notizen

Donnerstag, 2. Juli 2009

notiz: krisennews spezial - italien, oder wenn unter berlusconi die schwarze sonne aufgeht... [3. update am 10.08.]

im februar schrieb ich in einer folge der krisennews mit bezug auf italien u.a. dieses:

(...)""Der Regierungschef fällt mit einer neuerlichen Provokation auf: Als Reaktion auf mehrere Vergewaltigungen will er per Dekret Bürgerwehren gestatten und 30.000 Soldaten einsetzen. Italiens schöne Frauen könne er dennoch nicht alle beschützen."(...)

berlusconi hat sich ja schon mehrfach als hochgradig narzißtisch, zynisch und antisozial geoutet, aber damit hat er sich wieder einmal selbst übertroffen. der reihe nach:(...)

und ich betrachte gerade die "legalisierung" von sog. bürgerwehren als alarmzeichen allerersten ranges, denn es dürfte nur zu klar sein, was für leute sich da sammeln werden. faschistische schlägertrupps unter regierungsfuchtel, angeblich im interesse vergewaltigter frauen unterwegs. berlusconi ist noch viel widerwärtiger, als es bisher den anschein hatte.(...)

und vor diesem hintergrund ist leider ein ganzes stück realität an dem fazit, welches die autorInnen bei indy ziehen:

"Italien ist nun ein faschistisches Land mit einer faschistischen Regierung."

und anscheinend hat´s kaum jemand bemerkt - oder es stört niemanden."(...)


*

"geschichte wiederholt sich nicht", sagen die einen, während andere zuerst eine tragödie, dann die komödie sehen möchten. mir hingegen ist inzwischen ganz anders, aber der reihe nach - zuerst einen tieferen
einblick v.a. in die dortige aktuelle ökonomische situation:

(...)"Mitten in einer schweren ökonomischen Krise – offiziell Italiens vierte Rezession in einem Jahrzehnt – hat Berlusconis Regierung eine Serie von Angriff en auf ArbeiterInnen, MigrantInnen und StudentInnen gestartet, dem Vatikan erlaubt, die Politik zu diktieren1 und die parlamentarische Demokratie mit der Durchsetzung einer Reihe von „Notverordnungen“ umgangen.

Italiens Rezession verschärft sich, obwohl die Antwort der Regierung bis jetzt darin bestand, „sich im allgemeinen so zu verhalten, als würde sie nicht existieren“. Finanzminister Guilio Tremonti sagte im Januar diesen Jahres: „Sie werden sehen, dass wir unsere Position in dieser Krise verbessern werden, auch wenn das nur deshalb geschieht, weil andere Nationen schneller zurückfallen.“2 – ganz entgegen der Tatsache, dass Italiens Wirtschaft im letzten Quartal des Jahres 2008 mit einem Rückgang von 1,8 Prozent rascher geschrumpft ist, als in jedem anderen Jahr seit 1980. Erst im März gab er widerwillig zu, dass dem Land „ein schwieriges Jahr“ bevorstehe.

Dies ist wahrscheinlich eine beträchtliche Untertreibung: ÖkonomInnen gehen davon aus, dass Italiens Krise in „verkehrter Reihenfolge“ zuschlagen wird, sodass sich der Einbruch in der Produktion in einem Zusammenbruch der Banken auswirken wird.3 Die Arbeitslosigkeit steigt und ArbeiterInnen bekommen die Auswirkungen der Krise deutlich zu spüren.(...)

Berlusconis Regierung hat sich währenddessen auf die Ärmsten der italienischen Gesellschaft eingeschossen. Seine grausame Anti-MigrantInnen Politik schließt ein „Sicherheitspaket“ ein, das per Notverordnung eingeführt wurde und in dem medizinisches Personal und HausbesitzerInnen angewiesen werden, mutmaßlich illegale MigrantInnen zu melden. Berlusconi und seine Partner aus der Lega Nord und der „postfaschistischen“ Nationalen Allianz haben in Folge mehrerer Vergewaltigungen, die vorgeblich von Nicht-Italienern begangen wurden und denen große mediale Aufmerksamkeit zuteil wurde, ganz bewusst Migration mit Verbrechen in Verbindung gebracht. Reagiert hat die Regierung mit lebenslänglichen Freiheitsstrafen für die Vergewaltigung Minderjähriger und Überfälle, in denen das Opfer getötet wird. Mit dem Vorschlag, allen Nicht-ItalienerInnen Fingerabdrücke abzunehmen strebt sie die Kriminalisierung aller MigrantInnen an. Am bedenklichsten ist, dass sie den Einsatz von Straßenpatrouillen vorgesehen hat, die von unbewaffneten und unbezahlten Freiwilligentruppen („ronde“) durchgeführt werden – darunter auch pensionierte PolizistInnen und SoldatInnen."(...)


der ganze beitrag gibt einen brauchbaren überblick zur lage in italien, und die art der "krisenbewältigung", die seitens des dortigen regimes aus purer leugnung einerseits und aktivierung der übelsten gesellschaftlichen spaltungslinien (rassismus etc.) andererseits besteht, ist ein vorgehen, welches in unterschiedlich krassen ausprägungen auch in anderen europäischen staaten zu beobachten ist. berlusconi und seine offen faschistischen verbündeten haben das ganze aber jetzt auf eine vorläufige spitze getrieben; das ganze sog. "sicherheitspaket" hat
heute die letzte formale hürde genommen, was u.a. bedeutet:

(...)"Das neue Gesetz legalisiert Bürgerwehren. Die Gruppen unbewaffneter Bürger sollen in ihren Wohnorten patrouillieren und der Polizei Unregelmäßigkeiten melden. Sie sollen vor allem aus Polizisten in Pension bestehen."(...)

und so sieht zumindest ein teil der "gruppen unbewaffneter bürger" aus:

(buergerwehr-)uniform der italienischen neofaschisten
<br />
quelle: blog.libero.it


erinnert Sie das an irgendwas? und kommt Ihnen vielleicht auch das symbol auf der armbinde bekannt vor, die "schwarze sonne"?

"Die Schwarze Sonne ist ein Symbol aus zwölf in Ringform gefassten gespiegelten Siegrunen. Vorlage für das Symbol ist ein ähnliches Bodenornament in Gestalt eines Sonnenrades, welches in der Zeit des Nationalsozialismus von der SS im Nordturm der Wewelsburg eingelassen wurde."

es dürfte durchaus leute geben, die einen derartigen zombiemaskenball als so lächerlich empfinden, wie er tatsächlich auch ist - einerseits. andererseits dürfte das für alle potenziellen opfer in den straßen italienischer städte keinesfalls lächerlich sein, sondern eine ahnung geben von dem, was sich da schon wieder breitmacht, und zwar in vollem bewusstsein der eigenen historischen bezüge unheilvollen angedenkens. ich betrachte das jedenfalls in keiner weise als spaß, ebensowenig wie der folgende bemerkenswerte
artikel eines ansonsten durchaus oft genug reaktionären mediums:

(...)"Die GNI ist die neueste Erfindung aus der rechtspopulistischen bis neofaschistischen Schmuddelecke Italiens. Es steht für "Guardia Nazionale Italiana", "Italienische Nationalgarde". Sie will Ordnung bringen in die italienischen Innenstädte, die sie in einem ständigen Niedergang sieht, vor allem verursacht durch Einwanderer.

Um ihr Ansinnen auch nach außen wirkmächtig darzustellen, greift die "Nationalgarde" in die Altkleidersammlung der Geschichte. Wer mitmachen will, soll eine Uniform tragen, die jenen aus der Zeit des Faschismus ähnelt: Springerstiefel, Khakihemden, schwarze Krawatten. So will "GNI" in Italien Streife gehen, sobald ein Gesetz der Regierung Berlusconi in Kraft tritt, das Bürgerwehren zur Unterstützung der Polizei erlaubt.(...)

Das sehr wahrscheinliche Ja lässt ein Phänomen aufleben, das in der italienischen Geschichte und Gegenwart nicht unbekannt ist: Eine Gruppe von Privatpersonen präsentiert sich als Garant der Sicherheit, mit der Begründung, der Staat könne diese nicht gewährleisten. In Bologna gibt es seit 180 Jahren den Corpo, die lokale Bürgerwehr; faschistische Squadristen meinten sich in den 20er-Jahren gegen Kommunisten schützen zu müssen, und Mafia und Camorra erpressen Zehntausende Ladenbesitzer zur Zahlung von "Schutzgeldern".

Kritiker glauben, das organisierte Verbrechen unterwandere die Bürgerwehren, um so - staatlich legitimiert - noch besser das eigene Viertel zu kontrollieren. Innenminister Roberto Maroni hält das für Schwarzmalerei: "Die Bürgerwehren tragen keine Waffen, sie dürfen keine Personen kontrollieren, sie dürfen nur die Polizei rufen, wenn ihnen etwas Verdächtiges auffällt." Und gegen die schwarz gekleideten Leute von der "Nationalgarde" ermittle ohnehin schon die Staatsanwaltschaft wegen Verherrlichung des Faschismus: "Wir werden klare Regeln aufstellen", meint Maroni, "und diesen Leuten kann ich nur sagen: Macht eure Spielchen in den eigenen vier Wänden."

Das werden sie aber nicht. Giganti und seine Leute sagen, sie hätten schon vorsichtshalber in manchen Städten, in denen sie ihre Bürgerwehren aufstellen wollen, bei den Behörden vorgefühlt, was diese von den Uniformen hielten. "Kein Problem", habe es geheißen, nicht einmal die Armbinde mit der schwarzen Sonne sei bei den Behörden auf Skepsis gestoßen. Jenes von der SS gebrauchte Symbol, das nicht strafbar ist, gilt als Erkennungszeichen der rechten Szene. Selbst wenn die GNI darauf verzichtet - allein die Debatte über das Bürgerwehrengesetz hat der "Nationalgarde" und anderen rechten Gruppen und Parteien ermöglicht, sich öffentlich als Hüter der Sicherheit aufzuspielen. Altfaschisten wie Francesco Saya glauben deshalb zu spüren, dass Italien "aufwacht" und sich vom "Unrat befreit, den vor allem Nicht-Italiener gebracht haben". (...)


und auch in italien selbst wird das alles keinesfalls mehr als irgendeine marotte anachronistischer gestalten betrachtet:

(...)"Die Uniformen der "Nationalgarde", die italienweit etwa 2000 Mitglieder haben soll, lösten erwartungsgemäß heftige Reaktionen aus. Junge Kommunisten diskutieren bereits in Internetforen, eine "Kommunistische Miliz Italiens" zu gründen, und die Nachrichtenagentur Ansa meldet, römische Juden hätten angekündigt, eine "Gegenbürgerwehr" zu gründen, eine "Brigate ebraica", eine "Jüdische Brigade".(...)

*

nun könnte man hinter dieser bedrohlichen verkleidungsklamotte auch eine nicht eben gerade neue strategie derjenigen vermuten, die für diese massiven spaltungsversuche - zu ihrem schutz in zeiten der krise - verantwortlich sind: lenke die öffentliche aufmerksamkeit und empörung auf einen spektakulären und symbolisch hoch besetzten teilbereich, gehe dann mit großer geste und pseudoentschiedenheit dagegen vor, um im schatten dieses geschehens dann deine eigentlichen pläne ohne größere probleme umzusetzen. das könnte hier ebenfalls der fall sein, aber würde es einen qualitativen unterschied machen, ob die faschisten nun vorläufig ohne uniform als teil der staatsgewalt auftreten, oder aber mit? nicht wirklich, wie ich finde, wobei diese offene provokation und vor allem der öffentliche umgang damit - nicht nur in italien, sondern v.a. seitens der eu und der europäischen staaten insgesamt - einiges auch über unsere nächste zukunft aussagen wird: wenn merkel, sarkozy und co. keine probleme damit haben sollten, einen quasi mafiösen und protofaschistischen typ wie berlusconi weiter als "freund und partner" zu sehen, auch wenn der offen faschistische schlägertrupps - womöglich noch mit ss-symbolen - als reguläre hilfstruppen der staatsmacht durch "seine" städte patroullieren lässt, dann...

ich überlasse es Ihrer phantasie, den satz fortzuführen. mir kommt beim betrachten des bilds oben ständig ein weiterer in den sinn, der sich vor allem auf traumatische geschichte bezieht und das gesetz der re-inszenierung kurz und knapp auf den punkt bringt:

"wer die vergangenheit nicht begreift, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen"

*

edit am 03.07.: weil es sich tatsächlich um eine brandgefährliche entwicklung dort handelt, werden die internationalen reaktionen nicht nur wichtig, sondern wie oben umrissen auch sehr aufschlußreich sein. immerhin aus österreich kommt eine
erste deutliche reaktion auf den unverblümten faschisierungsversuch, wenn sich auch nicht nur dort die sozialdemokratie an die eigene nase fassen darf:

"Außenpolitische Sprecherin Grossmann: Italienisches Sicherheitspaket entbehrt jeder Menschlichkeit und fördert Selbstjustiz. (...)

Die Bürgerwehren, die laut offizieller Angaben lediglich der Polizei Meldung erstatten sollen, würden schon jetzt von der "Guardia Nazionale Italiana" vereinnahmt. "Ihre khakifarbenen Uniformen spielen nicht zufällig mit rechtsextremer Symbolik, die schwarze Sonne als Logo ist ohnehin unzweideutig ein nazistisches Symbol", kommentierte Grossmann. "Wir brauchen vieles, aber keine Renaissance des Faschismus, weder in Italien, noch in Ungarn, noch bei uns."(...)

Die Verschärfung der Strafen für Sexualstraftäter und die Einführung der sogenannten Obdachlosen-Kartei sind für Grossmann "reine populistische Maßnahmen, die von der katastrophalen Wirtschaftslage Italiens ablenken sollen. Anstatt sich um das Schicksal der Obdachlosen zu kümmern, werden diese noch zusätzlich verfolgt."(...)


deutliche worte, aber für die sozialdemokratie allgemein gilt gleichfalls die selbsterkenntnis: die geister, die ich rief... - DAS sind sie!

*

edit 2 am 04.07.: es wird und wird nicht besser, je länger ich versuche, weitere informationen zu bekommen - ganz im gegenteil. eher ist auffällig, wie sporadisch bisher die medienreaktionen sind - die welt ist in dem fall tatsächlich eine löbliche ausnahme, die süddeutsche hat bereits mitte juni in kürze
berichtet:

(...)"Die Nationalgardisten versichern, sie seien nicht faschistisch, sondern unpolitisch. Doch wie es der Zufall will, wurde die Truppe am Wochenende bei einem Kongress der neofaschistischen Partei MSI in Mailand vorgestellt. Zufällig gewählt sind demnach auch die Symbole; die Gardisten behaupten, sie dienten bloß dazu, sie als Streife kenntlich zu machen. Und purer Zufall müsste es sein, dass die Nationalgarde von dem Neofaschisten Gaetano Saya initiiert wurde. Doch an so viel Zufall glaubt keiner."(...)

durch die leserreaktionen zum artikel bin ich auf das folgende video aufmerksam geworden - "ooups, da ist mir doch der arm ausser kontrolle geraten..."



die junge frau mit der exzentrischen vergangenheit und mit dem verräterischen arm ist tatsächlich die derzeitige italienische tourismusministerin brambilla, und das ist eine szene von anfang juni. wenn sich in berlusconis kabinett derart illustre gestalten tümmeln, dürfen wir uns ohne weiteres auf weitere sehr unangenehme überraschungen gefasst machen.

und das nd hat die vorstellung der "guardia nazional" mitte juni ebenfalls zum anlass eines
artikels genommen, der weitere interessante informationen liefert:

(...)"Eine beigefarbene Uniform, schwarze Springerstiefel, und als Symbole der imperiale Adler aus faschistischer Zeit und die schwarze Sonne, mit der sich schon die SS schmückte. So zeigte sich am Wochenende in Mailand auf einer Pressekonferenz die sogenannte »Italienische Nationalgarde«, eine Gruppe von Männern, die demnächst nicht nur in der norditalienischen Industriestadt rund um die Uhr durch die Straßen patrouillieren will. Laut Selbstdarstellung ist man unpolitisch, ein Drittel der Angehörigen kommt aus Polizei und Militär, man verfügt über verschiedene Autos, ein paar Boote und sogar über ein eigenes Flugzeug sowie »Filialen« in Turin, Sizilien, Apulien und Kalabrien.

Chef der Bande ist ein gewisser Gaetano Saya, der schon mehrmals mit der Justiz in Konflikt gekommen ist, weil er faschistisches und rassistisches Gedankengut verbreitet hat. Jetzt allerdings gibt er sich als »Freund von Berlusconi«, der die Bürger schützen will. Die Nähe zum Ministerpräsidenten geht sogar so weit, dass die »Nationalgarde« im gleichen Palazzo der Öffentlichkeit präsentiert wurde, in dem Silvio Berlusconi einst seine Partei »Forza Italia« gründete."(...)


"...ein Drittel der Angehörigen kommt aus Polizei und Militär" - da ist die entsprechende ansage aus dem italienischen innenministerium ja noch nicht mal eine lüge. ich frage mich allerdings dann verschärft nach der inneren verfassung dieser institutionen...

immerhin gibt es auch in italiens offizieller politik menschen, die schlicht entsetzt sind:

(...)"Trotzdem ließen die Reaktionen auf die kleine faschistische Privatarmee mit Namen »Italienische Nationalgarde« nicht lange auf sich warten. Der demokratische Abgeordnete Emanuele Fiano, früher Vorsitzender der jüdischen Gemeinde von Mailand, war entsetzt: »Italien wird zum traurigen und gefährlichen Schauplatz derjenigen, die der Vergangenheit nachtrauern.« Der Fraktionsvorsitzende der Zentrumspartei UDC im Senat, Giampiero D’Alia, forderte die Regierung auf, sofort etwas gegen die »schwarze Bürgerwehr von Neofaschisten« zu unternehmen, »die einfach nur Selbstjustiz üben wollen, wie es unter Mussolini der Fall war«. Der christdemokratische Abgeordnete sagte weiter: »Wir hatten schon davor gewarnt, dass die Einrichtung von Bürgerwehren demagogisch und gefährlich ist. Jetzt haben wir das erste Beispiel für eine Selbstjustiz, die dem Land nur schaden und die Sicherheit in keiner Weise vergrößern wird.« Man werde die Regierung auffordern, diese Gruppen zu verbieten: »Ob schwarz, rot oder grün – die Bürgerwehren sind eine Bankrotterklärungen des Staates und ein echtes Risiko für die Bürger.«(...)

falls dieses projekt weiter so wie offensichtlich geplant - und unter unterstützung des regimes und großer teile des staatsapparats - umgesetzt wird, ist es zeit für internationale aktionen, und zwar von unten. sich hier auf die europäischen demokratiesimulanten wie merkel und co. zu verlassen, heisst nur, dem übel immer mehr platz einzuräumen. die gesamten neuen "sicherheitsgesetze" in italien sind ausdruck einer schon mehr als faschistoiden entwicklung und müssen als sofortmaßnahme verschwinden, ebenso ist berlusconi endlich ohne jede verklärung als der zu sehen, der er ist - wie ich ihn ganz oben zum beginn des beitrags schon gezeichnet habe.

ich versuche zusammen mit anderen, in den nächsten tagen möglichst direkte informationen aus italien - und v.a. aus der linken opposition dort - zu bekommen. weiterführendes wird dann hier zu lesen sein.

*

edit am 10.08.: zum letzten satz ist zu sagen, dass mir zwar zwischenzeitlich ein bericht aus italien vorliegt, der sich aber mit der situation im frühjahr beschäftigt und von daher bei den aktuellen entwicklungen schlicht veraltet ist. sobald etwas neues kommt, wird´s hier zu lesen sein. und das könnte schon sehr bald der fall sein, sind doch
seit diesem wochenende die "bürgerwehren" "erlaubt". und wie es schon zu erwarten war, sind ihre äußeren (und so wie oben beabsichtigten) erscheinungsformen zwar staatlich reglementiert worden, was aber am personal - auch ohne gewünschte uniformen - nichts ändert:

(...) ""Es gibt klare und strenge Regeln, die respektiert werden müssen. Erstens wird es nur dann Bürgerstreifen geben, wenn das Stadtoberhaupt einer Gemeinde sie für notwendig hält. Der Bürgermeister wird letztendlich bestimmen, ob und wann die Bürgerstreifen eingesetzt werden", erklärte Maroni. Der Polizeichef muss die Liste der Beteiligten an den Bürgerwehren überprüfen. Bürgerstreifen mit politischer Färbung sind strengstens verboten.

Die Bürgermeister, heißt es im Dekret, sollen "bevorzugt" auf pensionierte Polizisten oder Soldaten zurückgreifen. Die Teilnehmer, die mindestens 25 Jahre alt sein müssen, sollen der Polizei Vorkommnisse anzeigen. Bei einem Delikt "in flagranti" dürfen sie jedoch im Einklang mit dem italienischen Strafgesetzbuch den Täter festhalten, bis die Polizei eingreift.

Die weder vorbestraften noch drogenabhängigen Personen dürfen sich nur mit Taschenlampen und Mobiltelefonen ausgerüstet auf Streife begeben. Sie müssen unbewaffnet sein und dürfen keine Fesseln, Handschellen, oder Sprays zur Selbstverteidigung benutzen. Sie werden nur an einer gelben Leuchtjacke erkennbar sein und dürfen weder paramilitärische Uniformen tragen, noch in Fahrzeugen patrouillieren." (...)


klingt doch harmlos, meinen Sie? nun, man darf getrost davon ausgehen, dass selbst ein typ wie berlusconi weiß, wann der bogen in der öffentlichkeit überspannt ist - und zumindest im ausland wäre das auftreten von offen erkennbaren faschisten im faktischen staatsdienst etwas gewesen, was mit einiger wahrscheinlichkeit nicht kalkulierbare folgen mit sich gebracht hätte. von daher sind die formalen regeln eher als eine art beruhigungspille zu betrachten, und die wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich zukünftig
solche nachrichten wie von ende juli häufen werden:

"Die Bürgerwehren in Italien sind ein Lieblingsprojekt der Rechten. Sie sollen, so ist es gedacht, für mehr Sicherheit sorgen. Tatsächlich machen sie der Polizei nur noch mehr Arbeit. So nahmen am Wochenende Hunderte Touristen Reißaus, als in der toskanischen Küstenstadt Massa die rechte Bürgerwehr "Soccorso sociale e sicurezza" (Sozialer Beistand und Sicherheit, SSS) und die linke "Contro-ronde proletarie" (Proletarische Gegenwehr) aneinander gerieten. Als die einen mit faschistischen Gesängen und römischem Gruß die anderen provozierten, entbrannte eine Straßenschlacht.

Rechtsaußen-Stadtrat und SSS-Gründer Stefano Benedetti warnt: "In diesem Klima könnte es auch zu Toten kommen." Schuld, findet er, habe die "Toleranz" der Kommune gegenüber linken Gruppen." (...)


es bleibt dabei: die ganzen neuen italienischen "sicherheitsgesetze" stellen ein menetekel für europa dar, welches noch drastischer erscheint, wenn man sich die weitgehend ausbleibenden reaktionen betrachtet. und solche geschichten wie der oben geschilderte konflikt zwischen faschisten und linken tragen bekanntlich dazu bei, den ruf nach ruhe und ordnung verstärkt aufkommen zu lassen - wem das nützt, ist zur genüge historisch belegt. eine leicht abgewandelte "strategie der spannung" scheint sich hier breitzumachen, zumal die öffentliche präsenz von faschisten im staatsdienst für die gruppen ihrer erklärten feinde die bereitschaft zur gegenwehr schlicht notwendig macht.

Freitag, 26. Juni 2009

notiz: "Man hält dem Wahnsinn sozusagen die gesellschaftliche Bühne frei, bis zum nächsten Auftritt"

der satz stammt aus einem zitat, welches ich aufgrund seiner punktgenau treffenden aussagen immer mal wieder anführe - ein weiterer satz lautet:

"Ich kann keinen einzigen vernünftigen Grund finden, warum psychisch kranke Personen ihre Krankheit nicht im Medium des gesellschaftlich historischen Geschehens artikulieren und realisieren (materialisieren) sollten, sei´s als Kunstwerk, exakte Wissenschaft, politisches Projekt oder eben als Menschentötungsfabrik."

während sich der beitrag, in dem dieses zitat zu finden ist, primär mit dem letzteren befasst, beginne ich die heutige notiz mit dem bezug auf´s kunstwerk, was deshalb kein zufall ist, weil sich vermutlich niemand den schlagzeilen des heutigen tages so wirklich entziehen kann, und sei´s auch nur deshalb, um sich einmal mehr über einen gigantischen medienhype zu ärgern. und sich dazu fragen zu stellen nach dem missverhältnis zwischen der aufmerksamkeit für den tod eines sängers und derjenigen, die für die täglichen systembedingten toten nicht vorhanden ist. diese und andere fragen sind notwendig, führen aber möglicherweise von der erkenntnis weg, dass auch ein michael jackson nur innerhalb dieses systems funktionieren und seinen status erwerben konnte. den finalen preis dafür hat er irgendwann in den vergangenen stunden entrichtet.

*


"Jede Gesellschaft bekommt die Freaks, die sie verdient." - so ein ebenfalls treffender satz aus einem alten tp-artikel, in dem es u.a. um die damaligen - und niemals ganz aufgeklärten - anschuldigungen gegen jackson bezgl. sexueller gewalt gegen kinder ging. dieser sich über jahre hinziehende öffentliche skandal zusammen mit vielfältigsten gesundheitlichen störungen erzeugten bei vielen eher das bild einer gleichzeitig bemitleidenswerten sowie abstoßenden und insgesamt so zerrissenen figur, das nicht nur ich zu folgender persönlichen einschätzung gelangte:

"und hinsichtlich michael jackson (...), die ich persönlich ebenfalls beide für borderlinebetroffen halte, wäre noch das element der öffentlichen identitätskonstruktionen und -wechsel zu nennen, welches bei genauerer beobachtung bei vielen sog. stars zu bemerken ist. essstörungen und selbstverletzendes verhalten als symptome verstärken ebenso wie vielfältiger drogenabusus dann nur noch die indizienreihe."

speziell bei jackson erst recht die vorliegenden informationen zur
kindheit:

(...)"Als Erziehungsmaßnahme griff Joe Jackson zum Gürtel, erzählte er in einem Interview mit dem britischen TV-Sender BBC, das die Anstalt am Sonntagabend ausstrahlen will. Popstar Michael Jackson beschuldigt seinen Vater seit langem, ihn als Kind geschlagen zu haben. Joe Jackson sagte dazu laut BBC: "Ich habe ihn gepeitscht....Ich habe ihn nie geschlagen. Man schlägt jemanden mit einem Stock."(...)

Joe Jackson bestätigte demnach, dass sein Sohn bis heute große Angst vor ihm habe. Zu Michaels früherer Äußerung, er müsse sich vor Nervosität erbrechen, wenn er seinen Vater besuche, sagte Joe Jackson: "Er muss brechen, das stimmt."(...)


zusammen mit den am ende des artikels ausgeführten homophoben äusserungen des vaters erhalten jacksons vorliebe für kleine jungen (und zwar unabhängig von den übergriffsvorwürfen), seine gesundheitlichen probleme und seine öffentlich vorgeführten identitätskonflikte einen nur allzu gut bekannten traumatischen hintergrund, der ihn damit millionen anderen menschen quasi gleichstellt - und der ihn gleichfalls durch seine spezifischen und zumindest äusserlich und materiell erfolgreichen kompensationsversuche von ihnen auf drastische weise trennt, aber vielleicht gerade dadurch die möglichkeit für die (westlichen) gesellschaften eröffnete, bei ihm wie auf einer riesigen projektionsfläche kollektiv verbreitete erfahrungen zu "bearbeiten" - natürlich in einer verzerrten und letztlich unwirksamen form, weil diese "bearbeitung" immer nur symbolisch sein kann. und während musikalisch nach den 1980er jahren nicht mehr wirklich viel gelaufen ist, wurden medial öfter solche
meldungen als berichtenswert erachtet:

(...)"Der "King of Pop" nahm seinen Auftritt vor dem Diskussionsforum "Oxford Union" zum Anlass, die Wohlfahrtsorganisation "Heilt die Kinder" (Heal the Kids) ins Leben zu rufen. Weil er selbst "Produkt eines Mangels an Kindheit" gewesen sei, wolle er dazu beitragen, das Verständnis zwischen Eltern und Kindern zu fördern, sagte Jackson."(...)

die selbstbeschreibung halte ich für sehr treffend im sinne einer realitätsgerechten wahrnehmung seiner authentischen existenz. und diese wie auch noch so fragmentarische adäquate wahrnehmung seitens seiner fans dürfte im zusammenspiel mit der inszenierung der anscheinend "erfolgreichen bewältigung" - und dazu noch nicht nur im gesellschaftlich akzeptablen, sondern sogar als "vorbildhaft" vermittelten rahmen - seiner traumatischen biographie einen gewaltigen teil seiner massenwirksamkeit erzeugt haben. einer aus dem millionenheer derjenigen
dies- und jenseits der borderline hat seinen gleichfalls kindheitsgeschädigten leidensgenossInnen mit seinem "erfolg" einen scheinbaren ausweg aus ihren biographischen fallen gezeigt - einen nicht grundlos populären als-ob-ausweg (andere können unsere gesellschaften schlicht aufgrund ihrer struktur auch nicht dulden, zumindest keine massenwirksamen).

*

vor diesem hintergrund halte ich auch den folgenden satz aus dem
nachruf eines jackson- und foucault-fans (diese kombination ist immerhin konsequent) schlicht für falsch:

"Einer, der das Motto “Sich neu erfinden” wohl am radikalsten mißverstanden hat."

ganz im gegenteil glaube ich, dass die zeitliche parallelität zwischen dem beginn von jacksons weltkarriere anfang der 1980er sowie der besonders durch ronald reagan in den usa und margaret thatcher in großbritannien begonnenen rücksichtslosen umsetzung derjenigen kapitalistischen strömung, unter deren bezeichnung "neoliberalismus" wir u.a. heute in eine zweite große ökonomische depression schlittern, keinesfalls zufällig ist, sondern michael jackson durch seine künstlerischen ausdrucksformen mit dem schwerpunkt der inszenierung und verwandlungen von realität in fiktionale geschichten die erwähnte umsetzung erst mit möglich gemacht hat. und in diesem sinne als mitkonstrukteur der heute verschärft erbärmlichen zustände gelten muss. perfekte bühneninszenierungen, umwälzende videoclips (mit der gewöhnung an eine erheblich beschleunigte bildersprache als sinnbild der allgemeinen - allseits propagierten -
beschleunigung überhaupt) und der jedem starkult implizite mythos des "du-kannst-es-schaffen-wenn-du-nur-willst-und-dich-anstrengst" dürften seitens jackson bezgl. massenwirksamkeit jede reagan- und thatcher-rede weit in den schatten gestellt haben - nicht nur deshalb, weil die produktionen von jackson für viele besser ausgesehen und geklungen haben als das, was die beiden letztgenannten auf ihren feldern so veranstaltet haben.

"sich neu erfinden" ist dabei eine parole, die letztlich sowohl für die heutige ideologie des allseits
"flexiblen" menschen steht als auch die älteren (alp-)träume des übermenschen, der heute u.a. in der form des cyborgs geträumt wird - und bei der es nichts misszuverstehen gibt:

"warum aber sollte jemand, der/die sich in sich und seiner/ihrer körperlichkeit sicher und wohl fühlt, den wunsch entwickeln, sich eben von dieser körperlichkeit und den damit untrennbar verbundenen vielfältigen beschränkungen und grenzen "befreien" zu wollen, sich eine neue identität verschaffen zu wollen? es macht, egal aus welcher perspektive betrachtet, keinen sinn - es macht aber dann einen sinn, wenn die ureigene menschliche körperlichkeit eben nicht mehr oder nur noch fragmentarisch als eigenes selbst empfunden wird bzw. werden kann - die bewegung hin zu fiktiven sphären, in denen die heimat ebenso fiktiver selbstentwürfe oder der konstruktion von mächtigen wesen zu suchen ist, stellt sich aus dieser perspektive als eine determinierte, also unfreie und defensive reaktion auf tatsächlich unerträgliche realitäten dar."

und jacksons biographie ist dabei aus meiner perspektive nur ein, wenn auch sehr berühmtes, beispiel für die strukturellen hintergründe, aus denen heraus die phrase des "sich neu erfindens" - ein in der realität unmöglicher vorgang - als eines der begleitenden elemente neoliberaler ideologie überhaupt erst auf so viele offene ohren stoßen konnte. verkleide dich, gib dir einen neuen namen, wechsel sogar das geschlecht - deiner biographie, die sich in der gesamten körperlichkeit manifestiert, wirst du selbst dann nicht entkommen, wenn du ein echter soziopath bist (bei denen bekanntlich konstruierte als-ob-identitäten die einzig mögliche existenzform darstellen). und gerade in den oben genannten versuchen manifestieren sich nachdrücklich biographische erfahrungen. vor deren negativen, und d.h. meistens schmerzvollen, varianten gibt es kein ausweichen, sondern nur die bestenfalls glückende verarbeitung mit anschließender integration. ich glaube, dass michael jackson beim letzteren weg vielleicht nicht so "erfolgreich", aber vermutlich gesünder und glücklicher hätte leben können.

aber solange diese gesellschaft so aussieht, wie jetzt, wird es schon einen haufen potenzielle nachfolgerInnen geben, die einen ähnlichen weg gehen werden. und solange gilt auch meine schon früher formulierte
kritik gar nicht so sehr an den kunstfiguren selbst... "... als vielmehr an einer öffentlichkeit, deren stars vielfach züge von identitätsstörungen und objektivistischem wahn aufweisen. und diesen zustand als "normalität" mißzuverstehen, müssen wir uns dringend abgewöhnen."

bis auf weiteres habe ich dem nichts hinzuzufügen.

* * *

auf einem anderen teil der bühne, von der uns ständig die vorführung von "gesellschaftlichen erfolg" - in objektivistischer logik messbar natürlich alleine am bankkonto und am grad der eigenen macht - als angeblich einzigem lohnenswerten lebensziel in gefühle eigener minderwertigkeit und anschließender scham stürzen soll, tummeln sich nach wie vor (wenn auch unter zunehmenden buh-rufen eines teils des publikums) die stars der globalisierten ökonomie in form von bankstern und managern, über die ein neuropsychologe das folgende urteil fällt:


«Emotionslose Banker, die 100 Millionen Dollar verzocken, sind Soziopathen»

im kern durchaus treffend, wird diese erkenntnis gleich wieder relativiert:

"Generell sei der Mensch kein moralisches Wesen, sondern stets auf seinen eigenen Vorteil bedacht."

auch wenn es hierbei ganz zentral auf die jeweilige definition des wortes "vorteil" ankommt, so verbreitet der zitierte hier doch wieder ein fragment jener ideologie, nach der wir alle am ende uns lediglich quantitativ von soziopathen unterscheiden würden. und das wiederum ist eine bedingung für genau jene auftritte, die in der überschrift dieses beitrags angesprochen werden. und beide sätze zusammen bringen kernelemente des ganzen
systems auf den pathologischen punkt.

Freitag, 19. Juni 2009

notiz: krisennews und -gedanken (37)

ziemlich voll ist die linksammlung seit den letzten news geworden, und doch ist das nur ein kleine auswahl der zugänglichen informationen, welche diese krise tag für tag so generiert. und etliches ist bereits anderswo thematisiert worden, was ich aus dokumentarischen gründen trotzdem aufführen möchte. zumal ich es inzwischen auch selbst tatsächlich aufschlußreich finde, in alten folgen dieser reihe - erreichbar über den index - zu stöbern und zu schauen, wie sich bestimmte prozesse über die monate so weiterentwickeln. und auch vor diesem hintergrund bleibe ich bei meinen bisherigen eindrücken, die da wären - erstens, diese ökonomische krise hat weltweit monströse formen angenommen; zweitens ist sie nichtsdestotrotz "lediglich" teil einer krisenkaskade, die drittens eine finale und erreichte grenze für den industrialisierten kapitalismus westlicher prägung anzeigt und darüber hinaus auf enorme und unmittelbar anstehende, ja bereits teils stattfindende umwälzende veränderungen bis in alle lebensbereiche hinein verweist. in diesem sinne - hier sind die aktuellen news:
  • globale krisenkaskade I: point of no return beim klimawandel rückt näher
  • globale krisenkaskade II: bemerkungen zum ölpreis
  • globale krisenkaskade III: ernährungskrise breitet sich aus
  • globale krisenkaskade IV: was auch zu erwarten war - menschenrechte kommen zusehends unter die räder
  • elitäre krisenbewältigung deutschland: zum geplanten projekt "desertec"
  • elitäre krisenbewältigung usa: rückbau / teilabrisse in 50 us-amerikanischen städten geplant
  • deutschland I: millionen menschen "überschuldet"
  • deutschland II: gigantisches haushaltsloch in sicht / robert kurz zu den anstehenden elitären finanziellen krisenbewältigungsversuchen
  • deutschland III: ökonomische rezession = steigende zahlen von medizinischer depression
  • deutschland IV: vom bildungsstreik zum banküberfall
  • frankreich: hintergründe zum "bossnapping" / video zur situation lohnarbeitender obdachloser in paris
  • ägypten: eindrücke vom generalstreik
  • global: das neue GEAB und die "drei monsterwellen"
  • in aller kürze: usa - wie sich die krise auf familien auswirkt / usa - kalifornien: weitere beispiele der streichungs- und kürzungsorgie / lettland: zur abwendung des staatsbankrotts wird auch hier wird gestrichen, was das zeug hält / griechenland: polizist erschossen / italien: berlusconi im rosa-wolken-land - "was für eine krise?"
*

die folgende
meldung wurde meines wissen nur recht sporadisch und wenn, dann auch eher am rande im mainstream (ein paar ausnahmen gab´s) wiedergegeben - dabei hätte sie inhaltlich das zeug für dicke aufmacher und sondersendungen:

" Es ist die letzte Warnung der Wissenschaft an die Adresse von Politik und Wirtschaft, beim UN-Klimagipfel im Dezember schnell und drastisch zu handeln. Denn sonst steht unsere Zivilisation auf dem Spiel. Wissenschaftlich formuliert heißt das, es "bewegen sich viele Klima-Indikatoren über die Grenzen, in denen sich die gegenwärtige Gesellschafts- und Wirtschaftsform erfolgreich entwickelt hat".

Das ist eine der zentralen Aussagen im "Synthese-Report" der "internationalen Allianz der Forschungs-Universitäten", der am Donnerstag in Brüssel vorgestellt wurde. Wenn nicht "schnell, langfristig, effektiv und global koordiniert" gehandelt werde, sei die Erwärmung der Atmosphäre nicht mehr auf zwei Grad zu begrenzen: Dann würde der Klimawandel unkontrollierbar, weil etwa große Eismengen schmelzen und die Permafrostböden auftauen. Der Klimawandel würde sich selbst verstärken."(...)


ich frage mich ja immer wieder, wie irgendjemand bei klaren sinnen der gegenwärtigen gesellschafts- und wirtschaftsform das prädikat "erfolgreich" geben kann - das kann selbst dann, wenn man auf der sog. gewinnerseite des systems stehen sollte, nur bei einer ordentlichen portion verdrängung und abspaltung der fall sein. all die materiellen fortschritte primär hier im westen waren und sind eher als nebeneffekte der profiakkumulation einer kleinen elitären oberschicht zu werten, die das eher aus eigenem interesse heraus geduldet hat, aber aufgrund ihrer grundsätzlich antisozialen ausrichtung niemals als ziel an sich angesehen haben dürfte. dazu kommt noch der entschieden zu hohe preis, der für unser wohlstandsniveau auf allen möglichen ebenen nicht erst seit gestern sichtbar ist. bemerkenswert für den irrsinn der herrschenden "ordnung" finde ich vor dem obigen hintergrund zb. diese passage:

(...)"Es gibt aber darin auch zwei halbwegs gute Neuigkeiten. Erstens: Schon bisher kühlen die Aerosole, winzige Schwebeteilchen in der Luft, das Klima. Ohne sie liegt der Anteil der Treibhausgase bereits mit 463 ppm deutlich über der Gefahrenschwelle. Dreckige Luft hilft also dem Klima - nicht schön für die Luftreinhaltung, aber eine Atempause für die Erderwärmung."(...)

feinstaub, ruß und sonstiger dreck in der luft (schauen Sie sich mal die statistiken der atemwegserkrankungen bei stadtbewohnerInnen international an) gelten also in diesem speziellen kontext als "gute nachricht" - nicht nur solche meldungen sind es, die einen am selbstverliehenen status "intelligenzwesen" bezgl. unserer spezies immer wieder zweifeln lassen. ansonsten ist die botschaft klar, ebenso wie die wahrscheinlichkeit dafür, dass daraus wie üblich keine ernsthaften konsequenzen gezogen werden, schon gar nicht im wirbel von wirtschaftskrise und persönlichen interessen der elitären politiker (und großen teilen der sie gegen alle vernunft weiterhin wählenden bevölkerungen). nach uns weiterhin die sintflut:

(...)"Das alles bedeutet keine Entwarnung. Ganz im Gegenteil. Der Bericht schließt die Lücken des IPCC-Berichts mit drastischen neuen Fakten: So sehen die Forscher nun einen Anstieg des Meeresspiegels bis auf einen Meter bis zum Jahr 2100 als erwiesen an - hunderte Millionen von Menschen sind damit bedroht."(...)

*

in anbetracht der klimatischen entwicklungen wäre
peak oil eigentlich als segen zu betrachten, aber das würde nur gelten, wenn wir mehrheitlich psychophysisch nicht so geschädigt wären, wie dieses blog versucht, zu dokumentieren. und mit der form von höchst begrenzter instumenteller vernunft, die wir uns v.a. im westen als "normalen" bewusstseinszustand zu betrachten angewöhnt haben, wird peak oil eher zum weiteren würgegriff, der nicht nur metaphorisch direkt an der blutzufuhr des kapitalismus ansetzt. und auch hier wird geleugnet, ignoriert und verdrängt, was das zeug hält - im zweifelsfall sind´s dann wieder die spekulanten, die die populäre rolle des bösen übernehmen:

(...)"Obwohl die Nachfrage nach dem Rohstoff schwach bleibt, ziehen die Ölnotierungen bereits wieder kräftig an. Innerhalb der vergangenen sechs Monate haben sie sich mehr als verdoppelt. Ein Fass Nordseeöl kostete am Mittwoch zeitweise knapp 71 Dollar. Angesichts dieser Entwicklung liegt der Verdacht nahe, dass Spekulanten wie etwa Hedgefonds am Werk sein könnten, die den Markt zu ihren Gunsten manipulieren."(...)

im weiteren verlauf des artikels werden einige entwicklungen genannt, aus denen aber mitnichten die richtigen schlüsse gezogen werden:

(...)"Diese Einschätzung wird auch durch den World-Energy-Bericht bestätigt, den BP vor wenigen Tagen vorlegte. Demzufolge verbrauchen die Entwicklungsländer erstmals in der Geschichte mehr Öl als die reichen Industriestaaten. "Der Schwerpunkt der globalen Energiemärkte hat sich deutlich und unwiderruflich in Richtung Schwellenländer, insbesondere China, verschoben", so BP-Chef Tony Hayward.

Schenkt man der Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) Glauben, dann wird sich die Ölnachfrage im zweiten Halbjahr zumindest nicht weiter abschwächen, sondern auf niedrigem Niveau stabilisieren. Die IEA warnte zugleich aber vor zu großem Optimismus: Eine Erholung der Weltwirtschaft sei daraus noch nicht abzuleiten.

2009 wird die Ölnachfrage den Prognosen zufolge so stark zurückgehen wie seit 1981 nicht mehr, auf einen Tagesbedarf von 83 Millionen Fass Öl pro Tag. In den Aktienkursen der Ölkonzerne spiegelt sich der steigende Rohstoffpreis noch nicht wider. Branchenbeobachter rechnen für dieses Jahr mit erheblichen Gewinneinbrüchen in der Branche, verursacht durch den Absturz der Ölpreise.

Viele neue Förderprojekte wurden deshalb zurückgestellt."(...)


ich habe hier in der vergangenheit schon in einigen schwerpunktbeiträgen zum thema peak oil versucht, die situation aus meiner sicht zu beschreiben; deshalb hier nur soviel: erstens, die umkehr im verbrauch zwischen industrialisierten und sog. schwellenländern ist lange vorhergesagt worden und zeigt den verhängnisvollen versuch dieser länder an, den westlichen "way of live" zu kopieren, mit allen zwangsweisen konsequenzen, die allerdings nicht nur in ländern wie china und indien, sondern global spürbar sein werden. zweitens, die zurückgehende nachfrage ist bereits als ein ausdruck des peaks zu betrachten und ergibt sich sowohl aus abnehmenden fördermengen als auch aus diversen maßnahmen zur reduktion des ölverbrauches in verschiedenen ländern. drittens ist sicher ein teil der preise spekulationsbedingt, wobei - wie in den letzten news schon erwähnt - diese spekulation nur funktionieren kann vor dem hintergrund eines realen mangels, den offensichtlich viele involvierte auf den sog. märkten im gegensatz zu den meisten widersprechenden bekundungen aus der wirtschaft bereits in rechnung stellen. viertens wird die rückstellung neuer förderprojekte mit dazu beitragen, dass sofort bei einer möglichen längeren ökonomischen zwischen"erholung" (und nichts anderes werden all die rettungsschirme und konjunkturpakete bestensfalls - aus elitärer sicht - bewirken können), der preis extrem anziehen wird mit folgen, die hier an anderer stelle schon öfter beschrieben wurden. das zeitalter des billigen (und genau das meint peak oil) öls ist definitiv zu ende, was größtenteils weiterhin hartnäckig geleugnet wird. und auch diese leugnung wird fatale konsequenzen haben.

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das zusammenspiel von klimawandel, peak oil und wirtschaftskrise erzeugt ua. phänomene, die sich teils als eigene krise manifestieren, wie die
ernährungskrise:

"Die Finanzkrise macht sich auf dramatische Weise bemerkbar: Laut der Welternährungsorganisation FAO steigt die Zahl der Hungernden erstmals auf über eine Milliarde. Das sind elf Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr - damit ist jeder sechste Mensch nicht ausreichend versorgt.(...)

Danach wird die Zahl der Hungernden in diesem Jahr um elf Prozent steigen. Betroffen sind hauptsächlich Entwicklungsländer. Nach FAO-Angaben leiden in Asien rund 640 Millionen Menschen an Hunger, in Afrika sind es 265 Millionen, in Lateinamerika 53 Millionen und im Nahen Osten und Nordafrika 42 Millionen Menschen. Aber auch in den industrialisierten Ländern haben 15 Millionen Menschen zu wenig zu essen.

Die wegen der Wirtschaftskrise nachlassenden Exporte und ausländischen Direktinvestitionen treffen vor allem die städtische Bevölkerung in Entwicklungsländern. Die Ernährungsexperten erwarten deshalb, dass Millionen von Stadtbewohnern wieder zurück in die Provinzen ziehen und damit die dortige Situation verschlimmern werden.

Gleichzeitig haben die Entwicklungsländer damit zu kämpfen, dass die Transferzahlungen von Verwandten im Ausland in diesem Jahr drastisch zurückgegangen sind. "Das führt zu einem Verlust von Devisen und Haushaltseinkommen", heißt es in dem Bericht der FAO. Anders als bei vorherigen Krisen seien die Länder nicht in der Lage, diesen Ausfall auszugleichen, weil der Abschwung quasi die ganze Welt gleichzeitig treffe."(...)


das alles ist bei der beschreibung nicht ganz falsch, aber unvollständig: so gehört der mangel in einer situation des (insgesamt gesehenen) globalen überflusses an nahrungsmitteln immanent zur kapitalistischen ökonomie auch schon unter "normalen" umständen; zweitens aber werden die zunehmenden klimatischen veränderungen in vielen regionen die nahrunsmittelproduktion drastisch verändern, d.a. meist erschweren; und drittens wird sich peak oil auch hier durch preissteigerungen bei produktion und transport bemerkbar machen. dazu dann noch die spekulation mit ernährungsrohstoffen, und fertig ist das desaster. die sozialen und politischen wirkungen folgen auf dem fuße.

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zu den letzteren gehört unmittelbar die
situation der betroffenen menschen, wie sie sich bspw. in den menschenrechtsreporten von amnesty international erahnen lässt:

(...)"So manches Mitgliedsland des UN-Menschenrechtsrates dürfte sich in seiner Kritik an den Industrieländern bestärkt sehen: Bei der globalen Rezession sei es wie beim Klimawandel, die Reichen verursachten den Großteil des Schadens, aber die Armen litten am stärksten unter den Folgen der entfesselten Globalisierung und dem Wachstumstaumel, so die Amnesty Generalsekretärin Irene Khan.

Genau diese Folgen werden im Jahresbericht eindrucksvoll konkretisiert: Jeder dritte Stadtbewohner weltweit lebt in einem Slum, unter unzureichenden Wohnverhältnissen, ohne ausreichenden Zugang zu öffentlichen Versorgungseinrichtungen und ist ständig von Zwangsräumung, Unsicherheit und Gewalt bedroht. Hinzu kommt die damit verbundene gesellschaftliche und politische Ausgrenzung, die wachsende Ungleichheit, und die rücksichtslose Unterdrückung aller Andersdenkenden. Wer keine wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte genießt, verliert auch schnell seine politischen und bürgerlichen Rechte.

Erschreckend viele Regierungen, Großunternehmen und Finanzinstitutionen müssen sich vorhalten lassen, dazu beigetragen oder dies sogar verursacht zu haben, zumindest aber es nicht verhindert zu haben."(...)


und man braucht sich nur das treiben der hiesigen "eliten" zu betrachten, ihr täglichen lügen, ihre intrigen und ihr völlig verkommenes sein, um sich keinerlei illusionen über die situation in ländern zu machen, in denen staatliche oder auch institutionalisierte private (zb. seitens diverser transnationaler konzerne) gewaltausübung zwecks machterhalt mehr als hier als "normalität" gilt. dazu müssen auch immer die potenziell traumatischen folgen dieser gewalt bedacht werden, die ganze gesellschaften und generationen auf dauer schwer schädigen können und derart die entwicklung tatsächlich sozialer verhältnisse extrem erschweren - auch und gerade zu diesem thema gibt´s im blog genug lesestoff, ich empfehle einmal mehr den index.

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nach dieser geballten ladung düsternis dürfte der eine oder die andere der leserInnen hier wieder innerlich "schwarzmalerei" murmeln, worauf ich antworten möchte, dass wir allesamt im kapitalismus zu deformierten objektivistischen wachstumsjunkies degeneriert sind, bei denen wie bei einem den eigenen zustand hartnäckig verleugnenden alkoholiker nur noch die ständige konfrontation mit der realität hinter den eigenen konstruierten scheinwelten den ersten schritt darstellt, um eine zumindest theoretisch mögliche besserung überhaupt erstmal in reichweite zu bekommen. spaß macht das überhaupt nicht, und für mich selbst, der ich schon seit langer zeit mit verschiedenen zerfallsentwicklungen gerechnet habe, ist das ausmaß der zerstörung, aber noch mehr die implizit damit verbundene individuelle und kollektive dummheit etwas, was mich öfter schier an die decke gehen lässt. jegliche "privaten" absichten und pläne werden vor dem skizzierten hintergrund zur makulatur (wenn man sich denn nicht sowieso als beziehungslose monade begreift, was aber zuviele zeitgenossInnen schon zu praktizieren scheinen), und das ist etwas, was ich (nicht nur) den primär verantwortlichen "eliten" ganz persönlich übel nehme.

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das man diesen "eliten" immerhin eine, wenn auch stark reduzierte, art der intelligenz primär der instrumentellen art nicht absprechen sollte (vor allem dann, wenn´s um den erhalt der eigenen machtpositionen geht), habe ich früher schon als these aufgestellt. beim
opablog bin ich nun neulich auf ein projekt aufmerksam geworden, welches sich durchaus als ausdruck der erwähnten intelligenz betrachten lässt:

"Die Süddeutsche meldet, daß deutsche Konzerne (und zwar die Creme) beabsichtigen, 400 Mrd Euro zur ökologischen Stromgewinnung in Wüsten Nordafrikas zu investieren.

Für mich ist das das erste ernstzunehmende Signal dafür, daß die amtierende Wirtschaftsmafia einen erfolgreichen kapitalistisch-imperialistischen Weg aus der Krise finden könnte.

Denn:
- Damit würden gleichsam unbegrenzte Finanzmittel in die Realwirtschaft fließen.
- Man würde einen substantiellen Beitrag gegen die ökologische Krise leisten.
- Die Massen sind für Ziele dieser Art zu gewinnen und können für ihre Verwirklichung zu materiellem und demokratischem Verzicht bereit gemacht werden.
- Geostrategische Probleme des atlantischen Kapitals können bewältigt werden.
- Summa Summarum: Die gegeben Machtverhältnisse bleiben nicht nur unangetastet, werden stattdessen sogar gefestigt."(...)


vor den eingangs skizzierten realitäten von klimawandel und peak oil könnte
desertec tatsächlich der erste adäquate versuch der herrschenden "eliten" sein, unter dem schlagwort des "grünen kapitalismus" doch noch den kopf aus der schlinge zu bekommen. ich enthalte mich an dieser stelle eines kommentars, weil ich mich selbst erstmal näher damit beschäftigen möchte - auch wenn mir spontan einige einwände hinsichtlich der umsetzbarkeit einfallen. für interessierte sei aber schon mal auf eine entsprechende diskussion beim peakoilforum verwiesen.

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als eine art fanal lässt sich durchaus auch ein anderes geplantes projekt betrachten, welches gerade in den usa konkreter wird -
innerstädtische schrumpfkuren lassen sich zunächst oberflächlich als ausdruck des endes der bisherigen autoindustrie betrachten, weisen jedoch als symbol weit darüber hinaus:

(...)"Mr Kildee said he will concentrate on 50 cities, identified in a recent study by the Brookings Institution, an influential Washington think-tank, as potentially needing to shrink substantially to cope with their declining fortunes.

Most are former industrial cities in the "rust belt" of America's Mid-West and North East. They include Detroit, Philadelphia, Pittsburgh, Baltimore and Memphis."(...)


kurz: in städten mit nicht mehr vorhandener schwer- und autoindustrie ist wg. rückgang der einwohnerInnenzahl geplant, ganze stadtteile systematisch von der restlichen bevölkerung zu leeren, sie dann abzureissen und der natur zu überlassen. was ich einerseits eine schöne vorstellung finde, andererseits bei betrachtung der zahl der obdachlosen in den usa auch zynisch. grundsätzlich jedoch glaube ich, dass auch das zeitalter der großstädte langsam, aber sicher dem ende zugeht - selbst bei berücksichtigung der entwicklungen in den sog. schwellenländern.

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kommen wir langsam von globalen zum lokalen, wobei ich glaube, dass die folgend thematisierten
zustände grundsätzlich ebenfalls ein globales problem darstellt:

(...)"Ungefähr drei bis vier Millionen Privathaushalte sind derzeit in Deutschland überschuldet – das heißt, die Kosten für Essen, Miete und Kreditraten sind höher als die monatlichen Einnahmen. »Arbeitslosigkeit ist mit 29 Prozent die häufigste Ursache für eine Überschuldung«, sagte Heidi Merk, die Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes am Freitag in der Bundespressekonferenz. Dort stellte sie gemeinsam mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen, Arbeiterwohlfahrt, Rotem Kreuz, Diakonie und Caritas den »Schuldenreport 2009« vor. Nach der Studie besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Armut und Überschuldung. Zweithäufigster Grund ist die Veränderung der Lebensumstände. Dazu zählen unter anderem Trennung, Scheidung oder Tod des Partners. Kaum überraschend ist es daher, daß neben Erwerbslosen vor allem alleinerziehende Mütter in der Schuldenfalle sitzen, die bei etwa 60 Prozent der insgesamt Betroffenen aus rückständigen Krediten resultiert.

Scharfe Kritik übten die Wohlfahrtsverbände in diesem Zusammenhang an den Banken. Denen warf Gerd Billen, Vorsitzender des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV)vor, trotz milliardenschwerer Unterstützung mit Steuerngeldern ihre Kunden in wirtschaftlicher Not rücksichtslos zur Kasse zu bitten."(...)


lobet und preiset den freien markt. amen. und wer da von der möglichkeit der privatinsolvenz murmelt, sollte sich klar machen, dass damit keineswegs die grundsätzlichen probleme aus der welt geschafft wären - das prinzip "schulden" (ich beginne gerade erst, über die zweideutigkeit des wortes nachzudenken) gehört insgesamt auf den prüfstand.

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wobei selbst die schulden der millionen haushalte zusammengenommen vermutlich nicht ganz das maß erreichen werden, was sich als perspektive für den haushalt des deutschen staates abzeichnet -
nicht kleckern, klotzen!:

(...)"Es ist eine Summe, die es so noch nicht gegeben hat: Bis 2013 wird der Bund 310 Milliarden Euro neue Schulden machen.(...)

Insgesamt plant Steinbrück im kommenden Jahr Ausgaben von rund 328 Milliarden Euro - ebenfalls eine Rekordsumme. Damit liegt das Volumen des Bundeshaushalts deutlich über den Ansätzen des alten Finanzplans. Ursache dafür sind zusätzliche Ausgaben, die durch die Wirtschaftskrise erzwungen werden.

So sieht der Entwurf ein Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 20 Milliarden Euro und höhere Ausgaben für das Arbeitslosengeld II in Höhe von zehn Milliarden Euro vor. Beide Posten treiben den Haushalt von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) in die Höhe. Mit einem Volumen von 153 Milliarden Euro ist er auch im nächsten Jahr wieder größter Einzeletat.

Vom übernächsten Jahr an soll der Bundeshaushalt in absoluten Zahlen sinken. So will Steinbrück die Ausgaben 2011 auf 322 Milliarden Euro drücken. Ein Jahr später sollen noch 319 Milliarden Euro bewilligt werden, 2013 dann 314 Milliarden Euro.

Trotz der düsteren Entwicklung beruhen Steinbrücks Planungen auf Hoffnungswerten. So unterstellt er in jedem Jahr Privatisierungserlöse von 28 Milliarden Euro."(...)


zwei dinge finde ich bei den obigen aussagen besonders interessant: einmal den deutlichen hinweis auf den "größten einzeletat", nämlich die erwerbslosensicherung. zum anderen die deutlich beschriebene absicht, mit den privatisierungen von öffentlichem gut unbeeindruckt fortzufahren. in den letzten news hatte ich hinsichtlich der ersteren bereits von entsprechenden streichungsdiskussionen für die zeit nach der wahl geschrieben, und zwar bevor ich den artikel von robert kurz,
Die Stunde der Wahrheit, gelesen hatte - auszüge, wobei ich dringend den ganzen artikel empfehlen möchte:

(...)"Der Optimismus steht in der Tat auf töneren Füßen; er stützt sich allein auf die Hoffnung, dass die staatlichen Konjunkturprogramme ein neues selbsttragendes Wachstum in Sichtweite anschieben. Sehr viel wahrscheinlicher ist aber, dass die globale Kettenreaktion der Krise erst begonnen hat. Insbesondere das Ende des pazifischen Defizitkreislaufs zwischen den USA und Asien hat noch gar nicht voll auf die Weltwirtschaft durchgeschlagen. Wenn die staatlichen Programme nichts anschieben, sondern auf unabsehbare Zeit immer größere Löcher stopfen müssen, wird die Stunde der Wahrheit umso bitterer. Ist der Kapitalismus überhaupt noch finanzierbar? Das paradoxe Scheitern dieser Gesellschaft an ihren eigenen Kriterien ist möglich geworden.

Selbst im günstigsten Fall eines Übergangs vom Absturz in die Stagnation binnen Jahresfrist müssen die sozialen Folgen abgearbeitet und bezahlt werden. Dass die Arbeitslosenstatistik frisiert ist, weiß jeder. Gegenwärtig fällt aus der Statistik der BRD, wer als Arbeitsloser in Schulungsmaßnahmen parkt, von kommerziellen Vermittlungsagenturen betreut wird oder schlicht krank geschrieben ist. Die statistisch gezählten 3,4 Millionen Arbeitslosen summieren sich real auf 5 bis 6 Millionen. Auch wenn die Konjunktur nicht noch weiter abstürzt, sind bis Mitte 2010 nach der jetzigen Zählmethode mindestens 5 Millionen Arbeitslose zu erwarten, also real mehr als 7 Millionen. Noch mehr frisieren geht nicht, denn auf einer Glatze kann man keine Locken drehen. Ein derart rapider Anstieg der Arbeitslosigkeit rüttelt an den Grundlagen der bereits zurückgefahrenen sozialen Sicherungssysteme. Die Einnahmeausfälle der Arbeitsagentur, der Rentenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung in den kommenden Monaten drohen alle Defizitgrenzen zu sprengen. Auch das ist „historisch“.

Schlagen schon die diversen Rettungspakete und Rettungsaktionen ebenso zu Buche wie die vermutlich nicht ausreichenden Konjunkturprogramme, so werden die Ausfälle bei den Sozialkassen zu einer Defizitlawine, deren Dimension die noch gar nicht abbezahlten Kosten der deutschen Vereinigung übersteigt. Im Unterschied zu den Zeiten der Finanzblasen-Konjunktur brechen jetzt aber gleichzeitig die Steuereinnahmen in demselben Tempo weg, wie die Kosten der Krise explodieren; auch dieser Ausfall steht großenteils noch bevor. Die demnächst vom Bundesrat zu verabschiedende Verankerung einer „Schuldenbremse“ im Grundgesetz ist ein finanzpolitisches Phantasma, das die gelungene Krisenbewältigung bereits blauäugig voraussetzt. Aber es ist auch ein Signal für die weitere Verlaufsform des Desasters. In der politischen Klasse besteht wohl momentan darin Einigkeit, dass die Notenpresse nur in dem Maße angeworfen werden darf, wie sich die Inflation als unvermeidliche Folge einer Verstaatlichung der Krise ohne Systembruch einigermaßen beherrschen lässt. Deshalb ist eine dramatisch verschärfte soziale Notstandsverwaltung programmiert, die den Kollaps der Staatsfinanzen hinausschieben soll. Diese Stunde der Wahrheit kann aber erst nach der Wahl im Herbst eingeläutet werden; und bis dahin ist es ein Wettlauf der Demoskopie mit der Zeit.

Am kommenden Notstandsprogramm wird in den Ministerialbürokratien sicherlich bereits unter dem Siegel „streng geheim“ mit heißer Nadel gestrickt. Die Konturen sind leicht zu erahnen. Man muss nur die bisherigen Maßnahmen auf die neue Krisendimension hochrechnen. Das erste Szenario könnte in einer drastischen Erhöhung der Mehrwertsteuer ohne Ausnahmeregelungen bestehen; vielleicht sogar mittels einer europaweit konzertierten Aktion der Regierungen. Das ist die am wenigsten geräuschvolle Methode eines Drucks auf die unteren Einkommen, auch wenn damit allein die Staatsfinanzen nicht zu sanieren sind und die Binnenkonjunktur weiter abgewürgt wird. Aber es geht ohnehin nur um hinhaltende Verzögerungstaktiken, die sich in Widersprüchen bewegen müssen. Das zweite Szenario könnte in einem ebenso drastischen Zusammenstreichen sämtlicher Transfereinkommen bestehen, um die Sozialkassen zu entlasten und die staatlichen Zuschüsse in einem irgendwie bewältigbaren Rahmen zu halten. Also Kürzung der Renten, des Arbeitslosengeldes, der Hartz-IV-Bezüge und (noch weit härter als bisher) der gesetzlichen medizinischen Versorgung. Durch beide Szenarios, die einander ergänzen, wird das Existenzminimum neu definiert, und zwar in einem bisher nicht vorstellbaren Ausmaß nach unten."(...)


wenn ich das noch mit der unterstellten elitären absicht von weiteren privatisierungen kombiniere, kommt dabei etwas heraus, was als umverteilung von unten nach oben noch untertrieben bezeichnet wäre - das wäre eher als ein systematischer raubüberfall mit mindestens in kauf genommener todesfolge gegen die mehrheit der bevölkerung zu betrachten.

*

ist es bei all dem nicht schon fast logisch,
depressiv zu werden?

"Merken Sie bei Ihrer täglichen Arbeit, daß die Wirtschaftskrise bei den Kranken angekommen ist?

Ich registriere einen zunehmenden psychischen Druck bei vielen Menschen – und eine wachsende Hemmungen, sich arbeitsunfähig schreiben zu lassen. Viele fürchten Repressalien, wenn sie krank werden, oder sinkende Chancen auf dem Arbeitsmarkt – vor allem wenn sie älter als Mitte 40 sind. Statistisch gibt es zwar 2008 wieder mehr Krankmeldungen, nachdem 2007 der Krankenstand das Rekordtief von 3,2 Prozent der Sollarbeitszeit erreicht hatte. Das verwundert nicht: Krankheiten lassen sich nicht verschleppen oder verdrängen; das »Rollback« kommt heftig. Die momentane Krise ist noch nicht statistisch erfaßt –in späteren Statistiken wird vermutlich eine Zunahme psychosomatischer Krankheiten erkennbar werden. Aus subjektiver Sicht kann ich nur konstatieren: Depressionen als Folge des ökonomischen Drucks nehmen zu.

Wie macht sich das bemerkbar?

Eine Amerikanisierung der ökonomischen Verhältnisse macht sich breit: Viele können sich nur noch mit zwei Jobs über Wasser halten, teilweise mit einer 60-Stundenwoche. Das führt zur Überlastung: Burnout oder Depression als Antwort auf Mangel an Zeit zur Regeneration, für die Familie und private Interessen. Neu ist, daß die gesellschaftliche Mittelschicht vom Druck erfaßt ist. Durch die Bankenkrise haben kleine Unternehmer und Handwerker einen Großteil ihres Vermögens verloren."(...)


nicht eben was ganz neues, zumal sich diese entwicklung bereits
vor der aktuellen krise deutlich abzeichnete, und jetzt nochmals an rasanz gewonnen hat - aber auch das gehört zur nötigen realitätswahrnehmung dazu, und von daher kann es eher nicht genug berichte und meldungen über diese speziellen krisenfolgen geben.

*

das gefühl spontaner freude beim anblick von nachrichten ist selten genug, und so möchte ich das auch gerne teilen - im
ticker vom bildungsstreik.net gab es gestern u.a. die folgenden antidepressiv wirkenden meldungen zu lesen:

Berlin: Banküberfall HRE
Donnerstag - 18.06.2009 14:19
Schon über 500 Leute vor der Hypo Real Estate. Es kam zu einer grundlosen Festnahme, jetzt Sitzblockade vor der Polizei. Stimmung ist gut und laut.

Marburg: Banküberfall und Besetzung
Donnerstag - 18.06.2009 14:31
Die Aktionen in Marburg laufen.... Erste Bankfiliale der Dresdner Bank wird besetzt. Die StudentInnen fordern Konjunkturpakete für die Bildung, nicht für Banken. Über die Stadt verteilt finden Aktionen statt. Die Besetzung des FB Politikwissenschaft läuft weiter... die StudentInnen haben sich vorerst für eine längere Blockade (über diesen Tag hinaus) ausgesprochen. Für Essen, Trinken, Musik und gute Stimmung ist gesorgt...andere Fachbereiche solidarisieren sich. Bis jetzt noch kein Verhandlungsangebot der Institutsleitung.

Berlin: Commerzbank überfallen
Donnerstag - 18.06.2009 15:17
Die Commerzbank am Europaplatz wurde soeben von mehreren hundert Leuten \"überfallen\".

Freiburg im Breisgau: Angst
Donnerstag - 18.06.2009 15:23
die Polizei hat alle Banken in der Innenstadt unter ihren Schutz gestellt. Da scheint jemensch Angst zu haben... Vielleicht sollte mensch in die Außenbezirke ausschwärmen...

Freiburg: Banken bewacht
Donnerstag - 18.06.2009 15:36
In Freiburg haben 3 Banken geschlossen und der Rest ist bewacht. Dabei hat die Aktion Banküberfall noch gar nicht begonnen...

Berlin: 1000 vor der Deutschen Bank
Donnerstag - 18.06.2009 15:39
1000 Leute blockieren jetzt die Deutsche Bank. Einige sind drin eingeschlossen, die Beute wird von der Polizei bewacht.

Hamburg: 9 Banken überfallen
Donnerstag - 18.06.2009 15:47
In der Hamburger Innenstadt wurden heute 9 Banken \"überfallen\". 15-17 Leute wurden von der Polizei aus der Deutschen Bank am Rathausmarkt rausgeholt, eingekesselt und die Personalien aufgenommen. Außerdem ging es noch u.a. in die HSH Nordbank und die Commerzbank. Gerade wurde eine Spontandemo angemeldet, eine Kudngebung gehalten. 200 Menschen bewegen sich jetzt wieder in Richtung Uni.

Frankfurt: Banküberfall
Donnerstag - 18.06.2009 15:52
Heute ab 11:30 versammelten sich ca. 50 Studierende der Hochschulgruppen Attac-Campus und Die Linke.SDS gemeinsam mit den Schülern aus Hanau vor der Deutschen Bank-Fliale in der Innenstadt und blockierten den Eingang der Bank. Die Polizei verwehrte ihnen zwar den Zutritt in die Bank. Schüler und Studierende machten daraufhin einen Sitzstreik vor dem Eingang forderten mehr Geld für Bildungswesen. Die Fliale machte daraufhin ihren Kundenbereich ganz dicht... Auf der Vollversammlung der Goetheuniversität berichtete eine Schulsprecherin aus Hanau von der Aktion und bekam einen starken Applaus.

Berlin: Sitzblockade beginnt
Donnerstag - 18.06.2009 15:55
Nach dem die \"Bankräuber\" immer noch in der Deutschen Bank eingezingelt sind, fängt die Polizei langsam an, die 1000 Demonstrierenden einzukesseln...

Potsdam: Innenstadt voller Polizei
Donnerstag - 18.06.2009 15:59
Alle Banken werden bewacht, die Innenstadt ist voller Polizei. Viele Banken haben geschlossen. Vielleicht helfen ein paar Ablenkungsmanöver?!

Freiburg im Breisgau: Banküberfall doch noch durchgeführt!
Donnerstag - 18.06.2009 16:44
Nachdem viele Banken in der Stadt geschlossen waren oder von der Polizei bewacht waren, hat die 40 köpfige Gruppe doch noch eine Finanzquelle gefunden: sie drangen bunt in eine Filiale der HypoVereinsbank ein, das Personal war nicht sehr aufgeschlossen. der Weg führte weiter in eine Filiale der Deutschen Bank, wo der Filialleiter durch vorgehaltenen Wasserpistolen gezwungen werden konnte, Kugelschreiber für das marode Bildungssystem herauszurücken. BEUTE!!! ... aber bitte das Logo abkratzen... Die Polizeibegleitung war groß.

Berlin: Banküberfall wird massiv geräumt!
Donnerstag - 18.06.2009 16:57
Die Polizei räumt gerade massiv in Berlin die Kundgebung vor der Deutschen Bank. Personalien werden aufgenommen, 70 Leute sind noch in der Bank. HINGEHEN, SOLIDARITÄT ZEIGEN!!! Solidarische Grüße treffen bereits aus Köln!

Köln: Bank überfallen!
Donnerstag - 18.06.2009 17:20
viel geruhsamer als in Berlin wurde heute in Köln eine Commerzbank am Friesenplatz überfallen. Ca. 100 Teilnehmer_innen. Das Betreuungsverhältnis zw. Polizei und Aktionist_innen war besser als das an den Bildungseinrichtungen zwischen Dozierenden und Lernenden.


eine schöne und sehr zeitgemäße aktionsform, die sich auch für erwerbslose, frisch entlassene etc. anbietet. die meldungen aus potsdam und freiburg fand ich dabei besonders aufschlußreich, zeigt sich doch im beschriebenen polizeilichen verhalten durchaus eine gewisse nervosität - die in berlin dann bei der erwähnten aktion vor der "deutschen bank" in das übliche rabiate vorgehen umschlug, wie das folgende video deutlich macht:



nur die sprechchöre halte ich gegenüber der staatsgewalt für deplaziert - sorry, aber gewaltausübung ist ihre aufgabe, und die werden sie zum schutz all der systemrelevanten institutionen, als die sich primär die banken nun mal selbst darstellen, auch anwenden. wie nicht erst seit diesem video deutlich sein sollte. was wir von diesem system in seinem todeskampf zu erwarten haben, ebenfalls. andererseits: was werden die behelmten truppen tun, wenn nicht ein paar hunderte oder auch auch tausend, sondern zehn- bis hundertausende vor den banken, firmenzentralen und ministerien auftauchen? auf jeden fall haben die schülerInnen und studentInnen gestern ein gutes zeichen gesetzt, welches erahnen lässt, was potenziell möglich ist. vielen dank dafür!

*

die neue ausgabe der
wildcat ist erschienen, und im editorial machen bereits die ersten sätze deutlich, dass sich dafür ein gang zum örtlichen buchladen lohnt:

"Deutschland, Anfang Juni 2009. Daimlermanager sind gehalten, nicht zu häufig in die Werke zu gehen, um »eine ungute Stimmung zu vermeiden«. Die Polizei beobachtet den Verlauf der Wirtschaftskrise. Noch gibt es keinen Anstieg der Gewalt, sie bereitet sich aber vor. Noch gibt es keine Massenentlassungen. Die Behörden bereiten sich aber vor. Es ist eine seltsame Zeit, eine Zwischenzeit, in der alles auf dem Spiel steht."

und desweiteren lesen sich auch andere ankündigungen sehr spannend:

"Danach kommen ein paar Gedanken zur Frage, warum die radikale Linke in dieser historischen Krise des Kapitalismus so leer dasteht wie ein geräumtes Bankgebäude. Könnte es sein, dass ein Großteil linker Theorieproduktion der letzten drei Jahrzehnte die Seifenblasen der Kreditökonomie für Realität gehalten hat? Und was passiert nun nach dem Platzen der Kredit- und Theorieblasen? Postmoderne Bodenbildung."

mir scheint, dass sich die angriffe gegen die
simulierten (theorie-)welten auch und gerade innerhalb der linken häufen, was ich als positive entwicklung betrachte - aber darum soll´s jetzt gerade nicht gehen, sondern um das (noch) "urfranzösische" phänomen des bossnapping , bzw. eine kritische und durchaus ernüchternde betrachtung desselben:

(...)"Auch der Kampf bei Caterpillar in Grenoble, wo 763 Jobs bedroht sind, fand großes Medienecho. Hier richtete sich das Hauptaugenmerk auf das Bossnapping und die Art der Freilassung: Gewerkschaftsmitglieder schützten die Bosse vor wütenden ArbeiterInnen. Im Fernsehen konnte man sehen, dass außerhalb der Fabrik 150 CRS-Bullen warteten, während drinnen eine Atmosphäre des Hasses gegen die Bosse herrschte. Diesmal hatten ihnen die Streikenden die Handys weggenommen. Als die Bosse nach zwei Tagen wieder freigelassen wurden, geschah das wirklich unter dem Schutz der CGT. Streikende brachten ihre Wut und Ablehnung zum Ausdruck, Journalisten nahmen das auf. Na und?

Beim Festsetzen übernahm und behielt die CGT die Führung. Selbst diese »wütenden« ArbeiterInnen waren nicht in der Lage, darüber hinauszugehen. Ein Teil der ArbeiterInnen ist zufrieden mit dieser Sackgasse, sie begreifen nicht, dass der Angriff auf einen oder mehrere Bosse kein Angriff auf die Firma Caterpillar ist. Und auch hier wurde keine Initiative ergriffen, um etwa durch einfaches Besuchen anderer Fabriken den Horizont des Streiks zu erweitern.

Leute im Ausland könnten – verstärkt durch die mediale Darstellungn – solche Demonstrationen für einen großen Schritt in Richtung »Revolution« halten: Konfrontation mit der Polizei, Angriffe auf staatliche Gebäude (Präfektur, Arbeitsämter usw.), Straßen- oder Schienenblockaden, die Zerstörung von Industrieprodukten auf den Straßen (Reifen, Stahlrollen usw.). Der Rauch brennender Reifen unterstreicht die Qualität des Spektakels. Aber in Frankreich haben wir das in den letzten 30 Jahren oft gesehen, vom großen Stahlarbeiterstreik im Februar/März 1979 über die Bergarbeiterdemo in Metz im November 1995 bis zu Continental heute. Das soll nicht heißen, diese ganzen Aktionen seien an sich nutzlos. Sie werden es aber, wenn sie Ersatz für kollektiv organisierte Kämpfe sind, die die Bosse wirksam treffen. Es ist klar, dass die Gewerkschaften diese »gimmicks« gut finden, denn sie benutzen sie, um einerseits die Kampfkraft der ArbeiterInnen zu erschöpfen – und andererseits selbst wieder radikal zu erscheinen."


das zeigt durchaus die grenzen der personalisierung bei sozialen kämpfen des derzeitigen kalibers auf, wobei ich nicht finde, dass die aktionsform generell unangemessen ist - im kontext weiterer und anderer aktionen kann das schon eine adäquate möglichkeit darstellen, den "bossen" auch ganz spürbar ihre persönlichen grenzen aufzuzeigen - eine erfahrung, die die "eliten" bisher viel zu selten machen können, was nicht unwesentlich zu ihrer verzerrten realitätswahrnehmung beitragen dürfte.

denn es sind immerhin die gleichen leute, die nicht nur in frankreich hinter zuständen wie den in diesem
video dokumentierten stecken.

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eher zufällig bin ich heute auf eine meldung aus
ägypten gestolpert, die einmal mehr deutlich macht, wie sich die wirtschaftskrise zusammen mit der ernährungskrise in repressiven autoritären systemen zu einer brisanten mischung auftürmen kann:

"Ein Generalstreik sollte das öffentliche Leben in Ägypten zum Erliegen bringen. Doch viele waren nach massivem Druck der Regierung offenbar eingeschüchtert, es gab nur wenig Resonanz auf den Streikaufruf. Der Anlass für die Wut der Menschen bleibt: Die Preise für Lebensmittel, die sich viele nicht mehr leisten können.(...)

"Wir essen meistens Kartoffeln, Auberginen, Zucchini. Kräftige Sachen gibt es alle Jubeljahre. Das Größte für uns sind die Knochenteile, die vom Hühnchen so übrigbleiben", erzählt Tarek. Seine Frau Mayada ergänzt: "Die Preise klettern jeden Tag! Gestern wollte ich die Tomaten zum Preis von vorgestern kaufen. Der Händler hat mir die Tüte aus der Hand gerissen."

Wenn Tareks Frau Mayada auf den Markt geht, dann dauert das Stunden. In Kairos Armenviertel Boulaq schimpfen, drohen und fluchen die Mütter an den Marktständen. Seit Beginn des Jahres sind die Ausgaben eines Haushalts in Ägypten um durchschnittlich fünfzig Prozent gestiegen. Beim Feilschen liegen die Nerven der Frauen blank. "Möge Gott dein Haus zerstören!", ruft Mayada dem Händler zu. So teure Preise, das sei Sünde, wo bleibe sein Gewissen.(...)

Eigentlich wollten die Ärzte heute zum ersten Mal streiken, aber die Regierung hat den Ärztestreik verboten. Mona klingt frustriert: "Die Ärzte zählen eben nicht mehr zur oberen Mittelklasse. Das war mal. 80 Euro decken nicht die Lebenshaltungskosten. Und die Preise steigen astronomisch."

Doch die Ärzte sind nicht die ersten, die protestieren. Textilarbeiter im Nildelta legten als erste die Maschinen still. Fünf Euro mehr Gehalt fordern sie. Und lösten damit eine Lawine aus. Die Steuerbeamten gingen als nächstes auf die Straße. Der Streik vermischt sich mit politischen Parolen gegen das Regime. Mona und ihre Kollegen versammeln sich zum Sit-in: "Die Linsen sind zu teuer", rufen sie. "Die Ärzte sind hungrig, der Streik ist legal!"

"Ärzte ohne Rechte" ist auch auf einem Forum von Oppositionellen und Globalisierungsgegnern Vertretern. Dort begegnen sich all jene, die wissen wollen, warum Ägyptens Wirtschaftswachstum von zuletzt sieben Prozent bei so vielen Bürgern nicht ankommt."(...)


letzteres dürften sich wohl inzwischen menschen in vielen ländern mit angeblichen "aufschwüngen" stellen. eine kombination von umständen wie den eben dargestellten jedoch hat tatsächlich das potenzial. für breite soziale revolten zu sorgen, v.a. dann, wenn ein regime noch auf die "klassisch" autoritäre art reagiert. insgesamt ein durchaus aufschlußreicher artikel.

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weil´s gerade ganz frisch draußen ist, sei der hinweis auf das neue
geab gestattet. über einfallslosigkeit bei den metaphern kann man sich jedenfalls nicht beschweren, und wie sieht die neueste prognose nun aus?

(...)"Deshalb gehen wir, ganz im Gegensatz zu dem gegenwärtig herrschenden Diskurs in den Medien und der Politik, keines Falls davon aus, dass sich nach dem Sommer die Weltwirtschaft erholen könnte; und übrigens auch nicht in den folgenden zwölf Monaten. Da die eigentlichen Ursachen der Krise überhaupt nicht bekämpft werden, gehen wir vielmehr davon aus, dass im Sommer 2009 als Folge der Verschlimmerung der Krise drei „Monsterwellen“ zeitgleich oder zeitnah über die Weltwirtschaft hereinbrechen werden; sie werden ab September/Oktober 2009 Umbrüche verursachen, über die unsere Kinder in den Geschichtsbüchern lesen werden. Wie schon seit Beginn dieser Krise wird natürlich jede Weltregion in anderer Weise betroffen sein. Aber wir gehen davon aus, dass alle, ohne Ausnahme, sehr stark in Mitleidenschaft gezogen werden und ihre Lage sich bis zum Ende des Sommers 2009 deutlich verschlechtern wird."(...)

bei den hauptaussagen bin ich - was für eine überraschung - d´accord, und was sind nun die drei wellen?

(...)"...vielmehr konzentrieren wir uns auf die drei Monsterwellen, die im Sommer 2009 in schneller Folge und mit zerstörerischer Kraft über die globale Wirtschaft und die nationalen Sozialsysteme hereinbrechen werden. Sie sind Ausdruck der weiteren Verschlimmerung der Krise und werden schon ab dem Ende des Sommers 2009 zu weitreichenden Umbrüchen führen, wie insbs., dass die beiden Pfeiler des gegenwärtigen globalen Systems USA und Großbritannien Staatsbankrott erleiden werden.

Die drei Monsterwellen sind:

1. Massenarbeitslosigkeit ; die Welle wird die Länder Amerikas, Europas, Asiens, des Mittleren Orients und Afrikas zu verschiedenen Zeitpunkten erreichen
2. Insolvenzen mit Dominoeffekten; Unternehmen, Banken, Privathaushalte, Staaten, Regionen, Kreise, Städte und Gemeinden
3. Die Agonie des Dollars, der US-Schatzbriefe, des britischen Pfunds und die Wiederkehr der Inflation

Diese drei Wellen kommen jedoch nicht parallel und gestaffelt hintereinander, wie beim maritimen Phänomen der « drei Schwester-Monsterwellen ». Sie sind noch zerstörerischer, weil sie gleichzeitig oder zumindest zeitnah aus verschiedenen Richtungen und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten über die Weltwirtschaft hereinbrechen. Deshalb können ihre Auswirkungen das globale System und die öffentliche Ordnung in den einzelnen Ländern zerstören. Das einzige, was angesichts dieser vielfältigen Gefahr sicher ist, ist die Tatsache, dass noch nie das internationale System so schwach und so wenig auf eine solche Situation vorbereitet war."(...)


tja. falls Sie das zu sehr aufregen sollte, empfehle ich wahlweise eine beruhigende merkel- oder köhlerrede vor dem schlafengehen. wie, das regt Sie noch mehr auf? dann bleibt wohl langsam nur noch die möglichkeit, in selbst gewählten und angemessenen formen aktiv zu werden.

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in aller kürze - das krisentelegramm + es ist ja nachvollziehbar, dass für die meisten menschen die auswirkungen der krise erst so richtig anhand von einzelschicksalen nachvollziehbar werden, darum hier ein
bericht über familien in den usa in den fängen der krise + nachtrag zu den letzten news: mehr einzelheiten aus dem kalifornischen streichkonzert: "Schulen, Altenheimen, Gefängnissen und Krankenhäusern werden Zuschüsse gestrichen. Knapp eine Million Kinder aus sozial schwachen Familien würden nach Schwarzeneggers Plänen ihre Krankenversicherung verlieren. Stipendien für College-Studenten, Rehabilitationsprogramme für Häftlinge und medizinische Unterstützung für Aids-Patienten entfallen. «Das sind furchterregende Aussichten», sagte der 48-Jahre alte HIV-kranke Arturo Jackson bei einer Protestaktion in Sacramento dem «San Francisco Chronicle». Die Kürzungen, die vor allem Arme, Alte und Kranke treffen werden, sind «grausam, herzlos und sie werden Menschen buchstäblich umbringen», warnt Gary Passmore, Vorsitzender eines Seniorenverbandes." dem ist nichts hinzuzufügen + ein weiterer nachtrag zur situation in lettland, das dem staatsbankrott noch mit einem notfallkredit von eu und iwf von der schippe springen möchte, mit allen bekannten nebenwirkungen: "Die Staatsausgaben, bereits zuvor um ein Viertel reduziert, sollen dank Ausgabenkürzungen von umgerechnet 720 Millionen Euro um weitere zehn Prozent fallen. Die Gehälter im öffentlichen Dienst sinken nach bisherigen Kürzungen um bis zu 35 Prozent nochmals um 20 Prozent. Der Mindestlohn wird auf umgerechnet 200 Euro reduziert, das Elterngeld halbiert, die Kinderbeihilfe gekürzt. Entgegen bisherigen Versprechen, die Rentner im Krisenprogramm zu schonen, wird nun auch bei ihnen der Rotstift angesetzt: Die ohnedies minimalen Staatsrenten sinken um zehn Prozent, all jenen Rentnern, die sich mit Nebenjobs über Wasser halten, wird 70 Prozent ihrer Rente genommen. Gleichzeitig streicht die Regierung die Ausgaben in allen Ministerien massiv zusammen und kündigte die Schließung von Krankenhäusern und Schulen an. Hingegen verzichtet sie weiterhin auf die Einführung eines progressiven Steuersystems statt der Einheitssteuer von 23 Prozent für alle Einkommen. Höhere Steuern würden mehr schaden als nützen, behauptet Finanzminister Einars Repse." hübsch, oder? glauben Sie bloß nicht, das wäre alles ganz weit weg. und verfolgen Sie auch hier die weiteren nachrichten: "Die Lehrer, die mit Lohnkürzungen von 50 Prozent zu den härtest betroffenen Gruppen zählen, drohen mit dem Boykott der Abschlussexamen an den Schulen. Die Gewerkschaften haben für den Donnerstag zu Protestkundgebungen in Riga aufgerufen." + ein wahrhaft globales desaster, wie übrigens auch ganz nüchtern und nicht nur für d-land die entprechenden charts deutlich machen + die nachrichten der nächsten tage sollten auch hinsichtlich der situation in griechenland im auge behalten werden, wo sich vorgestern das folgende ereignete: "In Athen ist am Mittwochmorgen ein Polizist erschossen worden. Der 41-Jährige war laut Polizei zum Schutz einer Zeugin abgestellt gewesen, die gegen die Terrororganisation "Revolutionärer Volkskampf" ELA aussagen sollte. Die Behörden gehen von einem terroristischen Hintergrund der Tat aus." + das allerletzte diesmal aus italien:"Für Regierungschef Silvio Berlusconi ist die weltweite Wirtschaftskrise an Italien ziemlich spurlos vorübergegangen. "Unser Banksystem ist solide, die Unternehmen sind flexibel und strukturieren sich um." Berlusconi, der keinerlei Scheu hat, karge Staatsgelder auch für seine frivolen Feste zu nutzen, liegt auch mit Zentralbankchef Mario Draghi im Clinch. Er beschuldigt die Banca d'Italia, falsche Daten über den Arbeitsmarkt präsentiert zu haben. Nun erhielt Draghi unerwartete Hilfe von der OECD, die mit zehn Prozent Arbeitslosenrate in Italien rechnet." ein mafiöser staatschef auf dem weg ins rosawolkige nirvana. ganz offensichtlich ist die hiesige bevölkerung nicht die einzige, die einen hang zu schwer gestörten führungspersönlichkeiten hat +

Mittwoch, 10. Juni 2009

notiz: kleine diskussion über konstruktivismus gefällig?

der blogger weissgarnix hat in seinem "zweitblog"bei der "faz" einen beitrag veröffentlicht, der sich im weitesten sinne mit heinz von foerster und seiner variante des konstruktivismus beschäftigt und zu weiten teilen zu einer art loblied geraten ist, welches ich nicht so stehen lassen wollte. der bisherige verlauf der debatte ist bei den kommentaren dort einsehbar, z. zt. speziell im letzten viertel.

Montag, 8. Juni 2009

notiz: splitterparteien - oder wenn die demokratiesimulation zusammenbricht

ob sich das ergebnis gestern auch schon als bodenbildung sehen lässt?

"Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis haben sich am Sonntag 56,7 Prozent der Wahlberechtigten nicht an den Wahlen zum Europaparlament in Deutschland beteiligt.

Für CDU und CSU zusammengenommen entschieden sich 16 Prozent der zur Stimmabgabe Aufgerufenen. Die SPD kommt nach dieser Zählweise auf 8,8 Prozent. Von den Grünen möchten 5,1, von der FDP 4,6 und von der Linken 3,1 Prozent der Wahlberechtigten im Brüsseler Parlament vertreten werden."


ich finde, da ist noch platz nach unten. und generell verweise ich bei anlässen wie diesen immer gerne wieder auf diesen alten
beitrag, in dem es um den unsinn der einbildung geht, dass sog. "wahlen" irgendetwas verändern würden.

Freitag, 5. Juni 2009

notiz: krisennews und -gedanken (36)

was soll ich noch groß kommentieren? die nachrichtenlage spricht für sich selbst und macht das tägliche zerbröseln der (noch) herrschenden strukturen hör- und sichtbar:
  • globale krisenkaskade I: interview zum fetisch "wachstum"
  • globale krisenkaskade II: peak oil wird sichtbarer
  • deutschland I: lauter kleine häßliche testballons fliegen, oder was nach den bundestagswahlen passieren wird - von leistungskürzungen und steuererhöhungen
  • deutschland II: unterschlagene nachrichten - erstes "bossnapping" in osnabrück
  • spanien: schwere auseinandersetzungen zwischen metallarbeitern und polizei in vigo/galizien
  • usa I: kalifornien endgültig vor dem bankrott mit katastrophalen folgen
  • usa II: zur historie von "general motors" und den sozialen folgen der insolvenz
  • japan: organisierte kriminalität (yakuza) bekommt die krise zu spüren - ein personalabbau der besonderen art
  • in aller kürze: lettland vor staatsbankrott / griechenland: es kracht in jeder woche - anschläge gehen weiter / usa mit neuem rekord bei lebensmittelmarken / deutschland: werftinsolvenzen in meck-pomm / schienengüterverkehr bricht um über 20% ein / wie die erwerbslosenstatistik gefälscht wird
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ein interessantes
interview mit einem so called "konservativen sozialwissenschaftler" macht die ganze aktuelle zwiespältigkeit des im weitesten sinne rechten krisendiskurses deutlich - neben durchaus realistischen und notwendigen einsichten...

(...)"Das Wachstum der letzten Dekaden hat für Sie aber auch eine andere Qualität als das Wachstum in den ersten Jahrzehnten der Republik?

Ja, es ist kaum noch wohlstandsmehrend. Erkrankungen, kaputte Familien, Autounfälle, Unwetter - das alles fördert das Wachstum, hebt aber nicht den Wohlstand. Und genau das ist die Art von Wachstum, die seit geraumer Zeit dominiert. Überall muss repariert werden: mehr Kranke, unterstützungsbedürftige Kinder und so weiter. Was heute Wohlstandsmehrung genannt wird, ist zunehmend nur der Versuch, Schäden zu beseitigen, die bei einem solideren Wachstum überhaupt nicht aufgetreten wären.

Wollen Sie darauf hinaus, dass Geld nicht glücklich macht?

Bis zu einem bestimmten Punkt macht es schon glücklich. Menschen, die Not leiden, werden deutlich glücklicher, wenn diese gelindert oder sogar überwunden wird. Doch es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass immer mehr Geld immer glücklicher mache. Die materiellen Bedürfnisse von Menschen sind endlich und lassen sich durchaus befriedigen. Was dann kommt, sind Ansehen, Macht und dergleichen."(...)


...schimmert nicht nur im letzten satz oben das grundsätzlich antisoziale menschenbild von rechts - das streben nach "ansehen und macht" wird als scheinbar anthropologische konstante suggeriert - durch, sondern ebenfalls werden kapitalistische mythen gehätschelt:

(...)"Viele sehen aber in der Krise ein Gerechtigkeitsproblem: Wenige haben einige Jahre sehr gut verdient, nun müssen alle Schulden aufnehmen.

Das ist auch ein Problem, obwohl die Zusammenhänge oft arg verkürzt dargestellt werden. Denn verloren haben ja zunächst einmal die Vermögensbesitzer, die zugleich in aller Regel weit überproportional die Steuerlasten zu stemmen haben."(...)


arg verkürzte zusammenhänge werden hier zuerst durch miegel geliefert - die vermögensbesitzer gehen nämlich in aller regel selbst bei verlusten - die nicht zuletzt durch ihre spielsucht bzw. die eigenartigen ausdrücke des zwangs zur profitakkumulation entstanden sind - nicht nur nicht am bettelstab, sondern wälzen diese verluste zunehmend erfolgreich auf die allgemeinheit ab. und das gejaule von den hohen steuern darf ruhig bei klüngeln wie der fdp u.ä. bleiben.

nichtsdestotrotz ist das ein interessantes interview, weil eine solche breitseite gegen den fetisch wachstum in einem konservativen "leitmedium" schlicht ungewöhnlich und möglicherweise ein zeichen dafür ist, wie die krise beginnt, die gesellschaftliche matrix in bewegung zu bringen. höchste zeit dafür ist´s ja allemal.

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inzwischen wird anhand der entwicklung der ölpreise auch etwas sichtbarer, wie sich die verschiedenen teile der krisenkaskade selbst rückkoppeln und beeinflussen - hartnäckig von den meisten immer noch ignoriert, wage ich die prognose, dass der begriff
peak oil uns in den nächsten monaten immer häufiger begegnen wird. und damit auch die ausweglose situation der heutigen kapitalistischen ökonomie unterstreichen wird. eine aktuelle pressemitteilung bringt es auf den punkt:

(...)"Die Zeit billigen Erdöls ist endgültig vorbei!
Der Ölpreis steigt und steigt und kaum jemand will etwas merken.

Die einmalige Talfahrt des letzten Jahres war noch eine Folge der Welt-Wirtschaftskrise, die ihre Ursachen in der Bankenkrise und im hohen Ölpreise hatte. Die Wirtschaftskrise hält nun immer noch an, die Ölnachfrage ist weiter auf niedrigem Niveau, aber der Ölpreis klettert innerhalb eines Monats sogar schon um 20 Dollar nach oben; seit Anfang des Jahres hat er sich fast verdoppelt. Das sind Preissteigerungen, wie wir sie nur vom extremen ersten Halbjahr 2008 kennen!

Der Ölpreis steht heute bei fast 70 Dollar pro Barrel, ein Wert, der vor drei Jahren noch als höchste Bedrohung der Weltwirtschaft betrachtet wurde.
Erneut werden als Ursache nur Spekulanten genannt, wobei wie immer übersehen wird, dass Spekulanten den Ölpreis nur dann nach oben treiben können, wenn Knappheit im Ölmarkt herrscht.

Jahrelang ist das Fördermaximum von Erdöl (Peak Oil) ignoriert worden. Noch immer unterliegen viele dem Irrglauben, dass die Welterdölproduktion ausgeweitet werden könnte. Eine Strategie „Weg vom Öl“ hätte schon vor Jahren begonnen werden müssen. Dass eine solche Strategie von der Bundesregierung nicht umgesetzt wird, zeigten auch die Verhandlungen um Opel.

Anstatt Opel konsequent umzukrempeln, so dass sie ihre Produktpalette ökologisch ausrichten müssen, setzt die Bundesregierung mit dem russischen Zulieferer Magna weiter darauf, CO2-Schleudern zu produzieren, die dem Klima schaden und auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig sind, als wäre Erdöl ewig verfügbar."(...)


wer sich diese realität in all ihren konsequenzen deutlich macht, kann bei allem derzeitigen "aufschwungs"-gerede nicht mal mehr müde lächeln, aber sich vielleicht fragen über das ausmaß von wahrnehmungsstörungen bis hin zur realitätsverweigerung bei den handelnden "eliten", aber nicht nur bei denen, stellen. antwortversuche auf solche fragen finden sich einmal mehr beim
ölschock-blog:

"Einer der Faktoren, die eine angemessene Reaktion auf die Krise der Industriegesellschaft so schwer machen, hat seine Ursache darin, wie tief diese Krise in unserem grundlegendsten Weltverständnis verwurzelt ist. Albert Einsteins berühmter Ausspruch, dass man Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen kann, durch die sie entstanden sind, war nie zutreffender als heute. In besonderem Maße gilt dies für viele der derzeitigen Versuche, dem nahenden Ölfördermaximum zu begegnen, die auf derselben Art von Logik beruhen, die uns erst in unsere heutige Zwangslage gebracht hat, und deren „Lösungen“ bestens geeignet sind, unsere Lage noch wesentlich schlimmer zu machen, als sie ohnehin ist.


Aus den Dutzenden guter Beispiele dafür, die sich jeden Tag in den Nachrichten finden, muss man unbedingt den wirtschaftlichen Rückschlageffekt herausheben, der durch den Versuch der US-Regierung, die strauchelnde ölbasierte Wirtschaft des Landes durch Ethanol am Leben zu erhalten, verursacht wurde. Je mehr Mais und anderes Getreide aus der Lebensmittelversorgung in Autotanks umgelenkt werden, desto höher steigen die Preise für Verbrauchsgüter, desto stärker kommt es zu inflationären Kettenreaktionen über die gesamten wirtschaftliche Nahrungskette hinweg und desto wahrscheinlicher wird es mittelfristig zu tatsächlichen Nahrungsmittelknappheiten kommen. Vor mehr als zwanzig Jahren wies William Catton in seinem bahnbrechenden Werk Overshoot darauf hin, dass Menschen während des Niedergangs der Industriegesellschaft gezwungen sein würden, mit ihren eigenen Maschinen um Ressourcen zu konkurrieren. Seine Voraussage ist heute bereits Realität.(...)

Durch die Entdeckung und Ausbeutung der planetaren Ölvorkommen ist der Menschheit ein unerwartetes Geschenk an mehr oder weniger gratis verfügbarer Energie in fantastischem Umfang in den Schoß gefallen, und jetzt setzen wir alles daran, diesen Gewinn so schnell wie möglich zu verfeuern. Angesichts des drohenden Rückgangs der Ölversorgung geht es nun nicht mehr darum, irgendein anderes Geschenk ebenso schnell zu verfeuern oder eine andere Art der Energieversorgung für eine Zivilisation zu finden, deren Weiterbestehen unauflöslich an einen gargantuesken Energieverbrauch gekoppelt ist, sondern darum, unsere Erwartungen und unsere Technologie so drastisch zurückzufahren, dass beides zu dem wesentlich bescheideneren Energieangebot passt, das uns in Zukunft aus erneuerbaren Energiequellen zur Verfügung stehen wird."(...)


ich tendiere mittlerweile ebenfalls mehr und mehr zur position, dass die derzeitige weltwirtschaftskrise auch bereits die tatsache von peak oil widerspiegelt. und alle versuche des "mehr-desselben" und zurück zum bisherigen status quo machen die ganze situation von tag zu tag nur noch schlimmer. mit dieser haltung werden wir zwangsweise umwälzungen in dimensionen erleben, dass uns möglicherweise hören und sehen vergehen wird.

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letzteres wird aller wahrscheinlichkeit nach bereits kurz nach der wahl im september für große teile der hiesigen bevölkerung eintreffen, wenn man sich denn einmal anschaut, was bereits jetzt medial so an etlichen planungen sichtbar wird, wenn es daran geht, die große rechnung für all die banken"rettungen", neuverschuldungen und sonstigen geschenke an diverse kapitalisten zu präsentieren - aus dem katalog des heulens und zähneklapperns ragen für mich bisher deutlich hervor:

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die mehrwertsteuererhöhung: (...)"Um das Steuerloch zu stopfen, schlagen Forscher eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vor. Man müsse die Bürger ehrlich auf das Kommende vorbereiten, sagen sie." das wörtchen "ehrlich" macht sich in solchen zusammenhängen immer gut, nicht wahr? und der folgenden sentenz werden wir gleich wieder begegnen: "Obwohl den öffentlichen Kassen bis 2013 fast 320 Milliarden Euro fehlen, sind Steuererhöhungen in der Politik derzeit ein Tabuthema."(...)

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die (erhöhte) praxisgebühr bei jedem (!) arztbesuch: klar, das gerangel und gezänk zwischen ärzteverbänden, krankenkassen und pharmaindustrie spielt hier eine rolle, aber ebenso die grundsätzlichen versuche, die medizinische versorgung ebenso zur ware zu machen wie alles andere. im hintergrund lässt sich dazu eine perfide form der selektion durch medizinische unterversorgung in den reihen des sog prekariats erahnen, aus elitärer sicht handelt es sich bei den betroffenen eh um zunehmend überflüssigere (und dazu potenziell störende) esser:

(...)"Hansen, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, hatte angeregt, für jeden Arztbesuch eine Praxisgebühr von fünf bis zehn Euro zu verlangen, für einen Facharztbesuch ohne Überweisung bis zu 25 Euro. Hansen sagte der Rheinischen Post, den Versicherten fehle das Empfinden dafür, welche Kosten sie verursachten. "Die Hemmschwelle, ärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, ist immer noch niedrig."(...)

und das echo auf dieses kostensenkende gedankengut? (...)"Der Vorstoß des Ärztefunktionärs Leonard Hansen, die Praxisgebühr drastisch zu erhöhen, stößt im Bundesgesundheitsministerium und beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) auf entschiedenen Widerspruch. Auch die SPD lehnte den Vorschlag umgehend ab. "Wir halten von solchen Vorschlägen nichts und werden sie auch nicht aufgreifen", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Carola Reimann, der FR.(...) Der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Klaus Vater, betonte, es werde weder höhere Zuzahlungen noch eine höhere Praxisgebühr geben. Dieser Beschluss stehe "felsenfest".(...)

so "felsenfest" wie die eh schon erbärmliche höhe des

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"hartz-IV"-regelsatzes? (...)"Die Zeiten in den Bundeshaushalten stehen auf Sturm. Nach Berechnungen der Kieler Wirtschaftsforscher wird sich die Anzahl der Hartz IV Betroffenen im Jahre 2010 um 1,5 Millionen Menschen erhöhen. Das würde bedeuteten, dass die Anzahl der Leistungsempfänger nach dem SGB II von derzeit 4,9 Millionen auf 6,4 Millionen Menschen sich erhöhen würde. Der Kieler IfW-Finanzexperte Alfred Boss berechnete, dass die Ausgaben für "Hartz IV" des Bundeshaushaltes und der kommunale Kassen von derzeit 37,7 Milliarden auf 44,6 Milliarden Euro ansteigen werden. Der Wirtschaftsforscher legte sogleich nach und forderte den Hartz IV Regelsatz entsprechend abzusenken. Für Boss wäre es "unverständlich", "Hartz IV-Kürzungen für alle Zeit auszuschließen". Wenn das Lohneinkommen durch die ausufernde Kurzarbeit sinke, müssten die Renten und der ALG II-Regelsatz "in gewissem Maß gekürzt" werden, so der IfW-Finanzforscher. Der Finanzexperte Rainer Kambeck schloss sich dieser Einschätzung an und sagte gegenüber der "WAZ": "Wenn die Bruttolöhne je Beschäftigten, wie es die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren, sinken, müssten Renten und Hartz-IV-Satz gekürzt werden."(...)

und bei diesem thema hören wir im gegensatz zu den beiden oben schon eine mischung aus wahlpropaganda und ehrlichen ansagen:

"Bislang halten sich Union und SPD bedeckt und versprechen sogar, die Renten und damit auch den Hartz IV Regelsatz per Gesetz nicht sinken zu lassen. Doch so mancher CDU Politiker mag diese Wahllüge nicht teilen. So sagte der Berliner sozialpolitische Sprecher der CDU Fraktion Gregor Hoffmann: Aufgrund des prognostizierten Anstiegs der Arbeitslosigkeit sei "bereits zum heutigen Zeitpunkt klar, daß der Status Quo der Leistungsangebote nicht beibehalten werden kann".(...)

vor den wahlen also: "man" hält sich "bedeckt", äussert sich nicht zu "tabuthemen", hält nichts von "solchen vorschlägen" und verweist auf "felsenfeste" beschlüsse. das alles lässt nur das allerschlimmste nach den wahlen befürchten. bis dahin versucht sich besonders die sog. politische klasse, noch schwer angeschlagen aufrecht zu halten. und dürfte es spätestens am wahlabend mit der sog. müntefering-maxime halten, wonach es "unfair" sei, die koalitionsparteien an ihrem wahlkampfversprechen zu messen (ein zitat aus dem "tagesspiegel" vom 29.08.2006)

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unfair dürften es auch die aufsichtratsmitglieder des insolventen autozulieferers "karmann" in osnabrück empfunden haben, als ihnen
dieses widerfuhr:

(...)""Wir lernen Französisch" - Lektion I: Bereits am 7. Mai hatten Arbeiter des insolventen Automobilwerks Karmann in Osnabrück eine Versammlung des Aufsichtsrates (also auch die Eigentümer) eingesperrt. Die Aktion war spontan. Etwa 400 Arbeiter sollen sich beteiligt haben. Die Aktion war mit einer Arbeitsniederlegung verbunden. Das Zufahrtstor zur Eigentümerversammlung wurde dabei mit Kabelbindern verriegelt. Es kam zu einem Polizeieinsatz. Der Polizeibericht ist online nicht mehr einsehbar.(...)

Hintergrund des Protestes sind die Massenentlassungen beim Osnabrücker Autozulierer Karmann und die von den Gesellschaftern betriebene vorsätzliche Insolvenz um ihre Profite in der Krise zu sichern.

Fast 1900 Arbeiter sind von der Entlassungswelle betroffen, insgesamt sind es über 3000 die durch die Insolvenz und Entlassungen ihren Arbeitsplatz bedroht sehen. Vielen droht Hartz IV."(...)


schweigen im (medialen) walde.

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ähnlich wie bei den folgenden szenen aus spanien:



denn immer dann, wenn sich solche szenen nicht den üblichen "jugendlichen autonomen krawallmachern und randalierern" unterschieben lassen, bricht eine beredte schweigsamkeit aus - man möchte die herde hierzulande ja nicht auf dumme gedanken kommen lassen. zu den
hintergründen der riots in vigo schreibt das labournet:

"Galizien ist eine Region, deren Menschen schon lange daran gewöhnt sind, dass die kapitalistische Marktwirtschaft ihnen keine Perspektiven mehr bieten kann: die Werften sind das naheliegendste Beispiel. In der aktuellen Metalltarifrunde hatten die Unternehmer nur ein Angebot: Keinen neuen Tarifvertrag. Löhne also einfrieren, Arbeitszeiten unbestimmt lassen, so lautet das konkret - im übrigen das weltweit bekannte Kürzungspaket. Die Streikbewegung begann Anfang Mai in den kleineren und mittleren Metallbetrieben - die großen, wie etwa Citroen oder die Werften, haben eigene Tarifverträge. Dem begegneten die Arbeiter mit der Entsendung von Massendelegationen zu den Werkstoren, um Solidaritätsaktionen den Weg zu bahnen, was zunächst bei den Werften schneller passierte, im Verlauf der Tage kam es aber auch bei Citroen zu Aktionen. Der Isolierung in kleineren Betrieben - und im Angesicht der faktischen Nachrichtensperre der Kommerzmedien - begegneten die Belegschaften mit öffentlich zugänglichen Betriebsversammlungen auf Straßen und Plätzen der Stadt, die die ganze Zeit seit Beginn der Auseinandersetzung 10.000 und mehr TeilnehmerInnen hatten. Die offizielle gewerkschaftliche Taktik der drei großen beteiligten Gewerkschaften (Arbeiterkomissionen, UGT und die regionale CIG) liess sich nicht wirklich durchhalten. Seit dem 8. Mai - als Proteste am Bahnhof mit heftigen Repressionsversuchen zu kämpfen hatten - kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der offizielle Anlaß war die Tatsache, dass die Strassenversammlungen immer auch Verkehrsblockaden bedeuteten. Aber selbst eine kurze Nachrichtenschau aus Spanien zeigt in diesen Tagen, dass quer durchs Land Protesten und Widerstandsaktionen nur noch mit Polizeigewalt begegnet wird, egal wie der konkrete Anlaß jeweils genannt wird. Anfang Juni haben sich nun die Auseinandersetzungen verschärft, weil die Belegschaften einerseits dazu übergingen, die Betriebe zu blockieren und andererseits der Polizeirepression Widerstand zu leisten - was dann natürlich auch die Medienwirtschaft mobilisierte."(...)

solche und viele andere in vergangenen news dokumentierte berichte machen eines ganz deutlich: die sozialen verwerfungen schreiten in vielen ländern in einem tempo und mit ausmassen fort, von dem sich die meisten menschen hierzulande immer noch keinen begriff machen.

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der seit monaten drohende bankrott des us-bundesstaates kalifornien war in vergangenen news immer wieder thema (z.b.
meet the borderline states); jetzt ist aber offensichtlich endgültig ende im gelände:

(...)"Unser Geldbeutel ist leer, unsere Bank ist geschlossen, unser Kredit ist aufgebraucht."

Tatsächlich steht der einst so wohlhabende US-Bundesstaat vor der Pleite. Das Haushaltsdefizit beträgt nicht weniger als 24,3 Milliarden Dollar. Wenn Kaliforniens Parlament bis zur Mitte des Monats keinen Sparhaushalt verabschiedet, dann müssen die Behörden des Bundesstaates nach Berechnungen des kalifornischen Finanzministers spätestens am 29. Juli ihre Zahlungen einstellen."(...)


auch die absehbaren folgen hatte ich schon früher kommentiert, inzwischen sind die dimensionen noch sichtbarer:

(...)"Die Sozialhilfe für eine halbe Million Familien soll ersatzlos gestrichen werden. 38.000 Strafgefangene können auf ihre vorzeitige Entlassung hoffen. 220 staatliche Parks sollen schließen. Die CalGrants - eine Art Bafög - würden auslaufen. Den Schulen sollen 5,2 Milliarden Dollar gestrichen werden. In Los Angeles zum Beispiel wurden vorsorglich schon 1000 Lehrer gefeuert und alle Aktivitäten während der mehr als zwei Monate währenden Sommerferien gestrichen: 200.000 Kinder stehen dort nun auf der Straße. Fast alle Sparmaßnahmen gingen zu Lasten ärmerer Kalifornier."(...)

und letzteres dürfte bei der globalen "krisenbewältigung" bisher die allgemeine regel sein. wenn nicht endlich... aber auch das thema hatten wir schon häufiger. jedenfalls darf der terminator dann von sich behaupten, seinen namen zu recht zu tragen.

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sehr interessante infos zur
historie von "general motors":

(...)"In dem knappen Jahrhundert der GM-Unternehmensgeschichte konnte man „GM“ auch mit „General Money“ übersetzen. Der Konzern machte Profite, wo und wie irgend möglich. Charles Edward Wilson war in den 1940er Jahren Vorsitzender des General-Motors-Verwaltungsrats und der Leiter der US-Heeresverwaltung im Zweiten Weltkrieg. Sein legendärer Spruch lautete: ″Was gut für General Motors ist, ist auch gut für die USA″.

Tatsächlich verdiente GM im Zweiten Weltkrieg auf beiden Seiten: Als Hersteller von Rüstungsgütern und Jeeps für die US-Armee. Und als Lieferant für die Nazi-Armee. Die GM-Tochter Opel in Deutschland mit Werken in Rüsselsheim und Brandenburg lieferte – wie die Ford-Werke in Köln und bei Berlin – den Nazis ohne Zwang und unter einem von GM in Detroit bestimmten Management kriegswichtiges Material. Unter Anspielung auf die Debatte über die Rolle der Schweiz bei der NS-Unterstützung schrieb der US-Historiker Bradford C. Snell: „Die Nazis hätten ohne Hilfe der Schweiz in Polen und Russland einmarschieren können. Ohne General Motors wäre das nicht gegangen.“

Die Nazi-Wehrmacht bezog 85 Prozent ihrer Militär-Lkw von Ford und GM. In der Studie von B.C. Snell heißt es: “Von 1939 bis 1945 produzierte die GM-Tochter in Rüsselsheim 50 Prozent der Antriebssysteme für die JU-88 ... den wichtigsten Bomber der Luftwaffe. Das Rüsselheimer Werk produzierte auch zehn Prozent der Antriebssysteme für die Me-262, den ersten Kampfbomber mit Düsenantrieb (Strahltriebwerk), das wohl wichtigste Kampfflugzeug der Nazi-Armee“. Die Studie trägt den Stempel des US-Senats und stammt vom 26. Februar 1974 („American Ground Transport“).

Nicht nur – wie gelegentlich berichtet - Henry Ford, auch der Vize-Chef von GM, James D. Mooney, erhielten Ende der dreißiger Jahre für ihre Verdienste um die NS-Wirtschaft den höchsten Nazi-Orden, der Ausländern gegeben werden konnte: das „Verdienstkreuz des Ordens vom Deutschen Adler Erste Stufe“.


eine art us-pendant zu
krupp also, ein konzern, der im ersten weltkrieg doppelt kassierte. ich frage mich, wie bekannt diese geschichte in den usa wohl sein mag. denn dann würden sich die aktuell betroffenen vielleicht ein paar grundsätzliche gedanken mehr zu ihrer situation machen:

(...)"Im Zuge der Roßkur sollen weltweit an die 35000 Arbeitsplätze verschwinden gehen, übrig blieben weniger als 200000. Laut New York Times müssen vor allem gewerkschaftlich Organisierte gehen. Mehr als 20000 Mitglieder der UAW könnten sich demnach bald auf der Straße wiederfinden, was bei einem »mit der Gewerkschaftsbewegung verbündeten demokratischen Präsidenten« nicht realisierbar wäre, so das Ostküstenblatt. Zudem muß die Gewerkschaft die Hälfte ihres Krankenversicherungsfonds, ursprünglich 20 Milliarden US-Dollar wert, gegen Aktien tauschen. Außerdem gebe es Überlegungen, »zwölf bis 20 Fabriken« zu schließen. Das Händlernetz soll massiv ausgedünnt werden, nahezu 40 Prozent aller 6000 GM-Autohäuser könnten betroffen sein. Schätzungen der Agentur MarketWatch zufolge würden an die 250000 Menschen aufgrund der Insolvenzen von GM und Chrysler ihre Arbeit verlieren."(...)

"proletarier aller länder, vereinigt euch!" nötig fände ich eher: "verarschte und ver-/ geblendete aller länder, lernt um himmelswillen endlich wahrzunehmen, was in, mit und um euch herum eigentlich passiert".

*

hatte ich in einer der vergangenen news noch die (globale) mafia als eine der krisengewinner bezeichnet, so muss ich das offensichtlich hinsichtlich der
japanischen niederlassung der ehrenwerten gesellschaft korrigieren:

(...)"Jahrzehntelang waren Drogen, Glücksspiel, Schutzgelderpressung und Prostitution auch in Japan die Haupteinnahmequellen der organisierten Kriminalität. Doch nun werfen die Yakuza erstmals seit ihrem Bestehen hunderte Mitglieder hinaus, weil diese den geforderten Beitrag an ihr jeweiliges Kartell nicht zahlen können. Der Grund dafür scheint zunächst absurd: Es ist die Wirtschaftskrise. Wie kommt es dazu?

Wie die Camorra in Neapel oder die 'Ndrangheta in Kalabrien erlebten die Gruppen der japanischen Yakuza nach dem Zweiten Weltkrieg einen stetigen Aufschwung. Misha Glenny, britischer Journalist und Buchautor, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Phänomen. Er bescheinigt den genannten Gruppen sogar eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Kommunismus, den die USA unterstützt hätten.(...)

Sowohl die Yakuza in Japan als auch die Mafia in Italien sind in ihren Strukturen traditionalistisch geprägt. Plötzlich bekamen sie Konkurrenz in Gestalt von russischen, bulgarischen und anderen Mafiosi, die ihre Mitglieder aus arbeitslos gewordenen Angehörigen des Militärs und des Sicherheitsapparats rekrutierten. Diesen neuen Organisationen war nicht mehr die Loyalität gegenüber der „Familie“ am wichtigsten, sondern der Profit. So schnell und so viel wie möglich, berichtet Misha Glenny. Deshalb reagierten die Yakuza mit einer Abkehr von den Idealen der Samurai – Mut, Opferbereitschaft und Loyalität –, auf die sie sich traditionell berufen, und orientierten sich an den Gesetzen des Marktes."(...)


also eigentlich ein terrain, in dem die ureigendsten "tugenden" aller mafiösen organisationen zur geltung kommen. müsste nicht gerade ihnen dieses milieu besonders zusagen?

"Die Gangster konzentrierten sich daher statt auf Glücksspiel und Drogen vermehrt auf legale Geschäfte wie Aktien und Immobilien. Sie gingen auch mit eigenen Unternehmen an die Börse. Damit scheffelten die Yakuza bis vor eineinhalb Jahren Milliarden. Dem japanischen Yakuza-Experten Tomohiko Suzuki zufolge haben die einzelnen Yakuza-Gruppierungen heute rund 83.000 Mitglieder und besitzen etwa 50 Unternehmen, die an den Börsen in Tokio und New York notiert sind.

Nun trifft sie die Krise genauso wie „klassische“ Unternehmer und Anleger. Die Nachrichtenagentur AFP berichtet von alten Kämpfern, die sich nach dem Yakuza-Ethos von früher sehnen: „Die heutige Geldversessenheit der japanischen Mafia ist falsch.“


ein satz zum einrahmen und an die an die wand hängen, wie ich finde - die mafia beschwert sich über mafiöses treiben, und das wirft durchaus ein grelles, wenn auch sicher unfreiwilliges licht über die grundstruktur des globalen "freien marktes" als kernelement des kapitalismus. und ebenso sagt es einiges über seine verteidiger aus.

*

in aller kürze - das krisentelegramm + osteuropa ist eine besondere krisenregion, darin das baltikum nochmal besonders gebeutelt - und jetzt verdichten sich die anzeichen dafür, dass
lettland bald als erstes den finanziellen löffel abgibt: "Die lettische Regierung ist mit dem Versuch, Staatsanleihen an Investoren zu verkaufen, gescheitert. Das nährte Spekulationen an den Finanzmärkten, das einst boomende Land im Baltikum müsse seine Währung bald abwerten." eine solche fehlgeschlagene auktion von staatsanleihen darf als alarmzeichen allerersten ranges betrachtet werden + griechenland, die chronik der laufenden anschläge... "Ein Sprengstoffanschlag wurde gegen 3.00 Uhr in der Nacht von Donnerstag auf Freitag gegen das Finanzamt des Athener Vorortes Psychiko an der Kifissias Straße 256 verübt. Durch die Explosion entstanden leichte Sachschäden an der Fassade des Gebäudes. Verletzt wurde niemand." ...wird fortgeführt: "Unbekannte Täter haben in der Nacht mehrere Brandflaschen auf den Eingang einer Polizeistation der Athener Vorstadt Melissia geschleudert. Fast zeitgleich zündeten Unbekannte mehrere Gasflaschen vor drei Bankfilialen in der griechischen Hauptstadt. Dabei entstanden nach Angaben der Feuerwehr erhebliche Schäden." + währenddessen werden aus den usa über 33 millionen bezieher von lebensmittelkarten vermeldet. das sind dimensionen, die sprachlos machen + ganz soweit sind wir hierzulande (noch) nicht, auch wenn sich inzwischen die summe der freigesetzten von meldung... "Die Wadan-Werften in Wismar und Rostock sind zahlungsunfähig. Seit einem Jahr ist das Unternehmen mehrheitlich in russischer Hand, jetzt hat es einen Insolvenzantrag gestellt. Tausende Arbeiter sind betroffen."...zu meldung mehr erahnen lässt: "Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat den Güterverkehr auf der Schiene im ersten Quartal 2009 kräftig nach unten gezogen. Von Januar bis März wurden im deutschen Schienennetz 74,7 Millionen Tonnen Güter transportiert und damit 21,2 Prozent weniger als vor einem Jahr." haben all die schwätzer vom baldigen aufschwung womöglich nur die kommenden erwerbslosenzahlen gemeint? + die bilden heute auch das allerletzte, genauer gesagt die tricks, mit denen die offiziellen zahlen generiert werden. die lassen sich komprimiert in diesem video betrachten. und wer da meint "alles nix neues", sollte sich nach dem grad seiner bzw. ihrer abstumpfung fragen +

Freitag, 22. Mai 2009

notiz: krisennews und -gedanken (35) - "up, up and away in my beautiful, my beautiful balloon"

das einladende motto der überschrift in den heutigen krisennews lässt sich trefflich als parole der stunde all der psychophysischen mutanten verstehen, die rund um den planeten an den finanzmärkten und börsen wettbüros dabei sind, mehr oder weniger fröhlich, aber in jedem fall offensichtlich unbeeindruckt, die nächsten blasen und quitschebunten ballons voller heisser luft aufzupumpen - auf das ihr spiel ewig weitergehe. was es nicht tun wird, und eingeladen sind eh nur dumme, aber dafür solvente, mitspieler. primär ihnen, aber sekundär auch all jenen statisten in den verschiedenen bevölkerungen rund um die welt, die ebenfalls nur weiter ihre kleinen ballons im sog. privatleben aufblasen möchten, ist der folgende song gewidmet (der nebenbei sicher auch den fans des gepflegten easy listenings freude bereiten wird):



wir werden am ende noch sehen, was das letzte schicksal jedes ballons ist, egal ob klein oder groß.

*
  • global I: europäischer "thinktank" leap attestiert "eliten" totalen realitätsverlust - "die welt verlässt endgültig ihren seit 60 jahren gültigen bezugsrahmen"
  • global II: szenarios der weiteren krisenentwicklung
  • china: diverses zur ökonomischen situation und zur lage der wanderarbeiterInnen
  • japan: in der depression
  • spanien: generalstreik im baskenland
  • großbritannien: zur ökonomischen krise gesellt sich eine schwere politische systemkrise
  • in aller kürze: usa - erwerbslosenzahlen steigen weiter / deutsche manager beschweren sich öffentlich über (angedrohte) gehaltsbeschränkungen / griechenland: anschlagswelle hält unvermindert an
*

die regelmäßigen bulletins aus der europäischen "denkfabrik" leap waren hier schon öfter (kommentiertes) thema; das neueste
geab enthält nun ein paar weitere bemerkenswerte einschätzungen der aktuellen lage:

"Die Entwicklung an den Aktienmärkten und bei den Finanzindizes sowie die Kommentare aus der Politik zur Krise und ihrer Bewältigung während der letzten zwei Monate sind surreal; wir erhören den Schwanengesang des Bezugssystems, in dem die Welt seit 1945 lebt.(...)

Heute stellen wir die Behauptung auf: In diesem Frühjahr 2009 hat die Welt das Koordinatensystem verlassen, mit dessen Hilfe sich die Entscheider in Wirtschaft, Finanzen und Politik in einem gegebenen Bezugsrahmen orientieren konnten. Dies gilt insbesondere, weil seit dem Zerfall des Ostblocks 1989 dieses Koordinatensystem ausgedünnt und auf die USA konzentriert wurde. Es war damit schon seit vielen Jahren nur noch bedingt in der Lage, die Wirklichkeit abzubilden. Nun aber, genauer ab dem Sommer 2009, navigieren die Entscheider in terra incognita. Das bedeutet, dass alle Orientierungshilfsmittel, alle Indikatoren, die bisher genutzt wurden, um Entscheidungen zu treffen über Investitionen, Rentabilität, Unternehmensansiedlungen, Eingehen von Joint venture etc., ihre Aussagekraft verloren haben. Sie funktionierten ausschließlich im bisherigen Koordinatensystem.(...)

Diese Entwicklung hat sich in den letzten Monaten unter der Wirkung von zwei wichtigen Trends verstärkt:

- Zum einen haben die verzweifelten Versuche zur Rettung des globalen Finanzsystems, und insbs. ihrer britischen und amerikanischen Bestandteile, wesentlich dazu beigetragen, die bisher noch verläßlichen „Navigationsinstrumente“ zu zerschlagen; sie wurden durch die verschiedenartigsten Manipulationen, die die Banken, die Regierungen und die Zentralbanken vornahmen, unbrauchbar und tragen nun mit ihren widersprüchlichen oder inkohärenten „Messergebnissen“ sogar noch zur Verunsicherung bei. Die Aktienmärkte sind dafür das beste Beispiel. Bisher galten sie noch als Indikatoren über den Zustand der Wirtschaft. Heute zweifeln alle, dass die Kurssprünge der letzten Wochen eine verläßliche Aussage über die Wirtschaftsentwicklung vermitteln könnten.(...)

- Zum anderen haben die astronomischen Summen, die in nur einem Jahr in das globale Finanzsystem und insbesondere in die US-Banken gepumpt wurden, dazu geführt, dass die Banker und Politiker den Bezug zur Realität vollständig verloren haben. Man hat den Eindruck, dass sie alle von der Taucherkrankheit befallen sind, bei der der Taucher das Gefühl für oben und unten verliert und statt, wie beabsichtigt, aufzusteigen, immer tiefer abtaucht. Die Geldkrankheit scheint identisch auf das Gehirn und den Organismus zu wirken."(...)


im großen und ganzen kein widerspruch, außer an den folgenden punkten: die notorische implizite verharmlosung der europäischen (finanz- und wirtschafts-) politik stellt in vielen bulletins von leap ein immer wiederkehrendes ärgernis dar, und darüber hinaus könnten die leap-leute ihre letztgenannte symptomfeststellung gerade an diesem punkt auch auf sich selbst anwenden. und das konstatierte wegfallen des "bisherigen bezugsrahmens" würde ich nicht grundsätzlich als etwas schlechtes ansehen, wenn man sich deutlich macht, was für monströse verbrechen innerhalb dieses rahmens immer und immer wieder vonstatten gingen und gehen. interessant finde ich aber die focussierung auf die "elitäre" wahrnehmung, wie sie auch im weiteren verlauf der zusammenfassung durchscheint:

(...)"Es bleibt natürlich jedem belassen, aus irgendwelchen monatlichen Abweichungen irgendwelcher Wirtschafts- oder Finanzindizes um ein oder mehrere Prozentpunkte rauf oder runter, die darüber hinaus auch noch von staatlichen oder Banken-Interventionen beeinflusst wurden, mehr über die Entwicklung der gegenwärtigen Krise ablesen zu wollen als aus Vergleichen mit Entwicklungen, die mehrere Jahrhunderte abdecken, und die nachweisen, dass eine solch Situation ein Novum ist. Natürlich ist auch jedem belassen zu glauben, dass die, die weder die Krise noch ihr Ausmaß vorher zu sehen vermochten, heute in der Lage sind, vorher zu sehen, wann die Krise überwunden sein wird.

All denen empfehlen wir aber, sich den Film « Matrix » zu Gemüte zu führen und sich Gedanken darüber zu machen, wie verzerrend und irreführend eine Umgebung wahrgenommen wird, wenn alle Wahrnehmungsmöglichkeiten und Sinnesorgane manipuliert wurden."(...)


da steckt durchaus einiges an realität drin; und mir ist beim lesen eine notiz aus dem jahr 2005 wieder eingefallen, in der ich ebenfalls bezug auf die "matrix" genommen habe -
"...im Moment ist es sicherer, in eine virtuelle Wirtschaft zu investieren". die doppelbödigkeit der botschaft im zitat (ich empfehle auch nochmals die lektüre des verlinkten artikels, in dem das zitat am schluß steht) wird dann sichtbar, wenn man sich ihre hintergründe betrachtet: erstens gehörte 2005 noch zu den jahren des "aufschwungs", in denen allerseits kräftig all jene blasen produziert wurden, deren kollaps wir heute erleben. zweitens war der (kurzlebige) boom von online-welten wie "second life" bekanntlich anlaß für diverse prophezeiungen von zukünftiger zunehmender verlagerung auch wirtschaftlicher aktivitäten ins virtuelle; drittens waren letztgenannte prognosen in gewisser hinsicht durchaus realistisch (aber ganz anders als gedacht), wenn man sich die explosion quasi-virtueller finanz"produkte" und -konstrukte verdeutlicht (für die das obige zitat ebenfalls stehen kann), deren zunehmend heftigeren wirkungen in der realität einmal mehr deutlich machen, dass virtuelle welten (aka simulationen) nie und nimmer "unabhängig" von der authentischen realität existieren können (genau dieser trugschluß stellt sich bei einzelnen individuen oft genug in symptomen dar, die die definition der "beeinträchtigten wirklichkeitserfassung" erfüllen, eine zulässige klinische definition des wahnsinns).

ich assoziiere natürlich wieder mal, wobei mir der hintergrund der virtualität bei den ursachen der laufenden krise durchaus allgemein zu kurz kommt - da ich bei den handelnden akteuren aus politik & ökonomie mehrheitlich eine krankheitswertige dominanz objektivistischer innerer strukturen annehme, ist die ständige konstruktion virtueller "welten" als eine art der zwangsläufig fehlschlagenden versuchten realitätsbewältigung etwas, was nicht nur zur aktuellen beigetragen krise hat, sondern bis dato - und nichts anderes drückt das leap-bulletin im letzten zitat für mich aus - auch die versuche dominiert, sie zu "lösen". dabei halte ich die unterschiede zwischen den expliziten spiel-welten, wie sie 2005 thema waren, und den virtuellen sphären der finanzwelt lediglich für quantitativ; strukturell sehe ich hingegen sowohl bei denjenigen, die in ersteren in sachen persönlicher "wertschöpfung" aktiv sind und waren und den letzteren, die täglich an den sog. börsen ihre wetten u.a. auf sinkende oder steigende kurse abschließen, keinen großen unterschied.

"...would you like to ride in my beautiful balloon?"

*

zu den bereits im geab angesprochenen "surrealen" (oder auch lächerlichen) angeblich positiven entwicklungen primär an den börsen hatte
tomasz konicz schon anfang mai u.a. angemerkt:

(...)"Die wiedererwachte Kauflust an den Aktienmärkten basiert laut Bloomberg »auf der Spekulation, daß die längste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg bald enden« werde. Doch nicht alle Marktteilnehmer sind dem irrationalen Kaufrausch verfallen. So zitierte Bloomberg die Ergebnisse einer Analyse der Informationsagentur »The Washington Service«, die sich darauf spezialisiert hat, Finanzinformationen an institutionelle Anleger zu verkaufen. Demnach würden Insider aus US-Konzernen, also Mitglieder der Führungselite, seit Beginn der Kurseinbrüche ihre Aktien im »schnellsten Tempo« auf den Finanzmärkten abstoßen.

Konkret haben die Vorstandsmitglieder und Direktoren von börsennotierten US-Unternehmen im Verlauf des April – der eigentlich durch starke Kurssteigerungen gekennzeichnet war – Aktien im Wert von 335 Mil­liarden US-Dollar veräußert. Diese Verkäufe waren demnach um den Faktor 8,3 größer als deren Aktienkäufe. Dies sei ein »Warnsignal«, da die Insider für gewöhnlich »mehr Informationen über ihre Unternehmen zur Verfügung haben als irgend jemand anders«, erläuterte der Analyst William Stone vom Finanzdienstleister PNC Financial Services Group gegenüber Bloomberg.

Der Analyse des »Washington Service« zufolge nahm der Insiderhandel bereits ein Ausmaß wie im Oktober 2007 an. Damals hatte der Börsenhandel seinen Höhepunkt überschritten und setzte zu einem Sturzflug an, der die »Hälfte des Marktwerts der US-Unternehmen« vernichtet hat."(...)


diese info zusammen mit einem realistischen blick auf die allgemeine wirtschaftliche lage sollte eigentlich ausreichend sein, die wöchentlich als "hoffnungsschimmer" bejubelten derzeitigen kursgewinne an vielen börsen richtig einordnen zu können. und generell ist bei allen derzeitigen "erfolgsmeldungen", die das "ende des abschwungs" verkünden, dreierlei zu beachten: einmal verläuft auch eine ökonomische depression dieses kalibers - wie ein blick auf die (bisherige) "great depression" der 1930er jahre klarmacht - in kurzfristigen (vielleicht ebenfalls zyklischen) auf- und abwärtsbewegungen, die sich dann in den diversen ökonomischen daten wiederspiegeln, bei allerdings grundsätzlicher tendenz aller relevanten daten nach unten. zweitens spricht - wie schon in vielen früheren news thematisiert - etliches dafür, dass wir uns nicht nur in einer "reinen" ökonomischen krise, sondern einer ganzen krisenkaskade befinden, die durch das zusammentreffen und gegenseitige durchdringen von wirtschaftskrise, ressourcenverknappung, ökologischer krise und dem allgemeinen zerfall der sozialen basis bzw. der entsprechenden menschlichen fähigkeiten, die diese basis größtenteils ausmachen, in (zu) vielen gesellschaften rund um den globus gekennzeichnet ist. und die aus diesem zusammentreffen resultierende umfassende systemkrise wird gerade bei den primär aufs "ökonomische" focussierten analysen schlicht abgespalten. und drittens spielt auch etwas eine rolle, was sich als
bewusste manipulation zwecks systemerhalt bezeichnen ließe:

"Wenn die Wirtschaftsleistung, der Export oder die Erwartungen an die Zukunft tief abgestürzt sind, wie jetzt, dann kommt einfach der Punkt, der als Talsole bezeichnet wird und von wo aus der Absturz aufhören muß, wenn nicht alles den Bach heruntergehen soll. Das ist genau der Augenblick, in dem von interessierter Seite aus den kleinsten Zacken nach oben frohe Botschaften gezimmert werden, die die Psychologie auf Aufschwung einstellen sollen. Eigentlich ist es ein durchsichtiges Spiel. Doch wer kann es den Menschen verargen, daß sie nach so vielen schlechten Nachrichten nun bereit sind, einigen positiv klingenden Vertrauen zu schenken?"(...)

nun, verstehen lässt sich dieser "mechanismus" sicher - aber die akzeptanz sollte im ganz eigenen interesse keinesfalls vorhanden sein. je mehr die situation schöngefärbt wird, desto schwerer werden nicht nur die anstehenden umwälzenden veränderungen fallen, sondern auch die negativen effekte werden sich durch die quasifluchten in rosarote virtuelle horizonte derart verstärken, dass die zerstörerischen kräfte der verschiedenen krisen am ende jeden ansatz zu positiven veränderungen zunichte machen könnte. an diesem punkt wäre angemessene angst und daraus resultierende grundsätzliche unruhe eigentliche erste "bürgerInpflicht".

*

ein grundsätzlich interessanter versuch,
drei szenarien der weiteren entwicklung der wirtschaftskrise zu skizzieren, leidet dabei meiner meinung nach an der oben erwähnten focussierung mit nachfolgender abspaltung anderer krisenbereiche; nichtsdestotrotz ist er für eine diskussion durchaus brauchbar:

(...)"Für den weiteren Verlauf der Krise und ihre politische Verarbeitung sind drei idealtypische Szenarien vorstellbar.

Im ersten Szenario tritt eine schnelle Erholung ein. Die Krise endet noch in diesem Jahr und ihr folgt – wie auf die Asienkrise Ende der 1990er Jahre und die New Economy Krise ab 2004 – ein schneller und kräftiger Aufschwung. Dann würden – wie in den beiden vorangegangenen Fällen – der Finanzmarktkapitalismus weiter gestärkt und jede Konzeption einer weiterreichenden politischen Intervention – oder einer »neuen internationalen Finanzarchitektur« – in der Versenkung verschwinden, bereits ergriffene Reformschritte rückgängig gemacht und die Deregulierung fortgesetzt.

Den Eintritt eines solchen Szenarios halte ich jedoch für sehr unwahrscheinlich. Hiergegen sprechen die Gleichzeitigkeit und Heftigkeit der Rezessionen in den Industrieländern sowie die anhaltende Unsicherheit auf den Finanzmärkten. Die Regierungen aller großen Länder und alle internationalen Organisationen gehen davon aus, daß die Krise nicht schnell in einen Aufschwung umschlagen wird und daß daher großer politischer Handlungsbedarf besteht."


das im letzten satz genannte argument impliziert gleichzeitig, dass die "eliten" ihrer eigenen propaganda nicht trauen - und das bezweifle ich zumindest teilweise. ansonsten halte ich das szenario gleichfalls für unwahrscheinlich, wenngleich aus weiteren und anderen gründen.

"Das zweite Szenario geht von dem entgegengesetzten Fall aus: Die Finanzkrise führt zu einer massiven Beeinträchtigung der Basisfunktionen des Finanzsystems – Zahlungsverkehr, Einlagensicherung und Kreditversorgung –, und die Rezession weitet sich zu einer anhaltenden Depression mit Massenentlassungen, Arbeitslosenraten von 20 Prozent und mehr sowie massiv steigender Armut aus. Dieser Fall wird in einem relevanten Teil der öffentlichen Diskussion durchaus als realistisch angesehen, der behauptet, die Krise habe gerade erst begonnen und der eigentliche Zusammenbruch stehe noch bevor. Der Eintritt eines solchen Szenarios würde vermutlich dramatische politische Folgen haben, die allerdings nicht in Richtung auf mehr Demokratie und sozialen Fortschritt zielten. In Europa würde er vermutlich einerseits zu einem schnellen Zerfall der Europäischen Union führen und andererseits autoritärere Formen der Intervention zur Rettung des Systems befördern: Das würde einen härteren Abbau des Sozialstaats und verstärkte Versuche zu internationaler Expansion bedeuten. Zur längerfristigen Stärkung des Systems könnte es überdies zu einer neuen Welle massiver und längerfristiger staatlicher Interventionen kommen, zu denen nicht nur Investitionsprogramme in die Infrastruktur, sondern auch strategische Verstaatlichungen zur Stärkung der jeweiligen nationalen Wirtschaft und zur Unterstützung ihrer internationalen Positionen gehören. Mit demokratischer Wende hätte das nichts zu tun. Es ist zu vermuten, daß die Sozialdemokratie dabei mit von der Partie wäre, und die Befürchtung ist nicht von der Hand zu weisen, daß viele Gewerkschaften sich in eine solche autoritär-etatistische Strategie korporatistisch einbinden ließen.

Auch den Eintritt dieses Extremszenarios eines ungebremsten Absturzes der Finanzmärkte und der Weltwirtschaft halte ich jedoch für unwahrscheinlich. Zum einen erzielen die großen Schwellenländer, vor allem China und Indien, aber auch Brasilien und Argentinien, die zwar auch vom Abschwung betroffen sind, immer noch erhebliche Wachstumsraten und bremsen den weltweiten Absturz. Zweitens wird auch in den großen Industrieländern in absehbarer Zeit ein neuer Zyklus von Ersatzinvestitionen einsetzen, die die Unternehmen trotz Krise vornehmen müssen, um überhaupt im Geschäft zu bleiben. Drittens stehen den Regierungen heute erheblich mehr und wirksamere wirtschaftspolitische Interventionsmöglichkeiten zur Verfügung als damals. Wenn die Rezession sich weiter vertieft, werden vermutlich weitere und umfangreichere Konjunkturprogramme aufgelegt werden, die letztlich die Lage stabilisieren werden."(...)


das ist nun ein szenario, welches weitgehend den prognosen von leap und anderen entsprechen würde. und während ich das - leider - für weitgehend realistisch gezeichnet halte, finde ich die gründe des autors, die er für das nichteintreffen anführt, nicht fundiert. erstens sind die aktuellen meldungen und daten aus ländern wie china (s.u.) und auch brasilien alles andere als positiv (wenn man denn "wachstum" noch als positiv begreifen will); zweitens aber werden dynamische rückkoppelungseffekte, wie sie bspw. peak oil in einem eventuellen "aufschwung" bewirken würde, überhaupt nicht berücksichtigt. drittens werden auch die bereits jetzt vorhandenen und sich tag für tag verschärfenden verwerfungen im sozialen mit ihrem immer wahrscheinlicher werdenden übergreifen auf das sog. "politische" (s.u. das beispiel großbritannien) ebenfalls nicht gesehen. desweiteren wird bei den nicht zitierten zugehörigen gründen der als-ob-charakter besonders der jüngsten bank"gewinne" nicht als solcher wahrgenommen, und das erscheint mir bei einem autor dieses kalibers schlicht unverständlich. was ist also sein drittes szenario?

(...)"Aus diesen Gründen erscheint mir ein drittes Szenario am realistischsten. Die Krise wird zunächst anhalten und sich möglicherweise noch vertiefen, ohne jedoch in einen Absturz überzugehen. Sie mündet dann in eine Stagnationsphase ein, die nach einigen Jahren von einem schwachen Aufschwung abgelöst wird, in dem die fälligen und unverzichtbaren Ersatzinvestitionen die Führung übernehmen. Der weitere Anstieg der Arbeitslosigkeit wird – auf hohem Niveau – gestoppt. Für die Finanzmärkte geht das Szenario davon aus, daß die Unternehmen eine Wiederholung der spekulativen Exzesse der vergangenen Jahre in mittlerer Frist vermeiden. Möglicherweise werden auch die sehr bescheidenen Ergebnisse des G-20-Gipfels vom April 2009 in London dazu beitragen, hemmungslose, abenteuerliche und betrügerische Finanzakrobatik zurückzudrängen."(...)

neben einer überbewertung der handlungsfähigkeiten der "g20"-staaten (die sich allesamt im widerspruch zwischen gemeinsamen interesse an der erhaltung des status quo bei gleichzeitigem innerkapitalistischen konkurrenzgerangel befinden), muss ich hier nochmals die nichtberücksichtigung der diversen schon sichtbaren rückkoppelungseffekte kritisieren - eine weltweite und anhaltende erwerbslosigkeit auf hohem niveau - drastischer als heute, mit allen zugehörigen wirkungen - muss zu immensen sozialen verwerfungen führen, auf die sich die "eliten" - wie in vergangenen news aufgezeigt - bereits mit ihren repressionsapparaten vorbereiten. soziale destabilisierungen im globalen maßstab aber werden neben den auswirkungen von peak oil und anderen ressourcenknappheiten jeden noch so schwachen "aufschwung" gründlich und rasch abwürgen, mit jeweils weiteren eskalierenden rückkoppelungseffekten.

insgesamt ein schönes beispiel dafür, was bei der konstruktion einer "rein ökonomischen" struktur ohne einbettung in die gesamte menschliche realität so herauskommen kann. allerdings enthalten die szenarios trotzdem durchaus reale kerne, über die sich wie gesagt zu reden lohnt.

*

china gilt - aus gründen, die bei näherer betrachtung durchaus mehr als fragwürdig sind - inzwischen ironischerweise für das globale kapitalistische system als eine art hoffnungsträger; das wachstum dort incl. der unterstellten konsumbegehrlichkeiten der dortigen milliarden menschen soll für eine weitere phase als motor der globalen ökonomie fungieren. aus sicht des sog. westens möglichst ohne größere veränderungen im globalen politischen machtsystem, was ich als erste unwahrscheinliche annahme betrachte. die zweite wird im folgenden ausgeführt, und hat selbst bei berücksichtigung des oppositionellen charakters der gleich zitierten positionen durchaus mehr
realitätsgehalt , als ich der pseudo"kommunistischen" diktatur in ihren verlautbarungen zutraue:

(...)"Ein jüngster Bericht zeigte, dass die Kapazität der chinesischen Wirtschaft, wieder auf die Beine zu kommen, nicht so groß ist, wie erwartet. Im vierten Quartal des letzten Jahres lag das vierteljährliche Wachstum fast bei Null. Im Februar dieses Jahres sank Chinas Export um 26 Prozent. Dieses hat einige Experten zu der Vermutung kommen lassen, dass nicht die Länder mit der höchsten Konsumrate, wie die Vereinigten Staaten und Großbritannien die wahren Opfer der globalen Finanzkrise sind, sondern eher Länder mit Überproduktion wie China. Cheng weist darauf hin, dass die „Statistiken", die verwandt werden, um Chinas Wirtschaft zu beurteilen, von Chinas National Bureau of Statistics herausgegeben werden und dass es auf Grund des autoritären Systems der KPCh nichts anderes tun kann, als mit der Täuschungspropaganda der KPCh zu kooperieren, um die Illusion von Wohlstand zu erzeugen.

Cheng Xiaonong sagte im Radio Sound of Hope: „Das National Bureau of Statistics ist das Sprachrohr der Regierung. Alle Daten, die das Büro heraus gibt, sind nur für Propagandazwecke bestimmt. Daten, von denen man annehmen muss, dass sie der Regierung schaden könnten, werden nicht herausgegeben oder sie werden manipuliert und dann als falsche Daten veröffentlicht. Unter diesen Umständen ist es sehr schwierig für das chinesische Volk zu erfahren, welche Probleme tatsächlich in der chinesischen Wirtschaft bestehen. Darum hat auch die große Mehrheit der Ausländer, die diese Daten beobachten, einen positiven Eindruck von Chinas Wirtschaft. In vielen Fällen sind solche Eindrücke durch die KPCh verstärkt worden, indem sie falsche Daten angibt, um die wahren Daten zu verbergen."

Cheng glaubt, dass man die Wahrheit über die chinesische Wirtschaft nicht herausfinden kann, wenn man sich auf die offiziellen Daten verlässt, die durch die KPCh herausgegeben werden. Der Grund, warum die chinesischen Behörden in höchsten Tönen von Vertrauen in die Wirtschaft des Landes reden, ist darin zu suchen, dass die KPCh die Medien kontrolliert, die öffentliche Meinung regelmäßig manipuliert und immer wieder falsche Informationen durch die Propaganda der Regierung verbreitet, um die ganze Welt zu täuschen."(...)


das dargelegte sollte erstens nun so überraschend nicht sein; zweitens sollten wir uns aber einmal fragen, ob sich die mediale propaganda hierzulande eigentlich strukturell wirklich von der chinesischen variante so grundlegend unterscheidet.

als sehr entscheidend für die weitere entwicklung der krise nicht nur in china, sondern letztlich auch global, wird von vielen die reaktion der abermillionen von wanderarbeiterInnen auf die situation gesehen. einen
eindruck der diesbezgl. aktuellen lage vermittelt die folgenden interviewauszüge:

(...)"Kommt es jetzt häufiger zu Protesten?

Im Herbst wurden wegen der geringeren Exporte die ersten Fabriken dichtgemacht, bis März dieses Jahres verloren geschätzt 20 Millionen Wanderarbeiter ihren Job. Seither gab es eine Zunahme von Protesten und Streiks.

Protest und Widerstand hat es auch schon früher gegeben, was hat sich mit der Krise geändert?

Die Krise hat eine neue Situation geschaffen. Bisher herrschte in einigen Industriezonen Mangel an Arbeitskräften, selbst Ungelernte waren gefragt. Das ist vorbei, die Menschen lernen Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung kennen. Es geht bei Protesten jetzt häufiger um die Auszahlung von Lohnrückständen und Abfindungen bei Entlassungen. Aber die meisten Probleme in den Betrieben und Wohnheimen gibt es schon seit langem: miese Arbeitsbedingungen, Nichteinhaltung der Arbeitsgesetze, Streß und Langeweile, Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle, beengte Wohnverhältnisse, schlechtes Essen, Disziplinierungen und Geldstrafen, Managerwillkür, Korruption.

Wie wird die Krise unter den Wanderarbeitern in China diskutiert?

Sie hatten bisher schon mit der alltäglichen Krise zu kämpfen, in Fabriken, auf Baustellen, in Haushalten. Auf den Einbruch der weltweiten Krise waren sie nach Jahren des Booms, in denen sie immer wieder einen Job gefunden haben, nicht vorbereitet. Wenn sie entlassen werden oder wenn Manager Abfindungen unterschlagen und Lohnrückstände nicht auszahlen, reagieren die Wanderarbeiter wütend. Immer wieder eskalieren die Auseinandersetzungen, werden Straßen blockiert oder Autos umgekippt. Aber mir wurde auch von Arbeitern berichtet, die ihre Lohnkürzung oder den Ausfall von Überstunden – und damit eines Teils des Lohnes – mit einem Schulterzucken akzeptieren. Viele interessieren sich wenig für die Hintergründe der Krise.(...)

Nicht alle entlassenen Wanderarbeiter gehen zurück in ihre Herkunftsorte. Was passiert, wenn sie in den Städten bleiben?

Es hat bisher keine soziale Explosion in den Städten gegeben, aber wenn die Krise anhält, noch mehr Leute ihre Arbeit verlieren und längere Zeit kein Einkommen mehr haben, könnte sich die Situation zuspitzen. Die Regierung selbst beschwört immer wieder diese Gefahr und versucht, die Lage durch Versprechungen und Drohungen im Griff zu behalten."(...)


das macht den eindruck, als könne sozusagen das pendel (noch) zur einen oder anderen seite hin ausschlagen. dabei werden aber neben den "rein" ökonomischen bedingungen eben auch die prozesse innerhalb der gruppe der wanderarbeiterInnen und auch die reaktionen der regierung eine ebenso relevante rolle spielen.

als letztes dazu noch einer der empfehlenswerten basisberichte von
wildcat, zwar schon aus dem februar, aber immer noch mit etlichen wichtigen fragen.

*

ein kurzer, aber aussagekräftiger blick zum asiatischen nachbarn chinas, nach
japan - die querschüsse legen einen geradezu verheerenden ökonomischen absturz dar:

"Die japanische Wirtschaft schrumpft im 1. Quartal 2009 um die höchste jemals gemessene Rate seit dem 2. Weltkrieg! Sie brach im Vergleich zum Vorquartal um -4,0% ein und im Vergleich zum Vorjahresquartal um -9,1%! Saisonbereinigt und auf das Jahr hochgerechnet (SAAR) brach nach Angaben des japanischen Cabinet Office die Wirtschaftsleistung sogar um -15,2% ein!(...)

Japan ist eine stark exportorientierte Wirtschaft, deshalb trifft der Einbruch des Welthandels Japan besonders stark. Der schlechte Export schlug mit -26% zum Vorquartal und um unfassbare -70,1% (SAAR) im BIP zu Buche! Aber auch die heimische Nachfrage schwächelt gravierend, die privaten Konsumausgaben sanken um -3,4% zum Vorquartal und um -12,8% auf das Jahr hochgerechnet.(...)

In Folge der Finanzkrise bricht die japanische Realwirtschaft unvergleichbar ein und auch dort verpuffen die umfangreichen Liquiditäts- und Kreditprogramme der Notenbank und das Konjunkturpaket des Staates weitestgehend wirkungslos. Sie sichern weder Wachstum, noch Jobs und können auch nicht die weggebrochenen Exporte kompensieren!"


dem ist nichts hinzuzufügen. ausser vielleicht die frage, inwieweit japan als eine art modell für die entwicklung von hochindustrialisierten kapitalistischen staaten angesehen werden kann.

*

die letztgenannte frage ist dabei meiner meinung nach selbst unter berücksichtigung der relevanten und diversen unterschiede zwischen ländern und regionen zulässig, weil sich die strukturen der kapitalistischen ökonomie überall angeglichen haben. so auch in spanien, welches allgemein als eines der hauptbetroffenen länder in (west-)europa angesehen wird. dafür ist es bisher dort vergleichsweise erstaunlich ruhig geblieben, die ausnahmen sind in vergangenen news nachzulesen. eine gewisse brisanz dürfte aber für die spanischen "eliten" darin liegen, dass jetzt - als erste region - ausgerechnet das
baskenland krisenbedingt in bewegung gerät:

"Der gestrige Donnerstag war kein Feiertag im Baskenland. Trotzdem standen viele Räder still: Sechs linksnationale Gewerkschaften hatten in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) und in der Foralen Gemeinschaft Nafarroa (Navarra) zum Generalstreik aufgerufen – ein Ereignis, das es seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 nicht mehr gegeben hatte. Die in den linksbaskischen Gewerkschaften organisierten Arbeiter gingen auf die Straße, um gegen die Madrider Wirtschaftspolitik sowie für einen sozialen und politischen Wandel zu demonstrieren.

Das hochindustrialisierte Baskenland bekommt die Folgen der Wirtschaftskrise besonders hart zu spüren. Im Februar lag die Arbeitslosenquote bei elf Prozent, die Zahl der Kurzarbeiter und Arbeitslosen wird laut Prognosen in der CAV bis 2010 um 33000 Betroffene ansteigen.(...)

Der ELA-Chef und seine Kollegin Ainhoa Etxaide von den linksnationalen Arbeiterversammlungen (LAB) werteten den Generalstreik als einen »Erfolg«. Vor allem in den ländlichen Regionen der Provinzen Bizkaia und Gipuzkoa wurde er weitgehend befolgt. Sogar der öffentlich-rechtliche Fernseh- und Radiosender der Autonomen Gemeinschaft, EiTB, beteiligte sich, indem er lediglich sein Nachrichtenprogramm aufrechterhielt und sonst nur ältere TV-Dokumentationen sowie Musik sendete.

Allerdings hatten die Regionalregierungen der CAV und Nafarroas vor Gericht durchgesetzt, daß in Hospitälern und im öffentlichen Nahverkehr mindestens 30 Prozent der »normalen Arbeit gewährleistet« sein müßten. An den Schulen und Bildungseinrichtungen durfte überhaupt nicht gestreikt werden. Dort, wo Arbeiter versuchten, Busdepots zu blockieren, griffen Prügelbrigaden der Polizei ein. Es kam zu Verhaftungen wegen »Widerstands gegen die Staatsgewalt«.(...)


die mixtur aus quasi schon "gewohnheitsmässig" vorhandener politischer unruhe mit den zunehmend spürbarer werdenden krisenfolgen könnte dort vielleicht in naher zukunft ähnliches wie in griechenland bewirken - eine breite soziale revolte. nur so ein gedanke.

*

wie sich die "eliten" die zutaten für die eben erwähnte mixtur selbst herstellen, macht dieser tage ein blick nach großbritannien deutlich - aus dortiger elitärer sicht könnte das motto auch lauten "alles, was schiefgehen kann, geht auch schief" - und zwar verdientermaßen. die rede ist von einer ausgewachsenen krise des politischen systems dort, welche als
"spesenskandal" begann - eine art von skandal, der ausgerechnet in der krise die meisten bewohnerInnen der insel in die haltung "not amused" geraten lässt:

(...)"Wohl niemandem im ganzen Land ist entgangen, in welchem Ausmaß die 646 Unterhausabgeordneten ihren Job als Selbstbedienungsladen benutzt haben, mit Spesenabrechnungen von insgesamt 490 Millionen Pfund (600 Millionen Euro) in den vergangenen acht Jahren. Es passt ins Klischee, wenn ein englischer Konservativer der Staatskasse 2.200 Pfund zur Reinigung des Wassergrabens rund um seinen Landsitz in Rechnung stellt und ein Labour-Schotte eine Aldi-Plastiktüte für fünf Pence. Aber es geht auch um systematischen Betrug, beispielsweise mit Modernisierungskosten für Häuser, die dann gewinnbringend verkauft wurden. Kein Tag vergeht, ohne dass irgendein Beschuldigter kleinlaut Geld zurückzahlt, seinen Posten verliert oder auf die Wiederaufstellung zu den nächsten Wahlen verzichtet.

Bei den Kommunal- und Europawahlen am 4. Juni könnte sich der öffentliche Unmut in einen beispiellosen Denkzettel verwandeln. Von zweistelligen Ergebnissen für rechtsradikale Protestparteien, einem Absturz Labours unter 20 Prozent bis zu einer massiven Wahlenthaltung reichen die Spekulationen, eventuell auch alles zusammen. Für den Zustand der Politik werden Vergleiche mit der Weimarer Republik vor dem Aufstieg der Nazis gezogen, für den Zustand der Öffentlichkeit Vergleiche mit dem Volkszorn gegenüber der Queen nach dem Tod Prinzessin Dianas 1997. Es scheint, als durchlebe das Land eine seiner periodisch wiederkehrenden Selbstzweifel, wo alles Bestehende und Beständige plötzlich aussieht wie Schall und Rauch und zu verschwinden droht.

Ohnehin haben die Unbeliebtheit der Labour-Regierung und die Finanz- und Wirtschaftskrise das öffentliche Vertrauen in die Institutionen schon vorher schwinden lassen. Der Volkszorn, der sich heute gegen Parlamentarier richtet, zielte noch vor wenigen Monaten auf Banker als Symbole ruinöser Arroganz auf Kosten der anderen. Das Gefühl, ein grundsätzlicher politischer Wandel sei überfällig, ist in dem Maße gewachsen, wie die Politik sich gegenüber der Krise als nur bedingt handlungsfähig erwiesen hat. Wenn sich dann noch die Politiker so raffgierig zu benehmen scheinen wie die Banker, ist das Bild komplett, und zwar komplett düster.

Die Krise des Parlaments ist dabei mehr als die Krise einer Institution. Es ist eine Krise der politischen Repräsentation."(...)


die "eliten" benehmen sich nicht nur dort ausser rand und band, ihre antisoziale und geradezu widerwärtig verhöhnende haltung giesst zwangsläufig noch öl ins feuer. weiteres entnehmen Sie demnächst den täglichen nachrichten - ich kann mir nicht vorstellen, dass eine derartige selbstoffenbarung der gesamten "politischen klasse" eines landes ohne gravierende folgen bleiben wird.

*

in aller kürze - das krisentelegramm + nochmal die querschüsse mit ganz frischen
zahlen zur erwerbslosigkeit in den usa. das sieht weiterhin nur desaströs aus, und führt zur frage, wann und ob sich aus all diesen freigesetzten eine kritische masse bildet + wie in vergangenen news häufig thema, finden in griechenland seit der sozialen revolte des dezembers quasi ständig anschläge in einem ausmaß statt, dass ich meine these von einer art der fortsetzung der massenrevolte auch in form der klassischen stadtguerilla zumindest teilweise bestätigt sehe - sprengstoffanschläge auf banken finden ebenso statt wie auf investmentgesellschaften oder auch brandanschläge auf supermärkte (alles aus den letzten tagen). die sprachliche mehrzahl benutze ich schlicht deshalb, weil es sich tatsächlich um ganze anschlagsserien handelt + um "eliten" ausser rand und band zu erleben, muss man nicht erst nach great britain schauen: Manager beschweren sich bei Merkel - und worüber? "In dem Brief bringen die zwölf Aufsichtsratsvorsitzenden ihr Missfallen darüber zum Ausdruck, «dass die Diskussion über Managergehälter ein falsches Bild der wirtschaftlichen Verantwortungsträger reflektiert». Die entsprechenden Pläne der Koalition seien unzulänglich, da sie «die Vertragsfreiheit der Unternehmen stark einschränken«. ach? na, da merken wir uns doch gleich mal die namen der unterzeichner: "Neben Cromme bringen in dem Schreiben auch Ulrich Hartmann (E.ON), Martin Kohlhaussen (Hochtief), Gerd Krick (Fresenius), Joachim Milberg (BMW), Manfred Schneider (Bayer, Linde und RWE), Gunter Thielen (Bertelsmann), Eggert Voscherau (BASF) sowie Albrecht Woeste (Henkel) ihren Protest zum Ausdruck." wie üblich eine höchst ehrenwerte gesellschaft also +

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um nochmal zum anfang zu gehen: was passiert mit all den (virtuellen) blasen und ballons voller konstrukte in der realität? richtig: sie platzen entweder von selbst, oder aber werden zum platzen gebracht. und gerade mit ausdrücklicher betonung der letzten worte möchte ich mich für heute verabschieden.


Sonntag, 10. Mai 2009

notiz: allerlei liegengebliebenes (autismus, oxytocin, kriegstraumata wk2)

wieder eine art kurzer medienrundblick mit blogrelevanten themen - auch, wenn der schwerpunkt absehbar bis auf weiteres auf der eskalierenden systemkrise liegt, so möchte ich doch bereiche, die aus meiner sicht durchaus ebenfalls etwas mit der krise zu tun haben (und seien es noch so verschlungene zusammenhänge) nicht total vernachlässigen.

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beginnen wir mal wieder beim autismus - ganz aktuell gibt´s da alt-neue
forschungsergebnisse:

"Autistische Störungen sind offenbar zumindest teilweise genetisch begründet. Forscher haben jetzt verräterische Erbgutvariationen identifiziert, die der Grund für Probleme bei der Signalübermittlung zwischen Nervenzellen sein könnten.

London - Ein Autismus-Gen haben die Wissenschaftler um Hakon Hakonarson vom Kinderkrankenhaus in Philadelphia nicht gefunden. Und doch gelang ihnen eine interessante Entdeckung: Sie deutet darauf hin, dass Autismus in den Genen liegen könnte.(...)

"Viele der Gene, die wir identifizierten, konzentrieren ihre Wirkung in Hirnregionen, die sich bei autistischen Kindern ungewöhnlich entwickeln", sagt Hakon Hakonarson von der University of Pennsylvania, der die beiden in "Nature" veröffentlichten Studien geleitet hat. "Zusammen mit anatomischen und bildgebenden Untersuchungen deuten unsere Resultate darauf hin, dass Autismus ein Problem neuronaler Fehlverbindungen ist." Eine dritte Studie, die in der Zeitschrift "Human Genetics" erschien, kommt zu weitgehend identischen Schlüssen.

Rund 15 Prozent aller autistischen Störungen ließen sich höchstwahrscheinlich auf die SNPs zurückführen, schätzen Hakonarson und sein Team."(...)


zu den (falschen) assoziationen, die aus der auch aus meiner sicht wahrscheinlichen interaktion von genen mit anderen faktoren bei der entstehung autistischer zustände regelmäßig entstehen (und auch medial gefördert werden, verweise ich einfach mal auf einen passenden
kommentar aus einer älteren diskussion. und natürlcih auf die bücher von joachim bauer, die auch in der literaturliste vorhanden sind. genetische einflüsse lassen sich nur in ganz seltenen fällen monokausal interpretieren. das ist bei solchen meldungen wie der obigen immer zu beachten.

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zur folgenden
meldung möchte ich mir (fast) jeden kommentar verkneifen...

"Ein europäisches Forscherteam hat einen Roboter entwickelt, der autistische Kinder spielerisch aus ihrer Isolation locken soll. (...) Der noch namenlose Prototyp soll im Herbst durch ein Serienmodell abgelöst werden, das an Schulen und therapeutische Einrichtungen verkauft werden soll. Die Europäische Kommission hatte das Forscherteam dafür im Projekt IROMEC (Interactive RObotic social MEdiators as Companions) mit 3,2 Millionen Euro ausgestattet.(...)

Jungen wie Mädchen wurden in Bewegung versetzt, folgten dem Gerät und fassten es an. Die Forscher haben verstärkt nonverbale Kommunikation beobachtet: Die Kinder nahmen sich an die Hand, lachten, klatschten und tauschten Blicke aus.

Von einem therapeutischen Nutzen will Kronreif jedoch partout nicht sprechen, obwohl die britischen Projektpartner genau das zum obersten Ziel erklären und längst den Begriff eines „Therapie- und Bildungsroboters“ verbreiten. Ihrer Meinung nach soll das Spielzeug die Entwicklung der Kinder beschleunigen.(...)

Im Sommer bekommt der Roboter noch zwei Arme. Dann sollen Imitationsspiele einstudiert werden, die sich bei Kaspar bewährt haben. Die Maschine winkt, der Mitspieler winkt zurück, beide klatschen abwechselnd. Nachahmen gilt als zentrales Element des Lernens – und insbesondere autistischen Kindern fällt es leichter, einen Roboter zu imitieren als einen Menschen."(...)


...bis auf eine einzige frage zum letzten zitierten satz: was lernen diese kinder bei der imitation eines roboters tatsächlich?

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das hormon (oder auch neuropeptid) oxytocin war bereits öfter thema, zb.
hier, nun gibt es ein relativ ausführliches interview, welches den aktuellen wissensstand ganz gut zusammenfasst:

(...)Heinrichs: Was wir bis jetzt sehen, und das ist so oft repliziert worden weltweit, dass wir sagen können, es reduziert eindeutig - und zwar bei gesunden Personen zunächst mal - eindeutig Angst, es reduziert die Aktivierung einer Hirnstruktur, die Amygdala, der Mandelkern, die die Angst vermittelt, es reduziert die Stresshormone und es macht sozialen Kontakt belohnender im Gehirn. Deswegen ist natürlich die Hoffnung groß, dass es das Gleiche auch macht bei Patienten, die da die Probleme haben. Nur diese Studien sind noch nicht abgeschlossen. Deswegen denke ich, der Analogieschluss, zu sagen, es funktioniert beim Tier, es funktioniert beim gesunden freiwilligen Probanden, also hilft es auch Patienten, das dürfen wir noch nicht tun, da müssen wir sicherlich die Geduld haben und noch die klinischen Versuche abwarten.

Scholl: Wie sehen Ihre konkreten Forschungen, Experimente auf dem Gebiet derzeit aus?

Heinrichs: Wir machen derzeit an diesen drei Patientengruppen oder Störungsgruppen Untersuchungen, das heißt Kombination Psychotherapie, Oxytocin bei sozialer Phobie, bei Borderline-Persönlichkeitsstörung und auch bei Autismus bzw. einer Unterform des Autismus."(...)


bin sehr gespannt, was da am ende rauskommt - zumal die bedeutung und funktion von oxytocin für unsere zwischenmenschlichen beziehungen nicht mehr ernsthaft bestritten werden kann.

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und noch ein thema, welches bereits von verschiedenen seiten im blog beleuchtet wurde, stellt das schicksal der
kriegskinder des 2. weltkriegs dar; und nicht nur in deutschland dürfte die trangenerationale vermittlung der damals entstandenen traumata bis heute einen relevanten gesellschaftlichen einfluß ausüben (der womöglich auch beim umgang mit der aktuellen krise wirksam ist):

(...)"Die letzten Zeitzeugen, damals Kinder, werden alt, sie erinnern sich nun, im Alter, an lange Verschüttetes, und in jedem kollektiven Datum verdichtet sich nun die Erfahrung von Einzelnen, die nicht mehr lange da sein werden. Für die Vierzigjährigen rückt der Abschied von den Eltern näher: von denen, deren Erziehung zumeist noch von der Härte des Nationalsozialismus geprägt war, deren Eltern zur Generation der Täter gehörten, die als Kinder den Krieg, die Kriegsfolgen am eigenen Leibe erfuhren, die dann oft, nur schlecht ausgebildet, unbefriedigende Existenzen führten. Die Erinnerung hat es nicht mehr sehr lange mit ihrer primären Erfahrung zu tun."(...)

in dem artikel werden diverse neue bücher zum thema aus verschiedenen europäischen ländern vorgestellt, die allesamt hoch interessant klingen - ein lesetipp mit lesetipps sozusagen.

Montag, 4. Mai 2009

notiz: krisennews und -gedanken (34) ["da ist musik drin"]

um inmitten der kleinen reihe zum hiesigen umgang mit der krise nicht zu vergessen, worum es eigentlich geht. und dazu gibt´s heute viel krisenhaftes liedgut, von electro über folk und blues bis hip hop...
  • global: noch mehr fragmente zum wesen und verlauf der krise
  • krisensongs I: roboZ "schön blöd"
  • italien /global: die mafia wird zum krisengewinner
  • krisensongs II: leveraged sell-out "Damn It Feels Good to be Banker -- A Wall Street Musical"
  • asien: regierungen warnen vor sozialen unruhen in der ganzen region
  • krisensongs III: angie & hans "nix gibt´s"
  • frankreich: rund um den ersten mai
  • krisensongs IV: n.n. "give it to me" bailout rap
  • türkei: rund um den ersten mai
  • krisensongs V: rob vegas "finanzkrise"
  • global: kinder gehören überall zu den ersten krisenopfern
  • krisensongs VI: mbird "financial meltdown rap"
  • in aller kürze: acht thesen zur krise / "scheiss-streik" im deutschen pflegegewerbe / eu erwartet "schlimmere rezession als angenommen" in europa / "unternehmer warnen vor linken unruhestiftern"
  • krisensongs VII: skinnerla "finanzkrisenblues"
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vor längerer zeit habe ich schon mal einen
versuch gemacht, überblickartig aus verschiedenen ecken theoretisches & analytisches zur gestalt und dem weiteren verlauf der krise zusammenzutragen. und das soll heute fortgesetzt werden.

beginnen möchte ich dabei mit einem
artikel von tomasz konicz, der bereits vor ein paar wochen bei telepolis erscheinen ist und weiterhin mit zum besten gehört, was ich bisher in diesem jahr an tiefergehenden analyseversuchen zur krise gelesen habe. "kein boden in sicht" ist dabei zugleich überschrift, zustandsbeschreibung, fazit und prognose auf einmal:

(...)"Wir können nun den Charakter der gegenwärtigen Krise bestimmen: Es ist eine in den Widersprüchen der marktwirtschaftlichen Warenproduktion zu verortende Systemkrise, die nun voll ausbricht und zu dem Einbruch der Massennachfrage, und folglich des Handels und der Industrieproduktion führt.

Was bedeutet dies für den Krisenverlauf, für die Tragweite dieses ökonomischen Weltmarktbebens? Der mit voller Wucht einsetzende selbstzerstörerische Prozess hat keine objektive Grenze, sondern kann durch eine positive Rückkopplung immer weiter an Wucht gewinnen. Der Teufelskreis aus sinkender Nachfrage, fallender Industrieproduktion und erneuten Massenentlassungen, die wiederum die Massennachfrage senken, erfährt ein Ende im ökonomischen Kollaps – oder seiner Überwindung auf höherer gesellschaftlicher Organisationsebene.

Eine dunkle Ahnung davon, dass es bei dieser Krise überhaupt keinen "Boden" geben könnte, sondern nur einen immerwährenden Fall, haben auch die intelligenteren Vertreter der globalen Wirtschafts- und Finanzelite."(...)


der alte witz vom berühmten licht am ende des tunnels, welches alle paar wochen gerne als beobachtung aus den schaltzentralen der politischen und ökonomischen "eliten" heraus zwecks weiterer sedierung verkündet wird und sich dann doch nur wieder als (irr-)licht des gegenzugs entpuppt, hat sich in den letzten monaten angesichts der beschriebenen sachlage schon verdammt abgenutzt. auch andere autoren gelangen zu einem ähnlich
vernichtenden fazit, in diesem fall aus dem blickwinkel österreich, wobei das verhalten der dortigen kapitalisten sich nicht von anderen orten unterscheidet:

(...)"Eines jedenfalls ist sicher: Es wird schlimmer kommen.

Eine Welle der Massenarbeitslosigkeit baut sich auf. Zugleich hat der Staat enorme Schulden angehäuft. Noch dazu werden die Ausgaben für Sozialleistungen steigen, seine Einnahmen aber drastisch reduziert. Dies umso mehr, als er Vermögen und Profite praktisch nicht mehr besteuert. Bei rückläufigen Masseneinkommen sieht es für seine Kassen demnach äußerst düster aus.

Angesichts dieser Entwicklungen ist die herrschende Klasse in Politik und Wirtschaft zynisch bis naiv. Magna verordnet bereits Lohnverzicht und erfrecht sich, dabei von “Solidarität” zu faseln. Einer seiner Oberbefehlshaber ist sogar so dreist und meint, Magna hätte ja auch die Profite “geteilt” - nun müsse also auch die Belegschaft “Solidarität” beweisen.

Die Lohnabhängigen haben Angst. Das treibt sie teilweise dazu, den Lohnverzicht zu akzeptieren. Dieser Weg ist mit Sicherheit fatal.

Denn diese Krise ist keine, die 2010, 2011 oder 2012 überwunden ist.

Der ganze unvorstellbar ausgedehnte Finanzüberbau der “Realwirtschaft”, der sich seit mehr als 20 Jahren auf dem Rücken der Lohnabhängigen aufgetürmt hat, bricht ein. Bis jetzt auf Raten, bald vielleicht in Gestalt eines Erdrutschs im Finanzsystem. Danach wird nichts mehr sein wie früher.

Staatsbankrotte drohen am Horizont. Unmengen fauler Kredite, derzeit notdürftig durch staatliche Monstergarantien und illusionsgedeckte Finanzspritzen in einer prekären Agonie gehalten, verwesen vor sich hin. Wenn irgendwo ein zentrales Glied der kreditären Ketten reisst, dann ist der Sog in die Tiefe kaum mehr zu stoppen. Das beste Szenario, das der Kapitalismus uns noch zu bieten hat, sind Massenarmut, Apathie und Stagnation.

Es gibt keine Möglichkeit mehr, dieses System so zu reparieren, dass etwas Annehmbares dabei herauskommt."(...)


dem bleibt nichts hinzuzufügen, und das bereits ohne berücksichtigung der krisenkaskade mit peak oil, klimawandel, wasserknappheit und co., in die wir meiner meinung nach mit dieser ökonomischen krise unwiderruflich eingetreten sind. und zu einem speziellen aspekt der letzteren haben die
querschüsse neulich festgestellt:

"Eine der wesentlichen Ursachen der heutigen Finanz- und Wirtschaftskrise ist die totale Überschuldung aller Bereiche der Gesellschaft. In den USA wird nicht nur die Schere zwischen Gesamtverschuldung und Bruttoinlandsprodukt immer größer, auch das Missverhältnis zwischen Schulden und Einkommen wird immer größer. Fehlende Wertschöpfung und Einkommen wurden durch eine exzessive Kreditausweitung und Spekulation ersetzt!

Die folgenden Charts verdeutlichen auch, dass alle Versuche von Staat und Notenbanken den heutigen Status Quo zu erhalten - letztlich zum Scheitern verurteilt sind! Es wird nur ein unhaltbarer Kreditzyklus mit verzweifelten Aktionen etwas weiter verlängert!"(...)


wobei ich ergänzen würde, dass die allgemeine und globale überschuldung letztlich nur ein symptom einer entwicklung darstellt, auf die besonders im artikel von tomasz konicz genauer eingegangen wird. an der grundsätzlichen krise würde deshalb selbst eine konsequente und globale entschuldungspolitik (von der weder klar ist, wer sie durchführen sollte noch, wer sie überhaupt ernsthaft wünscht) nicht mehr zu ändern vermögen. game over.

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bisher ist mir entgangen, dass die krise immerhin auf viele menschen künstlerisch inspirierend zu wirken scheint, und eine sammlung musikalischer fundstücke möchte ich deshalb den leserInnen nicht vorenthalten - los geht´s mit einem motto, welches momentan eigentlich breit in allen strassen und städten hierzulande plakatiert werden sollte - "schön blöd" von den roboZ schafft es sogar, viele mehr oder weniger gute inhalte rüberzubringen, selbst wenn man die unvermeidbare plakative verkürzung von songtexten berücksichtigt.



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im januar hatte ich in den news nr. 19 einen kurzen hinweis einer uno-organisation kommentiert, dass es hinweise darauf gäbe, dass bei sog. interbankengeschäften seit beginn der offenen krise in größerem umfang auch gelder aus "drogenhandel und anderen illegalen aktivitäten" zwecks überbrückung von liquiditätsengpässen genutzt werden. nun sind die verstrickungen von mafia und co. in die globale ökonomie sowie die strukturell bedingten fließenden grenzen zwischen "legalen" und "illegalen" geschäften grundsätzlich nix neues, aber es zeichnet sich etwas ab, was zum tieferen nachdenken anregen sollte:
Wirtschaftskrise lässt italienische Mafia kalt, und das ist eine untertreibung, wie der bericht deutlich macht (aus dem ich hier deshalb nicht weiter zitiere, weil es sich um eine meldung von "ap" handelt, also jener presseagentur, die sich gerade u.a. gegen blogger auf einem "copyright"-feldzug befindet). aber auch bei einer abgeordneten des italienischen parlaments (und vorsitzenden eines dortigen anti-mafia-ausschusses) lässt sich bspw. lesen:

(...)"Die Mafia ist einer der Gewinner der aktuellen Wirtschaftskrise. Während in der legalen Wirtschaft das Geld knapp ist, verfügt die Organisierte Kriminalität über ausreichend Liquidität. Dies führt nach Erkenntnissen der Antimafia-Ermittler in Italien dazu, dass sich immer mehr, vor allem kleinere Unternehmer Geld aus mafiösen Quellen leihen, um über die Runden zu kommen. Auch beim Bau der Infrastrukturmaßnahmen für die Expo in Mailand steht die Mafia in den Startlöchern, um legale Konkurrenz aus dem Weg zu boxen und Millionen zu verdienen."(...)

es gibt seit letzten herbst bereits so derart viele hinweise auf die organisiert-kriminelle "natur" auch schon vorher als ganz "normal" angesehener "geschäfte" im internationalen rahmen, dass ich gerne die zukünftigen bewertungen von historikern in dieser frage sehen würde. ich denke, wir täuschen uns insgesamt über den tatsächlichen einfluß der (als solches definierten) ok in dieser krise in der hinsicht, dass er unterschätzt wird. wobei sich natürlich darüber diskutieren lässt, ob sich nicht die zentralen institutionen der kapitalistischen ökonomie (u.a. banken und konzerne) insgesamt als "ok" begreifen lassen müssen.

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und die "weiße-kragen"-kriminalität in nadelstreifen ist auch das thema in folgendem kleinen "musical". "Damn It Feels Good to be Banker" - zumindest dieses gefühl sollte sich in naher zukunft grundlegend ändern.



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auch in asien wird jetzt der aktuelle
welthit von den sozialen unruhen gesummt:

"In Asien wächst die Furcht vor Unruhen in Folge der internationalen Finanzkrise. "Die Armut verschlimmert sich in vielen Ländern, Unternehmen straucheln", sagte Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono zum Auftakt des Jahrestreffens der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) auf der indonesischen Insel Bali. Auch der extrem wichtige Kampf gegen den Klimawandel könnte sich verzögern. "Wenn all dies nicht unter Kontrolle gebracht wird, könnten am Ende in vielen Ländern soziale und politische Unruhen ausbrechen", sagte der Gastgeber vor Vertretern von 67 ADB-Mitgliedsländern, darunter Finanzminister und Zentralbank-Gouverneure."(...)

und das dürfte bei den vielfältigen realitäten in der region, geprägt von verschiedensten formen autoritärer herrschaftssysteme, teils krasser armut sowie religiösen spannungen, durchaus formen annehmen, die niemand sehen möchte.

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deutsches (weihnachts-)liedgut, neu und passend betextet von angie & hans - "nix gibt´s".



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und was tut sich gerade so in
frankreich, dessen arbeitender bevölkerung wir u.a. die wortschöpfung "bossnapping" verdanken?

"Die nahezu 300 Demonstrationen, die am 1. Mai in ganz Frankreich stattgefunden haben, waren Ausdruck der Zuspitzung der sozialen Konflikte, aber auch der Kampfbereitschaft der arbeitenden Franzosen."(...)

aha. das heisst konkret?

(...)"Die Losungen auf den Transparenten und die Sprechchöre der Maidemonstrationen machten deutlich, welch großes Echo beispielsweise die Aktionen der Beschäftigten von Continental oder Caterpillar hatten, die aus Sorge um ihre Arbeitsplätze sogar so weit gingen, ein Präfekturbüro zu verwüsten oder führende Manager für Stunden festzuhalten und so Verhandlungen zu erzwingen.

Von solchen spontanen und »gewalttätigen« Aktionen distanzieren sich die Gewerkschaften, wobei sie gleichzeitig Verständnis für die damit zum Ausdruck kommende Verzweiflung der Betroffenen zum Ausdruck bringen. Die Gewerkschaften müssen auf jeden Fall verhindern, dass die Rechtsregierung einen Keil zwischen sie und die kampfbereiten Arbeiter treiben kann. Paris lobt einerseits »die Besonnenheit und das Verantwortungsgefühl« der Gewerkschaftsführer, andererseits verurteilt die Regierung gewalttätige Aktionen als Werk »linksradikaler Agitatoren«. Das zielt vor allem auf die neue Antikapitalistische Partei unter Olivier Besancenot, deren Wirken überall im Land zu beobachten ist, wo Unternehmen geschlossen oder ins Billiglohnausland verlagert werden sollen. Für Mitte Mai hat die Partei einen spektakulären Sternmarsch von Arbeitslosen nach Paris geplant."(...)


und gerade das letztere nenne ich mal eine wirklich interessante aktion, bei der ich vermute, dass die vielfach auch hier im blog angesprochenen "mentalitätsunterschiede" zwischen france und deutschland in der hinsicht erneut deutlich werden, dass sich viele französische erwerbslose nicht so einfach als "selbst schuldig" in die buh-ecke der gesellschaft stecken lassen werden wie hierzulande. und auch das dürfte mit dafür verantwortlich sein, dass der öffentliche diskurs, der hier noch bei der bloßen möglichkeit sozialer unruhen steckt, dort schon
eine stufe weiter gediehen ist:

"Ein zweiter "Mai 68" wird aus dem Tag der Arbeit in Frankreich nicht entstehen. Aber die Stimmung im Land ist wegen der Wirtschaftskrise so gespannt, dass der frühere französische Regierungschef Dominique de Villepin doch eine "Revolutionsgefahr" heraufziehen sieht."(...)

aus seiner sicht ist das natürlich eine "gefahr". aber interessant ist das doch schon, dass rund um den planeten inzwischen seitens der "eliten" wöchentlich irgendwo das bild von unruhen und revolution gemalt wird. sind ihnen womöglich ihre eigenen schafsherden zu lethargisch? vermuten sie hinter der immer noch weitgehend vorherrschenden apathie irgendwelche finsteren vorgänge (die paranoia gehört bekanntlich zur elitären grundausstattung)? oder haben sie selbst unbewusst keinen plan und keine lust mehr, und möchten ihr ende mittels einer selbsterfüllenden prophezeiung beschleunigen? fragen über fragen.

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ein hübscher kleiner bailout-rap, könnte ein cover eines nelly-furtado-stücks sein:



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in der türkei hat der erste mai sozusagen aus tradition eine besondere bedeutung für die gesamte linke, war das doch speziell (aber nicht nur) in zeiten der diktatur meist ein blutiger und opferreicher tag. und so stand er in diesem jahr nicht nur im zeichen der krise, sondern primär im zeichen der
landesgeschichte:

"Die Feiern am 1. Mai in der Türkei sind zu einem historischen Moment für die Gewerkschaften des Landes geworden. Zum ersten Mal seit 28 Jahren ist der 1. Mai wieder ein Feiertag. Und zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren konnten sich wieder mehrere tausend Arbeitnehmervertreter am zentralen Taksim-Platz in Istanbul versammeln. Während die Feier friedlich verlief, fanden in der Umgebung heftige Auseinandersezungen zwischen Polizei und Demonstranten statt.

Nach der Erschießung von 36 Demonstranten am 1. Mai 1977 war der Taksim-Platz für Gewerkschafts-Demonstrationen gesperrt worden.

Diesmal gewährten die Behörden rund 5.000 Gewerkschaftern Zugang zu dem Platz, wo sie feierten, der Toten von 1977 gedachten und eine Bestrafung der Verantwortlichen für das damalige Blutbad forderten."(...)


ich würde ja behaupten, dass dieser umgang mit dem ersten mai seitens des staates keinesfalls aus plötzlich entdeckter zuneigung zu den gewerkschaften entstanden ist, sondern eher aus der einsicht, dass sich gerade in diesem jahr die übliche repressive behandlung der mai-demonstrationen zu einem massiven eigentor hätte entwickeln können. eine gewisse strategische und taktische intelligenz (der durchweg instrumentellen art) sollte man den "eliten" also auch dort nicht absprechen.

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rob vegas kurz, knapp und überzeugend mit "finanzkrise" - bisher mein heimlicher favorit in der reihe.



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es ist ja schon in "normalen" kapitalistischen zeiten realität gewesen, dass rund um die welt besonders kinder zu den leidtragenden des wahnsinnigen konkurrenzgerangels zählten - und so ist es auch nicht überraschend, wenn jetzt zum wiederholten male die feststellung verkündet wird, dass in zeiten der krise kinder erst recht die
arschkarte aufgedrückt bekommen werden:

(...)«Es sind vor allem die Kinder, die unter den Folgen des weltweiten Abschwungs leiden - in Afrika, in Indien, Pakistan, Bangladesch, China», sagte der Vorsitzende von UNICEF Deutschland, Jürgen Heraeus, der in Hannover erscheinenden «Neuen Presse» (Montagausgabe) laut Vorabbericht. Dort lebten viele Menschen von dem, was ihnen Familienmitglieder überweisen, die in Europa, den USA oder den Golfstaaten arbeiten.

Viele dieser Arbeitsplätze fielen jetzt weg, sagte Heraeus. Weltweit würden immer mehr Wanderarbeiter arbeitslos. «Es droht gerade in Asien ein Armutsproblem von dramatischen Dimensionen», sagte Heraeus.(...)


wie im blog in der vergangenheit öfter thematisiert (ebenfalls im obigen verlinkten artikel), existiert aber auch hierzulande eine inzwischen in die millionen gehende zahl von als arm zu bezeichnenden kindern, die erstens durch die krise weiter ansteigen wird, zweitens aber auch die bereits vorhandene armut regelrecht zementieren könnte. und dabei handelt es sich eigentlich um verbrechen, die wieder mal niemals vor einem gericht landen werden - solange sich eine mehrheit weiter mit dem bloßen (nicht-)betrachten dieser zustände zufrieden gibt.

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mbird erklärt uns in einem irgendwie lakonischen rap nochmals zusammengefasst der verlauf der krise in den usa - hier ist der "financial meltdown rap".



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in aller kürze - das krisentelegramm + ein nachtrag von wildcat -
acht thesen zur krise, die auf jeden fall für ausreichend diskussionsstoff sorgen sollten + schon was vom aktuellen scheiss-streik im pflegegewerbe gehört? nein? dann wird´s zeit - ich find´s eine angemessene aktion(sform) + ganz frisch kam vorhin das auf den monitor: "Die Rezession wird sich nach Einschätzung der EU-Kommission in Europa stärker auswirken, als bislang erwartet. In ihrer Frühjahrsprognose erwartet die Kommission für die Länder der Europäischen Union und der Eurozone einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um vier Prozent. Das sei doppelt so viel, wie bisher erwartet. Die Arbeitslosigkeit dürfte zugleich deutlich steigen. Europaweit sei in diesem und im kommenden Jahr mit dem Verlust von 8,5 Millionen Stellen zu rechnen" - "der mai ist gekommen, die verluste schlagen aus" *träller* + und das buchstäblich letzte heute vom sog. ethikverband der deutschen wirtschaft (alleine dessen bloße existenz ist natürlich schon ein echter hit): "Der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft (EVW) wirft der Politik vor, die Finanzkrise auszunutzen, um mit moralischen Forderungen Ängste innerhalb der Bevölkerung zu schüren. "Auf diese Weise wollen die Parteien Eigeninteressen durchsetzen", sagte EVW-Präsident Ulf Posé." - höhnisches gelächter, tomaten fliegen auf die bühne, schmählicher abgang und vorhang ohne schlussapplaus. die dreistigkeiten der "eliten" wollen einfach kein ende nehmen +

*

das blues und fröhlichkeit kein paradox sein müssen, zeigt uns nun zum wirklichen ende "skinnerla" (ich hoffe, ich habe da bezgl. der interpreten nix falsch verstanden) mit dem "finanzkrisenblues".



ich hoffe übrigens, dass die musikalische untermalung der wie üblich und gewohnt sehr unfrohen sonstigen botschaften Sie ebenso etwas aufmuntern konnte wie mich. zum wochenende geht´s dann mit der eingangs erwähnten deutschland-und-die-krise-reihe weiter.

Samstag, 18. April 2009

notiz: krisennews und -gedanken (33)

heute ohne lange vorrede, aber mit dem besonderen hinweis auf die neuen erkenntnisse zum tod von ian tomlinson bei den "g20"-protesten in london neulich:
  • großbritannien I: tod bei protesten war kein herzinfarkt - polizeilicher angriff als ursache immer wahrscheinlicher
  • großbritannien II: von der besetzung zur blockade - neue entwicklung bei "visteon" in london
  • frankreich: neue betriebsblockaden und neues "bossnapping"
  • deutschland: "hier ist die krise"
  • brasilien: tausende von erwerbs- und obdachlosigkeit bedrohte menschen besetzen land und gebäude in belo horizonte
  • russland: betriebe gehen zur naturalienzahlung an mitarbeiterInnen über
  • usa: hausbesetzungen werden zur verbreiteten aktionsform
  • in aller kürze: us-kreditkartenblase wird virulent / fakes, tricks und bilanzfälschung: wie die aktuellen bank"gewinne" zustandekommen / deutsche rüstungsindustrie boomt / iwf warnt vor depression / nur in der schweiz? absatzboom bei hundefutter unter verdacht
*

die desinformationskampagne von polizei und (vielen) mainstreammedien nach dem tod des 47-jährigen ian tomlinson während eines polizeieinsatzes bei den anti-gipfel-protesten in london erweist sich mehr und mehr als ein zusammenbrechender versuch der vertuschung einer
polizeilichen tötung:

"Die Ursache für den Tod eines Mannes am Rande der Demonstrationen gegen den G-20-Gipfel in London war nach jüngsten Erkenntnissen nicht ein Herzinfarkt, sondern eine innere Blutung. Gegen den möglicherweise verantwortlichen Polizisten laufen nun Ermittlungen wegen "fahrlässiger Tötung", wie die zuständige Behörde am Freitag mitteilte. Wie der Anwalt der Familie von Ian Tomlinson mitteilte, ergab eine zweite Obduktion, dass der 47-Jährige an einer Unterleibsblutung starb. Die Ursachen der Blutung müssten noch geklärt werden. Die Polizei hatte Anfang April nach einer ersten Obduktion noch erklärt, der Zeitungsverkäufer sei auf natürliche Weise an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben."(...)

es kursierten bereits ein paar tage nach dem tod zeugenaussagen, in denen nicht nur von polizeilichen schlägen auf die beine, sondern auch in die nierengegend die rede war. aber egal, ob diese blutung entweder durch die umstände des (ebenfalls polizeilich verursachten) sturzes auf den boden oder aber direkt durch einen schlagstock verursacht worden ist - von einem "unfall" kann spätestens jetzt keine rede mehr sein.

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bleiben wir in london: von der dortigen besetzung eines werkes des autozulieferers "visteon" war in den letzten news schon die rede, inzwischen hat sich die
besetzung zur blockade verwandelt:

"Seit dem 31. März sind in England und Nordirland Fabrikhallen des Autozulieferers Visteon besetzt. Die Firma liefert Autobestandteile an Ford und hat ihren Bankrott erklärt. Den Beschäftigten werden soziale Leitungen verweigert.(...)

Die Besetzung in Enfield wurde am vergangenen Donnerstag beendet. Das Unternehmen ließ eine gerichtliche Verfügung ausstellen, die insbesondere den Vertrauensleuten in der Fabrik Gefängnis und die Enteignung ihrer Häuser androhte, sollte die Besetzung weitergehen. Deshalb wandelten die Arbeiter die Besetzung nun in eine Blockade der Fabrik um. Ähnlich sieht es in Basildon aus, dort wurde bereits nach zwei Tagen die Besetzung aufgegeben und in eine Blockade umgewandelt. Am Ostersonnabend hatten Beschäftigte einen Protestmarsch durch den Ort veranstaltet. In Belfast geht die Besetzung mit ungebrochener Stärke weiter.(...)

Die Unterstützung aus der Bevölkerung für die Besetzungen ist groß. Einer der Besetzer in Enfield erzählte: »Geschäftsleute aus der Umgebung sind vorbeigekommen und haben Lebensmittel gebracht. Einer hat Dixietoiletten hergefahren, völlig kostenlos. Selbst die Polizisten hatten Sympathie für uns. Einer hat gesagt, wenn er könnte, würde er mit uns auf dem Dach stehen.«(...)


eine gerichtliche verfügung, in der den besetzern u.a. mit "enteignung ihrer häuser" gedroht wird? kennt jemand das britische rechtssystem genauer und kann sagen, ob das da etwas "normales" in solchen fällen darstellt? ich finde diese drohung jedenfalls bemerkenswert.

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ansonsten ist es in vielen ländern tatsächlich so wie schon neulich vermerkt, dass besonders die autoindustrie und ihre zulieferer in dieser krisen- und protestphase im focus stehen, was auch ein blick nach
frankreich unterstreicht:

"Es ist Donnerstagabend, rund 300 Toyota-Mitarbeiter blockieren ihre Fabrik in Onnaing im Norden des Landes. Alle Zufahrten werden von Streikposten versperrt, kein Lastwagen kann das Werksgelände verlassen. Um ihrem Ärger Luft zu verschaffen, stecken die Arbeiter Holzkisten in Brand. Auch Autoreifen gehen in den Flammen auf."

die sueddeutsche kann offenbar agenturmeldungen nicht richtig lesen; darum in kürze: in dem toyotawerk arbeiten 2700 menschen, die meisten momentan auf kurzarbeit gesetzt. und bei den protesten geht es um die abwehr von gehaltskürzungen, wobei bemerkenswert ist, dass diese aktionen trotz einer gewerkschaftlichen vereinbarung mit der firmenleitung zur "konfliktbeilegung" stattfinden - und gerade letzteres ist ein weiteres zeichen für die schon öfter angesprochene bereitschaft zur militanz bei vielen französischen arbeiterInnen. ebenso wie die von ihnen geschaffene aktionsform des "bossnapping":

"Ebenfalls in der Gewalt eines wütenden Mobs: fünf Manager der Firma FM Logistic. Erst nach zehn Stunden in der Gewalt von Mitarbeitern werden sie freigelassen. Als die Polizei beginnt, die Namen der an der Geiselnahme beteiligten Arbeiter aufzunehmen, brechen sie die Aktion ab. Es ist bereits der fünfte Fall von "Bossnapping" binnen weniger Wochen."(...)

alles weitere in dem artikel bezieht sich tatsächlich auf das toyota-werk und nicht auf die gerade genannte firma. aber stattdessen schön vom "mob" daherschreiben - viele kommentare zum artikel rücken diesen sprachgebrauch zurecht.

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wie sich die ökonomischen verwerfungen langsam auch hierzulande im alltag von immer mehr menschen bemerkbar machen, beschrieb vor ein paar tagen ein artikel mit der überschrift
"Hier ist die Krise", in dem eine kleine rundreise dokumentiert wird:

"Lange Zeit haben die Deutschen nichts von der Jahrhundertkrise gespürt. Doch unaufhaltsam dringt sie in das Leben der Menschen vor - Angst und Verzweiflung greifen um sich. Eine Reise durch ein verunsichertes Land."(...)

zumindest ein kleines stückchen realität gibt´s da zu betrachten, deshalb soll das auch der heutige lesetipp sein. wobei das örtchen alzenau in der reise nicht enthalten war, wo sich gerade - ebenfalls bei einem autozulieferer -
eine art präzedenzfall entwickeln könnte:

"Mahle, einer der führenden Zulieferer für die Automobilindustrie, will sein Werk mit 424 Beschäftigten und zwölf Auszubildenden in dem unterfränkischen Städtchen Ende Juni schließen. Doch die gewerkschaftlich gut organisierte Belegschaft will das nicht kampflos hinnehmen. Unter dem Motto »Eine Region steht auf – Mahle Alzenau muß leben« mobilisiert sie an diesem Samstag zur Protestdemonstration. Besonders wütend macht die Metaller, daß der Konzern einen gültigen Standort- und Beschäftigungssicherungstarifvertrag einfach ignorieren will.(...)

Womöglich geht es dem Konzern ohnehin nicht nur um betriebswirtschaftliche Überlegungen. Ziel könnte auch sein, einen Präzedenzfall zu schaffen. »Wenn es gelingt, ein gutorganisiertes Werk wie Alzenau dichtzumachen, dann könnte die Hemmschwelle, auch anderswo auf Betriebsschließungen zurückzugreifen, erheblich sinken«, befürchtet Gebhardt. Deshalb habe dieser Konflikt für alle Mahle-Belegschaften und die IG Metall insgesamt eine große Bedeutung."(...)


näheres zu dieser auseinandersetzung auf einer eigenen
website. und auch hier bin ich wie immer gespalten: die bisherige autoindustrie wird aus grundsätzlichen gründen nicht zu halten sein; die kollektiven erfahrungen der verschiedenen belegschaften in den diversen konflikten jedoch können in der zukunft einmal eine große und positive rolle spielen.

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sehr interessante neuigkeiten aus brasilien, genauer aus
belo horizonte, verbunden mit einem aufruf:

"Am Gründonnerstag, 9. April haben in Belo Horizonte rund 300 Familien ein Areal mit mehreren Häusern besetzt. Die Stadt, mit rund 4 Millionen EinwohnerInnen, registriert offiziell 75.000 leerstehende Wohneinheiten - und 55.000 obdachlose Familien. Dies ist der dritte Versuch einer Massenbesetzung in diesem Jahr in BH - und da die ersten beiden Versuche mit massiven Polizeieinsätzen beendet wurden, rufen die Organisationen, die diese Besetzung unterstützen (die Volksbrigaden (...) und die Landlosenbewegung MST) zur internationalen Solidarität auf."(...)

inzwischen sieht das alles so aus:

"Nach den Ostertagen (der Montag ist in Brasilien kein Feiertag) ist die Zahl der BesetzerInnen des etwa 40 Hektar großen Geländes der Besetzung "Dandara" vom Gründonnerstag regelrecht explodiert: Am Dienstag wurden von Fernsehreportern 981 Hütten und Zelte gezählt - womit niedrig geschätzt etwas über 4.000 Menschen an der Besetzung beteiligt sind. Die rapide Zunahme ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass der erste Polizeiangriff von 150 Schockbataillon Polizisten in der Nacht (gesetzlich verboten) zum Karfreitag, der ohne juristische Grundlage erfolgte, in einer dreistündigen Auseinandersetzung abgewehrt wurde. Seit Dienstag gibt es nun eine einstweilige richterliche Räumungsverfügung, wogegen die Anwälte der BesetzerInnen Einspruch eingelegt haben. Die Polizei hat einstweilen zugesagt, das Ergebnis der Verhandlung dieses Einspruchs abzuwarten - ein Ergebnis sowohl des organisierten Widerstands als auch der organisierten Solidarität, und der breiten Berichterstattung in zahlreichen Medien, bis auf die Produkte des "Globo" Konzerns sogar recht sachlich.(...)

Und während juristisch, politisch und materiell die Unterstützung organisiert wird, werden auch bereits Alternativen gesucht, für den Fall eines erfolgreichen nächsten Polizeiangriffs - denn viele der beteiligten BesetzerInnen sind Menschen, die gerade eben in der aktuellen kapitalistischen Krise erwerbslos wurden und dringend eine Wohnmöglichkeit brauchen."(...)


die verlinkte seite vom labournet sei zur weiteren information empfohlen; und mir scheint, dass nicht nur solche geschichten die tatsache, dass viele weltregionen incl. großen teilen von südamerika in den hiesigen medien schlicht nicht existent sind, einmal mehr grell beleuchten. umso nötiger ist die verbreitung gerade von widerstandsaktionen, nicht nur dafür dank ans labournet.

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ein blick nach
russland macht hingegen für mich an einem beispiel sehr deutlich, wo der zusammenbruch bestimmter branchen bzw. betriebe nicht nur wünschenswert, sondern sogar überfällig ist (und das gilt natürlich nicht nur für russland):

"Mitarbeiter des russischen Rüstungsbetriebs Molot können in diesen Tagen ihre Lebensmittelvorräte aufstocken. Da der staatliche Produzent von Maschinengewehren und Panzerabwehrwaffen derzeit knapp bei Kasse ist, hat die Betriebsleitung beschlossen, die Arbeiter in Naturalien auszuzahlen. Nun werden Pakete mit Mehl, Nudeln, Zucker, Fleischkonserven und Speiseöl an die 5000 Beschäftigten ausgegeben. Die schlimmsten sozialen Folgen für deren Familien werden damit zunächst einmal abgefedert - immerhin arbeitet ein Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung in der Stadt Wjatskije Poljany bei Molot."(...)

ein strukturwandel, der diesen namen auch verdienen würde, müsste in einem solchen fall nicht nur die organisierung der produktion, sondern auch und gerade deren inhalt betreffen - und das ist, binsenweisheit, nicht nur in russland eben auch eine frage der gesellschaftlichen machtverhältnisse. aber bezgl. der art der lohnzahlung ist dieser spezielle produzent von destruktivem müll durchaus keine ausnahme:

""Die Bezahlung in Naturalien oder eigenen Erzeugnissen wird wieder in Mode kommen", sagt Konstantin Makjenko, Vizedirektor des Moskauer Zentrums für strategische und technologische Analyse. In der chaotischen Umbruchphase nach dem Ende der Sowjetunion war die Naturalienwirtschaft durchaus üblich. Zahlungsunfähige Betriebe schickten ihre Mitarbeiter mit Paketen von Oberhemden oder Konservendosen nach Hause - und die versuchten dann, die Ware auf improvisierten Märkten loszuwerden.

Nach Jahren des Wachstums und der wirtschaftlichen Stabilität kehren nun die Probleme zurück. Vor allem in einigen Regionen des asiatischen Teils Russlands droht die Situation außer Kontrolle zu geraten. Die verzweifelten Menschen, die bereits seit mehreren Monaten auf ihr Geld warten, versuchen, ihre Arbeitgeber mit Hungerstreiks zum Zahlen zu bewegen. Anfang April harrten im Gebiet Rostow zehn Bergarbeiter der Grube Tschicha zwei Tage ohne Essen unter der Erde aus, um an ihren Lohn zu kommen, den sie schon seit drei Monaten nicht mehr erhalten hatten. Die Aktion erwies sich als erfolgreich. Die zehn Hungerstreikenden erhielten mittlerweile ihren Lohn, die restlichen Arbeiter bekamen immerhin die Zusage, bis zum 1. Mai bezahlt zu werden."(...)


das sind hinsichtlich von lohnausfällen bzw. verzögerten zahlungen dimensionen, die hier im westen (noch) nicht erreicht werden - aber mit fortschreitendem jahresverlauf und zunehmender belastung der (fälschlich) hochgelobten sozialen sicherungssysteme vieler westlicher staaten dürften solche szenarien auch in unseren breiten eine neue erfahrung werden. ebenfalls ist verständlich, wenn auch keinesfalls akzeptabel, warum die russische regierung schon seit monaten den inneren repressionsapparat aufrüstet.

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von der einen abgewrackten "supermacht" zur anderen: in den usa werden nicht nur in kalifornien
häuser besetzt:

(...)"Die Poor Peoples Economic Human Rights Campain ist ein Netz verschiedener regionaler Gruppen in verschiedenen Staedten in den USA. Die Kampagne existiert seit 12 Jahren. Der Grossteil der Arbeit besteht darin, Menschen ohne festen Wohnsitz in der Wohnungssuche zu unterstuetzen indem sie ihnen leerstehende Haeuser vermitteln und ihnen helfen drin zu bleiben. In Philadelphia wurden von der Kampagne ueber 500 Haeuser besetzt und an Menschen vemittelt die diese brauchten.

Doch zurueck nach Minneapolis:
Hier wurden in letzter Zeit 13 Haeuser neu bewohnt. Auch das Haus von Rosemary Williams gilt nun als "besetzt", sie als "illegale Hausbesetzerin". Um auf die Situation aufmerksam zu machen ist dieses Wochenende ein oeffentliches Training des ziviler Ungehorsams geplant. Rosemary und eine Gruppe von Unterstuetzer_innen bereiten sich auf die Konfrontation mit der Polizei vor. Bis dahin wird sie in ihrem Haus wohnen bleiben."(...)


und zwecks weiterer information der
link zur erwähnten kampagne. meldungen über hausbesetzungen, ja auch den entsprechenden aufruf einer demokratischen politikerin vor ein paar monaten, gab es hier ja schon öfter zu vermerken - aber es ist erfreulich, dass diese aktionsform, die in vielen fällen in anbetracht der bedingungen in den zeltstädten sogar lebensrettend sein kann, sich augenscheinlich weiter verbreitet. und auch dabei ist der lerneffekt für die beteiligten in sachen kollektiven handelns und der relativität aller gesetze nicht zu unterschätzen.

*

in aller kürze - das krisentelegramm + lange vorhergesagt, beginnt jetzt tatsächlich das
platzen der kreditkartenblase: "Immer mehr Amerikaner werden arbeitslos. Nun können sie auch ihre Kreditkartenrechnungen nicht mehr begleichen. American Express und Capital One, in den USA führende Anbieter von Kreditkarten, meldeten am Donnerstag beide steigende Ausfallraten. Bei American Express stieg die Ausfallrate von Krediten im März auf 8,8 Prozent, einen Rekordwert. Im Februar hatte sie noch bei 8,6 Prozent gelegen. Die Ausfälle bei Capital One stiegen von 8 auf 9,3 Prozent." die weiteren erläuterungen und behauptungen im artikel fallen vorsichtig gesagt in die gleichen rubriken wie das folgende + fakes, tricks und "legale" bilanzfälschungen - wie die aktuellen bank"gewinne" zustandekommen - die "eliten" praktizieren wieder einmal angewandten konstruktivismus. wird ihnen bloß nix nützen + darum haben sie für alle fälle auch immer noch die üblichen mittel in der hinterhand - rüstungsindustrie boomt: "Das Rüstungsgeschäft profitiert davon, dass die häufig über Jahrzehnte laufenden Milliardenprogramme kurzfristig nur schwer zu stoppen sind. So wächst auch der US-Verteidigungshaushalt, obwohl es jetzt zu Kürzungen bei einigen Schlüsselprojekten kommt. Zudem sehen Experten in Zeiten von Wirtschaftskrisen eine erhöhte Nachfrage nach Überwachungs- und Sicherheitssystemen, etwa an Landesgrenzen." - es ist bezeichnend, dass derartiges nicht als die perversion erkannt und benannt wird, die es ist + der iwf beginnt, von einer depression zu flüstern + und spätestens in einer solchen werden sich allüberall die essgewohnheiten so verändern, wie es jetzt (ausgerechnet) in der schweiz schon beobachtet wird: mehr hundefutter auf den tisch - "Weniger lustig ist die neue Studie der Beratungsfirma Boston Consulting Schweiz. Die Resultate zeigen: In der gegenwärtigen Krise steigt der Absatz bei Tiernahrung. Grund ist nicht etwa die Tierliebe der Schweizer. «Die Menschen steigen selber auf Tierkost um, wegen ihrer knappen Budgets», sagte Elmar Wiederin heute gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Besonders beliebt scheint Hundefutter – hier steigen die Umsätze markant." kombiniert mit den ebenfalls neulich schon erwähnten fertigsuppen, die gerade ebenfalls boomen, dürften solche ernährungsstile dann in mittlerer zukunft die umsätze des medizinischen bereiches sowie des bestattungsgewerbes beleben. enjoy capitalism!+

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