Montag, 31. Oktober 2005

notiz: aktuelles aus der hirnforschung...

...ist ab sofort in der linkliste abzurufen - der infodienst hirnforschung.de sammelt pressemitteilungen, -artikel und entsprechende veranstaltungshinweise.

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ebenfalls neu ist der link auf die seite eines imo sehr interessanten projektes namens "die emanzipation des kindes", auf dem ein auf den bisherigen erkenntnissen der pränatalen forschung/psychologie basierendes präventionskonzept vorgestellt wird. mehr dazu, wenn ich mal dazu komme, das pränatale geschehen in seiner sich abzeichnenden bedeutung näher zu beleuchten.

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und wo ich nun mal gerade bei der linkaktualisierung bin: für die besonders am thema "borderline" interessierten leserInnen könnte die (selbstbeschreibung) erste borderline-selbsthilfe-zeitung GRENZPOSTen von interesse sein. ebenfalls ein gerade erschienenes buch zum thema borderline (und auch und erst recht dem zusammenhang dieser diagnose mit traumatischer gewalt) namens inmitten vom nirgendwo. ich hatte vor etlicher zeit die möglichkeit, längere teile des rohmanuskriptes zu lesen - und war beeindruckt und entsetzt gleichzeitig. die geschichte von tina ist schwer erträglich und voll mit betont nüchternen darstellungen von teils unglaublicher zwischenmenschlicher und besonders männlicher brutalität, und stellt etliche fragen an die herrschenden verhältnisse, besonders an die psychiatrische fachwelt - fragen, die hier ebenfalls immer wieder thema sind.

edit: das kommt dann davon - technischer fehler momentan, die linkliste wird später wieder öffentlich sein (hoffentlich...)

edit am 2.11.: jetzt hat´s mit den links wieder geklappt - einige neue sind drin, einige alte vorläufig draußen - und ich bitte bei fehlerhaften links um eine kurze mitteilung.

Donnerstag, 27. Oktober 2005

notiz: so langsam lässt sich eine chronologie des horrors...

...aus geschichten wie dieser erstellen - sie ähneln sich so frappierend - auszug:

"Die Staatsanwaltschaft wirft den Eltern vor, den am 4. Januar 1995 geborenen Dennis ab 1998 stark vernachlässigt zu haben. Sie sollen das Kind nicht mehr ordentlich ernährt und bei Krankheiten nicht mehr zum Arzt gebracht haben. Im Laufe der Zeit hätten die Eltern Hassgefühle gegen Dennis entwickelt und ihn nur noch als Störfaktor betrachtet, heißt es in der Anklageschrift. Die Mutter soll ihrem Sohn demnach kaum noch zu Essen gegeben und sich nicht mehr um ihn gekümmert haben.

Durch langwährenden Hunger hatte das Kind starkes Untergewicht, wuchs nur noch wenig und konnte sich kaum bewegen. Ein Jahr vor dem Tod soll die Mutter das Kind tagelang ans Bett gefesselt haben, um ihre Ruhe zu haben und es vor Besuchern zu verstecken. In seinem letzten Lebensmonat habe das Kind nur noch sporadisch zu essen und zu trinken bekommen, fanden die Ermittler heraus. Im Frühsommer 2001 soll Dennis an extremer Auszehrung gestorben sein."


so geschehen in der besten aller welten (TM). opfer, so wie im letzten beitrag thematisiert, werden ganz offensichtlich nicht nur im gesamtgesellschaftlichen maßstab, sondern auch ganz individuell dargebracht.

Dienstag, 25. Oktober 2005

assoziation: wo kinder nicht zu menschen, sondern zu "patrioten" werden sollen

in einer dieser typischen kostenlosen sonntagszeitungen, von denen sich in bremen eine "weser-report" nennt und sowohl als cdu-nah gilt als auch diese annahme immer wieder durch entsprechende redaktionelle beiträge bestätigt, fand sich am wochenende diese schlagzeile auf seite 1 als aufmacher: "Aus Kindern Patrioten machen". mal ganz davon abgesehen, dass derlei so ziemlich im gesamten nationalistischen bis offen nationalsozialistischen spektrum auf beifall stoßen wird - in meiner vorstellung zumindest wäre es aus allen denkbaren emotional-rationalen gründen zu allererst angebracht, kindern jede mögliche unterstützung hin zur entwicklung als liebes- und beziehungsfähige, selbstbewußte und wahrnehmungsfähige menschen zu geben, wovon ein teil eben auch in der sicherheit der materiellen existenzgrundlagen liegt. nun stellt sich nicht nur die cdu, aber sie auch ideologisch und praktisch am deutlichsten in eine jahrhundertealte unsägliche tradition der weitergabe von defekten und wahnsinn der jeweiligen aktuell bestimmenden teile der verkorksten "erwachsenen"-generationen an die eigenen kinder. und aus gründen, über die eher die psychohistorie und psychotraumatologie aufschluß geben können als politikwissenschaft und soziologie, (emp-)finden die anhängerInnen dieser tradition das auch meistens noch als völlig richtig und in ordnung so (die streitbarsten und am schwersten verdaulichen thesen des in anderen beiträgen weiter unten vorgestellten lloyd deMause laufen daraus hinaus, dass es bisher in den meisten - nicht allen! - menschlichen kulturen regelmäßige opferrituale mit offen oder versteckt vorhandenen religiösen bezügen gibt, in denen die älteren - was schlicht bedeutet, mit mehr gewalt aufgewachsenen - psychoklassen regelmäßig in offenen kriegen oder eben versteckt durch finanzielle austrocknung und nachfolgende todesfälle durch schlichte allgemeine verelendung/mangelversorgung den eigenen nachwuchs opfern, und zwar aus mehreren motiven: einmal, um damit die eigenen demütigungen und schmerzen in einem akt der rache an menschen in einem ebenso weitgehend hilflosen status zu exekutieren, wie die täterInnen ihn einmal selbst erfahren haben [und sich für diese hilflosigkeit selbst verachten; eine verachtung, die später auf ihre opfer übertragen wird]. und zum anderen, und unmittelbar damit zusammenhängend, erspart ihnen diese re-inszenierung die auseinandersetzung mit den eigenen autoritären tyrannen, die sie mittels der opferungen gnädig zu stimmen hoffen, immer noch und immer wieder - "schaut her, wir sind gehorsame kinder und werden nicht von euren wegen abweichen" - die eigene unterwerfung wird gleichzeitig im innen wiederholt , aber auch im außen an anderen praktiziert, mit dem unmittelbaren psychophysischen doppelten gewinn einer art befreiung von eigener scham [danke an somlu für ihre gedanken dazu] und schmach bei halluzinierter anerkennung durch die diktatoren in der eigenen biographie [eine erhoffte anerkennung und akzeptanz für das pure eigene sein, die real nie bis zu selten stattgefunden hat und immer an leistung und unterwerfung geknüpft gewesen ist]. das ist vielleicht einer der wichtigsten faktoren, der dafür disponierte personen so empfänglich für machthierarchien und ihre aufstiegsmöglichkeiten werden lässt - der "normalbürger" hat in dieser hierarchie lediglich das engste umfeld - partnerInnen und kinder - zur verfügung, kann im beruf aber noch einiges an möglichkeiten der tyrannei dazugewinnen - erinnern Sie sich...? oder auch durch abreaktion an entsprechend von den "autoritäten" vorgegebenen feindbildern, seien es nun "asylanten / wirtschaftsflüchtlinge" oder "parasiten" .)

ich persönlich empfinde die thesen von deMause als weitgehend einleuchtend und ergänzend-vervollständigend zu den erkenntnissen von anderen hier vorgestellten autoren wie gruen,mertz und theweleit, auch wenn es, bedingt durch zeitliche abstände hinsichtlich des wissenstands und unterschiedliche schwerpunkte natürlich widersprüche und reibungspunkre gibt - aber im zusammenhang ergeben sich doch schon recht deutliche tendenzen, die leider weder beruhigend noch hoffnungsfroh wirken können. klaus theweleit hat in seinen männerphantasien einmal sinngemäß geschrieben, es habe in deutschland mindestens bis 1945 ein paar generationen von (jungen) männern (für frauen gilt im prinzip das gleiche, nur sind ihre destruktiven strukturen durch u.a. andere rollenzuweisungen eher widersprüchlich-verschleierter) gegeben, die lieber eher sich selbst und halb europa in die luft gesprengt hätten, als auch nur einmal ihren verschiedenen tyrannischen erziehern (nicht nur, aber auch den eltern) widerstand entgegenzusetzen - und damit eine grundvoraussetzung der entwicklung zu einer tatsächlich erwachsenen (im sinne von reifen) persönlichkeit zu er-leben. sie fanden ihr morden und plündern sogar richtiger und weniger bedrohlich (für sie selbst) als eben diese option des widerstands. damit umschreibt er ziemlich genau das, was ich im obigen absatz "doppelten psychophysischen gewinn" genannt habe. und er beschreibt die harte faschistische kerngruppe dieser männer als quasiautistisch, und nicht nur als metapher: sie waren selbstlos im schlechtesten sinne und haben ihre surrogatidentitäten einerseits auf unmittelbar körperlicher ebene durch prügel und drill (in d-land bis mindestens 1945 allgemein gültige und akzeptierte "erziehungsmittel"), andererseits ergänzend im eher "geistigen" bereich besonders durch den nationalismus ("nationen" sind rein fiktionale konstrukte des objektiven bewußtseins, die sekundär allerdings stark emotional besetzt werden können) bekommen - ein sehr merkwürdiges "ich", welches lediglich durch äußere autoritäten zusammengehalten wurde und stark zum fragmentieren incl. dissoziativer phasen sowie paranoia neigte, aber eben im gegensatz zum "offenen" autisten "realitätstüchtig" war, wenn auch eigentlich nur innerhalb zwanghaft hierachischer strukturen, besonders dem militär (die "volksgemeinschaft" mit ihrer strikten hierarchie vom "führer" bis hin zum blockwart spiegelte diese militärische hierachie 1:1 wieder). heute sind diese drill- und prügelmaßnahmen zwar nicht mehr im gesellschaftlichen mainstream vorhanden, werden aber besonders gegenüber frauen und kindern immer noch individuell eingesetzt und prägen auch mittels tradierung weiterhin einen teil unseres sozialen lebens. der nationalismus als "offizielles" angebot der herrschenden "autoritäten" zur bildung von surrogatidentitäten ist hingegen nachwievor im programm, wie die anfangs erwähnte schlagzeile deutlich macht (und die pseudodifferenzierungen zwischen dem nationalismus light - "patriotismus" - und dem offenen nationalismus von ganz rechts sind nicht das papier wert, auf dem sie immer wieder zum besten gegeben werden).

zum erwähnten aspekt der (selbst-)verachtung und unterwerfung findet sich bei arno gruen einiges, während j.e. mertz sich grundsätzliche gedanken zur dahinterliegenden struktur sowie besonders zum aspekt der rache macht. und auch die frage aufwirft, was eigentlich passieren kann (im mittelteil) , wenn bereits pränatal besonders schwangere frauen ihren künftigen kindern nur innerhalb einer oben-unten-hierachie (einer machtstruktur) und mit existenzieller ablehnung und paranoia begegnen können.

was das jetzt alles mit dem anfangs erwähnten artikel zu tun hat?
das wird dieser artikel (und ein redaktioneller kommentar dazu) selbst beantworten (alle folgenden zitate aus dem "weser-report" vom 23.10.05, s. 1/2):

"Die Patriotismus-Debatte ist neu entfacht und wird voraussichtlich noch im Winter die Bremer Bürgerschaft erfassen. So wünscht es sich Claas Rohmeyer, bildungspolitischer Sprecher der CDU, der einen entsprechenden Antrag vorbereitet. Er will Nationalstolz wecken, indem Erst- bis Viertklässler das Lied der Deutschen lernen: `So kann man einerseits Nazis das Wasser abgraben und andererseits die Integration fördern´, begründet er."

erstmal: machen Sie sich klar, dass diese "debatte" keine regionale, sondern eine bundesweite angelegenheit ("du bist deutschland") darstellt und sehr deutlich aus richtung unserer sog. "eliten" initiiert wird. zweitens: machen Sie sich den zeitpunkt klar - gleichzeitig mit identitätskonstruktionen von per "sozialromantik-" und "parasiten"-vorwürfen auszuschließenden. drittens aber: was bedeutet es in diesem kontext, mit dem "wecken von nationalstolz" den "nazis das wasser abzugraben"?
diese vorstellung, das singen sog. "nationalhymnen" oder auch das unbeschwerte daherschwätzen des satzes "ich bin stolz, deutscher zu sein" (ein satz, der noch in den 1980er jahren lediglich auf propagandamaterialien bspw. der "deutschen volksunion" auftauchte und schon damals alleine den inhalt hatte, "stolz" auf eine eingebildete - konstruiertes surrogat - "identität" zu sein, die sich vor allem per abgrenzung und ausschluß konstruiert), würde gegen nationalsozialistische tendenzen quasi "immun" machen, ist eine der beliebtesten wahnvorstellungen sog. demokratischer rechter. und wahnvorstellung deshalb, weil Sie ebensogut einen alkoholiker damit zu kurieren versuchen könnten, indem Sie ihm den ganz harten sprit auszureden versuchen, und stattdessen bier und wein empfehlen - auf diesem niveau bewegt sich dieser unsinn. vielleicht hatte herr rohmeyer aber auch nur wahlstimmen im sinn - so lässt sich das nämlich auch deuten. völlig rätselhaft wird es dann, wenn es "die integration fördern" heißt - auf wen bezieht sich dieser satz? auf kinder von flüchtlingen und migrantInnen, die hier zur schule gehen und teils hals über kopf aus dem land deportiert werden (immerhin könnten sie während ihrer abschiebung dann die hymne singen)? und die dem alltagsrassismus genau derjenigen ausgesetzt sind, die das geschwätz von "nationaler identität" aufgrund ihrer eigenen defekten psychophysischen struktur für bare münze nehmen und sich ihre selbstverachtung und minderwertigkeitsgefühle darüber erträglich machen, dass sie sich mit autoritärer billigung als etwas "besseres" halluzinieren? wer soll hier wohin "integriert" werden?

"Ausgangspunkt der Debatte ist Sachsen. Dort werden die Christdemokraten auf ihrem Landesparteitag im November über einen zehnseitigen Leitantrag mit dem Titel `Deutscher Patriotismus in Europa´abstimmen. Ist die Mehrheit der Delegierten dafür, wird das Lied in den Lehrplan aufgenommen."

sachsen, sachsen...da war doch was bei den letzten wahlen? die "auseinandersetzung" der cdu mit den nazis der npd sieht also offensichtlich so aus, das mittels singen der nationalhymne den "nazis das wasser abgegraben" werden soll. wäre das nicht gleichzeitig so derart dumm, gefährlich, ignorant und auch bezeichnend, wäre das höchstens ein anlaß für lautes gelächter.
aber weiter:

"In dem Papier steht weiter: `Das Singen der Hymne muss eine Selbstverständlichkeit bei öffentlichen Veranstaltungen werden, dient der Identifikation der Bürger mit ihrem Gemeinwesen (das ist, schön klar und deutlich gesagt, auch der sinn dahinter - ein konstrukt wird mit "inhalt" gefüllt; anmerk. mo) und wird von jedem Politiker als Bekenntnis zu unserem demokratischen Staat erwartet."

was soll hier "selbstverständlichkeit bei öffentlichen veranstaltungen" bedeuten? bei großen sportevents z.b. und bei staatlichen veranstaltungen ist das gesinge ja eh schon obligatorisch - mich würde sehr interessieren, wie das von der cdu definiert wird.
der artikel geht dann weiter mit stellungnahmen von spd- und grünenpolitikerInnen, die ihre bekannte "ja schon, aber..."-schiene fahren: so befürwortet die befragte grüne zwar die inhaltliche auseinandersetzung mit der hymne (ich würde gerne wissen, ob sie das singen selbst schon als "inhaltliche auseiandersetzung" betrachtet), aber, zitat, "...nicht unter Zwang."

"Das sieht selbst der als Hardliner bekannte CDU-Innenpolitiker Rolf Herderhorst so. `Grundsätzlich ist es nicht falsch, wenn Deutsche zu ihrem Land stehen. Dazu gehört auch die Nationalhymne. Unter Zwang wäre das aber nicht richtig´, sagt er."

heisst also, dass selbst ein cdu-hardliner den geplanten vorstoß aus der eigenen partei als zwangsmaßnahme ansieht - wie wäre dann die umsetzung an den schulen? wird der text gegen noten abgefragt? wird eine falsche intonation als verfassungsfeindlicher akt gewertet und in der folge die eltern heranzitiert? schauen Sie sich nur mal das beispiel für "patriotismus" in den usa an.

"Claas Rohmeyer, der im vergangenen Jahr schon die ständige schwarz-rot-goldene Beflaggung von Schulen gefordert hatte, bekräftigt zum Vorstoß der Sachsen-CDU: `Der Ansatz ist richtig.´"

das findet dann auch ein kommentator namens gunnar meister, der auf seite 2 schreibt:

"Was wären die Dänen ohne ihre Nationalflagge am hauseigenen Mast? Oder die Franzosen ohne ihren Hochmut, auch im entlegendsten Winkel der Welt ausschließlich Französisch zu sprechen? Unsere Nachbarn haben Profil, das Deutsche auch entwickeln sollten, finden CDU-Politiker. Ihr Vorstoß ist passend, schwappt doch die Patriotismus-Welle schon seit Wochen durch die Republik."

erstens: wenn meine nachbarn irgendwelchen quatsch machen, ist es eher ein beleg der eigenen urteilsfähigkeit und intelligenz, eben nicht jeden unsinn (der auch in dänemark oder frankreich unsinn bleibt) mitzumachen. zweitens: das bewundernd-genervte versteckte bashing des franzmanns´ ("hochmut") sagt einiges über die möglichen wünsche des schreibenden aus - selbst mal wieder drauf spucken zu können, was die anderen von einem halten (und ich halte das, was ich von der sprachlichen selbstisolation frankreichs auch in europa mitbekomme, eher für mitleiderregend - ein versuch der abschottung, der weder sinn macht noch unterstützung verdient, und französische teilnehmerInnen bspw. im wissenschaftsbereich von internationalen diskussionen sehr häufig abschneidet. nicht, das ich die englische sprache unbedingt sympathischer finde würde - aber solange es noch kein breites bedürfnis nach einer sprache wie bspw. esperanto gibt, die niemanden bevorzugen oder benachteiligen würde, macht die pure verbreitung das englische nun mal zur derzeitigen weltsprache.)
drittens aber wird aus einer medial und elitär inszenierten kampagne sowie dem zitierten leitantrag eines cdu-landesverbandes ruck-zuck gleich mal eine welle, die "durch das land schwappt" - haben Sie auch schon nasse füße? und viertens unterschlägt der kommentator in seiner amnesie, dass das "deutsche profil" untrennbar mit einem kleinen örtchen im heutigen polen verbunden ist: oswiecim.

"Beispielhaft dafür ist die Fernseh-Kampagne `Wir sind Deutschland´. Prominente wie Fernseh-Moderator Günther Jauch oder Nationaltorwart Oliver Kahn appellieren an das Selbstwertgefühl der Bürgerinnen und Bürger. Sie wollen in Zeiten der zunehmenden Armut stark und in der großen Arbeitslosigkeit Mut machen."

wenn Sie sich also mit den "hartz-IV"-almosen durch die billigdiscounter schleppen, zuhause wieder mal die "agentur" mit kontrollanrufen aufwartet, und die größte sog. "zeitung" im land Sie implizit mit den freundlichen bezeichnungen aus "mein kampf" ("schmarotzer, parasiten") belegt - dann denken Sie an günther jauch oder oliver kahn oder gunnar meister, und seien Sie einfach stolz! - stolz auf all die millionäre, stolz auf fähige politikerInnen, stolz auf schwarz-rot-gold, stolz auf unsere glorreiche wirtschaft, der wir alle opfer bringen müssen, um in den stürmischen winden der globalisierung bestehen zu können. und wenn dieser manager abstriche bei seiner abfindung machen muss und jener aktionär nicht mehr die ganz große rendite einfahren kann, dann schauen Sie auf Ihre kaputten schuhe (zitat zu hartz IV: "Die monatlichen Ausgaben für Freizeitgeräte und Musikinstrumente in Höhe von 4,71 Euro wurden um 30% gekürzt, weil darin theoretisch auch die Ausgaben für Sportboote und Segelflugzeuge enthalten sein könnten, die einem Sozialhilfeempfänger ebenfalls nicht zustünden. Mit der gleichen Argumentation wurden die Ausgaben für Schuhe von 7,61 Euro auf 6,09 Euro pro Monat zusammengestrichen, bei Kindern von 4,57 Euro auf 3,66 Euro.") und denken: "jeder an seinem platz - wir alle sind deutschland!" am besten wiederholen Sie dieses mantra jeden abend und jeden morgen fünfmal, damit sich Ihre neuronalen strukturen dran gewöhnen können.

"Ob Prominente oder Politiker, eines zeigen sie uns alle:"

ja, was? ist jetzt endlich die rede von den schweren psychopathologischen auffälligkeiten dieser bande? indirekt schon:

"Im zusammenwachsenden Europa muss niemand seine Identität aufgeben."

besonders diejenigen nicht, die sich von beginn ihres lebens sowieso mit surrogatidentitäten beholfen haben und dabei u.a. auf die variante "nationalität" dressiert worden sind. aber weder diese form noch das surrogat namens "globalisierung" anstelle für ein aus einsicht und lebendiger empathie gewachsenes bewußtsein für die globalen lebendigen zusammenhänge auf diesem planeten haben etwas mit authentischer menschlichkeit zu tun, die sich in gelebter individualität und einem damit verbundenen bedürfnis nach und einsicht in die notwendigkeit von kollektivität darstellt und sich keine ersatzidentitäten konstruieren muss - das ist weltenweit von den heutigen gesellschaftlichen verhältnissen entfernt.

"Richtig verstandener Nationalstolz ist etwas Gutes."

mit anderen worten: "falsch" verstandener nationalstolz führt zu derartigen ereignissen (=pogromen) wie in rostock und hoyerswerda, während sich "richtiger" nationalstolz der verheerenden folgen derartiger ereignisse für das "image deutschlands" und den "standort" bewußt ist, und die regelung der fragen, wieviel fremdes unter welchen umständen hier im land sein darf, den dafür zuständigen qualifizierten staatsorganen überlässt, die sich dabei selbstverständlich primär von nützlichkeitserwägungen und den interessen der wirtschaft leiten lassen. das ist tatsächlich für die sog. "elite" hier der einzige grund, warum nazis eher als störfaktoren angesehen werden.
aber ganz unabhängig davon: nationalstolz, egal wie er daherkommt, ist ungefähr genauso etwas "gutes" wie vertrocknete hundescheiße aus dem letzten jahr am schuh.

"Die Grundlagen für dieses Verständnis sollten früh gelegt werden."

das könnte euch so passen, bereits kleinkinder in euer wahnsystem hereinzuziehen. kinder in diesem land haben ganz andere dinge nötig als nationalistische indoktrination:

Kinderarmut hat mit Hartz IV Rekordniveau erreicht

Die Kinderarmut hat in der Bundesrepublik eine historisch neue Größenordnung erreicht. Nach einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV) hat die Einführung von Hartz IV zum Beginn des Jahres 2005 die Zahl der von Armut betroffenen Kinder auf eine Rekordsumme von 1,7 Millionen hochschnellen lassen. "Hartz IV heißt zu wenig für zu viele", so faßt Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des DPWV, die Studie zusammen.
Nach Berechnungen des DPWV leben über 1,5 Millionen Kinder auf dem Niveau der Sozialhilfe. Die Dunkelziffer wird auf weitere 200.000 geschätzt. Das sind solche Kinder, die zwar ein Anrecht auf eine Leistung der Sozialhilfe bzw. Hartz IV hätten, diese jedoch nicht in Anspruch nehmen. Insgesamt leben 14,2 Prozent der Kinder in Deutschlandin Armut - das ist jedes 7. Kind. In Ost- und Westdeutschland unterscheiden sich die Zahlen stark:
12,4 % beträgt die Kinderarmutsquate in Westdeutschland,
23,7 % beträgt sie in Ostdeutschland.
In etlichen Städten wird sogar die 30-Prozent-Marke deutlich überschritten. Auch in Westdeutschland sind für einige Städte horrende Zahlen zu registrieren. Extreme Beispiele aus Ost und West sind: Berlin (29,9 Prozent), Schwerin (34,3), Görlitz (35), Halle (34,6), Offenbach am Main (28,7), im bayerischen Hof (20 Prozent), Pirmasens (25,3), Bremerhaven (38,4), Kiel (29,6), Hamburg (20,4).
"Es ist verheerend für ein Gemeinwesen, wenn ein Drittel der Kinder vom normalen gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind", erklärt Dr. Ulrich Schneider. "Für Kinder, die von Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe leben müssen, ist vieles Tabu, was für andere selbstverständlich ist: Musikunterricht, Turnen im Sportverein, Zoobesuch oder Computerkurs."

(quelle: kinder-armut.de


vor dem hintergrund der thesen von deMause ließe sich sagen, es ist mal wieder opferzeit...

und einen zusammenfassenden kommentar zum ganzen thema hat klaus theweleit bereits 1992, damals vor dem aktuellen hintergrund der pogrome und noch lange vor der ersten deutschen kriegsbeteiligung nach wk2, vor hartz IV, vor dem ständigen terroralarm nach dem 11.09.2001, vor all den heutigen zuständen, gegeben:

"National werden heißt (zumal in Deutschland) immer: die Gesellschaft stärker hierarchisieren (...) Wir erleben lauter gesteigerte Gewaltvorgänge: wie Leute aus der Arbeit rausfliegen, besonders Frauen, wie mit bestimmten Lebenszusammenhängen Tabula Rasa gemacht wird (...)...wie umgesprungen wird mit Behinderten...
Die Gewalt der Feuer- und Knüppelskins ist, neben ihrer eigenen Dynamik, auch der (willkommene) Ausdruck all dieser `zivilen´ Gewalttätigkeiten, weil er von der staatlich/polizistischen, der industriellen wie der steuerlichen Gewaltschraube ablenken kann und vom laufenden Krieg `Jeder gegen Jeden´. Aber der Begriff der `Nation´ selber ist violent-männlich und braucht ein Oben und ein Unten. Wo er auftaucht in Deutschland, werden Zügel angezogen, und zwar kräftig."

(auszug aus einem interview in der taz, in: "das land, das ausland heißt"; dtv, münchen 1995; s. 177/178; isbn 3-423-30449-9)


wie kräftig, lässt sich derzeit jeden tag studieren.
wer aber ein bedürfnis nach oben-unten-verhältnissen hat, und wie dessen entstehung vor sich gehen könnte, und was für eine wichtige rolle dabei eine verdinglichende wahrnehmung spielt - nun, das ist u.a. thema dieses blogs. was bekämpft (und dieses wort scheint mir hier angebracht) werden soll, muss zunächst verstanden werden, auch intuitiv. verständnis in diesem sinne für die täterInnen, selbst für die teils "scheusale", die hier schon thema waren, also schon - akzeptanz aber auf keinen fall. und erst recht nicht für die strukturen, die einen solchen wahnsinn immer wieder neu reproduzieren.

Donnerstag, 20. Oktober 2005

notiz: objektwahrnehmung und insektenkunde oder: wann reicht es?

ich kann wirklich nicht sagen, dass es besonderen spaß macht zu sehen, wenn die eigenen gedanken und befürchtungen durch die realität nicht nur grundsätzlich bestätigt, sondern noch in einer vielzahl von ereignissen getoppt werden. ich hatte zu beginn dieses blogs mal geschrieben, dass ich auch die tägliche nachrichtenlage nutzen würde, um einige thesen und beschreibungen hier deutlicher zu machen. das hat mich selbst zu einer systematischeren betrachtung primär der netzlandschaft gebracht (andere medien sind mir z.zt. nur mit verzögerung oder eingeschränkt zugänglich, wobei ich persönlich das nicht als großes manko betrachte – fernsehen in großen abständen z.b. macht mich ob der dargebotenen inhalte zunehmend sprachlos). aber auch so sammelt sich schon viel mehr an alarmzeichen verschiedenster art an, als ich hier verarbeiten kann. so liegen z.b. noch einige aufschlußreiche prozeßberichte der letzten zeit „auf halde“, in denen psychiatrische gutachten eine hauptrolle spielen, oder besser: dort thematisierte störungsbilder, die auch hier immer wieder thema sind. dazu biographische fragmente bzw. profile etlicher sog. personen des öffentlichen lebens, die ebenfalls einer näheren betrachtung bedürften. aber nicht nur zeit- und geldfragen gerade, sondern auch schlicht ein zumindest zeitweise notwendiger innerer abstand zu den themenbereichen hier sorgen dafür, dass etliches liegenbleibt. so kommen dann gerade nur die „größten klopper“ an die reihe.

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zu denen zweifelsfrei dieser hier gehört:

“Mit einem Eklat scheidet Wolfgang Clement (SPD) aus dem Amt des Bundeswirtschaftsministers. In einem von ihm abgesegneten Report über "Abzocke im Sozialstaat" werden Menschen mit Parasiten verglichen.“

ein in staatlichem auftrag und mit staatlicher billigung erstellter „report“, dessen grundlagen offensichtlich so aussehen:

“Jedenfalls gebe es keine Belege für die unter anderem von der Bild-Zeitung gerne aufgegriffene Unterstellung ("Die üblen Tricks der Hartz-IV-Schmarotzer"), das Land müsse sich mit allen Mitteln gegen massenhafte Abzocke zur Wehr setzen. "Wir haben dazu keinerlei Zahlen", sagte ein BA-Sprecher der Frankfurter Rundschau. Rätselhaft bleibt den Experten der Behörde deshalb auch, wie Clement zu der Annahme kommt, zehn Prozent aller Empfänger von Arbeitslosengeld II würden den Staat betrügen.“

klartext: ruhig mal mit dreck schmeißen, irgendwas wird schon hängenbleiben. in diesem fall bleibt aber etwas ganz besonderes im bewußtsein kleben:

“Während Deutsche mit immerhin geänderten Vor- und Zunamen vorgestellt werden, genügt denVerfassern des Textes bei einem Libanesen die Nennung des Vornamens Ibrahim. Zahlen über das Ausmaß des angeblichen Missbrauchs, eine seriöse, wissenschaftliche Erhebung oder zumindest überprüfbare Quellen bleibt die anekdotische Aneinanderreihung einzelner Fälle von "Abzocke" dagegen schuldig.

So wird in dem von einer Journalistin in Zusammenarbeit mit der Pressestelle entworfenen Text suggeriert, Menschen, die zu Unrecht Sozialleistungen bezögen, seien schlimmer noch als Parasiten: "Biologen verwenden für ,Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen - ihren Wirten - leben' übereinstimmend die Bezeichnung Parasiten." Auch wenn es natürlich "völlig unstatthaft" sei, "Begriffe aus dem Tierreich auf Menschen zu übertragen", wird darauf verwiesen, dass Sozialbetrug "besonders verwerflich sei", weil "nicht durch die Natur bestimmt, sondern vom Willen des Einzelnen gesteuert".


der eigene, zuerst gezogene vergleich mit parasiten wird im nachhinein als „unstatthaft“ erklärt. aber erst dann, wenn diese bereits an der grenzlinie zwischen faschistoid und faschistisch gelegenen bilder und metaphern bereits unter zuhilfenahme wissenschaftlicher rhetorik verbraten worden sind (vom im obigen absatz ebenfalls thematisierten rassismus erst gar nicht zu reden.) immerhin, waren die nazis noch auf das ideologische konstrukt des „anlagebedingten asozialen volksschädlings“ fixiert, so ist es unter den heutigen bedingungen extremer vereinzelung das ebenso ideologische (bildungsbürgerliche) konstrukt des „freien willens“, welches aber zum gleichen schluß führt: alles parasiten.

ich hoffe dabei, dass ich die leserInnen hier nicht extra darauf hinweisen muss, in welchem historischen kontext eine derartige sprache in diesem land steht? es ist die sprache der vernichtung, die als vorbedingung immer erst die ausgrenzung und entmenschlichung aka verdinglichung der zielgruppe(n) hat. insekten sind uns fremd genug, dass wir sie, wenn sie nicht ein ästhetisch ansprechendes aussehen wie z.b. schmetterlinge oder marienkäfer besitzen, umstandlos als objekte behandeln, in vielen fällen als schädliche objekte = schädlinge. schädlinge aber werden bekämpft und ausgerottet.
und der begriff „parasit“ enthält dazu noch die codierung „heimtückisch“ – parasiten sind still und leise, blutsaugend, schmarotzend und wurmartig. so die assoziationen zu diesem begriff, von denen ich denke, dass sie repräsentativ sind.

wer aber begriffe aus der insektenkunde und schädlingsbekämpfung ins soziale menschliche leben einführt, stellt sich selbst in den erwähnten historischen kontext und beweist damit nebenbei auch zum wiederholten male, wie pseudo die sog. „bewältigung“ des nationalsozialismus in diesem land tatsächlich gewesen ist – eine als-ob-auseinandersetzung. nun wäre das als einzelfall (zumindest in der veröffentlichten meinung – das sog. „gesunde volksempfinden“ arbeitet seit eh und je mit derlei rhetorik) zwar schlimm genug und scharf zu kritisieren – wenn sich aber in eben dieser veröffentlichten meinung solche bilder häufen, dann ist es eventuell angebracht, sich genauer gedanken zu machen und vielleicht auch einen ähnlichen blick wie der im letzten beitrag vorgestellte lloyd deMause zu wagen, der solche bilder und metaphern als typisch für kollektiv bedeutsame gesellschaftliche tiefenströmungen ansieht. ich bin bei einer unvollständigen und schnellen durchsicht von pressestimmen sowohl schockiert als auch überrascht darüber, wie wenig erstens die ungeheuerlichkeit der dargestellten metaphernwelt in einer staatlichen veröffentlichung in deutschland thema ist, zweitens aber zieht kaum jemand einen naheliegenden vergleich – was war da noch vor ein paar monaten?

“Der Münchner Historiker Michael Wolffsohn hat die Kapitalismuskritik des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering mit der antijüdischen Hetze der Nazis verglichen. In der Rheinischen Post wirft Wolffsohn dem SPD-Chef vor, Unternehmer mit Tieren gleichzusetzen.

Bei Müntefering schwinge mit, dass diese „als Plage vernichtet, ausgerottet werden müssen“. Weiter erklärt der Professor an der Bundeswehrhochschule in München: „Heute nennt man diese „Plage“„Heuschrecken“, damals „Ratten“ oder „Judenschweine“.


nun, auch wenn ich mit den sonstigen politischen ansichten von wolffsohn ansonsten nicht konform gehe: in diesem punkt gebe ich ihm recht. münteferings heuschreckenmetapher für kapitalisten (und zwar nur bestimmte personen, er meinte niemals den kapitalismus als system) entstammt als bild ebenso dem faschistischen arsenal (jüdischer „raffender“ kapitalist vs. „ehrlich schaffender arischer unternehmer“ wie das jetzt aktuelle des parasiten für scheinbare oder tatsächliche „sozialbetrüger“ (wie sich das dann ohne jegliche differenzierungen und abschwächungen in der veröffentlichten meinung spiegelt, war in der skandalösen „bild“-schlagzeile vor ein paar tagen zu lesen („die üblen tricks der hartz-IV-schmarotzer“). damals jedoch wurde sehr schnell und sofort die herkunft des bildes thematisiert, und zwar von einflußreichen medien und personen. dieser aspekt ist heute, zumindest bisher, nicht vorhanden (und wie die mittlerweile in dieser sache gestellte strafanzeige wg. volksverhetzung verlaufen wird, ist zumindest erahnbar: ohne spuren im sand...).

“In "Bild am Sonntag" – wo auch sonst? – hatte der SPD-Vorsitzende die internationalen Finanzinvestoren gegeißelt: "Sie fallen wie Heuschreckenschwärme über die Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter." Darf man so reden?

"Wenn Müntefering ein solches Bild benutzt, muss er wissen, dass solche Bilder eine große Macht entwickelt haben und dass politische Bewegungen wie der Nationalsozialismus, aber auch andere populistische Bewegungen, solche Bilder benutzt haben, weil man damit Emotionen hoch peitschen kann", sagt Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun. Im Moment zeige der Film "Speer und Er" – "über den man historisch sagen kann, was man will" – sehr schön, wie die Nationalsozialisten es verstanden, Ästhetik und Metaphern einzusetzen. Sie wussten um die Macht dieser Metaphern, so von Braun. "Das geht natürlich auch im umgekehrten Sinn. Auch die negativen Bilder haben eine solche politische Macht. Man muss sehr vorsichtig mit solchen Bildern umgehen."

„Christina von Braun kann Wolffsohn "nicht ganz zustimmen, wenn er sagt, das sei ein antisemitisches Bild, weil das antisemitische Bild ist eigentlich das Bild vom Polypen, vom Blutsauger oder aber auch das Bild vom Infektionsherd, den Bakterien, die der Jude angeblich repräsentiert. Das Bild der Heuschrecke ist im antisemitischen Kontext nicht so präsent. Dennoch ist es natürlich ein Bild der Plage, was an den Genozid erinnert, etwas, das ausgerottet werden muss."

(quelle: „kulturzeit“)


tatsächlich ist das bild der heuschrecke im antisemitischen kontext weniger verbreitet, als es wolffsohn suggerierte – was den verdacht einer instrumentalisierung des antisemitismusvorwurfs in diesem falle nahelegt (aber münteferings worte keinesfalls besser macht). aber wie sieht es eigentlich aus mit antisemitismus und parasiten und schmarotzern?

“In nationalsozialistischen Texten finden sich häufig biologische Metaphern, beispielweise wenn vom Volkskörper die Rede ist, der durch Parasiten, Bakterien, Schmarotzer (meist werden damit Juden bezeichnet) erkrankt, weswegen hygienische Maßnahmen erforderlich werden, welche die Gesundheit des Volkskörpers garantieren. Auch Rasse (mit seinen Ableitungen) muss in diesem Zusammenhang als biologisch-zoologischer Begriff nochmals erwähnt werden. Außerordentlich prägnant ist zudem folgende Stelle in „Mein Kampf“: „[Der Jude] ist und bleibt der typische Parasit, ein Schmarotzer, der wie ein schädlicher Bazillus sich immer mehr ausbreitet, sowie nur ein günstiger Nährboden dazu einlädt. Die Wirkung seines Daseins aber gleicht ebenfalls der von Schmarotzern: wo er auftritt, stirbt das Wirtsvolk nach kürzerer oder längerer Zeit ab [...]“ (aus: HITLER, A.: Mein Kampf, 1. Band. München 193312, 334). Eine solche dehumanisierende Darstellung von Mitmenschen war ein erster Schritt auf dem Weg nach Auschwitz.“

“Eine solche dehumanisierende Darstellung von Mitmenschen war ein erster Schritt auf dem Weg nach Auschwitz.“

dachten Sie wirklich und ernsthaft, diese geschichte wäre tatsächlich vorbei? nicht, so lange in diesem land und in der sog. westlich.europäischen „hochkultur“ (die tatsächlich eine kultur der plünderung und ausrottung darstellt) das, was in diesem blog als objektwahrnehmung versucht wird zu analysieren, den primären wahrnehmungsmodus einer zu großen zahl von menschen ausmacht.

in deutschland hat dieser modus offensichtlich dazu aus zumindest mir etwas rätselhaften gründen besonders unangenehme und zerstörerische eigenschaften – es ist wahrscheinlich angebracht, die oben beschriebenen realitäten als verschiedene ausdrucksvariationen der wahrnehmung zu begreifen, die hier bereits als holland umschauen:

“Die Zahlen sprechen eine skandalöse Sprache: Nicht nur, dass die Praxis der Sterbehilfe einer staatlichen Kontrolle weitgehend entzogen bleibt – vielmehr wird bei einem beträchtlichen Teil der Fälle die rechtliche Zulässigkeitsbarriere, aber auch der Patientenwille missachtet. Es wird rechtswidrig getötet oder ermordet.

Ethisch und rechtlich wird in den Niederlanden kein Unterschied zwischen aktivem Töten und assistiertem Suizid getroffen. Danach bleibt ein Arzt straffrei, wenn er die vom Gesetz vorgeschriebenen so genannten Sorgfaltskriterien einhält. Grundvoraussetzungen für die Gewährung von Euthanasie sind: freiwilliges Verlangen nach Tötung bei Vorliegen eines unerträglichen und unheilbaren Leidens. Dagegen ist die Tötung durch den Arzt ohne ausdrückliche Bitte des Patienten per definitionem keine Euthanasie und wird nach holländischem Strafrecht wie Totschlag oder Mord geahndet.

Ein „aussichtsloser Zustand“ wird nach medizinischen Kriterien festgestellt und bedeutet, dass sich der Zustand des Patienten nicht mehr bessern kann. Doch „unerträgliches Leiden“ lässt sich nur schwer objektivieren, da der Arzt keinen Zugang zum subjektiven Empfinden des Patienten hat und sich auf dessen Aussagen verlassen muss. Auch psychisches Leid wird als „unerträgliches Leiden“ akzeptiert. Hier ist es besonders schwierig, festzustellen, ob eine Bitte um Sterbehilfe „freiwillig und nach reichlicher Überlegung“ erfolgt ist oder überhaupt erfolgen kann, wenn der Patient psychisch krank und sein Leiden nicht primär organischer Natur ist.“


ich hatte vor ein paar jahren mal die gelegenheit, den vortrag eines niederländischen psychiaters (und kritikers der euthanasiepraxis) zu den entsprechenden entwicklungen in seinem land zu hören, der das oben skizzierte im kern bestätigt und detailliert ausgeführt hat. nicht, das ich das problem von tatsächlich unheilbaren und schmerzhaften krankheiten und die grenzen einer schmerzlindernden behandlung ignorieren würde – aber das geht am eigentlichen problem vorbei. die praxis in den niederlanden ist faktisch so, dass Sie bereits bei erfolgreicher glaubhaftmachung einer länger andauernden schweren depression ärzte finden können, die das als „nicht mehr lebenswert“ und „erlösungsbedürftig“ deklarieren. und an stellen wie dieser wird vielleicht auch der bezug zur insektendebatte deutlich: schlimmstenfalls wird ein bspw. durch die stigmatisierung depressiv gewordener „hartz-IV“-empfänger unter solchen umständen und medizinisch-juristischen möglichkeiten freiwilllig in seine euthanisierung einwilligen! dazu: armut fördert krankheit. und auch von diesem punkt aus stellt sich angesichts der ständigen kostendebatte im gesundheitswesen schnell wie von selbst eine verbindung her: wenn in der allgemeinen wahrnehmung eh schon nicht mehr als ganz menschlich wahrgenommene personen („parasiten“) ohne große materielle ressourcen und ohne chance auf zugänge zum sog. „arbeitsmarkt“ (wo sie schlicht nicht mehr gebraucht werden) dann durch ihre lebensumstände schneller und ernsthafter krank werden, was wäre dann aus sozusagen betriebswirtschaftlicher (aka verdinglichender wahrnehmung) sicht die vernünftigste „lösung“? eben: die endlösung.

*

tja. bei diesen szenarien bleiben mir nur noch eine anmerkung und eine frage.

erstens: bei solchen „demokratischen kräften“ brauchen wir keine npd mehr im parlament.
zweitens: wann wird es zeit, die koffer zu packen?

Montag, 17. Oktober 2005

assoziation: ein manifest, die empathiefrage oder: "wir müssen lernen, neu zu denken"...

...so heißt es in einem absatz des jüngst veröffentlichten potsdamer manifestes 2005 , auf das ich durch wednesday aufmerksam wurde (an dieser stelle danke dafür ;-). dieses manifest , u.a. initiert und unterschrieben von hans-peter duerr , lässt sich als allgemeine anmerkung zur globalen misere lesen. dem meisten kann ich weitgehend zustimmen, allerdings würde ich mir eine genauere analyse einiger wichtiger punkte wünschen. auszüge:

“Wir erleben eine Eskalation von struktureller Gewalt mit politischen und vor allem wirtschaftlichen Komponenten. Geopolitische, soziokulturell wie ökonomische Machtstrategien, die unbegrenzte Expansion globalisierter Marktwirtschaft und ihrer Produktivitätszwänge bedrohen und zerstören die räumliche und stoffliche Begrenztheit unserer Erde. Die zerstörerischen Auswirkungen einer hemmungslosen und unreflektierten Zivilisation im Zusammenleben der Völker, in den Wechselbeziehungen zwischen Gesellschaft und Natur und, nicht zuletzt, in den einzelnen Menschen sind offenkundig.“

beispiele für die erscheinungsformen und auswirkungen struktureller gewalt sind hier im blog mittlerweile bereits massiert gesammelt. schauen Sie nur einmal bspw. unter „notizen“ nach.

“Diese vielfältigen Krisen, mit denen wir heute konfrontiert sind und die uns zu überfordern drohen, sind Ausdruck einer geistigen Krise im Verhältnis von uns Menschen zu unserer lebendigen Welt. Sie sind Symptome tiefer liegenden Ursachen, die wir bisher versäumten zu hinterfragen und aufzudecken. Sie hängen eng mit unserem weltweit favorisierten materialistisch-mechanistischen Weltbild und seiner Vorgeschichte zusammen.“

aber hallo. und wer die beiträge hier aufmerksam gelesen hat, besonders zum autismus , hat möglicherweise bereits eine ahnung davon, was sich unter „tiefer liegenden Ursachen“ zumindest meiner meinung nach verbergen könnte. ansonsten wird hier irgendwann auch zukünftig isaac newton als ein wesentlicher „begründer“ des mechanistischen weltbildes thema sein, speziell seine nicht allzu bekannte biographie, die ich sehr aufschlußreich finde.

„Wir müssen lernen, auf neue Weise zu denken.“ Wenn wir diese Forderung radikal ernst nehmen, müssen wir neue oder ungewohnte Wege des Lernens beschreiten. Aus neuer Sicht stellt sich die Welt, die Wirklichkeit, nicht mehr als ein theoretisch geschlossenes System heraus. Dies führt zu einer eingeprägten Unschärfe, die aus der fundamentalen Unauftrennbarkeit resultiert und in einer prinzipiellen Beschränkung des ‚Wissbaren’ zum Ausdruck kommt. Wir sind dadurch gezwungen über die Wirklichkeit, streng genommen, nur in Gleichnissen sprechen zu können. Es gibt prinzipiell nicht mehr auf alle Fragen, die wir aus unserer menschlichen Sicht glauben stellen zu können, Antworten, da diese ins Leere stoßen. Der einzelne Mensch, wie alles Andere auch, bleibt prinzipiell nie isoliert. Er wird im allverbundenen Gemeinsamen in seiner nur scheinbaren Kleinheit zugleich unendlich vielfältig einbezogen und bedeutsam.“

hier würde ich ergänzen wollen: nicht nur neu denken, sondern auch neu – oder vielleicht überhaupt erst - fühlen lernen ist die parole der stunde. und möglicherweise ist sogar bereits die trennung von beidem ein hinweis auf pathologische prozesse solcher art, wie sie dieses blog thematisiert. das ohne gesunde emotionale basis jedenfalls kein vernünftiges denken im menschlichen sinne möglich ist, lässt sich mittlerweile vielfältig belegen.

“In all unserem Handeln wirkt die Vielzahl von Einflüssen und Impulsen anderer Menschen und unserer Geobiosphäre mit, und nicht nur über die durch unsere Sinne vermittelte Brücke materiell-energetischer Wechselwirkungen, sondern auch direkt über die allen gemeinsame immaterielle potenzielle Verbundenheit.“

mit anderen worten: die menschliche welt ist ganz elementar eine beziehungswelt. in der es diverse beziehungskrankheiten gibt.

“Das materialistisch-deterministische Weltbild der klassischen Physik wurde mit seinen starren Vorstellungen und reduktiven Denkweisen zur vorgeblich wissenschaftlich legitimierten Ideologie für große Bereiche des wissenschaftlichen und politisch-strategischen Denkens. Die fortschreitende Gleichschaltung aller Wert- und Wohlstandsvorstellungen, Konsumgewohnheiten und Wirtschaftsstrategien nach dem Muster einer westlich-nordamerikanisch-europäischen Wissensgesellschaft wird weiterhin noch über ein Denken legitimiert, welches auf Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Fundamente für eine rationale ‚Objektivierbarkeit’ der Wirklichkeit argumentiert. Wo Konflikte auftreten, wird ein Mangel an Verfügungswissen konstatiert, das nachgeliefert werden muss. Nach den Grundlagen der Orientierung wird wenig gefragt, obwohl es Anlass genug dazu gibt.“

ein denken, dessen ergebnisse ich ebenso hier im blog, in gestalt der software und des computers, die ich gerade nutze sowie auch in meinen analyseversuchen selbst verwende, was sich imo bis zu einem bestimmten grad nicht vermeiden lässt. zumindest nicht in diesem medium. anders sieht´s im sogenannten real life aus, wo z.b. künstlerische produktionen jeglicher art wahrscheinlich die gleiche kritik, mit der ich mich hier auf „klassische“ weise beschäftige, sehr viel vielfältiger ausdrücken könnten. anders: sie könnte mehr wahrnehmungskanäle „fluten“, als es das internet aufgrund seiner virtuellen und entkörperlichten struktur zulässt. autismuskritik, um mal bei diesem wort zu bleiben, muss sich folglich auch selbst in der eigenen form einer bestimmten art von rationalem denken kritisieren. („Ein Paradox, ein Paradox, ein wunderschönes Paradox!“ hieß es dazu einmal ganz passend in einem roman von robert anton wilson, wenn mich meine erinnerung gerade nicht total täuschen sollte. aber ich halte paradoxien sowieso für ein ganz zentrales merkmal des menschlichen lebens).

“Die Quantenphysik – und nicht nur sie – fordert uns auf, unser Denken in starren Strukturen grundsätzlich so zu emanzipieren, dass flexible Beziehungen an deren Stelle treten können. Auflockerung und sanfte Auflösung monostruktureller, zentralistischer Konstruktionen, die bevorzugte Ausdrucksformen des materialistisch-mechanistischen Weltbildes sind, werden möglich. Die Vernichtung aller anderen Werte durch den Mechanismus der Märkte, wo machtförmige Stärke absoluten Vorrang fordert vor Entfaltung und Gerechtigkeit, verliert endgültig ihre liberale Legitimation. Im neuen Denken verbindet sich die Fülle unserer Wahrnehmungsvermögen und geistigen Bewegungen; bewußte wie unbewußte Motive für menschliches Denken und Handeln werden gleichermaßen anerkannt. Damit zeichnet sich eine neue evolutionäre Ebene ab, in der eine komplexe, nicht fragmentierte Wirklichkeitswahrnehmung, so etwas wie ‚Ahnung’, das Fundament unseres Denkens, Fühlens und Handelns bildet.“

klingt ja fast wie der in den 1980er jahren viel zitierte physiker fritjof capra, dessen „wendezeit“ ich auch noch zuhause herumstehen habe. und bei dessen namen mein guter freund a., selbst physiker, immer eine leichte krise bekam – von wegen unzulässiger analogschlüsse und so von der ebene der mikrowelt der quanten auf unsere lebenswelt. (@a.: falls du dieses manifest mal liest, würde ich sehr gerne deine meinung dazu hören, gerade was die rückführungen auf die quantenphysik angeht.)

aber im letzten satz oben steht etwas sehr spannendes: „nicht fragmentierte Wirklichkeitswahrnehmung“. hatte ich schon mal erwähnt, dass fragmentierte wirklichkeitswahrnehmung mit fug und recht als ein sehr wesentliches kennzeichen gerade derjenigen psychophysischen störungen angesehen werden darf, die unter dem begriff „beziehungskrankheiten“ summiert werden können? und „ahnung“ darf hier imo ruhig durch „intuition“ ersetzt werden, was ich treffender finde.

“Wir müssen verengte und mechanistische Strategiemuster, Reduktionen, Mittelwertsbildungen fallen lassen und sie ersetzen durch Beweglichkeit, Offenheit und Empathie, um neue offen gestaltbare Schöpfungs- und Handlungsräume zu ermöglichen.“

ohja. aber empathie wie auch geistige und emotionale beweglichkeit/offenheit fallen nicht vom himmel, sozusagen – dazu gleich mehr unten.

“Wenn wir die eskalierenden Probleme betrachten, welche heute die Menschheit belasten, so sind sie im überwiegenden Maße eine Folge extremer Machtballungen und wirtschaftlicher Ungleichheit, dirigiert und forciert von einem lebensfeindlichen finanziellen Netzwerk, das, anstatt das Beziehungsgefüge zwischen den Menschen zu Gunsten der Menschen zu stärken, zum ‚unersättlichen’ Selbstzweck verkommen ist.“

hier möchte ich fragen: ist es wirklich selbstzweck? und wenn ja, in welchem sinne? selbstzweck wörtlich genommen, kann ja auch bedeuten, dass es sich um ein überlebensinteresse handelt, welches eigenschaften hervorbringt, die z.b. vielleicht durch zwanghafte kontrolle von welt und mitmenschen das eigene überleben partiell möglich, ein tatsächlich menschliches leben jedoch durch ihre auswirkungen mittel- und langfristig unmöglich machen.

“Ein neues, doch uns wohl vertrautes Menschenbild wird sichtbar, das von empathischen Menschen ausgeht..“

und hier muss ich einhaken: wie schon gesagt fällt empathie erstens nicht vom himmel, lässt sich zweitens als menschliche wahrnehmungsoption begreifen, die drittens geschädigt sein oder auch ganz ausfallen kann – letzteres eben z.b. bei den krankheiten, die unter dem label „autismus“ geführt werden (und bei einigen als solchen definierten persönlichkeitsstörungen ebenso). es spricht einiges dafür, davon auszugehen, dass unter unseren heutigen lebenbedingungen empathische fähigkeiten eher hinderlich sind – wenn Sie sich die bedingungen einer konkurrenz- bzw. sog. leistungsgesellschaft einmal vor augen führen. und dazu noch dieses: empathie basiert auf körperlich-materiellen grundlagen, jedenfalls nachdem, was wir heute wissen können. einmal wären da die bereits schon öfter genannten spiegelneurone, zum anderen aber auch das hier:

“Wie kann man sich in die Empfindungswelt anderer Personen versetzen? Bisher nahm man an, dass bei diesem Vorgang in unserem Gehirn eine Art Simulation abläuft, sobald wir eine handelnde Person beobachten. Demzufolge sollte die Handlung der beobachteten Person gewissermaßen innerlich imitiert werden. Ein internationales Forscherteam konnte nun hingegen zeigen, dass wir Handlungen anderer Personen offenbar auf der Basis unseres eigenen "Handlungsinventars" nachvollziehen.
Der eigene Geist und der eigene Körper liefern uns also die Grundlage, um zu verstehen, was andere Menschen gerade tun, fühlen oder denken, berichten die Forscher um Simone Bosbach vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in München. „


ich finde ja, dass dieser ansatz das konzept der spiegelneuronen (mit deren maßgeblicher hilfe die erwähnte „simulation“ ablaufen soll) eher unterstützt bzw. ergänzt – die hier thematisierten körperlichen erfahrungen werden im gehirn zu einer vollen gestalt „simuliert“ (ein etwas unglücklicher begriff, weil er sogleich assoziationen zu „fake“ und „täuschung“ hervorruft – aber vielleicht sollte mensch sich klarmachen, dass es hier um eine prozeßbeschreibung geht).

aber woran machen sich die betrffenden körperlichen erfahrungen denn nun fest, was für eine basis besitzen sie? ein anderes wort taucht wieder einmal auf, eines, welches auch schon öfter im blog hier eine rolle gespielt hat und weitgehend unbekannt ist – obgleich wir ohne die damit bezeicheten fähigkeiten nur sehr eingeschränkt lebensfähig sind:

“Beide Patienten berichten, dass sie vor allem zu Beginn ihrer Erkrankung das Gefühl hatten, ihren Körper gänzlich "verloren" zu haben. Zwar haben sie mittlerweile wieder gelernt, einfache Körperbewegungen auszuführen - dabei sind sie jedoch darauf angewiesen, ihren Körper zu sehen.

In der Dunkelheit würden die Patienten dagegen vollständig die Kontrolle über ihren Körper verlieren, weil sie nicht mehr in der Lage sind, mit Hilfe der Sinneszellen in den Gelenken und Muskeln beispielsweise die Position ihrer Arme und Beine relativ zum Körper zu bestimmen.

Wie man den Körper wahrnimmt
Gesunde Menschen können dies dagegen dank der Eigenwahrnehmung ihres Körpers (so genannte propriozeptive Rückmeldungen) problemlos. Die Eigenwahrnehmung vermittelt unserem Gehirn außerdem, wann und in welchem Umfang sich Muskeln zusammenziehen oder strecken und in welchem Ausmaß sich Gelenke beugen oder strecken. Erst dieser Sinn befähigt uns, bestimmte Körperhaltungen einzunehmen, Bewegungen auszuführen und ist entscheidend für das psychologische Bewusstsein, einen Körper zu haben.“


ja, die propriozeptive wahrnehmung hat sich bei mir in der letzten zeit zu einem lieblingsbegriff gemausert – vor allem deswegen, weil die reaktionen darauf immer so vorhersagbar sind: „prop-was?!??“ ich finde ja, wir wissen verdammt wenig darüber, wie wir selbst funktionieren, gerade was unsere sozialen fähigkeiten anbelangt. aber vielleicht gibt es auch gewisse tendenzen und einflüsse, die genau das verhindern (nicht im sinne einer verschwörungstheorie zu verstehen!)

das ergebnis der thematisierten studie jedenfalls wird so zusammengefasst:

“Bewegungsmuster, die im Gehirn aktiviert werden, wenn wir Handlungen einer anderen Person beobachten, enthalten auch Informationen und Wissen über die Funktionsweise unseres eigenen Körpers.

Die Bewegungsmöglichkeiten und -beschränkungen unseres eigenen Körpers sind also die Referenz, von der ausgehend wir die Handlungen anderer Personen verarbeiten und interpretieren.

Anders ausgedrückt: Was wir selbst können, verstehen wir auch bei anderen und umgekehrt, was wir selbst nicht können, verstehen wir auch bei anderen nicht. Rückmeldungen von unserem eigenen Körper tragen also offenbar zu unserem intuitiven Wissen über die Absichten anderer Personen bei.

Auf diese Weise können wir nicht nur Handlungsfolgen vorhersagen, sondern uns sogar in die andere Person "hineinversetzen". Ein solcher Mechanismus ist die Basis für Mitgefühl und Empathie und somit entscheidend für das Gelingen und Fortbestehen sozialer Beziehungen.“


ich hätte mir sehr gewünscht, dass sich die autoren des „manifestes“ einmal mit diesen grundlagen genauer beschäftigen würden – auch, wenn ich die von ihnen eingeschlagene richtung für positiv halte. aber mit ein wenig psychiatrisch-neurologischem wissen könnten sie die von ihnen thematisierten entwicklungen noch einmal viel differenzierter begreifen und benennen. diesen schluß traue ich mir durchaus zu.

Donnerstag, 13. Oktober 2005

notiz: eine weitere rezension...

...zum thema psychopathen erinnert mich an einen geplanten beitrag, der z. zt. noch in arbeit ist. bis dahin können sich interessierte leserInnen noch mit der rezension beschäftigen, in der u.a. zu lesen ist:

"Die Hannibal Lectors, Dr. Jekylls und Mister Hydes sowie die Natural Born Killers sind unter uns. Und zwar nicht als einsame skurrile Wesen, wie wir sie aus der Literatur oder dem Kino kennen, sondern als scheinbar ganz normale Menschen, denen wir gelegentlich begegnen. Mindestens ein Prozent der Menschen sind Psychopathen, schreibt der Autor. Sie sind keine Ausnahmeerscheinung, allein in New York leben 100.000 von ihnen.
Offizielle Studien gibt es für diese Annahme nicht. Die Zahlen sind Schätzungen des Autors, der zu den weltweit renommiertesten Experten auf Gebiet der Psychopathen-Forschung gehört. Robert D. Hare ist Psychologe und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit dem Phänomen.
(...)
Und mit einen zweiten Mythos räumt Autor auch gleich auf. Psychopathen sind zwar Wölfe im Schafspelz, geschickt und anpassungsfähig, besonders intelligent sind sie aber nicht. Ihr IQ liegt nicht über dem Durchschnitt.
Psychopathen, können Nachbarn sein, der Chef oder ein Kollege, der neue Bekannte oder der Versicherungsvertreter. Sie lügen und betrügen aus rein egoistischer Motivation und ohne Rücksicht auf Verluste.
Sie empfinden keine Reue, denn Psychopathen haben eine angeborene genetische Unterfunktion für emotionales Handeln, erklärt der Autor. Messungen der Hirnaktivität belegen diese Annahme. In Tests zeigen psychopathische Personen im rechten Hirnareal keinerlei Reaktion. Dieser Abschnitt ist für Gefühle und Emotionen zuständig.
(...)
Psychopathen sind nicht therapierbar, sie sind und bleiben Täter. Emotionslos und berechnend!"


drastische worte - umso notwendiger erscheint es mir, hier bald einmal eine entsprechende diskussion anzuregen. ich werde versuchen, den beitrag vorzuziehen.

Mittwoch, 12. Oktober 2005

notiz: objektwahrnehmung, weitere beispiele

beispiel 1: deutschland, ende der 1980er jahre.

"Als die Firma `Hot Pants´ beim Finanzamt Hachenburg im Westerland angemeldet wurde (Steuernummer 18/079/0175/7), trugen die Beamten in der Rubrik `Beruf/Gewerbe´ ohne erkennbare Bedenken ein: <Mädchen- und Frauenhandel>."

ich vermute stark, dass die psychophysische verfassung dieser beamten im kern jener geglichen hat, die ihr hier im "panorama"-interview dargestellter kollege aufweist. man(n) möchte hoffen, zufälle und ausnahmen?

"Auch andere rheinland-pfälzische Behörden nahmen an dem Gewerbe keinen Anstoß, die Industrie- und Handelskammer Koblenz gratulierte zur Existenzgründung und bot ihre Beratung an, die Gemeindeverwaltung Hachenburg änderte die Gewerbebezeichnung lediglich um in `Vermittlung von Frauen aus verschiedenen Ländern´."

sprachspiele, magie des schönen klangs - "entsorgungspark", "humankapital", "finaler rettungsschuß" usw. usw. die obige phrase fällt dagegen etwas an kurzer und prägnanter eleganz ab. aber der zweck heiligt die mittel.

um was es ging? "hot pants"...

"...war eine Scheinfirma, gegründet von dem Schriftsteller Klaus-Peter Wolf, der sich bei den Recherchen für seinen Roman "Traumfrau" in der Branche umsah.
(...)
"Hot Pants"-Gründer Klaus-Peter Wolf wurde von den Behörden übrigens noch 1990 als "Frauenhändler" geführt. Als der Schriftsteller seinen Roman aus dem Männer-Milieu veröffentlichte und dabei die problemlose Anmeldung des Gewerbes offenbarte, stritt die Industrie- und Handelskammer Koblenz zunächst empört ab, daß sie Menschenhändler in ihren Reihen dulde. Ende Juni 1990 erhielt Wolf von ihr aber wieder eine Rechnung - über den Jahresbeitrag 1990, mit einer Mahnung für den noch ausstehenden von 1989."

(alle zitate aus: ekkehard launer (hg.), "frauenhandel", lamuv, göttingen 1991; s. 107, 113; isbn 3-88977-254-4)


*

beispiel 2 - eher aber können Sie sich, wie oben auch, unzählige beispiele
vorstellen - eine auswahl:

08.07.2005:
"Wien (APA) - Im südlichen Afrika, vor allem in Mocambique, werden Kinder getötet, um ihnen Organe zu entnehmen: Diesen Alarmruf formulierte laut Kathpress der irische Servitenpater Patrick Carroll bei der Internationalen Missions-Studientagung in Wien. Laut Carroll verschwinden in Mocambique immer wieder Kinder; später würden ihre verstümmelte Leichen aufgefunden, denen offenbar Organe entnommen wurden. (...)"

16.10.2004:
"(...)Neben dem Drogengeschäft hat sich Augenzeugen zufolge offensichtlich die Entführung von Kindern zu einem blühenden Geschäft entwickelt. Sie werden von der Straße und manchmal sogar aus ihrem Haus entführt. Wenn sie Glück haben, kommen sie mit dem Leben davon, wie in dem Fall, von dem die pakistanische Nachrichtenagentur (PNS) jüngst berichtete. Ein Vater wurde aufgefordert, 4 500 US-Dollar für seinen entführten Sohn zu zahlen. Der schriftlichen Aufforderung lag ein abgeschnittener Finger des Kindes und der Hinweis bei, daß das nächste Paket, das der Vater erhalten würde, den Kopf des Entführten enthielte – es sei denn, der Vater reagierte umgehend positiv. Was er tat, so daß er seinen Sohn nackt und unter Drogen gesetzt tatsächlich zurückbekam.

In vielen anderen Fällen dagegen werden die Entführten ermordet und sogleich systematisch ausgeschlachtet. Der von Jane Stillwater zitierte Augenzeuge sagte aus: »Es passiert dauernd, daß die Leichen junger Menschen gefunden werden, denen die Herzen, die Nieren, die Lebern und selbst die Augen fachmännisch herausgeschnitten wurden. Kein Organ wird verschwendet.« Die Autorin fragte schlußfolgernd daraus im Baltimore Chronicle: »Wie würden Sie das nennen? Recycling, Ökologie, Organic Farming? (...)"«


Sie dürfen gerne selbst weiter rercherchieren - es ist eine sprachlos machende, deprimierende angelegenheit. wobei - nach der sprachlosigkeit kommt hoffentlich irgendwann die wut.

"systematische ausschlachtung"... - wieder ein kleines experiment: stellen Sie sich´s vor, versuchen Sie es. in was für einen mentalen zustand geraten Sie dabei? was fühlen Sie?

*

beispiel 3: bei näherer betrachtung sind auch die oben skizzierten beispiele genauso wie das folgende letztlich variationen ein und des gleichen themas. ein thema, das auch an so einem wunderschönen herbsttag wie heute real und aktuell ist.

was fällt Ihnen ein, wenn Sie das wort "sklaverei" hören? afrika? die us-amerikanischen südstaaten? onkel toms hütte? fragen Sie einmal in Ihrem umfeld nach den bezgl. assoziationen. ich vermute, sehr selten bis nie werden Sie dabei das zu hören bekommen:

"...ist die Sklaverei auch heute noch weit verbreitet. Die Liste ist quälend lang und enthält traditionelle Sklaverei, Leibeigenschaft, unfreie Arbeit und Zwangsarbeit, auch von Kindern, Frauen und Migranten, oft verbunden mit sexueller Ausbeutung oder häuslicher Sklavenarbeit.

Die häufigste Form der heutigen Sklaverei ist mit weitem Abstand die Schuldknechtschaft. Laut dem Zusatzübereinkommen der Vereinten Nationen über die Abschaffung von Sklaverei, Sklavenhandel und sklavereiähnlichen Einrichtungen und Praktiken aus dem Jahr 1956 wird Schuldknechtschaft so definiert: Schuldknechtschaft ist eine rechtliche Stellung oder Lage, die entsteht, wenn ein Schuldner als Sicherheit für eine Schuld seine Dienstleistungen oder die einer Person unter seiner Kontrolle (etwa eines Kindes) verpfändet, der tatsächliche (in angemessener Weise festgesetzte) Wert dieser Dienstleistung aber nicht zur Tilgung der Schuld dient, oder wenn diese Dienstleistungen nicht nach Dauer und Art begrenzt und bestimmt sind. Durch das Zusatzübereinkommen gilt auch die Schuldknechtschaft als verbotene Sklaverei.

Der Mechanismus der Schuldknechtschaft sieht in der Praxis so aus: Zur Rückzahlung eines Darlehens werden Schuldknechte zur Arbeit gezwungen - oft sieben Tage in der Woche. Sie erhalten einen sehr geringen Lohn, wovon noch Kosten für Unterkunft und Verpflegung abgezogen werden. Angeblich schlechte Arbeit wird mit weiterem Lohnabzug bestraft. Durch Wucherzinsen wächst der Schuldenberg, der nicht selten von den Eltern auf die Kinder übertragen wird. Auf diese Weise werden oft mehrere Generationen in die Schuldknechtschaft gezwängt.

Diese Praxis ist zum Beispiel in der Landwirtschaft Südasiens verbreitet. Um ein kleines Stück Land zu erwerben, verkaufen arme Familien ihre Arbeitskraft und geraten so in Schuldknechtschaft des Großgrundbesitzers.

Die moderne Variante der Schuldknechtschaft gründet auf betrügerischen Arbeitsverträgen. Sie ist in Südindien, Brasilien und einigen anderen lateinamerikanischen Staaten zu finden. Skrupellose Mittelsmänner bieten illegalen Wanderarbeitern einen Arbeitsplatz in einer weit entfernten Stadt oder in einem anderen Land an. In der Not unterschreiben sie den Vertrag. Zur Begleichung der Reisekosten nehmen sie ein Darlehen auf, das ihnen dieselben Mittelsmänner großzügig anbieten....

Weltweit geraten 700.000 Menschen pro Jahr in die Schuldknechtschaft, schätzt das VN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Auch die Zahlen der ILO, von Anti-Slavery International und anderen Menschenrechtsorganisationen belegen, dass solche sklavereiähnlichen Praktiken alles andere als eine Seltenheit sind. Oft sind Kinder besonders betroffen. Aus einigen Ländern Afrikas sind Praktiken wie Kinderverkauf, Zwangsarbeit oder Zwangsrekrutierung von Kindern für bewaffnete Konflikte bekannt. Weltweit organisiert ist der Handel mit Mädchen und Frauen, die in die Prostitution gezwungen werden. Er gehört zu den lukrativsten Aktivitäten der organisierten Kriminalität.

Mit mindestens 27 Millionen ist die Gesamtzahl heutiger Sklaven bald so groß wie die Einwohnerzahl Kanadas und viermal größer als die der Schweiz."


bilden Sie sich ruhig weiter ein, all das hätte mit uns hier und unserem leben nichts zu tun - schließlich leben wir ja in einer aufgeklärten hochzivilisation. nicht wahr?

aber objektwahrnehmung schert sich nicht um die selbsttäuschungen, illusionen und verdrängungen, mit deren hilfe wir uns mehr oder weniger jeden tag selbst in die tasche lügen. sie ist eine neurophysiologisch basierte wahrnehmungsoption - eine option, die spätestens im sozialen bereich kein stück mehr wünschenswert erscheint.

Samstag, 8. Oktober 2005

"fake for real" ?

als ich so vorhin mal nach längerer zeit wieder im lieblingsbuchladen vorbeischaute, um ein wenig zu gucken, blieb ich irgendwann wie angewurzelt und mit großen augen stehen: "weia, was ist DAS?"

fake for real

ja, was ist das?

"Zwei streitbare junge Autorinnen zeigen: Die Welt, so wie sie wirklich ist, existiert nicht mehr. Inszenierung, Image und Schein sind die Leitplanken für Politik, Ökonomie und das ganz normale private Leben. Wir machen »Als-ob-Karrieren«, führen »Als-ob-Beziehungen« und schauen den Politikern jeden Sonntagabend bei ihren »Als-ob-Debatten « zu. Im gleichen Moment wird die Fälschung aber zur neuen subversiven Protestform, um das System von innen zu attackieren. Ist die »harmlose Heiapopeia-Generation« längst im Widerstand? Aus der Innenperspektive beschreiben die Autorinnen, wie die neuen Protest- und Überlebensformen in Politik und Alltag aussehen."


womit natürlich auch die thematik dieses blogs aufs engste berührt ist. aufgrund extremen finanziellen mangels gerade konnte ich es nur im laden recht oberflächlich durchsehen, um mir zumindest einen ersten eindruck zu verschaffen. und der ist sehr gemischt, wie vielleicht ein blick ins inhaltsverzeichnis etwas unzureichend deutlich macht - soweit ich überblicke, ist den autorinnen die definition des "als-ob"-begriffes, wie sie aus der psychiatrie stammt, nicht bekannt. und so können sie also folglich auch nicht die schwerwiegenden verbindungen zwischen den von ihnen immerhin wahrgenommenen fatalen entwicklungen und den hier thematisierten psychiatrisch-neurologischen störungen thematisieren. letztlich möchte ich für den moment auf den allerersten beitrag hier verweisen, und da besonders auf das dritte zitat. aber zum gerade entdeckten buch werde ich auf jeden fall versuchen, hier eine ausführliche rezension nachzutragen. und vielleicht liest es ja der eine oder die andere leserIn hier auch, und mag die persönlichen eindrücke beschreiben?

*

edit am 09.10.: eine rezension findet sich hier; dazu nimmt dieser taz-artikel bezug auf das buch, und stellt zusätzlich fest:

"(...) Das Bedenkliche daran ist, dass in die Simulation politischen Handelns nur allzu gerne eingewilligt wird. Judith Mair und Silke Becker, altersmäßig der als apolitisch gescholtenen Generation Golf zugehörig, ziehen in ihrem Buch "Fake for real. Über die private und politische Taktik des So-tun-als-ob" erleichtert den Schluss, dass die Ära der "Objektivitätsapostel" mit ihren ideologischen Scheuklappen endgültig überwunden sei. Statt großen Posen in der politischen Arena empfehlen die beiden Autorinnen smartes Verhalten in der Warenwelt: "Als aktive Konsumenten sind wir zugleich immer auch konsumierende Aktivisten, die sich aus einem gut bestückten Freizeitparksortiment und Supermarkt das herauspicken, was ihrer ,politischen Gesinnung' nahe kommt."

Es ist bezeichnend für das Selbstverständnis vieler Menschen in den Dreißigern, die statt von Bebel von Baudrillard gelernt haben, politische Gesinnung nur noch in Anführungszeichen denken zu können. Der Austausch von widerstreitenden Positionen, die Geltungsansprüche von Welterklärungsmodellen wird mit Kusshand den "immergleichen selbsternannten Diskurshoheiten" (Mair/Becker) überlassen. Man selbst wähnt sich in der pfiffigeren Position und verfolgt amüsiert das Politainment der Titanic-Partei und die situationistischen Einflüsse bei Guido Westerwelle.

Die schonungslose Analyse hat man drauf, klar, doch um das Eingeständnis, über die jahrelangen Dekonstruktionsarbeiten irgendwie auch seinen Politikbegriff verloren zu haben, drückt man sich noch herum. (...)"


und die fragen danach, was dekonstruktion überhaupt bedeutet, was konstruktivismus für ein umgang mit der welt ist, warum und wie eine solche "geistige haltung" überhaupt entsteht, wer ein bedürfnis danach hat (bzw. haben muss) - und was das alles mit der menschlichen wahrnehmung, ihren möglichen zuständen und störungen, zu tun hat - solche fragen werden erst gar nicht gestellt.

aber die beiden obigen rezensionen verstärken meinen ersten eindruck vom buch, wobei ich es natürlich trotzdem lesen werde, sobald es möglich ist.

*

@somlu: danke für die idee/den vorschlag. vielleicht komme ich irgendwann drauf zurück.

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Wird er nicht. Warum auch immer. Dir und wer sonst...
Wednesday - 2. Jan, 09:37
Ich bin da, ein Ping...
Ich bin da, ein Ping reicht ;) Monoma wird sich...
Grummel - 15. Sep, 16:50
Danke, Grummel. Das Netzwerk...
Danke, Grummel. Das Netzwerk bekommt immer grössere...
Wednesday - 13. Sep, 10:02
Leider nicht, hab ewig...
Leider nicht, hab ewig nix mehr gehört.
Grummel - 12. Sep, 20:17
Was ist mit monoma?
Weiss jemand was? Gruß Wednesday
monoma - 12. Sep, 14:48
Der Spiegel-Artikel im...
Den Spiegel-Artikel gibt's übrigens hier im Netz: http://www.spiegel.de/spie gel/spiegelspecial/d-45964 806.html
iromeister - 12. Jun, 12:45
Texte E.Mertz
Schönen guten Tag allerseits, ich bin seit geraumer...
Danfu - 2. Sep, 21:15

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