"Schliesslich besetzten die Arbeiter der Nationaldruckerei ihre Arbeitsstätte und weigern sich die Gesetzestexte für die Sparmaßnahmen zu drucken. Bevor das Gesetz nicht gedruckt ist, ist es nicht rechtsgültig."
...offenbart sich z.zt. nicht zum ersten mal in einer derart unangenehmen ballung, dass ich weder die lust noch die energie dazu verspüre, die eigentlich bei jedem der folgenden themen nötige erweiterte betrachtung zu schreiben - so also der schnelldurchlaufmodus.
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hatte ich neulich erst vomsuper-gaufür die römisch-katholische kirche geschrieben, so kann ich gleichfalls auch die damalige überschrift recyclen:schlimmer geht immer. wobei ich nicht nur in der sz etliche kommentare dahigehend besonders spannend finde, die die gesamte - nicht nur katholische - realität in denheimenund auch den schulen der "alten", ach so idyllischen brd in den focus nehmen. denn es ist keineswegs eine relativierung der sexualisierten gewalt, wenn auch die "ganz normale" körperlich-psychische gewalt als eben solche begriffen wird - die offen sexualisierten taten werden mir manchmal zu sehr in den blickpunkt gerückt; und derart kann dann schnell eine durch nichts begründete hierarchie entstehen.
im kommentarbereich zum gerade verlinkten sz-artikel oben schreiben einige user aus ihrer schulzeit an staatlichen schulen in den 1970er jahren. das führte bei mir zu einigen erinnerungen:
grundschule in niedersachsen, erste frühe hälfte der 1970er: einige lehrer waren schon um die sechzig, mithin noch in der weimarer republik ausgebildet - und da waren bei gelegenheit ohrfeigen völlig "normal" - in der vierten klasse.
ebenfalls in niedersachsen, die sog. orientierungsstufe - fünfte und sechste klasse, in der - ja, die selektion auf eine der drei dann folgenden schultypen (haupt- und realschule sowie gymnasium) stattfand, mitte der 70er: entschieden jüngere lehrkräfte arbeiteten mit folgenden innovativen pädagogischen methoden: englische vokabeltests fanden derart statt, dass die ganze klasse auf die tische steigen musste und dann alle abgefragt wurden - richtige antworten führten zunächst zum abstieg auf den stuhl (immer noch stehend), dann durfte nach einer weiteren richtigen antwort wieder gesessen werden. preisfrage: wie fühlt man sich, wenn man am ende zu den zwei oder drei gehört, die immer noch auf den tischen stehen, wenn alle anderen schon sitzen? spielen Sie das für sich in gedanken ruhig mal durch - obwohl das nur eine ungefähre annäherung an die realität sein kann.
gleiche schule: ein lehrer hatte die angewohnheit, während des unterrichts ständig um die gesamte klasse (wir saßen damals in einem großen quadrat) zu tigern. hielten nun zwei leute ein kleines schwätzchen während des unterrichts, so spitzte er seinen zeigestock (plastik) an (mit einem bleistiftanspitzer), schlich sich von hinten an die störerInnen an und rammte dem oder der ersten den stock in den rücken. gleichfalls flogen seitens anderer lehrer öfter schlüsselbünde durch die luft, wieder im falle einer unbotmässigen "störung", zu der alleine schon (scheinbare) mangelnde aufmerksamkeit gehörte. fliegende, mit wucht geworfene kreidestückchen fallen hingegen gegen metallende schlüssel schon stark ab und können schlimmstenfalls nur im wahrsten sinne des wortes ins auge gehen.
unspektakuläre "normalität" damals - ich weiß nicht, ob sich je eltern deswegen beschwert hätten. und gewiss auch "kleinigkeiten" gegen die sich jetzt endgültig offenbarenden realitäten der heime - aber eben auch nicht als irgendwie getrenntes zu sehen, sondern als systemischer umgang mit kindern vor dem hintergrund einer gesamtgesellschaftlichen traumatischen matrix. mittels solcher methoden werden bzw. wurden ganze generationen ver- und gestört.
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viele derart traktierte menschen sind selbst dann nicht in der lage, sich zu wehren, wenn ihnen die eigene obrigkeit das fell über die ohren zieht und jegliche maske fallen lässt: Wirtschaftsführer mit Merkel "nicht ganz zufrieden",Spitzenmilitärs der Bundeswehr versuchten, die Folgen des Kunduz-Bombardements herunterzuspielen- nur zwei von unzähligen überschriften bzw. headern heute, die tragende systeminstitutionen als das kenntlich machen, was sie im kern sind: konstrukte angemaßter macht, bei denen im zweifelsfall ganz ähnliche methoden und haltungen zu finden sind, wie sie in der parallelwelt - ist das überhaupt noch eine? - der organisierten kriminalität die norm bilden. wobei ich die überschrift in der "zeit" wirklich allerliebst finde - treffender lassen sich die realen machtverhältnisse jenseits der demokratiesimulation fast schon nicht mehr in einen einzigen satz packen. die spieler in und hinter den kulissen sind mit ihrer marionette ganz offensichtlich unzufrieden. und wahrlich, für all ihre spenden können sie ja auch etwas erwarten - das ist schliesslich eine leistungsgesellschaft. eine hand wäscht die andere.
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ein anderes, implizites prinzip der hiesigen leistungsgesellschaft lautet so:wo gehobelt wird, fallen späne. und "hiesig" deshalb, weil das dargestellte auch eine sehr "deutsche" reaktion darstellt: in diesem land ist offener, gar geplanter und konsequenter widerstand gegen selbsterklärte "eliten" und angemaßte autoritäten seit generationen für zu viele immer noch etwas unvorstellbares, ja schon fast naturwidriges. lieber also depressiv werden - das lässt sich in einem gewissen sinne als form von autoaggression begreifen. oder aber der depression durch identifikation mit der macht entgehen und ihre wahnsinnigen spaltungs- und fragmentierungsmanöver nachvollziehen: treten gegen noch schwächere, oder gerne auch gegen äussere feinde - wenn der papierprügel mit den vier buchstaben heute zumindest online titelt "Ihr griecht nix von uns", dann wird der medial sedierte hartz-IV-empfänger erleichert aufatmen, vergessen, dass er selbst gerade noch die zielscheibe war (und wieder werden wird) und denken: "genau. immer diese korrupten südländer. nicht mit uns deutschen"
herrschaftstechniken - so platt wie immer noch wirkungsvoll. die tiraden der westerwelles, sarazzins, clements, henkels und wie sie sich alle schimpfen gegen dieparasitenim innern sind absolut deckungsgleich mit der chauvinistischen mobilisierung gegen "die griechen. beides hat den gleichen hintergrund. und zeigt in gewissem sinne auch an, wie weit die panik und paranoia der "elitären" vollhonks im angesicht ihres eigenen möglichen untergangs mit ihrem system bereits gediehen ist. leider ist das auch ein indiz dafür, wie gefährlich die gesellschaftliche situation inzwischen tatsächlich ist.
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wo ich gerade beim stichwort bin - bezgl. griechenland und der dortigen, breit angeklagten korruption hatte ich in denkrisennews 41u.a. geschrieben:
"und, ist das ein wunder bei den "elitären" vorbildern nicht nur in griechenland ? es ist immer wieder verblüffend, mit welcher chuzpe die apologeten der herrschenden a-sozialität sich dann immer wieder jammernd beklagen, wenn große teile von bevölkerungen beweisen, dass auch sie ihre lektionen der kapitalismusimmanenten regeln gelernt haben und sich im kleinen nicht anders verhalten als im großen die bankster und diverse transnationale konzerne."
dem habe ich nichts hinzuzufügen ausser der anmerkung, dass es schon schwer belustigend ist, wenn sich bspw. hier im land leute, die sich von hotelketten gesetze bezahlen lassen, ministerpräsidenten bzw. sich selbst vermieten und überhaupt allerlei lobbys zu einem großen teil die gesetzgebung überlassen, hinstellen und sich ganz ernsthaft über korruption beklagen wollen.
generell sind eigentlich eh neue krisennews bzw. zu griechenland ein special fällig - aber für den moment möchte ich nur sagen, dass ich griechenland für einen art testlauf halte - die dortigen spar- und kürzungsorgien werden mit zeitlicher verzögerung auch in so ziemlich allen anderen europäischen ländern anstehen - und wenn das bei der streitlustigen griechischen bevölkerung durchgedrückt werden kann, dann auch bspw. inportugal, spanien, irland, großbritannien - und irgendwann auch hier und in den usa. deswegen dürften die kommenden tage und wochen nicht nur für die griechische bevölkerung sehr entscheidend sein - berichte, teils stark verzerrt, gibt´s an vielen stellen - aktuelle bilder vom heutigen tag, welche die bereits erfolgte eskalation der konflikte zwischen bevölkerung und regierung belegen, sindhierzu sehen.
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zum schluß noch einemeldung, die zwar schon einige tage alt ist, aber meiner meinung nach mehr thematisiert gehört:
(...) "Seen on a recent Citibank statement: 'Effective April 1, 2010, we reserve the right to require (7) days advance notice before permitting a withdrawal from all checking accounts. While we do not currently exercise this right and have not exercised it in the past, we are required by law to notify you of this change.' " (...)
hübsch, oder? nochmal:
"Auszug aus einer aktuellen Citibank Mitteilung: 'Ab dem 1. April 2010 behalten wir uns eine Frist von sieben (7) Tagen vor, bevor wir Abhebungen von einem Girokonto zulassen. Wir üben zwar derzeit diesen Vorbehalt nicht aus [...] aber wir sind gesetzlich verpflichtet, Sie über diese Änderung zu informieren.' "
die citi- bzw. neuerdings targobank - "so geht bank heute" - in texas teilt also mit, dass sie sich ab dem ersten april vorbehält, jegliche abhebungen von egal was für einem konto und egal welche summe erst nach vorheriger anmeldung mit sieben tagen vorlauf möglich zu machen. hat man schon jemals eine plattere prävention gegen einen möglichen bank run gesehen? es gibt übrigens meldungen, die noch nicht verifiziert sind, dass das keinesfalls a) nur die targobank in texas, sondern us-weit sowie b) nicht nur die targobank alleine betrifft; sowie c) diese massive änderung der agb direkt auf eine anweisung der FED zurückgeht. alle drei punkte lassen sich aber für mich bis zur stunde nicht prüfen, während die geschichte aus texas gesichert scheint. auch das ist etwas, was gut im auge behalten werden sollte - weil es leider in kombination mit etlichen anderen unheilvollen zeichen im zeichen der krise viel sinn - aus sicht der banken - machen würde.
ich weiß, dass das folgende eigentlich alles todernst in dem sinne ist, das es sich dabei um handlungen und äusserungen handelt, die ganz reales leid nach sich ziehen - und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, spüre ich immer wieder ein hysterisches gelächter hochsteigen - viele meldungen dieses wochenendes haben eine derart bizarre note, dass ich immer wieder eine imäginäre geschlossene psychiatrische abteilung für wirklich schwere fälle vor meinem geistigen auge sehe - ein vergleich, der aber realistisch gesehen durchaus den bedauernswerten insassen solcher abteilungen unrecht tun dürfte - die fratze wirklich bösartiger wahnzustände lugt jedenfalls, nur noch mühsam beherrscht, immer öfter und deutlicher bei den herrschaften in den schicken anzügen durch ihre vom starrhaften grinsen und x-mal wiederholten phrasen eingefrorenen seriösen und amtlich genehmigten masken hindurch. also, es kommt jetzt wirklich hard stuff - einblicke in völlig entglittene innere zustände.
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Westerwelle will Hartz-IV-Empfänger Schnee schippen lassen- tja, all die dekadenten kraftstrotzenden nichtstuer, die dem w. und seinen leistungsträgern die ganze schöne kohle wegnehmen, bevor sie die in die schweiz schaffen können - da ist tatsächlich eine besinnung auf altbewährteliberale traditionenvonnöten. und schneeschippen geht auch am besten mit demspaten- auch das ein rückgriff auf zu unrecht vergessene traditionen.
"Gerald Hörhan ist Investmentbanker und geht auf Heavy-Metal-Festivals. Er ist reich. Und er tut Dinge, „von denen ihr nur träumt“, sagt er. Mit „ihr“ meint er die Mittelschicht. Jene, die schuften, während die Reichen immer reicher werden, sagt Hörhan. „Es wird wenige geben, die viel haben. Und es wird immer mehr Menschen geben, die nichts haben.“
recht so. ausserdem lernen wir: das ist echter punk:
"Man muss ein intelligenter Punk sein. Punks hinterfragen das System, das ist gut. Sie ziehen aber die falschen Schlüsse. Für Anarchopunks sind Unternehmer, Vermieter und Politiker die Bösen. Ohne die gäbe es aber eine feudalistische Plutokratie. Intelligente Punks dagegen versuchen, sich mit kreativen Ideen von den Konventionen der Mittelschicht zu verabschieden. Ich nenne sie Investmentpunks."
investmentpunks - istlloyd blankfeinam ende gar nur der sid vicious der wall street?
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aber das mutterland des punks ist natürlich immer noch großbritannien, und da ist aktuell gerade eine variante despolitpunksschwer angesagt - und die heisseste location liegt in der downing street:
(...) "Downing Street hat die "bösartigen Unterstellungen" zwar zurückgewiesen, aber Rawnsley, der 500 Zeugen befragt haben will, verteidigt seine Quellen als "24-karätig". Einer dieser Informanten ist der mächtigste Mann der britischen Ministerialbürokratie: Sir Gus O'Donnell - als Kabinettssekretär der Chef aller Regierungsbeamten -, sah sich angesichts zunehmender Beschwerden und Klagen von Mitarbeitern über den pöbelnden Premier gezwungen, Brown zur Rede zu stellen: "So kann man das nicht machen", will er ihn ermahnt haben.
Wie Brown es freilich machte, dafür liefert das Buch zahlreiche Beispiele: Eine Sekretärin kippte er kurz entschlossen aus ihrem Stuhl, weil sie ihm zu langsam war, statt ihrer übernahm er selbst den Platz am Computer. Seinen stellvertretenden Stabschef packte er, so Rawnsley, am Anzugrevers und schrie ihm ins Gesicht: "Die sind alle hinter mir her." Als er europäische Botschafter treffen sollte, brannte ihm die Sicherung durch: "Warum zwingt ihr mich, diese Scheißer zu empfangen?"
Immerhin behandelt Brown jedermann gleichermaßen grob: Telefonistinnen ebenso wie seinen Schatzkanzler. Letzteren putzte er herunter, als der 2008 die aufziehende Rezession als schlimmste Wirtschaftskrise seit 60 Jahren angekündigt hatte. "In sechs Monaten" sei alles ausgestanden, brüllte Brown Alistair Darling an." (...)
das ist wahrhaft groß - ein interessantes gemisch aus narzissmus, rücksichtslosigkeit,paranoiaund überhaupt absolutem durchballern. das sind die heute gefragtesten eigenschaften für die wirklichen spitzenpositionen. (zurisikenundnebenwirkungenfragenSieIhrenpsychiaterodertherapeuten.)
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im vatikan sitzt ein seltsam kostümierter mann - womöglich auch eine art punk - auf einem stuhl und hebt seinen zeigefinger -Benedikt: Klerus in Irland hat versagt- hm...
"Papst Benedikt XVI. hat den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen als „abscheuliches Verbrechen“ und schwere Sünde bezeichnet. Angesichts des tausendfachen Missbrauchs in irischen Kircheneinrichtungen warf der Papst dem Klerus des Landes Versagen vor und forderte die Bischöfe zu einem mutigen und ehrlichen Umgang mit dem Skandal auf."
""2003 berichtete der Observer von einem vertraulichen Dokument, das vierzig Jahre zuvor mit dem Siegel von Papst Johannes XXIII an alle katholischen Bischöfe weltweit gesandt wurde (...).
2005 legte das amerikanische Polit-Blog Daily Kos nach. Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger, heute besser bekannt als Benedikt XVI, hatte 2001 in einem weiteren Rundschreiben ausdrücklich die Weitergeltung des päpstlichen Dokuments von 1962 bestätigt.
Für den Fall, dass die Opfer des Missbrauchs sich an kirchliche Stellen wenden, sollen auch sie einen Eid schwören, dass sie Stillschweigen bewahren werden." (...)
naja, der mann ist schließlich schon alt - da kann man schon mal einiges von dem vergessen, was einem in langen berufsjahren so alles an papier vorgelegt wurde - oder?
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verweilen wir noch einen moment in bella italia, wo wir jetzt lernen können, dass es nicht nur investmentpunks, sondern auchoppositionsbankengibt:
"Nicht hundert, sondern 35 Mrd. Euro sind nach der Steueramnestie 2009 ("scudo fiscale" ) nach Italien zurückgekehrt. Die Zentralbank Banca d'Italia hat Regierungsdaten von 95 Mrd. Euro zurückgekehrten Kapitals widerlegt, was ihr prompt den Vorwurf einbrachte, sie spiele sich als Oppositionsbank auf, wie der Minister für "Vereinfachung der Bürokratie" , Roberto Calderoli (Lega Nord), wetterte.
Der "scudo fiscale" habe zur Reinwaschung von Mafia-Geld gedient, sagt Oppositionspolitiker Elio Lannutti. (...)
die ehrenwerte italienische regierung hat´s aber auch wirklich schwer - alle sind hinter ihr her und wollen ihr böses tun - erst waren´s richter und staatsanwälte, die dem duce berlusconi ans leder wollten, jetzt ist´s die zentralbank - womöglich stecken auch da überall fiese geistige sozialisten hinter?
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in innovativen europäischen wettbewerb um neue begriffe und eine neue definiton des alten sponti-mottos "legal-illegal-scheissegal" möchte auch die nordrhein-westfälische cdu nicht abseits stehen und steuert das wohlklingende wortpartnerpaketbei:
"Die CDU in Nordrhein-Westfalen hat versucht, vertrauliche Gespräche mit ihrem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und seinen MinisterInnen an zahlungskräftige Sponsoren zu verkaufen. Für den CDU-Landesparteitag am 20. März hat die Parteizentrale in Düsseldorf Unternehmern in Werbebriefen sogenannte Partnerpakete angeboten, in denen auch "Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen" versprochen wurden.
20.000 Euro sollte ein solches "Partnerpaket" kosten. Ein 15 Quadratmeter großer Ausstellungstand ist beim CDU-Parteitag dagegen schon für 14.000 Euro zu haben - allerdings ohne persönliche Unterredung mit dem Regierungschef. Geboten werden dann nur noch ein "Fototermin und Rundgang mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen". (...)
lumpige 6000 euronen für ein gespräch mit einem echten politischen leistungsträger - ich bitte Sie! wer wird sich denn wg. solcher peanuts aufregen? richtig: die geistigen sozialisten wollen auch hier unseren geliebten führern frei gewählten regierenden nur aus neid an die wäsche gehen:
(...) "Die Opposition hält Rüttgers dennoch für käuflich. SPD-Generalsekretär Michael Groschek warf der CDU vor, "sich den Staat zur Beute" zu machen. Der Bundesvize der Linkspartei, Klaus Ernst, hält das CDU-Angebot für "beschämend" und sprach von einer "illegalen Parteispende". Die grüne Landesvorsitzende Daniela Schneckenburger fragte ironisch, ob die Christdemokraten, wenn schon "nicht käuflich, so doch zumindest mietbar" seien. Und der Chef der SPD-Landesgruppe im Bundestag, Axel Schäfer, rückte Rüttgers gar in die Nähe des Rotlichtgewerbes: "Wenn sich jemand auf Zeit einer nicht bestimmten Zahl von Menschen gegen Geld anbietet, nennt man das im alltäglichen Sprachgebrauch Prostitution", sagte Schäfer der taz." (...)
ach, pappelapapp. das waren schliesslich nur mindere diener - zu hartz-IV mit tem purschen!
"Doch hinter den Kulissen muss Rüttgers Generalsekretär Wüst um seinen Job bangen. Die Spekulationen sind nicht die erste peinliche Panne, für die der erst 34-Jährige die Verantwortung trägt. Im vergangenen Jahr musste die CDU einräumen, dass die permanente Beobachtung der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft nicht aus der Parteizentrale in der Düsseldorfer Wasserstraße, sondern mit Steuergeldern direkt aus Rüttgers Staatskanzlei gesteuert wurde.
Im Dezember musste Wüst dann zugeben, unrechtmäßig Zuschüsse des Landtags zu seiner eigenen privaten Krankenversicherung kassiert zu haben. Jetzt lässt die Wut seines Regierungschefs Wüst devot werden: "Ich bedauere ausdrücklich, dass ein falscher Eindruck entstanden ist, und entschuldige mich insbesondere bei dem Vorsitzenden der CDU Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers", lässt er seine Pressestelle mitteilen. (...)
auch das ist eine alte schöne tradition - nämlich die der bauernopfer. schach ist ein schönes spiel, besonders dann, wenn man es mit lebenden figuren spielen kann.
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apropos schach: wird zeit, die ganzen könige auf dem brett endgültig matt zu setzen.
fefekommentierteine meldung, die sich mit den personellen veränderungen im entwicklungshilfeministerium unter dem fdp-minister niebel beschäftigt - es geht konkret um die berufung eines ehemaligen bundeswehroffiziers mit einer affinität zum sog. afrika-corps der wehrmacht - u.a. mit den folgenden worten:
(...) "Wow, und solche Leute treiben sich in der Nähe der FDP herum. Wehrmachts-Fans hätte ich eher in der CDU oder der NPD erwartet. Und der Brüller daran (deswegen erwähnen die überhaupt das Afrika-Corps): der Mann soll für Afrika und den Nahen Osten zuständig werden." (...)
daran musste ich vorhin denken, als mir wieder mal ein sehr interessanter artikel von otto köhler unter die augen kam - köhler hat das talent, die mehr oder weniger verschütteten zusammenhänge zwischen aktueller und vergangener realität in diesem land zu bergen und gut nachvollziehbar darzustellen, zuletzt sehr schön zu sehen anhand der phrase von der"sozialen marktwirtschaft".
und wenn ich von den zusammenhängen zwischen aktueller und vergangener realität schreibe, so bedeutet das in diesem land in aller regel, dass ein tiefergehendes bohren bei zentralen gesellschaftlichen und staatlichen instutionen, parteien, organisationen... sowie ihren jeweiligen ideologien und leitsätzen meist schon nach kurzer zeit bräunliche sauce ans tageslicht befördert - und die entstehungsgeschichte des begriffs "soziale marktwirtschaft" ist da nur ein beispiel.
inzwischen hat sich köhler die sog. liberalen vorgeknöpft und einen langentextproduziert, der bei mir jede menge aha-erlebnisse erzeugt hat - und die will ich meinen leserInnen nicht vorenthalten.
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alleine schon die personellen kontinuitäten damaliger und heutiger großspender sind interessant:
(...) "Bei August Baron von Finck junior, dem Milliardär und Besitzer der großen Hotelkette Mövenpick, funktionierte das problemlos. Er spendete im Wahljahr 2009 insgesamt 1,1 Millionen Euro an die FDP und bekommt jetzt das Geld vielfach zurück aufgrund der ganz schnell auf Westerwelles Betreiben beschlossenen Mehrwertsteuersenkung von neunzehn auf sieben Prozent für Hotelübernachtungen.
Solches Geschäftemachen hatte der Junior mit der Muttermilch aufgesogen. Kaum war er geboren, trat am 3. Februar 1931 der Senior August Baron von Finck bei Adolf Hitler zum Spenden an. " (...)
zugegeben, der beitrag ist wirklich sehr lang, aber auch wirklich aufschlussreich - im ersten teil geht es konkret um die großindustrielle spendenpraxis an die nsdap, und am schluß erfährt man hinsichtlich des barons und seiner sippe noch das folgende:
(...) "Der Führer war dankbar. Er ließ seinen Spendensammler in das Präsidium der Akademie für Deutsches Recht aufnehmen. 1937 durfte von Finck das Bankhaus Dreyfus in Berlin und Frankfurt arisieren. Und 1938 nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich konnte er sich die Wiener Rothschild-Bank einverleiben. " (...)
also, wie nicht unüblich für die sog. deutsche oberschicht, ein arisierungsgewinner. es lässt sich festhalten, dass die fdp auch eine klientelpartei für diese besondere spezies ist und sein will.
dann aber wird es bezgl. der nachkriegsgeschichte dieser antisozialen partei richtig spannend, besonders am beispiel ihres nordrhein-westfälischen landesverbandes:
(...) "Als August von Finck senior 1980 starb, gab es schon lange einen gleichnamigen Junior, der wieder einen aufstrebenden Politiker und seine Partei mit Spenden bedenken sollte.
Damals, 1980, trat Guido Westerwelle nach dem Abitur am Bonner Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium – als Hermann Josef Abs dort zur Schule ging, hieß es noch Höhere Bürgerschule, 1938 bekam es den Namen des chauvinistischen Dichters – der NSFDP bei.
Dies war unter Kennern die korrekte Bezeichnung der nordrhein-westfälischen FDP, die sich gleich nach 1945 ehrlich um die Nachfolge der NSDAP bemüht hatte. Das kam hoch, als die Briten im Januar 1953 unter Rückgriff auf das Besatzungsrecht einen Nazi-Geheimbund um den ehemaligen Goebbels-Staatssekretär Werner Naumann zerschlugen. Jetzt saß die NRW-FDP in der Falle. Die Engländer fanden ein Papier, auf dem Naumann notiert hatte, was ihm in diesen schweren Zeiten eine FDP-Größe empfahl: »Um den Nationalsozialisten unter diesen Umständen trotzdem einen Einfluß auf das politische Geschehen zu ermöglichen, sollten sie in die FDP eintreten, sie unterwandern und die Führung in die Hand nehmen. An Einzelbeispielen erläuterte er, wie leicht das zu machen sei. Mit nur 200 Mitgliedern können wir den ganzen Landesvorstand erben. Mich will er als Generalsekretär o. ä. engagieren!!«
Der FDP-Ratgeber für die eigene Unterwanderung hieß Dr. Ernst Achenbach, war als NS-Diplomat in Paris an der Deportation der französischen Juden beteiligt, saß nun seit 1950 für die FDP im Landtag und war – als Vorgänger von Otto Graf Lambsdorff, der erst später Schatzmeister wurde– unentbehrlich bei der Erschließung der Ruhr-Industrie als Geldquelle." (...)
die "alte idyllische brd" - und ihre geschichte, die in keinem schulbuch steht:
(...) "Adenauer, mit dem bewährten Hans Globke an seiner Seite, begriff sofort, womit er es da zu tun hatte: Achenbach und Best hätten es »in einer an die nationalsozialistischen Methoden erinnernden Weise verstanden, den Parteiapparat der FDP in die Hand zu bekommen«, sprach er am 10. März 1953 vor dem CDU-Bundesvorstand, und sie würden dabei »von gewissen Industriellen finanziell unterstützt«. Um die eigenen Geldgeber nicht zu vergrätzen, fügte Adenauer hinzu: »Ich betone: von gewissen Industriellen.«
Wer war Best? Uraltnazi Werner Best hatte wenige Monate, nachdem Finck senior das Geld für eine SA-Bewaffnung garantiert hatte, einen brutalen Umsturzplan ausgearbeitet. Der Best-Parteigenosse, der den Plan, die »Boxheimer Dokumente«, an die Öffentlichkeit brachte, wurde 1932 ermordet. Später gingen Tausende auf das Mordkonto des hohen SS-und Polizeiführers und obersten Rechtsberaters der Gestapo. Nachdem ihn die Dänen, die ihn zum Tod verurteilt hatten, auf Drängen der Bundesrepublik freiließen, fand Best ebenso wie der neue und alte Parteifreund Achenbach ein lukratives Unterkommen im Stinnes-Konzern, wo er die Bewegung für eine Generalamnestie der Naziverbrechen aufzog. Vor Gericht war er, ging es um seine Verbrechen, wegen »Krankheit« nie verhandlungsfähig. Ging es um die Verbrechen seiner Kameraden, deren Verteidigung er koordinierte, war er stets ein munterer Entlastungszeuge.
So wurde der Stinnes-Konzern, als Hauptfinanzier der NS-Unterwanderung der FDP zugleich auch – dank Best und Achenbach – zum Motor für die Generalamnestie-Bewegung." (...)
in diesen kreisen wäscht bekanntlich eine hand die andere, und die folgenden ausführungen eines historikers zu den auswirkungen dieser genannten bewegung sind ebenfalls lesenswert. ich springe aber gleich weiter zur neueren parteigeschichte der fdp, die wie in der vergangenheit ebenfalls maßgeblich von gewissen impulsen aus nrw geprägt wurde:
(...) "Nachdem diese NSFDP endlich vergessen war, ging von Nordrhein-Westfalen unter Jürgen Möllemann – er war achtzehn Jahre vor Westerwelle auch einmal Vizekanzler unter Helmut Kohl – die Erneuerung aus: mit der Aktion 18, die von Guido Westerwelle kräftig unterstützt wurde. Vordergründig war es der phantastische Plan, 18 Prozent der Wählerstimmen zu erringen. Möllemann appellierte an die Instinkte der Neonazis und erweckte den Eindruck, die Juden seien selber am Antisemitismus schuld. Mit hohem Erfolg: als er mit dem Fallschirm abstürzte, wurde die Legende verbreitet, der israelische Mossad habe ihn – wie später übrigens auch den besoffenen Jörg Haider – umgebracht.
Vielleicht war Westerwelle dabei dem Finck-Junior durch seinen berühmten Fernsehauftritt mit der in die Kamera gehaltenen goldenen 18 auf der Unterwandererschuhsohle aufgefallen. Dank der Familientradition mußte der wissen, was jedem Jungnazi geläufig ist: 1 und 8 stehen für den ersten und achten Buchstaben des deutschen Alphabets, für A und H. Und das heißt nun einmal für aufstrebende junge Menschen: Adolf Hitler. Die FDP-Ortsvorsitzende von Berlin-Dahlem Susanne Thaler erklärte ihren Austritt aus der Partei, weil sie überzeugt war, daß die 18 ein Signal an die Neonazis sein sollte.
Für eine solche FDP zu spenden, das machte auch dem manchmal etwas pingeligen August Finck junior überhaupt kein Problem. Zumal heute wie 1931 soziale Unruhen in der Luft liegen.
Den Wählern, die 1932 die NSDAP mit 37 Prozent zur stärksten Partei machten, war nicht bekannt, welche Summen Finck senior und andere zuvor bereitgestellt hatten. Die Wähler aber, die im Mai 2010 in Nordrhein-Westfalen jener von den Bestverdienenden erfolgreich eingekauften Partei ihre Stimme geben sollen, können sich das überlegen. »Ich habe eine Engelsgeduld. Aber die FDP kann auch anders«, droht Westerwelle und erläutert: »Eine Partei ist dann in einer Krise, wenn sie nicht mehr weiß, was sie will. Und wir wissen, was wir wollen.« (...)
nun, man muss diese interpretation des "projekts 18" nicht unbedingt teilen - auch, wenn ich die dargestellte reaktion der fdp-ortsvorsitzenden in berlin bisher nicht kannte und bemerkenswert finde. ich nehme ebenfalls an, dass gerade in berlin eine solche reaktion keinesfalls irrational gewesen ist, war hier doch in der zweiten hälfte der 1990er jahre ein schwerpunkt jener strömung zu finden, die sich"nationalliberal"schimpft (im verlinkten text ist übrigens zu lesen, dass u.a. westerwelle damals ein "erklärter gegner" der "nationalliberalen" gallionsfigur von stahl gewesen wäre - das kann allerdings nicht an grossen inhaltlichen differenzen gelegen haben, denn von von stahl waren schon damals sätze zu hören wie
"Unter unserer Verantwortung ist die Bundesrepublik fast ein sozialistischer Staat geworden"
uups. sollten sich teile der "nationalliberalen" ideen von damals inzwischen in den fdp-mainstream bewegt haben ?)
bei der betrachtung eines anderen fdp-landesverbands, nämlich dem insachsen, könnte man fast zur antwort "ja" auf die obige frage neigen:
"Der schnelle und reibungslose Abschluss der Koalitionsvereinbarung zwischen Stanislaw Tillichs Sachsen-CDU und der FDP des Freistaates unter Landeschef Holger Zastrow ist nicht nur ein Signal für die Bundestagswahlen am 27. September. Er markiert auch einen Erfolg des nationalliberalen Flügels innerhalb der FDP. Denn ausgerechnet in Sachsen, wo die NPD seit 2004 im Landtag sitzt, haben es die Liberalen und ihr Spitzenkandidat Zastrow mit der Abgrenzung nach rechts nicht immer so genau genommen. (...)
Die Vorwürfe gegen Zastrow kommen nicht von ungefähr. So war der aus Dresden stammende Politiker mehrfach Interviewpartner und Autor der nationalkonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit (JF). Darauf hat nicht zuletzt der ehemalige Generalbundesanwalt und frühere FDP-Rechtsaußen Alexander von Stahl lobend hingewiesen. Gegenüber der JF sagte er bereits im Juni 2004: „Die FDP muss wieder lernen, auch gegenüber nationalliberalen Gedanken tolerant zu sein. Allerdings bitte ich, nicht zu vergessen, dass die FDP-Führungsmannschaft durchaus auch mit Persönlichkeiten aufwarten kann, die keine Berührungsängste mit dem nationalliberalen Lager haben. So gewährten zum Beispiel Hermann Otto Solms, Günter Rexrodt oder auch der sächsische Landesvorsitzende Holger Zastrow der Jungen Freiheit bereits Interviews. (...)
In der Jungen Freiheit hat sich Zastrow in der Vergangenheit unter anderem für die allgemeine Dienstpflicht für junge Menschen stark gemacht, weil sie „das Bewusstsein der Verantwortung des Einzelnen für unser Vaterland“ fördere. Eine Argumentation, die nicht nur Deutschtümelei und einem reaktionären Bürgerbegriff offenbart, sondern auch der offiziellen FDP-Position diametral entgegensteht." (...)
was aber ist die "offizielle fdp-position" eigentlich so wert, wenn man sich bspw. die diversen wahlversprechen und die nachwahlrealität betrachtet? der kreis schliesst sich jedenfalls nach der betrachtung eines zitates aus einem artikel ausgerechnet in der - ein echtes déjà-vu -"welt"vom august vergangenen jahres über zastrow und seine ambitionen:
(...) "Dabei weiß der 40 Jahre alte Inhaber einer PR-Agentur, dass seine Ambitionen mit einem Makel behaftet sind. Denn die Idee, die Liberalen aus der Rolle des Mehrheitsbeschaffers und der Klientelpartei herauszuführen, stammt von einem Mann, dessen Wirken sie in der FDP am liebsten verdrängen: Jürgen W. Möllemann. Zu dessen 2002 grandios gescheitertem Projekt 18 gebe es "zweifellos Parallelen", sagt Zastrow, allerdings auch gewichtige Unterschiede: "Möllemann hat am Ende überdreht", außerdem sei dessen Kampagne ein "Marketing-Gag" gewesen. In Sachsen dagegen liege die Sache völlig anders: "Hier steckt Substanz dahinter."
Diese Substanz beschreibt er so: Anders als in so manchem westlichen Bundesland repräsentiere die sächsische FDP nicht nur das Milieu der Ärzte und Rechtsanwälte. Unter den Mitgliedern seien Unternehmer ebenso wie Hartz-IV-Empfänger und Gewerkschafter, die Liberalen würden quer durch alle Schichten gewählt, "in Villa und Platte". Und die FDP stelle 30 Bürgermeister, mehr als SPD, Grüne und Linke zusammen." (...)
wenn man sich das anschaut, was sich in sachsen als "politischer mainstream" bezeichnen lässt, so ist die immer noch starke präsenz der npd - einer erklärt nationalsozialistischen partei - sowie der mit ihr assoziierten nazibanden gerade auch außerparlamentarisch nur die spitze des braunen eisbergs, an dem offensichtlich auch die dortige fdp partizipieren will. das ganze erinnert stark an eine populistische, modifizierte und in gewisser weise weichgespülte variante der volksgemeinschaft:
(...) "Ich habe damals für Freiheit und Marktwirtschaft gekämpft", sagt Zastrow. Heute kämpft er für die Überzeugung, dass eine liberale Partei mit genau diesen Anliegen keine exklusive Angelegenheit einiger Privilegierter ist, sondern "ein Angebot für jeden, vom Arbeiter bis zum Chef".
Weil er fand, dass die Strategien anderer Landesverbände und auch der Bundespartei diesem Anliegen nicht gerecht wurden, begann er, den "Liberalismus auf Sächsisch" zu interpretieren. Und als PR-Profi verstand er es, seine Vorstellungen in knackige Slogans zu pressen. Mehr Leistungsgerechtigkeit durch längere Zahlung von Arbeitslosengeld? "Herz statt Hartz". Flächendeckende, kostenlose Kita-Plätze? Ein Plakat mit Baby und zwei Worten: "Für dich". Und als die anderen Parteien der im letzten Wahlkampf plakatierten FDP-Forderung "Diäten runter" nicht folgten, spendeten die liberalen Landtagsabgeordneten ihre erhöhten Bezüge einfach für soziale Zwecke." (...)
nicht ungeschickt, und erinnert gleichfalls an das demonstrative (pseudo-)soziale tun der nazis generell im osten, mit dem sie leider bis dato recht erfolgreich sind. da scheint sich der "pr-profi" einiges abgeschaut zu haben.
und wie findet der westerwelle das alles ?
(...) "Längst hat der sächsische Weg Anerkennung bei Parteichef Guido Westerwelle gefunden. Nach den Möllemann-Erfahrungen hat der zwar eine ausgeprägte Skepsis gegen laut angepriesene Volkspartei-Projekte. Aber zur Unterstützung Zastrows schickte er seinen früheren Büroleiter Roland Werner als Fraktionsgeschäftsführer in den Sächsischen Landtag. Und im laufenden Wahlkampf war der Parteichef Stammgast im Freistaat. Vor allem aber, sagt Zastrow, habe Westerwelle das gleiche Freiheitsverständnis. Woran er das festmache? "Er lässt uns einfach machen."
und so finden sich opportunistische machtgier, kapitalistischer extremismus und nationalistische ideologie zu einer trüben melange zusammen, die allerdings - und auch da schliesst sich der kreis - für die fdp zumindest in teilen eine art fortsetzung alter traditionslinien darstellt, wenn man sich die geschichte des nrw-landesverbandes betrachtet. das es in der bundespartei auch mal einen mehr oder weniger glaubhaften "linksliberalen" flügel gab, ist allerdings heute endgültig geschichte. das sollte dann auch so wahrgenommen und die fdp von jeglicher verklärung entblättert werden - "frei" und "liberal" sind nur noch rhetorische feigenblätter für ein gebilde, welches sich im immer schärfer werdenden klassenkampf von oben eindeutig an der seite dieses oben positioniert - und auch so behandelt werden muss.
zu später stunde noch einige einblicke in die vergangenheit zweier selbsterklärter "deutscher gesellschaftstragender institutionen", nämlich der katholischen kirche und der fdp. beide sind aktuell bekanntlich in den schlagzeilen, und bei beiden ist eine beschäftigung mit ihrer vergangenheit durchaus hilfreich, wenn man das derzeitige unsägliche treiben dieser quasi-sekten - die eine mit klassisch fundamentalischen religiösen, die andere mit totalitär kapitalistischen zügen - verstehen will.
*
beginnen wir mit der kirche, zu deremganz besonderen verständnis von "nächstenliebe"ich am beispiel irland schon das meiste mir wichtig erscheinende geschrieben habe. ebenso wie in irland sind auch in den aktuell thematisierten hiesigen fällen von gewalttätigen, teils sexualisierten übergriffen kirchlicher bediensteter die sichtbarendimensionen inzwischen derart deutlich, dass die mär von den verirrten einzeltätern erst gar nicht zur bösen entfaltung kommen kann:
(...) "115 bis 120 Betroffene aus der gesamten Bundesrepublik haben sich gemeldet, auch aus den fünfziger und sechziger Jahren; elf oder zwölf Täter sind namentlich bekannt, nicht alle sind Jesuitenpatres, auch zwei Erzieherinnen sind darunter. Es geht längst nicht mehr um das Canisiuskolleg, wo es bis zu 50 Opfer gibt, nicht mehr nur um Jesuitenschulen.
Auch aus anderen katholischen Schulen werden Ursula Raue Übergriffe bekannt; seit einigen Tagen wisse sie auch von Fällen schweren, gewalttätigen Missbrauchs. Meist aber sei es um "Anfassen, Streicheln und Selbstbefriedigung" gegangen. Viele Kinder hätten die sexuelle Komponente mancher Handlungen, zum Beispiel von Schlägen auf den nackten Hintern, erst später verstanden. Die seelischen Wunden, die das hinterlassen habe, die brächen jetzt wieder auf." (...)
für die institution und ihre funktionäre ist das ganze inhaltlich und imagemässig ein supergau, zumal die ganzen sichtbaren gewaltstrukturen internationale ausmaße haben, mithin also nicht irgendwelchen imaginierten "landestypischen" verhältnissen in die schuhe geschoben werden können, sondern sehr offen die strukturen und inhalte der katholischen sekte direkt als verantwortlich erkannt werden können. vor diesem hintergrund ist die versuchte "erklärung" des bayrischen bischofs mixa, der die sog. sexuelle revolution - und damit den "sittenverfall" im gefolge von 1968 - mehr oder weniger kaschiert als hauptverantwortliches moment für die organisierte kriminalität innerhalb der kirchlichen gemäuer ausmachen wollte, ein absurd-prachtvoller rohrkrepierer erster klasse, zumal er zukünftig als erste quasi offizielle reaktion eines kirchenoberen stehen wird. diese blamage lässt sich allerdings noch steigern, wenn man sich mal mit dem sonstigen - hm, "beruflichen" treiben dieses bischofs beschäftigt - dasmittelalter lässt grüssen. in dem artikel aus dem jahr 2008 ist u.a. zu lesen:
(...) "Wie der Bayerische Rundfunk mittlerweile erfahren haben will, soll der Augsburger Bischof Walter Mixa in Bayern einen Exorzisten zur Teufelsaustreibung beauftragt haben. Der Sender berief sich dabei auf eine nicht näher genannte Quelle. Nach Aussagen "verschiedener Beteiligter" werde in Deutschland beinahe täglich ein Exorzismus vollzogen, meist inoffiziell und ohne Wissen der Diözesen.
Zuvor hatte das Augsburger Ordinariat Teufelsaustreibungen grundsätzlich bestätigt. In einer Stellungnahme hieß es, bei jeder Taufe werde ein Exorzismus-Gebet gesprochen, das den Täufling den Mächten des Bösen entziehe und ihn "unwiderruflich der Liebe Jesu" empfehle." (...)
die "unwiderrufliche empfehlung der liebe jesu" lässt sich angesichts der sichtbar gewordenen praktiken etlicher kirchenleute eigentlich nur als offene drohung verstehen.
aber mixas teufelsaustreibungen sollen hier nur am rande erwähnt sein, sozusagen als komplettierung des bildes der wahnwelten und -zustände, die in diesem verein offensichtlich ohne grosse probleme toleriert werden. unausgeprochen rückt nämlich inzwischen der oberste chef der ganzen (auf-)gestörten herde, der bekennendeopus dei-anhängerjoseph ratzinger alias "der papst", ebenso wie seine vorgänger in den focus - und seit gestern informiert das blog von malte welding über bereits länger existierendemeldungen aus großbritannien und den usa, welche das verhalten der katholischen führung hinsichtlich der gewalt gegen kinder und jugendliche innerhalb ihrer eigenen institution - und zwar in globaler perspektive - endgültig zu einem kriminalfall werden lässt, der sich mindestens über ein halbes jahrhundert hinzieht:
"2003 berichtete der Observer von einem vertraulichen Dokument, das vierzig Jahre zuvor mit dem Siegel von Papst Johannes XXIII an alle katholischen Bischöfe weltweit gesandt wurde (...).
2005 legte das amerikanische Polit-Blog Daily Kos nach. Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger, heute besser bekannt als Benedikt XVI, hatte 2001 in einem weiteren Rundschreiben ausdrücklich die Weitergeltung des päpstlichen Dokuments von 1962 bestätigt.
Für den Fall, dass die Opfer des Missbrauchs sich an kirchliche Stellen wenden, sollen auch sie einen Eid schwören, dass sie Stillschweigen bewahren werden." (...)
jedes wort, welches aus den reihen der offiziellen katholischen kirche jetzt noch hinsichtlich "scham", "trauer" und "mitgefühl für die opfer" kommt, kann, soll und muss den vertretern dieser sekte als widerwärtige heuchelei und billiger versuch der schäbigen eigenrettung wieder in den mund zurückgestopft werden. die kirchenfunktionäre wissen und wussten seit jahrzehnten von den erbärmlichen zuständen - und wollten die opfer mittels ihrer glaubenspeitsche faktisch mundtot machen, was ihnen vermutlich in zu vielen fällen auch noch gelungen sein dürfte - eh schon traumatisierte menschen, die dazu mit religiösen fiktionen mit dem vorzugsweisen inhalten "schuld und sünde" traktiert werden, sind für diese form perfider einschüchterung noch empfänglicher als andere.
diese ganze geschichte der kirchlichen gewalt ist von zum himmel schreiender widerwärtigkeit, und wenn es denn einen gott mit der halluzinierten allmacht geben würde, so hätte dieses wesen schon lange vor seinen ergebenen dienern verachtungsvoll ausspucken müssen. dieser verein jedenfalls sollte für jeden fühlenden und denkenden menschen spätestens jetzt jegliche legitimation endgültig verspielt haben. und bei der fälligen systemdemontage dürfen die religiösen verbrämer der organisierten kriminalität keinesfalls davonkommen.
...voller tränen, die auch noch nicht alle geflossen sind, habe ich eigentlich noch weniger lust als sonst, das verbrecherische treiben in der menschenwelt zu kommentieren - im zusammenhang mit der sog. "hartz-IV"-debatte ( = populistische hetze) gibt es allerdings einen regelmässig vergessenen aspekt, der die verhältnisse in diesem land insgesamt deutlich macht - und eigentlich müsste man die "taz" dafür loben, dass sie es bis jetzt als meines wissens einzige zeitung von gewisser relevanz überhaupt geschafft hat, diesen aspekt zu thematisieren - andererseits wären wir dann schon dabei, für eigentliche selbstverständlichkeiten loben zu müssen. hm...
"Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen fordern Flüchtlingsorganisationen eine Überprüfung und Erhöhung der Regelsätze für asylsuchende und geduldete Flüchtlinge. Die Feststellung der Karlsruher Richter, "dass die Bedarfssätze, die das Existenzminimum sichern sollen, intransparent und willkürlich festgesetzt worden sind und dass damit die Menschenwürde der Betroffenen nicht gewahrt ist", gelte "in verstärktem Maße" auch für Flüchtlinge, sagte Heiko Habbe vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst.
Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge haben kein Anrecht auf Hartz IV, sie erhalten weit geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese Regelsätze seien wie die Hartz-IV-Sätze "willkürlich festgelegt" und seit 1993 nicht an die Preisentwicklung angepasst worden, sagte Marei Pelzer, rechtspolitische Referentin von Pro Asyl. "Nicht nur Hartz IV, auch das Asylbewerberleistungsgesetz ist verfassungswidrig." (...)
"Das Asylbewerberleitungsgsetz führt zu staatlicher Mangelversorgung und einem bewussten Ausschluss von gesellschaftlicher Teilnahme", kritisierte Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat. Die Konsequenz des Gesetzes sei, "dass Kinder ohne Stifte und Hefte in die Schule gehen, Menschen im Winter keine warme Kleidung haben und die notwendige Behandlung von Krankheiten verhindert oder verschleppt wird".(...)
wenn man sich die spaltungen betrachtet, die schon zwischen sog. inländern herrschen und forciert werden, lässt sich lebhaft vorstellen, was passieren wird, wenn die noch erbärmlichere realität für sog. ausländer im emanzipatorischen sinne verändert werden soll. vielleicht besteht das einzig sinnvolle darin, dass zumindest die organisierten erwerbslosengruppen beginnen, die flüchtlinge und asylbewerber in den heimen als betroffene der gleichen antisozialen politik wahrzunehmen, ja mehr noch: diese gruppe ist es, an der regelmässig die verschärfungen dieser politik zuerst wie im testlabor durchexerziert werden - das fängt bei streichungen an und hört bei der sog. residenzpflicht, die inzwischen faktisch auch für viele "hartz-IV"-empfängerInnen herrscht, noch lange nicht auf. es wäre also u.a. im puren eigeninteresse der hiesigen erwerbslosen, sich diese verhältnisse nicht kommentarlos oder gar hände reibend - weil da welche sind, die sich noch besser treten lassen - zu betrachten, sondern das antisoziale spaltungs- und fragmentierungsprojekt gerade an diesem wichtigen punkt zu unterlaufen und gemeinsame sache zu machen.
zufällig bin ich gerade über einenprozessberichtgestolpert:
(...) "Frau Afflerbach war nie psychotisch krank." Und doch hat die angehende Lehrerin zehn Jahre in der Psychiatrie und in psychiatrischen Ambulanzen verbracht.
1991 beginnt ihr Martyrium. Tanja Afflerbach ist 21 Jahre alt und gerade aus dem Elternhaus in die erste eigene Studentenbude nach Siegen gezogen. Eine sorglose Zeit, die Uni macht ihr Spaß. Sie ist eine eifrige Kunststudentin, die später am Gymnasium unterrichten will. Und dann ändert ein Autounfall ihr gesamtes Leben. An einer Straßenkreuzung in Allenbach bei Siegen nimmt ihr ein anderer Autofahrer die Vorfahrt. Beide Fahrzeuge prallen frontal aufeinander. Afflerbachs damaliger Freund und Beifahrer wird in einem Krankenwagen in eine Klinik gebracht. Sie selbst wird - vermeintlich unverletzt - am Unfallort buchstäblich von den Sanitätern vergessen. So trampt sie nach Hause. Nachts im Bett jedoch rasen immer wieder die Lichter des anderen Wagens auf sie zu. Aus Sicht des richterlichen Gutachters waren dies eindeutige Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Zitternd und zappelig geht Tanja Afflerbach zu ihrem Hausarzt. Der diagnostiziert statt einer posttraumatischen Belastungsstörung ein Schleudertrauma und schickt sie zu einer Nervenärztin. Nach einem kurzen Gespräch verabreicht ihr diese Ärztin eine so genannte Imap-Depot-Spritze mit einem Neuroleptikum und diagnostiziert eine Schizophrenie. Die "Erhebung von Befunden wurde versäumt", heißt es dazu später im gerichtlichen Beschluss.
Die erste Injektion der Psychiaterin wirkt wochenlang in Afflerbachs Körper. Sie fühlt sich furchtbar. Ihr ganzer Körper krampft sich zusammen - von den Zehen bis zur Kopfhaut. Ihr bleibt der Atem weg, die Zunge zieht es in den Rachen. Gegen dieses "Extrapyramidale Syndrom", eine Nebenwirkung von Neuroleptika, erhält sie dann im Krankenhaus das Gegenmittel Akineton. Es wird normalerweise Patienten mit Parkinson verschrieben." (...)
eine ganze kette von haarsträubenden ärztlichen - hm, soll man das noch "kunstfehler" nennen oder nicht besser schlimmste ignoranz und gleichgültigkeit ? ein lehrstück darüber jedenfalls, wie schnell man sich selbst in psychiatrischer (zwangs-)behandlung wiederfinden kann.
die oben genannte diagnose von symptomen einer posttraumatischen belastungsstörung nach unfall jedenfalls klingt - ich kenne kein weiteres öffentliches material - bei der schilderung der nächtlichen lichter plausibel. (auto-)unfälle können durchaus eine mehr oder weniger schwere ptbs nach sich ziehen, soviel sollte sich heute auch schon bis zum durchschnittsarzt herumgesprochen haben. bei entsprechender, wenig bis vielleicht gar nicht belasteter vorgeschichte gehören diese arten der ptbs zu denen, die im vergleich noch am leichtesten behandelbar sind oder sich gar mit der zeit "von selbst" - auch durch gespräche mit wirklich vertrauten menschen u.ä. - abschwächen können.
was aber bei dieser frau daraus diagnostisch gemacht wurde, klingt nach unglaublichem pfusch:
(...) ""Die Diagnose der Psychose wurde in der Klinik einfach übernommen", fasst er die Krankenakten zusammen. "Heute ist eindeutig, dass sie falsch war." Neuroleptika seien aufgrund einer "Verdachtsdiagnose" verabreicht worden und noch dazu in "außergewöhnlich hoher" Dosierung. Der Sachverständige kann nicht nachvollziehen, warum der jungen Frau 1991 eine Psychose und fünf Jahre später ohne weitere Angabe von Gründen ein Borderline-Syndrom, also eine schwere Persönlichkeitsstörung, attestiert worden sei." (...)
psychose und eine borderline-störung oben drauf - ich habe ja besonders in vergangenen basisbeiträgen scho9n mehrere möglichkeiten skizziert, wie die diagnostischen konfusionen zwischen und auch vielfachen doppeldiagnosen gerade von ptbs und borderline zustande kommen könnten, eine derartige variante jedoch dabei schlicht nicht in betracht gezogen. die institutionelle psychiatrie jedenfalls sorgt mit derartigen vorgehensweisen ganz von selbst dafür, dass ihr selbst in fällen misstraut wird, in denen sie durchaus eine reale hilfe für betroffene menschen darstellt.
so weit, so schlecht. im weiteren verlauf des artikels wird dann eher beiläufig eine kleine revolution erwähnt:
(...) "In der Psychiatrie sind Diagnosen selten eindeutig. Zwar existiert mit dem ICD 10 ein internationales System der WHO, der Weltgesundheitsorganisation. Aber auch dieser Katalog an Kriterien wird ständig überarbeitet, alte Überzeugungen schwinden. In Zukunft wird es beispielsweise die Diagnose "Borderline-Syndrom" gar nicht mehr geben. Die WHO hat sie als zu ungenau eingestuft." (...)
wow. ich wusste, dass bereits in den 1990er jahren entsprechende überlegungen in den zuständigen institutionen immer wieder eher am rande auftauchten, in denen sich die öffentliche - medizinisch-psychiatrisch-psychologische - kritik an der diagnose bzw. ihren stigmatisierenden wirkungen manifestierte - als letzte grössere diesbezgl. diskussion können meines wissens die attacken seitens vieler psychotraumatologen gegen die diagnose gelten, wie sie sich zb. bei judith herman und auch im "handbuch der borderline-störungen" (beide siehe literaturliste) nachlesen lassen. aber das es jetzt zumindest in der who-klassifikationicd-10wirklich soweit sein soll, finde ich schon eine überraschung - wobei ich mich frage, was denn eigentlich genau verschwinden soll - eine diagnose "borderline-syndrom" existiert in der icd überhaupt nicht, und "borderline" taucht nur als eine art anhängsel auf, beim diagnostischen codeF60.31nämlich, der "emotional instabilen ps, borderline-typ". der begriff "borderline-syndrom" hingegen kann je nach therapeutischer richtung, v.a. seitens der orthodoxen psychoanalyse, etwas ziemlich anderes meinen. etwas annährend analoges lässt sich klassifikatorisch höchstens im psychiatrisch ebenfalls relevanten katalog der american psychiatric association, demdsm-IV, herauslesen - ich habe gleich mal direkt auf den eintrag zur borderline personality disorder verlinkt.
vielleicht liegt der fehler aber auch nur in einer inhaltlichen konfusion / ungenauigkeit vom autor oder der autorin des artikels - was nicht weiter tragisch wäre, ist diese konfusion doch selbst unter ärztInnen und therapeutInnen bis heute verbreitet, die sich mit borderline herumschlagen. und diese andauernde konfusion ist es auch, die mich dazu bringen würde, die benannte absicht kritisch zu unterstützen - gründe dafür sind im- und explizit u.a. in den basisbeiträgenborderline, traumageschicht(-en) 1und2nachlesbar. die angesprochene veränderung könnte den ganzen bereich zwischen trauma/dissoziation einerseits und persönlichkeitsstörungen im "klassisch" psychiatrischen verständnis, incl. der dissozialen (antisozialen) ps, andererseits, wenn auch durch ein zunächst nur formal anderes verständnis, in sachen wirklich verstehen immerhin mal in bewegung bringen. wobei die frage auch bleibt, wie und ob sich das dsm zu so einer qualitativen änderung in der icd verhalten würde - immerhin gibt es seit jahrzehnten in beiden katalogen bei den meisten psychiatrischen diagnosen durchaus mehr oder weniger massive inhaltliche unterschiede. die who ist aber aufgrund ihrer position letztlich die institution, die die formalen maßstäbe setzt.
kommentare speziell von psychiatrisch und / oder psychotherapeutisch tätigen zu der aussage des fr-artikels sind ausdrücklich erwünscht, zumal ich auf die schnelle keine weiteren quellen / infos zu dieser ankündigung und ihren weiteren hintergründen finden konnte.
die vierzigste folge in dieser reihe, und kein ende ist abzusehen... im angesicht dessen ist der ratschlag, der im folgenden filmausschnitt gegeben wird, durchaus angemessen:
die worte aus dem jahr 1976 klingen verblüffend aktuell, nehmen wir mal die obligatorischen "russen" aus (wobei: auch das könnte zukünftig irgendwann wieder passen). schön auch die demonstration der tatsache, dass der kapitalismus selbst noch aus den verdrossensten äusserungen über seine existenz bzw. deren folgen ein geschäft zu machen versteht - "wir sind auf eine goldgrube gestossen". tja. da möchte man sich dann gleich wieder zum fenster begeben, erst recht beim anblick der news:
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globale krisenkaskade I: "die große klimaverschwörung" klappt offensichtlich nicht richtig - gipfel von kopenhagen gescheitert
globale krisenkaskade II: die angst vor der nächsten finanzkrise
globale wirtschaftskrise: zum neuesten geab
wetten auf den staatsbankrott
einige gedanken zur rolle und position der autoindustrie
griechenland: massive ausgabenkürzungen auf der agenda, erste ebenso massive proteste finden statt
usa I: die tatsächliche bedeutung zurückgezahlter staatshilfen seitens einiger banken
usa II: trouble von der west- bis zur ostküste - nach kalifornien auch new york auf dem weg in den bankrott
deutschland: zahl "psychischer" krankheiten und folgender "fehlzeiten" 2008 erneut gestiegen
in aller kürze: usa - goldman-sachs-beschäftigte bewaffnen sich; aus kalifornien werden morde an beteiligten der hypothekenkrise gemeldet / lettland - carepakete aus schweden und hungerstreik vor dem parlament / österreich hat nun seinen eigenen "hypo"-skandal / gr0ßbritannien - "blinder optimismus" als synonym für blanke realitäts(ver)leugnung
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selten ist´s geworden, dass ich dem "spiegel" bzw. seiner onlineversion gerade bei den redaktionell verantworteten kommentaren zustimme - so ist denn das folgende bis auf weiteres eineausnahme, die nichtsdestotrotz fast alles wichtige auf den punkt bringt:
"Der Weltklimagipfel in Kopenhagen ist gescheitert. Es wird keine konkreten Ziele für die Senkung des Treibhausgasausstoßes geben. Die Industriestaaten haben den Entwicklungsländern keine konkreten Hilfsangebote gemacht. Schwellenländer wie Indien und China können ihre Wirtschaft ungebremst weiter wachsen lassen." (...)
Der Kollaps von Kopenhagen bestätigt jene, die den Klimawandel für ein Hirngespinst von Wissenschaftlern, linken Politikern und Panik machenden Medien halten. Und all jene, die die Menschheit schlicht für unfähig halten, eine Bedrohung wie den Klimawandel in einer kollektiven Anstrengung zu lösen.
Es rächt sich, dass sich der Mensch die Gefahr nicht vorstellen kann
Diese Haltung ist übrigens keineswegs reiner Zynismus. Sie kann in einer gewissen Einsicht über die menschliche Natur gründen. Der Mensch handelt aus persönlicher Erfahrung. Viele haben Schwierigkeiten, sich vorzustellen, dass eine Seuche ganze Landstriche entvölkern kann - obwohl dergleichen schon oft vorgekommen ist. Ähnliches gilt für Vulkanausbrüche oder Meteoriteneinschläge, die ganze Regionen oder gar Kontinente verwüsten. Der Klimawandel aber ist in dieser Hinsicht noch gefährlicher. Denn er ist gleich in mehrfacher Hinsicht ohne Beispiel:
* Kein Krieg und keine Seuche hat jemals mehr als eine Handvoll Staaten zugleich betroffen, auch die Gefahr eines Atomkriegs nicht. Der
Klimawandel aber betrifft praktisch die gesamte Menschheit.
* Er müsste schnell bekämpft werden, obwohl seine schlimmsten Folgen in der Zukunft liegen und nicht unmittelbar drohen.
* Seine Bekämpfung erfordert revolutionäre Veränderungen der Lebensweise großer Teile der Menschheit.
* Er verlangt nach der Zusammenarbeit von Gesellschaften, deren Interessen unterschiedlicher nicht sein könnten; zum Beispiel von Ölstaaten,
die von fossilen Brennstoffen leben, und Inselstaaten, die um ihre Existenz bangen.
Es läuft der menschlichen Psyche zuwider, eine solche Gefahr wahrzunehmen - geschweige denn, sie entschlossen und unter Opfern zu bekämpfen. Leider stellt der Mensch den kurzfristigen Erfolg allzu oft über die langfristige Planung." (...)
schon fast eine höhnische ironie, dass es derzeit in grossen teilen europas mal wieder ein paar tage richtig kalt ist und eine geschlossene schneedecke liegt - was dann tatsächlich dazu führt, dass dieses aktuelle wetter in einigen forendiskussionen ganz ernsthaft als "beleg" dafür genommen wird, dass "das mit dem klima doch wirklich alles nur panikmache sei" - derart unterirdisch sieht es offenbar in einigen köpfen aus. und das lässt sich meiner meinung auch nur z.t. mit dem oben erwähnten "unvermögen" der menschlichen wahrnehmungsfähigkeiten erklären. aber näheres dazu in den kürzlichen beiträgendirekt zum thema. und zu einigen hintergründen eines hiesigen, gern zitierten "klimaskeptischen" institutes, hat dasopabloginteressantes zu berichten.
*
dieses "kopf-in-den-sand-augen-zu-und-durch"-harakiriverhalten dürfte im rückblick einmal als typisch für diese zeit und ihre menschen zumindest im westen gelten, die sich ganz im gegensatz zu früheren generationen nicht damit herausreden können, uninformiert gewesen zu sein - wobei ich durchaus berücksichtige, dass auch der informationsoverkill letztlich im selben ergebnis münden kann - "alles wissen, nichts verstehen" mag sogar die gefährlichere variante der dummheit sein als banales nichtwissen. bezgl. der aktuellen wirtschaftskrise jedenfalls ist ähnliches zu beobachten wie im klimadiskurs - zu einem zeitpunkt, an dem höchstens unklar ist, ob sich die krise nun in mehreren phasen entfaltet oder aber übergangslos durch eine neue abgelöst wird, wird weiterhin die rückkehr zur "normalität" aufgeführt, simuliert und propagiert - entgegen allentatsachen:
(...) "Als größte Gefahrenquelle für einen neuerlichen Crash gilt die gewaltige Spekulationsblase, die sich in den vergangenen acht Monaten an den Börsen gebildet hat. Die wichtigsten Aktienindizes - Dow Jones, Nikkei und Dax - sind seit März um jeweils 50 bis 60 Prozent gestiegen. Auch die Preise für Rohöl, Kupfer und andere Rohstoffe haben sich mehr als verdoppelt. Diesem gewaltigen Anstieg liegt kein entsprechendes Wirtschaftswachstum zugrunde. Im Gegenteil, die Wirtschaftsleistung ist in vielen Ländern um fünf Prozent gesunken und zahlreiche Konzerne schreiben nach wie vor rote Zahlen.
Der Kursanstieg geht ausschließlich auf die gewaltigen Liquiditätsmengen zurück, die Regierungen und Notenbanken in die Wirtschaft gepumpt haben. Die Finanzinstitute können sich praktisch zum Nulltarif unbeschränkte Geldsummen von den Notenbanken leihen und damit hohe Spekulationsgewinne erzielen. Auch die Billionen an Steuergeldern, die zur Ankurbelung der Konjunktur ausgegeben wurden, fließen nicht in Investitionen, sondern in Spekulationsgeschäfte, hohe Gewinnausschüttungen an Aktionäre und exorbitante Bonuszahlungen für Banker.
"Die Kurse steigen, weil das viele Geld irgendwohin muss - nicht, weil Aktien per se attraktiv bewertet wären", schreibt die Wirtschaftswoche in einer Analyse des aktuellen Börsenbooms. Laut Angaben des Magazins hat das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das den Aktienkurs ins Verhältnis zum Jahresgewinn des jeweiligen Unternehmens setzt, mit 133 einen historischen Höchstwert erreicht. Ab 14 gelten Aktien als überteuert. Die 500 größten börsennotierten US- Unternehmen werden damit fast zum Zehnfachen ihres realen Werts gehandelt.
Während als Folge der Krise allein in den USA weiterhin jeden Monat 300.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren, Arbeiter zum Lohnverzicht gezwungen und Sozialleistungen in großem Stil abgebaut werden, übertrifft die Bereicherungsorgie an der Spitze der Gesellschaft bereits wieder das Niveau, das sie vor der Krise erreicht hatte." (...)
und das fazit des artikels gilt natürlich auch für die nicht lohnarbeitende bevölkerung:
"Für die arbeitende Bevölkerung muss dies eine Warnung sein. Die internationale Krise des Kapitalismus hat ein Ausmaß erreicht, das keine Kompromisslösungen mehr zulässt. Sie muss sich auf heftige gesellschaftliche Kämpfe vorbereiten."
*
die auguren des europäischen instituts leap2020 hatten vor monaten in einem ihrer regelmässigen bulletins für das vierte quartal 2009 den "beginnenden zusammenbruch der öffentlichen ordnung" in vielen, auch europäischen, regionen angekündigt - nun lässt sich selbst dann, wenn man das als zunächst eher untergründig verlaufende entwicklung ansieht, konstatieren, dass das szenario bisher so nicht eingetreten ist, was damit auch zeugnis ablegt vom stumpfen beharrungsvermögen des systems und der stützenden menschen. insgesamt sind die prognosen des leap gerade bezgl. der ökonomischen entwicklungen nach meinem eindruck aber so schlecht nicht gewesen, und darum halte ich dieweiteren ausblickeaus der ecke durchaus für interessant genug, um hier drauf hinzuweisen:
(...) "Nach unserer Auffassung wird die umfassende weltweite Krise im Frühjahr 2010 einen neuen Krümmungspunkt erreichen. Dann wird offensichtlich werden, dass die bisherigen Konjunkturprogramme ohne Aufschwungswirkung verpufft sind und neue Maßnahmen erforderlich werden. Doch dann werden die finanziellen Finanzen in einem so desolaten Zustand sein, dass dafür die Möglichkeit schlichtweg nicht gegeben ist.
Die Regierungen haben sich jedoch durch eigenes Versagen in diese Lage gebracht. Denn sie brachten nicht den Mut auf, die Banken für ihre Fehler und Geschäftspraktiken den Preis zahlen zu lassen. Jetzt werden die Rechnung an die Mittelklasse und Rentner weitergereicht. Und für die Armen ist auch kein Geld mehr da. 2010 wird das Jahr, in dem sich Rauf und Runter die Waage halten: Rauf die Steuern, runter die Renten und Sozialleistungen." (...)
auch, wenn für eine derartige prognose kein grosser mut gefragt ist (leider) - in sehr verständlichen worten wird hier eine aktuelle und sehr fatale tendenz auf den punkt gebracht. ärgerlich nur einmal mehr das leap-immanente schönfärben der prozesse in der eu.
*
wenn man es denn bildlich ausdrücken will, hat es sich die krise in ihrem sichtbaren (!) verlauf zunächst in den unheiligen hallen der internationalen banken und börsen bequem gemacht, um von diesem luxuriösen quartier aus invasiv allerlei abgesandte in die restliche wirtschaft zu schicken. in einem zweiten schritt eroberten dann zahlreiche hoffnungsvolle sprößlinge die flure und büros diverser staatlicher finanzministerien rund um den globus, was sich u.a. in artikeln mit überschriften wie"Investoren wetten auf Pleiten von Industriestaaten"niederschlägt:
(...) "Die wachsende Verschuldung westlicher Industriestaaten lockt zunehmend Investoren an: Marktteilnehmer setzen verstärkt auf Kreditausfallderivate (Credit Default Swaps, CDS) dieser Staaten - während Schwellenländer in den Hintergrund rücken. Damit spekulieren Anleger stärker darauf, dass Industriestaaten in finanzielle Schwierigkeiten geraten als Schwellenländer.
Laut dem Datenregister Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) kletterte das CDS-Volumen für Italien auf Jahressicht von 151 auf 216 Mrd. $ - und damit auf den höchsten Wert für ein einzelnes Land. Italien gehört zu den am stärksten verschuldeten der zur OECD gehörenden Industrieländer: Bis 2010 werden die Schulden Prognosen zufolge auf 127,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anwachsen. Kontrakte auf Großbritannien, die USA und Japan - deren Belastung ebenfalls anwächst - verdoppelten sich in etwa zum Vorjahr." (...)
nun sind, analog zu den mechanismen und funktionsweisen der globalen "privaten" ökonomie, auch die finanziellen verhältnisse ganzer staaten bzw. ihre dadurch bedingten abhängigkeiten, vor allem aber auch die teils recht komplizierten währungspolitischen vorgänge, für laien i.d.r. erstmal ein buch mit sieben siegeln, und auch ich maße mir hier kein spezialwissen an. aber selbst für leute wie mich ist deutlich, dass all die bankenretterei und auch die ganzen "konjunkturpakete" faktisch mithilfe ungedeckter schecks finanziert werden. nun kann ein staat zwar notfalls selbst die gelddruckpresse bedienen, aber auch das bleibt nicht ohne fatale folgen. die einfache frage danach, wer für all das wachstumsdoping am ende direkt und indirekt zahlen muss, wird weiter unten am beispiel griechenland noch einmal konkreter werden.
*
die globale autoindustrie ist dabei weiterhin als symbol anzusehen - eine tragende säule der heutigen kapitalistischen ökonomie und gleichzeitig ein synonym für deren immanente probleme, die sich in einem knäuel u.a. aus durchgeballerten mobilitätsansprüchen, verheerenden ökologischen folgen und typischerüberproduktionzusammenballen:
(...) "Exemplarisch lässt sich das Problem am Schlüsselsektor der Automobilindustrie zeigen. Die qualitative Seite besteht darin, dass die Mobilität einseitig auf den Individualverkehr ausgerichtet wurde, weil die Autoproduktion ein bedeutendes Segment realer Kapitalverwertung bildete. Damit entstand ein Schwerpunkt von Schadstoffemissionen und Klimazerstörung. Die öffentlichen Verkehrsmittel dagegen wurden ausgedünnt, weil sie als Staatskonsum die Kapitalverwertung eher belasteten. Die quantitative Seite besteht darin, dass die Produktivkraftentwicklung in der 3. industriellen Revolution mehrwertschöpfende Arbeitskraft in beispiellosem Umfang wegrationalisiert hat. Um denselben Profit zu erzielen, musste eine immer größere stoffliche Masse von Autos produziert werden. Das gilt auch für die kapitalistische Gesamtproduktion. Schließlich verminderte sich die gesellschaftliche Mehrwertmasse, was sich in fallenden Profiten gerade auch der Autoindustrie ausdrückte. Einerseits wurde das Problem durch Kreditfinanzierung und Leasing sowohl der Produktion wie des Konsums hinausgeschoben. Andererseits wurden die restlichen öffentlichen Verkehrsmittel mit den bekannten Folgen privatisiert bzw. der betriebswirtschaftlichen Profitrationalität unterworfen, um sie auf Biegen und Brechen der realen Kapitalverwertung einzuverleiben und deren Notstand zu mildern.
Der Crash des aufgeblähten Kreditsystems ist noch gar nicht in vollem Umfang realisiert, aber das Finanzbeben hat bereits den mangelnden Mehrwertgehalt der stofflichen Überproduktion manifest gemacht. Wiederum mit besonderer Deutlichkeit in der Autoindustrie, weil sich die mangelnde reale Kaufkraft dort schneller als bei unmittelbar lebensnotwendigen Gebrauchsgütern niederschlägt. Die panikartigen staatlichen Rettungsmaßnahmen bezogen sich daher neben dem Bankensektor vor allem auf die Autokonzerne, die als ebenso „systemrelevant“ gelten. Aber das Problem der stofflichen Überproduktion gemessen an der Verwertungsfähigkeit wird auf diese Weise nicht aus der Welt geschafft. Die Überkapazitäten müssen nach kapitalistischen Kriterien stillgelegt werden. Der Bankrott großer Autokonzerne ist überfällig; GM und die Tochter Opel sind nur Tote auf Urlaub. Eine „Bereinigung“ in diesem Sinne eröffnet aber nicht automatisch einen neuen Wachstumspfad, sondern droht eine Kettenreaktion fallender Profite, damit aber weiter fallender Kaufkraft und fallender Absatzmöglichkeiten auszulösen. Die Autoindustrie wird zum Schlüsselsektor der ökologischen wie der ökonomischen Krise des Kapitalismus."
gerade mit dem hintergrund des letzten satzes wird das jahr2010 in der autobrancheein höchst interessantes werden. ergänzend dazu sei auch einmal mehr noch der spezifische "blick von unten" seitenswildcatempfohlen, die den focus neben einer strukturellen analyse der industrie v.a. auf die situation der belegschaften legt.
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zurück zum thema der drohenden staatsbankrotte: ingriechenlandkommen momentan sowohl der jahrestag der sozialen revolte vom letzten dezember als auch die aktuellen versuche der regierung zusammen, den klammen staatshaushalt auf kosten der bevölkerung zu sanieren. ersteres führt weiterhin zu diversen schul- und unibesetzungen wie auch zu teils militanten demonstrationen, wobei die mögliche brisanz nicht nur für griechenland in der frage danach liegt, ob und wann die verschiedenen tendenzen zu protest und rebellion in der bevölkerung zusammenkommen:
"In Griechenland will die Regierung den Staatsbankrott mit einem massiven Sparprogramms abwenden. Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. In Spitälern wurden nur dringende Fälle behandelt. Seit 5 Uhr am Morgen gibt es im Radio und Fernsehen keine Nachrichten mehr. Der Streik der Journalisten soll 24 Stunden später am Freitagmorgen beendet werden. Dagegen wurde ein geplanter Streik der Besatzungen der Fähren abgesagt. Ein Gericht erklärte ihn für illegal. Am Tag zuvor hatten bereits die Lehrer gestreikt. (...)
Die Anstrengungen der Regierung zur Reform der öffentlichen Finanzen dürfte auch weiterhin auf starken Widerstand bei der Bevölkerung treffen. Die Streiks richten sich denn auch gegen die Sparpolitik der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou." (...)
vor dem hintergrund werden auch die teils extremen staatlichen repressionen gegen all diejenigen (nicht nur jugendlichen) verständlich, die sich aus teils grundsätzlicher systemopposition im dezember wieder auf die strassen bewegen. aktuelle (übersetzte) überblicke direkt aus griechenland darüber liefert wie schon im letzten jahr das blogtears and anger.
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in die usa: weitgehend als "positiv" wurde medial in den letzten wochen der umstand vermeldet, dass viele der 2008 ins trudeln geratenen großbanken ihre damals in anspruch genommenen staatlichen unterstützungen nun zurückzahlen. was sich dahinter tatsächlich verbirgt, haben die wirtschaftsquerschüsse analysiert -"US-Banken zahlen Staatshilfen zurück"verlinke ich als ausdrücklichen lesetipp ohne weiteren kommentar.
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usa die zweite: und während die bankster das "ende der krise" verkünden, geraten nach kalifornien immer mehr bundesstaaten dort in eine finanziell gefährliche situation, die sich vor allem in den nächsten beiden jahren in einer kette von insolvenzen und bankrotterklärungen - mit ähnlichen folgen wie in vergangenen news schon ausführlich bezgl. kalifornien skizziert - manifestieren kann. aktuelles beispiel für diese entwicklung bildenstaat und stadt new york:
(...) "Die Verkehrsbehörde steht symbolisch für die Lage des ganzen Bundesstaats. New York kämpft gegen den Bankrott. Zwei Wochen bleiben noch, um die totale Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, warnt David A. Paterson. Der Gouverneur steht im Zentrum des Sturms. Er soll die Pleite abwenden, ist aber von einem Parlament abhängig, das bislang die meisten seiner Sparvorschläge ablehnt. Einfach einen weiteren Kredit aufnehmen kann der Politiker nicht. Das sieht die Verfassung nicht vor, dafür müsste zunächst eine Art Finanznotstand erklärt werden.
Die andauernde Wirtschaftskrise und die steigende Arbeitslosigkeit sind die Hauptgründe für die Finanzmisere. Die Steuereinnahmen lagen zuletzt weit unter den Erwartungen. Mit neuen Abgaben, Geld aus dem Konjunkturprogramm der Regierung in Washington sowie einer Kürzung der geplanten Gesundheitsprogramme steuerte Gouverneur Paterson gegen. Es reichte nicht. Allein in diesem Jahr fehlen mindestens drei Milliarden Dollar. Bis 2013 könnte das Defizit auf rund 50 Milliarden Dollar anwachsen. Sparvorschläge sehen nun weitere Kürzungen bei der Bildung, der Krankenversorgung und dem Umweltschutz vor." (...)
Patterson hat inzwischen eine Art Haushaltsstopp verhängt und die Auszahlung von 750 Millionen Dollar an Schulen und Kommunen blockiert. "New York hat kein Geld mehr", sagte Paterson. „Da man kein Geld ausgeben kann, das man nicht hat, werde ich alle Zahlungen zurückhalten bis sich die Lage verbessert." Ein Netzwerk aus Schulen und Lehrerverbänden kündigte daraufhin am gestrigen Donnerstag eine Klage gegen den Gouverneur an. Die Haushaltsperre sei illegal und verstoße gegen die Verfassung. (...)
Patterson hält dagegen. Es gebe keine andere Wahl. "Wenn wir alle Rechnungen bezahlen, haben wir Ende des Monats gar kein Geld mehr", sagt der Gouverneur. Wenn nicht bei den Schulen, müsse woanders gespart werden. Etwa bei den Krankenversicherungen für Bedürftige." (...)
ebenso bezeichnend wie eintönig, wem auch hier am ende die grosse arschkarte zugeschanzt werden soll - das ist in den usa kein stück anders als in griechenland, den baltischen staaten, irland... oder auch hierzulande. auf die idee zu verfallen, die feine gesellschaft in nadelstreifen und kostümchen um ihre milliarden zu erleichtern, gilt schon nahe als an der grenze zu terroristischem gedankengut befindlich. bleibt nicht nur in new york die frage, ob es über das virtuelle toben hinausgehen wird:
(...) "Viele New Yorker toben angesichts des Mangels auf der einen Seite und des Überflusses auf der anderen. Kaum jemand hat vergessen, dass die Banken ohne die Rettungsmilliarden des Steuerzahlers in der Krise untergegangen wären. An Stammtischen, auf der Arbeit, in Internetblogs macht sich Wut breit. Ein guter Gradmesser für die Stimmung in der Stadt ist stets die Leserbriefspalte in der New York Times. Dort fasst Scott Baker die Lage aus seiner Sicht zusammen: "Das ganze Geld floss nicht zu ausschweifenden Schulen, gierigen Krankenhäusern oder Polizisten und Feuerwehrleuten. Die Banken waren es, die uns ausgeraubt haben."
und wenn man sich dazu klarmacht, dass das beispieldetroithinsichtlich der realen erwerbslosigkeit durchaus repräsentativ für viele andere kommunen in den usa stehen könnte, dann sollte es nicht schwerfallen zu begreifen, dass kalifornien und new york nur die spitze des eisbergs darstellen:
"Die Zahlen klaffen enorm auseinander: Offiziell beträgt die Arbeitslosenquote in der US-Metropole Detroit 27 Prozent. Tatsächlich könnte aber jeder zweite Einwohner im arbeitsfähigen Alter ohne reguläre Beschäftigung sein, berichten die "Detroit News".
Zigtausende Menschen scheinen in der offiziellen Statistik nicht als arbeitslos auf, obwohl sie mit ebenso ernsthaften Problemen wie der "traditionellen" Arbeitslosigkeit zu kämpfen hätten. Die strenge Definition berücksichtigt nämlich all jene Menschen nicht, die unfreiwillig nur geringfügig arbeiten, beziehungsweise, die die Arbeitssuche schon aufgegeben haben.
Werden diese hinzugerechnet, nähere man sich den 50 Prozent, bestätigte auch der Bürgermeister der US-Stadt, Dave Bing. Die offizielle Arbeitslosenzahl sei "so glaubwürdig wie Santa Claus", so Bing gegenüber den "Detroit News". (...)
"...nähere man sich den 50 Prozent" - aber nicht doch, die krise wurde offiziell verboten und ist per amtlicher deklaration beendet. wer den kopf im sand stecken hat, dürfte mit dieser exzentrischen sichtweise auch kein problem haben.
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hierzulande bilden die gerade herausgekommenen "jahresberichte" der betriebskrankenkassen für 2008 hingegen eine entwicklung ab, die auch etliche fragen nach der fehlenden wut beantwortet -joachim jahnkeschreibt und zitiert dazu:
(...) "Von allen Krankheiten kam es 2008 nur bei psychischen Störung zu einem Anstieg der Krankheitstage. Dazu der Gesundheitsreport:
` .. entwickeln sich die seelischen Krankeiten „im Stillen"' weiter. Jeder zehnte Fehltag der beschäftigten Mitglieder - und jeder neunte Krankheitstag aller Erwerbspersonen (einschl. Arbeitslose) - ging 2008 auf das Konto Psychischer und Verhaltensstörungen, bei Frauen waren es sogar über 13 bzw. 14 Prozent der Krankheitstage. Viele Gruppen sind jedoch weit stärker von psychischen Gesundheitsstörungen betroffen. So stehen etwa bei Arbeitslosen die psychischen Krankheitsursachen nach Muskel- und Skelettleiden weit vorne an zweiter Stelle. Fast ein Viertel ihrer Krankheitstage, bei den ALG-I-Empfängerinnen sogar 29 Prozent, werden mit einer psychischen Diagnose gemeldet. Die Verordnungen von Antidepressiva und anderen Psychopharmaka haben erneut in erschreckendem Umfang zugenommen. Im Krankenhaus sind die Behandlungsfälle wegen psychischer Erkrankungen seit 1986 um mehr als das Dreifache gestiegen. Zudem werden hier - im Unterschied zu den ambulanten Behandlungen - für Männer mehr stationäre Fälle als für Frauen gemeldet. In 2008 gehörte wie im Vorjahr die häufigste Einzeldiagnose bei stationärer Behandlung nicht wie zuvor zu den Herzerkrankungen sondern zu den psychischen Krankheitsursachen. Ansteigende Trends des Krankenstands und hierbei gerade auch der psychischen Krankheitsursachen waren in 2008 zudem bei Führungskräften und qualifizierten Fachkräften deutlicher erkennbar als bisher.´
Auch der am 5. November veröffentlichte AOK-Fehlzeitenreport meldete die seit Jahren steigenden Fälle psychischer Erkrankungen. Die Zahl der von ihnen verursachten Arbeitsunfähigkeitsfälle stieg seit 1995 um 80 Prozent. Sie verursachen zugleich die längsten Ausfallzeiten. Fehlt ein Arbeitnehmer aufgrund einer Atemwegserkrankung durchschnittlich 6,4 Tage, sind es bei einer psychischen Erkrankung 22,5 Tage" (...)
man könnte glatt auf den gedanken verfallen, dass "die krise" auch die vielen persönlichen krisen symbolisiert, die mit dem umbau der arbeitswelt nach nur noch neoliberalen kriterien einhergehen. jedenfalls ist eine entwicklung sehr deutlich sichtbar: die zunehmende konkurrenz an den und um die noch vorhandenen lohnarbeitsplätze, die durchaus zu den restlichen bereits stattfindenden und noch kommenden verteilungskämpfen gerechnet werden darf, sorgt bei den betroffenen in aller regel für psychophysische zustände, die durch selbstzweifel, ängste und minderwertigkeitsgefühle alles andere als förderlich für das selbstbewusstsein sind, welches notwendig ist, um überhaupt wütend werden zu können. und fragen Sie einmal traumatisierte menschen, wann diese das letzte mal ein ehrliches "ich lass mir das nicht mehr länger gefallen" geäussert haben...
ich werde hier vor dem jahreswechsel mit einem blick auf die "morgenwelt" (kleiner insider für sci fi-freaks ;-) vermutlich nochmal auftauchen, wünsche bis dahin erträgliche feiertage und verbleibe mit der wiederholten feststellung: "optimismus beruht nur auf einem mangel an information"
zunächst ein paar nachträge zum letzten beitrag: nicht extra hingewiesen hatte ich auf den umstand, dass es sachlich in aller regel falsch ist, genauso wie bei anderen phänomenen den klimawandel alleine bzw. "für sich" zu betrachten, wenn es um die bereits eingetretenen und absehbaren konsequenzen geht - in vielen fällen lässt sich die these aufstellen, dass er in kombination mit anderen problemen (wie bspw. probleme bei der bereitstellung von trinkwasser) auftritt, in wechselwirkung steht und / oder diese verschärft. das klima ist halt eine komponente der globalen bio- und ökosphäre und von dieser nicht zu trennen. eben diese komplexität gerät leicht aus dem blick, überfordert auch - wie schon dargelegt - i.a.r. die menschliche wahrnehmung und führt zur unterschätzung der folgen.
dann möchte ich als ergänzung der schilderungen meiner eigenen wahrnehmungen betreffs der jahreszeitlichen klimatischen veränderungen in den letzten jahrzehnten auf diesenartikelverweisen:
"Der Winter ist kein echter Winter mehr - nur ein Gefühl oder Realität? Meteorologen haben Daten der vergangenen 130 Jahren ausgewertet. Sie zeigen, dass sich das deutsche Winterklima tatsächlich stark gewandelt hat" (...)
gleichzeitig weisen diese daten auch auf eine weitere besonderheit hin, die besonders bei der focussierung auf das globale klima oft genug zu sehr an den rand gerät: für eigentlich alle lebewesen auf diesem planeten ist - banale tatsache - das regionale klima entscheidend, und es muss bei der betrachtung der folgen des klimawandels eben auch primär auf die lokalen effekte geachtet werden. die sich zukünftig durchaus sehr verschieden bemerkbar machen werden.
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und damit komme ich dann auch direkt zur fortsetzung der im ersten teil begonnenen antwort auf die frage von sansculotte, wo ich denn bitte bereits heute direkte auswirkungen des klimawandels sehen würde - eine frage, die bei mir über die woche durchaus mehr und mehr erstaunen hervorgerufen hat, wie ich zugeben muss - denn man könnte sich heute mit viel gutem willen vielleicht noch darüber streiten, ob und wieweit der menschliche einfluss per emissionen von treibhausgasen (und das sind bekanntlich mehr als nur co2) auch nur teilweise als mitverantwortlich gesehen werden muss (diesen tatbestand sehe zumindest ich aufgrund der mir bekannten daten als erfüllt) - aber an der tatsache an sich, dass klimatisch großdimensionale veränderungsprozesse in gang sind und die sich auch bereits an vielen ecken der welt niederschlagen, lässt sich eigentlich nicht mehr zweifeln.
und auch nicht daran, dass bereits akut millionen von menschen darauf reagieren müssen, weil ihre bisherigen lebensräumezusehends unbewohnbarwerden:
(...) "Der Klimawandel zwingt schon heute zu Migration – zum Beispiel in Alaska oder in kleinen pazifischen Inselstaaten. Polareis und Permafrost tauen auf, der Meeresspiegel steigt, und die Küstenerosion zwingt Menschen zum Wegzug. Ganze Gesellschaften müssen umsiedeln:
- Inuit sind gezwungen, Shishmaref in Alaska zu verlassen. Umsiedlungspläne gibt es seit mindestens 30 Jahren, jetzt aber wird die sofortige Umsetzung notwendig. Inuit in anderen Regionen von Alaska und Kanada sind ebenfalls betroffen.
- Der steigende Meeresspiegel zwingt tausende Bewohner kleiner Inselstaaten wie Tuvalu und Kiribati zur Emigration nach Australien und Neuseeland. Die Inselstaaten verhandeln bereits mit diesen und anderen Ländern, die Zuflucht bieten können.
- Die Malediven gehören weder der Afrikanischen Union noch anderen regionalen Dachorganisationen an. Ihre Regierung bittet deshalb die internationale Gemeinschaft um Hilfe und sie ist auch selbst aktiv. Wenn die Malediven untergehen, werden andere Staaten sicher helfen. Allerdings führt eine Rettung in letzter Minute selten zu nachhaltigen Lösungen." (...)
das sind die bereits sichtbaren fälle, in denen es erlaubt ist, von klima- oder umweltflüchtlingen bzw. entsprechender migration zu reden - allerdings wird die bereits oben erwähnte einbettung bzw. rückkoppelungseefkte des klimawandels auf andere globale gesellschaftliche probleme eine solche sichtweise eher als ausnahme erscheinen lassen - in den meisten fällen ist es ein ganzes bündel von sozialen und ökologischen problemen, die zusammen als migrationsfördernd wirken. und wie beim thema flucht / migration generell gehören auch hier frauen (und kinder) zu den intensiv betroffenen:
(...) "Die Carteret-InsulanerInnen sind die ersten, die als ganze Population wegen der bereits eingetretenen drastischen Klimaveränderungen ihre Umsiedlung planen müssen, sie werden aber nicht die letzten Klimaflüchtlinge sein. Dabei tragen die Carteret-Inseln so gut wie gar nichts zur globalen Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung bei, es gibt dort z.B. weder Autos noch Strom. Die Inseln liegen in einem komplexen tektonischen Gebiet, an der Nahtstelle der Australischen, der Pazifischen und der Bismarck-Platte. Sie sind häufigen Erdbeben, Stürmen und Überflutungen ausgesetzt. Durch die Klimaveränderungen wird dieses Risiko deutlich erhöht. ExpertInnen vermuten, dass die Carteret-Inseln schon im Jahr 2015 untergegangen sein könnten, jedenfalls werden sie für Menschen dann nicht länger bewohnbar sein.
Das Atoll besteht aus sechs bewohnten Inseln, die nur eineinhalb Meter über dem Meeresspiegel liegen. Seit 20 Jahren ist der Wasserstand in diesem Gebiet um gut zehn bis 20 Zentimeter angestiegen. Immer mehr Salzwasser dringt in das Innere der kleinen Inseln ein. Die provisorisch errichteten Wälle sind längst vom Meer überspült. Auch das Anpflanzen von zusätzlichen Mangroven hatte nicht den gewünschten Effekt. Sturm und Wellen haben die seit 20 Jahren andauernden Versuche, das Land zu retten, immer wieder zunichte gemacht.
Das Grundwasser ist heute versalzen, sodass die Pflanzen, die die Nahrungsgrundlage bilden, nicht mehr wachsen: Bananen, Maniok- und Taro-Knollen gehen ein und auch das Trinkwasser wird knapp. Der größte Teil des Gartenbaus ist zum Erliegen gekommen. Die Bevölkerung ist auf Reislieferungen von außen angewiesen. Hunger und Not breiten sich aus. Damit müssen die etwa 3.000 EinwohnerInnen ihre Heimat verlassen. Bereits Ende 2005 hat die Regierung von Papua-Neuguinea die Evakuierung der Inseln beschlossen. Immer zehn Familien gleichzeitig sollen umsiedeln. Die Regierung hat 450.000 Euro bereitgestellt, um die InsulanerInnen in der benachbarten autonomen Provinz Bougainville neu anzusiedeln. Doch das Geld reicht nicht, um allen 600 Familien eine neue Heimat zu geben." (...)
hier werden bereits im kleinen einige der fatalsten folgen sichtbar, die der klimawandel in vielen planetaren regionen mit sich bringen wird:
auf die trinkwassersituation
landwirtschaft und nahrungsmittelproduktion
bedrohung von lebens- und wohnmöglichkeiten
alles zusammen ein ernsthaftes versprechen auf umfassende soziale instabilitäten - ein stichwort, auf das weltweit die repressionsorgane, allen vorandas militär, zu reagieren beginnen:
(...) "Amerikanisches Militär und Geheimdienste führen derzeit Studien zu strategischen Folgen der Erderwärmung durch, berichtete die New York Times am Sonntag. Diese Studien sollen auch der Einleitung künftiger militärischer Maßnahmen dienen.
"Der globale Klimawandel wird in den kommenden Jahrzehnten zur großen Herausforderung für die Vereinigten Staaten und könnte militärische Interventionen in Folge heftiger Stürme, Dürren, Massenmigration und Pandemien notwendig machen, sagen Militär- und Geheimdienstexperten," erklärt die Times. Solche klimatisch bedingten Krisen könnten Regierungen zu Fall bringen, terroristische Bewegungen anstacheln und ganze Regionen destabilisieren, sagen Analysten, Pentagonexperten und Geheimdienste, die sich jetzt zum ersten Mal ernsthaft mit den sicherheitsrelevanten Implikationen des Klimawandels beschäftigen." (...)
Wie berichtet wird, identifizieren militärische Planspiele und Geheimdienststudien verschiedene kritische Regionen - dazu gehören die Subsahara-Region in Afrika, der Nahe Osten, sowie der Süden und Südosten Asiens. Diese Regionen werden in den zwei bis drei kommenden Jahrzehnten von Nahrungsengpässen, Wassermangel und schweren Überflutungen betroffen sein, was "humanitäre Hilfe oder eine militärische Antwort Amerikas erfordern könnte."
Die Nationale Universität für Verteidigung, eine vom Verteidigungsministerium gegründete Einrichtung, führte im Dezember eine Simulation zu möglichen strategischen Folgen einer gewaltigen Überflutung Bangladeschs durch, die Hunderttausende Flüchtlinge nach Indien treiben, religiöse Konflikte auslösen, ansteckende Krankheiten verbreiten und Infrastruktureinrichtungen weitgehend beschädigen würde." (...)
ähnliches hatte ich vor ein paar wochen auch als gedankenspiele bzw. simulationen aus einem europäischen "sicherheitspolitischen" think tankzu berichten(etwa in der mitte des beitrags zu finden).
in alldem wird einmal mehr der bodenlose zynismus ebenso wie die antisoziale rücksichtslosigkeit seitens der "eliten" sichtbar, ihr destruktives system koste es was es wolle bis zum ende aufrechtzuerhalten, notfalls wie gewohnt und allzu bekannt eben auch mit massiver gewalt gerade gegen diejenigen, die im wahrsten sinne des wortes beim klimawandel die verheerenden ökologischen folgen des totalitären kapitalismus auszubaden haben.
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im vergleich zu solchen apokalyptischen szenarien muten die in unseren breiten bereits vorhandenen konsequenzen der erwärmung noch recht harmlos an; so müssen sich menschen mit allergischen neigungen bei naturspaziergängen besonders in wiesen inzwischen mit der realen möglichkeit folgenreicher bisse durch diedornfingerspinnebefassen, einer art, die ursprünglich jenseits der alpen beheimatet, inzwischen bis in brandenburgische gefilde nach norden vorgestossen ist. sie fällt unter den begriff derinvasiven arten, welche zwar nicht alle und nicht alleine durch den klimawandel plötzlich in den hiesigen ökosystemen auftauchen, aber durch diesen i.d.r. günstige lebensbedingungen finden, die früher so nicht gegeben waren.
bedenklicher als die begegnung mit der im vergleich noch harmlosen spinne (die sich, das sei hier klargestellt, nur bei unmittelbarer bedrängnis mit bissen wehrt und ansonsten recht scheu ist und zurückgezogen auf ihr netz beschränkt lebt) sind da schon andere gäste aus der vielfältigen welt der insekten, die ganz spezielle und teils sehr gefährliche untermieter mit sich herumschleppen -exotische krankheitserregernämlich:
(...) "In Nordamerika und Europa leiden Menschen plötzlich an Krankheiten, deren Namen sie kaum aussprechen können: Chikungunya, Krim-Kongo-Fieber, Rift-Valley-, Gelb-, Dengue- oder Lassa-Fieber.
"Wir werden in Europa andere Krankheiten bekommen", sagt Thomas Mettenleiter, Präsident des staatlichen Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) für Tiergesundheit. (...)
Die globale Erwärmung erleichtert es den exotischen Erregern, selbst die kühlen Zonen Europas zu erobern. Zwar haben Touristen oder der Frachtverkehr schon immer Viren aus ihren Ursprungsländern auf alle Erdteile verteilt. Doch bislang war es den Mücken, die die Krankheiten theoretisch übertragen konnten, in der neuen Heimat schlicht zu kalt oder zu trocken.
"Seit der Eiszeit vor 10.000 Jahren ist die Temperatur in Europa um durchschnittlich sechs Grad gestiegen, und in diesem Jahrhundert müssen wir mit einem Anstieg von weiteren drei Grad rechnen", sagte Horst Aspöck, Experte für medizinische Insektenkunde aus Wien. "Durch die steigenden Temperaturen werden Bedingungen geschaffen, unter denen sich eingeschleppte Organismen länger halten werden."
Das Westnil-Virus könnte als einer der ersten Erreger davon profitieren. "Inzwischen gibt es Fälle in Österreich, Ungarn und Bulgarien, damit steht das Virus vor unserer Haustür", sagt FLI-Chef Mettenleiter.
Und der Virologe Matthias Niedrig vom Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) prophezeite in Greifswald, es sei nur eine Frage der Zeit, dass die afrikanische Gelbfiebermücke mit Frachtschiffen nach Spanien gelange und dort "ein hervorragender Überträger von Dengue- oder Gelbfieber" werde. Die asiatische Tigermücke wiederum könnte das Tropenvirus Chikungunya vermehrt nach Europa einführen, wie vor zwei Jahren bereits geschehen. Damals brachte ein Indien-Reisender den Erreger nach Norditalien und löste dort eine lokale Epidemie aus." (...)
der artikel macht im weiteren sehr schön das zusammenspiel von (ökonomischer) globalisierung und steigender erwärmung deutlich und unterstreicht damit das, was ich im verlauf des beitrags schon öfter als rückkoppelungseffekte bezeichnet habe.
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nach der zwangsläufig knappen skizzierung der diversen problemfelder im gefolge des klimawandels fällt es mir zugegebenermassen schwer, mich noch einigermassen ruhig mit den motivationen derjenigen zu befassen, die sich als "skeptiker" betrachten. tomasz konicz hat bei telepolis vor ein paar tagen unter dem titeldie große klimaverschwörungdankenswerterweise noch einmal verschiedene interessengeflechte, u.a. auch die im ersten teil erwähnte rolle der öllobby mit "exxon" an der spitze, nachgezeichnet und dabei auch eine ganz zentrale frage an die "skeptiker" gestellt:
"Bei dieser wirklichen, noch größtenteils unaufgeklärten Klimaverschwörung gigantischen Ausmaßes hätten auch die Verschwörungstheoretiker ein ideales Betätigungsfeld, die derzeit eine weltumspannende Verschwörung von Klimawissenschaftlern halluzinieren, die angeblich eine Klimahysterie – zu welchen Zweck eigentlich? - hervorrufen wollen."
ja, zu welchem zweck eigentlich ? lassen sich bezgl. protagonisten wie bspw. der atomindustrie noch einigermassen nachvollziehbare theorien entwickeln (wobei, auch das sei hier klargestellt, atomenergie keine lösung für nichts darstellt - vom uranabbau über den laufenden betrieb bis hin zur endlagerungsproblematik ist diese art der energieproduktion faktisch eine einzige kette an kriminellen skandalen und hat dazu like peak oil schon seit den 1980er jahren denpeak uranvor der brust), so ist die frage nach den motivationen der heute agierenden politischen klasse direkt geeignet, ein flut von teils paranoid anmutenden verschwörungstheorien hervorzurufen - der klimawandel fungiert in dieser weltsicht alleine als trojanisches pferd der globalen "eliten", um ungestört projekte der versklavung ganzer bevölkerungen durchführen zu können (mittels repressionsapparaten wie weiter oben skizziert und auch mittels neuer fiskalischer steuern). blogs wie allesschallundrauch und seiten wie infokrieg sind bei der verbreitung dieser weltsicht notorisch und entwerten sich und ihre bei anderen themen teils durchaus interessanten informationen damit selbst.
nun ist - wie ich im basisbeitragparanoiaschon skizziert hatte - es durchaus so, dass in den allermeisten verschwörungstheorien, wenn sie denn funktionieren, zumindest ein teilchen realität steckt (die realen und nachweisbaren historischen verschwörungen like "gladio" sind hier nicht gemeint), und ebenso ist es beim klimawandel - "unseren" vorgeschobenen und realen regierungen ist es aber schlicht egal, was für gründe sie heranziehen können, um weitere repressionen und diverse zwangsmassnahmen gegen ganze bevölkerungen zu "begründen". um "gründe" dafür waren die noch nie verlegen, der systemerhalt hat erste priorität - und wird das ganze konstrukt noch so sehr von der realität in form der krisenkaskade aus ökologischer, wirtschafts- und ressourcenkrise mit folgender umfassenden sozialen krise in die mangel genommen, weiterhin heisst es "wachstum" und "wirtschaft zuerst", dabei begleitet von einem nicht unwesentlichen teil der westlichen bevölkerungen, die sich nichts anderes mehr vorstellen kann oder auch will als den derzeitigen (westlichen) lebensstil.
kurzsichtig bis zur umfassenden blindheit stellen sich dabei die motivationen der beteiligten dar - unfähig zu einem qualitativ anderen als dem gewohnten instrumentell-objektivistischen umgang mit menschlicher und nichtmenschlicher mitwelt wird auch mit den gravierendsten ökologischen problemen begonnen, nach profitkriterien herumzuschachern ("klimazertifikate") und wird daraus resultierenden sozialen konflikten mit der ankündigung von repressionen und dem ruf nach der aufrüstung der entsprechenden apparate begegnet. diese richtige beobachtung wird nun von einem teil der "skeptiker", und da sind nicht unwesentlich strömungen wie die us-amerikanischen republikaner sowie das gesamte internationale, sich hierzulande in publikationen wie"eigentümlich frei"artikulierende spektrum sich fälschlicherweise als "libertär" bezeichnende anhänger des offen antisozialen und totalitären kapitalismus involviert, deren tatsächliche motivationen ich in der vergangenheit bereits einmal anlässlich des themas "exxon und der klimawandel" skizziert habe - und weil das aus meiner sicht bis heute eine der deutlichsten kennzeichnungen der "skeptiker" bleibt, zitiere ich aus dem damaligenbeitragausführlich:
(...) "zum anderen wird einer der vom kapital gekauften wissenschaftler mit worten zitiert, die an klarheit und deutlichkeit nicht mehr zu wünschen übrig lassen - und sie machen meiner meinung nach das, was ich oben abstrakt versucht habe zu beschreiben, in einer plastischen art und weise greifbar - der betreffende schreibt bezgl. all derer, die die notwendigkeit zu drastischen veränderungen des parasitären westlichen lebensstils sehen, folgendes:
(...)"Alles, was in Richtung Emissionsbegrenzung geht, zeigt eine `begrenzte Vernunft´ – und dient den Interessen einer mächtigen `tödlichen Koalition´– von Leuten, `die fossile Energien hassen, Autos, große Häuser, urbane Ausweitung, Autobahnen, reiche Leute, dicke Menschen, Industrie, Flugzeuge, Fleischkonsum, nicht recyclebares Papier und alles andere, was jemanden Freude bereitet (...)"
eines der eindrucksvolleren beispiele der irren - und real tödlichen - logik des mainstreams der westlichen kultur, wie ich finde. hier steht alles buchstäblich auf dem kopf, d.h. weist eine unübersehbare perverse und v.a. dingorientierte tendenz auf: "fossile energien, autos, große häuser, großstädte, autobahnen, reichtum, industrie, flugzeuge" gelten hier nicht als mittel, die menschlichen lebensnotwendigen grundlagen zu sichern und dabei mit realer rationalität (= eine rationalität, die aus der gesamten vollständigen subjektivität stammt und darum auch emotional fundiert ist) die positiven und negativen konsequenzen von technischen errungenschaften und bestimmten lebensstilen abzuwägen und bei überwiegen letzterer die betreffenden "errungenschaften" eben auch nötigenfalls - und zwar letztlich im eigenen interesse - abzuschaffen bzw. verträglich anzupassen. nein, das einzige "argument", welches für klimaschäden durch fossile energien, landschaftsversiegelung durch urbanität, tausende verkehrstote und die gesamten negativen folgen unserer wahnsinnigen motorisierung, immense soziale verwerfungen und instabilitäten durch die ungerechtigkeiten des arm-reich-gefälles, die endlos bekannten risiken aller art durch übermäßige industrialisierung, die ebenfalls nicht mehr zu verantwortenden schäden durch den flugverkehr, das elend von millionen tieren und sonstige katastrophale wirkungen des westlichen lebensstils vorgebracht wird, ist - und das ist kaum zu glauben, auch wenn´s zu erwarten war:
freude.
es ist erstens interessant zu sehen, wie im angesicht der nur noch von kompletten ignoranten und bewußten tätern zu leugnenden desaströsen folgen des kapitalismus gerade ein vertreter der benannten gruppe all das ideologische geschwafel von "rationalität" und "objektivität" eben als genau das kenntlich werden lässt, und sich auf die verpönten gefühle zurückzieht (den aspekt der projektion, mit dem im obigen zitat kritikern "hass" vorgeworfen wird, lasse ich hier mal außen vor):
"wir prassen, verschwenden und vergiften uns und alle anderen zwar, führen ein wahrhaft parasitäres leben nicht nur auf kosten von milliarden heutiger menschen und eigentlich der gesamten ökosphäre, sondern ruinieren gleich auch noch unzählige kommende generationen mit und üben mit all dem bzw. den mitteln zur durchsetzung dieser lebensweise zwar massive gewalt aus - aber das macht uns freude"
zweitens aber ist es ungeheuer wichtig, sich über den psychophysischen ursprung dieser "freude" klarzuwerden: sie ist letztlich ein surrogat, ein objektivistisches konstrukt, welches die reale unfähigkeit zum genießen - zu dem zeit, stille, intensität und v.a. liebesfähigkeit im weitesten sinne gehört - nicht mal mehr ansatzweise verdecken kann. was alleine dadurch bestätigt wird, dass es sich im kern hier um "freude" an prozessen der destruktion und vernichtung handelt. und bezgl. des letzteren sollten wir imo diese "freude" wortwörtlich nehmen: ich vermute, dass es sich bei extrem vielen vertreterInnen der heutigen "eliten" letztlich um leute handelt, die sich selbst, andere menschen und alles lebendige überhaupt zutiefst hassen und verachten. das ist eine logische folgerung aus ihrem mörderischen treiben. zum anderen aber ist tatsächlich der surrogatcharakter wichtig: in einer grundsätzlich autistischen/objektivistischen wahrnehmung gibt es keinerlei authentische sinnlichkeit, die in all ihren vielfältigen erscheinungsweisen für echte freude (und darüber auch für impliziten lebenssinn) sorgen kann. stattdessen wird eine pervertierte freude alleine aus den konstruktionen gezogen, die der objektivistische modus produzieren kann: mehr haben - und zwar in einer quantifizierbaren und konkretistischen art und weise - als andere (hier dürfte die eigentlich quelle für das irrsinnige raffen von geld und beliebigen dingen zu suchen sein) ; sich in einem ebenfalls quantifizierbaren und konkretistischen maßstab größer als andere fühlen (einer der wichtigsten motoren für alle hierarchischen systeme)." (...)
im anbetracht dessen erstaunt es auch nicht mehr, dass zwischen den "klimaskeptikern" und den leugnern von peak oil eine große schnittmenge existiert - es handelt sich hier schlicht um leute, die völlig unfähig erscheinen, sich ein leben jenseits des westlich geprägten destruktiven kapitalismus auch nur vorstellen zu können und offensichtlich auf das derzeitige system nicht nur elementar angewiesen sind, sondern es auch noch im sinne einer quasi wild-west-gesellschaft sozialdarwinistisch auf die spitze treiben wollen. die notorische angeblich staatskritik ist dabei weder libertär und schon gar nicht anarchistisch, sondern sie begreifen den staat eher als unlegitimierten konkurrenten - angeblich im interesse "der schwachen" unterwegs, was für sich schon eine hanebüchene behauptung darstellt - im angeblich naturgegebenen konkurrenzgerangel. und nur aus der sicht lassen sich widersprüche wie der von angeblich die "klimahysterie" schürenden staaten mit der realität von abwiegelei, nichtstun und auch repressionen wie aktuell in kopenhagen - siehe das"lümmelgesetzgegen all jene, die ein tatsächliches handeln einfordern - , plattbügeln.
das sich innerhalb des (kapitalistischen) wissenschaftsbetriebs nun auch in der klimaforschung diverse zweifelhafte motivationen mit politischen oder auch lobbyzentrierten interventionen mischen (wobei sich über die hauptsächliche zielrichtung dieser interventionen sehr wohl streiten lässt) mögen, mag für einen kleinen teil der "skeptiker" (und hier sehe ich auch deinen standpunkt, @sansculotte) einen ernsthaften anlass dafür biten, nun das ganze phänomen in frage zu stellen. ich halte das aber anhand der vielzahl der verfügbaren globalen daten, beobachtungen und auch wissenschaftlichen modelle für eine überreaktion und gebe dabei noch einmal zu bedenken, was ich bereits im ersten teil geschrieben hatte:
"...und das stellt die menschlichen wahrnehmungsfähigkeiten ebenso wie bei anderen, eher abstrakteren bedrohungen (wie bspw. atomare strahlung, chemieinduzierte langzeitvergiftungen, aber auch die absehbaren erschöpfungsgrenzen bei vielen rohstoffen, das globale artensterben etc.) auf eine harte probe. denn wenn in solchen bereichen etwas direkt sinnlich spür- und wahrnehmbar wird, ist das kind bereits schon lange in den brunnen gefallen und die katastrophe schon passiert.
das klingt banal, ist es aber meiner meinung nach durchaus nicht, weil dieser sachverhalt implizit die konsequenz enthält, gerade bei den eben angeprochenen bereichen bereits im vorfeld die worst-case-szenarien durchzuspielen und auch um den preis, bei bestimmten leuten als "panikmacher" zu gelten, lieber einmal zuviel als zu wenig alarm zu machen."
und das wort "panikmacher" betrachte ich seitens von leuten, die ernsthaft die westliche "zivilisation" als gipfelpunkt der menschlichen evolution und geschichte betrachten, als auszeichnung. solche müssen sich tatsächlich ganz berechtigt als feinde des planeten bezeichnen lassen.
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soviel für´s erste von mir zu einem thema, welches unter garantie zukünftig noch viel aufmerksamkeit einfordern wird. und aus der speziellen perspektive des blogs werde ich von fall zu fall ebenfalls weiter drüber schreiben, zumal zumindest die sozialen konsequenzen des klimawandels mittelbar durchaus viel mit den blogthemen zu zun haben.
ps: aus aktuellen gründen noch ein nachtrag - gemäss der oben skizzierten logik der "skeptiker" handelt es sich bei wie folgt beschriebenen geschehnissen nur um einen teil einer"inszenierten verschwörung"...
(...) "In Kopenhagen flogen während der ersten 800 Meter des Demonstrationszuges einzelne Wurfgeschosse in Scheiben der Börse und des Außenministeriums, später ein einzelner Stein in das Fenster einer Bankfiliale. Kurz darauf griff die Polizei den Demonstrationszug überraschend an. Mit Greiftrupps und gepanzerten Mannschaftswagen wurde auf Höhe des "libertär-sozialistischen" Blocks das letzte Viertel des Zuges von den Vorausgehenden abgetrennt. Hunderte wurden in Sekundenschnelle eingekesselt. Journalisten, die die Aktion beobachten wollten, wurden weggestoßen. (...)
Die Eingekesselten mussten derweil bis 18 Uhr in langen Reihen bei Minusgraden auf dem Boden sitzen. Ihre Arme waren auf dem Rücken mit Kabelbindern gefesselt, Augenzeugen berichteten von Ohnmachtsanfällen der bitter frierenden Gefangenen, die nicht auf die Toilette durften. Nur zögerlich ließ die Polizei die anwesenden Journalisten hinzu." (...)
so sind die neuen relationen in europa: eine kaputte scheibe = zwei- bis dreihundert gefangene.
das mein antwortversuch auf diefragen und anmerkungen von sansculottenun mit dem beginn der klimakonferenz in kopenhagen (und einem entsprechenden medienhype) zusammenfällt, war zwar nicht beabsichtigt, aber die mediale dauerpräsenz des themas in den nächsten tagen und wochen mag nochmal als symbolisches fettes ausrufezeichen dafür stehen, dass ein klärung der eigenen standpunkte hinsichtlich des klimawandels durchaus kein etwas exzentrisches hobby darstellt, sondern bezgl. der damit jeweils verbundenen konsequenzen von einer kaum zu übertreibenden dringlichkeit ist. in diesem sinne werde ich versuchen, eine komprimierte darstellung meiner derzeitigen wahrnehmung des ganzen zu geben und dabei auch die konkreten fragen von sansculotte zu beantworten (vielleicht gleich als anmerkung dazu, dass ich dich ausdrücklich nicht in einen topf mit denjenigen werfe, die sich ansonsten so mit ihrer "skepsis" brüsten).
vorausschicken sollte ich natürlich, dass ich zwar wetterinteressierter laie, aber nicht meteorologisch, klimatologisch, geologisch oder physikalisch ausgebildet bin. das zwingt mich - ähnlich wie in anderen bereichen auch - erstmal dazu, mich auf entsprechende professionelle aussagen verlassen zu müssen. wie dabei warum welche positionen zu eigen gemacht und welche abgelehnt werden, ist dabei eine erste, und nicht nur hinsichtlich des klimathemas, interessante frage, die wahrscheinlich nicht nur ich spontan mit stichworten wie "überzeugende theoretische und an der realität verifizierbare positionen", "seriös professioneller umgang mit dem eigenen fach" u.ä. beantworten würden. kein wunder, dass der neulich gehackte datenpool von klimaforschern aufgrund seiner - vermeintlichen - belege für fakes und politische instrumentalisierungen gerade an solchen punkte wie wasser auf die mühlen der sog. "skeptiker" wirkt, können sich diese doch jetzt mit den angeblich unredlichen und gar unwissenschaftlichen machenschaften von personen beschäftigen, anstatt mit den fragen, die hinsichtlich eines menschlichen einflusses auf das klima dringend zu klären wären. angesichts der dimensionen der möglichen bis wahrscheinlichen konsequenzen ist ein - analog anderen wissenschaftsbereichen - mögliches berufliches fehlverhalten seitens einiger beteiligter zwar einzukalkulieren, kann jedoch selbst in diesem fall nichts an der notwendigkeit einer globalen reaktion ändern.
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"klima ist nicht gleich wetter", sagte sansculotte implizit mit seiner anmerkung, dass es zeiträume ab dreissig jahren sind, die als klimarelevant bzw. aussagekräftig zu werten seien. dem ist zuzustimmen in dem sinne, dass weder wetterphänomene wie starke hurricanes in der karibik oder auch tornados in mitteleuropa (gibt es hier seit langer zeitregelmässig, auch und gerade in d-land) noch besonders extreme jahreszeiten wie der heisse sommer 2003 für sich als belege für oder gegen klimatische veränderungen genommen werden dürfen. hier gelten nur langzeitbeobachtungen, und das stellt die menschlichen wahrnehmungsfähigkeiten ebenso wie bei anderen, eher abstrakteren bedrohungen (wie bspw. atomare strahlung, chemieinduzierte langzeitvergiftungen, aber auch die absehbaren erschöpfungsgrenzen bei vielen rohstoffen, das globale artensterben etc.) auf eine harte probe. denn wenn in solchen bereichen etwas direkt sinnlich spür- und wahrnehmbar wird, ist das kind bereits schon lange in den brunnen gefallen und die katastrophe schon passiert.
das klingt banal, ist es aber meiner meinung nach durchaus nicht, weil dieser sachverhalt implizit die konsequenz enthält, gerade bei den eben angeprochenen bereichen bereits im vorfeld die worst-case-szenarien durchzuspielen und auch um den preis, bei bestimmten leuten als "panikmacher" zu gelten, lieber einmal zuviel als zu wenig alarm zu machen. bedauerlicherweise (das wort benutze ich in diesem falle ausdrücklich bewusst) sind gerade diejenigen, deren lebensstil nicht nur hinsichtlich des klimas, sondern der globalen biosphäre insgesamt die grössten schäden zufügt, nämlich die bevölkerungen europas und der usa, auch diejenigen, denen die konsequenzen ihres destruktiven treibens insgesamt mit enomer zeitlicher verzögerung auf die füsse fallen werden. und das ist nun weder ein vorrecht noch irgendeine auszeichnung noch ein wink des schicksals, sondern eher ein zusätzlich verschärfendes gefahrenmoment in einer historischen krisenphase, die aufgrund ihrer besonderheiten von fundamentalen krisenprozessen auf ebenso fundamentalen gebieten durchaus nicht nur floskelhaft als einzigartig bezeichnet werden muss - eine regelrechte krisenkaskade eben.
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der oben angesprochene zeitraum von dreissig jahren bringt mich dazu, meine ganz persönliche wahrnehmung des klimawandels zu erwähnen. da ich faktisch mein ganzes bisheriges leben, mit ein paar unwesentlichen ausnahmen, in der gleichen geografischen region verbracht habe, fand ich es schon vor ein paar jahren auffällig, wie sich anscheinend die (meteorologischen) jahreszeiten verändert haben. an die 1970er und teile der 80er jahre erinnere ich mich wettermässig als eine phase, in der die jahreszeiten i.d.r. tatsächlich als relativ abgegrenzte phasen mit den jeweiligen meteorologischen eigenarten auftraten - milde (und auch regionsbedingt nasse) frühlingszeiten wurden von teils heissen und trocknen sommern (extrem der sommer 1976 mit seinen vielen waldbränden in niedersachsen), wunderschönen herbsttagen mit recht viel nebel und wintern mit teils wochenlangen frostperioden sowie viel schnee (ebenfalls unvergessen die schneemassen im winter der "norddeutschen schneekatastrophe" 1978/79) begleitet. es mag wie oppas erzählungen aus der vergangenheit klingen, aber damals... waren die jahreszeiten tatsächlich noch jahreszeiten.
aktuell hatten wir hier einen sehr milden, teils frühlingshaften und ebenfalls nassen november, und ich kann anfang dezember noch immer ohne handschuhe fahrrad fahren. mir ist schon klar, dass das alles keinesfalls im strengen sinne repräsentativ ist und durch die persönlichen erinnerungen gefärbt - andererseits renne ich schon seit jahren mit der irritation angesichts von jahreszeiten herum, die sich tendenziell mehr und mehr anzugleichen scheinen - milde herbste (fast ohne nebel) und winter (zu grossen teilen schneefrei und nur mit wenig frost) werden von teils sehr warmen frühlingsphasen und durchwachsen-milden sommern abgelöst. als ausreisser gab´s derartiges auch zu vergangenen zeiten, aber als quasi normalität finde ich das etwas durchaus neues.
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nun heisst es oft genug ja immer, dass "klimaveränderungen etwas natürliches" seien, es gab und gibt belegbare warm- und eiszeiten, der name grönland stammt von grünland und überhaupt! natürlich. abgesehen davon, dass das zyklische wesen des globalen klimas meines wissens von niemandem bestritten wird, ist es hier durchaus aufschlussreich, sich den gebrauch des wortes "natürlich" genauer zu betrachten - ein magisches wort inzwischen, mit dessen hilfe allerlei schundprodukte verkauft, zivilisationskranke großstädterInnen zum konsum von "natürlichem" lifestyle und dem belegen von diversen kursangeboten zum wiedererwecken verschütteter "natürlicher" fähigkeiten animiert werden sollen und sich das attribut überhaupt in vielen zusammenhängen mehr oder weniger gut macht. vom "natürlichen teint" über "natürliches aroma" bis zu "natürlichem klimawandel".
leider nur: das wörtchen ist ein absolutes nullargument, bezeichnet einen pseudogegensatz, der in der form nicht existiert - "natürlich" vs. "synthetisch" -, und wird in aller regel zum transport von moralischen wertungen missbraucht - "natürlich"= gut. bei betrachtung von knollenblätterpilzen, vulkanausbrüchen, tsunamis, erdbeben, diversen bakterien und viren; eigentlich sogar bei der oberflächlichen wahrnehmung der tatsache, dass der absolute grossteil des uns bekannten universums für die terranischen lebensformen absolut tödliche eigenschaften aufweist (auf dem jupiter zb., ein absolut "unberührtes naturreservat", würde ein mensch ohne irgendwelche technik aufgrund von druck- und atmosphärenverhältnissen in sekundenbruchteilen gleich eines mehrfachen todes sterben; auf der erde stellen wüsten, hohe bergspitzen sowie die ozeane bereits grenzen für das menschliche leben dar, auch wenn die bio- und ökosphäre unsere existenz erst ermöglicht), sollte sich diese fälschliche gleichung ganz schnell - immerhin klimaneutral - in luft auflösen (das gilt selbst dann, wenn das "gut" berechtigterweise relativiert wird - die benannten phänomene und spezies haben im größeren ganzen durchaus meist ihren sinn und platz, aber das tröstet bei keiner pilzvergiftung und auch nicht, wenn ein tsunami hinter einem her ist oder man von einem skorpion gestochen wird).
alles ist natürlich, und das gilt selbst für autos, akws und das produkt, an dem Sie gerade sitzen - alles materialisierte ideen des menschlichen gehirns, hergestellt unter den natürlichen funktionsgesetzen dieser welt aus natürlichen stoffen - dabei ist egal, auf welchen umwegen das passiert. etwas unnatürliches (wie gesagt eine moralische, meist ablehnende wertung, vielleicht am deutlichsten zu sehen bei der koppelung mit homosexualität) kann schlicht nicht existieren. punkt. und zwar deshalb, weil es in dieser welt völlig dysfunktional wäre. und das weist auch den weg zu den angemessenen fragen, die meiner meinung nach statt der benutzung des eben thematisierten attributes gestellt werden müssen: ist ein verhalten, eine situation, ein produkt im sinne unserer existenzbedingungen in dieser biosphäre und unserer ökologischen beziehungen funktional oder dysfunktional? das sind zumindest die hauptfragen, die sich für eine industriegesellschaft stellen; unsere ökologischen beziehungen halte ich durchaus für mehrdimensional.
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wo ich gerade oben vulkanausbrüche genannt habe: das"jahr ohne sommer 1816"ist ein schönes beispiel dafür, wie drastisch, kurzfristig und trotz zeitlicher begrenzung klimaveränderungen global auf menschliche gesellschaften wirken können (in dem fall per zeitweiliger abkühlung). ein "natürliches" phänomen, sicher - aber wenn das ein vulkanausbruch schafft, wie sieht das dann mit dem menschlichen einfluss per emissionen im industriezeitalter seit jahrzehnten aus? aus millionen von auspüffen, hundertausenden schornsteinen und auch millionenmal aus dem magen-darmtrakt von rindern und kühen, die sich die spezies zwecks fleischkonsum herangezüchtet hat?
wie beim letzteren eben schon angedeutet, bin ich der meinung, dass eine zu starke fixierung auf co2 zwar verständlich, aber kontraproduktiv ist - es gibt auch anderetreibhausgasemit fataleren eigenschaften, wie u.a. extrem langer existenz in der atmosphäre. die quelle des links eben möchte ich übrigens ausdrücklichempfehlen, und zwar als einstiegssammlung in das thema. was klima überhaupt ist, wodurch es beeinflusst wird und wie und wodurch es sich verändert - auf alle solche fragen lassen sich hier antworten "nach dem letzten stand" finden.
auch aufgrund dieser quelle will ich nun konkret auf sansculottes fragen eingehen.
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(...) "Ich arbeite bei einem einschlägigen staatlichen beratungsunternehmen. es gibt bei uns klimadivisions, die aus einschlägigen wissenschaftern bestehen, die sich der gängigen einschlägigen methoden, nämlich modellierungen, bedienen. ich führe die daten zusammen und ich weiß, wie die modelle zustandekommen. am anfang der modelle steht die wissenschaftlich fragwürdige, fast religiöse überzeugung, dass ein sogenanntes treibhausgas, und hier ausschließlich der menschenfabrizierte anteil an diesem co2, der bestimmende faktor für die klimaveränderung sei. nach dieser überzeugung wird alles ausgerichtet. ausschließlich nach den gesichtspunkten dieser überzeugung werden daten erhoben, geglättet, kalibriert, angepasst und andere daten und variablen ignoriert, verworfen und rausgerechnet. übrig bleiben datensätze, die aufgrund der selektiven wahrnehmung und der selektiven vorgehensweise der wissenschaftler eine dermaßen verzerrte beschreibung liefern, dass man sich fragt, ob es sich um eine karikatur von etwas handelt, was früher einmal wissenschaft war." (...)
nun, über "die wissenschaftlich fragwürdige, fast religiöse überzeugung" hinsichtlich co2 lässt sich streiten. wie oben schon gesagt, halte ich nach meinen kenntnissen co2 keinesfalls für die alleinige quelle des problems, auch wenn nach allen bekannten daten co2 momentan für den hauptteil des klimawandels mitverantwortlich ist - einfach aufgrund seiner menge.
aber auch letzteres würde natürlich nicht das vorgehen rechtfertigen, wie es von dir beschrieben wird. klingt nach extremer reduktion, um sich handhabbare modelle zu verschaffen. aus welchen motiven heraus, finde ich bei der schilderung durchaus schwierig zu beantworten.
(...) "die wissenschafter, die bei uns arbeiten, vernachlässigen effekte wie die schwankende sonnenaktivität, den einfluss kosmischer strahlung, den einfluss ozeanoklimatischer Faktoren oder meteorologische phänomene wie el nino usw. usf. (...)
das wird meines wissens ansonsten durchaus versucht, bei vielen modellen mit einzubeziehen. das das globale klima ein sehr komplexes, gleichzeitig dynamisches und im gewissen sinne "träges" system mit diversen wechselwirkungen ist, hat sich durchaus herumgesprochen. und ich nehme durchaus wahr, dass viele klimaforscher das auch so betonen und damit ihren modellen eine gewisse relativität verpassen. umso bemerkenswerter finde ich den derzeitigen common sense, trotz dieser unsicherheiten den schritt zu wagen und viele unpopuläre, auch politisch brisante, konsequenzen mit dringlichkeit öffentlich einzufordern. genau das würde ich mir von der psychotraumatologie eigentlich ebenfalls erwarten...
(...) "so arbeiten die co2-fachidioten. das sind keine modelle, das sind halluzinationen, mit denen diese "experten" dann die leute bedienen, die sie bezahlen. die politiker." (...)
du wirst schon deine gründe haben, von "fachidioten" zu reden. was ich mich allerdings frage: welche politiker sollten die dafür bezahlen? ich nehme weit und breit gerade in den westlichen ländern nur politiker wahr, die sich durch die bank scheuen, die ihnen wissenschaftlich vermittelten empfehlungen auch nur ansatzweise umzusetzen. was kein wunder ist, wäre doch der klartext über die situation und v.a. über die nötigen konsequenzen doch gleichbedeutend mit dem sofortigen karriereende, jedenfalls bei diesen medien und dieser öffentlichkeit (ob sich die medien mehrheitlich anlässlich der aktuellen konferenz wirklich vom saulus zum paulus gewandelt haben, bleibt abzuwarten).
und ist dir bekannt, dass es für deine these eher hinweiseaus der gegenrichtunggibt? speziell in den usa, aber mit internationaler wirkung, hat sich die öllobby mit "exxon" an der spitze in der vergangenheitdeutlich kenntlichgemacht:
(...) "Exxon Mobil profitiert von fossilen Brennstoffen und hätte viel zu verlieren, sollten Kritiker des ungehemmten Energieverbrauchs Gehör finden. An sich unterscheidet sich Exxon Mobil darin nicht von den meisten anderen großen Energiekonzernen - doch gilt der Konzern als Hardliner, was seinen Standpunkt gegenüber der Umwelt betrifft.
Während BP oder Shell sich weitaus mehr für grüne Projekte engagieren - soweit man das von traditionellen Energiekonzernen erwarten kann -, verfolgte Exxon Mobil vor allem unter Lee Raymond, der bis letztes Jahr den Konzern führte, eine klare Strategie: Einerseits bekennt man sich zunehmend, wenn auch zögernd dazu, dass "Karbonemissionen einer der Faktoren sind, die zum Klimawandel beitragen". (...)
Die Grundzüge dieser Strategie finden sich schon im Memorandum zu einem Treffen im American Petroleum Institute 1998. Vorgeschlagen wurde eine "Kampagne, um einen Stamm von Wissenschaftlern zu rekrutieren, die die Ansichten der Industrie zum Klimawandel teilen und sie in Public Relations auszubilden.
So können sie Journalisten, Politiker und die Öffentlichkeit überzeugen, dass die Risiken der globalen Erwärmung viel zu unbekannt sind, um ernst genommen zu werden." So sollten sie die "vorherrschende wissenschaftliche Meinung in Frage stellen und unterhöhlen".
Also unterstützte Exxon Mobil Gruppen, die in der einen oder anderen Form Zweifel säten, dass tatsächlich etwas unternommen werden müsse in Sachen Klimawandel - mit rund 2,9 Millionen Dollar allein im vergangenen Jahr.
Zu diesen Organisationen gehören beispielsweise das wirtschaftsliberale Cato Institute und die Heritage Foundation, die gegen jede Art von Regierungsintervention sind." (...)
das ist jetzt ein paar jahre her, seit dem das bekannt geworden ist - aber es ist immer noch nirgendwo in der kapitalistischen, auf fossilen brennstoffen beruhenden wirtschaft ein tatsächliches umdenken, geschweige denn ein anderes handeln, zu bemerken - elektroautos haben ein mieses image (und verursachen dazu neue probleme), und solar- und windindustrie kann auch niemand ernsthaft als wirklich einflussreiche lobby - mal abgesehen von der partei "die grünen" - verkaufen. die phrase vom "grünen kapitalismus" hat momentan zwar krisenbedingt etwas konjunktur, tatsächlich aber stellen der klimawandel, seine konsequenzen und auch die anderen bedenklichen folgen unserer art der ökonomie ganz andere forderungen, die von einer userin namens "tantepolly1" um 11.12 wie folgtumschriebenworden sind:
(...) "Ich meine ganz gewiss nicht nur die anderen, frage Sie aber, was es bringen soll, wenn ich auf meine "klugen Sprüche" am PC verzichte und andere nicht im Traum daran denken und zusätzlich - und da unterscheide ich mich schon von vielen von ihnen - mit 260 Stundenkilometern über die Autobahn heizen, mehrmals im Jahr Fernreisen unternehmen und mir erzählen, dass unbedingt auch ein Skiurlaub in den (Anm:: geschundenen) Bergen drin sein muss, weil man das einfach "braucht", genauso, wie man als "ein Stück Lebenskraft" täglich seine Fleisch- und Wurstration in sich reinbringen muss, eine spritfressende Karosse braucht, einen Wäschetrockner, einen Pelzmantel, teure Kosmetika, eine verschwenderische Illumination zur Weihnnachtszeit, Spritzmittel für die Rosen und Kunstdünger für den englischen Rasen und und und." (...)
da ist sehr schön etliches vom all dem erwähnt, was gerade in den westlichen gesellschaften final zur disposition steht - und nochmal meine frage, welche politiker denn bitteschön an diesem lifestyle ernsthaft kratzen wollen? (aus der ahnung des eben benannten sachverhaltes speisen sich imo übrigens auch die motivationen eines grösseren teils der "skeptiker", aber dazu unten mehr).
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(...) "welche beobachtbaren negativen konsequenzen der klimaveränderungen weltweit kannst du nennen? und komm mir nicht mit der gletscherschmelze, die hat außer für ein paar schifahrer keine negativen auswirkungen." (...)
sorry, mal abgesehen davon, dass die gletscherschmelze eher ein symptom darstellt, hat die erwärmung konkret in den alpen durchausnegative folgen, zumindest für diejenigen, die sich mit steinschlägen und hangrutschungen konfrontiert sehen. dazu ist die gletscherschmelze im himalaya etwas, was das potenzial für echtekatastrophenmit sich bringt. die grönländische gletscherwelt ist erst in teilen verstanden, darum spare ich mir die möglichen probleme - bis hin zu tsunamis -, die hier ein rasches abschmelzen des inlandeises vermittelt an die sich auf grossen unterirdischen seen befindlichen gletscher mit sich bringen kann.
ansonsten bin ich mir durchaus unschlüssig darüber, ob eine in nähe geratene kommerzielle nutzung von gebieten wie bspw. der arktis - symbolisiert durch dieeisfreie nord-ost-passage - wirklich als "positiv" bezeichnet werden soll.
von derveränderung der tier- und pflanzenwelthier vor der haustür im wattenmeer hatte ich schon früher einmal geschrieben; das ist ein laufendes experiment in einem sehr fragilen ökosystem mit unbekannten folgen. es werdenänderungen des brutverhaltens bei vögelnebenso beobachtet wieverändertes wachstum bei fischen. nebenbei gibt es noch einen effekt des co2 - auch des menschengemachten -, der nix mit dem klima, aber viel mit den ozeanen zu tun hat:co2 übersäuert die meere, und das ist weithin unbekannt und hat ebenfalls bereits sichtbare folgen, wie im link zu lesen.
bei all diesen veränderungen - das sind nur beispiele - ist nicht das problem, dass es überhaupt veränderungen gibt. die sind bekanntlich allen ökosystemen eigen, und sie sind auch nötig und jeweils sinnvoll. das problem ist eher in der geschwindigkeit zu sehen, mit der sich all das abspielt - denn auf eine derartige, im evolutionären verhältnis gesehene rasanz des wandels der lebensbedingungen können sich viele spezies nicht oder nur mit allergrössten schwierigkeiten einstellen. und das wird in vielen ökosystemen global zu unüberschaubaren rückkoppelungseffekten führen, die meiner meinung nach für die menschen am ende nichts gutes bedeuten werden.
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so, weil das ganze jetzt schon sehr lang geworden ist, teile ich den beitrag und mache hier einen bruch. im zweiten teil soll´s dann um die auswirkungen direkt auf die menschen gehen, und ausführlich um die motivationen der beteiligten in der öffentlichen diskussion, wie sie sich aus meiner sicht darstellen. ich versuche das zum wochenende zu veröffentlichen. - inzwischen geschehen:zur fortsetzung.