notizen

Sonntag, 30. November 2008

notiz: krisennews und -gedanken (7) [update]

„Der Klassenkampf ist ein historischer Fakt, er wird von meiner Klasse, der Klasse der Reichen geführt und wir sind dabei ihn zu gewinnen“ (warren buffet, us-amerikanischer multimilliardär, in der new york times vom 26.11.2006)

"Der grösste Kredit, auf dem das Kapital gegenwärtig seine Herrschaft errichtet, ist weder seine ökonomische noch seine militärische Kraft. Es sind vielmehr die sich beharrlich reproduzierenden Fiktionen und Halluzinationen der Alltagscharaktere. Diese Krise mag fundamental sein, doch wenn wir gar nicht daran glauben, wird sie aber schön schauen, die Krise."
(franz schandl, österreichischer historiker und redakteur der zeitschrift
streifzüge)

"Jeder, der glaubt, dass exponentielles Wachstum für immer weitergehen kann in einer endlichen Welt, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom."
(kenneth e. boulding, us-amerikanischer ökonom und sozialwissenschaftler)


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mit den drei obigen zitaten sind wesentliche eckpunkte der derzeitigen situation meiner meinung nach sehr schön zugespitzt auf den punkt gebracht. und rund um diese drei punkte werden sich auch die einzelnen teile dieser neuen ausgabe der krisenreihe hier bewegen. ist es übrigens notwendig, noch zu erwähnen, warum ein blog, welches sich thematisch rund um den komplex beziehungskrankheiten und gesellschaft dreht, der aktuellen weltwirtschaftskrise so derart viel platz einräumt? auch die antwort(en) auf diese frage lassen sich in den obigen zitaten finden - von der frage nach der inneren strukturierung von leuten wie buffet über die (noch) systemtragenden "fiktionen und halluzinationen der alltagscharaktere" (ein treffendes synonym für das als-ob-leben) bis zur frage der grenzen, die uns jeweils individuell und kollektiv (als spezies) gesetzt sind, und ihrer wahrnehmung - so ziemlich alle zentralen parameter und bedingungen der sich weiter entfaltenden krise weisen bei näherer betrachtung auch immer - und ich finde: zwangsläufig - auf die jeweiligen psychophysischen und psychopathologischen eigenschaften der aktiven und auch der passiven protagonistInnen hin.

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wobei mich momentan das stichwort der passivität am meisten interessiert, und wie in den letzten folgen der reihe und auch gleich zu sehen sein wird, ist das eine haltung (bezogen auf relevante bevölkerungsmehrheiten), die zwar nicht nur in diesem land hier, aber gerade hier besonders ausgeprägt ist - und das macht die derzeitige situation nochmals fataler, als sie eh schon ist.

einiges von den möglichen gründen hatte ich schon im letzten
teil umschrieben, und ich möchte es nicht wiederholen. zuletzt beschäftigten mich diese gründe vor ein paar tagen in einer betriebsversammlung des kleinen mittelständischen unternehmens, in dem ich lohnarbeite, und zu der ein mitarbeiter der für uns zuständigen gewerkschaft eingeladen war, um etwas zur krise und der gewerkschaftssicht darauf zu erzählen. sinngemäß sagte der mann zu diesem speziellen punkt in etwa, dass er sich wundere und auch nicht verstehe, wie das alltagsleben noch so relativ normal weiterlaufen könnte. und führte das auf eine strategie der regierungspolitik zurück, viele der - zunächst noch - primär finanziellen belastungen der krise hintenrum und still und heimlich auf die bevölkerung abzuwälzen. bei betrachtung der ereignisse der letzten zwei bis drei monate sowie der medienberichterstattung ist das durchaus nachvollziehbar. andererseits gilt aber auch weiter, dass die entsprechende innere disposition dafür bei der zielgruppe auch vorhanden sein muss, sich quasi mit offiziellen beruhigungspillen auch abspeisen zu lassen bzw. lassen zu wollen. und das ist keinesfalls nicht nur eine frage der zweifellos größtenteils schönfärbenden berichte der mainstreammedien.

ansonsten gab´s auch aktuelle einschätzungen der geschäftsführung zu hören, die ich hier aus nachvollziehbaren gründen nicht detailliert wiedergeben werde. nur soviel: das kommende jahr 2009 wird auch auf basis der letzten quartalszahlen als problematisch und teils unkalkulierbar eingeschätzt - womit wir uns denn auch in den chor der immer lauter wehklagenden stimmen aus immer mehr bereichen der sog. realwirtschaft eingegliedert haben. und womit die krise dann für mich und die mitarbeiterInnen auch im ganz persönlichen leben angekommen ist, was durchaus kein angenehmes gefühl darstellt. die weiteren persönlichen und ans kollektive gebundenen perspektiven sind das eine, und schon diesbezgl. bin ich seit längerer zeit schwer beunruhigt. die ganz konkreten persönlichen aussichten jedoch, an denen bspw. auch die frage der eigenen reproduktion hängt, werden jetzt gleichfalls unsicher. und so bin ich unfreiwillig in die lage versetzt, das, was ich selbst konkret bezgl. dieser perspektiven wahrnehme oder eben auch nicht wahrnehme, wie eine art seismograph zu registrieren und daraus von fall zu fall auch trends zu schließen, die bei psychophysisch ähnlich strukturierten menschen gleichfalls auftreten könnten. das immerhin macht die situation aufgrund meiner allgemeinen neugier für mich noch erträglich. aber verschiedene ängste werden mehr und mehr thema.

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bei der erwähnten versammlung kam ganz zum ende auch die frage auf, warum wir (kollektiv als betrieb und individuell als konsumentInnen) zum teufel nochmal eigentlich so auf die frage des wachstums fixiert sind, wo doch genau dieser immerwährende und als quasi naturgesetzliche determinante verkaufte drang und zwang nach (materiellem) wachstum nicht nur eine der wesentlichen krisenursachen darstellt, sondern inzwischen allerorten als die angeblich einzige "lösung" präsentiert wird? richtige frage, gute frage, und ein paar gute antworten sind in der aktuellen taz zu
lesen, wo u.a. ausgeführt wird:

(...)"Denn nicht zu wenig Konsum ist das Problem der nationalen und internationalen Wirtschaft, sondern zu viel vom falschen. Erinnern wir uns: In den USA begann die Finanzkrise mit einem Kaufrausch im Immobiliensektor, der über ungesicherte Kredite finanziert war. Die zweite Schockwelle wird folgen, wenn ausfallende Kreditkartenschulden die globalen Märkte erfassen werden. Und dann geben auch noch die Staaten dem Wachstum zuliebe ihre nicht vorhandenen Gelder aus. So gehört nicht viel Fantasie dazu, die nächste Krise durch kollabierende öffentliche Haushalte kommen zu sehen. Wir merken: Jede dieser Krisen wird befeuert durch Konsum, den wir uns bei genauer Betrachtung gar nicht leisten können.

Klar, wer mit viel Geld spontanes Wachstum schafft, kann damit kurzfristig als Retter der Wirtschaft dastehen. Er mag sich über die Wahlperiode hinwegdilettieren. Doch dauerhaft wird er der Wirtschaft damit nicht helfen, sondern sie vielmehr ruinieren. Denn jede neue Krise nach dem Abflauen des provozierten Wachstums wird heftiger werden als die jeweilige zuvor.

Über kurz oder lang nämlich muss das materiell-quantitative Wachstum vor die Wand laufen. Zwangsläufig, denn die Grenzen des Wachstums sind in Sicht. Sie sind der entscheidende Auslöser des Bebens der Weltwirtschaft. Nun kann man zwar durchaus zu recht über die fehlende Kontrolle der Geldmärkte oder die Gier der Finanzakteure lamentieren, doch das sind Nebenschauplätze. Längst definieren die natürlichen Ressourcen das ökonomische Limit: Energie und Rohstoffe sind knapp. Jeder politische Wachstumsimpuls wird daher zur Folge haben, dass der Ölpreis wieder emporschnellt und so das Wachstum wieder abwürgt. Naturgesetze lassen sich eben nicht überlisten - selbst von Ökonomen nicht."(...)


yep, immer wieder nötig, zu wiederholen, dass wir es gerade nicht nur mit einer, sondern mit den dynamiken gleich mehrerer krisen zu tun haben, die sich gegenseitig beeinflussen - stichwort bspw.
peakoil. und vor diesem hintergrund neige ich immer mehr dazu anzunehmen, dass, selbst den fall vorausgesetzt, die "eliten" (deren instrumentell-objektivistische intelligenz und überlebensdrang niemand unterschätzen sollte!) und "ihr" system kriegen für dieses mal noch die kurve (was momentan durchaus fraglich erscheint), die gesamte menschliche welt in eine art kaskade von immer schneller aufeinanderfolgenden gesellschaftlichen und ökonomischen krisen gerät, über der immer greller die botschaft zu lesen sein wird:

(qualitative und grundsätzliche) individuelle und kollektive veränderung oder tod (bzw. ein zeitalter der barbarei, welches für die allermeisten von uns den letztgenannten bedeuten würde).

falls ich Ihnen damit jetzt gerade die stimmung versaue, tut´s mir ja leid - aber ich komme, egal wie ich das alles drehe und wende, zu keinem anderen, mir realistisch erscheinendem ergebnis.

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schauen wir uns mal an, ob es möglich ist, anhand der entwicklung in ganz verschiedenen ländern bereits tendenzen in die eine oder andere der beiden oben genannten richtungen zu erkennen.

aus japan, dem land des
hikikomori, erreichen uns dieser tage nachrichten wie diese...

"Japans Industrie hat ihre Produktion kräftig gedrosselt. Damit mehren sich die Hinweise, dass die Rezession noch tiefgreifender wird als befürchtet. Im Oktober ging die Fertigung um 3,1 Prozent zurück. Das Verarbeitende Gewerbe wird deshalb im letzten Vierteljahr wohl im Rekordtempo um 8,6 Prozent schrumpfen. Exportstarken Firmen wie Toyota brechen die Aufträge weg. Das ist dramatisch, weil der Export die wesentliche Stütze der Wirtschaft ist. Manche Experten befürchten, dass Japan die längste konjunkturelle Durststrecke seiner Geschichte droht."(...)

...vor derem hintergrund dann infos wie der folgende
artikel, obwohl der inhalt mich teils schon überrascht hat, dann doch verständlicher werden:

"Nein zur Armut!", schallte es aus dem Megafon. "Steht auf und verändert die Gesellschaft!" Mit solchen Forderungen zogen kürzlich Tausende Japaner durch Tokio. Sie waren in diesem Jahr nicht allein: In mehr als 40 Städten gingen Menschen auf die Straße. Ihre Proteste richteten sich gegen die unsicheren Lebensverhältnisse im Land - und signalisierten ein neues Bewusstsein: Die sozialen Verlierer in Japan begehren auf und lassen sich nicht mehr länger als Versager abstempeln. "Ich bekomme kaum Arbeit und finde nur schwer eine Wohnung", beschwerte sich eine junge Frau. "Man sagt mir oft, ich sei dafür selbst verantwortlich. Aber das stimmt einfach nicht."(...)

Der 1929 verfasste Proletarier-Roman "Kanikosen" über die Ausbeutung von Arbeitern auf einem Krabbenfänger-Schiff entwickelt sich zu einem Bestseller. Mehr als eine halbe Million Exemplare wurden in diesem Jahr verkauft, weil sich viele Leser nach Ansicht des Verlages in den sklavenartigen Arbeitsbedingungen jener Zeit wiedererkennen. In den Buchläden stapeln sich anti-kapitalistische Werke. Das erfolgreichste Buch des Jahres - "Gieriger Kapitalismus und die Selbstzerstörung der Wall Street" von Hideki Mitani - wirft Japan vor, seine Unternehmenskultur auf dem Altar des angelsächsischen Kapitalismus geopfert zu haben. Im Dezember erscheint "Das Kapital" von Karl Marx erstmals als Manga.

Die Kommunistische Partei Japans gewann in weniger als einem Jahr mehr als zehntausend neue Mitglieder."(...)


neben der information, dass also auch in japan die fiktion des raffenden (aka "wall street") und schaffenden ("japanische unternehmenskultur") kapitalismus mit allen nationalistischen und faschistoiden untertönen gedeiht, finde ich vor den mir bekannten hintergründen der japanischen gesellschaft tatsächlich einen derart öffentlich werdenden protest, der sich gegen zentrale eigenarten des systems wendet, schwer bemerkenswert. die - teils religiös untermauerten - dortigen gesellschaftlichen hierarchien, deren erstickung aller tatsächlich authentischen individuellen regungen meiner meinung nach eben auch phänomene wie das hikikomori mit hervorbringt, grundsätzlich in frage zu stellen, dürfte für viele der dortigen menschen tatsächlich eine art revolutionären schritt darstellen. also genau das, was hierzulande bisher fast völlig fehlt.

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die im letzten beitrag schon thematisierten zustände auf einer anderen insel, nämlich island, produzieren inzwischen ähnliche bilder, wie sie auch in spanien schon zu sehen waren - es wird
unruhig:

(...)"In der isländischen Hauptstadt ist es am Samstag zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.
Die Polizisten setzten Pfefferspray ein, einige der Protestierenden mussten mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Die Demonstranten hatten versucht, in eine Polizeiwache in Reykjavik einzudringen, wo sie einen seit Freitag dort festgehaltenen Mann befreien wollten.(...)

In Island ist es in den vergangenen Wochen zu zahlreichen Protesten gekommen, nachdem die Wirtschaft des Landes im Zuge der weltweiten Finanzkrise nahezu zusammengebrochen ist."(...)


und eine nötige
anmerkung dazu:

(...)"Dies mag für deutsche Ohren lächerlich klingen. In Island hingegen, wo man gar nichts anderes als friedliche Demonstrationen kennt (...), ist dies ein nie gekannter Gewaltausbruch.

die beiden berichte beziehen sich auf eine demonstration vom 22.11., aber wie einem weiteren
artikel zu entnehmen ist, bildet sich dort seit wochen eine tradition von samstagsdemonstrationen heraus:

"Wie auch an den Samstagen zuvor fand am 22. November eine große Demonstration vor dem Parlament in Reykjavik statt. Dieses mal kam es im Anschluss zu Auseinandersetzungen vor der Polizeistation. Die buntgemischte Demonstration unter Beteiligung von linken und anarchistischen Gruppen fordert den Rücktritt der Regierung unter der konservativen Unabhängigkeitspartei von Premierminister Haarde, welche für die neoliberale Politik der letzten Jahre, die in Island im Staatsbankrott gipfelte verantwortlich gemacht wird. Während der regelmäßigen Samstagsdemos flogen immer wieder Farbeier und Obst gegen das Regierungsgebäude.(...)

U.a. richtete sich der Protest auch gegen den IWF, welcher der Regierung kürzlich Kredit gewährte, aber auch gegen die enge Verknüpfung von Premierminister Haarde und dem Chef der Zentralbank David Oddson.
Insgesamt nahmen an der Demonstration letzten Samstag mehrere tausend Leute teil, was gemessen an der Gesamteinwohnerzahl Islands- 300 000 - einem Massenprotest gleichkommt."(...)


einen atmosphärischen eindruck von diesen demos lässt das folgende video zu:



leider existieren dafür keine übersetzungen, es wäre spannend zu hören, was dort im einzelnen gesagt wird.

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auch im brennpunkt usa sind die inzwischen wahrnehmbaren krisenfolgen für eine täglich größer werdende menge von menschen schlicht verheerend, wie nicht nur die allgemeinen
armutszahlen zeigen...

"Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise steigt nicht nur die Zahl der Arbeitslosen in den USA, auch die Zahl der Amerikaner, die auf Lebensmittelmarken (food stamps) angewiesen sind, nimmt wieder zu. Erwartet wird, dass erstmals seit der Flutkatastrophe durch den Wirbelsturm Katrina 2005, als kurzzeitig im November 2005 ein Höchststand von 29,8 Millionen erreicht wurde, mehr als 30 Millionen Menschen auf das Programm rekurrieren, das seit 1. Oktober unter dem angeblich weniger stigmatisierenden Namen Simplified Nutrition Assistance Program, abgekürzt SNAP, läuft."(...)

...sondern damit zusammenhängend auch die in den letzten beiträgen schon erwähnte persönliche katastrophe der obdachlosigkeit als eine mögliche armutsfolge, die aufgrund der us-spezifischen verhältnisse nicht selten gewaltsam tödlich enden kann, wie eine
meldung von anfang november zeigt:

(...)"In einem Obdachlosen-Lager bei Los Angeles sind fünf Personen einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Polizisten fanden die Leichen der zwei Frauen und drei Männer nach einem anonymen Hinweis am Sonntag in Long Beach.

Auf einige der Opfer sei mehrfach geschossen worden. Anwohner berichteten, sie hätten Sonntagmorgen mehrere Schüsse und lautes Schreien gehört.(...)

In der Gegend waren Obdachlose in den vergangenen Monaten immer wieder Opfer von Verbrechen geworden. Zuletzt wurde Ende September ein Obdachloser bei lebendigem Leibe angezündet und so getötet. In und um Los Angeles leben Schätzungen zufolge rund 73.000 Menschen ohne Dach über dem Kopf. "


wie schrieb ich weiter oben? veränderung oder tod/barbarei !

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und für all diejenigen, denen bei den verlautbarungen aus unseren spaß- und gute-launeministerien regelmässig die gesichtszüge entgleisen, hat wirtschaftsquerschuss wieder einmal die mühe auf sich genommen, die regierungsamtlichen fiktionen an der bösen realität platzen zu lassen -
Der deutsche Arbeitsmarkt im November 2008 macht deutlich, dass auch die eingangs erwähnte "hintenrum-strategie" in bälde ihr ende finden wird...und ob das ein ende mit wenig oder viel schrecken sein wird, bestimmen wir alle tag für tag mit.

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einen kleinen nachtrag habe ich noch vergessen - eine
geschichte aus lettland nämlich:

"Die Finanzkrise hält in Lettland nicht nur Politiker und Ökonomen in Atem, sondern auch die Sicherheitspolizei. Seit in der Baltenrepublik die Gerüchte über eine mögliche Abwertung des Lats nicht verstummen, geht die Sicherheitspolizei konsequent gegen jeden vor, der öffentlich eine Abwertung der Landeswährung anspricht oder gar dazu auffordert, Spareinlagen abzuheben. So wurde ein Dozent der Universität Ventspils Mitte November zwei Tage lang wegen des Vorwurfs festgehalten, er habe mit seinen Aussagen das lettische Finanzsystem destabilisiert."(...)

das absichern der offiziell angeordneten und erlaubten fiktionen mittels polizei & strafgesetzbuch - so sind sie, unsere demokratiesimulationen.

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edit am 03.12.: aus aktuellen anlässen einige nachträge - in island kam es gestern zu einer halbsymbolischen
stürmung der zentralbank:

(...)"Angesichts der desolaten wirtschaftlichen Lage platzt sogar den sonst so friedliebenden Isländern der Kragen. Am Montag sind mehrere hundert Demonstranten in die Isländische Zentralbank (Seðlabanki Íslands) eingedrungen. Zuerst schlug die Menge gegen die Glastür, später wurden die Menschen dann in das Gebäude hineingelassen. In der Lobby erklangen Protestlieder und sie skandierten "Weg mit David".

Mit "David" ist David Oddsson gemeint. Der isländische Notenbankchef machte als Ministerpräsident von 1991 bis 2004 den Inselstaat zu einem wirtschaftsliberalen Musterland. Oddsson privatisierte Banken, öffnete die Geldmärkte und ermöglichte so der Finanzbranche ein rasantes Wachstum. Nun kreiden die Isländer ihm den Absturz des Landes an."(...)




eine nachricht übrigens, die es das erste mal auch breiter in die hiesigen mainstreammedien schaffte.

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während hierzulande vor ein paar wochen die mitarbeiterInnen am hauptsitz der bayrischen landesbank in münchen für "ihren" vorstandsvorsitzenden demonstrierten - erinnern Sie sich? - , also genau den gleichen mann, der jetzt im zuge der verschärften krise dieser bank ein paar tausend entlassungen ankündigte - davon einen nicht geringen teil am hauptsitz in münchen. sollen wir das als ironische botschaft der geschichte betrachten? es ist eben sehr wahrscheinlich, dass etliche der damals demonstrierenden jetzt aus eben dem mund, vor den sie sich damals gestellt haben, ihre kündigung entgegengenommen haben. wenn das keine lernprozesse in gang bringt, was denn dann?

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und zum thema der obdachlosigkeit in den usa bzw. den zunehmenden angriffen auf obdachlose dort gibt´s jetzt einen ausführlichen
beitrag auf telepolis.

Freitag, 14. November 2008

notiz: krisennews und -gedanken (6)

zum beginn der heutigen folge zunächst ein kleines quiz - wer sagte die folgenden sehr aktuell klingenden worte bezgl. der verfassung großer teile der hiesigen bevölkerung...

"Sie lebt an sich selbst und ihrer Geschichte vorbei, die Bevölkerung der Bundesrepublik, uninformiert und unaufgeklärt, desorientiert, unentschieden zwischen BILD und RTL-News, im Bilde über "Deutschland sucht den Superstar" und die Bundesligaergebnisse, nicht über Finanzkrise und Überwachungsstaat. (...) 26 Jahre Kohl, Schröder und Merkel haben aus 80 Millionen Deutschen, Schreibern und Lesern, Politikern und Kommentatoren, Zuschauern und Produzenten an Fernsehschirm und Monitor ein Volk von Halbinformanden und Halbinformierten gemacht, von denen die einen nur die Hälfte dessen sagen, was sie wissen, von denen die anderen nur die Hälfte dessen erfahren, was sie brauchen; belastet mit Vorurteilen, umgeben von Tabus, eingeschnürt in Illusionen, so daß sie ihre eigenen Vorteile nicht mehr zu erkennen vermögen, ihre eigenen Interessen nicht mehr wahrzunehmen."

...und ihrer aktuellen regierung:

"Zu den Mitteln Großer-Koalitions-Politik gehören: die Verdrängung politischer Sachdiskussionen zugunsten von Personalfragen (!), die Unterordnung politischer Meinungsverschiedenheiten unter ein alle Personen ergreifendes Ziel. Was mit diesen Mitteln bewirkt wird, ist das, was man gemeinhin Entpolitisierung nennt. Die Politik der Großen Koalition zielt nicht auf eine regierungstreue Bevölkerung, sondern auf eine unpolitische. Regierungstreue stellt sich dann von selbst ein."

ich habe übrigens im ersten zitat insgesamt neun worte ausgewechselt / ersetzt, ohne jedoch den sinn zu entstellen. und klar sind das explizit politische kommentare, die gerade bei der beschäftigung mit "eigenen vorteilen" bzw. interessen der bevölkerung die vorhandene innere widersprüchlichkeit der als tendenziell nur "unterdrückt" bzw. "unbewusst" dargestellten interessen nicht berücksichtigen. trotzdem steckt da für mich einiges an realität dahinter, und besonders bemerkenswert daran ist - aber zur auflösung komme ich am schluß des beitrags.

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die benannte desorientierung und uninformiertheit vieler menschen hat zu einem guten teil auch damit etwas zu tun, wie dreist hier von sog. "führungspersönlichkeiten" aus politik & wirtschaft seit dem offenen "ausbruch" der krise gelogen wurde - hieß es vor ca. einem halben jahr noch "es gibt gar keine krise" bzw. " die krise ist ausgestanden" (so sinngemäß u.a. ackermann), ging es dann zur "krise als us-amerikanischem problem" (steinbrück), um inzwischen beim zugeständnis einer klitzekleinen rezession (diverse) gelandet zu sein - häppchenweise wird so das harmoniesüchtige und beruhigungswillige publikum an der kurzen leine im theater der illusionen und des als-ob geführt, auf das ja niemand auf die idee kommt, ernsthaft das nachdenken und -fühlen zu beginnen - denn wer dieses verpönte vorhaben angeht, kann längst nicht mehr über die allerorten leuchtenden roten lampen und gellenden alarmklingeln hinwegsehen und -hören. einige beispiele aus dieser kakofonie eines inzwischen täglich sichtbarer werdenden globalen (und nicht nur mehr primär ökonomischen) zusammenbruchs habe ich im folgenden zusammengestellt.

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uninformiertheit bzw. der unwillen, überhaupt etwas von den laufenden destruktiven prozessen wahrzunehmen, dürfte neben der bereits früher thematisierten sozialen trance auch an der abstraktheit liegen, die gerade ökonomische vorgänge auszeichnet und es schwer machen, so etwas wie emotionale berührung zu empfinden. das ändert sich regelmässig erst dann, wenn die abstrakten zahlen - soundsoviel prozent mehr erwerbslose, mehr obdachlose, mehr armut - mit dem konkreten schicksal von betroffenen menschen in verbindung gebracht werden. zwei visualisierte beispiele dafür, wie sich die krise in den usa auswirkt:
der zerfall in ohio, dito in californien.

neben solchen krassen verelendungsprozessen sind die weiteren aussichten für die usa derart, dass obama tatsächlich nur scheitern kann - die
kreditkartenblase beginnt zu platzen...

(...)"Meldungen, wonach immer mehr Amerikaner ihre Kreditkartenschulden nicht begleichen, haben die Finanzbranche alarmiert. Etwa 900 Milliarden Dollar beträgt die Summe der ausstehenden Kredite.

Rund 5,5 Prozent davon sind faul und selbst optimistischen Prognosen zufolge werden es schon bald mehr als sieben Prozent sein. Das Problem: Anders als Hypotheken sind Kreditkartenschulden nicht mit Vermögen besichert. Jeder Ausfall bedeutet einen Totalverlust."(...)


...und das lässt sich zwar mit diversen buchungstricks (ein bereits bei anderen müllkrediten bewährtes staatlich eingeräumtes mittel der bankster) wie weitere stückelung der in raten zurückzuzahlenden schulden, verlängerung der ratenrückzahlung etc. verlangsamen, aber letztlich nicht verhindern. es wird zeit geschunden, um den ganz großen knall jeweils auf den nächsten tag, die nächste woche oder den nächsten monat zu verschieben - zeit, die die "eliten" gerade auch dringend nötig haben, die sich alle anderen aber eigentlich überhaupt nicht mehr leisten können. zu monströs sind die
paukenschläge der desillusionierung in der us-wirtschaft, um das eigentlich wünschenswerte und überfällige ende des globalen kapitalismus unter us-vorherrschaft nicht auch mit einer ordentlichen portion beunruhigung im bauch wahrzunehmen.

denn wer wird - und zwar nicht nur monetär - für all das in vielfältigster hinsicht bezahlen? naomi klein gab neulich nicht nur auf diese frage eine
mögliche antwort, sondern auch gründe für die oben erwähnte elitäre zeitschinderei an:

(...)"In Wahrheit hat überhaupt keine Verstaatlichung stattgefunden. Da die Steuerzahler keine Kontrolle über das Rettungspaket haben, können die Banken das Geld ausgeben, wie sie wollen (für Boni und Fusionierungen), während die Regierung nur höflich darum bitten kann, man möge doch einen Teil auch für die Kredite verwenden.

Was ist also der wahre Grund für die Bereitstellung des Rettungspaketes? Ich fürchte, dass es bei dem Fonds nicht um eine einmalige Finanzspritze an das Großunternehmertum geht, sondern vielmehr darum, die Staatskasse auf Jahre hinaus weiter plündern zu können.

Man darf nicht vergessen, dass die große Sorge der Global Player, besonders der Banken, nicht der fehlenden Kreditlinie, sondern ihren fallenden Aktienkursen gilt. Investoren haben das Vertrauen in die Banken verloren - und das aus gutem Grund. Darum ist die Investition der Staatskasse so willkommen."(...)


ein szenario, welches im kern - mit ein paar länderspezifischen kosmetischen korrekturen bzw. beruhigungspillen wie gehaltsobergrenzen u.ä. - auch für die europäischen staaten zutreffend sein dürfte.

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aber immerhin bemerkenswert, dass die redaktion der frankfurter rundschau in der gleichen serie, innerhalb der naomi klein das obige verfasst hat, auch eine stimme derjenigen zu wort kommen lässt, die gerade in den kreisen von bankstern & managern vor jahrzehnten dafür sorgten, dass diese herren ihre häuser und autos zeitweise zu hochsicherheitstrakten umfunktionieren mussten - und die deshalb logischerweise auch bis heute - und aus sicht der "elite" verständlich - als eigentliches symbol für "den terrorismus" fungieren. und es wundert mich etwas, dass aus diesen kreisen noch kein empörter aufschrei mit inhalten wie "terroristisches gedankengut", "demokratiegefährdend" und was dergleichen phrasen mehr sind, zu vernehmen war - die ehemalige aktivistin der "bewegung 2. juni" und der raf,
inge viett, ruft zu nichts weniger als zur sozialen revolution auf:

(...)"Es gibt nur eine Lösung: die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die gesellschaftliche Planung von Produktion und Verteilung. Also die Enteignung der Großeigentümer. Also die soziale Revolution. Das Problem: Die Bevölkerung sieht das noch nicht, und die Linke traut sich nicht einmal, es zu sagen und noch viel weniger es praktisch zu organisieren.

Die objektiv potenziellen Gegner des Kapitalismus: die Lohnabhängigen, die Gewerkschaften, das gesamte linke Spektrum, sind auf die kapitalistische Krise nicht vorbereitet. Leider. Das Glück dabei: die faschistischen und potenziell faschistischen Kräfte sind es auch noch nicht."


und macht dabei aus meiner sicht den gleichen fehler, den ich auch beim eingangszitat konstatieren muss: die bevölkerung will mehrheitlich vielleicht auch gar nichts sehen; und die "objektiv potenziellen gegner" sind ebenfalls ein teil dieser bevölkerung, und damit den gleichen wahrnehmungsbeschränkungen unterworfen. wenn auch mit einigen schwer erarbeiteten größeren spielräumen bei den letzteren - die sog. radikale linke fängt besonders bei den schon langjährig ökonomiekritischen gruppen an, aus der starre zu erwachen. die zeitschrift wildcat kommt sowohl mit einem lesenswerten gesamtüberblick zur
globalen krise incl. berichten zu den aktuellen krisenfolgen in einzelnen staaten heraus als auch mit daran anschließenden 23 thesen, in denen sehr zu recht betont wird:

"Die Krise ist eine des kapitalistischen Weltsystems"

weitere ansätze zum besseren verständnis lassen sich bspw. auf seiten wie
krisis.org und exit-online finden. und das sind definitiv keine beruhigungspillen, die da verabreicht werden.

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aber um zu direkten berichten aus einzelnen ländern zu gelangen, ist es z.zt. nicht mal nötig, speziell auf seiten wie die gerade genannten zurückzugreifen - selbst touristische sites wie zb. über
island sehen sich genötigt, ihr publikum mit ungewohnten einblicken in die realität zu konfrontieren:

(...)"Für die Isländer hat die Krise nun auch ganz konkrete Auswirkungen. Die Inflationsrate liegt mit 14% auf Rekordniveau. Preise für Obst und Gemüse sind in den vergangenen Monaten um fast 50% gestiegen. Viele Händler und Supermarktketten können keine Devisen mehr beschaffen, um dringend benötigte Waren im Ausland zu kaufen. Die Arbeitslosenquote stieg binnen Monatsfrist von 1,3% auf 2,4%, die Zahl ausländischer Arbeitskräfte halbierte sich im gleichen Zeitraum auf knapp unter 10.000. Die Baubranche kam praktisch zum erliegen."(...)

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und wie Sie vielleicht wissen, setzt island in dieser situation voll auf den internationalen währungsfond (iwf), dessen unheilvolles treiben in der vergangenheit hier schon in einer der letzten folgen thema gewesen ist. und der iwf bleibt seiner linie konsequent treu, die da lautet:
streichungen, kürzungen, privatisierungen:

(...)"Dafür muss die Regierung in Kiew einem strikten Finanzplan folgen. Das bedeutet: Sozialleistungen einfrieren, Gaspreise erhöhen, Staatsunternehmen privatisieren und Subventionen abbauen. Die Banken werden schon seit Oktober streng reguliert.

Die Ukraine ist nach Island und Ungarn das dritte Land, das in Folge der Finanzkrise Hilfszusagen des IWF erhalten hat. Auch Pakistan hat schon angefragt. Weitere Länder könnten folgen. Spekuliert wird vor allem über Rumänien, das von der internationalen Ratingagentur Standard & Poors kürzlich in seiner Kreditwürdigkeit auf "junk" herabgestuft wurde, sowie Serbien, die Seychellen und Griechenland."(...)


natürlich gelten die genannten attribute immer nur für die jeweils breite masse, niemals aber für die leistungsträger - ob das womöglich damit zusammenhängt, dass der iwf letztlich nur ein instrument der letzteren darstellt? und deshalb auch ganz logischerweise eine "politik" des "mehr-desselben" fährt, nämlich mehr genau desselben, was in gestalt von deregulierungen, ausplünderung immer größerer bevölkerungsteile und hemmungsloser privatisierung zu einem großen teil die destruktive wucht der krise mit hervorgebracht hat. zu "reformieren" gibt´s an so einem verein nix mehr.

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was macht eigentlich unser inzwischen schon alter bekannter, der baltic dry index, der einigen aufschluss über wichtige ströme des schiffsbasierten welthandels gibt? rischtisch, er
kriselt weiter so vor sich hin:

(...)""Die Lage ist sehr ernst", meint Jeremy Penn, Präsident der Baltic Exchange, welche die Daten zum BDI-Index ermittelt. "Frachtraten sind noch nie so steil gefallen. Der Welthandel mit Rohstoffen krankt vor allem an der Schwierigkeit Akkreditive von Banken zu erhalten."

Als Ursache für die wegbrechenden Frachtraten sind neben der wegbrechenden Nachfrage, also auch die mangelnden Akkreditive, eine Art Zahlungsversprechen der Bank eines Importeurs, für die Ware eines Exporteurs Zahlung zu leisten! Für die Zahlung muss der Importeur eine entsprechende Kreditlinie bei seiner Bank haben, diese werden aber gerade massiv gestrichen! Von den weltweit gehandelten Gütern im Volumen von 13,57 Billionen Dollar in 2007, wurden 90% auf Basis der Akkreditive abgewickelt."(...)


grunsätzlich hat sich also nichts an der weiterhin prekären situation geändert, und das macht - zumindest nach meinem verständnis - auch deutlich, dass ein immer wieder postuliertes vorrangiges ziel der sog. "rettungspakete", nämlich den interbankenhandel, an dem die kreditvergabe der banken untereinander und in der folge auch an die sog. realwirtschaft hängt, wieder ins laufen zu bringen, bisher glatt verfehlt wird. und vor diesem hintergrund bekommen naomi kleins argumente zur tatsächlichen verwendung der abermilliarden weiter oben nochmals gewicht.

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aber nicht nur auf den ozeanen ist eine zunehmende leere zu beobachten, inzwischen sind auch die straßen betroffen. das legen zumindest die beiträge in einem
forum selbstständiger (lkw-)spediteure nahe, in denen sich - in etwas branchenbedingt esoterischer sprache - einträge wie bspw. die folgenden finden - auszüge:

(...)"Letzte Woche am Freitag hat ein Kollege fast 4 Stunden gesucht, bis er eine Ladung aus PLZ 4 nach PLZ 7 gefunden hat, die auch ordentlich bezahlt wurde. Ansonsten war da bis letzte Woche fast immer freie Auswahl angesagt.

Aktuell absolut tot auch auf der Relation Süd-D - Nord-D, da Exportladungen nach HH und HB zwar stockend laufen, aber alles andere fast zum Erliegen gekommen ist.
Daimler hat faktisch die 4-Tage-Woche eingeführt, sodaß freitags im Raum Stuttgart mehr als 100 Linien nicht bedient werden.....
Heute in Heilbronn im Hafen standen mind. 20 Sattelzüge aus TR, die teilweise schon seit Tagen auf Rückladung warten....(...)
Daimler stellt 63 Mio. @ bereit, um die Gefahr von drohenden kurzfristigen Händlerinsolvenzen vorübergehend zu bannen und den Händlern werbetechnisch und bei Vorführfahrzeugen unter die Arme zu greifen
Bosch arbeitet ab nächste Woche für 6 Monate in Bamberg kurz, weitere Werke werden folgen -> das große Zulieferersterben setzt ein.

Und die TU sind dann die nächsten....wir müssen uns ganz warm anziehen!"

(auf der ersten seite unten)


und zusammenfassend wird auf seite 11 ein medienbericht zitiert:

"Ertragslage bei den Verkehrs- und Logistikfirmen verschlechtert sich „dramatisch“
München. „Der Wirtschaftsbereich Verkehr und Logistik befindet sich derzeit am Rande einer Rezession“, heißt es in einem Bericht der Creditreform, der der VerkehrsRundschau vorliegt. Danach ist der Branchenindex Verkehr/Logistik im dritten Quartal um 3,5 Punkte auf 0,3 Punkte abgestürzt. Das war der schwerste Einbruch des Index seit dem Beginn der Berechnungen. Die Branche liegt in dieser Wertung mit Abstand auf dem letzten Platz von insgesamt elf analysierten Wirtschaftszweigen.

Laut dem Bericht erzielten lediglich 31,3 Prozent der Betriebe aus dem Sektor Verkehr und Logistik ein Umsatzplus. 21,5 Prozent der Unternehmen vermeldeten im dritten Quartal 2008 einen Umsatzrückgang. Die zukünftige Situation wird ebenfalls skeptisch beurteilt. 28,8 Prozent rechnen mit steigenden, nahezu gleich viele Unternehmen (27,5 Prozent) mit sinkenden Umsätzen.

Doch viel entscheidender: Die Gewinne stürzen ab. „In den zurückliegenden Monaten verschlechterte sich die Ertragslage in der Verkehrs- und Logistikwirtschaft dramatisch“, schreiben die Experten von Creditreform. Nur 15,9 Prozent der Logistikfirmen verzeichneten demnach Ertragssteigerungen. Bei 56 Prozent hingegen verschlechtern sich die Ertragszahlen."(...)


die dortigen teilnehmer berichten übrigens auch von leerer werdenden autobahnen in ländern wie spanien und italien.

*

bei den stichworten "spanien" und "autos" kam mir übrigens auch eine
meldung in erinnerung, die in den hiesigen medien bestimmt nicht zufällig bestenfalls unter "ferner liefen" rangierte - angst, dass das dargestellte schule machen könnte?

"Die Krise der Automobilindustrie hat in Spanien zu einem Gewaltausbruch geführt. In Barcelona griffen Nissan-Arbeiter den Verwaltungssitz des japanischen Autobauers an. Sie bewarfen das Gebäude mit Steinen, Eiern und Knallkörpern.

Zuvor hatten sich Hunderte Beschäftigte zu einem Protestmarsch versammelt, um gegen die von Nissan geplanten Stellenstreichungen zu demonstrieren. Wie Autobauer weltweit leidet auch Nissan unter dem Nachfrageeinbruch und will in Barcelona mehr als anderthalbtausend Arbeitsplätze abbauen. Außerdem soll die Produktion zurückgefahren werden."(...)




und ich wette, dass Sie von protesten ähnlichen kalibers anlässlich einer
werftenschließung in gijon gleichfalls nichts mitbekommen haben - oder?

*

aber es ist zugegebenermaßen inzwischen auch so gut wie unmöglich geworden, den tag für tag einströmenden krisennachrichten auch nur ansatzweise zu folgen, und in meinem kopf spukt seit ein paar tagen die idee herum, dass vielleicht ein neues - und kollektiv betriebenes - blog sinnvoll wäre, welches sich nur darauf konzentriert, entsprechende informationen zu sammeln und zu verbreiten. alleine diese arbeit ist immens, aber nötig, weil wir davon ausgehen müssen, dass im weiteren verlauf eskalierende soziale unruhen aller art konsequent medial zensiert werden. wie sehen Sie da draußen das?

*

tja, und gerade die leerer werdenden autobahnen sind durchaus ein symbol für die zwiespältigkeit der ganzen geschichte, die ich in den letzten beiträgen dieser reihe schon thematisiert habe. es bleibt dabei, dass ich viele wirkungen der krise durchaus für wünschenswert halte, gerade was einen auf vielfältige weise und zwangsläufig zurückgehenden konsum anbelangt, an dessen durchweg negativen begleiterscheinungen wir uns über die jahrzehnte angewöhnt haben, konsequent vorbeizuschauen. andererseits fehlt natürlich weiterhin eine grundsätzliche alternative, was nur den schluß zulässt, dass es jetzt und hier an der zeit ist, eine eben solche zu entwickeln. ja, ich bin ganz unbescheiden. und lege noch eine phrase aus dem depot des positiven denkens nach: "es ist notwendig, daher ist es möglich". gefällt mir in situationen wie diesen immer wieder ganz gut.

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von wem die zitate am anfang denn nun sind? nun, die schrieb eine kolumnistin der zeitschrift "konkret" jeweils 1964 und 1966. ihr name war ulrike meinhof, und bemerkenswert finde ich die fast schon unheimliche kontinuität bezgl. der inneren verfassung großer bevölkerungsteile hier, die es möglich macht, über 40 jahre später die zitate als aktuell treffend zu empfinden. das sagt auch viel über die "alte brd" aus, der heutzutage so einige immer noch hinterhertrauern. und es sagt keinesfalls etwas gutes aus.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

notiz: krisennews und -gedanken (5)

schwer tue ich mich heute damit, den neuesten teil meiner keinesfalls eingeplanten reihe zu schreiben - je mehr ich mich mit den aktuellen ereignissen befasse, desto mehr steigt tag für tag meine fassungslosigkeit. es ist so, wie in einem vollbesetzten bus zu sitzen, dessen fahrer - halluzinierend im delirium vor sich hin brabbelnd ("es iiiissst alllles in ooordnung", so schallt´s von zeit zu zeit aus dem bordlautsprecher) - mit vollgas kurs auf einen abgrund genommen hat. und sich die meisten passagiere strikt weigern, auch nur einen hauch der realen situation wahrzunehmen und stattdessen ihre galgenfrist wahlweise damit verbringen, angeregt über ihre neuen klamotten, den jüngsten vip-skandal oder das wetter zu plaudern. andere liegen tief schlafend mit kopfhörern in ihren sesseln, während der große rest gebannt auf das bord-tv starrt, auf dem die daily-soap gerade einem neuerlichen höhepunkt entgegenstrebt. das bedenkliche schlingern des fahrzeugs durchaus ignorierend, stopfen sie sich dabei mit cola und chips voll.

"ich raff es nicht. sind die alle unter hypnose...?" stellte gestern ein user bei telepolis hinsichtlich der bisher fehlenden massenreaktionen bezgl. der krise eine frage, auf die ich am ende des beitrags noch einmal zurückkommen werde.

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zunächst aber eine reihe von links, bei denen ich trotz ihrer durchweg unerfreulichen bis bedrohlichen inhalte zu intensiver lektüre rate.

der im letzten teil erwähnte "baltic dry index" bezieht sich nicht auf fertigprodukte und containertransporte, sondern auf rohstoffe in form von massengut - das können sowohl bspw. metalle, kohle, aber auch getreide sein. das zum beginn als klarstellung, weil ich mich neulich mißverständlich ausgedrückt hatte. meine folgerung jedoch betreff möglicher versorgungsengpässe innerhalb absehbarer zeit wird davon nicht tangiert, da die fraglichen rohstoffe eine wichtige basis der ökonomischen prozesse darstellen. und es ist weiter
keine entspannung der situation erkennbar:

(...)"Der Baltic Dry Index fiel heute zum ersten Mal seit 6 Jahren unter die 1000 Punkte Marke.(...)

Gewaltige 90% des Welthandels werden über dem Seeweg abgewickelt und auch hier funkt die Kreditkrise ordentlich dazwischen, denn Ursache für die wegbrechenden Frachtraten sind neben der wegbrechenden Nachfrage, die mangelnden Akkreditive, eine Art Zahlungsversprechen der Bank eines Importeurs, für die Ware eines Exporteur Zahlung zu leisten! Für die Zahlung muss der Importeur eine entsprechende Kreditlinie bei seiner Bank haben und diese werden gerade massiv gestrichen! In Folge stürzen nicht nur die Frachtpreise, sondern auch die Frachtraten, Teile des Welthandels kollabieren.(...)

Wenn sich die negativen Auswirkungen der Kreditkrise auf den internationalen Welthandel per Seeweg sich nicht zügig auflösen, wird es in ein paar Monaten zu Versorgungsengpässen kommen, denn die wegbrechende Nachfrage ist nur für einen Teil des Einbruchs beim BDI auf den tiefsten Stand seit 2002 verantwortlich!"


(nochmals dank für die erläuterung der situation an wirtschaftsquerschuss.)

real bedeutet das dann folgendes - ein
beispiel:

(...)"Geradezu erschreckend sind Berichte über Brasilien, wo das Eisenerz in den Häfen liegt, und nicht zu den Abnehmern in China verschifft werden kann, weil Kreditbürgschaften von Banken für die Reedereien nicht mehr verfügbar sind. Die Gewinne der Hafenbetreiber in Brasilien, aber auch in China und an anderen wichtigen Umschlagplätzen der Welt sind um 30 bis 40 Prozent gefallen."(...)

wobei die gewinne der hafenbetreiber das kleinste problem darstellen, wenn diese entwicklung in der form weitergeht. was auch an entsprechenden
nachrichten aus den usa deutlich wird:

(...)"Große Unterbrechungen sind im Verteilungssystem zu beobachten. Aktivkredite werden routinemäßig von jenen Exportnationen nicht mehr gewährt, die den US-Quellen misstrauen. Es wird von einem Einbruch des Lieferverkehrs zu westlichen US-Häfen von 10% - 20% berichtet. Schiffe liegen in asiatischen Häfen leer, einige sind sogar beladen, werden aber abgehalten von ihren Reisen zu US-amerikanischen und europäischen Häfen. Selbst einige Hersteller von Frachtcontainern sind schwer davon betroffen, da die Kredite auch ihre Produktionsprojekte unterbrechen. Indische Produzenten fordern oft 100% Vorkasse gegenüber den Einzelhändlern an der Ostküste - was wiederum zeigt, wie stark das Misstrauen ist. Fast die gesamte Aufmerksamkeit galt den Banken, Kreditmärkten und Aktienmärkten. Die US-Wirtschaft bewegt sich von einer Rezession hin zu etwas anderem, als es das Wort Depression beschreiben würde. Die aktuellen Unterbrechungen sollten in Wirklichkeit eher als Auflösungsprozesse betrachtet werden. Kurzfristige Kreditvergabe müsste schon bald die Verteilungskanäle Straße und Schiene im Innenland stark in Mitleidenschaft ziehen - sehr ähnlich dem Chaos, das dem Überseehandel durch die Aktivkredite entstanden ist."(...)

lesen Sie im übrigen ruhig den ganzen beitrag durch, um einen eindruck davon zu erhalten, in was für einem stadium des verfalls sich die us-amerikanische ökonomie und gesellschaft inzwischen befindet. es geht dort drüben definitv zu ende.

*

und zwar zu einem ende mit wahrscheinlich großem
schrecken:

(...)"Wie die „Washington Post“ in ihrer Montagsausgabe berichtet, hat die Nachfrage nach Schusswaffen in den USA seit dem Jahresbeginn um acht bis zehn Prozent zugenommen.

„Sehen Sie sich die politische und die Finanzlage an. Das ist der gesunde Menschenverstand. Die Menschen sind erschrocken“, sagte der Inhaber der Waffenhandlung Russell's Gun Emporium in Hagerstown (Maryland).

„Jetzt bereiten sich die Menschen auf eine Katastrophe vor. Das ist eine Art Versicherung. Wenn der Markt zusammenbricht, die Menschen ihre Arbeit verlieren und es dazu noch illegale Einwanderer gibt, ist die Wahrscheinlichkeit von Ausschreitungen sehr hoch“, so ein Kunde eines Waffenladens in Manassas (Virginia)."(...)


(mehr zum gleichen thema auch bei
tp.)

und wer gestern abend zufällig auf arte die dokumentation über den schusswaffengebrauch in großen us-amerikanischen städten gesehen hat, kann sich ungefähr ausmalen, welches szenario sich da anbahnt. da macht die bereithaltung aktiver armee-einheiten für den einsatz im inneren aus sicht der "eliten" schon sinn.

*

hinsichtlich der finanzmärkte (und auch vieler staatlicher währungen) bahnt sich eine weiterer crash in
osteuropa an:

(...)"Aber es ist insbesondere die Entwicklung in den Ländern des sogenannten Neuen Europa, welche die reale Gefahr eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs heraufbeschwört. Die droht, sich als zweite Welle mit noch verheerenderen Folgen auf den bereits stark angeschlagenen Finanzsektor der westeuropäischen Kernländer der EU auszuwirken. Denn die osteuropäischen Länder (ohne Rußland), die insgesamt die gigantische Summe von 1,6 Billionen Dollar geliehen haben, haben zunehmende Probleme, die Zinsen und die Tilgung zu bewältigen, zumal es wegen der eingefrorenen Kreditmärkte nicht länger möglich ist, die alten Kredite mit neuen zu bezahlen.

Da die neue Bourgeoisie in Osteuropa ihren westlichen Vorbildern in nichts nachstehen wollte, hatte sie sowohl ihre Investitionen als auch ihren aufwendigen Lebensstil weitgehend auf Pump errichtet, wobei das nötige Geld vorwiegend aus Westeuropa kam. Damit wurden glitzernde Prestigeprojekte und Shoppingcenter mit Luxusläden errichtet, in denen die neue Oberschicht ihren Reichtum ungeniert zur Schau stellte. Nun aber ist auch diese Blase geplatzt, und Finanzexperten befürchten, daß das Chaos an der EU-Peripherie schon bald zu einer Kettenreaktion innerhalb der Eurozone führen könnte."(...)


zur abwendung des staatsbankrotts musste sich ungarn bereits einen kredit vom internationalen währungsfond beschaffen; weitere staaten - und zwar nicht nur in osteuropa - werden folgen. wer sich ein wenig mit der geschichte des iwf und seinem durchweg unheilvollen wirken auskennt, wird über die
folgen der kreditaufnahme in ungarn nicht erstaunt sein:

(...)"Im Gegenzug für ein Hilfspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF) muss die ungarische Regierung ihnen Sparkurs weiter verschärfen.Ein Teil der 13. Monatsrenten werden gekürzt, und das 13. Monatsgehalt wird für einen Großteil der öffentlich Bediensteten gestrichen."(...)

denn diese verschärfungen (im haushaltsplan) der hilfesuchenden staaten sind regelmässig die pferdefüße der iwf-kredite, bei denen es in der folge dann zu einer breiten und massenwirksamen allgemeinen verarmung der bevölkerung kommt - besonders krass zu besichtigen in der vergangenheit vieler südamerikanischer staaten. der iwf ist kein altruistischer club, sondern eine organisation, die ebenso wie die weltbank primär den imperialen interessen vornehmlich der westlichen "eliten" dient.

*

aber warum in die ferne schweifen, wenn im zuge der krise fast wöchentlich dinge sichtbar werden, die bei näherer betrachtung aufgrund ihrer immanenten frechheit sprachlos machen? wenn Sie gestern die grotesken entwicklungen rund um die vw-aktie verfolgt haben, wird Sie vielleicht ein beitrag bei weissgarnix interessieren: zur
skizzierung eines bösen verdachtes.

*

vor diesem hintergrund wünscht man sich glatt mehr aktionen wie vorgestern von attac - egal, wie man im einzelnen zu ihren durchaus nicht weit genug gehenden forderungen steht. für alle, die´s noch nicht gesehen haben:



*

zwei neue warnungen, die aus der finanz-/banken-/investoren-szene kommen:
warnung vor einer weltweiten krise sowie die warnung vor einem mega-domino-day des weltfinanzsystems.

ich kann nur nochmal meine meinung von neulich zum besten geben: wenn diese strukturen zusammenbrechen sollten, ist das eigentlich aufgrund ihrer immanenten destruktivität ein grund zur freude, die jedoch stark dadurch getrübt wird, dass es bisher keine sichtbaren zeichen einer alternativen und qualitativ sozialeren ordnung gibt, die kurzfristig und von vielen menschen getragen einspringen könnte. "revolutionäre situation ohne revolutionäre", so wurde das neulich in einer privaten mail auf den punkt gebracht. und das deutet auf verdammt unerfreuliche zustände hin.

*

zustände (zunächst noch primär ökonomische), die im nächsten link spezifisch für d-land ohne dramatisierung versucht werden zu beschreiben:
wie schlimm kann es kommen?

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ein problem bei den sich primär auf die sich entfaltende weltwirtschaftskrise beziehenden ausblicken und analysen liegt meiner meinung allerdings darin, dass sie den möglichen symptomcharakter der krise nicht berücksichtigen - symptom in dem sinne, dass sich hier eine grundsätzliche und möglicherweise finale krise der gesamten industrialisierten und westlich verfassten / orientierten welt anbahnt - wir stoßen in jeder hinsicht auf unsere
grenzen:

(...)"Hat man gestern erst erfahren, dass der Credit Crunch laut Bank of England geschätzte Verluste im Wert von 2,8 Billionen Dollar mit sich bringt, so beziffert der aktuell veröffentlichte Living-Planet-Bericht die ökologischen Kosten, die durch die Ausbeutung der Erde entstehen, auf 4 bis 4,5 Billionen US-Dollar pro Jahr. Die Umrechnung basiert wiederum auf einem UN-Bericht, der die wirtschaftlichen Kosten berechnet, die durch den Ausfall bestimmter Teile des Ökosystems entstehen.

In Prozentzahlen sieht das Ergebnis des Berichts allerdings nicht weniger beindruckend aus: Um 30 Prozent übersteigt unser Ressourcenverbrauch die Menge dessen, was die Erde jährlich wieder regenerieren kann. Die Folgen der Ausbeutung kennt man in diesen Stichpunkten seit Jahrzehnten: Entwaldung, erschöpfte Böden, verschmutzte Luft, verschmutztes Wasser, Überfischung, Schwund der Arten."(...)


ich will mich jetzt nicht schon wieder über die grundsätzlich pervertierte wahrnehmungsweise auslassen, die da die gesamte natur nur noch in ökonomischen (was nichts anderes heisst als: objektivistischen bzw. objektivierbaren) kategorien erfassen kann. wenn allerdings auch innerhalb dieser kategorien alle lampen auf grellrot springen, so ist das als weiteres menetekel an der wand zu betrachten. es geht letztlich darum, das und
wie unser wirtschaftssystem die erde tötet.

der westen (als repräsentant des kapitalismus) hat im wahrsten sinne des wortes abgewirtschaftet.

*

und damit zurück zum beginn des beitrags - es ist vor dem eben umrissenen eigentlich kein wunder, dass bei der aussicht auf derart gewaltige um- und zusammenbrüche eine mehrheit der hiesigen bevölkerung nichts mitbekommen will - ja, will. denn auch wenn die materie gerade bezgl. der ökonomie komplex ist, so sind doch für alle interessierten die nötigen informationen (noch) vorhanden, um sich ein wie rudimentär auch immer ausfallendes bild der situation machen zu können. bezgl. dieses punktes gibt es keine entschuldigung. es muss also etwas mit der eigenen motivation, den verbreiteten inneren strukturen und auch mit der eigenen wahrnehmung zu tun haben, wenn hier bisher weiter "alltag" gespielt wird. ein wichtiger punkt ist dabei sicherlich die schon neulich aufgegriffene
soziale trance, zu der die propagierung von "privatheit" (in der form als synonym von vereinzelung) sicher viel beiträgt. will sagen: uns fällt jetzt die allgemeine schädigung der beziehungsfähigkeiten (und damit auch schädigung der fähigkeiten zum kollektiven handeln) voll auf die füße. und als eine folge davon werden wir im zuge der weiteren eskalation der krise mit zunehmend destruktiver werdenden ängsten und aggressionen rechnen müssen - hatte ich zwar neulich ebenfalls schon mal ausgeführt, aber ich halte es für sehr wichtig, sich über diese aspekte ganz klar zu werden. und speziell über diese punkte muss dringend mehr geredet werden.

notiz: zur professionellen fake-industrie namens "public relations"...

...hatte ich in der vergangenheit u.a. schon den beitrag mit dem titel fiktionale glaubwürdigkeit geschrieben und dort bereits die wichtigsten züge dieser mitproduzenten des als-ob-lebens skizziert. als nachtrag empfehle ich nun die lektüre dieses artikels, der nicht nur wegen der beschriebenen inneren auseinandersetzungen dieser branche bande von konstrukteuren virtueller und verkaufsfördernder (wahn-)welten interessant ist, sondern auch eine aufschlußreiche information zu ihrer entstehungsgeschichte (zumindest in d-land) enthält:

(...)"Mit meiner Arbeit diene ich der Öffentlichkeit", beginnt Regel eins der brancheninternen Selbstverpflichtungen. "Wahrhaftig" solle der junge PR-Berater sein - das steht ebenfalls im ersten Branchengebot. Doch schon beim Blick auf die eigenen Vorbilder kommen an der Wahrhaftigkeit der Zunft leichte Zweifel auf: Der Nachwuchspreis trägt den Namen Albert Oeckls. Oeckl hat den Beruf des Imagekonstrukteurs von der Pike auf gelernt - in der Münchner Landesstelle des NS-Propagandaministeriums. Später war er in einer Wehrmachtseinheit für psychologische Kriegsführung. Sicher, nach dem Krieg bekam Oeckl auch das Bundesverdienstkreuz - er habe geholfen, das negative Image von PR zu beseitigen und sie zu einer "unentbehrlichen Mittlerfunktion" gemacht, würdigte Helmut Kohl."(...)

und das ist offensichtlich nur die
spitze des eisbergs:

(...)"Einer größeren Öffentlichkeit dürfte es immer noch weitgehend unbekannt sein, daß PR bereits während des NS-Faschismus ein wichtiges Diskussionsthema unter deutschen Werbefachleuten war. Spätere bundesdeutsche "PR-Päpste", wie etwa Carl Hundhausen, arbeiteten bereits damals an der gesellschaftlichen Etablierung unternehmerischer Public Relations und interpretierten diese für die deutschen Verhältnisse."(...)

im gerade verlinkten text wird sehr deutlich herausgearbeitet, wer die interessenten bzw. profiteure an "pr" und was ihre interessen von beginn an waren. diese sog. berufsgruppe gehört (neben anderen) wegen erwiesener gemeingefährlichkeit schlicht und einfach auf den müllhaufen der geschichte (das wird mächtig voll werden dort.)

Freitag, 24. Oktober 2008

notiz: krisennews und -gedanken (4)

es lässt sich in diesen tagen noch weniger als sonst vermeiden, dass ich thematisch wild springe und von einem tag auf den anderen beiträge vorziehe bzw. vorläufig liegenlasse. das nur zur erklärung vorneweg für diejenigen unter den leserInnen, die auf bestimmte fortsetzungen warten.

*

aber ich hoffe, dass auch die gerade angesprochenen von einem text angeregt werden können, der unter dem pseudo "res publica" als kommentar unter einem beitrag auf indymedia mit
dem großen schweigen der linken hinsichtlich der aktuellen ereignisse befasst. da in dem kommentar einiges steht, was ich und vermutlich auch andere ebenfalls so formulieren könnten, werde ich ausführlich zitieren.

"Anspruch und Wirklichkeit der sogenannten "radikalen" Linken stehen (nicht nur) in Deutschland in einem geradezu grotesken Missverhältnis. Das zu sehen braucht man keine Brille.

Die sich zusammenbrauende heftige Weltwirtschaftskrise hat zu einer Krise der neoliberalen Ideologie geführt. Hektischen Reparaturversuchen des zusammenbrechenden Kasinokapitalismus steht die Beschwörung der guten alten "Sozialen Marktwirtschaft" gegenüber, bzw. der sozialdemokratischen Variante des Keynesianismus. Ein Heiner Geißler und ein Oskar Lafontaine erscheinen heute als Speerspitzen dieser beiden Fraktionen des "vorwärts - zurück in die Gute Alte Zeit". Nur blöd, dass es diese nicht mehr geben wird."


insgesamt zustimmung.

"Sicher ist nur, dass man uns bald Blut, Schweiß und Tränen ankündigen wird, wenn die Krise erst mal durchschlägt. Für einen großen Teil der Menschheit ist das ja sowieso Alltag, wie hier von "Ananda" richtig festgestellt wurde. Der Ruf nach dem "starken Staat" wird dann wieder Zulauf haben, Konjunktur für Demagogen und autoritäre Figuren."

auch hier deckt sich das mit meinen einschätzungen. warten wir nur einmal ab, was passieren wird, wenn uns demnächst jeden morgen
nachrichten wie diese in die augen springen:

"Der Wolfsburger Autobauer Volkswagen will angeblich die Beschäftigung von Leiharbeitern drastisch einschränken. Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Freitag plant Europas größter Autohersteller, sich von einem Großteil der insgesamt 25.000 Leiharbeiter zu trennen."(...)

- so werden auf die dauer auch dementis von vorständen (die allgemeine legitimationskrise wird zunehmend sämtliche systemrepräsentanten als dauerlügner dastehen lassen) oder auch betriebsräten (was gerade bei vw nicht einer gewissen ironie entbehrt - wenn Sie verstehen, was ich meine) als ungefähr so werthaltig erachtet werden wie sagen wir mal ein lehmann-zertifikat. bitte nicht falsch verstehen: ich habe einiges gegen leiharbeit und halte ebenso das produkt "auto" für etwas, was insgesamt aus diversen gründen als auslaufmodell betrachtet werden muss. bloß: da der aktuelle gesellschaftliche konsens in diesen fragen frontal entgegengesetzt aussieht, werden alle betroffenen den eigentlich wünschenswerten und notwendigen verlust mangels praktitabler alternativen als katastrophe ansehen - und genau das ist dann der boden, auf dem dann auch faschistoide bis offen faschistische alpträume wuchern, die den leuten zumindest eine gewisse materielle grundsicherheit versprechen - egal zu welchem preis (das sie dazu wesentlich auch an die kollektiv verbreiteten psychophysischen deformierungen anknüpfen müssen, ist eine binsenweisheit).

"Linke Gegenmodelle? Wenn der "Prophet" schreibt: "Dezentralismus und Regionalwirtschaft mit transnationalen Freundschafts- und Handelsbeziehungen ohne Grenzen" so geht das in die richtige Richtung, zumindest was die territoriale Organisation angeht. Vielleicht wird dies aus nackter Not geboren werden müssen, wenn Welthandelsströme zusammenbrechen oder zumindest stark gestört werden."(...)

da sind sie schon wieder, die welthandelsströme, die ich in den letzten teilen meiner kleinen krisen-reihe hier regelmäßig erwähnt hatte. und ich muss heute sagen, dass ich mich in meinem vorsichtigen optimismus neulich getäuscht hatte - über das (übrigens sehr lesenswerte) blog wirtschaftsquerschuss bin ich gestern über den
chart des tages gestolpert:

(...)"Der Baltic Dry Index ist ein Index für Frachtpreise auf internationalen Standardrouten für das Verschiffen von Massenfrachtgut. Er setzt sich aus vier Sub-Indizes zusammen, die verschiedene Schiffsklassen für das weltweite Verschiffen der Hauptfrachtgüter, wie Kohle, Eisenerze und Getreide abbilden. Der BDI ist auch als weltweiter vorlaufender Konjunkturindikator geeignet."(...)

dieser chart bildet also denjenigen teil der welthandelsströme ab, der sich auf den meeren bewegt - und befand sich bis gestern unaufhaltsam auf crashfahrt. das problem der "letter of credit" scheint sich also bisher in keiner weise auch nur ansatzweise entspannt zu haben. und das heisst nichts anderes, als das es jetzt nur um die frage geht, wann mit ersten lieferschwierigkeitenauch in Ihrem discounter um die ecke zu rechnen ist. und spätestens dann ist der zeitpunkt gekommen, um die gedanken von "res publica" weiterzuspinnen.

(...)"Eine weltoffene, also transnational vernetzte Regionalwirtschaft ist sicher ressourcenschonender und krisensicherer als die Form der globalen "Arbeitsteilung" die wir jetzt haben. Wir werden dies wahrscheinlich erst lernen, wenn die Karre im Dreck steckt. Angesichts der heraufziehenden Krise sollte man jetzt beginnen, sich ernsthaft Gedanken zu machen, wie eine solidarische Form des Überlebens organisiert werden kann, die mit der Not auch die Lohnarbeit als Perversion menschlicher Produktivität und die Staatsform als Perversion des Gesellschaftlichen überwindet."

ja, wir sollten nicht unbescheiden sein und die floskel von der "krise als chance" tatsächlich ernstnehmen - es ist entgegen aller offiziellen und öffentlichen beruhigungspillen weit und breit kein anzeichen dafür zu erkennen, dass sich die kapitalismusinterne demontage irgendwie abschwächt - im gegenteil.

und ich kann für mich nur wiederholen, dass ich das eigentlich auch kein stückchen schade finde - unsere ökonomischen und gesellschaftlichen strukturen sind in weiten teilen destruktiv, pathologisch und letztlich suizidal. und je früher sie ihr zwangsläufiges ende finden, ohne zu große teile der existierenden menschlichen und natürlichen basis mitzureissen, umso besser. den riesigen haufen arbeit mit dem angesammelten giftmüll bekommen wir kollektiv, aber auch ganz individuell jeder und jede von uns, sowieso - da sehe ich keinen ausweg.

das große problem dabei ist allerdings wie neulich ebenfalls schon mal skizziert die große zahl derjenigen, die nicht mehr in der lage sind, sich ein qualitativ ganz anderes leben auch nur vorzustellen, geschweige denn zu wünschen. und diese werden beim fortschreitenden übergreifen der krisensymptome in ihren alltag eher mit massiven ängsten und damit einhergehenden negativen aggressionen reagieren - das ist meiner meinung nach das hauptproblem, für das gangbare lösungswege weiterhin ausstehen. es wird alles auf viel improvisation herauslaufen müssn.

"Die Weltrevolution auf einen Schlag und den Sprung ins vollkommunistische Paradies gibt es sowieso nicht. Irgendwo muss man anfangen. Im Zeichen dieser unvermeidlich heraufziehenden Krise gehen vielen Menschen die Augen auf; sicher nicht allen, und die meisten werden wohl erst aufwachen, wenn sie mit dem Kinn auf dem harten Pflaster der Realität aufschlagen. Aber die Vielen, die sich jetzt fragend umschauen und wissen wollen, in welchem Film sie sind, oder es vielleicht auch ahnen, brauchen jetzt eine Orientierung. Die bietet ihnen vordergründig - wenn es gut geht - "Die Linke". Aber die wachsenden Stimmanteile für diese Partei sind nicht mehr als ein Gradmesser für ein Unbehagen, das in der Gesellschaft vorhanden ist, und das z.Zt. zum Glück noch eher nach links drängt als nach rechts."

wenn ich mir die äußerst staats- und systemtragende rolle anschaue, die "die linke" (als partei) bisher in dieser krise spielt, so weiß ich nicht, wie ich das wirklich finden soll. das kleinste übel ist eigentlich in meinen augen nicht wirklich eine option. es fällt allerdings tatsächlich auf, dass die bisher wahrnehmbaren proteste "auf den strassen" wenn überhaupt aus der ecke kommen, die man als "sozialdemokratische linke" bezeichnen könnte - das ist nicht nur hier so, wo bspw. attac für den 30. oktober ("weltspartag") zu
bundesweiten protesten aufruft, sondern bspw. auch in der schweiz:

(...)"Mit einem Pfeifkonzert auf dem Zürcher Paradeplatz haben Demonstranten gegen den staatlichen Rettungsanker für die Grossbank UBS und die Millionen-Boni für die Banker protestiert. Für etwa eine Stunde blockierten sie mit einem Sitzstreik auch den Haupteingang der UBS-Filiale. Zu der Kundgebung im Herzen des Schweizer Bankensektors hatten die Gewerkschaft Unia und Linksparteien aufgerufen."(...)

bestenfalls sind das die ersten anzeichen dafür, dass sich die paralyse von oppositionellen kräften aller coleur sehr langsam zu lösen beginnt. auch wenn die forderungen keinesfalls weit genug gehen. aber genau das ist auch der faden, an dem der/die kommentatorIn bei indy spinnt, auch wenn zunächst das worst-case-szenario umrissen wird:

"Der Staat wird im Fall einer ernsthaften Krise zum Notstandsstaat werden, da muss man sich keine Illusionen machen. Die jetzt durchgepeitschten Maßnahmen zur Bankenrettung haben schon den Charakter von Notverordnungen mit parlamentarischer Absegnung. In den USA wurden sogar Kongressabgeordnete vor der zweiten Abstimmung über das Rettungspaket mit der Möglichkeit der Einführung des Kriegsrechts im Fall einer erneuten Ablehnung zur Zustimmung erpresst. Man muss das Ernst nehmen. Der Kapitalismus wird, wenn er in Gefahr gerät abzukacken, zu harten Mitteln greifen."(...)

keinerlei einwände, im gegenteil: ich finde, dass sich wirklich soviele menschen wie möglich über diese option des systems klar werden müssen - hier ist jede illusion hochgefährlich!

"Langer Rede kurzer Sinn: auch ich weiß nicht, wie wir hier raus kommen, und ob überhaupt. Eines aber noch: man muss mit den Leuten reden; in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, an Schule und Uni, egal wo. Reden: nicht belehren, nicht irgendwelche Flugblatttexte abspulen, fragen, fragen, antworten und wieder fragen. Man kann überraschende Erlebnisse haben, auch bei Menschen, die man erstmal gar nicht sympathisch findet. Es ist nicht der Mangel an Zorn, es ist der Mangel an Vertrauen in die eigene Kraft und noch mehr Mangel an Vertrauen in "die Anderen". Wie oft hört man: in diesem Land steht doch keiner auf... oder: uns geht es einfach noch viel zu gut. Eigentlich sollte man all diese Leute mal beim Genick nehmen und sagen: so jetzt gehen wir mal all die Leute treffen, die das Gleiche sagen wie du..."

ja, damit muss es losgehen - treffen im freundeskreis, mit nachbarn, bei denen ein gespräch möglich ist, auf der arbeit...dabei werden einem natürlich auch immer mehr oder weniger große stücke der jeweils vorhandenen eigenen und fremden psychophysischen systemspezifischen defekte auf die füße fallen, welche gerade häufig zu kommunikationsstörungen führen - aber auch die gilt es dann im falle des falles zu bearbeiten, soweit wie möglich. jedenfalls soweit, um überhaupt erstmal gespräche in gang zu bekommen, die diesen namen auch verdienen.

den abschließenden hauptgedanken von "res publica" finde ich persönlich sehr spannend:

"Und dann bilden wir RÄTE. Ja, Räte. Ratschläge. Wir wissen jeder für sich nicht viel. Aber alle zusammen halten wir das Ganze am Laufen. Was passiert, wenn das Blut in den Adern des Kapitalismus, das Geld, stockt? Dann haben wir es mit einem Leichnam zu tun, scheinbar. Aber die Fabriken sind noch da, die Verkehrsmittel sind noch da, die Lagerhallen, die Büros... und die Beschäftigten, ihr, wir alle - nur stehen wir vor den Toren, weil das Geld nicht mehr fließt. Wir können das Zeug in Betrieb setzen und das Lebensnotwendige erzeugen (natürlich wird es Engpässe geben), wir werden einen bescheidenen Wohlstand für alle hinkriegen... aber wir müssen uns einen Kopf machen, es ist Arbeit, Bestandsaufnahmen sind nötig, wer weiß was, wer hat welche Fähigkeiten... Dies, ich nenne es mal Vorbereitungen auf den Fall X, muss natürlich auch über das Internet geschehen (solang es noch möglich ist). Man müsste, nein man muss, jetzt damit anfangen."

falls dieser punkt erreicht wird, könnten wir tatsächlich sagen: geschichte wird gemacht. aber ebenfalls würde dieser punkt auch eine finale herausforderung des systems (stichwort: fetisch und halluzination "privateigentum") bedeuten - ende offen. aber ich muss sagen, dass es schon was sehr reizvolles hat, das obige szenario konkreter durchzuspielen. praktische erfahrungen gibt´s da übrigens u.a. aus argentinien.

"Also: bilden wir Räte. Fangen wir ganz klein an. Aber fangen wir an."

vielleicht überdenken Sie nochmal Ihre wochenendplanung?

Montag, 20. Oktober 2008

notiz: krisennews und -gedanken (3)

zunächst noch eine antwort @bibi:

wenn ich deine grundthese richtig verstanden habe, siehst du im großen und ganzen die derzeitige krise als strategisches manöver an, um die blöden schafe weiter unbeschwert, aber verschärft, ausnehmen zu können? ich kann dem nur teilweise zustimmen: sicher wird derzeit viel versucht, um erstens am bestehenden system nicht zu rütteln (dazu gehört auch die altbewährte sozialisierung von verlusten), und zweitens die handelnden (und immer noch mächtigen) protagonisten soweit aus der schußlinie zu nehmen wie gerade noch möglich (bevor die schafe am ende noch tatsächlich wach werden sollten). ebenfalls gibt es immer wieder ein paar profiteure der jeweiligen tagesaktuellen entwicklungen. jetzt kommt ein großes ABER:

wenn die eigentliche intention der hypothetischen krisenstrategen nicht von vorneherein darin bestanden haben sollte, eine global sehr instabile situation zu erzeugen - und eine solche these ließe sich derzeitig weder belegen noch widerlegen -, dann muss man attestieren, dass momentan sehr viel eher danach aussieht, dass große teile der "eliten" selbst keinen wirklichen plan (mehr) haben und lediglich versuchen, soviel zeit/aufschub wie möglich vor einem möglichen großen crash zu gewinnen - die "rettungspakete" allüberall sind dafür der deutlichste ausdruck. aussichten wie bank runs oder der in den letzten beiträgen auch erwähnte mögliche zusammenbruch der logistikketten im welthandel würden zu situationen führen, die für uns alle (zumindest im westen) völliges neuland darstellen würden, und für deren verlauf ich keinerlei prognosen aufstellen würde (allenfalls ein paar wahrscheinlichkeiten, die sich aus meiner einschätzung der kollektiv dominanten "psychischen dispositionen" der betroffenen bevölkerungen ergeben).

ein globaler (ökonomischer) crash würde im worst-case-fall derartige einschlagskrater produzieren, dass selbst die innere und äußere aufrüstung der "eliten" da nicht mehr viel helfen würde - sprich: sie müssten sich selbst massiv um ihre ä.... sorgen machen, und all das mediale trommelfeuer der letzten wochen gerade hinsichtlich möglicher bank runs ist mit einer ganz massiven beruhigungspille zu vergleichen, bei der die verordnenden kurpfuscher selbst (noch) mehr panik haben als die patienten. nein, ich glaube eher, dass eine "nach-uns-die-sintflut"-mentalität zusammen mit den üblichen zwängen der kapitalinternen profitakkumulation plus strategischer dummheit plus die "eliten"-spezifischen psychopyhsischen defekte alle hübsch zusammen in einem topf auf dem herd solange fröhlich geköchelt haben, dass es jetzt nicht nur angebrannt stinkt, sondern schon dicke rauchschwaden durch die wohnung ziehen - und möglicherweise bereits ein paar zentrale kabel vor sich her schmoren.

ich schätze naomi klein durchaus sehr, aber die von ihr gemeinten schocks sind bisher immer in einem in relation viel kontrollierteren (und kontrollierbareren) rahmen verabreicht worden. und genau das ist derzeitig nicht mehr der fall. klar, könnte auch sein, dass ich falsch liege, und tatsächlich ein monströser soziopathischer plot abläuft, der darauf zielt, die globalen machtverhältnisse völlig durcheinanderzuwürfeln, um dann am ende mit der "sechs" als "gewinner" über der asche der kollabierenden staaten und ihrer ökonomien dazustehen.

zum schluß noch: sicher hast du damit recht, dass krise & betrug in einem gewissen sinne dauerzustände darstellen. ich würde aber dennoch aufgrund des spezifischen milieus, in dem sich diese krise zumindest bisher hauptsächlich abspielt, sagen, dass ein derartiger finanzieller betrug in vielen staaten gleichzeitig, wie er sich in form der sog. bail-outs ausdrückt, so noch nicht dagewesen ist.

*

aller schlechten dinge sind
drei - jeremy rifkin goes apokalypse:

(...)"Die traurige Wahrheit ist, dass wir vor einem Zusammenbruch wie in den dreißiger Jahren stehen und dass alle Manöver der Regierungen ein bisschen zu spät gekommen sind - und zwar, weil die globale Kreditkrise sich über 18 Jahre hinweg aufgebaut hat und einer schnellen Fixierung nicht zugänglich ist. Die Sache wird noch dadurch komplizierter, dass diese Krise mit der globalen Energiekrise und dem globalen Klimawandel einhergeht, was sich zu Verheerungen auswachsen kann, wie wir sie noch nie erlebt haben. Die drei globalen Krisen sind miteinander verwoben und nähren sich gegenseitig."(...)

wie war das noch? "mögest du in interessanten zeiten leben".

*

das es jetzt wirklich interessante zeiten werden könnten, dämmert auch der gewerkschaft der
polizei:

"Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) rechnet wegen der internationalen Finanzkrise mit einem Anstieg der gewaltsamen Ausschreitungen und der Zahl der Großdemonstrationen. Der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg warnte in der «Leipziger Volkszeitung» davor, dass die Behörden die Sicherheit wegen Überforderung nicht mehr gewährleisten könnten. Die Finanzmarktkrise werde nach seiner Einschätzung die bereits vorhandenen gesellschaftlichen Konflikte weiter verschärfen."(...)

na, mit dieser einschätzung riskiert man heute auch nicht mehr viel - interessant ist aber v.a. der schlußsatz:

(...)«Mit der Finanzmarktkrise kommt unübersehbar der scharfe Grundkonflikt um Gerechtigkeit hinzu. Zudem erwarte ich mit dem Thema Zukunft der Kernenergie zusätzliche Proteste. Das alles ergibt ein Einsatzszenario für die Polizei, das wir ganz sicher nicht mehr ordnungsgemäß bewältigen können», sagte der Gewerkschafter den Angaben zufolge weiter. «Außerdem sollte die Politik endlich aufhören, die gesellschaftspolitischen Probleme einfach der Polizei vor die Füße zu kippen. Wir brauchen politische, keine polizeilichen Lösungen der Konflikte.»

sein wort in der kollegen ohren (zumindest hoffen darf man ja noch).

*

in diesen tagen können wir auch lernen, was eigentlich ein
cityboy ist:

(...)"Als "Cityboy" bezeichnet er "jeden dreisten Idiot im Anzug, der sich an dir in der Bahn vorbeidrängelt; den egoistischen Witzbold, der laut angibt, wie viel Cash er auf dem Markt gemacht hat; den gierigen Wichser, der dazu beiträgt, dass diese Welt zu dem Misthaufen wird, zu dem sie sich immer rapider entwickelt. Eine Zeitlang war ich es ..."(...)

nämlich auch nur ein synonym für ganz gewöhnliche antisoziale.

*

immerhin schon aus dem februar dieses bemerkenswerten jahres stammt der folgende
"Report über ein Tabuthema":

"In vielen Filialen deutscher Banken herrschen Zustände wie in einer Drückerkolonne. Jetzt packen Bankberater aus: Wie sie Kunden belügen, weil sie dem Vertriebsdruck, den Drohungen und Demütigungen ihrer Vorgesetzten nicht mehr gewachsen sind. Sie sind Opfer und Täter zugleich."(...)

ich finde ja, dass "innenansichten aus der mafia" ebenso gut gepasst hätte. aber vielleicht ist es auch besser, einfach bei "der stinknormale kapitalistische betrieb" zu bleiben.

*


let´s make money, die neue dokumentation von erwin wagenhofer über das bisherige globale finanzsystem des grauens, hatte ich neulich schon per trailer vorgestellt - jetzt kommt die tagesschau mit einem interview:

(...)"tagesschau.de: Wie haben Sie die Menschen erlebt, die da im großen Stil mit unserem Geld hantieren?

Wagenhofer: Im Film sagt einer der ganz großen Investmentbanker in Asien: "The best time to buy is when there is blood on the street." Also: Jetzt klebt das Blut auf der Straße, jetzt können sie kaufen, jetzt können sie richtig Geschäfte machen.

tagesschau.de: Also skrupellose Geier?

Wagenhofer: Die Banker sind Getriebene von einem System, das unmenschlich ist. Und diese Leute sind nicht wirklich glücklich geworden. Unter den Bankern gibt es einen hohen Drogenkonsum, harte Drogen, viele leiden mit 30 Jahren schon unter einem Burn-Out-Syndrom. Wir haben während des Drehs für den Film viel mit Armut zu tun gehabt: Die beste Stimmung ist immer bei den Ärmsten. Da, wo wirklich das Geld sitzt, dort ist die schlechteste Stimmung."(...)


das letztere klingt mir etwas nach verklärung - aber mag sein, dass die armut hier im westen auch tatsächlich eine hässlichere stimmung mit sich bringt als in anderen kulturkreisen. sehr interessant allerdings und ansonsten seltsam unterbelichtet, der hinweis auf den einsatz aller möglichen drogen innerhalb der finanzmafia - das ist zwar "irgendwie" grundsätzlich schon bekannt, aber vermutlich in seinen folgen noch unterschätzt.

*

sehr ruhig ist es in den letzten tagen um die schon neulich angesprochenen "letter of credit" geworden, die für den weltweiten schiffshandel eine große bedeutung haben - ich konnte aber bisher keine entwarnung finden, und daher noch mal eine
zusammenfassung des problems von letzter woche:

(...)"Seit dem Wochenende sind Kenner der Szene in Panikstimmung. Wenn Lieferfirmen ihre Waren nicht mehr verschiffen können, sind sie häufig in kurzer Zeit selbst von der Pleite bedroht. Ohne Eingriffe könnte sich schnell ein logistisches Desaster anbahnen. Spiegelbild eines solchen Szenarios wären Warenengpässe in den betreffenden Importländern. Im schlimmsten Fall würde es dann in den Industrieländern an Nahrungsmitteln und Energie mangeln.

Es ist durchaus denkbar, dass die nächste Eskalation der Kreditkrise auf den Wasserweg über Anleger und Bürger herein bricht."(...)


weitere infos dazu würden vermutlich nicht nur mich sehr interessieren.

*

und zum schluß möchte ich dem vorsitzenden des "bundes für umwelt und naturschutz deutschland" noch das große "ÄCHZ" am montag verleihen, und zwar für den merkbefreiten einsatz der wie eine verheerende seuche wütenden kapitallogik (letztlich eine ausgeburt des entgleisten objektivistischen modus), die in diesem fall dem begriff des "humankapitals" auch noch das
"naturkapital" an die seite stellt - wann wird sich endlich die erkenntnis breit machen, dass die derzeitige(n) krise(n) eben nicht unwesentlich von einem dem alten system entsprungenen und angepassten wahrnehmungs-, denk- und sprachmodus mit hervorgebracht und verschärft werden?

Montag, 13. Oktober 2008

notiz: krisennews und -gedanken (2)

so, da ist heute also allüberall ein gar fröhliches geträllere in den bankster-türmen und den börsen spielhallen zu vernehmen - "crisis? what crisis?!?" papa staat kommt rund um den globus der verhätschelten brut mit phantastilliarden an neuem spielgeld und bürgschaften zu hilfe, hebt scherzhaft-drohend den zeigefinger und mahnt "aber nicht nochmal, ihr schlingel!"

so läuft das, was sich inzwischen mit fug und recht als der vielleicht größte betrug (in tateinheit mit ordentlicher erpressung) der galaxis bezeichnen lässt. und wer dafür bezahlen wird...aber, das ist uns doch wohl allen klar?

zur "mutter aller bail-outs" zwei prägnante zusammenfassungen:
dr. dean und duckhome. und ein sehr fundierter forenbeitrag von archenoe, der vielleicht einigen auch als blogkommentator hier bekannt ist, zur langfristigen perspektive all der gerade geschnürten "rettungspakete" (sollte neben "investmentbanker" als unwort des jahres gekürt werden): Alles vergeblich!

*

das einzig "positive", wenn man denn den (nur verschobenen!) komplett- und sofortcrash aus (berechtigten) gründen als allgemeine katastrophe angesehen hat - szenarien, die ich gestern schon erwähnt hatte, wie der beginnende zusammenbruch der logistik (in form von verottenden waren in häfen, stillgelegten schiffen u.a.) sollten sich jetzt eigentlich vorläufig nicht weiter verschärfen. wie brisant die lage war (?), macht ein
beitrag in einem börsenforum deutlich:

"Getreideverschiffung blockiert in Kreditdürre

Die Kreditkrise schwappt in die Getreideindustrie über, da internationale Käufer feststellen müssen, Zahlungen nicht leisten zu können, was Verkäufer dazu zwingt, oft substantielle Verluste zu schultern."(...)


solche und andere probleme sollten sich wie gesagt durch die jetzt in rasanter geschwindigkeit gegebenen staatlichen garantien erstmal wieder auflösen - was kein grund ist, diese und andere entwicklungen der letzten tage nicht sehr gut im gedächtnis zu behalten, zumal die implizite drohung mit dem totalcrash in formen wie oben beschrieben einen nicht kleinen teil an der eile vieler staatlicher "eliten" haben dürfte - die schmeißen den banken das geld aus sorge um ihre eigenen positionen hinterher, und aus keinem anderen grund. in dem dadurch gewonnenen zeitlichen aufschub prophezeie ich mal, dass wir demnächst wieder etliche vorstöße und verschärfungen hinsichtlich der sog. "inneren sicherheit" erleben werden - aus dem gleichen grund wie eben geschrieben.

*

beim durchblättern des aktuellen "spiegel" heute morgen am zeitschriftenstand fand ich einen kurzen leserbrief, in dem sinngemäß die frage formuliert wurde, warum eigentlich nicht auch psychiater als aktuell zuständige experten hinsichtlich der zutage tretenden "geld- und machtsucht" der handelnden "elite" hinzugezogen werden. eigentlich im kern ganz richtig gefragt, allerdings mit etwas viel naiver hoffnung in die wahrnehmungsfähigkeiten der orthodoxen psychiatrie, die ja bekanntlich auch ganz offensichtlichen wahnsinn nicht als solchen erkennen kann und will, solange er nur "erfolgreich" daherkommt. von ihren eigenen systemverquickungen mal ganz abgesehen.

*

apropos leserbriefe: schauen Sie heute mal in die onlienforen bei "spon", "sueddeutsche", "zeit" etc. - da wird das, was ich gestern hinsichtlich der gemengelage von wut & resignation geschrieben hatte, sehr schön greifbar.

*

das sich die "finanzeliten" nicht nur völlig in den virtuellen welten imaginärer zahlen und "finanzprodukte" verloren haben, sondern bei denen auch ansonsten jegliches gefühl für realitäten flöten gegangen ist (bei einem "normalmenschen" würde derlei konstellation schnell zur diagnose psychotisch führen), machen repräsentativ die folgenden zeilen
deutlich:

(...)"Wie die flämische Zeitung "De Morgen" berichtete, lud die franko-belgische Dexia-Bank mehr als 200 Gäste zu einem festlichen Bankett in die teuerste Herberge von Monte Carlo, das "Hotel de Paris", ein. Am Tag darauf habe die Fortis-Bank, die ebenfalls in großen Schwierigkeiten ist, ihrerseits eine Reihe von Gästen im Drei-Sterne-Lokal des Hotels, dem Gourmet-Tempel "Louis XV", bewirten lassen.

Die Dexia-Gästen feierten den Angaben zufolge die Eröffnung der Filiale Dexia Private Banking in Monaco, die allerdings wegen der Finanzkrise für "unbestimmte Zeit" verschoben wurde. Wenige Stunden zuvor hatte Belgiens Regierungschef einen Rettungsplan für Dexia vorgestellt. "Heute haben wir einen kleinen Erfolg gehabt", sagte eine Dexia-Managerin den Zeitungsreportern, "es geht endlich wieder besser. Zumindest vorläufig. Jetzt können wir noch feiern, morgen vielleicht nicht mehr." Der Champagner sei in Strömen geflossen. Und spät in der Nacht hörten die Journalisten von der Terrasse den Trinkspruch: "Auf alle, die ihr Geld verloren haben!"

Auch in den USA sorgte ein ähnlich gelagerter Fall zuletzt für Schlagzeilen: Nur wenige Tage nach der milliardenschweren staatlichen Rettungsaktion hatte der US-Versicherer AIG mehrere hunderttausend Dollar für einen Aufenthalt von Mitarbeitern in einem kalifornischen Luxusferiendomizil ausgegeben. Auf der Rechnung in Höhe von insgesamt 440.000 Dollar (324.000 Euro) standen unter anderem Wellness-Behandlungen, Golf-Trips und Galamenüs."(...)


hat denen niemand erklärt, was das wort klassenhass bedeutet?

Sonntag, 12. Oktober 2008

notiz: krisennews und -gedanken (1)

sammeln wir doch mal ein bißchen - da begab sich vor ein paar tagen in hongkong zb. das folgende:

(...)""Scuffles erupted outside the Bank of China building, as protesters tried to push through the police's barricade, an AFP photographer at the scene said."(...)

kurz: es gab rangeleien von ziemlich wütenden bankkunden mit der dortigen polizei. auf solche meldungen verzichten die hiesigen medien ängstlich - noch. es ist bekanntlich alles in bester ordnung! (mit gehobener stimme / im hintergrund wedelt eine undeutliche person mit einem schlagstock).

*

da wird uns es dann doch auch nicht stören, wenn irgendwo
ein paar waren liegenbleiben?

(...)"Vielen ist nicht bekannt wie wichtig grundsätzlicher Kredit bzw. Kreditbereitschaft tatsächlich ist. So ist zum Beispiel auch der Warenverkehr von solchen Vereinbarungen abhängig. Gerade der Containerverkehr auf den Weltmeeren, bzw. die Löschung von Gütern in den Häfen, immerhin 90% des Welthandels nutzen den Transport via Schiff, ist grundsätzlich auf (Kredit-)Vertrauen angewiesen.

Inzwischen stapeln sich gerade in den USA und Südamerika in einzelnen Häfen Waren, die nicht verladen werden, weil das "Akkreditiv" (engl.: "letter of credit") nicht mehr akzeptiert wird. Ein Akkreditiv stellt ein Zahlungsversprechen dar und wird zum Beispiel von Geschäftsbanken für deren Kundschaft, zum Beispiel Exporteure, ausgesprochen. Ohne Akkreditive müssten beispielsweise in Häfen permanent Barzahlungen für jede einzelne Dienstleistung erfolgen, denn keiner kann wissen ob die Firma XY aus irgendeinem Dorf in der Walachei tatsächlich kreditwürdig ist.(...)

Das aktuelle Problem: Die großen Geschäftsbanken akzeptieren in dieser Phase des Vertrauenszusammenbruches inzwischen auch nicht mehr die unterschiedlichen Akkreditive der Konkurrenz! Sollte sich diese Verweigerungshaltung nicht sofort auflösen, käme in nur wenigen Tagen ein Großteil des Welthandels zum Erliegen. Es käme dann schon sehr schnell auch zu ersten Versorgungsengpässen."(...)


(ich habe gestern aus dem kleinen betrieb, in dem ich arbeite, erfahren, dass es neulich schon probleme mit einer lieferung aus argentinien gab - hm?) jedenfalls ein schönes beispiel für den domino-effekt. vielleicht genießen Sie noch den letzten argentinischen wein oder neuseeländische kiwis, die sich noch bei Ihnen finden - könnte sein, dass Sie demnächst so etwas für lange zeit nicht mehr sehen werden. aber - wäre das eigentlich wirklich ein verlust?

*

nach den letzten tagen angestrengten querlesens in etlichen foren, gerade von denen der großen zeitungen, muss ich sagen, dass ich mich nicht daran erinnern kann, jemals zuvor so quer durch den garten eine derartige menge von häme, zynismus und offener wut auf die tatsächlichen und/oder auch nur vermeintlichen schuldigen vor die augen bekommen zu haben - das verstärkt meinen eindruck von neulich, dass wir als eine von noch vielen unbekannten langzeitfolgen dieser aktuellen situation eine ungeahnte legitimationskrise hinsichtlich "politik" & wirtschaft bekommen werden. aber vermutlich ebenfalls auch eine ordentliche portion zynischer und/oder verzweifelter resignation, wenn es nicht gelingen sollte, diese legitimationskrise in den willen zu transformieren, langfristig mit dem ganzen derzeitigen system radikal schluß zu machen.

*

auch und gerade deshalb, weil die krise - wie neulich ebenfalls schon festgestellt - immer ist, wenn nicht hier, dann woanders. und bei anderen.
tägliches leiden:

(...)"Wer 27 Deckel pro Minute zuschraubt, bekommt natürlich eine Sehnenscheidenentzündung", sagt Marie Pezé. Sie kann die Krankheiten genau ihren Ursprüngen zuordnen. Den ganzen Tag Hähnchen schneiden: chronische Schmerzen in Hand und Arm. Den ganzen Tag telefonieren: kognitive Störungen. Jahrelang zu viel arbeiten: Burnout. Immer Angst um seinen Arbeitsplatz haben: psychische Störungen, von Depressionen über Paranoia bis hin zum Selbstmord. "Das ist eine Orgie der sozialen Gewalt", sagt Pezé."(...)

(danke an wednesday für diesen link). wenn man das jetzt mal zusammendenkt, wird der sog. lohn für solche schindereien, der ja bekanntlich in immer mehr fällen gerade noch zum überleben reicht, bereits in kürze anteilig noch mehr dazu verwendet werden, zb. mittels der davon abgezogenen steuern genau diejenigen großzügig zu unterstützen, die derartige arbeitsbedingungen letztlich fordern, umsetzen und davon profitieren. ich hab´s ja schon öfter gesagt: die klassischen mafiosi dürften sich gerade vor neid auf dem boden herumwälzen. verbrechen in derartigen dimensionen sind tatsächlich das privileg derjenigen, die sich selbst als "eliten" sehen - und immer noch von vielen "gewählt" werden, und zwar nicht nur hinsichtlich der wahlurnen. darin dürfte auch der schlüssel liegen, um mit diesem loop des grauens endlich schluß zu machen.

*

und auch die antwort auf die frage, was für einen menschentypus diese leute gerne unter sich sehen wollen (richtig: ihre eigenen spiegelbilder), ist schon länger bekannt:



"Jedenfalls will es mir dünken, als ob der Menschentypus, der heute auf die Welt kommt, vorweg schon zu einem außerordentlichen Maß in die verwaltete Welt hineinpaßt; daß er gleichsam in sie hineingeboren wird. Starr sind diese Menschen, weil sie eigentlich keine Spontaneität mehr haben; weil sie eigentlich gar nicht mehr ganz leben, sondern weil sie selber sich bereits als die Dinge, als die Automaten erfahren, als die sie in der Welt verwendet werden. Sie müssen in jedem Augenblick bereit sein, an jeder Stelle zu funktionieren, und nur wenn sie diese Bereitschaft ununterbrochen unter Beweis stellen, dann entgehen sie der universalen Drohung der Arbeitslosigkeit."

(mit großem dank an
quirinus für den hinweis )

als-ob-leben, treffend ausgedrückt vom herrn adorno. passend dazu auch nochmal der allererste assoziation-beitrag
hier. ebenfalls stellt das obige meiner meinung nach in größerem maße ebenfalls einen aspekt der sozialen trance dar - vielleicht ist diese der einstieg in die verdinglichung?

*

jedenfalls sind die oben beschriebenen strukturen preis / bedingung / konsequenz unserer bisherigen (post-)traumatischen ökonomischen und politischen strukturen. und falls diese strukturen jetzt demnächst wirklich zusammenbrechen sollten, bleibe ich bei meinem fazit von vor ein paar tagen: lieber ein ende mit schrecken als ein schrecken ohne ende.

Dienstag, 7. Oktober 2008

notiz: wie die krise beginnt, den (psychophysischen) giftmüll des systems sichtbar zu machen

so vorhersagbar wie deprimierend - zum einen wäre da der klassiker antisemitismus:

"Banker-Portal oder oder Nazi-Website - der Unterschied ist in Zeiten der Finanzkrise nicht immer erkennbar. Denn Internetforen für Finanzexperten werden von antisemitischen Parolen überschwemmt."(...)

klar, für die fraktion des abstrakten hasses ist jetzt erntezeit - "die juden" als feindbild und sündenbock sind nun mal seit eh und je vor allem eine abstrakte konstruktion, die sich wie alle konstrukte dieses kalibers allerdings auf einen kleinen realen kern beziehen muss, der hier durch die historische rolle von juden im geldgeschäft gebildet wird. es geht hier nur um eine scheinbare personalisierung, die ebenso nur scheinbar hilft, die hoch komplexen vorgänge, mit denen wir ständig medial überschüttet werden, zu begreifen - real wird die anscheinend undurchschaubare virtualität und der konstruktivistische charakter gerade der sog. finanzwelt mit einem ebenso konstruktivistischen gebilde beantwortet, um das bedürfnis nach schuldigen zu befriedigen. da dürfte noch einiges an destruktivität lauern.

*

ebenso dürften sich gleichfalls solche
berichte zukünftig häufen:

"Tragödie in Los Angeles: Offenbar aus Geldsorgen hat ein 45-jähriger Finanzmanager seine Frau, seine drei Söhne und seine Schwiegermutter getötet, bevor er sich selbst erschoss. Der Mann hatte im Zuge der Finanzkrise sein Vermögen an der Börse verloren."(...)

als eine art tragödie lässt sich das nur dann begreifen, wenn man sich klarmacht, dass sich solche täter in ihrer ganzen existenz auf gedeih und verderb völlig den herrschenden antisozialen normen und "werten" unterworfen haben - eine andere art des lebens ist denen offensichtlich unvorstell- und denkbar. weshalb ich den finanziellen verlust in solchen fällen auch "nur" für einen trigger halte, der die massive destruktivität der inneren struktur bei solchen menschen am ende nur noch aktiviert - pseudoidentitäten, die ein korsett von u.a. besitz & äußerem ansehen brauchen, um das dahinter lauernde nichts zu verbergen. sicher ist der soziale fall und die sichtbare stigmatisierung als "loser" in den usa noch krasser als hier, aber strukturell sind wir längst dabei, uns dem anzugleichen - vergl. nur die situation von erwerbslosen hier.

*

das, was sich hinter meldungen wie oben verbirgt, ist für mich auch der grund, trotz tiefgehender abneigung (nicht nur) gegen unser heutiges verrücktes ökonomisches system dem finalen crashzeichen in form eines bank runs mit sehr gemischten gefühlen entgegenzusehen. ich hätte überhaupt nichts dagegen, wenn sich banken, börsen, konzerne & regierungen gleichzeitig auf den weg zur müllhalde machen würden - wenn es denn tragfähige und tatsächlich soziale alternativen geben würde, die die mehrheit aller menschen auch durch die dann anstehenden ruppigen zeiten bringen würden. aber dieses system hat das attribut totalitär auch deswegen verdient, weil die verdammte TINA-propaganda ("there is no alternative") offensichtlich in so vielen köpfen die überzeugung gefüttert hat, tatsächlich in der einzig vorstellbaren gesellschaftlichen und wünschenswerten "ordnung" zu leben, das in just dem moment, in dem sich diese "ordnung" als die reale tödliche unordnung demaskiert, die sie immer schon war und auch immer sein wird, keine oder zumindest kaum praktikable konzepte zu einer qualitativ neuen und sozialen gesellschaft existieren. von daher scheint momentan die gleichung zusammenbruch = chaos tatsächlich das realistischste szenario zu sein. ist nur die frage,
wieviel zeit noch bis zu diesem punkt bleibt?

(...)"Der Angestellte der Sicherheitsfirma, der am Eingang der Deutschen Bank am Marienplatz steht, überblickt nicht nur das Gewusel in der Filiale. Seine Firma macht Sicherheitslogistik für Filialen mehrerer Banken in München, und er sagt: „Es wird vermehrt abgehoben. Das ist in allen Filialen so.“ Und bekräftigt: „Die Leute heben große Mengen Geld ab.“(...)

dagegen wird auf dauer auch das tatsächlich inhaltsleere, im wahrsten sinne des wortes ungedeckte und zu nichts verpflichtende "versprechen" der merkel etwas helfen können, welches eher im gegenteil das mißtrauen bei vielen erst geweckt haben dürfte.

*

und selbst wenn das worst-case-szenario eines raschen und kompletten crashs vermieden werden kann - die folgen werden uns trotzdem alle auf jahre beschäftigen - nein, moment, nicht unbedingt alle, wie tanja dückers sehr
treffend herausarbeitet:

(...)"In der Not scheint der ärgste Feind, der böse Staat, auf einmal zum liebsten Freund zu werden. Dabei kann man erahnen, welchen Preis sein Eingreifen haben wird und auf wen die Lasten der Rezession abgewälzt werden: Schließlich wurden schon unter weitaus günstigeren Umständen zahlreiche soziale Grausamkeiten beschlossen. Kürzlich wetterte ein Vertreter der Arbeitgeberseite mit Blick auf die aktuellen Tarifforderungen, die Gewerkschaften hätten "nicht alle Tassen im Schrank". Als sich das Land im Konjunkturhoch befand, stiegen die Löhne nicht - Deutschland bildete im europäischen Vergleich das Schlusslicht hinsichtlich der Lohnentwicklung -, jetzt erscheinen Forderungen danach geradezu als obszön. Gespart werden wird bei den Löhnen und den Sozialleistungen.

An dieser Stelle sei nur daran erinnert, welche Veränderungen in der Hauptstadt nach dem Bankenskandal (2001) zu verzeichnen waren:

Ein Schwimmbad nach dem anderen machte dicht, die nächtliche Beleuchtung im öffentlichen Raum wurde gern mal abgeschaltet, um Strom zu sparen, sogar auf der Avus war es gespenstisch duster, Krankenhäuser wurden kurzerhand geschlossen, Bibliotheken sowieso. Es wurde an Kindertagesstätten, Universitäten, Kultureinrichtungen, bei der Behindertenhilfe, einfach überall gespart. Nicht immer hatte man den Eindruck, noch in der sogenannten Ersten Welt zu leben."(...)


einen schönen tag noch.

Montag, 6. Oktober 2008

notiz: gar herrliche zeiten brechen an...(zeit für die kotztüte)

tamara hat´s unten schon verlinkt:

(...)"Künftig könnte die Polizei im Fall einer Terrorwarnung gegen einen Staatsbesuch auch Panzer anfordern, zum Beispiel um Demonstranten in Schach zu halten, die Polizeimaßnahmen zum Schutz der Gäste behindern."(...)

und wenn man sich die aktuell herrschenden definitionen von "terrorismus" so ins gedächtnis ruft, dann ist es nur eine frage der zeit, bis wir uns wieder an bildern wie beim "g8"-treffen 2007 erfreuen können...

"fennek"-panzerwagen beim "g8"-treffen 2007 /quelle: indymedia

...womöglich schon in bälde vor der örtlichen sparkassenfiliale? die eile jedenfalls, gerade jetzt diese einsatzmöglichkeiten zu legalisieren, lässt schlimmes befürchten. allerschlimmstes.

*

wie auch eine andere
meldung , die in zeiten wie diesen leicht unterzugehen droht - dabei beginnt sie zumindest mit einem ganz kleinen stückchen wahrheit:

"Hartz-IV-Leistungen reichen nach einer Studie der Bundesagentur für Arbeit nur für das materielle Überleben der Empfänger. "Eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben bleibt den meisten verwehrt", sagte der Leiter der Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Bernhard Christoph, dem "Focus". Die Einrichtung ist das Forschungsinstitut der Bundesagentur."(...)

ach? auch schon gemerkt? wie lange wohl der lernprozeß dauern wird, um auch die behauptung der "grundversorgung" als propaganda aus den eigenen reihen zu erkennen? aber das war nicht mal das, was ich meinte - der eigentliche klopper kommt am ende, und zwar ausgerechnet von seiten der sog. wohlfahrtsverbände:

(...)"Unterdessen müssen dem Magazin zufolge bis zu 100.000 Hartz-IV- oder Sozialhilfe-Empfänger mit Leiden wie Diabetes mit dem Verlust bisheriger Zuschläge für erhöhte Ernährungskosten rechnen. Dies empfehle die Dachorganisation der Wohlfahrtsverbände, der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge, nach dessen Rat sich die Behörden meist richteten.

Vereinsvorstand Michael Löher erklärte: "Bei Diabetes, erhöhten Fettwerten und weiteren Volkskrankheiten ist nach dem heutigen Stand der Wissenschaft keine Diät erforderlich, eine gesunde Ernährung ist ausreichend." Die sei zu finanzieren, "wenn äußerst sparsam gewirtschaftet wird". Bei anderen Krankheiten wie Niereninsuffizienz und Gluten- Unverträglichkeit hält der Verein Zuschläge weiter für gerechtfertigt."


und
so sieht es derzeitig aus:

(...)"Derzeit erhalten Erwerbslose mit folgenden Diabetes-Erkrankungen Mehrbedarfszuschläge: Diabetes mellitus Typ I, Vollkost 25,56 Euro; Diabetes mellitus Typ I, konventionelle Insulintherapie, Diabeteskost 51,13 Euro; Diabetes mellitus Typ II a, Diabeteskost 51,13 Euro. Bei Diabetes mellitus Typ II b, Diabetes-Reduktionskost gibt es allerdings keinen Zuschlag."(...)

(ganz ungewohnt übrigens, solche läppischen euro-beträge zu sehen, oder? haben wir uns doch seit tagen alle an die zahlen mit den vielen nullen gewöhnt...)

also, "gesunde ernährung" ist das stichwort - und auch, wenn diese bei diabetis ausreichen sollte (wofür es einige belege gibt), so ist es doch spätestens seit den essempfehlungen des unsäglichen sarazzin aus berlin bekannt, dass beim derzeitigen regelsatz höchstens eine mangelernährung zustande zu bringen ist, und zwar selbst unter dem diktat des "äußerst sparsam wirtschaftens". und genau in diesen worten verbirgt sich die eigentliche frechheit der ganzen aussage - und wer noch nach dem "warum?" fragt, sollte sich schnellstens mal die aktuellen nachrichten zu gemüte führen!

und was ist eigentlich mit "anderen volkskrankheiten" gemeint? das ganze klingt verdammt danach, dass hier bereits daran gearbeitet wird, mittels einer art perfider selektion die opfer der kommenden kürzungs- und streichungsorgien in zeiten der weltwirtschaftskrise zu bestimmen. und die wohlfahrtsverbände liefern mit solchen aussagen bereits die ersten ans messer.

wie lange soll das noch weitergehen?

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