vielleicht das einzige - natürlich ungewollte - "gute" an der prä-faschistischen (man betrachte sich die historische nutzung der attribute "geistig" und "dekadent", gerade in diesem land!) amok-rhetorik des w.ichtes liegt darin, dass ich bei betrachtung der reaktionen und kommentare in allen möglichen foren, egal ob mainstream oder nicht, es fast zum greifen finde, wie massiv polarisiert die ganze soziale situation hier ist - ich habe selten zuvor das gefühl gehabt, dass eine art grenze für viele erreicht ist - und zwar auch bei jenen, denen gegenüber aus ganz elementarer menschlicher emotionaler rationalität heraus eine entschiedene gegnerschaft auszusprechen ist - all jene, für die ein w. stellvertretend steht.
zwei postings nun, die das allermeiste von dem auf den punkt bringen, was ich selbst ebenfalls als eine art matrix im hintergrund begreife, welche die aktuellen konflikte aus der tiefe speist. zunächst eine variation der feststellung, dass die (meisten) menschen beziehungswesen undkeine monadensind:
(...) "Ich bin dafür, Sie zu enteignen als Schadensersatz für von der Gesellschaft für Sie aufgebrachte Leistungen und irgendwo im nirgendwo z.B. in Afg. anzusiedeln. Die warten dort dringend auf Menschen, die wissen wo es lang gehen muß.
Jedenfalls sollten Sie erstmal eine Gebühr zahlen, für die Straße, die wir für Sie vorfinanziert haben, das Wasser, daß wir für Sie fördern, reinigen und zu Ihnen pumpen und für alles andere, was die Gesellschaft je für Sie getan hat! Dann, und wirklich erst dann, werden Sie feststellen, daß der Mensch ein Gemeinschaftstier und kein Einzelgänger ist." (...)
ja. es ist immer deutlicher zu sehen, dass sich all die visagen der selbsterklärten "elite" aus wirtschaftsterroristen / organisiert kriminellen / antisozialen bis echten soziopathen /narzisstisch gestörten sowie ihre "politischen" marionetten und claquere tatsächlich benehmen, als hätten sie selbst die strassen für ihre autos, ihre protzvillen, die flughäfen für ihre privatjets und eigentlich ihre gesamte materielle ausstattung erschaffen - rein durch ihre generelle halluzinierte "überlegenheit", die sich allerdings real nur in absoluter skrupel- und rücksichtslosigkeit manifestiert. wahrlich übermenschen, welche die deutlichste ausprägung jener pathologischen psychophysischen zustände im wahrsten sinne des wortes verkörpern, die hier als normalität angesehen und immer noch verklärt werden - die fiktion eines quasi "autarken", "bürgerlichen" "ichs", welches aller wahrscheinlichkeit nach doch nur eine art der kompensation darstellt - eine kompensation massiv gewalttätiger und traumatischer einflüsse auf die menschen, seit generationen und jahrhunderten.
und diese art "ich", besonders in seiner ausgeprägtobjektivistischenvariante, ist tatsächlich von seinem wesen her strukturell oder funktionell autistisch (im sinne einer weitgehenden, psychophysisch begründeten beziehungsunfähigkeit).
ich vermute, ein großteil dieser leute würde selbst dann nichts verstehen können, wenn man sie aufforderte, sich doch dann bitte konsequent von aller sozialität abzuwenden und bspw. als einsiedler im wald zu belegen, dass sie tatsächlich - und zwar ohne jegliches, von anderen menschen produziertes hilfsmittel - in ihrem sinne so "autark" oder "frei" sind, wie sie es in ihren pathologischen ideologien immer wieder als angeblich menschliche höchste entwicklungsstufe anpreisen.
(und klar, natürlich können sie diesen beleg auf keinen fall liefern, wären sie doch ohne auch noch so rudimentäre bzw. meist nur materielle zuwendungen seitens anderer als baby oder kleinkind überhaupt nicht überlebensfähig gewesen. mir scheint, in ihrer verachtung und ihrem hass auf die menschliche sozialität an sich stecken auch - wieder wortwörtlich zu nehmen - unerhörte informationen über die verhältnisse, aus denen sie als quasi-mutanten entsprungen sind.
aber wie ich schon oft schrieb: verständnis ist nicht gleich akzeptanz.)
eine weiterer kommentar macht deutlich, was sich hinter der bezeichnungquasi-mutantenverbergen könnte (von "dreizehn" am 12.02. um 20.45 h):
(...) "Ich glaub, so einer hat null Ich-Stärke. Der quasselt zwar ständig von sowas und macht die harte Nummer, aber wir wissen ja dass es die nackte Not ist und der Mangel an innerer Stärke, der solche Figuren anhält, wenigsten sowas ständig im Munde zu führen. Quasselt auch endlos von Verantwortung und ich möchte wetten, der kennt kein verantwortungsvolles Verhalten, vor allem nicht sich selbst gegenüber, weil es den im eigentlich Sinne gar nicht gibt.
Bei Leuten dieser Machart tritt das Geld, die nackte materielle Geltung, Status mit allem was dazugehört, an die Stelle .. ja von was? Wohl an die Stelle des Ich. Oder verdrängt die Seele oder so, die Figur existiert geradezu nur noch im Auftritt. Drinnen drin ist nix oder nur rudimentär was.
Sowas regiert uns als Außenminister und wir müssen nicht glauben, dass die in anderen Ländern anders wären, oder? Und nicht nur die Außenminister." (...)
*
"Drinnen drin ist nix" - dem ist nichts mehr hinzuzufügen.und das ist ihre welt, ihr natürliches habitat, ihr humus und ihr element - die wirkliche welt der "leistungsträger":
(...) "Man denkt immer noch, dass das organisierte Verbrechen von einer Minderheit bestimmt wird, die in einer kriminellen Unterwelt lebt und keinerlei Berührungspunkte mit der Welt und dem Leben der ehrlichen Bevölkerung hat. (...)
mit der "ehrlichen bevölkerung" ist das so eine sache, wobei das im vergleich mit der tatsächlich existierenden organisierten kriminalität immerhin eine gewisse berechtigung besitzt, diesen begriff so zu benutzen. aber egal, er wird jetzt eh geradegerückt:
(...) "Leider sieht die Realität ganz anders aus. Die Welt des internationalen Verbrechens und die Welt der normalen Bürger sind zwei Seiten derselben Medaille; tatsächlich sind sie voneinander abhängig. Was wir als den äußeren Feind bekämpfen, ist in Wahrheit schon längst im Innern und ist Teil unseres täglichen Lebens, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind.
Wir müssen uns nur vor Augen halten, welche Art von illegalen Waren und Dienstleistungen das organisierte Verbrechen ihren willigen Kunden anbietet. Das Geschäft floriert, weil es Millionen von Bürger gibt, die ein Interesse an den illegalen Waren und Dienstleistungen haben. Einen Großteil der kriminellen Aktivität muss man also als ein Phänomen der freien Marktwirtschaft einstufen, reguliert durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage." (...)
eine grosse wahrheit, im letzten satz gelassen ausgeprochen.
(...) "Die Einzelstaaten haben die Kontrolle über den Markt verloren, da die national beschränkte Gesetzgebung nicht auf eine globale, alle Grenzen überschreitende Marktwirtschaft angewendet werden kann. Die jüngste Krise, die 2008 die Weltwirtschaft zu Fall brachte, zeigte, welche katastrophalen Folgen eine Wirtschaft hat, die sich an keine Regeln hält und hauptsächlich von Leuten betrieben wird, die international operieren. Außerdem hat alle Welt gesehen, dass die Staaten unfähig sind, die Wirtschaft im Griff zu behalten - außer wenn es darum geht, großzügig öffentliche Gelder auszugeben, um einen weltweiten Zusammenbruch zu vermeiden. Neue Regulierungen, die angekündigt wurden, um die Ausgabe der Gelder zu rechtfertigen und die öffentliche Meinung zu beschwichtigen, sind nie in Kraft getreten. Auch daran sieht man die Machtlosigkeit der Politik gegenüber der Wirtschaft und die Umkehrung der Rangfolge.
Da der Markt weder reguliert wird noch transparent ist, muss man mit neuen Immobilien- und Finanzblasen rechnen, die wie Zeitbomben jederzeit platzen können und dann die Ersparnisse von vielen Bürgern in Rauch aufgehen lassen und Millionen von Arbeitslosen produzieren.
Die Auswüchse der Wirtschaftskriminalität in den Chefetagen der internationalen Konzerne, die die Weltwirtschaft bestimmen, verursachen weit größere und schwerer zu behebende Schäden als andere Verbrechen." (...)
ich empfehle sehr, den ganzen text ausgiebig zu studieren, und bringe noch ein langes zitat, welches die dinge auf ihren monströsen punkt bringt:
(...) "Man wird sich vielleicht fragen, warum ich bei einem Kongress über organisierte Kriminalität so ausführlich über makropolitische und makroökonomische Phänomene spreche. Ich bin der Meinung, dass Anwälte und Kriminologen es sich heutzutage nicht mehr leisten können, so naiv zu sein. Denn es ist tatsächlich naiv zu glauben, man könne die internationale Kriminalität mit den gängigen Sicherheitsmaßnahmen bekämpfen, wenn man diese nur international ausweite.
Man muss sich im Klaren darüber sein, dass die international organisierte Kriminalität nicht damit in den Griff zu bekommen ist, wenn hin und wieder einzelne Täter gefasst und einige illegale Waren und Güter sichergestellt werden. Trotz aller Bemühungen sind die Fahndungserfolge doch verschwindend gering im Hinblick auf das Ausmaß der globalen kriminellen Aktivität. Wir versuchen, das Meer mit einem Teelöffel auszuschöpfen.
Betrachtet man den Zusammenhang zwischen dem exponentiellen Wachstum der internationalen Kriminalität und dem internationalen Restrukturierungsprozess der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse, dann versteht man, dass die organisierte Kriminalität nicht nur ein Problem der Jurisprudenz darstellt, sondern auch eines der globalen Politik; es muss auf der makroökonomischen und auch auf der makropolitischen Ebene angegangen werden.
Kurz gesagt, der Kampf gegen das internationale organisierte Verbrechen ist nicht nur ein Kampf gegen eine kleine Gruppe von zwielichtigen Unterweltgestalten, sondern vor allem auch ein Kampf gegen zahlreiche unsichtbare Feinde von Demokratie und Gesetz, die über die verschiedenen Länder verteilt sind. Sie agieren nicht nur in den schwachen Demokratien Osteuropas oder in den neuen Wirtschaftsmächten; man findet sie auch inmitten der etablierten westlichen Demokratien, wo sie in den Führungspositionen der Wirtschaft sitzen - in den Büros der Hochfinanz und der Großkonzerne. Sie sind daran interessiert, die staatliche Macht immer mehr zu reduzieren, und sabotieren die Anstrengungen, die Politik und Rechtsstaatlichkeit auf globaler Ebene zu stärken.
Der Machtverlust der Politik gegenüber der Wirtschaft, der unkontrollierte Machtzuwachs der privaten Akteure gegenüber der Machteinbuße des Staates, die Gefahr einer versteckten Abhängigkeit des Staates von den Anforderungen des Marktes und seiner Akteure - das sind die Faktoren, denen das organisierte Verbrechen seine wachsende Macht verdankt. Achtet man darauf, wo die Interessen der kriminellen Wirtschaft und die von durch keinerlei Gesetze eingeschränkten Topmanagern zusammenlaufen, dann versteht man, warum eine Gesetzgebung gegen Geldwäscherei scheitern muss - trotz aller Bemühungen der UN und der EU.
Die beschriebene Zersetzung der politischen Macht trägt dazu bei, dass kriminelle Aristokratien eine strukturelle Komponente des neuen globalen Kapitalismus darstellen, an der Neubildung von Staaten beteiligt sind und die Struktur von schwachen Staaten infiltrieren. Internationale Anwälte nennen das "Staatsmafia", um zu beschreiben, wie eine kriminelle Elite langsam ganze Staaten unter ihre Kontrolle bringt. Das Phänomen ist zu beobachten in einigen ehemaligen Staaten der Sowjetunion, in Ex-Jugoslawien, auf dem afrikanischen Kontinent und in Südamerika." (...)
ich bin alleine an dem punkt anderer meinung, wo "demokratie und rechtsstaat" als quasi natürliche widersacher der ok hingestellt werden - die existenz von demokratiesimulationen, wie sie zb. nicht nur hier existieren, zeigt bereits an, wie weit die antisoziale front inzwischen vorgedrungen ist - und sie sind keinesfalls dumm, sondern besitzen strategische und instrumentelle intelligenz, die ihnen ganz nüchtern sagt, dass die form einer pseudo-demokratie immer noch am wirkungsvollsten ist, wenn es darum geht, ihren begriff von "freiheit" - die fiktive freiheit eines tumors, eines virus, eines killers - mit allerlei tricks und manipulationen vielfältig beschädigten menschen als erstrebenswertes ziel einzureden.
"Die 1993 vom damaligen Medienunternehmer und nunmehrigen italienischen Regierungschef Silvio Berlusconis gegründete Mitte-Rechts-Partei Forza Italia ist laut den Aussagen eines Zeugen in einem Mafia-Prozess in Palermo mit der Zustimmung der Cosa Nostra auf Sizilien entstanden. (...)
Erpresst von der Cosa Nostra, habe der italienische Staat jahrelang über einen "Waffenstillstand" mit der Mafia verhandelt. Das Ergebnis dieser Verhandlungen sei die neue Berlusconi-Partei gewesen, die sich angeblich verpflichtet habe, die langjährige Nummer Eins der Mafia, Bernardo Provenzano, nicht zu verhaften und die Haftbedingungen für Mafiosi zu lockern, berichtete Ciancimino." (...)
glaubt diesbezgl. irgendjemand noch an qualitative unterschiede zwischen den staaten? ich nicht. es wird höchste zeit, sich absolut deutlich zu machen, mit wem wir es hier zu tun haben, was u.a. auch bedeutet, sich von einigen liebgewonnenen, aber gerade deshalb lebensgefährlichen illusionen über "demokratische politische prozesse und praktiken" zu verabschieden.
w. zeigt die richtung an: ein urteil des formal "höchsten" gerichts der brd wird einfach nicht akzeptiert. tun wir´s ihm hinsichtlich der anonymen institutionen, kalten mechanismen und tödlichen praktiken in unseren gesellschaften gleich - und hören auf, sie zu akzeptieren.
zufällig bin ich gerade über einenprozessberichtgestolpert:
(...) "Frau Afflerbach war nie psychotisch krank." Und doch hat die angehende Lehrerin zehn Jahre in der Psychiatrie und in psychiatrischen Ambulanzen verbracht.
1991 beginnt ihr Martyrium. Tanja Afflerbach ist 21 Jahre alt und gerade aus dem Elternhaus in die erste eigene Studentenbude nach Siegen gezogen. Eine sorglose Zeit, die Uni macht ihr Spaß. Sie ist eine eifrige Kunststudentin, die später am Gymnasium unterrichten will. Und dann ändert ein Autounfall ihr gesamtes Leben. An einer Straßenkreuzung in Allenbach bei Siegen nimmt ihr ein anderer Autofahrer die Vorfahrt. Beide Fahrzeuge prallen frontal aufeinander. Afflerbachs damaliger Freund und Beifahrer wird in einem Krankenwagen in eine Klinik gebracht. Sie selbst wird - vermeintlich unverletzt - am Unfallort buchstäblich von den Sanitätern vergessen. So trampt sie nach Hause. Nachts im Bett jedoch rasen immer wieder die Lichter des anderen Wagens auf sie zu. Aus Sicht des richterlichen Gutachters waren dies eindeutige Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Zitternd und zappelig geht Tanja Afflerbach zu ihrem Hausarzt. Der diagnostiziert statt einer posttraumatischen Belastungsstörung ein Schleudertrauma und schickt sie zu einer Nervenärztin. Nach einem kurzen Gespräch verabreicht ihr diese Ärztin eine so genannte Imap-Depot-Spritze mit einem Neuroleptikum und diagnostiziert eine Schizophrenie. Die "Erhebung von Befunden wurde versäumt", heißt es dazu später im gerichtlichen Beschluss.
Die erste Injektion der Psychiaterin wirkt wochenlang in Afflerbachs Körper. Sie fühlt sich furchtbar. Ihr ganzer Körper krampft sich zusammen - von den Zehen bis zur Kopfhaut. Ihr bleibt der Atem weg, die Zunge zieht es in den Rachen. Gegen dieses "Extrapyramidale Syndrom", eine Nebenwirkung von Neuroleptika, erhält sie dann im Krankenhaus das Gegenmittel Akineton. Es wird normalerweise Patienten mit Parkinson verschrieben." (...)
eine ganze kette von haarsträubenden ärztlichen - hm, soll man das noch "kunstfehler" nennen oder nicht besser schlimmste ignoranz und gleichgültigkeit ? ein lehrstück darüber jedenfalls, wie schnell man sich selbst in psychiatrischer (zwangs-)behandlung wiederfinden kann.
die oben genannte diagnose von symptomen einer posttraumatischen belastungsstörung nach unfall jedenfalls klingt - ich kenne kein weiteres öffentliches material - bei der schilderung der nächtlichen lichter plausibel. (auto-)unfälle können durchaus eine mehr oder weniger schwere ptbs nach sich ziehen, soviel sollte sich heute auch schon bis zum durchschnittsarzt herumgesprochen haben. bei entsprechender, wenig bis vielleicht gar nicht belasteter vorgeschichte gehören diese arten der ptbs zu denen, die im vergleich noch am leichtesten behandelbar sind oder sich gar mit der zeit "von selbst" - auch durch gespräche mit wirklich vertrauten menschen u.ä. - abschwächen können.
was aber bei dieser frau daraus diagnostisch gemacht wurde, klingt nach unglaublichem pfusch:
(...) ""Die Diagnose der Psychose wurde in der Klinik einfach übernommen", fasst er die Krankenakten zusammen. "Heute ist eindeutig, dass sie falsch war." Neuroleptika seien aufgrund einer "Verdachtsdiagnose" verabreicht worden und noch dazu in "außergewöhnlich hoher" Dosierung. Der Sachverständige kann nicht nachvollziehen, warum der jungen Frau 1991 eine Psychose und fünf Jahre später ohne weitere Angabe von Gründen ein Borderline-Syndrom, also eine schwere Persönlichkeitsstörung, attestiert worden sei." (...)
psychose und eine borderline-störung oben drauf - ich habe ja besonders in vergangenen basisbeiträgen scho9n mehrere möglichkeiten skizziert, wie die diagnostischen konfusionen zwischen und auch vielfachen doppeldiagnosen gerade von ptbs und borderline zustande kommen könnten, eine derartige variante jedoch dabei schlicht nicht in betracht gezogen. die institutionelle psychiatrie jedenfalls sorgt mit derartigen vorgehensweisen ganz von selbst dafür, dass ihr selbst in fällen misstraut wird, in denen sie durchaus eine reale hilfe für betroffene menschen darstellt.
so weit, so schlecht. im weiteren verlauf des artikels wird dann eher beiläufig eine kleine revolution erwähnt:
(...) "In der Psychiatrie sind Diagnosen selten eindeutig. Zwar existiert mit dem ICD 10 ein internationales System der WHO, der Weltgesundheitsorganisation. Aber auch dieser Katalog an Kriterien wird ständig überarbeitet, alte Überzeugungen schwinden. In Zukunft wird es beispielsweise die Diagnose "Borderline-Syndrom" gar nicht mehr geben. Die WHO hat sie als zu ungenau eingestuft." (...)
wow. ich wusste, dass bereits in den 1990er jahren entsprechende überlegungen in den zuständigen institutionen immer wieder eher am rande auftauchten, in denen sich die öffentliche - medizinisch-psychiatrisch-psychologische - kritik an der diagnose bzw. ihren stigmatisierenden wirkungen manifestierte - als letzte grössere diesbezgl. diskussion können meines wissens die attacken seitens vieler psychotraumatologen gegen die diagnose gelten, wie sie sich zb. bei judith herman und auch im "handbuch der borderline-störungen" (beide siehe literaturliste) nachlesen lassen. aber das es jetzt zumindest in der who-klassifikationicd-10wirklich soweit sein soll, finde ich schon eine überraschung - wobei ich mich frage, was denn eigentlich genau verschwinden soll - eine diagnose "borderline-syndrom" existiert in der icd überhaupt nicht, und "borderline" taucht nur als eine art anhängsel auf, beim diagnostischen codeF60.31nämlich, der "emotional instabilen ps, borderline-typ". der begriff "borderline-syndrom" hingegen kann je nach therapeutischer richtung, v.a. seitens der orthodoxen psychoanalyse, etwas ziemlich anderes meinen. etwas annährend analoges lässt sich klassifikatorisch höchstens im psychiatrisch ebenfalls relevanten katalog der american psychiatric association, demdsm-IV, herauslesen - ich habe gleich mal direkt auf den eintrag zur borderline personality disorder verlinkt.
vielleicht liegt der fehler aber auch nur in einer inhaltlichen konfusion / ungenauigkeit vom autor oder der autorin des artikels - was nicht weiter tragisch wäre, ist diese konfusion doch selbst unter ärztInnen und therapeutInnen bis heute verbreitet, die sich mit borderline herumschlagen. und diese andauernde konfusion ist es auch, die mich dazu bringen würde, die benannte absicht kritisch zu unterstützen - gründe dafür sind im- und explizit u.a. in den basisbeiträgenborderline, traumageschicht(-en) 1und2nachlesbar. die angesprochene veränderung könnte den ganzen bereich zwischen trauma/dissoziation einerseits und persönlichkeitsstörungen im "klassisch" psychiatrischen verständnis, incl. der dissozialen (antisozialen) ps, andererseits, wenn auch durch ein zunächst nur formal anderes verständnis, in sachen wirklich verstehen immerhin mal in bewegung bringen. wobei die frage auch bleibt, wie und ob sich das dsm zu so einer qualitativen änderung in der icd verhalten würde - immerhin gibt es seit jahrzehnten in beiden katalogen bei den meisten psychiatrischen diagnosen durchaus mehr oder weniger massive inhaltliche unterschiede. die who ist aber aufgrund ihrer position letztlich die institution, die die formalen maßstäbe setzt.
kommentare speziell von psychiatrisch und / oder psychotherapeutisch tätigen zu der aussage des fr-artikels sind ausdrücklich erwünscht, zumal ich auf die schnelle keine weiteren quellen / infos zu dieser ankündigung und ihren weiteren hintergründen finden konnte.
so, es geht mir den umständen entsprechend einigermaßen - auch, wenn ich fast unmittelbar im anschluß an die unfreiwillige bettruhe bis ende letzter woche von einer erkältung niedergestreckt wurde, und jetzt gerade schniefend ein paar blicke ins netz geworfen habe - was die stimmung nun keinesfalls hebt. aber da ich mich "zwangsweise" in den letzten tagen mal ausgiebig den tv-angeboten gewidmet habe, ist das netz im vergleich trotz aller macken immer noch ein hort an realistischer information, gerade was gesellschaftliche prozesse aller art angeht.
manchmal schaffen es solche infofragmente allerdings auch auf die mattscheibe, und so will ich erstens auf die gestern abend - ziemlich spät - gelaufene dokumentationDie Zockerbankhinweisen, die sich mit der und den geschichte(n) rund um die "hsh-nordbank" beschäftigt:
"Unser Geld in die Welt" hätte der Leitsatz der HSH Nordbank sein können. Ob US-Immobilien, Finanzderivate oder riskante Schiffsfinanzierungen: Die Banker aus dem Norden waren überall dabei. Das Ergebnis: Ende 2008 hätte die HSH Nordbank eigentlich schließen können. Millionenverluste und Milliardenkapitalspritzen von den Eigentümern, den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein. Summen so hoch wie die Landeshaushalte." (...)
wirklich informativ, und die bankster sind (nicht nur in diesem fall) real genauso abgefuckt, wie es die billigsten klischees wissen wollen. den film gibt´s in voller länge auf der verlinkten seite zu sehen.
*
ob es nur ein zufall ist, dass genau eine woche später, also am nächsten dienstag ab 23.40 h, im gleichen programm die dokumentationDie Hochstaplerzu sehen ist ?
"Der Film zeigt, wie der Wunsch bei einem Menschen entsteht, Hochstapler zu werden und - wie gering der Unterschied zwischen den so genannten Erfolgsmenschen und Hochstaplern ist."
aus der im letzten teilsatz benannten wahrnehmung werden bis heute keinerlei relevante konsequenzen gezogen. und u.a. die gründe dafür sollen in der nächsten zeit hier vermehrt thema werden.
ich hatte den film übrigens in der vergangenheithier schon vorgestellt.
...glück im unglückim januar - ich hoffe bloss, das das keine persönliche tradition wird.
der reihe nach: die letzten wochen habe ich mich hier rar gemacht, was zum einen mit eingeschränkten onlinezugängen, zum anderen mit viel nachdenken über das thema soziopathie und ihre möglichen auswirkungen auf ganze gesellschaften zu tun hatte. ich wollte - und will - hier den focus wieder mehr auf die "eigentlichen" kernthemen, d.h. die menschlichen psychophysischen zustände, legen. in dieser woche allerdings rückte das alles in den hintergrund, nachdem ich einen arbeitsunfall produzierte, bei dem ich noch wesentlich mehr glück hatte als im letzten jahr auf dem fahrrad.
wenn man auf einem gabelstapler sitzend rückwärts mitsamt dem gerät - etwas über eine tonne schwer - von einer hebebühne kracht, kann das sehr, sehr böse ausgehen - vor allem, wenn man dann noch mit dem hinterkopf auf steine, eis oder alte bahnschienen aufschlägt, vermutlich war´s von allem ein bißchen.
um es kurz zu machen: ein (leichter) unfallschock und eine ebenso im verhältnis leichte gehirnerschütterung sind vermutlich tatsächlich die mir bis heute am glimpflichsten vorkommenden möglichen folgen überhaupt bei einer solchen aktion. und langsam komme ich wieder klar, auch wenn mir der moment des unfalls immer wieder wie ein film vorbeizieht. zwei tage im gleichen krankenhaus wie vor zwölf monaten (dialog in der ambulanz "Sie kenn ich doch - waren Sie nicht erst neulich hier?" "das war nicht neulich, sondern vor einem jahr" "nee, das war doch erst kürzlich?" anscheinend herrscht in unfallambulanzen eine ganz eigene zeit), welches ich dann immerhin ohne krücken, aber mit einem bangen blick auf vereiste wege, verlassen konnte zwecks bettruhe zuhause.
leider weiss ich zumindest soviel über neurologie, um bei der vorstellung von kopfverletzungen unruhig zu werden - trotz ausgiebiger und befundloser diagnostik im krankenhaus, u.a. eine ct, gibt es da immer ein gewisses restrisiko hinsichtlich eventueller spätfolgen, die sich nicht vorhersehen lassen. aber damit muss ich für den moment leben. wie gesagt: nochmal glück im unglück, jetzt schon bei vier unfällen in den letzten drei jahren.
soweit erstmal zur erklärung für die vergangene ruhe hier. in der nächsten woche wird´s dann langsam wieder losgehen.
willkommen zu einem weiteren jahr des globalen irrsinns allerorten - ein jahr, in dem die wut weiter vor sich hinköchelt:
"Reiche Leute sind vor allem eins: kriminell. Das war ja ohnehin schon lange bekannt. Und das Gesetz dient in erster Linie dem Schutz von Eigentum - Eigentum eben dieser reichen Leute.
Kommt davon wenn man Kreuze auf Wahlzettel macht anstatt Löcher in Politiker."
so ein - seit längerem unzensiertes, vielleicht weil durchaus kein einzelfall - posting im wiener standard anlässlich weiterer berichte über die machenschaften in sachen "hypo alpe adria", eine geschichte, die sich mittlerweile zu einem lehrstück über die verfilzung von politischer und wirtschaftskriminalität in mehreren ländern incl. deutlich erkennbarer quasi-mafiöser strukturen entwickelt hat. die foren österreichischer medien zum thema weisen inzwischen einen ausserordentlich hohen wut-index auf; und es lassen sich durchaus schon erste anzeichen dafür entdecken, dass das politische system in österreich dadurch in sachen legitimation hübsch destabilisiert werden wird - zunächst in formen einer art innerer und tiefer distanzierung, die dann die notwendige basis für weiteres darstellen könnte. wer sich für genaueres interessiert, lese auch die fortlaufende berichterstattung beimrebellmarkt oder diese recht aktuellezusammenfassung.
die sonstigen news sind keinesfalls erbaulicher:
globale krisenkaskade I: wirtschaftswachstum und klimaschutz gleichzeitig = unmöglich
globale krisenkaskade II: karl-heinz roth zu kapitalismus & ökologie
globale krisenkaskade III: warum wird über peak oil nicht massiv öffentlich diskutiert?
globale wirtschaftskrise I: 2010 - im auge des hurricans
globale wirtschaftskrise II: nach den banken nun die staaten - die epoche der staatsbankrotte steht vor der tür
griechenland: "sparmaßnahmen", korruption und der bankrott
spanien: immigranten geraten auf dem arbeitsmarkt als erste unter druck
usa: das gleiche bild
deutschland: die krise kommt endgültig im alltagsbewusstsein an
in aller kürze: usa - ermittlungen u.a. gegen goldman-sachs und deutsche bank wg. insidergeschäften / island - bevölkerung mehrheitlich gegen entschädigungsgesetz für ausländische anleger / d-land - schienengüterverkehr im jahr 2009 um 25% zurückgegangen; binnenschiffverkehr im großteil des jahres um 19% / das allerletzte: auch (haus-)tiere gehören zu den krisenopfern
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der name chris martenson wird den meisten leserInnen ebenso wie mir bisher unbekannt gewesen sein, obwohl es sich bei ihm um einen naturwissenschaftler handelt, der sich schon länger mit seinem speziellen hintergrund ökonomischen fragen widmet, was ich an sich schon spannend finde. man muss nicht jede seinerpositionenteilen; seit kurzem jedoch zirkuliert eine deutschsprachige übersetzung eines seiner essays im netz, die deutlich stellung bezieht zur unmöglichkeit, die zwei erklärten hauptziele westlicher regierungen - "wirtschaftswachstum" und bzw. durch "klimaschutz" - zu erreichen. ein u.a. auch physikalischesding der unmöglichkeit:
(...) "Vor und während der Konferenz in Kopenhagen (und sicher auch danach), haben Politiker und Zentralbänker unermüdlich daran gearbeitet, die Weltwirtschaft auf einen Wachstumspfad zurückzubringen. Uns wird gesagt, dass wir mehr Arbeitsplätze benötigen, mehr Wachstum und mehr Konsum. Wachstum ist das allgegenwärtige Wort auf den Lippen der Politiker. Und die amtlichen Maßnahmen in der Größenordnung mehrerer zehn Billionen Dollar sprechen dafür, dass es sich hierbei tatsächlich um das globale Ziel mit der höchsten Priorität handelt.
Andererseits ist die übereinstimmende Meinung aus Kopenhagen, dass CO2-Emissionen in den nächsten Jahrzehnten stark reduziert werden müssen.
Diese beiden Ideen schließen sich gegenseitig aus. Man kann nicht beides haben.
Wirtschaftswachstum benötigt Energie und der größte Teil unserer Energie kommt von Kohlenwasserstoffen - Kohle, Öl und Erdgas. Beim Verbrennen dieser Energieträger wird Kohlendioxid freigesetzt. Somit wird bei einer wachsenden Wirtschaft auch mehr CO2 freigesetzt. Das ist eine sehr einfache Sache.
Niemand hat bislang erläutert, wie wir es schaffen sollen, ein Wirtschaftswachstum und eine Reduzierung bei der Nutzung von fossilen Brennstoffen zu erreichen. Somit sind die in Kopenhagen vorgeschlagenen Handlungen realitätsfremd und in Anbetracht der Ausgaben von zig Billionen Dollar dem Untergang geweiht.
Es gibt nur eine einzige Sache, von der wir wissen, dass sie den CO2-Ausstoß gedrosselt und sogar reduziert hat, und das ist die jüngste Kontraktion der Wirtschaft." (...)
so ist es. und auch diese konstellation weist deutlich auf das szenario hin, welches ich schon öfter skizziert habe: nicht nur die (westliche) art des wirtschaftens, sondern der gesamte darauf basierende lebensstil im auf fossilen brennstoffen beruhenden totalitären kapitalismus steht zur disposition, einfach weil er an vielfältigste und nicht mehr auszutricksende - weder durch technik o.a. - grenzen gelangt ist. die ökosphäre setzt grenzen, peak oil (s.u.) setzt eine weitere, und letztlich ist auch die erschöpfung der menschen insgesamt eine systemimmanente grenze, die sich u.a. in den weiter steigenden zahlen von psychophysischen störungs- und krankheitsbildern ausdrückt. alles zusammen lässt sich berechtigt alssystemkrisebezeichnen, und es ist bereits jetzt deutlich zu sehen, dass wir in eine epoche ständiger, sich gegenseitig überlagernder und verstärkender krisen eingetreten sind, die an intensität mindestens solange zunehmen werden, bis das ganze system entweder einigermaßen kontrolliert überwunden wird oder aber in einem prozess von agonie und zerfall kollabiert.
*
die diskussionen um das klima sind ja weder hier noch anderswo abgeschlossen, aber jenseits dessen kann eines schon festgehalten werden: der industrielle kapitalismus ist u.a. aufgrund seiner tendenz zur verdinglichung alles lebendigen von beginn an auf einem kriegspfad gegen die globale bios- und ökosphäre gewesen, was einmal mehr vom in vergangenen krisennews zitierten karl-heinz roth in seinem letzten buch die globale krise herausgearbeitet wird - eine gekürzte zusammenfassung des entsprechenden kapitels,Die Umweltkrise als Systemgefährdung und die Entstehung des ÖkoKapitalismusliegt als pdf. vor und enthält u.a. eine skizze der wahrscheinlichen realität des allseits gelobten "grünen kapitalismus", der den ausweg aus den verschiedenen fallen darstellen soll:
"Die lebendige Arbeit und die Natur – Boden. Luft und Wasser – sind die elementaren Voraussetzungen aller gesellschaftlichen Produktions- und
Reproduktionsprozesse. Dass die arbeitenden Menschen und die Natur unter kapitalistischen Akkumulations- und Regulationsbedingungen nicht nur ausgebeutet, sondern auch in erheblichem Ausmaß geschädigt werden, wurde seit der ersten Industrialisierungsphase des Weltsystems
aufmerksam registriert und erörtert, geriet aber immer wieder in Vergessenheit. Infolgedessen konnte die in den 1980er Jahren neu aufgekommene Geschichtsschreibung über Arbeiterschutz und Umweltzerstörung auf einen riesigen verschütteten Quellenfundus zurückgreifen. Sie führte uns drastisch vor Augen, wie das sich ausbreitende Fabriksystem ganze Generationen von Arbeiterinnen und Arbeitern gesundheitlich ruinierte und seine nähere Umgebung zerstörte.
Aber die Abwässer, Schlacken, Schwermetallrückstände, Dämpfe und Rauchgase durchdrangen nicht nur die Körper der unmittelbaren Produzenten, sondern wurden auch in die umgebenden Gewässer, in die Böden und in die Luft abgeleitet. Sie verwandelten in den sich ausbreitenden Industriezentren die Flüsse in Kloaken, zerstörten die benachbarten Wälder durch den »Sauren Regen« und kontaminierten die Böden.
Langandauernde soziale Konflikte waren die Folge dieser umsichgreifenden »industriellen Pathologie«. Die Arbeiterinnen und Arbeiter entflohen den besonders gesundheitsschädlichen Sektoren des Fabriksystems nach durchschnittlich neun bis zwölf Monaten und mussten in Europa und den Vereinigten Staaten fortlaufend durch neu eingetroffene MigrantInnen ersetzt werden.
Die Kapitalisten reagierten auf diese Herausforderungen, indem sie nur noch besonders gesunde Arbeitskräfte einstellten, die schlimmsten Übelstände durch verfahrenstechnische Änderungen abstellten und die Schornsteine erhöhten. Der Wettlauf um immer höhere Schornsteine, die die Rauchplage und den Sauren Regen auf immer größere Gebiete verteilten, symbolisierte diese Tendenz auf besonders drastische Weise. Am System selbst – an der auf längere Dauer der Gesundheitsschädigung angelegten Verwertung billiger Arbeitskräfte und am Raubbau der gratis angeeigneten natürlichen Ressourcen – durfte dagegen nicht gerüttelt werden." (...)
und darf bis heute nicht, sei angemerkt. insgesamt ein dringender lesetipp!
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die erste version dieser news ist mir vor ein paar tagen wg. einer durchgeballerten sicherung im bevorzugten netcafé ins elektronische nirvana entschwunden, incl. der angelegten sicherungsdatei. aber so kann ich jetzt wenigstens einen aktuellen telepolis-artikel berücksichtigen, der eine nötige und wichtige frage stellt:Warum Peak-Oil offiziell ignoriert wird:
(...) "Noch weniger gibt es offiziell Pläne irgendeiner G8-Regierung, allen voran der USA, wie diesem Problem begegnet werden könne. Das hat Shane Mulligan von der University of Waterloo zu einer Analyse veranlasst, warum dieses Thema so weitgehend ignoriert wird. Angesichts der seit mehr als zehn Jahren intensiv geführten Fachdiskussion, könne die offizielle Ignoranz kaum mit purer Ahnungslosigkeit begründet werden. Das jedenfalls nicht in den höheren politischen Rängen, denn dafür sei die Peak-Oil-Debatte schon zu weit in den Mainstream vorgedrungen, meint Mulligan, der gerade an einem Buch über die Sicherheitsaspekte von Peak-Oil schreibt. Er vermutet daher, dass viele Regierungsexperten an übermäßigem Training in neoklassischer Ökonomie leiden und schlicht davon ausgehen, dass die Marktmechanismen schon für den Ausgleich sorgen, d.h. höhere Preise zu mehr Exploration und Förderung, sowie zur Entwicklung von Substituten führen werden.
Vielleicht grassiere aber auch einfach eine Art von "kognitiver Dissonanz", welche die Administrationen weltweit davon abhalte, diesen potentiell so problematischen Bereich anzugehen, so wie viele Menschen auch nicht gerne über den eigenen Tod nachdenken. Viel lieber werde dann dem Glauben an technische Lösungen gehuldigt, die bei Bedarf schon gefunden würden. Zudem hätten Regierungen generell die Tendenz, schlechte Nachrichten zu unterdrücken.
Wem das ein wenig zu unrealistisch erscheint, dem bietet Mulligan die These, dass etwa die US-Regierung ohnehin Bescheid wisse, das aber einfach nicht bekanntgeben wolle. Und er zitiert David Fridley, einen früheren Kollegen von US-Energieminister Steven Chu, damit, dass "der Minister alles über Peak-Oil weiß. Er kann nur nicht darüber sprechen, weil sonst die Wall Street crashen würde." Sadad al-Husseini, ein früherer Vizepräsident des saudischen Ölgiganten Aramco, bestätigte jüngst, dass "diejenigen, die offiziell nicht darüber sprechen, die Öffentlichkeit eben nicht mit der Wahrheit konfrontieren und beunruhigen wollen. Nur, dass die Öffentlichkeit dann auch nicht bereit sein wird, die notwendigen Maßnahmen zu unterstützen." (...)
das dürfte die bislang treffendste zusammenfassung sein, v.a. deswegen, weil sie die realistisch vorhandenen vielfachen gründe benennt: einmal der im weitesten sinne vorhandene blinde glaube an die systemmechanismen, v.a. an technische lösungen. dann die wahrscheinlichen auswirkungen auf die eh schon massiv angeschlagene ökonomie, wenn klartext geredet werden würde. und als drittes der unwillen einer breiten öffentlichkeit (nicht nur) im westen, wenn die konsequenzen von peak oil deutlich benannt werden würden. tröstlich finde ich aber, dass sowohl schweigen als auch aussitzen bei diesem thema nichts ändern werden. und insgesamt lässt sich das alles als weiteres indiz für den bevorstehenden systemabsturz betrachten - die tendenz zur zunehmenden blanken realitäts(ver)leugung ist nicht nur in diesem bereich wahrzunehmen und stellt m.m. ein symptom für massiv nachlassende interne selbstregulationsfähigkeiten dar, was den insgesamt trotz aller ernsten konsequenzen wünschenswerten und nötigen zusammenbruch noch beschleunigt - lieber ein ende mit schrecken als ein schrecken ohne ende.
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kommen wir direkt zur ökonomie - die aktuelle situation rund um das globale bankensystem und die dieses großzügig alimentierenden staaten hat der wirtschaftsjournalist frank meyer in seinemblogwie folgt auf den punkt gebracht:
(...) "Weltweit haben die Banken ihre Lehre aus der Finanzkrise gezogen und ihre Risikomodelle so angepasst, dass im Gewinnfall der „Moral Hazard“-Joker sticht oder im Verlustfall … der Steuerzahler haftet; und als ob es keinen Beinahe-Kollaps des Finanzsystems gegeben hätte, nutzt die Finanzindustrie den Blankoscheck der Regierungen und den Ihnen unbegrenzt zur Verfügung gestellten Null bis ein Prozent-Kredit der Notenbanken, um Aktien oder Anleihen oder Rohstoffe innerhalb weniger Monate erneut in eine … Blase zu treiben.
Die jedoch historisch größte Blase spielt sich unverändert in dem immer noch nicht verbotenen OTC-Derivate-Casino ab, wo die steuergeldgestützte Finanzindustrie mit der „Kleinigkeit“ von nur 604.622.000.000.000 USD (+10,5% ggü. 31.12.2008!) auf die Pleite von Unternehmen oder Staaten, Devisen- oder Zinsänderungen wettet. Die durch Zwangsfusionen konzentrierten und damit noch höhere Risiken als je zuvor auf sich vereinenden Zombiebanken „jonglieren“ dort – auf Basis finanzmathematischer Modelle – mit „system(de)stabilisierenden“ Massenvernichtungswaffen (Warren Buffet), die das Welt-BIP von 2008 (60,689 Billionen USD) „nur“ um mehr als das 10-fache übertreffen. Unter Jugendlichen heißt diese Art von „Sport“ Komasaufen, unter Bankern hingegen: „too big to fail.“
Dafür genehmigt sich im Krisenjahr 2009 allein der US-Finanzsektor, angeführt von dem nur „Gottes Werk“ verrichtenden Llyod Blankfein – CEO von Go(l)dman Sachs – angesichts des unermüdlichen Einsatzes für den eigenen Wohlstand torschlusspanikartig neue Rekordboni (Schätzung 2009: ~140 Mrd. USD), die selbst dem patriotischsten Amerikaner inzwischen sauer aufstoßen … sofern dieser zuvor überhaupt noch etwas zu essen hatte. Denn nach Angaben des US-Landwirtschafts-ministeriums mussten 2008 im Land der unbegrenzten Möglichkeiten etwa 50 Millionen (!) Amerikaner, darunter 16,7 Millionen Kinder (+4,3 Millionen zum Vorjahr), Hunger leiden." (...)
bleibt noch anzumerken, dass das dargestellte auseinanderklaffen der wohlstandsschere nicht nur in den usa zu beobachten ist - später mehr.
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das böse wort vom staatsbankrott geistert immer öfter selbst in mainstreammedien herum, und bereits aus dem vergangenen september stammt das folgende informative video:
ärgerlich, aber nicht verwunderlich dabei die schönfärberei der situation in der sog. eu-kernzone, zu der die brd gehört. denn wenn man sich deutlich macht, dass ein staat funktional auf seinen diversen untereinheiten, am ende der kette kommunen und gemeinden, basiert, so bekommt die folgendemeldunggleich ganz neue bedeutungsebenen:
"Ungeachtet der Warnungen vor Abgaben- und Gebühren- Erhöhungen für Bürger hält die FDP an ihrem umstrittenen Steuersenkungskurs fest. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund drohte am Montag in Berlin, viele Bürger müssten sich wegen leerer Kassen der Kommunen im neuen Jahr auf höhere Gebühren und weniger Leistungen einstellen. Einige Städte und Gemeinden wollen Grundschulen schließen, die Straßenbeleuchtung nachts ausschalten oder beim Heizen in Schwimmbädern sparen. Mitarbeiter von Kommunen müssen teils länger auf ihr Gehalt warten. FDP-Chef Guido Westerwelle bekräftigte jedoch in Berlin: «Wir tun das, was wir vor der Wahl versprochen haben.» (...)
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnte die Bundesregierung vor weiteren Steuergeschenken auf Pump. Die Kommunen stehen nach eigener Ansicht vor einem besonders schwierigen Jahr. Die Finanzlage sei katastrophal. Zwischen Einnahmen und Ausgaben klaffe ein Loch von 12 Milliarden Euro. Bis 2013 werde ein Fehlbetrag von fast 50 Milliarden Euro auflaufen. Das werde «fatale Folgen» für die Infrastruktur und damit für Bürger und Unternehmen haben, sagte der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes, der Bautzener Oberbürgermeister Christian Schramm. «Die Kommunen werden gezwungen, die Leistungen für die Bürger weiter einzuschränken, die Investitionen zurückzufahren und die Verschuldung zu erhöhen.» (...)
wenn ich mal die möglichkeit habe, werde ich eine kleine photographische doku derjenigen strassenabschnitte hier in der stadt anfertigen, in denen die beleuchtung offenbar nicht mehr repariert wird - die ersten derartigen stellen sind mir bereits vor einem jahr aufgefallen, und es betrifft keinesfalls nur nebenstrassen. mit solchen eher kleinen und unscheinbaren zeichen fängt es jedenfalls an.
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gerade, wenn im hinblick auf mögliche staatbankrotte innerhalb der eu die südeuropäischen länder in die debatte kommen, fällt oft - wie auch im obigen video - das "die-haben-über-ihre-verhältnisse-gelebt", oft genug kombiniert mit bereits deutlich rassistischen anmerkungen über "südliche mentalitäten" - so auch im folgendenkommentar:
(...) "Eine halbe Million Staatsdiener sollen hinnehmen, dass ihre Löhne und Gehälter bald schon eingefroren oder gar um vier Prozent gekürzt werden. Ein "Schock-Sparplan" solle es werden, lässt die Regierung wissen, und seit Tagen malen die Medien das Jahr 2010 in schwärzesten Farben. Höhere Steuern drohen auf Treibstoff und Tabak. Eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf 20 oder 21 Prozent wird überlegt. Alles dies, um Griechenland, dessen Staatsdefizit im vergangenen Jahr auf 12,7 Prozent kletterte, vor dem Staatsbankrott zu retten. Auf 40 engbeschriebene Seiten soll der Maßnahmenplan schon angewachsen sein, den die EU in den nächsten Tagen unter die Lupe nehmen wird. (...)
Ist Papandreous Sparpaket von Brüssel aber erst mal gebilligt und fließen die Kredite wieder, dann muss aus dem schönen Schein auch noch harte Wirklichkeit werden. Dies wird jedoch nicht ohne einen Mentalitätswandel gehen, und dafür stehen die Zeichen derzeit nicht gut. Zwei Drittel der Griechen zeigen sich nach einer Umfrage nicht bereit dazu, einen persönlichen Beitrag zur Verbesserung der Finanzlage ihres Landes zu leisten. Das ist kein Wunder. Schließlich muss ein einfacher Staatsbediensteter, beispielsweise ein Lehrer, in Piräus nur einen Bummel durch den Yachthafen machen, um zu erfahren, wie schön es sein kann, den Staat zu betrügen. Ganze 5000 Steuerzahler gibt es unter elf Millionen Einwohnern, die ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro angeben. Schöne Boote gibt es indes mehr - und Schwarzbauten in ruhigen Buchten auch.
Korruption von der Kirche bis zu den Krankenhäusern bleibt meist ohne Folgen. " (...)
und, ist das ein wunder bei den "elitären" vorbildern nicht nur in griechenland ? es ist immer wieder verblüffend, mit welcher chuzpe die apologeten der herrschenden a-sozialität sich dann immer wieder jammernd beklagen, wenn große teile von bevölkerungen beweisen, dass auch sie ihre lektionen der kapitalismusimmanenten regeln gelernt haben und sich im kleinen nicht anders verhalten als im großen die bankster und diverse transnationale konzerne. man könnte das auch als mafiasierung ganzer gesellschaften betrachten, und u.a. in diesem umstand liegt eines der am meisten destruktiven potenziale des heutigen systems verborgen - die zerstörung der (authentischen) sozialen substanz einer gesellschaft, die dann durch simulationen des sozialen die letztlich im wahrsten sinne des wortes kriminelle bis soziopathische grundstruktur mit einer dicken tünche überdecken soll. genau solche prozesse finde ich neben den ökologischen verwüstungen am besorgniserregendsten, weil eine funktionierende authentische sozialität eigentlich das einzigste ist, was das menschliche leben in einer gemeinschaft überhaupt möglich macht. jenseits dessen gibt´s nur misstrauen, lieblosigkeit, empathiemangel, rücksichtslosigkeit und egozentrismus - beziehungsunfähigkeiten im weitesten sinne, die für das beziehungswesen mensch katastrophale folgen haben - letztere bereits vielfach im blog dokumentiert.
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spanien ist bekanntlich ebenfalls ein bankrott-kandidat - aber wie anderswo auch, sind in der dortigen klassengesellschaft - die es ja "offiziell" weder gibt noch geben darf - die an den untersten enden befindlichen menschen schon länger am schwersten von der krise betroffen - und das sind nicht nur in spanien "legale" und "illegale"migranten:
(...) " "Was können wir dafür, dass die Migranten keine Arbeit finden?", fragt Eduardo Domínguez, Arbeitsvermittler vom Bauernverband Coag in Andalusien. "Wir haben sie nicht gerufen." Der Spanier verschränkt hinterm Schreibtisch die Arme. Er kann Fragen nach den illegalen Einwanderern nicht mehr hören. Seit einem Jahr schon machen sie Schlagzeilen, weil sie immer dort, wo gerade geerntet wird, auf der Straße leben.
"Die Migranten ziehen von Ernte zu Ernte, weil sie in den vergangenen Jahren noch bei jeder Kampagne einen Job gefunden haben", sagt Diego Cañamero, Sprecher der Landarbeitergewerkschaft SOC. "Aber jetzt sind die Spanier zurück auf den Feldern, weil sie ihre Arbeit auf den Baustellen verloren haben. Die Arbeitsämter haben jeden Einzelnen angeschrieben und zur Ernte geladen."
Die Situation der afrikanischen Migranten wird sich weiter verschlechtern. Dann, wenn die spanischen Bauarbeiter kein Arbeitslosengeld mehr bekommen und zurück auf die Felder müssen, auf denen sie in Zeiten des Baubooms nicht arbeiten wollten. "Die Migranten sind wie Werkzeuge, die nicht mehr gebraucht werden", sagt Cañamero. (...)
und der letzte satz macht nochmal schön deutlich, warum dieses blog im header den untertitel "...existieren in einer dingwelt" trägt. sollten sich die weiter oben erwähnten quasi-soziopathischen arten der gegenseitigen wahrnehmung weiter verbreiten, so werden wir alle eines tages füreinander nichts weiter als dinge sein - mal mehr, mal weniger nützlich, austauschbar und beliebig. DIESE perspektive ist es auch, die den propagandisten der herrschenden "besten aller welten [TM]" tag für tag um die ohren gehauen werden muss. dann nämlich wird sich zeigen, wes´ ungeistes kind sie real tatsächlich sind.
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die spanische situation ist dabei durchaus repräsentativ für die aktuelle globale lage - ob es nun bspw. polnische arbeiter sind, die unfreiwillig aus irland zurückkehren, asiatische migrantInnen aus den golfstaaten oder aber "illegale" migranten aus mittel- und südamerika in denusa:
"Carlos Ruano hatte gerade seine letzten $50 angebrochen, als sein Vermieter ihn im September vor die Tür setzte, weil er die Miete nicht länger bezahlen konnte, wie nytimes.com berichtet. Er schickte das Geld an seine Frau und seine Kinder in Guatemala und verbrachte die Nacht in einer Unterkunft in Woodside, Queens, die den Spitznamen “Hotel Ambulante” trägt, der spanische Ausdruck für Wanderhotel. Mr. Ruano, 38, der seinen Lebensunterhalt seit sechs Jahren auf der 69th Street und am Broadway verdient hatte, befindet sich nun auf der Straße. Er und andere Tagelöhner, die wenig Glück hatten, verbringen die Nächte, wo immer sie können: in der Notaufnahme des Elmhurst Hospital Center, in unfertigen und verlassenen Gebäuden, die von bankrotten Bauentwicklern leer stehend liegen gelassen wurden und unter Brücken entlang der Güterbahnschienen, die durch den westlichen Teil von Queens führen, wo vor kurzem schmutzige Matratzen und Arbeitsstiefel auf dem steinigen Grund ausgebreitet wurden.
„Der einzige Grund, warum wir nicht verhungern, ist, dass Menschen uns Essen anbieten”, sagte Mr. Ruano an einem verschneiten Samstag, als er eine Tasse mit Suppe in der Hand hält, die von einer Gruppe von Anhängern der Pfingstbewegung ausgegeben wurde, die im Park an der Woodside Avenue Tagelöhner mit Essen versorgen. In ihrer Isolation und ihrem Mechanismus, von Tag zu Tag zu leben, sind diese Arbeiter vielleicht die unsichtbarsten und am schwersten zu eruierenden Opfer der Rezession, teilten Anwälte und offizielle Stadtvertreter unisono mit. Niemand weiß mit Sicherheit, wie viele Menschen obdachlos geworden sind, seit der fulminante ökonomische Abschwung viele Bauprojekte zu einem buchstäblichen Stillstand gebracht hat und Jobs vernichtete, die einmal bis zu $200 am Tag einbrachten. Die meisten Betroffenen sind illegale Einwanderer, die vielleicht einen Tag auf der Straße sind und den nächsten schon wieder nicht mehr, immer abhängig von ihrer Arbeit und der aktuellen Konjunkturlage." (...)
und die wirtschaftsfacts merken dazu an:
"Die Situation dürfte für Immigranten und Tagelöhner momentan sicherlich am härtesten sein, jedoch werden auch immer mehr US-Amerikaner von diesem Schicksal erfasst. (...)
Sollte die Wirtschaft nicht bald drehen und sich der Arbeitsmarkt erholen, wonach es beileibe nicht aussieht, stellt sich die Frage, was diese Leute machen sollen, um dem Teufelskreislauf aus Arbeitslosigkeit und Armut zu entfliehen. Die Immigranten können in die Heimat zurückgehen, wo es auch nicht besser aussieht, und die US-Amerikaner? – Werden zum Teil vielleicht bald kriminell, um sich das zu holen, was sie zum Leben brauchen. Wer weiß das schon so genau. Hier entstehen im Schatten der Wirtschaftskrise neue und sich verfestigende Problemfelder, um die sich die meisten betroffenen Bundesstaaten sehr wahrscheinlich nicht ausreichend kümmern können, da die Kassen – wie jedermann weiß – leer sind und demnächst wohl direkte finanzielle Unterstützungsleistungen seitens Washington auf der Tagesordnung stehen dürften – andere nennen so etwas auch Bailout." (...)
von der möglichen und leider auch wahrscheinlichen aktivierung der vorhandenen rassistischen spaltungslinien mit allen destruktiven konsequenzen ganz zu schweigen - in weiter zurückliegenden news war das zb. anhand von meldungen aus großbritannien, ungarn und italien bereits zu betrachten.
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ohne viele weitere worte -Die herrschenden Gefühle- interessante betrachtungen darüber, wie sich die krise hierzulande langsam, aber unaufhaltsam im alltagsbewusstsein festsetzt:
"Neun Monate vor dem Mauerfall erschien von Silly die LP "Februar". In einem Titel endeten alle Strophen mit derselben Zeile. Sie nahm die Staatslyrik der DDR von der immer besser werdenden Wirklichkeit auf und brachte sie auf den Punkt: "Alles wird besser, alles wird besser, aber nichts wird gut."
Was für eine knappe, kluge Bilanz dachte ich damals. Aber wenn ich mich, zwanzig Jahre später, in einem anderen gesellschaftlichen System umsehe, spüre ich wieder den Widerspruch zwischen Verheißung und Erfahrung. Die herrschenden Gefühle sind Ernüchterung und Unsicherheit. Nichts ist gut geworden, richtig gut, auf Dauer gut.
Generationen von Eltern erfreuten sich an der Hoffnung, dass ihre Kinder es einmal besser haben werden. Gute Arbeit, höheres Einkommen, höhere Renten. Davon redet keiner mehr. In Deutschland leben fast zwei Millionen Kinder in Familien ohne eigenes Einkommen. Die meisten Menschen steigen nicht in höhere Schichten auf, sondern bleiben da, wo sie mal gestartet sind - das Wort dafür heißt Statusfatalismus. Geringverdiener, Alleinerziehende und Migranten müssen Bedürfnisse herunterschrauben, viele sind auf Lebensmittelspenden und Kleiderkammern angewiesen. Das edle menschliche Bedürfnis nach Gerechtigkeit wird oft als Sozialneid diffamiert. Die Verteilung der Güter und Gelder ist immer wahnwitziger geworden." (...)
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in aller kürze - das krisentelegramm + wer das einleitende zitat aus dem "standard" ganz oben mal wieder zu "pauschal" und "übertrieben" gefunden hat, sollte sich neben der beschäftigung mit den vielen bekannt gewordenen fällen von wirtschaftskriminellen machenschaften in und neben der krise auch mal mit dieseninsidergeschäftenauseinandersetzen: "Großbanken wie Goldman Sachs und die Deutsche Bank haben einem Zeitungsbericht zufolge ihren Kunden in den USA in großem Stil riskante Hypothekenpapiere verkauft und gleichzeitig auf deren Wertverfall gewettet. Die New York Times berichtete, sowohl der Kongress als auch die US-Aufsichtsbehörden SEC und Finra hätten hierzu bereits Ermittlungen aufgenommen.
Großkunden wie Pensionsfonds und Versicherungen seien davon ausgegangen, solide Investitionen zu tätigen, hätten jedoch anschließend mit den Papieren Milliardenverluste eingefahren, hieß es in dem Bericht. Dabei habe es sich um synthetische CDOs (besicherte Schuldverschreibungen) gehandelt, die die Banken vor dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes vertrieben." einmal mehr ein wahrhaftgöttlichestreiben + interessantes ausisland- " Islands Präsident Ólafur Ragnar Grímsson verhinderte am Dienstag das Inkrafttreten eines Gesetzes zur Erstattung von 3,8 Milliarden Euro an die Niederlande und Großbritannien - er will nun das Volk entscheiden lassen. Die Regierungen in Amsterdam und London reagierten empört.
Auf der Grundlage der Verfassung habe er entschieden, das Gesetz nicht zu ratifizieren und es stattdessen dem Volk zur Abstimmung vorzulegen, sagte Grímsson in einer Fernsehansprache. Es sei offensichtlich, dass das Volk den künftigen Kurs selbst bestimmen wolle. Die ganze Nation bei der Entscheidung über das Gesetz einzubinden, sei die "Voraussetzung für eine erfolgreiche Lösung". hm. einerseits lässt sich das tatsächlich als schritt hin zu so etwas wie basisdemokratie betrachten, andererseits spielen sich hier gleichzeitige täter und opfer v.a. der bankenkrise gegeneinander aus, anstatt direkt den verantwortlichen bankstern an den hals (und die fetten geldbörsen) zu gehen. ambivalente geschichte, finde ich + hierzulande herrscht bekanntlich allerorten aufschwung, was sich alleine schon amrückgang des schienengüterverkehrs um 25%ablesen lässt - äh, nein, falsche meldung, es handelt sich um die erfolgsmeldung von den19% einbruch bei der güterbinnenschifffahrt- ach verdammt nein, es ist "unser" überaus florierendereinzelhandelmit nur noch ein paar lächerlichen prozent einbußen - puh, gerade noch die kurve gekriegt. können wir nicht grundsätzlich alle statistiken so faken wie die arbeitslosenzahlen? + das allerletzte begegnete mit neulich beim warten in einer tierarztpraxis, wo ich so die jährliche veröffentlichung der hiesigen katzenhilfe durchblätterte und auf vielen seiten die aufforderung "spendet!" zu lesen war - die zahl der ausgesetzten katzen nimmt ebenso überhand wie die dauerbelastung der tierheime - und diesevierbeinigen krisenopferwerden meist völlig vergessen: "Die Wirtschaftskrise und Hartz IV haben jetzt auch die Tierheime erreicht: Immer mehr Haustiere werden ausgesetzt abgegeben oder müssen nach Sozialentscheidungen aufgenommen werden. Wie der überregional tätige Tierschutzverein Bund Deutscher Tierfreunde e.V. (BDT) mit Sitz in Kamp-Lintfort mitteilte, droht vielen Tierheimen der Notstand. „Schon vor Beginn der Reisezeit, in der die Zahl der ausgesetzten Tiere stark ansteigt, sind die meisten Heime übervoll“, so ein Sprecher. Ungewöhnlich beim neuen Andrang: Die Wirtschaftskrise als Auslöser lässt sich erstmals klar nachweisen.
Besonders stark betroffen sind alte und kranke Tiere. „Die Menschen bringen die Tiere ins Tierheim oder setzen sie aus, weil sie sich das Futter und die teuren Tierarztkosten einfach nicht mehr leisten können“, so ein BDT-Sprecher. „Haustiere werden zum Luxus – mit schlimmen Folgen für die Tiere“. Doch viele Tierhalter müssen sich auch nach Entscheidungen der Sozialbehörden von ihren Lieblingen trennen: Immer wieder kommen Tiere – besonders Hunde – in Tierheime, nachdem Tierhalter in kleinere Wohnungen umziehen müssen, in denen Tierhaltung untersagt ist." bereits aus dem sommer stammend, haben sich zeitlich nach dieser meldung die zustände eher noch verschärft - neben dem attribut antisozial, hat sich dieses system auch die kennzeichnung lebensfeindlich ganz ernsthaft verdient +
"Ja, aber was hat´s denn heutzutage noch für´n Zweck, sich über Politik zu unterhalten ? Es gibt keine Politik mehr. Es existiert nur noch die Wahl zwischen verschiedenartigen Möglichkeiten des Zusammenklappens durch den Zwang der äusseren Umstände. Schauen Sie sich die Europäische Union an, schauen Sie nach Rußland, nach China, nach Afrika. Überall verläuft´s nach dem gleichen schietigen Muster, nur ist es mancherorts weiter als woanders."
(fragment aus einem partygespräch 2010, "morgenwelt", s. 316; heyne; münchen; neuausgabe 2000; isbn 3-453-16182-3)
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die jetzigen tage zwischen den jahren standen früher mehr als heute in dem ruf, eine besondere atmosphäre mit sich zu bringen - das alte jahr faktisch beendet, das neue noch nicht begonnen, stehen sie für eine art zeitlicher entschleunigung, die ich bis heute immer wieder versuche, bewusst wahrzunehmen und auch zu genießen. zeit für rück- wie vorausblicke, möchte ich beides heute am beispiel eines der wichtigsten - und meiner meinung nach unterschätztesten - bücher der science fiction verbinden.
die idee für diesen beitrag kam bei mir irgendwann nach dem wiederholten anblick eines der nebenstehenden hinweisschilder - derart sind hier im viertel alle eingänge in einen testbezirk markiert, in dem einpilotprojektzur diebstahlsicherung läuft - das mag zwar für den einen oder die andere im ersten moment ganz "vernünftig" klingen, wird aber meiner meinung nach im ergebnis einen ähnlichen effekt haben wie die verdrängung der offenen drogenszenen in vielen städten - gerade in zeiten zunehmender psychosozialer und ökonomischer verelendung wird sich die alltagskriminalität neue orte und opfer suchen, und zwar da, wo weder willen noch möglichkeiten noch die ressourcen vorhanden sind (alle gründe können für sich oder auch wahlweise untereinander gekoppelt stehen), derartige präventionsprojekte umzusetzen. im grunde lässt sich das als sehr abgespeckte version der idee ansehen, die auch hinter der existenz vongated communitiessteckt.
ich muss jedenfalls oft genug beim erwähnten anblick denken: "das ist wie - nein, das ist die morgenwelt". und ich vermute stark, dass john brunner beim anblick solcher schilder wissend mit dem kopf genickt hätte.
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aber nicht nur bei solcher beschilderung - würde brunner heute noch leben, so fühlte er sich womöglich versucht, im angesicht der heutigen welt eine morgenwelt zwei, angesiedelt um 2050, zu konstruieren. denn bereits seine erste version darf eine verblüffende quote an zutreffenden und extrapolierten dargestellten trends für sich buchen, so dass er vielleicht der herausforderung nicht widerstehen könnte, sich nochmals als orakel zu betätigen.
brunner (zurbiographie) hat sich dabei mit "stand on zanzibar" (der originaltitel) an ein projekt gewagt, welches in der science fiction-literatur oft genug schwer in die hose gegangen ist: die beschäftigung mit möglichen zukünften nicht einer imaginierten, sondern der realen welt, und zwar sowohl in technologischer, aber vor allem in sozialer hinsicht. deswegen darf das buch auch als kreuzung zwischen science und social fiction verstanden werden, und dabei ist die möglichkeit, sich ziemlich zu blamieren, noch grösser als bei der beschränkung auf eine variante.
1968 erstveröffentlicht - nebenstehend ist das cover der deutschen neuausgabe von 2000 zu sehen, aus der hier auch zitiert wird -, lässt morgenwelt indirekt auch interessante einblicke in die intellektuelle atmosphäre der mittleren 1960er jahre zu - was damals diskutiert wurde und thematisch bewegt hat. im buch sind an verschiedenen stellen wie in einer rückschau damals aktuelle zeitungsberichte bspw. zu amoktaten, fortschritten in raumfahrt und genetik etc. eingeflochten, die durchaus schlüsse darauf zulassen, wie brunner bei seiner arbeit beeinflusst wurde.
nach "1984" von orwell ist morgenwelt ein weiteres wichtiges werk der sci fi, welches anhand des eintreffens des realen jahres, in dem seine handlung spielt, ganz konkret nach realitätsgehalt befragt werden kann. ein weiteres, welches im nächsten jahr fällig ist - "2010. das jahr, in dem wir kontakt aufnehmen", der "2001"-nachfolger von arthur c. clarke - , hat sich schon vor langer zeit als technische phantasie, nichtsdestotrotz lesenswert, herausgestellt. bezgl. "1984" kann ich mich zumindest im rückblick an das reale jahr an zwei persönliche erkenntnisse erinnern: erstens hat orwell in gewisser hinsicht bei seiner dystopie recht behalten, nämlich dahingehend, dass die tendenzen einer allumfassenden totalitären technischen kontrolle schon in den 1980ern selbst - und erst recht heute - tatsächlich eine handfeste bedrohung geworden sind. zweitens aber hat er falsch gelegen in seiner skizze der imaginären, "klassisch" totalitären gesellschaft - stalinismus und nationalsozialismus waren schon damals historische auslaufmodelle, in ihrer struktur als herrschaftsmodelle viel zu starr und daher instabil konzipiert. welche art von herrschaft sich wie in einem selektionsverfahren als "erfolgreich" durchgesetzt hat, erleben wir heute, bzw. Sie und ich versuchen darin zu leben.
jedenfalls möchte ich jetzt nicht eine weitere rezension oder auch nur darstellung des inhalts der morgenwelt versuchen - dergleichen gibt es zb.hieroderhierzu lesen - , sondern will einmal ein gedankenspiel umsetzen, welches, wie ich vermute, alle leserInnen von sci fi schon gespielt haben, weil´s sich einfach aufdrängt: den abgleich der visionen und prophezeiungen mit der aktuellen realität.
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eine darstellung des inhalts ist bei diesem buch schon deswegen eine herausforderung, weil es genau genommen einen inhalt nicht gibt, bzw. noch genauer: dieser auf viele verschiedene inhalte verteilt ist. brunner hat für sein projekt techniken der sprachlichen verfremdung bzw. des einsatzes ganzer neuer wörter ebenso genutzt wie die anwendung von konsequenter montage aus diversesten fragmenten - werbeeinblendungen, handlungsorte in realen und fiktiven ländern, partygespräche, fiktive fernsehsendungen, auszüge aus realer und imaginärer fachliteratur, dialoge und handlungstränge mit haupt- und nebenpersonen, die teils mitten im buch beginnen und auch mitten drin wieder enden oder aber offen bleiben (nebenbei bemerkt: auch die art der einteilung der rubriken im blog hier ist als kleine hommage an brunner zu verstehen).
ebenfalls hat er sich in figur des desillusionierten soziologen chad mulligan deutlich erkennbar ein alter ego geschaffen, dem es vorbehalten bleibt, grundsätzliche gesellschaftliche tendenzen der morgenwelt in meist zynischer art & weise zu kommentieren (einer der fiktiven bestseller von mulligan trägt den schönen titel "Sie sind ein ahnungsloser Idiot")
diese anfangs neue leserInnen schlicht verwirrende vielfalt von eindrücken dürfte zu einem teil für den effekt verantwortlich sein, den ich schon mehrmals miterlebt habe - leute kommen "nicht rein" ins buch, finden keinen zugang. der andere teil liegt in der exzentrischen sprache der brunnerschen gesellschaft des jahres 2010 - betrachten wir uns nur einmal dieses beliebige zitat:
"Quasseln hier von Startphase heißt doch bloß irgendein Schwabbelarsch von Bonzecke hat nicht alle auf dem Ladestreifen Salmanassar-Punzenfasser wieso im Arsch soviel Zeit verplempert um die ganze Strecke nach New York zu reisen besseres Wetter sogar ohne Kuppel worunter man sich fast den Sack abfriert bessere Klunten mit weniger Lumpen und besserer Pot verschönert den Schamott heute schon acht und hier ist noch nicht eins pappi-mammi und keine anständige Nudel zu haben in sämtlichen Nudelmühlen."
(morgenwelt, s. 45)
na, ich wette, Sie haben jetzt wirklich nichts verstanden - aber keine sorge, dieses sprachliche konzentrat ist durchaus nicht repräsentativ für den rest des buches, enthält aber viele relevante begriffe, die sich jedoch nach und nach von selbst erklären. gleichfalls ist die beleidigte - und beleidigende - attitüde vieler bewohnerInnen der fiktiven usa 2010 perfekt getroffen. und nein, es ist durchaus keine sympathische welt, in die man jubelnd hereinspringen wollte.
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was vielleicht die älteren unter uns noch verstanden haben werden, ist der ausdruck "pot" für marihuana (als nudel wird ein industriell gefertigter joint aus genetisch hochgetuntem gras und high-tech-filter incl. rauchkühlung bezeichnet). und da sind wir schon mittendrin im realitätsabgleich:
"Ich finde diese Zigaretten scheußlich. Davon wird mir die Kehle rauh. Und in meinen Eingeweiden brennt und rumort es. Haben die Menschen früher davon tatsächlich zwanzig Stück geraucht ?"
(morgenwelt, s. 322)
yo, allgemeines rauchverbot - die aussage oben stammt ebenfalls von der eingangs erwähnten party, die als motto das "20. jahrhundert" hat, und entsprechend ausstaffiert ist - incl. echtem tabak als dekadenter kitzel für dekadente leute. hingegen ist cannabis in allen variationen gesellschaftsfähig und wird so beiläufig benutzt wie alkohol, und ebenso vermarktet. beim umgang mit tabak hat brunner also voll ins schwarze getroffen, während die legalisierung von cannabis durchaus als wunsch seiner zeit - die beginnende hippiekultur - zu erkennen ist und heute absehbar zwar nicht unmöglich, aber doch nicht in nächster nähe greifbar ist (wäre ja schliesslich auch ein vernünftiges projekt, wo kämen wir da hin ?!?)
ebenfalls von seiner zeit beeinflusst dürfte brunners vision des umgangs mit sonstigen psychoaktiven substanzen gewesen sein - so werden verschiedenste, industriell hergestellte drogen mit namen wie "triptin" oder "jaginol" vertrieben und recht gezielt zur beeinflussung der eigenen mentalen zustände genutzt - aber es handelt sich dabei durch die bank um relativ starke psychedelika, vergleichbar in etwa der klasse, in der psilocybin und lsd rangieren. trotzdem hat brunner eine gesellschaftskonforme nutzung dieser substanzen skizziert, die nicht von ungefähr aspekte der heutigen diskussion rund um das sog.neuro-enhancementvorwegnimmt.
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mitten im kalten krieg entstanden, weist die morgenwelt in ihrer global-geopolitischen ansicht interessante dinge auf: so existiert zwar der ostblock noch, spielt aber faktisch - bis auf ein paar nebensätze - keinerlei rolle mehr - als ob er schon nicht mehr da wäre. hingegen sind die hauptkonflikte im pazifik - usa vs. china - sowie überhaupt in asien und afrika (rohstoffe!) angesiedelt, was uns heutigen leserInnen durchaus vertraut vorkommt. die sich durch das ganze buch ziehenden grossen gesellschaftlichen konflikte der erde 2010 sind ebenfalls deutlich - und aus heutiger sicht vielleicht zu sehr - von den 60er jahren dominiert: einmal wäre da die "bevölkerungsexplosion", kombiniert mit in der gesamten westlichen und großen teilen der restlichen welt verbreiteten maßnahmen zur bevölkerungskontrolle und, wichtiger noch, genetischen optimierung mittels starker staatlicher kontrolle über alle schwangerschaften und geburten (incl. entsprechender repressiver bürokratie und globalem schwarzmarkt für kinderhandel, adoptionen und gebärmütter).
es wird also staatlicherseits massiv eugenik praktiziert, und brunner könnte sich als historisches vorbild dafür vielleicht die entsprechende praxis in ländern wieschweden oder den usa, aber auch die tödliche "rassenhygiene" des ns, ausgewählt haben. injüngster vergangenheitzielen quasi-eugenische massnahmen in einigen ländern ärgerlicherweise auf die pränatale prävention gegen - vom staat so definierte, also im sinne der jeweiligen strafgesetze - antisoziale persönlichkeiten. warum ich gerade solche absichten ärgerlich finde, habe ichhierversucht, zu begründen.
zum anderen ist global die herkömmliche mobilität durch das auto quasi ausgestorben, und das wird im buch implizit durch rohstoffmangel begründet, und dazu werden ein paar unerfreuliche szenarien der städte mit ehemals dominanter autoindustrie wie bspw. detroit gezeichnet - auch hier darf brunner eine prophetische sicht bescheinigt werden, siehe bspw. die letzten krisennews.
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stichwort auto: wie sieht ein elektrifizierter streifenwagen in der morgenwelt aus ? wir begeben uns kurz in einen strassenkrawall...
"BRENNPUNKT: das Schupomobil. Ein weiß gespritztes, trapezförmiges Fahrzeug, vier Meter lang und zwei Meter breit, die Räder darunter ausser Sicht, um sie vor Beschuß zu schützen, verteilt um den flachen Schubbehälter mit den Batterien, die es antreiben, die vordere Kabine für vier Beamte mit Panzerglasscheiben (...)
Am Bug zwei grellweiße Scheinwerfer mit einem Leuchtbereich von 150°, einer davon aber erloschen, weil der Fahrer zu lange gezögert hatte, die Gitterhauben überzustülpen; an den Ecken des Dachs weitere verstellbare Leuchten; auf dem Dach ein kleiner Drehturm mit einer Gaskanone, woraus man mit einer Reichweite von sechzig Metern brüchige gläserne Gasgranaten verschießen kann; unter den Seitenschürzen (...) Öldüsen, mit denen sich die Straße ringsum in ein mittelmäßiges Flammenmeer verwandeln lässt, um Angreifer fernzuhalten, während die Insassen die Frist bis zum Eintreffen der Verstärkung abwarten müssen und unterdessen durch Atemmasken aus einem Sauerstofftank atmen." (...)
(s. 229)
kennen Sie übrigens schon den neuen"wasserwerfer 10000 COBRA", der bis zum jahr 2019 die bisherigen wasserwerfer der bundesdeutschen polizei ersetzen wird und dessen bisher bestellte 78 exemplare u.a. Sie durch Ihre steuern mitfinanzieren ?
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wo wir gerade schon bei waffen sind:
"Blitzbolzer gibt´s als Handwaffen, die pro Ladung zwölf bis fünfzehn Blitze verschießen, und in der Gewehrklasse, wo sie bis zu vierzig hergeben. Zu den Vorteilen gehört die Tatsache, daß ein Volltreffer irgendwo am Leib tödlich ist und ein Fast-Treffer es ebenso sein kann, wenn das Ziel sich zum Beispiel gerade an einem metallenen Geländer festhält" (...)
die zustände in der morgenwelt lösen bei einigen ihrer bewohnerInnen entsprechende reaktionen aus...
"Auftritte von Mokkern in der gewohnten Häufigkeit: Gestern brachte es einer in Ober-Brooklyn auf einundzwanzig Opfer, ehe die Abführmittel ihm eins bolzten, und ein anderer betätigt sich immer noch in Evanston, Illinois, mit bis jetzt insgesamt elf Toten und drei Verletzten. Überm Meer in London machte ein weiblicher Mokker vier Leute und außerdem das eigene drei Monate alte Kind kalt, ehe ein geistesgegenwärtiger Augenzeuge der Frau eins auf die Birne matschte. Meldungen aus Rangun, Lima und Auckland erhöhen die mokker-bedingten Tagesabgänge auf neunundsechzig."
(s. 26/27)
ich bin ja der meinung, dass wir die begriffe "mokker" und erst recht das mehrfach treffende "abführmittel" in die heutige sprachwelt übernehmen sollten - das meiste andere zum thema steht hier:ausweitung der kampfzone.
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welche der folgenden varianten ist nun die morgenwelt?diese?
(...) "Die ersten Prototypen von "intelligenter Bekleidung" wird das IZM auf seinem Festakt am Dienstag (3. Juni ) präsentieren, darunter auch einen Arbeits-Dress für Fahrrad-Kuriere. "Darin ist nicht nur ein Navigationssystem enthalten", erklärt Prof. Reichl, "sondern auch eine Nierenheizung und ein automatisches Sicherheitssystem, das über einen Transponder in der Kleidung den Besitzer des Rades erkennt und das Schloß öffnet". Die Energie für die IT-Systeme liefert der Fahrrad-Dynamo. Auch an die Journalisten haben die IZM-Entwickler gedacht. Ein Modell ihrer IT-Kollektion heißt "Rasender Reporter", bei dem Diktiergerät, Kamera und andere Ausrüstungsgegenstände in die Kleidung integriert und über ein zentrales Modul mit Display zu bedienen ist."
oder diese?
"Unmittelbar vor ihm blieben zwei Mädchen stehen, um ins Schaufenster eines Ladengeschäfts zu starren. Beide waren nach dem aktuellsten Stand der Mode gekleidet, eines in ein Radio-Kleidlett, dessen Außenmuster aus einem Druckschaltkreis bestand und an dem es durch Verschieben des Gürtelkoppels nach rechts oder links die Einstellung der Sender vornehmen konnte, die es durch den unterm purpurroten Haar verborgenen Ohrhörer empfing, das andere in ein Hauteng-Gewebe im harschen Metallglanz, den man sonst an Gehäusen wissenschaftlicher Instrumente sah. Beide hatten verchromte Fingernägel, die aussahen wie die Netzstecken von Apparaturen.
Im Schaufenster des Ladengeschäfts hatten genetisch gestaltete Schoßtierchen die Aufmerksamkeit der zwei Mädchen erregt. Verfahrensweisen, die sich bei Viren und Bakterien bereits gut bewährten, waren am Keimzellenplasma dieser Tiere angewendet worden, doch auf dieser Arbeitsebene mit überaus häufigen Nebenwirkungen; jedes derartige Haustier, das ins Angebot gelangte, stand wahrscheinlich für fünfhundert andere seinesgleichen, die nie das Labor verlassen hatten. Dennoch und trotz aller Pracht seines purpurnen Fells wirkte das übergroße, tiefsinnige Buschbaby im Fenster ganz jämmerlich unglücklich, und der Wurf leuchtroter Chihuahua-Welpen darunter torkelte ohne Ausnahme ununterbrochen wie am Rande zu epileptischen Anfällen.
Was jedoch die beiden Mädchen ausschließlich interessierte, war die Tatsache, daß die Farbe des Buschbabys fast genau zum Haar jenes im Radio-Kleidlett paßte."
was bleibt nach diesen beispielreigen noch zu sagen? vielleicht, dass john brunner neben philip k. dick zu den absoluten visionären der sci fi zu zählen ist, die sich dadurch auszeichnen, dass ihre ausgefeilten konstrukte sich immer um reale trends drehen und daher verankert erscheinen - und deshalb auch heute noch mit erkenntnisgewinn zu lesen sind. das beide aber durchweg dystopien beschreiben, ist ein umstand, der uns mehr zu denken geben sollte als bisher. brunner hat übrigens im bekannteren schockwellenreiter ebenfalls prophetisch die herrschaft der organisierten kriminalität im "seriösen" gewand ebenfalls korrekt vorhergesehen; und aus diesem buch stammt auch ein zitat, welches zwar schon bei anderen beiträgen hier zu lesen war, nichtsdestotrotz aber ewige gültigkeit besitzt:
"Wenn es ein Phänomen wie das absolut Böse überhaupt gibt, dann besteht es darin, einen Menschen wie ein Ding zu behandeln."
in diesem sinne sind wir schon längst in der morgenwelt gelandet, und der bevorstehende grössere datumswechsel vollzieht diese tatsache nun nur noch lediglich formal nach. falls wir uns vorher nicht mehr lesen sollten: kommen Sie gut rein. ich fürchte aber, dass es für viele alles andere als ein gutes jahr werden wird.
zeitlos schön - die loriot´sche weihnachtsapokalypse bei familie hoppenstedt, incl. atomarem gau, fraglichen geschlechtsidentitäten und einem deutlichen hinweis auf die ausufernde verpackungsmüllproblematik ;-)
ebenfalls unverzichtbar die mörderische weihnachtsgeschichte aus dem tief verschneiten forsthaus:
"...vom knall geweckt
rümpft nur der hase
zwei- drei- viermal
die schnuppernase..."
in diesem sinne: machen Sie das beste aus den kommenden tagen.