4. vor den im letzten beitrag geschilderten hintergründen wird vielleicht deutlich, warum ich bspw. die diskussion um das sog. zölibat in der katholischen kirche für nicht weitreichend genug halte - das zölibat sowie die spezifisch ideologischen inhalte der sekte - strafender gott, die konzepte von schuld, sühne, büße etc. - werden mit einiger wahrscheinlichkeit innerhalb des rahmens von totalen institutionen die verhältnisse nochmals verschärfen / brutalisieren, spezifisch ausformen und vielleicht auch für die auffällige menge sexualisierter gewalt innerhalb kirchlicher gemäuer mitverantwortlich sein, ursächlich jedoch - und dafür reicht ein blick auf und in andere totale institutionen mit anderem ideologischen background - scheinen sie mir nicht im zentrum zu stehen.
5. ich muss selbst sagen, dass mir die ganze mögliche tragweite der geschichte derehemaligen heimkinder der alten brdtrotz sporadischer beschäftigung bis dato nie so recht deutlich geworden ist. die beiträge jetzt dienen auch für mich dazu, diesbezgl. bildungslücken zu beseitigen und ein gefühl für die realität dieses - ja, nennen wir es ruhig terrorsystems, zu erhalten. und womöglich müssen im weiteren verlauf sowohl die offizielle geschichte der alten brd als auch ihr selbstbild stark korrigiert werden - die folgende geschichte jedenfalls hat mich zum staunen gebracht -der aufstand von glückstadt:
(...) "Erst seit wenigen Jahren interessiert sich die Öffentlichkeit überhaupt für das Schicksal von Heimkindern in der Bundesrepublik der fünfziger und sechziger Jahre. Seit Februar 2009 beschäftigt sich auf Initiative des Bundestags sogar ein „Runder Tisch Heimkinder“ mit dem Thema. Frühere Heiminsassen verlangen vehement Aufklärung über das geschehene Unrecht. Eine Einrichtung im schleswig-holsteinischen Glückstadt tat sich in dieser Hinsicht besonders hervor. Vor genau 40 Jahren, in der Nacht vom 7. zum 8. Mai 1969, gab es dort einen Aufstand von Heimzöglingen, der möglicherweise sogar mit Hilfe von Marinesoldaten niedergeschlagen wurde. Unter den rebellierenden Jugendlichen, die als Strafe teilweise KZ-Kleidung tragen mussten, war auch der spätere RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock. (...)
Seit dem 1. April 1951 nannte sich die Einrichtung Landesfürsorgeheim, in das Jugendliche und junge entmündigte Erwachsene beiderlei Geschlechts eingewiesen werden konnten. Aus Mangel an geeignetem Personal griff man in dieser Zeit auch auf „vorbelastete“ Beschäftigte aus der NS-Zeit zurück. Das haben Nachforschungen der Heiminsassen beim United States Holocaust Memorial Museum in Washington ergeben. Die Besserungsanstalt war daher eher vom Charakter des Verwahrens und Wegschließens als von einer pädagogischen Erziehung geprägt. Und alle Heimzöglinge wurden zudem zu Zwangsarbeiten herangezogen. Verweigerung und Widerstand wurden mit Isolationshaft und Schlägen gemaßregelt. (...)
Der heute 57-jährige Otto Behnck aus dem schleswig-holsteinischen Schwedeneck, der im Herbst 1970 für drei Monate nach Glückstadt eingewiesen wurde, sagt rückblickend: „Man wollte uns brechen.“ Der in Kiel lebende Frank Leesemann (54) war als Jugendlicher von September 1969 bis Mitte 1971 in Glückstadt. Dort schlief er noch auf einer Matratze mit Reichsadler und Hakenkreuz. In der Kleiderkammer fiel ihm grau-weiß gestreifte Kleidung des ehemaligen NS-Arbeitslagers auf. Nach einem ersten von insgesamt über 20 Ausbruchsversuchen bekam er ein KZ-Hemd mit rotem Winkel und der Aufschrift „Außenkommando“ verpasst. Bei seiner Entlassung ließ er seine Karteikarte mitgehen, auf der das Wort Arbeitserziehungslager per Hand in Landesfürsorgeheim verändert wurde, aus „Häftling“ wurde „Zögling“, aus dem „Lagerkommandanten“ der „Heimleiter“.
Angesichts der Erzählungen von ehemaligen Heiminsassen in Glückstadt, die von Drill und Drangsalierung, von sexuellen Übergriffen und Misshandlungen berichten, die sich ausgebeutet und zum Teil um Jahre ihrer Jugend beraubt fühlen, versteht man Ulrike Meinhofs Frage in ihrem 1971 veröffentlichten Buch Bambule nach der „Fürsorge – Sorge für wen?“. Es handelte sich dabei nicht nur um Einzelschicksale, sondern um ein gesellschaftliches Phänomen, das rund 800.000 Kinder und Jugendliche betraf - mit zum Teil psychischen Folgen bis zum heutigen Tag." (...)
es sind schlicht faschistische kontinuitäten, die sichtbar werden - und zwar in sehr deutlicher offenheit, was für andere bereiche in der brd, die eher im öffentlichen licht waren und sind, nicht in dieser art zutraf - dort war zur beruhigung des publikums mehr demokratiesimulation angesagt. heimkinder hingegen? uninteressante schicksale.
all das mehr als gute gründe für eine massive revolte:
(...) "Der Auslöser des Aufstandes war dabei eher banal. Später hieß es, dass Päckchen, die den Zöglingen von Familienangehörigen zugeschickt wurden, nicht ausgehändigt worden seien. (...)
Die in Haus 1 und 2 untergebrachten 80 Heimzöglinge zündeten Matratzen und Kleidungsstücke an, rissen sanitäre Anlagen aus den Wänden, zertrümmerten Fenster wie Möbel und attackierten das Heimpersonal. Einer der Rebellierenden war der damals 17-jährige Peter-Jürgen Boock, der nach der Heimrevolte in das hessische Jugendhaus von Rengshausen verlegt wurde. Dort kam er unter anderem mit Andreas Baader und Gudrun Ensslin in Kontakt, die sich wie Meinhof für die Interessen von Heiminsassen einsetzten, und fand kurze Zeit später Unterschlupf in deren WG, ehe er selbst zum Terroristen der zweiten Generation wurde." (...)
und jetzt kommt etwas, was sich bei einer verifikation nur als echter hammer bezeichnen ließe, der die mythen der alten brd ordentlich mit rissen versehen könnte:
"Brisant im Zusammenhang mit der Glückstädter Heimrevolte sind die Aussagen des gelernten Rohrschlossers Gerd Meyer aus Schleswig. Dieser war als damaliger Zögling Augenzeuge. Der heute 57-Jährige beteuert, gesehen zu haben, wie in Glückstadt stationierte Marinesoldaten im Innenhof vorfuhren und unter Einsatz von Tränengas den Aufstand niederschlugen. „Ich kannte doch den Unterschied von Polizei- und Bundeswehruniformen, von Polizei- und Militärfahrzeugen“, sagt Meyer. Auch Boock hatte bereits auf den verfassungswidrigen Bundeswehreinsatz hingewiesen, doch wollte man ihm keinen Glauben schenken. Im Bericht des damaligen Heimleiters Walter Blank hieß es dagegen, nur 20 Heiminsassen hätten sich an den Aktionen beteiligt und man habe noch bevor die gerufene Polizei und Feuerwehr eingreifen mussten, die Lage wieder in den Griff bekommen." (...)
warum ich das gleichfalls in mehrfacher hinsicht brisant finde, erzähle ich gleich - vorher aber noch zu weiteren folgen des aufstands:
"Als einen von zwei verantwortlichen Rädelsführern benannte Oberamtmann Blank Harry Radunz, der am 31. Mai 1969 erhängt in seiner Arrestzelle aufgefunden wurde. In der Folge häufen sich kritische Zeitungsberichte über die Zustände in Glückstadt. Die Nordwoche titelte etwa „Terror im Erziehungsheim“ und „Methoden aus dem Mittelalter“. Sogar im Kieler Landtag wurde daraufhin über Glückstadt gestritten – am Ende zunächst ohne Folgen. Das anfangs stets mit 140 Zöglingen belegte Heim wurde erst wegen rückläufiger Zahlen zum 31. Dezember 1974 geschlossen.
Heute weiß man von diversen als Suizide registrierten Todesfällen." (...)
wenn man sich also dieses gesamte szenario so betrachtet - die offene nazi-kontinuität mit aller brutalität, die vielen todesfälle, den möglichen bundeswehreinsatz gegen kinder - und dazu die namen ulrike meinhof und peter-jürgen boock liest, so stellen sich im hinblick auf die raf einige zumindest für mich ganz neue fragen.
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fragen bspw. solcher art: besitzt die bis heute immer als "abstrus" bezeichnete wahrnehmung der ersten raf-generation von der brd als quasi-faschistischem staat in den realen erfahrungen ihrer ersten beiden (gründungs-)generationen ihre eigentliche basis?
denn diese beiden ersten "terroristischen" "generationen" setzten sich zu einem großteil aus menschen zusammen, die entweder am eigenen leib - bspw. der schon genannte peter-jürgen boock,stefan wisniewskioder auchinge viett(bewegung 2. juni),unmittelbare persönliche erfahrungen mit dem heimsystem der brd hatten oder aber, wie bspw. ulrike meinhof als journalistin, nach intensiven recherchen von diesen zuständen in den heimen wussten.
und es gibt aber noch ein zweite art der totalen institution, die zur quelle späterer raf-mitgliedschaften wurde: die psychiatrie. hier heisst das stichwortsozialistisches patientenkollektiv:
"Einige Mitglieder des SPK wechselten (...) zur RAF, darunter Klaus Jünschke, Margrit Schiller, Lutz Taufer, Bernhard Rössner, Hanna Krabbe und Siegfried Hausner, Elisabeth von Dyck, Ralf Baptist Friedrich, Sieglinde Hofmann und mutmaßlich Friederike Krabbe."
wer die zustände in der bundesdeutschen psychiatrie ende der 1960er jahre kennt, kann etliche strukturelle gemeinsamkeiten mit der situation in den heimen entdecken. auch das dürfte für einige der raf-mitglieder, die nicht alle als patientInnen ins spk kamen, eine sehr prägende lektion gewesen sein.
und vor diesem hintergrund wird die raf-spezifische wahrnehmung des staates brd durchaus nachvollziehbarer, wie ich finde - ebenso wie die täter-opfer-dialektik es verständlicher machen kann, warum betroffene aus den totalen institutionen militant zurückschlugen gegen einen staat, der ihnen aus eigenem erleben tatsächlich mit einer faschistischen fratze begegnete.
beide aspekte halte ich zumindest für diskussionswürdig.
2. die arten und formen der gewalt gegen kinder und jugendliche, die gerade besonders innerhalb institutioneller rahmen sichtbar werden, stellen meiner meinung nach keinesfalls alleine ein problem der katholischen kirche dar; andererseits ist es auch nicht zufällig, dass sich gerade diese sekte international mit derart verbreiteten gewaltstrukturen innerhalb der eigenen reihen konfrontiert sieht. das sich aktuell inzwischen mindestens auch einenichtkonfessionelle, ja sogar wg. ihres reformpädagogischen ansatzes ausgezeichnete "eliteschule" mit ihrer innerstrukturellen gewalt beschäftigen muss, unterstreicht allerdings nachdrücklich, dass hier der zipfel von etwas gelüftet worden ist, was - eigentlich schon lange erkennbar - nicht nur diese gesellschaft hier in ihrem umgang mit kindern und jugendlichen seit jahrhunderten tiefgreifend und destruktiv prägt.
ich fürchte, das, was wir gerade sehen müssen, ist eine späte ausdrucksform dessen, was bspw. alice miller seit jahrzehnten beschreibt und lloyd deMause in der extremsten erscheinungsform alsinfantizidbezeichnet. und ich glaube, dass wir hier sozusagen "nur" das institutionelle komplementär zu all den fällen von schwerer bis tödlicher gewalt und vernachlässigung gegen kinder sehen, die in den letzten jahren unter namen wiekevin, jessicaund zu vielen anderen auch hier im blog immer wieder thema waren. die zu starke konzentration auf die katholische kirche alleine - auch, wenn dieser verein völlig berechtigt im kreuzfeuer steht - birgt durchaus die gefahr, dass sich die restgesellschaft hier selbst entlastet. etwas, was wir im ureigensten interesse nicht durchgehen lassen dürfen.
3. wer sich schon mal näher mit den (historischen) formen militärischen drills beschäftigt hat (empfehlenswert hierzu immer noch die "männerphantasien" von theweleit, siehe literaturliste), wird zwischen einigen der jetzt bekannt gewordenenpraktikenbesonders aus religiösen heimen und dem umgang gedrillter männergruppen untereinander durchaus gemeinsamkeiten erkennen können:
(...) "So berichtete ein Opfer, in den 60er-Jahren seien Übergriffe bis hin zur Prügelstrafe "tägliche Praxis" gewesen. Diese Übergriffe seien "vollkommen offen praktiziert" worden. Ein anderer Ex-Schüler bezeichnete die früheren Verhältnisse in der Schule als "absoluten Terror". Im Schlafsaal habe es Ohrfeigen für alle Schüler gegeben als Strafe dafür, dass zuvor einer von ihnen etwas gesagt habe. Eine andere Methode sei gewesen, zwei Nachtkästchen zusammenzurücken und zwei Schüler sich daraufstellen zu lassen, die sich gegenseitig ohrfeigen mussten. Wer zuerst herunterfiel, hatte verloren. Andere berichteten von Stockschlägen auf den Rücken, Kopfnüssen und Schlägen mit der flachen Hand." (...)
das gegenseitig-demütigen lassen, die bestrafung aller für das "vergehen" eines einzelnen, der ständige - offene - ein- und übergriff auf die psychophyische unversehrtheit - all das sind genau die gleichen techniken, mittels derer rekruten bis heute in vielen armeen zu soldaten verwandelt werden sollen. drill bedeutet im prinzip nichts weiter als ein set von ausgesuchten an- und übergriffen sowie kontrolliert-impulsiven demütigungen, mittels derer traumatische effekte erzielt werden, die dann von der jeweiligen institution benutzt werden können, um die gebrochene persönlichkeit in ihrem sinne neu zusammenzusetzen. in einer kaum zu übertreffenden klarheit hat das stanley kubrick in der quälend langen ersten stunde seines films "full metal jacket" am beispiel der (authentischen) nachstellung des drills bei den us-marines exemplarisch vorgeführt. man könnte auch sagen: eine schockstrategie für individuen. im rahmen der katholischen kirche mit dem vermutlichen ziel, "gottesfürchtige, anständige unddemütige" menschen zu produzieren - also von zwängen und ängsten geplagte, traumatisierte, lenkbare und autoritätshörige untertanen.
die geschilderten praktiken erinnern nicht zufällig auch an die sporadisch öffentlich werdenden "rituale" von bundeswehrrekruten bzw. ihren unmittelbaren vorgesetzten, und sie erinnern gleichfalls nicht zufällig an die zustände in einer anderen - erzstaatlichen - institution, nämlichgefängnisse:
(...) "Doch insbesondere für Jugendliche sei die Zeit im Gefängnis hart. "Sie müssen sich behaupten, sonst gehen sie unter", sagt der Psychologe. Jugendliche versuchten, Macht über Schwächere auszuüben, so bildeten sich Hierarchien. "Sprichwörtlich" sei es, jemanden zu zwingen, den Kopf in die Kloschüssel zu stecken.
Auch "Abzocke" sei üblich: Gefangene drohen demnach anderen damit, dass sie etwas "auf die Schnauze" bekommen, wenn sie etwa keinen Tabak abgäben oder sich weigerten, "Dienstleistungen" auszuüben, wie beispielsweise die Zelle zu putzen. All das gehöre zur Subkultur. Auch Vergewaltigungen seien keine Einzelfälle." (...)
kurz: es gibt natürlich einige, eher formale und oberflächliche unterschiede zwischen (kirchlichen) heimen, kasernen und knästen - aber ihre strukturellen gemeinsamkeiten sind schon bei einem kurzen blick unübersehbar, und es sind nichts anderes als die gemeinsamkeitentotaler institutionen:
"Neben Strafanstalten und Untersuchungshaftanstalten rechnet man dazu auch psychiatrische Anstalten, Kasernen, Arbeitslager, Internate, Schiffe, Altersheime etc. (...)
Eine totale Institution weist nach Goffman folgende Merkmale auf:
1. Totale Institutionen sind allumfassend. Das Leben aller Mitglieder findet nur an dieser einzigen Stelle statt und sie sind einer einzigen zentralen Autorität unterworfen.
2. Die Mitglieder der Institution führen ihre alltägliche Arbeit in unmittelbarer (formeller) Gesellschaft und (informaler) Gemeinschaft ihrer Schicksalsgefährten aus.
3. Alle Tätigkeiten und sonstigen Lebensäußerungen sind exakt geplant und ihre Abfolge wird durch explizite Regeln und durch einen Stab von Funktionären vorgeschrieben.
4. Die verschiedenen Tätigkeiten und Lebensäußerungen sind in einem einzigen rationalen Plan vereinigt, der dazu dient, die offiziellen Ziele der Institution zu erreichen.
Zu ergänzen ist dies noch um einen weiteren 5. Punkt, den Goffman in seiner Aufzählung zunächst nicht nennt, dann aber im weiteren Verlauf seiner Erörterungen als "zentrales Faktum" totaler Institutionen bezeichnet. Das Funktionieren der totalen Institution erfordert die Handhabung einer Reihe von menschlichen Bedürfnissen durch die bürokratische Organisation ganzer Gruppen von Menschen, aus der automatisch eine Trennung zwischen Verwaltern (dem Personal) und Verwalteten (den Insassen) entsteht. (...)
Goffman hat den Begriff idealtypisch gebraucht. Er hat das Konstrukt "totale Institution" an der Gefängnisähnlichkeit festgemacht. Der eigentliche Witz der Begriffsbildung besteht darin, dass man die von Goffman am Beispiel der Gefängnisse herausgearbeiteten Merkmale auch an anderen sozialen Institutionen nachweisen kann, die auf den ersten Blick wenig oder gar nichts mit Gefängnissen gemein haben (Psychiatrische Anstalten, offene Anstalten, Schiffe, Schulen, ja sogar Familien). Dieser Blickwinkel gestattet es, gerade an den als normal geltenden Institutionen das Gefängnisartige zu erkennen." (...)
die hinzunahme von familien mag zuerst befremdlich erscheinen, aber wenn man sich die abhängigkeiten von kindern gerade in dysfunktionalen familien mit gewaltstrukturen betrachtet, befinden sie sich durchaus im status eines insassen in einer totalen institution. auch der entführer der zur traurigen berühmtheit gewordenen natascha kampusch hat in gewisser hinsicht speziell für sie das szenario einer totalen institution konstruiert bzw. sich selbst in der rolle installiert.
totale institutionen werden einerseits für bestrafung und abschreckung verwendet, andererseits dienen sie auch der kontrolle, korrektur, erziehung und regelmässig auch der elitebildung. sie stellen unverzichtbare elemente aller systeme dar, die auf struktureller gewalt und gesellschaftlichen hierarchien beruhen, arbeiten dafür zwangsweise wie dargestellt mit gewalttätigen ein- und übergriffen auf die psychophysis der ihnen ausgelieferten und sind vor allem als wahrhaft rechtsfreie räume anzusehen - die schlimmsten, die überhaupt vorstellbar sind (auch folterkeller und vernichtungslager zählen dazu). und sie sind wahre brutstätten für gewalt in allen formen, und zwar nicht als ausnahme, sondern als regel. sie funktionieren mittels mechanismen systematischer traumatisierung - kurz gesagt, sind sie in ihren bösartigsten formen einpsychotischer kosmos.
totale institutionen können sich, gerade in ihren relativ "zivilen" formen, wie schulen, altenheime, psychiatrischen kliniken etc. auch durchaus wandeln, d.h. je mehr transparenz und offenheit vorhanden ist, desto mehr kann das destruktive potenzial entschärft werden - allerdings verschwindet es niemals völlig, solange der strukturelle kern vorhanden ist, und kann bei anderen rahmenbedingungen auch wieder auftreten - interessanterweise können dazu auch umstrukturierungen gehören, die bspw. als privatisierung auftreten, hier dargestellt am beispiel der institutionalisiertenpsychiatrie:
(...) "Halts Maul", pflaumt der Stationsleiter den Patienten an. Als der psychisch kranke Mann nicht reagiert, sprüht er ihm Pflegeschaum - eigentlich zur Reinigung des Genitalbereichs gedacht - in den Mund. Was wie Szenen aus einer Neuverfilmung von "Einer flog übers Kuckucksnest" anmutet, spielte sich bis vor kurzem in einer der größten psychiatrischen Privatkliniken in Europa, dem Klinikum Wahrendorff bei Hannover ab.
Bekannt wurden die Praktiken auf der Station AST 2, einer geschlossenen Akutstation für Menschen ab 55, als Mitarbeiter anderer Bereiche dorthin versetzt wurden - und vor Entsetzen über die Zustände schleunigst wieder weg wollten. Nach ihren Berichten flößte Klaus W.*, seit 2004 Stationsleiter, schlafenden Patienten Flüssigkeit ein. Gesundheitliche Probleme, die bei einer Patientin daraufhin auftraten, kommentierte er lapidar, sie habe sich "verschluckt" und gehe deshalb "kaputt".
Andere zwang er unter Polizeigriff zur Einnahme von Medikamenten. Und auch die Körperpflege war für "lästige" Patienten kein Vergnügen: Sie wurden von Kopf bis Fuß mit Pflegeschaum eingesprüht, der jedoch nicht abgewaschen, sondern nur mit einem trockenen Tuch abgewischt wurde. Untergebene, die sein Verhalten kritisierten, soll er mit Druck und Drohungen zum Schweigen gebracht haben.
Die Leidenszeit auf der AST 2 hat nun ein Ende: Der Stationsleiter wurde vor die Tür gesetzt. Bis dato gibt es keinerlei Hinweise auf strafrechtliche Konsequenzen der Übergriffe.
Doch für negative Publicity sorgen nicht allein die Misshandlungsfälle. Die Klinik ist für stetig schlechter werdende Arbeitsbedingungen und kontinuierliche Attacken gegen gewerkschaftliche Strukturen bekannt. Kritiker sehen die aktuellen Misshandlungen als direkte Folge der Unternehmenspolitik: "Hier werden Vorgesetzte nicht nach Qualifikation ausgesucht, sondern danach, dass sie die Linie der Klinikleitung umsetzen", kommentiert ein Angestellter, der lieber anonym bleibt." (...)
auch hier finden wir wieder viele strukturelle gemeinsamkeiten mit den vorherigen beispielen, und eine weitere sei hervorgehoben: "Bis dato gibt es keinerlei Hinweise auf strafrechtliche Konsequenzen der Übergriffe."
staatliche repressionsorgane werden nicht von ungefähr regelmässig von apathie und lähmung befallen, wenn es darum geht, selbst schwere und schwerste gewaltdelikte in solchen institutionen zu verfolgen, und zwar nicht nur in staatlichen. das darf getrost als ausdruck davon verstanden werden, dass sie selbst - polizei und justiz - strukturell ähnlich organisiert sind bzw. solche institutionen selbst betreiben; und auch als ausdruck eines impliziten wissens, dass ohne solche institutionen im wahrsten sinne des wortes kein staat zu machen ist. es wird sehr interessant zu beobachten, ob der öffentliche druck für den staat aktuell groß genug werden wird, um einen zumindest ehemals tragenden systemteil, nämlich die institutionalisierte kirche, faktisch zu "opfern" - um den rest erhalten zu können.
weil aus meiner sicht in der öffentlichen berichterstattung zusehends mehr durcheinandergeschmissen bzw. vermischt wird, und deshalb bestimmte dinge eher vernebelt werden - hier ein mehrteiliger versuch der zumindest groben sortierung.
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1. zur sprache: in der medialen berichterstattung dominieren worte und begriffskombinationen wie "(sexueller) missbrauch", "kinderschänder", "sexskandal" und "pädophilie". ich halte die ersten drei begriffe allesamt für gleich in mehrfacher hinsicht sachlich falsch, sprachlich irreführend, inhaltlich verharmlosend und ausdrück bürgerlich-reaktionärer ideologie.
das wort "missbrauch" stammt in der schreibweise mit ß aus dem althochdeutschen und bedeutet "etwas falsch oder bösegebrauchen". das reichsstrafgesetzbuch von 1871 als erster (?) juristischer nachweis bezieht die strafrechtliche bedrohung primär auf den missbrauch "...einer in einem willenlosen oder bewußtlosen Zustande befindlichen, wie auch einer geisteskranken Frauensperson" (quelle ist der wikipediaartikel zum wort sowie verschiedene etymologische onlinelexika). missbrauch bezeichnet also im hiesigen historischen kontext den "falschen gebrauch" von "willen- und bewusstlosen" oder "geisteskranken" menschen, die in dieser bedeutung - anders lässt sich das beim besten willen nicht interpretieren - umstandslos den status einer sache, eines gegenstands oder dings zugewiesen bekommen.
nun liesse sich mit recht behaupten, dass das im besten falle die (sprachliche) wiederspiegelung der zwangsweise verdinglichenden wahrnehmung der täter darstellt - wenn man sich jedoch klar macht, dass im wort implizit auch die alternative des "richtigen gebrauches" steckt, so wird deutlich, das wir es hier eher mit dem relikt eines sehr alten patriarchalen denkmusters zu tun haben, in dem sowohl frauen als auch kinder nicht als "vollwertige" menschen, also als männer, gelten - die zuschreibungen mittels solcher attribute wie "willenlos" oder auch "geisteskrank" primär auf frauen bezogen enthalten eine ordentliche portion patriarchaler diskriminierungen, auch wenn sie scheinbar "nur" eine sachliche situationsbeschreibung darstellen. die kehrseite der medaille dieser patriarchalen tradition liegt übrigens darin, dass sich männliche betroffene sexualisierter gewalt bis heute auch wg. diesem aspekt in aller regel sehr schwer tun, sich als opfer zu begreifen - das hatte ich früher mal näher im verlaufdieses beitragesausgeführt. richtig krass wird der oben skizzierte hintergrund dann, wenn in schlagzeilen von "gewalt und missbrauch" die rede ist - inhaltlich wäre das "nur" doppelt gemoppelt, wenn darin nicht implizit auch die vorstellung mitschwingen würde, dass "missbrauch" irgendwie noch etwas anderes als gewalt sei, besonders mit dem attribut "sexuell". das ist aber nichts weiter als implizite verharmlosung.
"kinderschänder": das wort schande hängt etymologisch eng mit dem wort scham zusammen, und das ist dann schon der einzige, wenn auch bereits sehr an den haaren herbeigezogene, realistische bezug zum thema, weil scham für die betroffenen in der regel eine große rolle spielt. der "kinderschänder" bringt schande über das kind, was hier ebenfalls vergleichbar mit den zuschreibungen hinsichtlich "geschändeter" (= vergewaltigter) frauen ist. wenn man sich klar macht, dass schande ein synonym für den verlust der ehre darstellt, so wird deutlich, dass diese begriffswelt ebenfalls aus der oben skizzierten patriarchalen tradition stammt - diese sprachlichen konstrukte enthalten eine implizit sehr nachdrückliche zuschreibung von (mit-)schuld an die opfer (eine wahrscheinliche quelle für die real empfundene scham in vielen fällen); dazu wabert im hintergrund assoziativ der mythos von der sexuellen "verführungkraft" herum, die besonders von kindern ausgehe (und die dann angeblich ehrenwerte, "anständige" mannsbilder regelmässig überwältigt - eine denkfigur der täter-opfer-verdrehung, die sich aktuell in einigen der schlimmsten statements aus der katholischen kirche wiederfinden lässt). als letztes dann noch dazu die patriarchale wahnvorstellung vom ehr- als wertverlust - die vergewaltigten kinder (und frauen) sind nicht (mehr) "unberührt" (womöglich dank ihrer "verführungskraft"), haben also "schande" über sich (und ihre herren und besitzer) gebracht, die diese dann auch bis heute in offen patriarchalischen kulturen "sühnen müssen", damit die "ehre" des "herren" (oder auch der familie) wiederhergestellt sei - ein punkt, an dem sich besonders religionen mit patriarchalen göttern die hand reichen.
wer also bisher die begriffe "kinderschänder" oder auch "schändung" gedankenlos nachplapperte, sollte sich zukünftig etwas mehr darüber im klaren sein, in welche unheilvolle tradition er oder sie sich damit stellt.
"sexskandal": das wort ist in diesem zusammenhang für sich selbst ein skandal - einmal, weil damit regelmässig assoziationen verbunden sind, die ich hier nicht extra anführen möchte, die aber der brutalen realität in den heimen, internaten, schulen etc. völlig unangemessen sind. zweitens geht es regelmässig um gewalt, und nicht um wie auch immer geartetete formen von sexualität. vergewaltigungen und andere formen sexualisierter an- und übergriffe haben nichts mit sexualität, sondern nur mit dem ausdruck von machtverhältnissen bzw. -bedürfnissen seitens mehr oder weniger gestörter persönlichkeiten zu tun, die unter bestimmten bedingungen sexualisiert auftreten. und in den bisher bekannten fallbeschreibungen tritt sexualisierte gewalt überwiegend nur als eine facette unter anderen, nichtsexualisierten gewaltformen auf.
pädophilie: nachdem ich vor langer zeit einmal an einer öffentlichen auseinandersetzung mit einem örtlichen schwulenzentrum beteiligt war, in dessen räumen sich eine pädophile "selbsthilfegruppe" (deshalb in anführungszeichen, weil sich diese gruppe offensiv für die "gleichberechtigung" einer angeblich ebenso legitimen sexuellen variante wie homo- oder heterosexualität mitsamt der selbstdefinition als "unterdrückt" öffentlich einsetzte), habe ich weder zeit noch lust, dieses thema nochmals tiefgreifend zu beleuchten. nur soviel: aus meiner sicht spielen in der aktuellen diskussion die taten "echter" pädophiler lediglich eine nebenrolle; vielmehr halte ich den begriff der totalen institution für entscheidend (dazu mehr im zweiten teil). es gibt natürlich eine gewisse wahrscheinlichkeit dafür, dass sich im ganzen bereich des institutionellen umgangs mit kindern und jugendlichen vermehrt auch pädophile finden lassen, aber die oftmals sichtbare koppelung mit nichtsexualisierter gewalt gerade im kirchlichen rahmen deutet nicht unbedingt als haupttäter auf die pädophile fraktion hin.
wir hatten damals als hauptpunkt der diskussion von pädophiler seite immer wieder mit dem betonten argument zu tun, dass sie ihr treiben keineswegs als gewalt ansehen würden, sondern im gegenteil "aus echter liebe" ihr kindliches gegenüber achten und niemals schädigen würden. das mag aus ihrer selbstwahrnehmung heraus durchaus so erscheinen, nur ändert das nichts an der realität dessen, dass zwischen erwachsenen und kindern (ab einem bestimmten - jugendlichen - alter stellen sich andere fragen) immer ein nicht aus der welt zu schaffendes machtgefälle bis -ungleichgewicht herrscht, was sich schlicht und einfach aus faktoren wie lebenserfahrung, des massiven ungleichgewichtes der gegenseitigen abhängigkeit, aber bspw. auch schlichter körperlicher stärke ergibt. dieser umstand lässt sich auch mit noch soviel gutem willen nicht aus der welt konstruieren, und deshalb sind sexuelle verhältnisse zwischen erwachsenen und kindern immer ein problem und grundsätzlich nur einen kleinen schritt vom kippen in ein offenes gewaltverhältnis entfernt. pädophile neigungen, auch wenn sie subjektiv als "naturhaftes" erlebt werden mögen, deuten auf meiner sicht eher regelmässig auf eigene massive probleme in der persönlichkeitsstruktur des pädophilen hin, incl.gerade der unfähigkeit zu gleichberechtigten beziehungen mit erwachsenen menschen.
das bedeutet übrigens nicht, dass ich damit kindliche sexualität leugnen will - nur sollten kinder den raum haben, die ihrem alter angemessenen erfahrungen auch unter ihresgleichen machen zu können - ohne verzerrende und in aller regel schädliche einmischung von meist wesentlich älteren.
"Schliesslich besetzten die Arbeiter der Nationaldruckerei ihre Arbeitsstätte und weigern sich die Gesetzestexte für die Sparmaßnahmen zu drucken. Bevor das Gesetz nicht gedruckt ist, ist es nicht rechtsgültig."
...offenbart sich z.zt. nicht zum ersten mal in einer derart unangenehmen ballung, dass ich weder die lust noch die energie dazu verspüre, die eigentlich bei jedem der folgenden themen nötige erweiterte betrachtung zu schreiben - so also der schnelldurchlaufmodus.
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hatte ich neulich erst vomsuper-gaufür die römisch-katholische kirche geschrieben, so kann ich gleichfalls auch die damalige überschrift recyclen:schlimmer geht immer. wobei ich nicht nur in der sz etliche kommentare dahigehend besonders spannend finde, die die gesamte - nicht nur katholische - realität in denheimenund auch den schulen der "alten", ach so idyllischen brd in den focus nehmen. denn es ist keineswegs eine relativierung der sexualisierten gewalt, wenn auch die "ganz normale" körperlich-psychische gewalt als eben solche begriffen wird - die offen sexualisierten taten werden mir manchmal zu sehr in den blickpunkt gerückt; und derart kann dann schnell eine durch nichts begründete hierarchie entstehen.
im kommentarbereich zum gerade verlinkten sz-artikel oben schreiben einige user aus ihrer schulzeit an staatlichen schulen in den 1970er jahren. das führte bei mir zu einigen erinnerungen:
grundschule in niedersachsen, erste frühe hälfte der 1970er: einige lehrer waren schon um die sechzig, mithin noch in der weimarer republik ausgebildet - und da waren bei gelegenheit ohrfeigen völlig "normal" - in der vierten klasse.
ebenfalls in niedersachsen, die sog. orientierungsstufe - fünfte und sechste klasse, in der - ja, die selektion auf eine der drei dann folgenden schultypen (haupt- und realschule sowie gymnasium) stattfand, mitte der 70er: entschieden jüngere lehrkräfte arbeiteten mit folgenden innovativen pädagogischen methoden: englische vokabeltests fanden derart statt, dass die ganze klasse auf die tische steigen musste und dann alle abgefragt wurden - richtige antworten führten zunächst zum abstieg auf den stuhl (immer noch stehend), dann durfte nach einer weiteren richtigen antwort wieder gesessen werden. preisfrage: wie fühlt man sich, wenn man am ende zu den zwei oder drei gehört, die immer noch auf den tischen stehen, wenn alle anderen schon sitzen? spielen Sie das für sich in gedanken ruhig mal durch - obwohl das nur eine ungefähre annäherung an die realität sein kann.
gleiche schule: ein lehrer hatte die angewohnheit, während des unterrichts ständig um die gesamte klasse (wir saßen damals in einem großen quadrat) zu tigern. hielten nun zwei leute ein kleines schwätzchen während des unterrichts, so spitzte er seinen zeigestock (plastik) an (mit einem bleistiftanspitzer), schlich sich von hinten an die störerInnen an und rammte dem oder der ersten den stock in den rücken. gleichfalls flogen seitens anderer lehrer öfter schlüsselbünde durch die luft, wieder im falle einer unbotmässigen "störung", zu der alleine schon (scheinbare) mangelnde aufmerksamkeit gehörte. fliegende, mit wucht geworfene kreidestückchen fallen hingegen gegen metallende schlüssel schon stark ab und können schlimmstenfalls nur im wahrsten sinne des wortes ins auge gehen.
unspektakuläre "normalität" damals - ich weiß nicht, ob sich je eltern deswegen beschwert hätten. und gewiss auch "kleinigkeiten" gegen die sich jetzt endgültig offenbarenden realitäten der heime - aber eben auch nicht als irgendwie getrenntes zu sehen, sondern als systemischer umgang mit kindern vor dem hintergrund einer gesamtgesellschaftlichen traumatischen matrix. mittels solcher methoden werden bzw. wurden ganze generationen ver- und gestört.
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viele derart traktierte menschen sind selbst dann nicht in der lage, sich zu wehren, wenn ihnen die eigene obrigkeit das fell über die ohren zieht und jegliche maske fallen lässt: Wirtschaftsführer mit Merkel "nicht ganz zufrieden",Spitzenmilitärs der Bundeswehr versuchten, die Folgen des Kunduz-Bombardements herunterzuspielen- nur zwei von unzähligen überschriften bzw. headern heute, die tragende systeminstitutionen als das kenntlich machen, was sie im kern sind: konstrukte angemaßter macht, bei denen im zweifelsfall ganz ähnliche methoden und haltungen zu finden sind, wie sie in der parallelwelt - ist das überhaupt noch eine? - der organisierten kriminalität die norm bilden. wobei ich die überschrift in der "zeit" wirklich allerliebst finde - treffender lassen sich die realen machtverhältnisse jenseits der demokratiesimulation fast schon nicht mehr in einen einzigen satz packen. die spieler in und hinter den kulissen sind mit ihrer marionette ganz offensichtlich unzufrieden. und wahrlich, für all ihre spenden können sie ja auch etwas erwarten - das ist schliesslich eine leistungsgesellschaft. eine hand wäscht die andere.
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ein anderes, implizites prinzip der hiesigen leistungsgesellschaft lautet so:wo gehobelt wird, fallen späne. und "hiesig" deshalb, weil das dargestellte auch eine sehr "deutsche" reaktion darstellt: in diesem land ist offener, gar geplanter und konsequenter widerstand gegen selbsterklärte "eliten" und angemaßte autoritäten seit generationen für zu viele immer noch etwas unvorstellbares, ja schon fast naturwidriges. lieber also depressiv werden - das lässt sich in einem gewissen sinne als form von autoaggression begreifen. oder aber der depression durch identifikation mit der macht entgehen und ihre wahnsinnigen spaltungs- und fragmentierungsmanöver nachvollziehen: treten gegen noch schwächere, oder gerne auch gegen äussere feinde - wenn der papierprügel mit den vier buchstaben heute zumindest online titelt "Ihr griecht nix von uns", dann wird der medial sedierte hartz-IV-empfänger erleichert aufatmen, vergessen, dass er selbst gerade noch die zielscheibe war (und wieder werden wird) und denken: "genau. immer diese korrupten südländer. nicht mit uns deutschen"
herrschaftstechniken - so platt wie immer noch wirkungsvoll. die tiraden der westerwelles, sarazzins, clements, henkels und wie sie sich alle schimpfen gegen dieparasitenim innern sind absolut deckungsgleich mit der chauvinistischen mobilisierung gegen "die griechen. beides hat den gleichen hintergrund. und zeigt in gewissem sinne auch an, wie weit die panik und paranoia der "elitären" vollhonks im angesicht ihres eigenen möglichen untergangs mit ihrem system bereits gediehen ist. leider ist das auch ein indiz dafür, wie gefährlich die gesellschaftliche situation inzwischen tatsächlich ist.
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wo ich gerade beim stichwort bin - bezgl. griechenland und der dortigen, breit angeklagten korruption hatte ich in denkrisennews 41u.a. geschrieben:
"und, ist das ein wunder bei den "elitären" vorbildern nicht nur in griechenland ? es ist immer wieder verblüffend, mit welcher chuzpe die apologeten der herrschenden a-sozialität sich dann immer wieder jammernd beklagen, wenn große teile von bevölkerungen beweisen, dass auch sie ihre lektionen der kapitalismusimmanenten regeln gelernt haben und sich im kleinen nicht anders verhalten als im großen die bankster und diverse transnationale konzerne."
dem habe ich nichts hinzuzufügen ausser der anmerkung, dass es schon schwer belustigend ist, wenn sich bspw. hier im land leute, die sich von hotelketten gesetze bezahlen lassen, ministerpräsidenten bzw. sich selbst vermieten und überhaupt allerlei lobbys zu einem großen teil die gesetzgebung überlassen, hinstellen und sich ganz ernsthaft über korruption beklagen wollen.
generell sind eigentlich eh neue krisennews bzw. zu griechenland ein special fällig - aber für den moment möchte ich nur sagen, dass ich griechenland für einen art testlauf halte - die dortigen spar- und kürzungsorgien werden mit zeitlicher verzögerung auch in so ziemlich allen anderen europäischen ländern anstehen - und wenn das bei der streitlustigen griechischen bevölkerung durchgedrückt werden kann, dann auch bspw. inportugal, spanien, irland, großbritannien - und irgendwann auch hier und in den usa. deswegen dürften die kommenden tage und wochen nicht nur für die griechische bevölkerung sehr entscheidend sein - berichte, teils stark verzerrt, gibt´s an vielen stellen - aktuelle bilder vom heutigen tag, welche die bereits erfolgte eskalation der konflikte zwischen bevölkerung und regierung belegen, sindhierzu sehen.
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zum schluß noch einemeldung, die zwar schon einige tage alt ist, aber meiner meinung nach mehr thematisiert gehört:
(...) "Seen on a recent Citibank statement: 'Effective April 1, 2010, we reserve the right to require (7) days advance notice before permitting a withdrawal from all checking accounts. While we do not currently exercise this right and have not exercised it in the past, we are required by law to notify you of this change.' " (...)
hübsch, oder? nochmal:
"Auszug aus einer aktuellen Citibank Mitteilung: 'Ab dem 1. April 2010 behalten wir uns eine Frist von sieben (7) Tagen vor, bevor wir Abhebungen von einem Girokonto zulassen. Wir üben zwar derzeit diesen Vorbehalt nicht aus [...] aber wir sind gesetzlich verpflichtet, Sie über diese Änderung zu informieren.' "
die citi- bzw. neuerdings targobank - "so geht bank heute" - in texas teilt also mit, dass sie sich ab dem ersten april vorbehält, jegliche abhebungen von egal was für einem konto und egal welche summe erst nach vorheriger anmeldung mit sieben tagen vorlauf möglich zu machen. hat man schon jemals eine plattere prävention gegen einen möglichen bank run gesehen? es gibt übrigens meldungen, die noch nicht verifiziert sind, dass das keinesfalls a) nur die targobank in texas, sondern us-weit sowie b) nicht nur die targobank alleine betrifft; sowie c) diese massive änderung der agb direkt auf eine anweisung der FED zurückgeht. alle drei punkte lassen sich aber für mich bis zur stunde nicht prüfen, während die geschichte aus texas gesichert scheint. auch das ist etwas, was gut im auge behalten werden sollte - weil es leider in kombination mit etlichen anderen unheilvollen zeichen im zeichen der krise viel sinn - aus sicht der banken - machen würde.
da ich hier seit beginn des bloggens auch immer wieder gerne besonders dokumentarfilme vorstelle, die ich thematisch spannend und gut gemacht finde, sei hier jetzt ein weiterer kandidat benannt:plastic planet...
... vom...
... "Regisseur Werner Boote, dessen Großvater selbst Geschäftsführer eines Unternehmens war, in dem Plastik produziert wurde, will mehr wissen über den Stoff, der unser Leben so sehr prägt. Werner Boote begibt sich auf die Suche nach Antworten. Auf verschiedenen Stationen auf der ganzen Welt spricht er mit Industriellen, Wissenschaftlern und Betroffenen über die Faszination und Gefahren von Plastik."
manchenkritikernmissfällt offensichtlich die formale art & weise der filmischen umsetzung des themas - aber gerade wg. der bedeutung des letzteren bin zumindest ich persönlich bereit, bei einer guten faktenvermittlung auch über eventuelle schwächen der regie und übertriebene selbstdarstellung des regisseurs hinwegzusehen. vielleicht exemplarisch für die oben verlinkte kritik, aber auch für meine anschliessenden worte, mag der folgende ausschnitt stehen:
tatsache ist einfach, dass überwältigend viele kunststoffverbindungen hinsichtlich ihrer möglichen chemischen interaktionen mit belebter & unbelebter welt im wahrsten sinne des wortes blinde flecken darstellen - teilweise weiß kein mensch, wie sich diese stoffe auf dauer innerhalb der biosphäre verhalten werden. und das, was jetzt schon sichtbar ist - bspw. der sog.pazifische plastikstrudel, der - welche überraschung - auch im atlantik mindestens eingegenstückbesitzt, machen gleichfalls wie ein blick in die eigene wohnung deutlich, dass plastik aufgrund seiner allgegenwart ein produkt darstellt, welches bisher in einer breiteren diskussion seltsam unterbelichtet ist. das zumindest könnte der film ein kleines stückchen verändern.
btw: plastik ist ohne erdöl undenkbar; und deswegen ist es nicht nur in sachlicher hinsicht begründet, sich beim nachdenken über plastik auch überpeak oilund seine konsequenzen gedanken zu machen. das mögliche ende des plastikzeitalters würde ich persönlich keinesfalls zu den schlimmeren zählen.
"plastic planet" läuft heute bundesweit in diversen kinos an.
ich weiß, dass das folgende eigentlich alles todernst in dem sinne ist, das es sich dabei um handlungen und äusserungen handelt, die ganz reales leid nach sich ziehen - und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, spüre ich immer wieder ein hysterisches gelächter hochsteigen - viele meldungen dieses wochenendes haben eine derart bizarre note, dass ich immer wieder eine imäginäre geschlossene psychiatrische abteilung für wirklich schwere fälle vor meinem geistigen auge sehe - ein vergleich, der aber realistisch gesehen durchaus den bedauernswerten insassen solcher abteilungen unrecht tun dürfte - die fratze wirklich bösartiger wahnzustände lugt jedenfalls, nur noch mühsam beherrscht, immer öfter und deutlicher bei den herrschaften in den schicken anzügen durch ihre vom starrhaften grinsen und x-mal wiederholten phrasen eingefrorenen seriösen und amtlich genehmigten masken hindurch. also, es kommt jetzt wirklich hard stuff - einblicke in völlig entglittene innere zustände.
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Westerwelle will Hartz-IV-Empfänger Schnee schippen lassen- tja, all die dekadenten kraftstrotzenden nichtstuer, die dem w. und seinen leistungsträgern die ganze schöne kohle wegnehmen, bevor sie die in die schweiz schaffen können - da ist tatsächlich eine besinnung auf altbewährteliberale traditionenvonnöten. und schneeschippen geht auch am besten mit demspaten- auch das ein rückgriff auf zu unrecht vergessene traditionen.
"Gerald Hörhan ist Investmentbanker und geht auf Heavy-Metal-Festivals. Er ist reich. Und er tut Dinge, „von denen ihr nur träumt“, sagt er. Mit „ihr“ meint er die Mittelschicht. Jene, die schuften, während die Reichen immer reicher werden, sagt Hörhan. „Es wird wenige geben, die viel haben. Und es wird immer mehr Menschen geben, die nichts haben.“
recht so. ausserdem lernen wir: das ist echter punk:
"Man muss ein intelligenter Punk sein. Punks hinterfragen das System, das ist gut. Sie ziehen aber die falschen Schlüsse. Für Anarchopunks sind Unternehmer, Vermieter und Politiker die Bösen. Ohne die gäbe es aber eine feudalistische Plutokratie. Intelligente Punks dagegen versuchen, sich mit kreativen Ideen von den Konventionen der Mittelschicht zu verabschieden. Ich nenne sie Investmentpunks."
investmentpunks - istlloyd blankfeinam ende gar nur der sid vicious der wall street?
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aber das mutterland des punks ist natürlich immer noch großbritannien, und da ist aktuell gerade eine variante despolitpunksschwer angesagt - und die heisseste location liegt in der downing street:
(...) "Downing Street hat die "bösartigen Unterstellungen" zwar zurückgewiesen, aber Rawnsley, der 500 Zeugen befragt haben will, verteidigt seine Quellen als "24-karätig". Einer dieser Informanten ist der mächtigste Mann der britischen Ministerialbürokratie: Sir Gus O'Donnell - als Kabinettssekretär der Chef aller Regierungsbeamten -, sah sich angesichts zunehmender Beschwerden und Klagen von Mitarbeitern über den pöbelnden Premier gezwungen, Brown zur Rede zu stellen: "So kann man das nicht machen", will er ihn ermahnt haben.
Wie Brown es freilich machte, dafür liefert das Buch zahlreiche Beispiele: Eine Sekretärin kippte er kurz entschlossen aus ihrem Stuhl, weil sie ihm zu langsam war, statt ihrer übernahm er selbst den Platz am Computer. Seinen stellvertretenden Stabschef packte er, so Rawnsley, am Anzugrevers und schrie ihm ins Gesicht: "Die sind alle hinter mir her." Als er europäische Botschafter treffen sollte, brannte ihm die Sicherung durch: "Warum zwingt ihr mich, diese Scheißer zu empfangen?"
Immerhin behandelt Brown jedermann gleichermaßen grob: Telefonistinnen ebenso wie seinen Schatzkanzler. Letzteren putzte er herunter, als der 2008 die aufziehende Rezession als schlimmste Wirtschaftskrise seit 60 Jahren angekündigt hatte. "In sechs Monaten" sei alles ausgestanden, brüllte Brown Alistair Darling an." (...)
das ist wahrhaft groß - ein interessantes gemisch aus narzissmus, rücksichtslosigkeit,paranoiaund überhaupt absolutem durchballern. das sind die heute gefragtesten eigenschaften für die wirklichen spitzenpositionen. (zurisikenundnebenwirkungenfragenSieIhrenpsychiaterodertherapeuten.)
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im vatikan sitzt ein seltsam kostümierter mann - womöglich auch eine art punk - auf einem stuhl und hebt seinen zeigefinger -Benedikt: Klerus in Irland hat versagt- hm...
"Papst Benedikt XVI. hat den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen als „abscheuliches Verbrechen“ und schwere Sünde bezeichnet. Angesichts des tausendfachen Missbrauchs in irischen Kircheneinrichtungen warf der Papst dem Klerus des Landes Versagen vor und forderte die Bischöfe zu einem mutigen und ehrlichen Umgang mit dem Skandal auf."
""2003 berichtete der Observer von einem vertraulichen Dokument, das vierzig Jahre zuvor mit dem Siegel von Papst Johannes XXIII an alle katholischen Bischöfe weltweit gesandt wurde (...).
2005 legte das amerikanische Polit-Blog Daily Kos nach. Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger, heute besser bekannt als Benedikt XVI, hatte 2001 in einem weiteren Rundschreiben ausdrücklich die Weitergeltung des päpstlichen Dokuments von 1962 bestätigt.
Für den Fall, dass die Opfer des Missbrauchs sich an kirchliche Stellen wenden, sollen auch sie einen Eid schwören, dass sie Stillschweigen bewahren werden." (...)
naja, der mann ist schließlich schon alt - da kann man schon mal einiges von dem vergessen, was einem in langen berufsjahren so alles an papier vorgelegt wurde - oder?
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verweilen wir noch einen moment in bella italia, wo wir jetzt lernen können, dass es nicht nur investmentpunks, sondern auchoppositionsbankengibt:
"Nicht hundert, sondern 35 Mrd. Euro sind nach der Steueramnestie 2009 ("scudo fiscale" ) nach Italien zurückgekehrt. Die Zentralbank Banca d'Italia hat Regierungsdaten von 95 Mrd. Euro zurückgekehrten Kapitals widerlegt, was ihr prompt den Vorwurf einbrachte, sie spiele sich als Oppositionsbank auf, wie der Minister für "Vereinfachung der Bürokratie" , Roberto Calderoli (Lega Nord), wetterte.
Der "scudo fiscale" habe zur Reinwaschung von Mafia-Geld gedient, sagt Oppositionspolitiker Elio Lannutti. (...)
die ehrenwerte italienische regierung hat´s aber auch wirklich schwer - alle sind hinter ihr her und wollen ihr böses tun - erst waren´s richter und staatsanwälte, die dem duce berlusconi ans leder wollten, jetzt ist´s die zentralbank - womöglich stecken auch da überall fiese geistige sozialisten hinter?
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in innovativen europäischen wettbewerb um neue begriffe und eine neue definiton des alten sponti-mottos "legal-illegal-scheissegal" möchte auch die nordrhein-westfälische cdu nicht abseits stehen und steuert das wohlklingende wortpartnerpaketbei:
"Die CDU in Nordrhein-Westfalen hat versucht, vertrauliche Gespräche mit ihrem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und seinen MinisterInnen an zahlungskräftige Sponsoren zu verkaufen. Für den CDU-Landesparteitag am 20. März hat die Parteizentrale in Düsseldorf Unternehmern in Werbebriefen sogenannte Partnerpakete angeboten, in denen auch "Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen" versprochen wurden.
20.000 Euro sollte ein solches "Partnerpaket" kosten. Ein 15 Quadratmeter großer Ausstellungstand ist beim CDU-Parteitag dagegen schon für 14.000 Euro zu haben - allerdings ohne persönliche Unterredung mit dem Regierungschef. Geboten werden dann nur noch ein "Fototermin und Rundgang mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen". (...)
lumpige 6000 euronen für ein gespräch mit einem echten politischen leistungsträger - ich bitte Sie! wer wird sich denn wg. solcher peanuts aufregen? richtig: die geistigen sozialisten wollen auch hier unseren geliebten führern frei gewählten regierenden nur aus neid an die wäsche gehen:
(...) "Die Opposition hält Rüttgers dennoch für käuflich. SPD-Generalsekretär Michael Groschek warf der CDU vor, "sich den Staat zur Beute" zu machen. Der Bundesvize der Linkspartei, Klaus Ernst, hält das CDU-Angebot für "beschämend" und sprach von einer "illegalen Parteispende". Die grüne Landesvorsitzende Daniela Schneckenburger fragte ironisch, ob die Christdemokraten, wenn schon "nicht käuflich, so doch zumindest mietbar" seien. Und der Chef der SPD-Landesgruppe im Bundestag, Axel Schäfer, rückte Rüttgers gar in die Nähe des Rotlichtgewerbes: "Wenn sich jemand auf Zeit einer nicht bestimmten Zahl von Menschen gegen Geld anbietet, nennt man das im alltäglichen Sprachgebrauch Prostitution", sagte Schäfer der taz." (...)
ach, pappelapapp. das waren schliesslich nur mindere diener - zu hartz-IV mit tem purschen!
"Doch hinter den Kulissen muss Rüttgers Generalsekretär Wüst um seinen Job bangen. Die Spekulationen sind nicht die erste peinliche Panne, für die der erst 34-Jährige die Verantwortung trägt. Im vergangenen Jahr musste die CDU einräumen, dass die permanente Beobachtung der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft nicht aus der Parteizentrale in der Düsseldorfer Wasserstraße, sondern mit Steuergeldern direkt aus Rüttgers Staatskanzlei gesteuert wurde.
Im Dezember musste Wüst dann zugeben, unrechtmäßig Zuschüsse des Landtags zu seiner eigenen privaten Krankenversicherung kassiert zu haben. Jetzt lässt die Wut seines Regierungschefs Wüst devot werden: "Ich bedauere ausdrücklich, dass ein falscher Eindruck entstanden ist, und entschuldige mich insbesondere bei dem Vorsitzenden der CDU Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers", lässt er seine Pressestelle mitteilen. (...)
auch das ist eine alte schöne tradition - nämlich die der bauernopfer. schach ist ein schönes spiel, besonders dann, wenn man es mit lebenden figuren spielen kann.
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apropos schach: wird zeit, die ganzen könige auf dem brett endgültig matt zu setzen.
...bzw. die sog. objektivität als fetisch behandelt, als götze anbetet und die wahrnehmung imobjektivistischen modusmit seinen verdinglichenden wirkungen als "normalität" betrachtet, so wird sie erstens zwangsläufig auf die dauerver-rückt, was sich dann zweitens u.a. insolchen beobachtungenmanifestiert:
(...) "Und was beiden sowohl dort als auch bei den Hausbesuchen auffalle, sei der geistige Gesundheitszustand ihrer Klienten. "Wir haben es immer mehr mit jungen Menschen zu tun, die psychische Probleme haben", sagt Urfels. "Und wir reden hier nicht vom Liebeskummer, sondern von einem absolut massiven Anstieg von suizidgefährdeten Jugendlichen und Borderline-Patienten", fügt Zenner hinzu. Zudem gebe es immer häufiger Fälle von Wahrnehmungsstörungen, "sowohl im Selbstbild als auch in der Fremdwahrnehmung". (...)
anfügen möchte ich noch, dass ich eigentlich keine "psychischen probleme" kenne, die nicht auch mit selbst- und fremdwahrnehmungsstörungen einhergehen bzw. sich in symptomen innerhalb dieses bereiches manifestieren können. umgekehrt müssen funktionale wahrnehmungsstörungen nicht unbedingt gleich eine psychiatrische diagnose nach sich ziehen; eher könnten ihre auswirkungen auf die sozialen beziehungen des betroffenen dann eine solche nach sich ziehen. einige interessante abschnitte aus einembuch zu kindlichen wahrnehmungsstörungenmachen mögliche ausmaße und folgen ganz gut deutlich - wenn Sie ab der seite 34 runterscrollen, gibt es jeweils kurze und knappe zusammenfassungen aller relevanten möglichen wahrnehmungsstörungen und ihrer ursachen.
und nicht zufällig sind viele der beschriebenen auswirkungen einzeln oder in kombinationen auch in den symptombeschreibungen vieler psychiatrischer diagnostischer modelle zu finden - unruhig, ablenkbar, unkonzentriert, schnell in konflikte mit anderen ohne erkennbare ursache verwickelt, rückzugs- und isolationstendenzen etc.
es wäre zur abwechslung mal eine wirklich vernünftige politische forderung, selbst- und fremdwahrnehmungskompetenzen sowie entsprechendes training in möglichst vielen gesellschaftlichen bereichen - von den schulen angefangen - zu verankern und die strukturen und mittel dafür einzufordern. das wäre dann im weitesten sinne auch schon als beitrag einer lebensnotwendigen traumaprävention zu begreifen (immerhin scheint es bereits in vielen sportarten normal zu werden, speziellpropriozeptivestraining in ihren jeweiligen bereich zu integrieren. auch, wenn das meist unter dem aspekt der leistungssteigerung gesehen werden sollte, ist das aufgrund der elementaren bedeutung sehr begrüssenswert).
eine neue rubrik gibt´s jetzt also - immerhin wird das blog in diesem jahr bereits beiträge aus fünf jahren enthalten; und durch die ausgewählten themen ergibt es sich immer wieder, dass auch teils sehr alte beiträge für mich immer noch aktuell und in ihren kernaussagen weiterhin gültig sind. um die ergänzungen, die im laufe der zeit so anfallen, auch angemessen unterzubringen, reicht es meiner meinung nicht aus, wie bisher lediglich - und meist noch in den zugehörigen kommentaren - updates zu bringen. das werde ich zukünftig zwar auch noch machen, aber nur dann, wenn es sich um reine infolinks etc. handelt. für weitergehende inhaltliche anmerkungen jedoch werde ich ab jetzt diese rubrik nutzen - und neue leserInnen können auf diese weise auch bekanntschaft mit älteren, nichtsdestotrotz mir weiter wichtig erscheinenden beiträgen machen.
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im zuge der aktuellen - hm, "diskussion" möchte ich das eigentlich nicht nennen, sagen wir mal auseinandersetzung - rund um "hartz IV" und den sozialstaat allgemein kommt am rande auch wieder das längere zeit etwas verschüttete thema des "bedingungslosen grundeinkommens" (bge) auf den tisch. aktuell liefert telepolis bspw. einen interessanten überblick zu laufendenpilotprojektenin verschiedenen ländern. und im zugehörigen forum kam dann sehr schnell wieder ein aspekt auf, der seit beginn eine ganz zentrale rolle in der debatte spielt -wer würde dann noch (lohn-)arbeiten gehen?:
"Wenn ich mich mit Leuten über das BGE unterhalte und man dann dazu
übergeht das Für und Wider abzuwägen kommt es regelmäßig zu folgenden
Standpunkten:
1. 'Also ich würde das BGE nehmen und mir dann eine Tätigkeit suchen,
die mir liegt und noch was dazu verdienen. Vielleicht nur 4 Stunden
am Tag oder nur 3 Tage die Woche, vielleicht sogar ehrenamtlich.'
2. 'Aber die Anderen würden sich doch nur auf der faulen Haut
ausruhen. Kein anderer würde mehr arbeiten wollen. Wer soll dann das
BGE bezahlen.'
Interessant dabei ist, dass diese Meinung sowohl von Chefs als auch
von kleinen Angestellten vertreten wird ;-)
jenseits von allen primär ökonomischen bzw. technischen überlegungen zur umsetzbarkeit war das auch das hauptthema im beitragdas "bedingungslose grundeinkommen" und seine psychophysischen hindernisse, in dem ich versucht habe aufzuzeigen, dass das aktuell herrschende menschenbild eigentlich das zentrale hindernis darstellt; und zwar nicht nur auf dem weg zu einem wie auch immer gestalteten bge, sondern auch bezgl. der meisten notwendigen gesellschaftlichen veränderungen. im grunde liegt der these von der "faulen haut" die überzeugung "der mensch ist von natur aus schlecht" zu grunde - und das ist dann allerdings ein glaubenssatz, der bereits starksoziopathische wahrnehmungselementeenthält.
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letzteres lässt sich in keineswegs überspitzter form auch von der "psychotechnik" des sog. neurolinguistischen programmierens behaupten, dessen explizit konstruktivistischer und simulativer hintergrund im beitrag"neurolinguistisches programmieren" oder: wahnsinn mit methode ?dargestellt wurde. nun ist mir eher zufällig ein interview aus dem jahr 2005 mit einem der entwickler der methode vor die augen gekommen, welches aufgrund seiner klaren aussagen ideal als ergänzung passt - man könnte auch sagen, da redet sich einerum kopf und kragen- zunächst mit seiner charakterisierung von "erfolgreichen" politikern:
"Die Presse: Haben Sie Politiker damit konfrontiert, Ihre Methoden missbraucht zu haben?
Grinder: Ja, in den USA. In meinen Augen ist eines der hervorstechenden Charakteristika eines Politikers, egal welcher Partei oder Ideologie, ein guter Massenhypnotiseur zu sein. Das ist keine negative Aussage. Es ist die Beschreibung von Eigenschaften, die ein Politiker braucht. Wenn ein Politiker zu 10.000 Leuten spricht, muss er eine Sprache wählen, die abstrakt genug ist, dass jeder, der zuhört, seine eigene Interpretation des Inhalts in den Worten des Politikers wiederfindet. Sie glauben, übereinzustimmen mit dem, was sie glauben, dass der Politiker sagt."
die feststellung "Das ist keine negative Aussage" ist dabei allerdings nur in seiner eigenen weltwahrnehmung gültig, und die ist eindeutig eine gestörte, was besonders im letzten teil des interviews überdeutlich wird:
"Grinder: Unbewusst vertraut er mir, weil ich bewusst die Körpersignale ablese und weiß, wann ich direkte Fragen stellen kann und wann nicht. Wenn ich gut bin in dieser Anpassung – die nonverbalen Signale zu lesen, wie der Zustand des Vis-à-vis ist und welche Reaktionen angebracht sind –, dann weiß ich, welche anderen Möglichkeiten ich habe, um zu verhindern, dass Hindernisse im Weg sind, die ich entstehen sehe. Das ist Manipulation. Es gibt ethische Manipulation und unethische Manipulation. Ich glaube, dass es unmöglich ist, effektiv zu kommunizieren, ohne zu manipulieren.
Die Presse: Wie gehen Sie mit Emotionen bei Verhandlungen um?
Grinder: Eine Methode in der Verhandlung ist, eine dritte Position einzunehmen: Wann immer Gefühle ins Spiel kommen, die nicht mit dem Verhandlungsgegenstand in Einklang zu bringen sind, kann man in die Position des Beobachters springen. Aus der Position eines Dritten lässt sich das Geschehen neutral beobachten, wie im Theater. Es ist kein Druck mehr da. Ich kann mich selbst beobachten und mir raten: John, du musst dich so verhalten, um das Ziel der Verhandlung besser zu erreichen. Das heißt nicht, dass ich keine Emotionen habe. Ich wähle, welche Emotionen ich gerade erlebe."
das "bewusste" ablesen von mimik und körpersprache ist bereits ein hinweis darauf, dass hier keinerlei authentische beziehungsebene mehr vorhanden ist. freundlich gesagt, wird hier von einer sog. metaebene aus beobachtet; funktional ist das nichts anderes als der objektivistische wahrnehmungsmodus. im kern ein manöver, welches die meisten menschen der "zivilisierten" welt tag für tag in diversen situationen ebenfalls anwenden. nur: das nlp-weltbild behauptet, dass das die angeblich normale form menschlicher kommunikation darstellen würde.
letzteres gilt aber nur für grundsätzlich in ihrer selbst- und fremdwahrnehmung gestörte menschen - im kern beschreibt grinder hier nichts anderes als jene taktiken der (pseudo, als-ob, simulativen) kommunikation, wie sie im extrem auch jeder soziopath (akaals-ob-persönlichkeiten) verwendet - lesen Sie nochmal die beschreibungen des tom ripley.
und klar ist das manipulation. die "ethik" ist dabei sekundär bzw. auch nur als konstrukt vorhanden, solange ernsthaft behauptet wird, "effektive (was ist damit eigentlich gemeint? und für wen effektiv?) kommunikation ist ohne manipulation unmöglich".
ich hoffe ja, dass die grosse mehrzahl meiner leserInnen durchaus so beziehungsfähig ist, dass Sie aus ganz eigenem erleben den grotesken unsinn dieser these nachvollziehen können - freundschaft, gar liebe und überhaupt alle erfüllten sozialen beziehungen sind in diesem system lediglich das resultat "effizienter manipulation" - mertz hatte schon völlig recht mit seinem vernichtenden urteil über nlp, nachzulesen im damaligen beitrag.
der objektivistische modus ist auch im letzten absatz von grinder unübersehbar, wenn er sagt
"Aus der Position eines Dritten lässt sich das Geschehen neutral beobachten, wie im Theater."
das sind nicht zufällig ebenfalls fast genau die gleichen worte, wie sie ein tom ripley bezgl. seiner (geplanten und kontrollierten) auftritte in der sozialen welt verwendet. hier wird genau jener wahrnehmungsmodus der objektivierung, kontrolle und letztlich zwangsläufigen verdinglichung beschrieben (und unverschämterweise als "anthropologische konstante" ausgegeben), der mit grosser wahrscheinlichkeit an so ziemlich allen destruktiven sozialen und zwischenmenschlichen prozessen hauptverantwortlich beteiligt ist. auch die scheinbare "auswahl der emotionen" gehört dazu - authentische gefühle lassen sich keinesfalls "auswählen", wie es hoffentlich die allermeisten von uns aus ihren alltagserfahrungen wissen - auch das ist nur mit simulierten emotionen möglich, wie sie ebenfalls in der parallelwelt der soziopathen die norm darstellen.
das sich nlp-training nicht nur bei leuten wie bspw. helmut kohl undjörg haiderfindet, sondern auch in transnationalen konzernen verbreitet ist - zitat aus dem damaligen beitrag:
"...internationalen Konzerne IBM, Mercedes, Coca-Cola, Sandoz, Master Foods, American Express und BP wissen schon längst um das enorme Potential der neuen Coaching-Methode. Auch hierzulande hielt NLP bereits Einzug in firmeninterne Trainingsprogramme:
Bei Philips, Agip, Voest Linz, Bank Austria, Palmers, Interunfall, Siemens, Boehringer-Mannheim oder Wüstenrot verbessern Manager ihre Fähigkeiten mittels NLP."
macht nochmals deutlich, dass es sich dabei nicht um irgendeine esoterische randerscheinung handelt, sondern um eine verbreitete manipulationstechnik mit einem konstruktivistischen welt- und menschenbild dahinter - also im kern nichts anderes beschreibt als eine welt, wie sie eine defekte soziopathische wahrnehmung als normalität produziert.
fefekommentierteine meldung, die sich mit den personellen veränderungen im entwicklungshilfeministerium unter dem fdp-minister niebel beschäftigt - es geht konkret um die berufung eines ehemaligen bundeswehroffiziers mit einer affinität zum sog. afrika-corps der wehrmacht - u.a. mit den folgenden worten:
(...) "Wow, und solche Leute treiben sich in der Nähe der FDP herum. Wehrmachts-Fans hätte ich eher in der CDU oder der NPD erwartet. Und der Brüller daran (deswegen erwähnen die überhaupt das Afrika-Corps): der Mann soll für Afrika und den Nahen Osten zuständig werden." (...)
daran musste ich vorhin denken, als mir wieder mal ein sehr interessanter artikel von otto köhler unter die augen kam - köhler hat das talent, die mehr oder weniger verschütteten zusammenhänge zwischen aktueller und vergangener realität in diesem land zu bergen und gut nachvollziehbar darzustellen, zuletzt sehr schön zu sehen anhand der phrase von der"sozialen marktwirtschaft".
und wenn ich von den zusammenhängen zwischen aktueller und vergangener realität schreibe, so bedeutet das in diesem land in aller regel, dass ein tiefergehendes bohren bei zentralen gesellschaftlichen und staatlichen instutionen, parteien, organisationen... sowie ihren jeweiligen ideologien und leitsätzen meist schon nach kurzer zeit bräunliche sauce ans tageslicht befördert - und die entstehungsgeschichte des begriffs "soziale marktwirtschaft" ist da nur ein beispiel.
inzwischen hat sich köhler die sog. liberalen vorgeknöpft und einen langentextproduziert, der bei mir jede menge aha-erlebnisse erzeugt hat - und die will ich meinen leserInnen nicht vorenthalten.
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alleine schon die personellen kontinuitäten damaliger und heutiger großspender sind interessant:
(...) "Bei August Baron von Finck junior, dem Milliardär und Besitzer der großen Hotelkette Mövenpick, funktionierte das problemlos. Er spendete im Wahljahr 2009 insgesamt 1,1 Millionen Euro an die FDP und bekommt jetzt das Geld vielfach zurück aufgrund der ganz schnell auf Westerwelles Betreiben beschlossenen Mehrwertsteuersenkung von neunzehn auf sieben Prozent für Hotelübernachtungen.
Solches Geschäftemachen hatte der Junior mit der Muttermilch aufgesogen. Kaum war er geboren, trat am 3. Februar 1931 der Senior August Baron von Finck bei Adolf Hitler zum Spenden an. " (...)
zugegeben, der beitrag ist wirklich sehr lang, aber auch wirklich aufschlussreich - im ersten teil geht es konkret um die großindustrielle spendenpraxis an die nsdap, und am schluß erfährt man hinsichtlich des barons und seiner sippe noch das folgende:
(...) "Der Führer war dankbar. Er ließ seinen Spendensammler in das Präsidium der Akademie für Deutsches Recht aufnehmen. 1937 durfte von Finck das Bankhaus Dreyfus in Berlin und Frankfurt arisieren. Und 1938 nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich konnte er sich die Wiener Rothschild-Bank einverleiben. " (...)
also, wie nicht unüblich für die sog. deutsche oberschicht, ein arisierungsgewinner. es lässt sich festhalten, dass die fdp auch eine klientelpartei für diese besondere spezies ist und sein will.
dann aber wird es bezgl. der nachkriegsgeschichte dieser antisozialen partei richtig spannend, besonders am beispiel ihres nordrhein-westfälischen landesverbandes:
(...) "Als August von Finck senior 1980 starb, gab es schon lange einen gleichnamigen Junior, der wieder einen aufstrebenden Politiker und seine Partei mit Spenden bedenken sollte.
Damals, 1980, trat Guido Westerwelle nach dem Abitur am Bonner Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium – als Hermann Josef Abs dort zur Schule ging, hieß es noch Höhere Bürgerschule, 1938 bekam es den Namen des chauvinistischen Dichters – der NSFDP bei.
Dies war unter Kennern die korrekte Bezeichnung der nordrhein-westfälischen FDP, die sich gleich nach 1945 ehrlich um die Nachfolge der NSDAP bemüht hatte. Das kam hoch, als die Briten im Januar 1953 unter Rückgriff auf das Besatzungsrecht einen Nazi-Geheimbund um den ehemaligen Goebbels-Staatssekretär Werner Naumann zerschlugen. Jetzt saß die NRW-FDP in der Falle. Die Engländer fanden ein Papier, auf dem Naumann notiert hatte, was ihm in diesen schweren Zeiten eine FDP-Größe empfahl: »Um den Nationalsozialisten unter diesen Umständen trotzdem einen Einfluß auf das politische Geschehen zu ermöglichen, sollten sie in die FDP eintreten, sie unterwandern und die Führung in die Hand nehmen. An Einzelbeispielen erläuterte er, wie leicht das zu machen sei. Mit nur 200 Mitgliedern können wir den ganzen Landesvorstand erben. Mich will er als Generalsekretär o. ä. engagieren!!«
Der FDP-Ratgeber für die eigene Unterwanderung hieß Dr. Ernst Achenbach, war als NS-Diplomat in Paris an der Deportation der französischen Juden beteiligt, saß nun seit 1950 für die FDP im Landtag und war – als Vorgänger von Otto Graf Lambsdorff, der erst später Schatzmeister wurde– unentbehrlich bei der Erschließung der Ruhr-Industrie als Geldquelle." (...)
die "alte idyllische brd" - und ihre geschichte, die in keinem schulbuch steht:
(...) "Adenauer, mit dem bewährten Hans Globke an seiner Seite, begriff sofort, womit er es da zu tun hatte: Achenbach und Best hätten es »in einer an die nationalsozialistischen Methoden erinnernden Weise verstanden, den Parteiapparat der FDP in die Hand zu bekommen«, sprach er am 10. März 1953 vor dem CDU-Bundesvorstand, und sie würden dabei »von gewissen Industriellen finanziell unterstützt«. Um die eigenen Geldgeber nicht zu vergrätzen, fügte Adenauer hinzu: »Ich betone: von gewissen Industriellen.«
Wer war Best? Uraltnazi Werner Best hatte wenige Monate, nachdem Finck senior das Geld für eine SA-Bewaffnung garantiert hatte, einen brutalen Umsturzplan ausgearbeitet. Der Best-Parteigenosse, der den Plan, die »Boxheimer Dokumente«, an die Öffentlichkeit brachte, wurde 1932 ermordet. Später gingen Tausende auf das Mordkonto des hohen SS-und Polizeiführers und obersten Rechtsberaters der Gestapo. Nachdem ihn die Dänen, die ihn zum Tod verurteilt hatten, auf Drängen der Bundesrepublik freiließen, fand Best ebenso wie der neue und alte Parteifreund Achenbach ein lukratives Unterkommen im Stinnes-Konzern, wo er die Bewegung für eine Generalamnestie der Naziverbrechen aufzog. Vor Gericht war er, ging es um seine Verbrechen, wegen »Krankheit« nie verhandlungsfähig. Ging es um die Verbrechen seiner Kameraden, deren Verteidigung er koordinierte, war er stets ein munterer Entlastungszeuge.
So wurde der Stinnes-Konzern, als Hauptfinanzier der NS-Unterwanderung der FDP zugleich auch – dank Best und Achenbach – zum Motor für die Generalamnestie-Bewegung." (...)
in diesen kreisen wäscht bekanntlich eine hand die andere, und die folgenden ausführungen eines historikers zu den auswirkungen dieser genannten bewegung sind ebenfalls lesenswert. ich springe aber gleich weiter zur neueren parteigeschichte der fdp, die wie in der vergangenheit ebenfalls maßgeblich von gewissen impulsen aus nrw geprägt wurde:
(...) "Nachdem diese NSFDP endlich vergessen war, ging von Nordrhein-Westfalen unter Jürgen Möllemann – er war achtzehn Jahre vor Westerwelle auch einmal Vizekanzler unter Helmut Kohl – die Erneuerung aus: mit der Aktion 18, die von Guido Westerwelle kräftig unterstützt wurde. Vordergründig war es der phantastische Plan, 18 Prozent der Wählerstimmen zu erringen. Möllemann appellierte an die Instinkte der Neonazis und erweckte den Eindruck, die Juden seien selber am Antisemitismus schuld. Mit hohem Erfolg: als er mit dem Fallschirm abstürzte, wurde die Legende verbreitet, der israelische Mossad habe ihn – wie später übrigens auch den besoffenen Jörg Haider – umgebracht.
Vielleicht war Westerwelle dabei dem Finck-Junior durch seinen berühmten Fernsehauftritt mit der in die Kamera gehaltenen goldenen 18 auf der Unterwandererschuhsohle aufgefallen. Dank der Familientradition mußte der wissen, was jedem Jungnazi geläufig ist: 1 und 8 stehen für den ersten und achten Buchstaben des deutschen Alphabets, für A und H. Und das heißt nun einmal für aufstrebende junge Menschen: Adolf Hitler. Die FDP-Ortsvorsitzende von Berlin-Dahlem Susanne Thaler erklärte ihren Austritt aus der Partei, weil sie überzeugt war, daß die 18 ein Signal an die Neonazis sein sollte.
Für eine solche FDP zu spenden, das machte auch dem manchmal etwas pingeligen August Finck junior überhaupt kein Problem. Zumal heute wie 1931 soziale Unruhen in der Luft liegen.
Den Wählern, die 1932 die NSDAP mit 37 Prozent zur stärksten Partei machten, war nicht bekannt, welche Summen Finck senior und andere zuvor bereitgestellt hatten. Die Wähler aber, die im Mai 2010 in Nordrhein-Westfalen jener von den Bestverdienenden erfolgreich eingekauften Partei ihre Stimme geben sollen, können sich das überlegen. »Ich habe eine Engelsgeduld. Aber die FDP kann auch anders«, droht Westerwelle und erläutert: »Eine Partei ist dann in einer Krise, wenn sie nicht mehr weiß, was sie will. Und wir wissen, was wir wollen.« (...)
nun, man muss diese interpretation des "projekts 18" nicht unbedingt teilen - auch, wenn ich die dargestellte reaktion der fdp-ortsvorsitzenden in berlin bisher nicht kannte und bemerkenswert finde. ich nehme ebenfalls an, dass gerade in berlin eine solche reaktion keinesfalls irrational gewesen ist, war hier doch in der zweiten hälfte der 1990er jahre ein schwerpunkt jener strömung zu finden, die sich"nationalliberal"schimpft (im verlinkten text ist übrigens zu lesen, dass u.a. westerwelle damals ein "erklärter gegner" der "nationalliberalen" gallionsfigur von stahl gewesen wäre - das kann allerdings nicht an grossen inhaltlichen differenzen gelegen haben, denn von von stahl waren schon damals sätze zu hören wie
"Unter unserer Verantwortung ist die Bundesrepublik fast ein sozialistischer Staat geworden"
uups. sollten sich teile der "nationalliberalen" ideen von damals inzwischen in den fdp-mainstream bewegt haben ?)
bei der betrachtung eines anderen fdp-landesverbands, nämlich dem insachsen, könnte man fast zur antwort "ja" auf die obige frage neigen:
"Der schnelle und reibungslose Abschluss der Koalitionsvereinbarung zwischen Stanislaw Tillichs Sachsen-CDU und der FDP des Freistaates unter Landeschef Holger Zastrow ist nicht nur ein Signal für die Bundestagswahlen am 27. September. Er markiert auch einen Erfolg des nationalliberalen Flügels innerhalb der FDP. Denn ausgerechnet in Sachsen, wo die NPD seit 2004 im Landtag sitzt, haben es die Liberalen und ihr Spitzenkandidat Zastrow mit der Abgrenzung nach rechts nicht immer so genau genommen. (...)
Die Vorwürfe gegen Zastrow kommen nicht von ungefähr. So war der aus Dresden stammende Politiker mehrfach Interviewpartner und Autor der nationalkonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit (JF). Darauf hat nicht zuletzt der ehemalige Generalbundesanwalt und frühere FDP-Rechtsaußen Alexander von Stahl lobend hingewiesen. Gegenüber der JF sagte er bereits im Juni 2004: „Die FDP muss wieder lernen, auch gegenüber nationalliberalen Gedanken tolerant zu sein. Allerdings bitte ich, nicht zu vergessen, dass die FDP-Führungsmannschaft durchaus auch mit Persönlichkeiten aufwarten kann, die keine Berührungsängste mit dem nationalliberalen Lager haben. So gewährten zum Beispiel Hermann Otto Solms, Günter Rexrodt oder auch der sächsische Landesvorsitzende Holger Zastrow der Jungen Freiheit bereits Interviews. (...)
In der Jungen Freiheit hat sich Zastrow in der Vergangenheit unter anderem für die allgemeine Dienstpflicht für junge Menschen stark gemacht, weil sie „das Bewusstsein der Verantwortung des Einzelnen für unser Vaterland“ fördere. Eine Argumentation, die nicht nur Deutschtümelei und einem reaktionären Bürgerbegriff offenbart, sondern auch der offiziellen FDP-Position diametral entgegensteht." (...)
was aber ist die "offizielle fdp-position" eigentlich so wert, wenn man sich bspw. die diversen wahlversprechen und die nachwahlrealität betrachtet? der kreis schliesst sich jedenfalls nach der betrachtung eines zitates aus einem artikel ausgerechnet in der - ein echtes déjà-vu -"welt"vom august vergangenen jahres über zastrow und seine ambitionen:
(...) "Dabei weiß der 40 Jahre alte Inhaber einer PR-Agentur, dass seine Ambitionen mit einem Makel behaftet sind. Denn die Idee, die Liberalen aus der Rolle des Mehrheitsbeschaffers und der Klientelpartei herauszuführen, stammt von einem Mann, dessen Wirken sie in der FDP am liebsten verdrängen: Jürgen W. Möllemann. Zu dessen 2002 grandios gescheitertem Projekt 18 gebe es "zweifellos Parallelen", sagt Zastrow, allerdings auch gewichtige Unterschiede: "Möllemann hat am Ende überdreht", außerdem sei dessen Kampagne ein "Marketing-Gag" gewesen. In Sachsen dagegen liege die Sache völlig anders: "Hier steckt Substanz dahinter."
Diese Substanz beschreibt er so: Anders als in so manchem westlichen Bundesland repräsentiere die sächsische FDP nicht nur das Milieu der Ärzte und Rechtsanwälte. Unter den Mitgliedern seien Unternehmer ebenso wie Hartz-IV-Empfänger und Gewerkschafter, die Liberalen würden quer durch alle Schichten gewählt, "in Villa und Platte". Und die FDP stelle 30 Bürgermeister, mehr als SPD, Grüne und Linke zusammen." (...)
wenn man sich das anschaut, was sich in sachsen als "politischer mainstream" bezeichnen lässt, so ist die immer noch starke präsenz der npd - einer erklärt nationalsozialistischen partei - sowie der mit ihr assoziierten nazibanden gerade auch außerparlamentarisch nur die spitze des braunen eisbergs, an dem offensichtlich auch die dortige fdp partizipieren will. das ganze erinnert stark an eine populistische, modifizierte und in gewisser weise weichgespülte variante der volksgemeinschaft:
(...) "Ich habe damals für Freiheit und Marktwirtschaft gekämpft", sagt Zastrow. Heute kämpft er für die Überzeugung, dass eine liberale Partei mit genau diesen Anliegen keine exklusive Angelegenheit einiger Privilegierter ist, sondern "ein Angebot für jeden, vom Arbeiter bis zum Chef".
Weil er fand, dass die Strategien anderer Landesverbände und auch der Bundespartei diesem Anliegen nicht gerecht wurden, begann er, den "Liberalismus auf Sächsisch" zu interpretieren. Und als PR-Profi verstand er es, seine Vorstellungen in knackige Slogans zu pressen. Mehr Leistungsgerechtigkeit durch längere Zahlung von Arbeitslosengeld? "Herz statt Hartz". Flächendeckende, kostenlose Kita-Plätze? Ein Plakat mit Baby und zwei Worten: "Für dich". Und als die anderen Parteien der im letzten Wahlkampf plakatierten FDP-Forderung "Diäten runter" nicht folgten, spendeten die liberalen Landtagsabgeordneten ihre erhöhten Bezüge einfach für soziale Zwecke." (...)
nicht ungeschickt, und erinnert gleichfalls an das demonstrative (pseudo-)soziale tun der nazis generell im osten, mit dem sie leider bis dato recht erfolgreich sind. da scheint sich der "pr-profi" einiges abgeschaut zu haben.
und wie findet der westerwelle das alles ?
(...) "Längst hat der sächsische Weg Anerkennung bei Parteichef Guido Westerwelle gefunden. Nach den Möllemann-Erfahrungen hat der zwar eine ausgeprägte Skepsis gegen laut angepriesene Volkspartei-Projekte. Aber zur Unterstützung Zastrows schickte er seinen früheren Büroleiter Roland Werner als Fraktionsgeschäftsführer in den Sächsischen Landtag. Und im laufenden Wahlkampf war der Parteichef Stammgast im Freistaat. Vor allem aber, sagt Zastrow, habe Westerwelle das gleiche Freiheitsverständnis. Woran er das festmache? "Er lässt uns einfach machen."
und so finden sich opportunistische machtgier, kapitalistischer extremismus und nationalistische ideologie zu einer trüben melange zusammen, die allerdings - und auch da schliesst sich der kreis - für die fdp zumindest in teilen eine art fortsetzung alter traditionslinien darstellt, wenn man sich die geschichte des nrw-landesverbandes betrachtet. das es in der bundespartei auch mal einen mehr oder weniger glaubhaften "linksliberalen" flügel gab, ist allerdings heute endgültig geschichte. das sollte dann auch so wahrgenommen und die fdp von jeglicher verklärung entblättert werden - "frei" und "liberal" sind nur noch rhetorische feigenblätter für ein gebilde, welches sich im immer schärfer werdenden klassenkampf von oben eindeutig an der seite dieses oben positioniert - und auch so behandelt werden muss.
zu später stunde noch einige einblicke in die vergangenheit zweier selbsterklärter "deutscher gesellschaftstragender institutionen", nämlich der katholischen kirche und der fdp. beide sind aktuell bekanntlich in den schlagzeilen, und bei beiden ist eine beschäftigung mit ihrer vergangenheit durchaus hilfreich, wenn man das derzeitige unsägliche treiben dieser quasi-sekten - die eine mit klassisch fundamentalischen religiösen, die andere mit totalitär kapitalistischen zügen - verstehen will.
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beginnen wir mit der kirche, zu deremganz besonderen verständnis von "nächstenliebe"ich am beispiel irland schon das meiste mir wichtig erscheinende geschrieben habe. ebenso wie in irland sind auch in den aktuell thematisierten hiesigen fällen von gewalttätigen, teils sexualisierten übergriffen kirchlicher bediensteter die sichtbarendimensionen inzwischen derart deutlich, dass die mär von den verirrten einzeltätern erst gar nicht zur bösen entfaltung kommen kann:
(...) "115 bis 120 Betroffene aus der gesamten Bundesrepublik haben sich gemeldet, auch aus den fünfziger und sechziger Jahren; elf oder zwölf Täter sind namentlich bekannt, nicht alle sind Jesuitenpatres, auch zwei Erzieherinnen sind darunter. Es geht längst nicht mehr um das Canisiuskolleg, wo es bis zu 50 Opfer gibt, nicht mehr nur um Jesuitenschulen.
Auch aus anderen katholischen Schulen werden Ursula Raue Übergriffe bekannt; seit einigen Tagen wisse sie auch von Fällen schweren, gewalttätigen Missbrauchs. Meist aber sei es um "Anfassen, Streicheln und Selbstbefriedigung" gegangen. Viele Kinder hätten die sexuelle Komponente mancher Handlungen, zum Beispiel von Schlägen auf den nackten Hintern, erst später verstanden. Die seelischen Wunden, die das hinterlassen habe, die brächen jetzt wieder auf." (...)
für die institution und ihre funktionäre ist das ganze inhaltlich und imagemässig ein supergau, zumal die ganzen sichtbaren gewaltstrukturen internationale ausmaße haben, mithin also nicht irgendwelchen imaginierten "landestypischen" verhältnissen in die schuhe geschoben werden können, sondern sehr offen die strukturen und inhalte der katholischen sekte direkt als verantwortlich erkannt werden können. vor diesem hintergrund ist die versuchte "erklärung" des bayrischen bischofs mixa, der die sog. sexuelle revolution - und damit den "sittenverfall" im gefolge von 1968 - mehr oder weniger kaschiert als hauptverantwortliches moment für die organisierte kriminalität innerhalb der kirchlichen gemäuer ausmachen wollte, ein absurd-prachtvoller rohrkrepierer erster klasse, zumal er zukünftig als erste quasi offizielle reaktion eines kirchenoberen stehen wird. diese blamage lässt sich allerdings noch steigern, wenn man sich mal mit dem sonstigen - hm, "beruflichen" treiben dieses bischofs beschäftigt - dasmittelalter lässt grüssen. in dem artikel aus dem jahr 2008 ist u.a. zu lesen:
(...) "Wie der Bayerische Rundfunk mittlerweile erfahren haben will, soll der Augsburger Bischof Walter Mixa in Bayern einen Exorzisten zur Teufelsaustreibung beauftragt haben. Der Sender berief sich dabei auf eine nicht näher genannte Quelle. Nach Aussagen "verschiedener Beteiligter" werde in Deutschland beinahe täglich ein Exorzismus vollzogen, meist inoffiziell und ohne Wissen der Diözesen.
Zuvor hatte das Augsburger Ordinariat Teufelsaustreibungen grundsätzlich bestätigt. In einer Stellungnahme hieß es, bei jeder Taufe werde ein Exorzismus-Gebet gesprochen, das den Täufling den Mächten des Bösen entziehe und ihn "unwiderruflich der Liebe Jesu" empfehle." (...)
die "unwiderrufliche empfehlung der liebe jesu" lässt sich angesichts der sichtbar gewordenen praktiken etlicher kirchenleute eigentlich nur als offene drohung verstehen.
aber mixas teufelsaustreibungen sollen hier nur am rande erwähnt sein, sozusagen als komplettierung des bildes der wahnwelten und -zustände, die in diesem verein offensichtlich ohne grosse probleme toleriert werden. unausgeprochen rückt nämlich inzwischen der oberste chef der ganzen (auf-)gestörten herde, der bekennendeopus dei-anhängerjoseph ratzinger alias "der papst", ebenso wie seine vorgänger in den focus - und seit gestern informiert das blog von malte welding über bereits länger existierendemeldungen aus großbritannien und den usa, welche das verhalten der katholischen führung hinsichtlich der gewalt gegen kinder und jugendliche innerhalb ihrer eigenen institution - und zwar in globaler perspektive - endgültig zu einem kriminalfall werden lässt, der sich mindestens über ein halbes jahrhundert hinzieht:
"2003 berichtete der Observer von einem vertraulichen Dokument, das vierzig Jahre zuvor mit dem Siegel von Papst Johannes XXIII an alle katholischen Bischöfe weltweit gesandt wurde (...).
2005 legte das amerikanische Polit-Blog Daily Kos nach. Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger, heute besser bekannt als Benedikt XVI, hatte 2001 in einem weiteren Rundschreiben ausdrücklich die Weitergeltung des päpstlichen Dokuments von 1962 bestätigt.
Für den Fall, dass die Opfer des Missbrauchs sich an kirchliche Stellen wenden, sollen auch sie einen Eid schwören, dass sie Stillschweigen bewahren werden." (...)
jedes wort, welches aus den reihen der offiziellen katholischen kirche jetzt noch hinsichtlich "scham", "trauer" und "mitgefühl für die opfer" kommt, kann, soll und muss den vertretern dieser sekte als widerwärtige heuchelei und billiger versuch der schäbigen eigenrettung wieder in den mund zurückgestopft werden. die kirchenfunktionäre wissen und wussten seit jahrzehnten von den erbärmlichen zuständen - und wollten die opfer mittels ihrer glaubenspeitsche faktisch mundtot machen, was ihnen vermutlich in zu vielen fällen auch noch gelungen sein dürfte - eh schon traumatisierte menschen, die dazu mit religiösen fiktionen mit dem vorzugsweisen inhalten "schuld und sünde" traktiert werden, sind für diese form perfider einschüchterung noch empfänglicher als andere.
diese ganze geschichte der kirchlichen gewalt ist von zum himmel schreiender widerwärtigkeit, und wenn es denn einen gott mit der halluzinierten allmacht geben würde, so hätte dieses wesen schon lange vor seinen ergebenen dienern verachtungsvoll ausspucken müssen. dieser verein jedenfalls sollte für jeden fühlenden und denkenden menschen spätestens jetzt jegliche legitimation endgültig verspielt haben. und bei der fälligen systemdemontage dürfen die religiösen verbrämer der organisierten kriminalität keinesfalls davonkommen.
...voller tränen, die auch noch nicht alle geflossen sind, habe ich eigentlich noch weniger lust als sonst, das verbrecherische treiben in der menschenwelt zu kommentieren - im zusammenhang mit der sog. "hartz-IV"-debatte ( = populistische hetze) gibt es allerdings einen regelmässig vergessenen aspekt, der die verhältnisse in diesem land insgesamt deutlich macht - und eigentlich müsste man die "taz" dafür loben, dass sie es bis jetzt als meines wissens einzige zeitung von gewisser relevanz überhaupt geschafft hat, diesen aspekt zu thematisieren - andererseits wären wir dann schon dabei, für eigentliche selbstverständlichkeiten loben zu müssen. hm...
"Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen fordern Flüchtlingsorganisationen eine Überprüfung und Erhöhung der Regelsätze für asylsuchende und geduldete Flüchtlinge. Die Feststellung der Karlsruher Richter, "dass die Bedarfssätze, die das Existenzminimum sichern sollen, intransparent und willkürlich festgesetzt worden sind und dass damit die Menschenwürde der Betroffenen nicht gewahrt ist", gelte "in verstärktem Maße" auch für Flüchtlinge, sagte Heiko Habbe vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst.
Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge haben kein Anrecht auf Hartz IV, sie erhalten weit geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese Regelsätze seien wie die Hartz-IV-Sätze "willkürlich festgelegt" und seit 1993 nicht an die Preisentwicklung angepasst worden, sagte Marei Pelzer, rechtspolitische Referentin von Pro Asyl. "Nicht nur Hartz IV, auch das Asylbewerberleistungsgesetz ist verfassungswidrig." (...)
"Das Asylbewerberleitungsgsetz führt zu staatlicher Mangelversorgung und einem bewussten Ausschluss von gesellschaftlicher Teilnahme", kritisierte Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat. Die Konsequenz des Gesetzes sei, "dass Kinder ohne Stifte und Hefte in die Schule gehen, Menschen im Winter keine warme Kleidung haben und die notwendige Behandlung von Krankheiten verhindert oder verschleppt wird".(...)
wenn man sich die spaltungen betrachtet, die schon zwischen sog. inländern herrschen und forciert werden, lässt sich lebhaft vorstellen, was passieren wird, wenn die noch erbärmlichere realität für sog. ausländer im emanzipatorischen sinne verändert werden soll. vielleicht besteht das einzig sinnvolle darin, dass zumindest die organisierten erwerbslosengruppen beginnen, die flüchtlinge und asylbewerber in den heimen als betroffene der gleichen antisozialen politik wahrzunehmen, ja mehr noch: diese gruppe ist es, an der regelmässig die verschärfungen dieser politik zuerst wie im testlabor durchexerziert werden - das fängt bei streichungen an und hört bei der sog. residenzpflicht, die inzwischen faktisch auch für viele "hartz-IV"-empfängerInnen herrscht, noch lange nicht auf. es wäre also u.a. im puren eigeninteresse der hiesigen erwerbslosen, sich diese verhältnisse nicht kommentarlos oder gar hände reibend - weil da welche sind, die sich noch besser treten lassen - zu betrachten, sondern das antisoziale spaltungs- und fragmentierungsprojekt gerade an diesem wichtigen punkt zu unterlaufen und gemeinsame sache zu machen.