widme (btw: sollten Sie jemals selbst als blogautorIn arbeiten, würde ich Ihnen empfehlen, nicht zuviele baustellen auf einmal aufzumachen...), hier nun ein paar kommentierte links zu interessanten texten - und wie so oft bei derartigen zusammenstellungen finde ich, dass es durchaus rote fäden gibt, die alle gleich angesprochenen themen gar nicht mal so untergründig verbinden.
*
"Neofeudaler Elitedünkel":
(...) "Wenn wie jetzt über die Höhe der Unterstützung für erwerbslose Menschen gestritten wird, hat sich seit der von Gerhard Schröder verkündeten "Agenda 2010" ein Glaubensdogma etabliert: Arbeitslose brauchten Anreize, so heißt es, damit sie wieder eine Arbeit annähmen.
Dieses Glaubendogma geht davon aus, dass Arbeitsplätze im Prinzip angeblich genügend vorhanden wären, das eigentliche Problem sei vielmehr die Lustlosigkeit der Arbeitssuchenden. Von sich heraus habe der Mensch, so die Unterstellung, auf gar nichts Lust - außer regungslos auf dem Sofa zu liegen. Erst wenn ein finanziell messbarer Anreiz vorliege, würden Gehirnzellen und Gliedmaße in Bewegung gesetzt. (...)
Dieses Menschenbild entspricht (...) jener Psychologie aus dem euphorischen Industriezeitalter, die das naturwissenschaftliche Kausalitätsgesetz umstandslos auf die Erforschung menschlichen Verhaltens zu übertragen versuchte. Sinnbild für dieses Denken ist der pawlowsche Hund, der auf einen akustischen Reiz so voraussehbar reagiert wie eine Maschine: ohne Reiz keine Reaktion.
Dieses Modell passte einst gut zum Regime der Arbeitshäuser und Besserungsanstalten, die für "umherziehendes Gesinde" eingerichtet wurden. Der Mensch sollte - mit Zuckerbrot und Peitsche - an den neuen Rhythmus der Maschine angepasst werden. Der Rückgriff auf den Verhaltensmodus von Tieren verwundert da kaum, denn die mechanische Psychologie kannte keine Seele. Zwischen der Wahrnehmung einer Information (Reiz) und dem darauf folgenden Handeln (Reaktion) fehlte die vermittelnde Persönlichkeit. Die neoklassische Ökonomie, auf der die Anreiz-These basiert, griff dieses Menschenbild auf, um zu begründen, warum der Mensch nur durch ständigen Wettbewerbsdruck zur Leistung bereit sei." (...)
interessanter text, auch wenn ich die kategorien, in denen da gegen diese erkennbar behavioristischen strategien argumentiert wird - aufklärung, kant, bibel - für zu kurz greifend halte. den befund hinsichtlich der "neoklassik" unterschreibe ich weitgehend (siehe auch zum "institutionellen autismus" der wirtschaftswissenschaften), finde aber vor allem auffällig, wie in diesem beschriebenen menschenbild eigentlich unübersehbar vor allem eine grundsätzlich soziopathische wahrnehmung aufschimmert.
der zugrundliegende objektivistische modus kann bekanntlich bzw. wie schon früher näher erläutert in der welt weder einen immanenten sinn wahrnehmen noch generieren, in bezug auf letzteres höchstens simulationen. neben anderen konsequenzen ergibt sich daraus eine gerne übersehene, nämlich eine existenzielle langeweile- (auch angesprochen in den basisbeiträgen zur "als-ob-persönlichkeit"). diese spezifische langeweile, basierend auf einem fundamentalen wahrnehmungsdefekt, ist es unter anderem, die echte soziopathen zu ihren teils äusserst riskanten (auch für sie selbst) aktionen motiviert - ein surrogat für jene gleichfalls existenzielle zufriedenheit (oder vielleicht besser: das glücksgefühl), welches authentisch sein könnende menschen bei ihren bewegungen in der welt verspüren können. letzteres eben auch bei erfüllender arbeit.
das "Fehlen der vermittelnden Persönlichkeit" ist dabei ein schlüsselsatz, welches sowohl hinsichtlich der behavioristischen ansätze als auch der soziopathie entscheidend ist. hier wird letztlich eine unbestreitbare eigenwahrnehmung derjenigen sichtbar, die oben benannte ansätze und daraus folgende menschenbilder vertreten, ausformulieren und in "politische" forderungen umsetzen. im vorletzten absatz des artikels wird das wie folgt ausgedrückt:
(...) "Die Manager unserer Skandalbanken bestätigen ihr Menschenbild hingegen auf zynische Weise. Ohne sechsstellige Bezüge oder millionenschwere Boni hätte ihnen womöglich der Anreiz gefehlt, mit jenen aberwitzigen Finanzluftschlössern zu handeln, mit denen sie die Welt vor zwei Jahren bis an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds brachten. Heißt das, unsere Boni-Banker sind von Natur aus faul? Würden sie ohne Spitzengehälter nur träge auf dem Sofa liegen? Zumindest gesteht diese Anreizelite damit ein, dass sie selbst kein Konzept von Arbeit besitzt, das auf der Freiheit der autonomen Persönlichkeit beruht." (...)
das "von Natur aus" halte ich in diesem fall für eine unglückliche, da falsche assoziationen aufrufende, formulierung. aber die fragen dürften generell zu bejahen sein. mit einem fehlenden konzept beruhend "auf der Freiheit der autonomen Persönlichkeit" hat das allerdings ebenfalls weniger zu tun; in ihrer eigenen wahrnehmung sind die betreffenden durchaus "frei" und eher zu sehr "autonom", macht dieser begriff im kontext doch nur sinn, wenn er für eine weitgehende beziehungslosigkeit als synonym gesetzt wird.
auffällig ist aber nicht nur in diesem fall, sondern in vielen bereichen der gesellschaftlichen organisation dieses fast komplette leugnen der menschlichen fähigkeiten der selbstorganisation und -regulierung, für die stattdessen das bekannte bild des faulen, gierigen und letztlich bösen menschen als dominierende vorstellung breit installiert ist. ich halte das u.a. wie schon früher oft genug für eine deutliche projektion seitens derjenigen, die mit diesem mist operieren; und im falle der "wirtschafts-" und sonstigen experten, die u.a. für die hartz-iv-gesetze mitverantwortlich sind, dürfte es ähnlich aussehen wie bei den bankstern beschrieben.
ein weiteres (extremes) beispiel für das gemeinte bietet unser heutiges justiz- und strafwesen, welches belegbar durchgängig die situation nur ständig verschlimmert (beispiele dazu sind in etlichen früheren blogbeiträgen zu finden) und womöglich durch diese art der behandlung mit dazu beiträgt, (funktionelle) soziopathen zu erzeugen. insgesamt geht es hier um etwas, was in einem interview mit der autorin martha stout ("der soziopath von nebenan") wie folgt beschrieben wurde (ich greife das ganze interview zukünftig nochmal ausführlicher auf):
(...) "TR: Wie behandelt man einen Soziopathen?
Stout: Wenn er sich tatsächlich in Therapie befindet, ist das eine eher mechanische Sache, normale Therapieformen greifen kaum. Es geht darum, das Verhalten zu kontrollieren. Soziopathen werden ganz anders motiviert als normale Menschen. Es hat etwas Erzieherisches: "Wenn Du das machst, gehst Du ins Gefängnis" oder "Das Verhalten hat diese materiellen Konsequenzen für Dich". Es geht um sehr, sehr einfache, grundlegende Dinge – A folgt auf B, wie ein Lehrer vor kleinen Kindern.
Ich habe mich einmal mit einem Mann unterhalten, der ein Programm für Menschen leitet, die wegen Alkohol am Steuer mehrfach verhaftet wurden. Ihm wurde irgendwann klar, dass sich darunter viele Soziopathen befanden. Er stellte seinen Ansatz daraufhin um: Früher versuchte er den Leuten zu erklären, dass sie anderen Menschen durch ihr Verhalten Schaden zufügen oder sie sogar töten könnten. Es stellte sich aber heraus, dass das diesen Delinquenten ziemlich egal war.
Inzwischen erzählt er seinen Kandidaten einfach die kalten, harten Fakten: Sie werden jedes Mal verhaftet, verlieren ihren Führerschein, sie werden nicht mehr mobil sein und so weiter. Das war die einzige Chance, ihr Verhalten zu ändern."
sehen Sie das (tatsächlich behavioristisch anmutende) prinzip? und schauen Sie sich mal um, wo das überall angewendet wird oder aber durchschimmert (nebenbei: in den obigen sätzen von stout steckt auch die erklärung dafür, warum appelle an "ethik & moral" großen teilen unserer "eliten" so selbstverständlich an einem ohr hinein und sofort wieder am anderen hinaus gehen. es hilft auf dieser ebene wirklich nur, ihnen die "kalten, harten fakten" für sie selbst deutlich vor augen zu halten).
wenn man sich genauer anschaut, wer in den heutigen gesellschaften die macht hat, wirksame (nicht unbedingt positive) konzepte für das miteinanderleben zu entwickeln und vor allem durchzusetzen, wird sehr schnell deutlich, dass wir es mit einer entwicklung zu tun haben könnten, die anlässlich des themas "managergehälter" vor einiger zeit bei telepolis von einem user so umschrieben worden ist:
(...) "Scheint wohl ein kleines Problem mit unserem Anreizsystem zu geben. Wenn Skrupel Karrierekiller sind, brauchen wir uns nicht zu wundern,
wenn unsere Elite eine negative Selektion wird und sich aus immer
mehr Soziopathen zusammensetzt, die prompt anfangen, die ganze
Gesellschaft zu einem Biotop für sich und Ihresgleichen umzuformen."
und der letzte satz bringt es auf den fatalen punkt. ich behaupte, dass sich der kommentar in der "taz" letztlich um nichts anderes als eine der vielen konsequenzen der "versuchten umformung" dreht.
*
die "zeit" hat eine recht interessante rezension einer offensichtlich ebenfalls interessanten neuen sammlung mit bislang unveröffentlichten materialien von norma jeane mortenson, besser bekannt als marilyn monroe:
»Allein!!!!!!
Ich bin allein – ich bin immer allein
egal was…«
wer das buch von mertz gelesen hat, dürfte sich an seinen abschnitt über die monroe (und romy schneider) erinnern; ebenfalls gilt "mm" schon seit längerem in vielen arbeiten der borderline-literatur als ein geradezu "paradigmatischer fall", sowohl was ihre traumatische biographie als auch ihren gesellschaftlichen "erfolg" (bei maximalem persönlichem unglück) anbelangt. zu ihren heutigen potenziellen nachfolgerinnen mehr hier.
*
neues aus der säuglingsforschung:
(...) "Man dachte, Babys seien nicht in der Lage, zwischen Vorstellung und Realität zu unterschieden, und Zusammenhänge verstünden sie sowieso nicht. Das ist falsch." (...)
das zeichnete sich allerdings schon länger ab, aber es schadet keinesfalls, sich immer wieder von den hartnäckigen vorstellungen von babys als "hilflosen nichtsmerkern" zu verabschieden, zumindest vom letzteren (danke an w-day für den hinweis :-)
*
zum ende ebenfalls schon bekanntes (und nicht zuletzt hier im blog schon oft thematisiertes), wieder einmal von harald welzer:
(...) "Jetzt tritt etwas Unerwartetes auf den Plan, und das heißt Endlichkeit. Endlichkeit ist einer Kultur, die von der Fiktion unendlichen Wachstums besessen ist, unheimlich und fremd. So sehr, dass sie alle Energie darauf verwendet, die Fiktion eines Status quo zu schaffen, in dem die Gesetze der Zeit gelten, als alles noch funktioniert hat. Diese Gesetze hießen: Wachstum schafft Wohlstand, Bildung erlaubt Aufstieg, von allem gibt es für alle mehr, die Zukunft ist besser als die Gegenwart. Heute müssen sich gerade die frühindustrialisierten Länder wie Deutschland mit dem befremdlichen Gedanken anfreunden, dass ihre Zukunft vermutlich schlechter sein wird als die Gegenwart, weshalb die anderen Gesetze plötzlich auch alle nicht mehr gelten." (...)
file under "exponentielles wachstum" und "systemkrise".
*
trotz allem: ich wünsche ein schönes herbstwochenende.
*
"Neofeudaler Elitedünkel":
(...) "Wenn wie jetzt über die Höhe der Unterstützung für erwerbslose Menschen gestritten wird, hat sich seit der von Gerhard Schröder verkündeten "Agenda 2010" ein Glaubensdogma etabliert: Arbeitslose brauchten Anreize, so heißt es, damit sie wieder eine Arbeit annähmen.
Dieses Glaubendogma geht davon aus, dass Arbeitsplätze im Prinzip angeblich genügend vorhanden wären, das eigentliche Problem sei vielmehr die Lustlosigkeit der Arbeitssuchenden. Von sich heraus habe der Mensch, so die Unterstellung, auf gar nichts Lust - außer regungslos auf dem Sofa zu liegen. Erst wenn ein finanziell messbarer Anreiz vorliege, würden Gehirnzellen und Gliedmaße in Bewegung gesetzt. (...)
Dieses Menschenbild entspricht (...) jener Psychologie aus dem euphorischen Industriezeitalter, die das naturwissenschaftliche Kausalitätsgesetz umstandslos auf die Erforschung menschlichen Verhaltens zu übertragen versuchte. Sinnbild für dieses Denken ist der pawlowsche Hund, der auf einen akustischen Reiz so voraussehbar reagiert wie eine Maschine: ohne Reiz keine Reaktion.
Dieses Modell passte einst gut zum Regime der Arbeitshäuser und Besserungsanstalten, die für "umherziehendes Gesinde" eingerichtet wurden. Der Mensch sollte - mit Zuckerbrot und Peitsche - an den neuen Rhythmus der Maschine angepasst werden. Der Rückgriff auf den Verhaltensmodus von Tieren verwundert da kaum, denn die mechanische Psychologie kannte keine Seele. Zwischen der Wahrnehmung einer Information (Reiz) und dem darauf folgenden Handeln (Reaktion) fehlte die vermittelnde Persönlichkeit. Die neoklassische Ökonomie, auf der die Anreiz-These basiert, griff dieses Menschenbild auf, um zu begründen, warum der Mensch nur durch ständigen Wettbewerbsdruck zur Leistung bereit sei." (...)
interessanter text, auch wenn ich die kategorien, in denen da gegen diese erkennbar behavioristischen strategien argumentiert wird - aufklärung, kant, bibel - für zu kurz greifend halte. den befund hinsichtlich der "neoklassik" unterschreibe ich weitgehend (siehe auch zum "institutionellen autismus" der wirtschaftswissenschaften), finde aber vor allem auffällig, wie in diesem beschriebenen menschenbild eigentlich unübersehbar vor allem eine grundsätzlich soziopathische wahrnehmung aufschimmert.
der zugrundliegende objektivistische modus kann bekanntlich bzw. wie schon früher näher erläutert in der welt weder einen immanenten sinn wahrnehmen noch generieren, in bezug auf letzteres höchstens simulationen. neben anderen konsequenzen ergibt sich daraus eine gerne übersehene, nämlich eine existenzielle langeweile- (auch angesprochen in den basisbeiträgen zur "als-ob-persönlichkeit"). diese spezifische langeweile, basierend auf einem fundamentalen wahrnehmungsdefekt, ist es unter anderem, die echte soziopathen zu ihren teils äusserst riskanten (auch für sie selbst) aktionen motiviert - ein surrogat für jene gleichfalls existenzielle zufriedenheit (oder vielleicht besser: das glücksgefühl), welches authentisch sein könnende menschen bei ihren bewegungen in der welt verspüren können. letzteres eben auch bei erfüllender arbeit.
das "Fehlen der vermittelnden Persönlichkeit" ist dabei ein schlüsselsatz, welches sowohl hinsichtlich der behavioristischen ansätze als auch der soziopathie entscheidend ist. hier wird letztlich eine unbestreitbare eigenwahrnehmung derjenigen sichtbar, die oben benannte ansätze und daraus folgende menschenbilder vertreten, ausformulieren und in "politische" forderungen umsetzen. im vorletzten absatz des artikels wird das wie folgt ausgedrückt:
(...) "Die Manager unserer Skandalbanken bestätigen ihr Menschenbild hingegen auf zynische Weise. Ohne sechsstellige Bezüge oder millionenschwere Boni hätte ihnen womöglich der Anreiz gefehlt, mit jenen aberwitzigen Finanzluftschlössern zu handeln, mit denen sie die Welt vor zwei Jahren bis an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds brachten. Heißt das, unsere Boni-Banker sind von Natur aus faul? Würden sie ohne Spitzengehälter nur träge auf dem Sofa liegen? Zumindest gesteht diese Anreizelite damit ein, dass sie selbst kein Konzept von Arbeit besitzt, das auf der Freiheit der autonomen Persönlichkeit beruht." (...)
das "von Natur aus" halte ich in diesem fall für eine unglückliche, da falsche assoziationen aufrufende, formulierung. aber die fragen dürften generell zu bejahen sein. mit einem fehlenden konzept beruhend "auf der Freiheit der autonomen Persönlichkeit" hat das allerdings ebenfalls weniger zu tun; in ihrer eigenen wahrnehmung sind die betreffenden durchaus "frei" und eher zu sehr "autonom", macht dieser begriff im kontext doch nur sinn, wenn er für eine weitgehende beziehungslosigkeit als synonym gesetzt wird.
auffällig ist aber nicht nur in diesem fall, sondern in vielen bereichen der gesellschaftlichen organisation dieses fast komplette leugnen der menschlichen fähigkeiten der selbstorganisation und -regulierung, für die stattdessen das bekannte bild des faulen, gierigen und letztlich bösen menschen als dominierende vorstellung breit installiert ist. ich halte das u.a. wie schon früher oft genug für eine deutliche projektion seitens derjenigen, die mit diesem mist operieren; und im falle der "wirtschafts-" und sonstigen experten, die u.a. für die hartz-iv-gesetze mitverantwortlich sind, dürfte es ähnlich aussehen wie bei den bankstern beschrieben.
ein weiteres (extremes) beispiel für das gemeinte bietet unser heutiges justiz- und strafwesen, welches belegbar durchgängig die situation nur ständig verschlimmert (beispiele dazu sind in etlichen früheren blogbeiträgen zu finden) und womöglich durch diese art der behandlung mit dazu beiträgt, (funktionelle) soziopathen zu erzeugen. insgesamt geht es hier um etwas, was in einem interview mit der autorin martha stout ("der soziopath von nebenan") wie folgt beschrieben wurde (ich greife das ganze interview zukünftig nochmal ausführlicher auf):
(...) "TR: Wie behandelt man einen Soziopathen?
Stout: Wenn er sich tatsächlich in Therapie befindet, ist das eine eher mechanische Sache, normale Therapieformen greifen kaum. Es geht darum, das Verhalten zu kontrollieren. Soziopathen werden ganz anders motiviert als normale Menschen. Es hat etwas Erzieherisches: "Wenn Du das machst, gehst Du ins Gefängnis" oder "Das Verhalten hat diese materiellen Konsequenzen für Dich". Es geht um sehr, sehr einfache, grundlegende Dinge – A folgt auf B, wie ein Lehrer vor kleinen Kindern.
Ich habe mich einmal mit einem Mann unterhalten, der ein Programm für Menschen leitet, die wegen Alkohol am Steuer mehrfach verhaftet wurden. Ihm wurde irgendwann klar, dass sich darunter viele Soziopathen befanden. Er stellte seinen Ansatz daraufhin um: Früher versuchte er den Leuten zu erklären, dass sie anderen Menschen durch ihr Verhalten Schaden zufügen oder sie sogar töten könnten. Es stellte sich aber heraus, dass das diesen Delinquenten ziemlich egal war.
Inzwischen erzählt er seinen Kandidaten einfach die kalten, harten Fakten: Sie werden jedes Mal verhaftet, verlieren ihren Führerschein, sie werden nicht mehr mobil sein und so weiter. Das war die einzige Chance, ihr Verhalten zu ändern."
sehen Sie das (tatsächlich behavioristisch anmutende) prinzip? und schauen Sie sich mal um, wo das überall angewendet wird oder aber durchschimmert (nebenbei: in den obigen sätzen von stout steckt auch die erklärung dafür, warum appelle an "ethik & moral" großen teilen unserer "eliten" so selbstverständlich an einem ohr hinein und sofort wieder am anderen hinaus gehen. es hilft auf dieser ebene wirklich nur, ihnen die "kalten, harten fakten" für sie selbst deutlich vor augen zu halten).
wenn man sich genauer anschaut, wer in den heutigen gesellschaften die macht hat, wirksame (nicht unbedingt positive) konzepte für das miteinanderleben zu entwickeln und vor allem durchzusetzen, wird sehr schnell deutlich, dass wir es mit einer entwicklung zu tun haben könnten, die anlässlich des themas "managergehälter" vor einiger zeit bei telepolis von einem user so umschrieben worden ist:
(...) "Scheint wohl ein kleines Problem mit unserem Anreizsystem zu geben. Wenn Skrupel Karrierekiller sind, brauchen wir uns nicht zu wundern,
wenn unsere Elite eine negative Selektion wird und sich aus immer
mehr Soziopathen zusammensetzt, die prompt anfangen, die ganze
Gesellschaft zu einem Biotop für sich und Ihresgleichen umzuformen."
und der letzte satz bringt es auf den fatalen punkt. ich behaupte, dass sich der kommentar in der "taz" letztlich um nichts anderes als eine der vielen konsequenzen der "versuchten umformung" dreht.
*
die "zeit" hat eine recht interessante rezension einer offensichtlich ebenfalls interessanten neuen sammlung mit bislang unveröffentlichten materialien von norma jeane mortenson, besser bekannt als marilyn monroe:
»Allein!!!!!!
Ich bin allein – ich bin immer allein
egal was…«
wer das buch von mertz gelesen hat, dürfte sich an seinen abschnitt über die monroe (und romy schneider) erinnern; ebenfalls gilt "mm" schon seit längerem in vielen arbeiten der borderline-literatur als ein geradezu "paradigmatischer fall", sowohl was ihre traumatische biographie als auch ihren gesellschaftlichen "erfolg" (bei maximalem persönlichem unglück) anbelangt. zu ihren heutigen potenziellen nachfolgerinnen mehr hier.
*
neues aus der säuglingsforschung:
(...) "Man dachte, Babys seien nicht in der Lage, zwischen Vorstellung und Realität zu unterschieden, und Zusammenhänge verstünden sie sowieso nicht. Das ist falsch." (...)
das zeichnete sich allerdings schon länger ab, aber es schadet keinesfalls, sich immer wieder von den hartnäckigen vorstellungen von babys als "hilflosen nichtsmerkern" zu verabschieden, zumindest vom letzteren (danke an w-day für den hinweis :-)
*
zum ende ebenfalls schon bekanntes (und nicht zuletzt hier im blog schon oft thematisiertes), wieder einmal von harald welzer:
(...) "Jetzt tritt etwas Unerwartetes auf den Plan, und das heißt Endlichkeit. Endlichkeit ist einer Kultur, die von der Fiktion unendlichen Wachstums besessen ist, unheimlich und fremd. So sehr, dass sie alle Energie darauf verwendet, die Fiktion eines Status quo zu schaffen, in dem die Gesetze der Zeit gelten, als alles noch funktioniert hat. Diese Gesetze hießen: Wachstum schafft Wohlstand, Bildung erlaubt Aufstieg, von allem gibt es für alle mehr, die Zukunft ist besser als die Gegenwart. Heute müssen sich gerade die frühindustrialisierten Länder wie Deutschland mit dem befremdlichen Gedanken anfreunden, dass ihre Zukunft vermutlich schlechter sein wird als die Gegenwart, weshalb die anderen Gesetze plötzlich auch alle nicht mehr gelten." (...)
file under "exponentielles wachstum" und "systemkrise".
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trotz allem: ich wünsche ein schönes herbstwochenende.
monoma - 9. Okt, 17:05
"hartz-IV" und nlp
nun können Sie sich selbst durch eine kleine recherche jederzeit überzeugen, dass behavioristische ansätze und konstrukte auch in der ideologischen basis des nlp eine nicht gerade kleine rolle spielen. ich hatte das - eher unabsichtlich - auch schon im oben im ersten link enthaltenen blogbeitrag als beispiel:
"NLP-versierte Manager wie der Beiersdorf-Direktor Patzelt glauben denn auch, ihre Arbeitskollegen regelrecht konditionieren zu können - wobei die Tierversuche des russischen Physiologen Iwan Pawlow durchaus als Modell dienen. So wie Pawlow einst den Speichelfluss seiner Hunde allein durch einen Klingelton in Gang setzte (zuvor hatte er einige Male bei der Verabreichung des Futters die Klingel ertönen lassen), versuchen sie ihre Mitmenschen durch geschickt gesetzte Signalreize zu ähnlichen unwillkürlichen Handlungen zu verleiten. Patzelt erläutert: "Beim neurolinguistischen Programmieren geht man davon aus, dass eine Vorstellung, ein innerer Dialog, oder ein Gefühl genau solche Reaktionen sind wie die Speichelabsonderung des Pawlowschen Hundes." Den zugrundeliegenden Vorgang nennen die NLP-Experten "ankern".
wenn wir ähnliche konzepte aus der giftküche der verhaltensmanipulateure nun auch als eine basale grundlage nicht nur der "hartz"-gesetze, sondern des generellen umgangs mit erwerbslosen seitens der "experten" aus "politik & wirtschaft" annehmen, so stellt sich im nächsten schritt die frage, ob sich derlei verbindungen näher belegen lassen. und beispielhaft lässt sich sofort vom namensgeber selbst, peter hartz, solches finden - bei dem ist zumindest stark anzunehmen, dass er weiß, was unter "nlp" verstanden wird:
"Im Mai 2002 wurden Cora Besser-Siegmund und Harry Siegmund von Dr. Peter Hartz im Namen der Volkswagen Coaching GmbH als "Coach mit Spitzenqualität" ausgezeichnet. "
wer sich das inhaltsverzeichnis eines buches dieses "coaching-pärchens" näher betrachtet, kann sehen, dass es sich dabei um nlp-trainer handelt. ebenfalls kommen einem begriffe wie "zielmanagement", "positive eigenmotivation" und dergleichen mehr aus dem ganzen erwerbslosendiskurs unangenehm bekannt vor. von so schönen sätzen wie "themenbewußtsein statt problembewußtsein" und "achtung! die verfolgung der erfolgreichen" mal ganz zu schweigen. dass solche leute nichts von problembewußtsein hören wollen, ist bezeichnend (könnte auch als motto bei den protagonisten im golf von mexico oder aber aktuell in ungarn an der wand gehangen haben.)
ganz generell finde ich aber diese connection von behaviorismus und nlp zu den "elitären" plänen der erwerbslosenverwaltung und -schikane (letzteres tritt u.a. dann unfehlbar ein, wenn man diesen - und in diesem fall benutze ich das wort gerne - psychoquatsch versucht, in die realität zu übertragen und mit als-ob-methoden antisozialer färbung ahnungslose und sich meist in krisenhaften situationen befindliche menschen traktiert) ziemlich aufschlussreich. es würde sich möglicherweise sogar lohnen, dazu ein themenblog aufzumachen, um diesen ganzen komplex ausführlich zu beleuchten.