wer den film bisher im kino nicht sehen konnte, hat nun die chance, ihn morgen abend um 22.45 h in der ard zu betrachten.we feed the worldist dabei einer der vielen, auch hier im blog vorgestellten filmischen dokumentationen von gesellschaftlichen fehlentwicklungen größten ausmaßes, die ich persönlich als unbedingt empfehlenswert betrachte. wer die möglichkeit dazu hat, sollte sich morgen abend also ausnahmsweise mal wieder vor die glotze begeben.
...und auch heute morgen gibt´s immer wieder mal ausfälle. die gründe sind zumindest mir bislang unklar, aber ich wollte zumindest alle interessierten leserInnen informieren - nicht, dass Sie sich in der nächsten zeit weiter wundern.
nachtrag: inzwischen ist der grund klar: es gibt einhardwareproblem
das thema knast wurde hier bereits mehrfach in verschiedenen zusammenhängen aufgegriffen, so zb. in diesem beitrag zu denschulen des verbrechens. und der jetzt stattfindende, auf eine woche terminierte und als auftakt zu weiteren aktionen gedachte hungerstreik ist im kern auch eine reaktion auf die im beitrag dokumentierten zustände.
wenn man(n) sich mit den zuständen in den knästen beschäftigt, so fällt auf, dass die auch in der sog. freiheit tendenziell zunehmende übergriffigkeit staatlicher organe ebenso wie die prinzipien der antisozialen ellenbogengesellschaft innerhalb der gefängnisse in ihrer ganzen brutalität und um einiges offener exekutiert werden. und zu befürchten ist, dass die dortigen zustände nicht nur eine bloße wiederspiegelung des draußen darstellen, sondern sogar einiges von dem vorwegnehmen, was zukünftig im ganz normalen alltag vieler menschen real werden wird - von der allgegenwärtigen überwachung bis hin zur vernutzung als billiger arbeitskraft.
und auch aus diesen - neben den ganz grundsätzlichen humanitären - gründen ist eine beschäftigung mit der gefängniswelt innerhalb unserer kollektiven realität wichtig. darum jetzt einigeinfoquellen zum hungersteik und seinen gründen:
"Aktuell beteiligen sich am heute gegonnen Hungerstreik 537 Gefangene in 49 Orten in der BRD, dazu ca. 10 weitere in europäischen Knästen in Spanien, Belgien und der Schweiz am Hungerstreik.
Hier die Liste der Gefängnisse in der BRD , die von Weggesperrten bestreikt werden:
(...)"Hunderte Gefangene wollen mit einem einwöchigen Hungerstreik gegen Missstände im Gefängnis protestieren. Sie fordern die Abschaffung von Isolationshaft, Sicherungsverwahrung und Zensur. »Mittlerweile bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich leider sagen muss, dass ich definitiv nicht mehr kann.« Diese Zeilen finden sich in einem Brief von Nadine Tribian. Die Frau ist im Gefängnis Bielefeld-Brackwedel inhaftiert und wehrt sich seit Langem gegen ihre Haftbedingungen. Weil sie kein Blatt vor den Mund nehme und immer wieder ihre Situation anprangere, sei sie besonderen Schikanen ausgeliefert, heißt es in der holländischen Gefängniszeitung »Uitbraak« über die Frau, die zum Ausgangspunkt des bundesweiten Hungerstreiks wurde.(...)
Ständige Demütigungen, Zensur kritischer Zeitungen und Briefe, Kontaktsperren und Isolationshaft seien alltägliche Instrumente in vielen Haftanstalten. Wer sich wehrt, habe mit Repressalien, Kriminalisierung und Psychiatrisierung zu rechnen. Sie würden als »renitent«, »notorisch-querulant«, »psychisch gestört« oder als »Lügner« diffamiert. Der Hungerprotest solle neben der Unterstützung für Nadine Tribian auch diese Zustände einer größeren Öffentlichkeit bekannt machen, betont Scherzl in einem Brief zur Aktion.
Schon in den letzten Monaten haben spektakuläre Fälle von Misshandlungen durch Mithäftlinge in NRW sowie mehrere Selbstmorde von jugendlichen Häftlingen in Hessen wenigstens kurzzeitig für Aufmerksamkeit gesorgt. Der Hungerstreik soll der Auftakt für eine längerfristige Kampagne zur Veränderung der Knäste sein.
Wolfgang Lettow ist Mitarbeiter des »Gefangeneninfos«, das 1989 während des letzten großen Hungerstreiks der Gefangenen aus der RAF entstanden ist und seitdem monatlich über Knast und Repression berichtet. Er sieht in den Verschärfungen im Gefängnisalltag ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Zustände. Das neoliberale Dogma greife auch in den Gefängnissen und die Insassen seien dem Druck direkt ausgeliefert. »Die Gefangenen machen mit dem Hungerstreik deutlich, dass sie diesen Objektstatus ablehnen«, betont Lettow gegenüber ND."(...)
von der im obigen artikel erwähnten nadine tribian ist beiindymediaein brief zu lesen, den ich für authentisch und verbreitenswert halte - ihre geschichte lässt sich stellvertretend lesen für das inzwischen millionenfache alltägliche elend als folge der ständigen angriffe auf die menschlichen sozialen fähigkeiten nicht nur in, sondern auch und gerade außerhalb der knäste.
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mein täglicher kampf hier in der anstalt!
lange habe ich mir überlegt, ob ich überhaupt noch einen versuch meiner vielen schreibereien ,mit der hoffnung auf eine kleine hilfe in der jva-bielefeld machen soll – denn meist gingen diese in luftblasen auf – leider!
seit ich hier in diese hölle kam, habe ich den täglichen kampf in dieser anstalt auf mich genommen. ich habe mich den bediensteten jedoch immer stets höflich verhalten, da diese nichts für die machtspiele der hiesigen anstaltsleitung können. jedoch musste ich immer wieder aufs neue am eigenen körper spüren, dass das sprichwort „eine krähe hackt der anderen kein auge aus“ vollkommen passt.
angefangen hat alles während meiner ersten inhaftierung in den jahren 1997-1999 in der jva köln. in dieser inhaftierung wurde ich opfer sexueller gewalt durch einen justizvollzugsbediensteten der jva köln, welcher vom lg (landgericht) köln zu insgesamt 2 jahren auf bewährung verurteilt wurde. angeklagt war er seiner zeit wegen sexuellem mißbrauch von schutzbefohlenen, vergewaltigung etc. in 7 fällen bei mehreren frauen. einige fälle wurden, da sie angeblich nicht ausschlaggebend für die höhe der strafe seien, nach §154 abs.2 eingestellt. da ich nun erneut in haft bin, bekomme ich von 99% der hiesigen bediensteten zu spüren, dass es damals einer von ihnen war, gegen den ich ausgesagt habe. der hiesige psychologe ist der auffassung, dass ich mir all dies, trotz belegbarer beweise, nur einbilde und mir darüber klar werden soll, dass dies alles nur in meiner phantasie stattgefunden hat. seit meiner ankunft hier, gebe ich mir größte mühe, mein schicksal wegen eines bediensteten hinzunehmen. im großen und ganzen ist gegen die abteilungsbediensteten nicht wirklich viel zu sagen. und auch nichts einzuwenden – wenn man mit ihnen alleine redet. es ist in erster linie die anstaltsleitung – „machtbesessene juristen“ sowie „überzogenen und unverantwortliche sicherheitsorgane“ welche diese jva bielefeld in einen reinen verwahrvollzug gewandelt haben!!!
ich persönlich erlebe gelinde gesagt einen „rachevollzug“.
die strafvollstreckungskammer erweist sich als bessere schreibstube der anstalt, die staatsanwaltschaft zeigt sich besonders anstaltskonform, und so muß ich zum justizministerium wirklich nichts mehr hinzufügen – so entsteht für die hiesige jva bielefeld-brackwede I deutlich ein rechtsfreier raum!!!
ein gefangener, so wie ich, der mit höflicher, sachlicher schreiberei seine minimalen rechte wahren möchte, wird sofort als renitent, querulant und anstaltsfeindlich betrachtet. auf dieses verhalten wird somit wie ein roter negativer faden bei allen möglichkeiten hingewiesen – eine gegenwehr ist leider nicht möglich, und somit bin ich einer übelzufügung nach der anderen ausgesetzt!
leider werden hier viele gefangenen zu denunzianten. der fernseher, die arbeit für den monatlichen einkauf, sowie gewisse lockerungen sind natürlich besonders gefragt und dafür werden „freunde“ verkauft – dadurch zerbrechen wichtige säulen einer sozialen gesellschaft. hoch lebe der §31 stvollzg. – hoch lebe der v-mann – hoch lebe der anstaltsdenunziant!!!
derzeit darf ich darauf hoffen in bälde in den genuß einer verlegung in eine andere jva hier in nrw zu hoffen. natürlich hängt diese angetrebte verlegung davon a, ob die angestrebte jva meiner aufnahme zustimmt. selbstverständlich habe ich für diese verlegung, im rahmen einer beruflichen bildungsmaßnahme nun bereits seit 4 jahren hart gekämpft. da ich eine der inhaftierten personen bin, welche sich natürlich mit dem strafvollzugsrecht beschäftigt und in selbiges auch eingelesen hat, doch bitte, offensichtlich muß es für die hiesige jva andere gesetzestexte geben – denn hier wird massiv entgegengesetzt gehandelt! mein täglicher kampf heißt hier in der anstalt, n i c h t desozialisiert und verkriminalisiert zu werden, hinzu kommen die oft unerträglichen schikanen! traurig aber wahr, der strafvollzug hat leider in der öffentlichkeit keine lobby – der bürger wird beruhigt mit falschen informationen und ist somit zufrieden! leider war ich auch einmal solcher „ruhiger“ bürger/ eine solche „ruhige“ bürgerin!!! heute weiß ich, welche hasserfüllten menschen durch einen verwahrvollzug gezüchtet werden, jawohl, richtige menschliche kampfmaschinen! obwohl der bürger auch weiß, dass solch ein, im laufe von jahren manipulierter „mensch“ einmal vor seiner türe stehen kann!
gerne würde ich einige nützliche informationen von leidensgenossen erhalten und mich mit selbigen auch austauschen. falls ich durch dieses schreiben einen kleinen hoffnungsschimmer erfahren darf – so denkt daran, solche briefe sind hier nicht wirklich erwünscht und werden mit bösen schikanen, welche mir ja nun mal nicht fremd sind, behandelt.
nein, ich habe absolut keine angst vor weiteren böswilligen schikanen, psychoterror, und vor psychischer gewalt hier im vollzug. aber wie heißt es doch so schön, es führen viele wege nach rom.
vielen dank für eurer gehör!
postalisch zu erreichen bin ich unter folgender anschrift:
vielen dank für euer gehör und dafür, dass ihr euch zeit genommen habt, meine zeilen zu lesen.
mit solidarischen und freundlichen grüßen
nadine christiane tribian
im zu beginn verlinkten blogbeitrag hatte ich u.a. geschrieben:
und vor allem keine frage danach, ob die institution gefängnis überhaupt jemals etwas anderes erzeugt hat als entweder gebrochene menschen, oder aber vermehrt haß- und racheerfüllte antisoziale ins außen entlässt.
nadine tribian gibt die antwort, die realistischerweise zu befürchten und zu erwarten war:
"mein täglicher kampf heißt hier in der anstalt, n i c h t desozialisiert und verkriminalisiert zu werden, hinzu kommen die oft unerträglichen schikanen! traurig aber wahr, der strafvollzug hat leider in der öffentlichkeit keine lobby – der bürger wird beruhigt mit falschen informationen und ist somit zufrieden! leider war ich auch einmal solcher „ruhiger“ bürger/ eine solche „ruhige“ bürgerin!!! heute weiß ich, welche hasserfüllten menschen durch einen verwahrvollzug gezüchtet werden, jawohl, richtige menschliche kampfmaschinen! obwohl der bürger auch weiß, dass solch ein, im laufe von jahren manipulierter „mensch“ einmal vor seiner türe stehen kann!"
das ist aus meiner perspektive nicht nur ein in kauf genommener "kollateralschaden", sondern könnte durchaus eines der grundsätzlichen ziele der ganzen perfiden veranstaltung sein - auf dauer zu einem authentisch sozialen leben nicht mehr fähige menschen zu produzieren. es gibt da zeitgenossen, die durch derartige zustände in verschiedener und überraschender art und weise profitieren können. und dazu gehören nicht nur die protagonisten der kommenden privaten knastindustrie.
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zum schluß noch diesmal eine ausdrückliche bitte: da bei diesem thema der mediale mainstream bisher wie üblich mit verschweigen und/oder verzerrung auf einen wichtigen sozialen kampf reagiert, würde ich es gut finden, wenn gerade die selbst bloggenden leserInnen hier in ihrem rahmen und ihren möglichkeiten mithelfen, zumindest eine gewisse gegenöffentlichkeit herzustellen. ich denke, das ist das mindeste, was wir tun können.
ja-ha. "meinungsfreiheit" ist die gnade, das meinen zu dürfen, was die "eliten" als angemessen und unbedenklich für die schafe befinden.
""Ich glaube, wir haben Barack Obama zeigen können, dass wir eine sehr freundliche, aber auch sehr professionelle Polizei sind", so deren Sprecher Bernhard Schodrowski."(...)
"Alle haben ihn, kaum jemand kennt ihn, doch ohne ihn würde der Mensch unbeholfen durch die Welt stolpern: der Körpersinn. Ist aus ihm vielleicht sogar das Selbst-Bewusstsein entstanden?(...)
ob ihn "alle haben", ist dabei eine entscheidende frage - und noch viel bedeutsamer sind womöglich die auch schon im artikel anklingenden möglichen kompensationsformen beim ausfall der propriozeption. mehr dazu auch indiesemblogbeitrag.
und sie ist nicht nur metaphorisch, die volle nase - ich lag die letzten tage mit einer ausgewachsenen erkältung flach, die mich immer noch beschäftigt und für große unlust und schlechte laune sorgt. daher verzögern sich alle angekündigten beitrage mal wieder, und für den moment gibt´s nur ein paar hinweise auf aufgefischtes aus dem netz, was allerdings die schlechte laune keinesfalls zu verbessern vermag. aber für den augenblick will ich einfach mal der ansonsten durchaus unrealistischen maxime folgen, nach der geteiltes leid auch schon halbes leid sei.
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"Die US-Kreditkrise entwickelt sich immer mehr zum Kriminalfall. Jetzt hat die Justiz Betrugsermittlungen aufgenommen. Im Fadenkreuz stehen nicht nur Einzeltäter, sondern auch große Investmentbanken. Sie sollen das Chaos absichtlich mitverursacht haben - um dann eiskalt zu profitieren.
Die Geschichte der Wall Street ist immer schon auch eine Geschichte des Verbrechens gewesen. Eine Geschichte von Betrügern und bösen Buben, von Gaunern und Gangstern. Das liegt in der Natur des Geldes."(...)
so steht´s jedenfalls inspongeschrieben, und das ist ein weiteres unerfreuliches beispiel für das, was sich als fragmentierende/spaltende/dissoziative wahrnehmung in den mainstreammedien allerorten und tag für tag beobachten lässt. das globale börsen-monopoly auch als "geschichte des verbrechens" zu begreifen, ist dabei ein ganz richtiger aspekt. und ließ mich wieder andiesenschönen satz erinnern:
"Könnte ich die Psychopathen nicht im Gefängnis studieren - an der Wall Street würde ich genug von ihnen finden."
eine vor solchen hintergründen gezogene schlußfolgerung wie im spon-artikel jedoch -
(...)"So ist es kein Wunder, dass auch in diesen aktuellen US-Krisenzeiten unweigerlich die Frage aufkam: Wer trägt denn wirklich Schuld an dem ganzen Schlamassel? Eine Antwort, die man in den USA dieser Tage immer lauter hört ist: kriminelle Elemente!"(...)
- ist eine für die systemerhaltung zwar nützliche, aber schlicht irreführende pseudoantwort, für die eine fragmentierende wahrnehmung grundvoraussetzung ist. klar dürften sich gerade soziopathische charaktere in den größtenteils virtuellen welten der globalen finanztransaktionen wohlfühlen, in denen mit konstruierten "produkten" gehandelt wurde bzw. wird, für die zum vollen verständnis ihres aufbaus jeder außenstehende erstmal ein paar wochen intensive gedankliche arbeit leisten muss. bloß: um in solchen dimensionen wie jetzt sichtbar wirken zu können, braucht selbst der intelligenteste soziopath entsprechenden "humus" in form eines begünstigenden umfeldes, in dem er sich nicht nur wie ein fisch imwasser bewegen kann, sondern auch toleriert und womöglich für seine "erfolge" noch bewundert wird. und genau dieser humus steht bei der aktuellen wirtschafts"ordnung" in form von ideologie, gesetzen, willfährigen staaten und politikern sowie einer größtenteils mit immer weniger brot & ausreichend dümmlichen spielen in sozialer trance gehaltenen & befindlichen öffentlichkeit in nur allzugroßem maß zur verfügung.
und dieaffinität des kapitalismus zur soziopathie- vielleicht mit am deutlichsten zum ausdruck gebracht im konstrukt des homo oeconomicus als immer noch verbreitetes modell "des" menschen - ist dabei das strukturelle grundproblem der ganzen geschichte, welches auch nicht dadurch gelöst werden kann, bei den jeweils aktuellen "skandalen" und krisen die besonders auffälligen (oder dümmsten) protagonisten aus dem verkehr zu ziehen, sondern nur durch einen im besten sinne radikalen schnitt: und der muss zum beginn beim begriff des "eigentums" (produktionseigentum, nicht gebrauchseigentum ist in einem späteren schritt das ziel der operation) ansetzen, bei dem es sich um ein konstrukt handelt, welches vermutlich eine der größten kollektivhalluzinationen in der geschichte dieser spezies überhaupt darstellt. und dessen materielle basis in unserer als "normal" empfundenen wahrnehmung stecken dürfte, dass ich bzw. wir einen körper "haben", der quasi unser "grundeigentum" darstellen würde. das "ich" aber, das solches wahrnimmt, ist allen indizien nach weder die einzige menschenmögliche, noch die gesündeste form der selbstwahrnehmung, die uns möglich ist, sondern das produkt der ganz "normalen" pathologischen sozialen zustände, an die wir uns alle über jahrhunderte gewöhnt haben. wenn Sie ernsthaft zu denjenigen gehören sollten, die an diese halluzination glauben - "mein körper gehört mir" - ,dann werden Sie spätestens im moment Ihres todes eine große und vermutlich für Sie unerfreuliche überraschung erleben...
(und nein, für den gegenseitigen respekt vor eigenen und fremden körperlichen grenzen und der allgemeinen integrität jedes menschen ist die postulierung der einbildung namens "eigentum" durchaus nicht nötig, und gleiches gilt für einen angemessenen umgang mit fremden gebrauchseigentum. derlei fähigkeiten haben eher etwas mit nicht pathologisch funktionierenden (selbst-)wahrnehmungsfähigkeiten und daraus folgenden eigenschaften wie vertrauensfähigkeit und großzügigkeit zu tun.)
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um von den abstrakten stürzenden (oder steigenden) kurven der diagramme von kursen und inflationsindexen wieder in die reale welt zu kommen und um zu sehen, wie sich das treiben der finanzeliten in dieser auswirkt, ist es hilfreich, einmal einen blick auf eine der zeltstädtezu werfen:
(...)" Die Sonne über Kalifornien sorgt für angenehme Temperaturen. Herb duftende Holzspäne bedecken den Boden. Darauf stehen in Reih und Glied 149 grün-weiße Polyesterzelte, fabrikneu. Ein Campingplatz? Das Idyll trügt. Alle zehn Minuten peitscht ein startender Jet über den kargen Staubplatz. Erholung findet hier sowieso niemand.
Das Lager ist eine staatliche Reaktion auf eine wild wuchernde Zeltstadt, die sich in den letzten Monaten am Stadtrand von Los Angeles ausgebreitet hat. Zeitweise 600 Frauen, Männer und Kinder hausten dort zwischen Gleisen und streunenden Hunden, Bergen von Abfall und klapprigen Möbeln. Jetzt wurde daneben eine zweite, offizielle Zeltstadt errichtet. Die Menschen, die hier leben, gehören zu den Millionen zahlungsunfähiger US-Familien, deren Häuser im Zug der aktuellen Finanzkrise zwangsversteigert werden. Der Staat weiß keine Antwort auf ihre Probleme; alles, was er zu bieten hat, sind notdürftige Unterkünfte – und das mitten in den USA."(...)
ja, und das mitten in den USA. aber immerhin haben sie dort noch genügendparkplätze- für diejenigen, die noch ums zelt drumrum kommen:
(...)"Es ist noch gar nicht so lange her, da lebte die ehemalige Notarin im kalifornischen Santa Barbara in einem Apartment mit einem Garten voller Rosen und Jasmin. Dann aber kam die Immobilienkrise. Harvey verlor ihren Job - und das in einer Stadt, in der ein Haus im Schnitt eine Million Dollar kostet. Nun wohnt die Mutter von drei erwachsenen Kindern auf einem Parkplatz - immerhin einem der bestbewachten der Stadt. Er gehört zu den zwölf Parkplätzen in Santa Barbara, die vom Wohltätigkeitsverein New Beginnings (Neuanfänge) gesichert werden. Auf ihnen stehen insgesamt 55 Autos mit unfreiwilligen Dauercampern.
Der Leiter der Obdachlosenorganisation National Coalition for the Homeless, Michael Stoops, hält Harveys Geschichte keineswegs für ein Einzelschicksal. "Uns berichten viele Vereine und Menschen ganz ähnliches", sagt er. "Das ist definitiv ein Trend." Für viele Menschen, die Haus oder Arbeit verlören, sei es "der schlimmste Alptraum", buchstäblich auf der Straße zu landen. Deshalb lebten sie lieber in ihrem Auto.
Zwar habe die Obdachlosigkeit in der traditionellen Mittelklasse noch keine "epidemischen Ausmaße" erreicht, sagt Gary Linker, der Leiter von New Beginnings. Aber es seien "doch einige" Menschen betroffen. Allerdings gebe es im Vergleich zu früher immer mehr US-Bürger aus der unteren Mittelschicht, die auf Parkplätze umziehen müssten. Das Spektrum von Menschen, die auf den geschützten Stellplätzen lebten, sei jedoch breit, auch Verwirrte und Drogenabhängige seien darunter. Immerhin hat jeder zweite Dauerparker Arbeit. Elektriker sind dabei, Klempner und Busfahrer."(...)
"home of the brave, land of the free" - auch wenn der tapfere nur noch die freiheit hat, sich zwischen parkplatz und zelt zu entscheiden.
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oder aber sich in alter schlechter manier von der army anwerben zulassen. wo dann auch home of the brave, land of the free gesummt wird. da war doch noch was? ahja, schauen Sie sich mal zum ersten nurdiesesbild an. schauen Sie sich´s lange an.
(...)"Da rannte Elliott in Silver Spring, einem Vorort Washingtons, sturzbetrunken auf die Straße, brüllend, mit einer geladenen Smith & Wesson herumfuchtelnd. "Wollt Ihr mich erschießen?", forderte er die Polizisten heraus, die ihn aus der Entfernung ins Visier nahmen. "Erschießt mich!" Erst nach 20 Minuten setzte ihn der Taser-Stromschlag eines Cops außer Gefecht.
Bis heute kann sich Elliot nicht an die Details des Vorfalls erinnern. Nur eins weiß er: Er ist noch mal davongekommen. Denn Elliot versuchte damals nichts anderes als "suicide by cop" ("Selbstmord per Polizei") - eine nicht zuletzt bei Veteranen immer beliebtere Methode, ihr posttraumatisches Seelenleid zu beenden.
Elliott hatte Glück im Unglück. Doch Tausende andere Veteranen gehen ungehindert in den Freitod, auf diese oder herkömmliche Weise, mit Schlaftabletten, dem Strick, Schusswaffen: Suizid, so Experten, ist zu einer regelrechten Epidemie unter US-Kriegsheimkehrern eskaliert."(...)
zur täter-opfer-problematik bei us-veteranen hatte ich früher in einerfilmbesprechungschon etliches geschrieben, was ich weiter für gültig halte. im lichte der aktuellen entwicklungen jedoch tritt der ganze irr-sinn der us-amerikanischen & kapitalistischen welt"ordnung" mit ihren katastrophalen folgen für das reale leben realer menschen jedoch auf eine derart drastische weise hervor, dass es einen nur noch so schüttelt.
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Mit Vollgas gegen die Wandscheint aber das motto der gesamten, vom westlichen "way of (antisocial) life" dominierten - oder vielleicht besser: infizierten - welt zu sein, wobei ich letztens ja schon auf einen teil dieser wand hingewiesen habe, der unter dem namenpeak oilinzwischen breiter bekannt geworden ist. und das der ölpreis gegenwärtig mal wieder fällt, hat mit der grundsätzlichen realität des peaks nichts weiter zu tun. als anschaungsmaterial zum schluß noch zwei kurze filme zum thema - einmal von der nzz, der auch auf die seltsamen und sich anscheinend selbst reproduzierenden ölvorkommen einiger opec-staaten eingeht:
und zum anderen ein beißendes stück politisches kabarett direkt "aus der anstalt", welches sich mit dem ebenfalls bereits angesprochenen quasi suchtverhältnis der westlichen gesellschaften bezgl. des öls beschäftigt (danke an lotta für den hinweis darauf!):
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als nächstes geht´s dann hier weiter mit der diskussion rund um den autismusbegriff.
"wenn es wahr ist, dass sich eine gesellschaft in ihren totalen institutionen am deutlichsten kenntlich macht, so werden uns die zustände sowohl in der psychiatrie als auch in den (privatisierten) gefängnissen ein spiegelbild unserer inneren verfassung liefern, was zum schreiend davonlaufen - nicht nur sein wird, sondern bereits in teilen ist."
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mit den obigen worten ist ein teil meines fazits ausgedrückt, welches ich vor längerer zeit in einem beitrag zum themapsychiatrie & privatisierunggezogen hatte, und dabei bin ich u.a. auch auf die zustände der psychiatrischen versorgung in new york eingegangen, die besonders seit der umstrukturierung der dortigen psychiatrie vor ein paar jahrzehnten mit dem wort "erbärmlich" nur unzureichend beschrieben sind, und umstandslos sowohl privatisierte als auch die öffentlichen betreiber von kliniken und heimen betreffen. eine institution der letzteren art ist nun vor einiger zeit mit einem - wieder mal - regelrecht sprachlos machenden vorfall in den focus der internationalen medienöffentlichkeit geraten:
"Sie war todkrank, sie war verwirrt, litt an Angstzuständen und benötigte dringend medizinische Hilfe. Die bekam sie nicht - und starb einen einsamen, elenden Tod. Die 49-jährige Esmin Green, eine gebürtige Jamaikanerin, war am Morgen des 18. Juni in die psychiatrische Notaufnahme des New Yorker Kings County Hospitals eingewiesen worden.(...)
Was sich dann ereignete, spricht jeder Mitmenschlichkeit ebenso Hohn wie dem Hippokratischen Eid.
Esmin Green sitzt volle 24 Stunden auf ihrem Plastikstuhl, ohne dass sich jemand für sie interessiert. Schließlich gleitet sie halb bewusstlos zu Boden, versucht sich noch eine Weile auf allen vieren zu halten und fällt dann auf den Bauch. Sie rutscht unter die Stuhlreihe und strampelt im Todeskampf verzweifelt mit den Beinen. Minutenlang windet sie sich auf dem Boden - unter den gleichgültigen Blicken von drei Mitpatienten. Schließlich stirbt Esmin Green."
"Krankenhaus- und Sicherheitspersonal inspiziert wiederholt das Wartezimmer, sieht die Leiche der Frau dort mit gespreizten Beinen liegen - und wendet sich gleichgültig ab. Einer der Angestellten rollt gemütlich auf einem Bürostuhl heran, guckt zu Esmin Green hinüber - und rollt gemütlich weiter. Ein weiterer Angestellter kommt, endlich alarmiert von einer Patientin, schiebt einen Stuhl hin und her und stößt die Tote dann mal an. Erst jetzt wird eine Ärztin alarmiert, die aber nur noch den Tod der Frau feststellen kann - der bereits vor 58 Minuten eingetreten war.
Als Nächstes fälscht das Klinikpersonal offenbar den Krankenbericht, um den Skandal zu vertuschen. Die Videoüberwachung zeigt, dass Green um 6.08 Uhr aufhörte, sich zu bewegen. Der Bericht wähnt sie um diese Zeit aber noch "auf und munter zum Waschraum gehend". Um 6.20 Uhr saß Esmin Green laut Bericht "ruhig im Warteraum" - zu diesem Zeitpunkt war die Patientin schon längst tot."(...)
in den einschlägigen foren, egal ob onlinepresse oder auch bei you tube, wo es inzwischen etliche filme gibt, die sich mit dieser geschichte beschäftigen, werden fragen gestellt und antworten gesucht, die von der hautfarbe der toten über die grundsätzlichen defizite des us-amerikanischen gesundheitssystems bis hin zur grundsätzlichen frage nach dem wert des menschlichen lebens innerhalb des kapitalismus variieren. all diese punkte lassen sich mit mehr oder weniger berechtigung zur erklärung des unsäglichen heranziehen; aber die für mich interessanteste frage lautet wieder einmal:
in welchen wahrnehmungszuständen befanden sich all diejenigen beteiligten, die in dieser geschichte als gleichgültige beobachterInnen - so gleichgültig wie die alles registrierende kamera - eines todeskampfes auffällig wurden?
(...)""Hier geht es um Mängel im menschlichen Charakter", sagte der Bioethiker Michael Shapiro. Es komme immer wieder vor, dass Menschen das Sterben anderer ungerührt mitansähen."(...)
"mängel im menschlichen charakter" - eine aussage, die letztlich alles und nichts meinen kann.
"Entmenschlichung?
Was wir Menschen uns gegenseitig antun, ist Gegenstand von Überlieferungen seit Anbeginn der Zeichensetzung. Was wir Menschen uns gegenseitig nicht mehr antun, beschäftigt zunehmend Soziologen, Politiker und alle, die sich generell für das Miteinander interessieren.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei deren Abwesenheit. Ob Leute in der U-Bahn verprügelt werden, Unfallopfer in der Öffentlichkeit unversorgt bleiben oder eine Frau vor den Augen mehrerer Zeugen vergewaltigt wird: Die Bereitschaft, persönlich einzugreifen und zu helfen, scheint dramatisch abzunehmen. Vielleicht - so fragt der Skeptiker genereller Befindlichkeitsanlaysen in mir - wird diese attestierte Teilnahmslosigkeit durch den Ausbau der Überwachungs- und Schnüffelsysteme aber auch nur etwas sichtbarer.
Angst ist dabei wahrscheinlich noch immer der häufigste Grund des bewussten Wegschauens."(...)
der letzte satz mit der angst als begründung lässt sich dabei höchstens mit situationen in verbindung bringen, in denen es um akut ausagierte formen von gewalt geht, und die aktive intervention auch ein mehr oder weniger großes persönliches risiko beinhaltet. wobei in zeiten der allseits vorhandenen handys eigentlich auch die zeit verkürzt sein müsste, in der wirkungsvolle erste hilfe von entsprechenden institutionen angefordert werden kann.
die situation in der notaufnahme eines krankenhauses jedoch sollte eine derartige erklärungsvariante von vorneherein ausschließen. wenn man sich das video so betrachtet, entsteht weniger ein eindruck von angst als eher einer von verbreiteter apathie - auf seiten der beobachterInnen - und agonie bei der späteren toten. egal ob bei den anderen, vermutlich als patientInnen, wartenden oder beim beteiligten klinikpersonal: die in der ecke liegende frau hatte in all den qualvollen stunden offensichtlich nicht mehr wahrnehmungsmässige bedeutung als ein sonstiges beliebiges ding in dem wartezimmer.
nun lässt sich eine derartige gleichgültigkeit beim klientel, welches in einer psychiatrischen notaufnahme auf selbige wartet, nun nochmals in mehr variationen erklären - zumindest als möglichkeit - als beim personal: der einfluß von psychoaktiven ("legalen" und "illegalen") stoffen bspw. kann ebenso eine rolle spielen wie durch psychophysische extremzustände induzierte wahrnehmungstunnel, die durchaus einbußen zb. in der eigenen empathiefähigkeit mit sich bringen können.
genau diese fähigkeit aber ist bis zur ununterscheidbarkeit beim eigentlich zuständigen klinikpersonal gleichfalls nicht zu erkennen - was dann auch nebenbei die frage aufwirft, wo eigentlich die unterschiede zwischen beiden gruppen liegen, aber das ist zugegebenermaßen schon polemik.
was bis hierher auf dem tisch liegt, ist aber der starke verdacht, dass all diejenigen, die in den verschiedenen momenten in all den stunden diese frau nicht als leidendes mitgeschöpf wahrgenommen haben, sich in diesen momenten bezgl. ihrer wahrnehmungsfähigkeiten dem status der rein beobachtenden kamera angeglichen haben: ungerührt, gleichgültig, mitleidlos und im negativsten sinne mechanisch (darin übrigens auch ähnlich denjenigen jugendlichen, die beim"happy slapping" sowohl zuschlagen als auch darum bemüht sind, möglichst "gute" filmsequenzen in ihren kameras festzuhalten).
und das sich die beteiligten seitens des personals dann hinterher noch bemüht haben, die beweise für ihr nicht-tun zu entsorgen und zu vertuschen, macht deutlich, dass sie irgendwo gewußt haben, dass ihr verhalten in jenen stunden durchaus von vielen anderen als antisoziale aktion übelsten grades begriffen werden kann - wobei eine aktion durch unterlassen ebenso eine aktion bleibt.
die den medien zu entnehmenden maßnahmen der vorläufigen suspendierung und vollen kündigung der involvierten mitarbeiterInnen jedenfalls mögen zwar mal wieder spontane gefühle nach gerechtigkeit und sühne befriedigen, gesellschaftlich sinnvoller wäre meiner meinung nach allerdings, alle beteiligten genauestens nach den zuständen zu befragen, in denen sie sich zu dieser zeit befunden haben. das könnte nun wahrlich mal zur abwechslung erhellendes und auch der prävention dienendes zu tage befördern.
nachtrag: ich habe inzwischen ein anderes video, aber mit dem gleichen thema, ausgewählt, welches mehr von den vorgängen im warteraum zeigt.
so, da ich heute unvorhergesehernermaßen etwas zeit habe, will ich die neulich unterbrochene diskussion in einem neuen beitrag fortsetzen. und das werde ich in der form tun, dass ich die bisherigen argumente von guru in zusammenfassender weise beantworten werde, weil ich erstens weder zeit noch lust habe, jeden einzelnen kommentar separat zu beantworten, und weil ich zweitens noch erneuter lektüre der bisherigen kommentare finde, dass sich einiges wiederholt. im folgenden werde ich werde ich gurus argumente zu den strittigsten punkten kursiv zusammenfassend wiedergeben; wer sich das nochmals ausführlich ansehen möchte, sei auf die im ersten beitrag vorhandenen links zu seinen kommentaren verwiesen.
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1. gleich zur klarstellung @guru (und diejenigen, die sich seine argumentationen zu eigen machen):
nachdem ich mir Ihre beiträge nochmals gesammelt durchgelesen habe, muss ich Ihnen erstmal dafür danken, dass Sie selbst mittels Ihrer argumente bzw. den implikationen, die diese enthalten, gute gründe dafür liefern, warum der begriff autismus durchaus sehr geeignet zur beschreibung des inneren wesens gesamtgesellschaftlicher pathologien ist. und wie Sie vielleicht gleichfalls merken werden, sehe ich mich durch die teils extrem unterstellende und ebenfalls typisch dissoziierte art & weise Ihrer argumentation veranlasst, schärfer zu formulieren, als ich das ursprünglich vorgehabt hatte.
unterstellungen folgender art bspw.:
da reden Sie zum einen von einer "unlogischen Welt voller irrational agierender Menschen", die Sie bzw. das spektrum, dem Sie sich offensichtlich zurechnen, als "nt´s" bezeichnen, die voller böser absichten daherkommen: "Ihr lacht über uns. Grenzt uns aus. Bezeichnet uns als antisozial. Greift uns sogar tätlich an. Wann stempelt Ihr uns ein "A" in den Ausweis?" gleichfalls vertreten Sie ganz ernsthaft die abstruse these "Letzten Endes wurden immer Kriege geführt und technische Erungenschaften gemacht, weil der Platz knapp wurde. Die Überbevölkerung, an der wir Autisten ganz gewiss nicht schuld sind, ist die Wurzel allen Übels." und weisen damit ganz explizit den "nt´s" die schuld an "allem (gesellschaftlichen) übel" zu. was in anderen worten auch nochmals betont wird: "Destruktive Phänomene habt Ihr Euch selbst zuzuschreiben mit Eurer Konsumwut, Eurer Machtgier, Eurem Alphatiergehabe."
da frage ich mich dann doch ernsthaft, wer hier eigentlich wen diskriminiert?
erstens ist die wertung "unlogisch" ein ausdruck Ihrer eigenen wahrnehmung und enthält implizit die folgerung, dass dann auch nur das als "logisch" zu betrachten sei, was sich wiederum selbst in Ihrer wahrnehmung so abbildet. ebenfalls scheint Ihnen dabei nicht klar zu sein, dass eigentlich für alles als "unlogisch" betrachtete verhalten zutrifft, dass es jeweils durchaus seinen eigenen - und im jeweiligen kontext durchaus sinnvollen - logiken folgt (das gilt selbst für menschen, die sich zb. in schweren psychotischen zuständen befinden und situationen produzieren, die auf ihre gesamte soziale mitwelt bizarr und sinn-los wirken mögen).
zweitens verschweigen Sie schlicht den elementaren unterschied zwischen negativer (destruktiver) und positiver menschlicher irrationalität, sowie die jeweiligen (sozialen und auch historischen) entwicklungsbedingungen, die für beide notwendig sind. "irrationalität" ist bereits ein begriff, der hier im westlichen kulturraum eine negative wertung mit sich führt und auch dementsprechend als eine art abwertende keule benutzt wird. für mich ist es eher eine spezifisch menschliche fähigkeit, die etwas mit spontaneität und zweckfreiem (im sinne von nicht für etwas verwertbar sein) verhalten zu tun hat. destruktiv wird diese fähigkeit dann u.a. durch umstände, zu denen an anderen stellen hier genügend zu lesen ist.
der angeblich "neurologisch typische" mensch ist hingegen ein konstrukt erster güte, und wenn ich mir dann die gerade erwähnten eigenschaften betrachte, die Sie diesem konstrukt (wie aus Ihren worten zu entnehmen ist, quasi der ganze rest der nicht als im autistischen spektrum diagnostizierten menschheit) zuschreiben und dann auf der anderen seite Ihre versionen der autistischen existenz betrachte, wie sie hier geschildert werden, kommen mir spontan assoziationen zu dem, was im borderline-bereich als klassische schwarz-weiß-wahrnehmung bezeichnet wird. und ich kann mir auch vorstellen, dass dieser eindruck gerade nicht auf einem zufall beruht - aber dazu später.
es existieren jedenfalls keine "neurologisch typischen" menschen - kein einziges menschliches gehirn gleicht dem anderen, und es lässt sich höchstens von - fließenden - übergängen zwischen mehr oder wenigen vollständigen und mehr oder weniger unvollständigen subjektivitäten bzw. den wahrnehmungsfähigkeiten, auf denen diese subjektivität beruht, reden. die synonyme "gesund" und "krank bzw. gestört" erfassen diese (un-)vollständigkeiten meiner meinung nach zwar keinesfalls in ihren gesamten dimensionen, sind jedoch für eine annäherung speziell an die realitäten, die sich aus dem agieren von in ihrer vollen subjektivität geschädigten menschen ergeben, durchaus brauchbar.
wie Ihnen weiterhin bekannt sein dürfte, lassen sich inzwischen für die meisten psychophysischen störungen ("psychische krankheiten") durchaus neurophysiologische, neurobiologische und neurochemische besonderheiten nachweisen, die - egal ob von kürzerer oder längerer, funktioneller bis struktureller irreversibler ausprägung - es ebenfalls als nicht gerechtfertigt ansehen lassen, in irgendeiner weise von einem quasi "neurologischen standard" auszugehen. dies umso mehr, als dass sich die änderungen im erleben und verhalten, die mit den erwähnten besonderheiten einhergehen, potenziell im "repertoire" von (fast) jedem menschen befinden - und unter bestimmten umständen entweder schwächer (dann meistens als "charakterzug/persönlichkeitsmerkmal" auch von außen wahrgenommen) oder stärker (dann mit u.u. störenden wirkungen für umwelt und betroffenene als pathologisch begriffen) aktiviert werden. will sagen: das, was als gesundheit begriffen wird, ist real ein ständiger prozeß, der kein statischer sein kann (was in dem nt-konstrukt implizit als behauptung enthalten ist), sondern eher ein ständiges zu- und wegbewegen auf und von einem real niemals zu erreichenden hypothetischen absoluten psychophysischem gleichgewichtszustand.
dann zu dem, was Sie "den nt´s" alles so unterstellen: die anrede "Ihr" bedeutet im fraglichen kontext durchaus, dass Sie auch sowohl mir als auch den anderen leserInnen hier direkt alles aufgezählte faktisch mitunterjubeln möchten. und das weise ich nicht nur für mich, sondern auch für die mir bekannten leserInnen entschieden zurück!
und kommen Sie mir jetzt nicht damit, dass Sie ja nur sozusagen den spieß umgedreht hätten: was Sie die ganze zeit entweder nicht verstanden haben , verstehen können oder möchten, ist der umstand, dass Sie keinesfalls das alleinige "recht" auf den begriff autismus besitzen, sondern das sich autismus im üblichen sprachgebrauch, aber auch medizinisch (auch dazu später mehr) im kern um ganz spezifische wahrnehmungsphänomene hinsichtlich der selbstwahrnehmung und im sozialen bereich dreht, die potenziell in sehr verschiedenen formen und ausprägungen ebenfalls eine option für alle menschen darstellen - und wenn Sie das wort autismus aus dem klinischen bereich heraushaben möchten, wäre die verbreitung eines entsprechenden bewußtseins und der daraus möglich werdenden nötigen differenzierung zwischen den verschiedenen möglichkeiten autistischer zustände aus meiner perspektive wesentlich sinnvoller als die selbststilisierung zum diskriminierten opfer böswilliger ignoranten, auf die Ihre beiträge hinauslaufen.
und wo wir gerade dabei sind: wenn ich mir die verschiedenen medialen & öffentlichen versuche anschaue, die besonderheiten (klinischer) autistischer zustände zu vermitteln bzw. bekannt zu machen, so würde ich sagen, das ich gerade diesbezgl. keinesfalls eine grundsätzliche diskriminierung erkennen kann - höchstens eine, die sich als "positive" form bezeichnen ließe. die bekanntesten bücher oder filme zum thema zeichnen durchgehend ein bild, welches nicht zufällig (durch rückkoppelungseffekte) dem nahekommt, was ich zu hören bekomme, wenn ich in meiner näheren oder weiteren umgebung auf dieses blog und speziell den begriff autismus angesprochen werde:
das sind i.d.r. die ersten assoziationen; weitere wie "behindert" folgen erst dahinter. jedenfalls kann ich selbst regelmässig keinerlei "ausgrenzungsbedürfnisse" wie die von Ihnen in völlig überzogener weise unterstellten feststellen, sondern eher ein grundsätzliches und auch wohlwollendes interesse an etwas dem eigenen leben - offenbar - sehr fremdes. gleichfalls ist das tatsächliche vorhandene wissen zum thema sehr beschränkt, bis dahin, dass mit dem begriff autismus überhaupt nichts angefangen werden kann. und letzteres ist auch der grund für mich zu sagen, dass ich mir nur in sehr, sehr seltenen ausnahmefällen überhaupt vorstellen kann, dass als autistisch diagnostizierte genau aus diesem grund diskriminiert, gemobbt oder sonstwie angegriffen werden. ich streite keinesfalls ab, dass menschen mit den "klassischen" (asperger-)autistischen zügen in verschiedensten sozialen situationen u.u. größere und auch bedrohliche probleme bekommen können - ich sehe bloß nicht, dass sie diese probleme "wegen autismus" bekommen, sondern eher wird aus den gleichen gründen gemobbt und bedroht, aus denen bspw. auch rassistische und sexistische angriffe entstehen: ein beliebiges "anderes" bzw. fremdes wird aus rudimentären wahrnehmungsfragmenten bezgl. hautfarbe, persönlichkeitszügen oder auch geschlecht konstruiert, um sich - meistens - in form einer halluzinierten gruppenidentität größer bzw. machtvoller zu fühlen.
was ich bezgl. solcher täterInnen denke, ist ebenfalls an vielen stellen im blog schon thema gewesen. u.a. auch meine schlußfolgerungen, ganz spezifische autistische zustände als wesentlich prägender wahrnehmungsmodus bei solchen leuten zu vermuten. eben vor dem hintergrund meines weiter oben geäusserten satzes von diesen zuständen als einer allgemein menschlichen option. und das bedeutet eben nicht automatisch, dass ich diese spezifischen (!) zustände auch generell und umstandslos allen leuten mit einer diagnose aus dem "offiziellen" autistischen
spektrum unterstellen würde, sondern es geht einfach darum, die möglichen folgerungen und implikationen, die heute aus der forschung bezgl. autistischer zutände ableitbar sind (und das bezieht allerdings durchaus auch forschungen ein, die Ihnen vielleicht nicht so ganz passen mögen), mit jenen gesellschaftlichen realitäten abzugleichen, die heute jeden empfindenen menschen belasten müssen - weil es einige indizien dafür gibt, hier ganz elementare zusammenhänge zu vermuten. und das ist nicht nur ein im sinne der von Ihnen neulich beschworenen meinungsfreiheit zulässiges unterfangen, sondern sogar ein aus meiner sicht ganz dringend notwendiges von einiger gesellschaftlicher relevanz. Sie müssen die daran interessierten übrigens für ziemlich beschränkt in ihren emotionalen und intellektuellen fähigkeiten halten, wenn Sie einen derartigen versuch wie hier mit dem ruf "diskriminierung!" als unzulässig darstellen wollen - wenn es "da draußen" bei einigen zeitgenossen an der nötigen differenzierungsfähigkeit fehlen mag und die tatsächlich etwas in den falschen hals bekommen sollten, dann ist das primär das problem von denen - und nicht das von mir oder anderen, die sich mit den gesellschaftlichen implikationen von autistischer wahrnehmung beschäftigen.
dann zur diskriminierung noch dieses: wenn Sie sich einmal die berichterstattung bezgl. autismus und - ich wähle das beispiel bewußt, da ich selbst einige jahre mit der diagnose herumgerannt bin - der borderline-ps anschauen, müsste Ihnen eigentlich so einiges auffallen - insbesondere der fakt, dass - und auch derartige berichte habe ich im blog zur genüge dokumentiert - bspw. grausame fälle von kindermord bzw. gewalt gegen kinder in monotoner regelmäßigkeit zu forensischen gutachten führen, in denen bezgl der täterInnen das wort "borderline" fällt. ebenfalls wäre in Ihrer logik die feststellung diskriminierend, dass ein hoher prozentsatz aller männlichen knastinsassen nicht nur in diesem land mit hoher wahrscheinlichkeit diese diagnose unsichtbar vor sich herträgt. ein unterschied zwischen uns ist nun, dass ich keinesfalls mit dem ruf "diskriminierung" ein faktisches denkverbot davor errichten möchte, sich möglichst genau mit den gründen und umständen des gehäuften vorkommens dieser diagnose bei wahrlich destruktiven bzw.antisozialen aktionen zu beschäftigen und auch aus ganz eigenem interesse mehr darüber zu wissen zu wollen. ein weiterer unterschied liegt darin begründet, dass Sie jede auch nur denkbare negative richtung der inhaltlichen definition des begriffes autismus abwehren, während ich die negativen implikationen der diagnose borderline zu einem großen teil durchaus begründet finde, und zwar auch aus meinem ganz eigenem erleben heraus. und diese implikationen haben - für mich - auch sehr wohl etwas mit den angesprochenen autistischen optionen im menschen zu tun. wie Sie sich aus dieser situation heraus dann eine wie auch immer beschaffene diskriminierung basteln, bleibt umso mehr ein geheimnis, je länger ich darüber nachdenke.
und zum schluß dieses teils noch etwas zur "überbevölkerung": der entsprechende diskurs ist regelmäßig ein rechter, und vernebelt die tatsache, dass auf einem bescheidenen, aber ausreichenden materiellem niveau der planet durchaus ein leben, welches diesen namen auch verdient, für die heutige anzahl von menschen ermöglichen würde - das würde allerdings den verlust primär des westlichen wohlstandsniveaus nach sich ziehen, und ist aus diesem grunde unpopulär. stattdessen werden eher mit rassistischen klischees vermixte schreckbilder von sich unkontrolliert vermehrenden andersfarbigen menschenmassen "da im süden" bemüht, um sich derart beruhigt in pseudoerklärungen zu flüchten, die die eigenen privilegien nicht anzutasten drohen. das Sie dann noch gar "die überbevölkerung" als alleinige ursache "allen übels" bezeichnen, ist eine von allen real gegebenen gesellschaftlichen realitäten so unbefleckte weltsicht, dass Sie sich in einer diskussion, bei denen Sie nichts weiter als derart reaktionäres zeug abgegeben hätten, als ernsthafter gesprächspartner disqualifiziert hätten. da wir uns aber hier in einem etwas anderen thematischen kontext befinden, nur noch das: wenn ein autist, der augenscheinlich faktisch die gesamte nichtautistische (bzw. nicht so diagnostizierte) menschheit derart negativ wahrnimmt, wie anfangs thematisiert, dann als quelle dieser negativität ("allen übels") offenbar die existenz zu vieler dieser ("nichtautistischen", denn Ihre mitgenossInnen sprechen Sie ja ausdrücklich in dieser hinsicht frei) menschen ansieht - dann, ja dann könnte das bei aufmerksamen mitleserInnen erst wirklich eine assoziation bzw. frage danach aufwerfen, wie es mit der von Ihnen immer wieder implizit beschworenen "besseren menschlichkeit" im offiziellen autistischen spektrum eigentlich real aussieht. oder, um es bewußt überspitzt(!) und polemisch auszudrücken: hatte womöglich der protagonistdiesergeschichte hier ein ähnliches weltbild wie Sie? (das Sie übrigens an anderer stelle in Ihren kommentaren explizit eine mögliche höhere beteiligung von (asperger-)autistischen betroffenen an sog. amok-taten einräumen und gleich auch sehr verständnisvoll als eine art notwehr-reaktion erklären, macht die sache keinesfalls besser).
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da das ganze jetzt wieder mehr geworden ist als eigentlich vorgesehen, werde ich den zweiten punkt - die dissoziative art und weise Ihrer argumentation, die übrigens besonders deutlich in Ihren definitionen von ursachen und wesen "des" autismus deutlich wird - wieder verschieben müssen. ich hoffe, zum wochenende die nötige ruhe dafür zu finden. und bis dahin werde ich auch - aus der erfahrung beim letzten male heraus - die kommentarmöglichkeit hier direkt zum beitrag sperren. die fortsetzung wird durchaus direkte bezüge zum obigen besitzen; und vieles im kommenden teil erst recht verständlich - und umgekehrt - bei der ganzen betrachtung meiner position.
achja, bevor ich das vergesse: zum kommentar von "wizud" beim vorherigen beitrag, der in anderer form auch im gästebuch (nicht veröffentlicht) geschrieben wurde, nur das:
auch autisten blamieren sich offenbar, so gut sie können.
in den letzten tagen hat ein leser namens guru, selbst (asperger-)autist, wie ich den kommentaren entnehme, hier an verschiedenen stellen harsche kritik an dem im blog vertretenen autismus-begriff und seinen möglichen implikationen geübt. um diese diskussion übersichtlicher zu gestalten, mache ich einen eigenen beitrag dafür auf, auch weil es bei den aufgegriffenen themen inhaltlich zur sache geht. deshalb @guru und potenzielle andere: ich bitte darum, dass Sie zukünftige kommentare innerhalb dieses beitrags hinterlassen, schon weil das zusammensuchen an verschiedenen stellen einen größeren aufwand bedeutet. die von Ihnen gesuchte beitragsübersicht lässt sich übrigens in der menueleiste rechts unter dem punktindexfinden.
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um das ganze für interessierte leserInnen, die womöglich erst jetzt einsteigen, nachvollziehbarer zu machen, liste ich die bisherigen kommentare von guru jetzt in ihrer chronologischen folge auf:eins,zwei,drei,vier,fünf,sechs,sieben,achtundneun.
eineerste antwortmeinerseits hatte ich auf kommentar fünf gegeben, gurus replik wiederum werde ich im folgenden zitierend beantworten.
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bevor ich aber gleich damit beginne, scheint es mir angebracht, nochmals teilediesesalten beitrages hier einleitend zu zitieren:
(...)1. was bedeutet eigentlich "autismuskritik"?
dieses wort ist eine spontane augenblickskreation und scheint mir bis auf weiteres als prägnante zusammenfassung das hauptthema dieses blogs am ehesten wiederzugeben - den versuch einer analyse und kritik diverser gesellschaftlicher phänomene, die mir in den letzten jahren zunehmend bedrohlich erscheinen - die folgen von direkter und struktureller gewalt auf die menschlichen fähigkeiten zum sozialen leben als basis jeder gesellschaft und kultur. der autismus, egal wie er definiert wird - als krankheit, als behinderung, und/oder als seinsweise - weist dabei strukturell am deutlichsten in seinen erscheinungsformen auf defekte hin, die sich meiner meinung nach auch in gesellschaftlichen bereichen wiederfinden lassen, die wir als "normal" zu betrachten uns angewöhnt haben.
2. ist es nicht unzulässig und auch diskriminierend für direkt betroffene, das attribut "autistisch" in zusammenhang bspw. mit kindsmorden, kriegen und allgemein soziopathischem verhalten zu benutzen?
eine berechtigte frage - zeit für eine klarstellung: mir ist schon klar, das autistische menschen heute i.d.r. selbst betroffen von vielfältiger stigmatisierung/ausgrenzung sind (das gilt z.t. übrigens auch für diejenigen, die die diagnose einer der hier öfter erwähnten persönlichkeitsstörungen mit sich herumschleppen, gerade borderline ). und gleichfalls sind als solche diagnostizierte autistische menschen in aller regel nicht an der mehrzahl der hier dokumentierten, teils extrem destruktiven verhaltensweisen, beteiligt. trotzdem scheint mir aus gründen, die in punkt 1 schon näher benannt wurden, das wort "autismus" als nicht nur als metapher begründet zu sein - vor allem dann, wenn man ( wie ich) von der these ausgeht, dass sich autistische züge und strukturen bei weitaus mehr menschen finden lassen als bei den immer noch relativ wenigen, die eine diagnose aus diesem spektrum "offiziell" tragen. dabei geht es vor allem um die grundsätzlichen möglichkeiten und defekte der menschlichen wahrnehmungsfähigkeiten, die als eine der wichtigsten voraussetzungen für das menschliche leben auch für jede gesellschaft und kultur eine entscheidende (und meistens völlig unterschätzte) rolle spielen. die krankheiten des autistischen spektrums weisen dabei am deutlichsten darauf hin, was wahrnehmungsstörungen und defekte für konsequenzen haben können. bei anderen diagnosen, v.a. aus dem bereich der persönlichkeitsstörungen, existieren hingegen recht weit verbreitete und gut dokumentierte materialien, die einen zusammenhang zwischen kulturellen und gesellschaftlichen entwicklungen, extrem destruktiven praktiken und bestimmten persönlichkeitsstörungen mehr als nur nahelegen.(...)
das nochmals zur erinnerung. und nun zur direkten debatte. die von guru zitierten teile meiner vorherigen antwort setze ich dabei zwecks unterscheidbarkeit in eckige klammern.
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Dass Sie Erfahrungen mit psychiatrischen Diagnosen haben, tut mir sehr leid. Es scheint Ihrem Verstand ja nicht geschadet zu haben,
der sog. verstand oder die instrumentelle intelligenz ist in aller regel bei psychophyischen störungen nicht nur nicht geschädigt im konventionellen sinne, sondern diese fähigkeiten springen mit einiger wahrscheinlichkeit sogar kompensatorisch, wenn auch in unorthodoxer form, für die jeweils ausgefallenen fähigkeiten ein - das dürfte selbst für die "klassischen" psychosen gelten.
Konstruktivismus ist eine interessante Theorie, radikaler auch, besonders aus wahrnehmungstheoretischer Sicht. Die Realität wird konstruiert und es werden Zusammenhänge hergestellt, wo manchmal gar keine sind. Und ich finde, das passiert hier.
da die virtuelle "natur" des netzes grundsätzlich eine konstruktivistische ist, lässt sich dieser eindruck - und zwar egal, bei welchem thema - nicht vermeiden.
Verdinglichung ist auch ein spannendes Thema. Einem Menschen Gefühle abzusprechen heißt, ihm Menschsein abzusprechen, Tiersein, Teil der Natur sein. Es heißt, ihn zu einem Objekt zu machen. Das ist Verdinglichung oder habe ich was falsch verstanden?
ja, haben Sie. wenn auch haarscharf: verdinglichung ist das produkt von bestimmten wahrnehmungsmodi, die aus bestimmten gründen in bereichen auftreten - zwischenmenschlich/sozial und auch gegenüber tieren - , in denen sie hochgradig dysfunktional und destruktiv wirken müssen. diese wahrnehmungsmodi, die ich hier im blog unter das label objektivistisch gepackt habe, gehören zur menschlichen grundausstattung, und sind zur bewältigung des lebens bzw. der auseinandersetzung mit den nichtlebendigen teilen unserer umwelt unverzichtbar und nicht per se pathologisch. letzteres werden sie jedoch in diversen formen und ausprägungen immer dann, wenn das gestörte psychophysische gleichgewicht innerhalb eines menschen den objektivistischen modus in eine wahrnehmungsmäßige monopolposition gebracht hat. das hat erstens zur folge, dass sich der betroffene in einem gewissen sinne selbst, v.a. "seinen" körper, als objekt wahrnimmt, und zweitens diese art der wahrnehmung im gesamten sozialen bereich praktiziert. anders ließe sich das als weitgehender verlust der eigenen vollständigen subjektivität beschreiben, und das ist die vorbedingung dafür, auch bei anderen deren subjektivität nicht mehr wahrnehmen zu können. im schlimmsten fall wird dieser status dann noch mittels objektivistisch produzierter simulationen überspielt, um sich an die jeweiligen sozialen normen und verhaltenskodexe anzupassen - in einer art "reinform" bei den klassischen soziopathen zu beobachten.
und subjektive fähigkeiten/eigenarten wie gefühle werden eher nicht "abgesprochen", sondern können vom objektivistischen modus nicht wahrgenommen werden, bzw. werden als konstruiertes interpretiert, was aber eher einer projektion des eigenen funktionsmodus entspricht. und auch, wenn sich dieser ganze prozeß als eine art überlebens- und anpassungsstrategie (innerhalb antisozialer umweltbedingungen) verstehen lässt, bleibt das ganze grundsätzlich destruktiv - zumindest für andere, nicht unbedingt für den betroffenen selbst. wie letzteres dann konkret aussehen kann, zeigt einfallbeispiel.
Grundlegende soziale Fähigkeiten – was versteht man darunter? Ich möchte wohl behaupten, dass ich über grundlegende soziale Fähigkeiten verfüge. Mitunter bin ich etwas zu direkt und man sollte mich nicht nach meiner Meinung fragen, wenn man sie nicht hören will, aber grundsätzlich bin ich ein sozial sehr engagierter und feinfühliger Mensch und selbst wenn ich dies nicht wäre, bliebe ich ein Mensch wie jeder andere. Oder anders, wenn ich das nicht wäre, wäre ich wie die meisten anderen.
grundlegende soziale fähigkeiten sind zb.empathieals umfassende subjektive fähigkeit, einen anderen menschen verstehen zu können. ebenso fällt dieintuitiondarunter als fähigkeit, beliebige situationen spontan ganzheitlich korrekt und in einer tiefe wahrnehmen zu können, die "der verstand" aufgrund seiner funktionalen beschränkungen niemals erreichen kann - seine aufgabe ist eher die im besten falle realistische interpretation und synthese der wahrgenommenen informationen.
ohne die beiden genannten ist letztlich kein soziales leben denkbar, welches auf vertrauen, liebes- und kollektivfähigkeit basieren sollte. das es das bis heute nur in absoluten ausnahmen tut, hat auch damit zu tun, dass diese sozialen fähigkeiten bzw. ihre materiell-körperlichen voraussetzungen - die in den verlinkten beiträgen teils schon erwähnt sind;spiegelneuroneund propriozeptiongehören u.a. dazu - in einem klassisch klinischen sinne geschädigt bzw. u.u. auch zerstört werden können. und wenn man nun so ein phänomen wie die verdinglichung umfassend begreifen will, ist es mehr als nur plausibel, die grundlagen eines solchen sozusagen entgleisten wahrnehmungsmodus´ eben in unserer absoluten biologischen basis zu suchen: dem körper (incl. hirn & nervensysteme), der wir sind.
da Sie sich ja vermutlich aus höchst eigenem interesse mit den diversen forschungen rund um den autismus beschäftigen, sind Ihnen vielleicht auch forschungen wiediesebekannt, wo es um den zusammenhang zwischen gestörten spiegelneuronsystemen und autismus geht? was automatisch die frage nach derempathiefähigkeitbei autismus nach sich zieht. ebenso gibt es starke hinweise richtungstörungen(im letzten teil des beitrags) der oben erwähnten propriozeptiven wahrnehmung bei autistischen menschen.
das läßt aus meiner sicht hinsichtlich Ihrer obigen behauptung bzw. selbstbeschreibung, die ich bezgl. Ihrer selbstwahrnehmung gar nicht in abrede stellen will bzw. kann, eigentlich nur zwei schlüsse zu - und jetzt werde ich sehr direkt und nicht um den heißen brei herumreden:
entweder ist Ihre (vermutliche) diagnose unzutreffend, oder aber Ihre selbstwahrnehmung beruht auf einem zugegebenermaßen extrem schwer zu erkennenden prozeß der verwechslung von authentischen sozialen fähigkeiten mit durch eine art lernprozeß herausgebildeten simulativen fähigkeiten, die sich bei Ihnen zwecks anpassung / überleben / funktionieren in einer sozialen umwelt geprägt haben. das wäre noch nichteinmal als manko zu betrachten, sondern lässt sich auch in einem bestimmten sinne als kreative lösung eines existenziellen problems ansehen. nur: qualitativ wäre Ihre art der wahrnehmung trotzdem etwas sehr anderes als das, was ich oben unter den sozialen fähigkeiten beschrieben habe. und ich muss Ihnen auch sagen, dass ich "soziales engagement" nicht als - hm, "beleg" für das vorhandensein bzw. nichtvorhandensein authentischer sozialität ansehen kann. sozial engagieren kann ich mich auch aus eiskaltem kalkül heraus, um bestimmte wirkungen zu erzielen, die mit altruistischen motivationen aber auch gar nix zu tun haben müssen - die marketing- und pr-abteilungen großer konzerne verbringen inzwischen einen großen teil ihrer zeit mit derlei als-ob-engagement. ebenso kann authentisch wirkendes soziales engagement ein teil des konstrukts einer beliebigen eigenen identität sein, welche ganz und gar simulativ daherkommen kann, aber eben als solche nicht bewusst sein muss.
wie gesagt, ich will Ihnen mit dem obigen nichts unterstellen, weise aber darauf hin, dass Sie durchaus die möglichkeit in betracht ziehen müssen, dass Ihnen Ihre selbstwahrnehmung hier einen streich spielt - was bei einer lebenslangen praxis desselben weder verwunderlich noch unverständlich wäre. denn genau durch (qualitative) veränderungen dieser sozialen fähigkeiten (und den konsequenzen) zeichnet sich der klassische autismus, jedenfalls nach allem, was ich bisher weiß, ja aus.
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an dieser stelle möchte ich aus zeitlichen gründen unterbrechen. der rest der antwort kommt in einem update demnächst. ich würde es begrüßen, wenn bis zu diesem zweiten teil von kommentaren zum obigen abgesehen wird.
wiedermal einprozeßbericht, der allzuoft gelesenes enthält:
(...)"Der vierte Prozesstag um den zu Weihnachten in Kirchberg verhungerten Robin brachte erschütternde Details ans Licht. Der Rechtsmediziner Karl-Heinz Thiele, der Robins Leiche am 27. Dezember obduzierte, berichtete am Freitag, dass der einst bis zu 14 Kilo schwere Junge zuletzt noch 8711 Gramm wog. Er hätte Anzeichen eines extremen Nahrungs- und Flüssigkeitsmangels aufgewiesen, "der letztlich zum Tod führte". Seine Beschreibung des Zweijährigen war so erschütternd, dass eine Zuhörerin unter Tränen aus dem Verhandlungssaal stürzte. Auch bei der angeklagten Mutter liefen Tränen.(...)
Der psychiatrische Sachverständige Günter Petermann bescheinigte der 24-Jährigen, dass bei ihr "eine bedeutsam ausgeprägte Borderline-Persönlichkeitsstörung" vorliege. Er hält sie deshalb für vermindert schuldfähig. 1,8 Prozent der Bevölkerung litten unter dieser Krankheit. Sie beeinträchtige die Gefühle, das Denken und Handeln, was sich durch negatives und teilweise paradox wirkendes Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie im gestörten Verhältnis zu sich selbst äußere.
Der Borderline-Gestörte hätte ein chronisches Gefühl der Leere, er leide unter Ängsten und Hilflosigkeit. "Robins Zustand wurde von ihr nicht so dramatisch erlebt. Für einen Außenstehenden ist das nicht nachvollziehbar", sagte der Mediziner. "Sie hielt die Reise zum neuen Freund für vertretbar. Denn sie konnte die Situation nicht korrekt einschätzen. Die Wahrnehmung der Realität war bei ihr gestört. Hätte sie Robins Zustand als lebensbedrohlich gesehen, wäre sie wahrscheinlich nicht gefahren."(...)
der satz "Die Wahrnehmung der Realität war bei ihr gestört" stellt dabei - im gegensatz zu manch anderen hier im blog zitierten psychiatrischen stellungnahmen - durchaus eine realistische realitätsbeschreibung dar und gibt dazu eigentlich allen anlaß dafür, fragen zu stellen wie zb. die, wie genau diese gestörte wahrnehmung funktioniert und was sie hervorbringt. diesen fragestellungen und den möglichen antworten aber verweigern sich psychiatrie und justiz - stellvertzretend für die gesamtgesellschaft - bis heute größtenteils konsequent, und derartige entsetzliche geschehnisse sind dann u.a. das resultat.
die beschreibung des wahrnehmungsmodus´ der mutter ähnelt übrigens frappierend denhierthematisierten zuständen, die sich zusammenfassend so begreifen lassen:
(...)"Kurzum, es gibt einen Unterschied zwischen lebendigen und mechanistisch toten Ereignissen. Wer diesen Unterschied nicht kennt, ist de facto sehr krank, und zwar in einem sehr strengen, objektiv-wissenschaftlichen Sinne: Die entsprechende Symptomatik findet sich beispielsweise im autistischen und psychotischen Kontext und wird im Bereich extremer Antisozialität zu einem gesellschaftlichen Problem. In all diesen Fällen ist unter anderem auch diese Unterscheidung für die Betroffenen sehr unsicher oder unmöglich geworden. Diese mangelhafte Unterscheidungsfähigkeit entwickelt spätestens dann tragische Dimensionen, wenn eine lebendiger Mensch von einem anderen Menschen wie eine Sache, wie ein totes Ding behandelt wird, ohne daß sich der Akteur selbst an dieser kategorialen Todsünde, die in der Praxis nicht selten einen tödlichen Ausgang nimmt, irgendwie stören müßte."(...)
(mertz, "borderline..." [siehe literaturliste]; s. 160)
und welches diagnostische etikett dann in solchen fällen vergeben wird, ist letztlich zwar nicht sekundär, verweist aber i.d.r. bis heute eher auf wahrnehmungsdefizite von psychiatrie & psychologie als auf die tatsächlich existierende realität.