...welches am20. juni in bremenstattgefunden hat. und es war durchaus eine interessante veranstaltung, die einiges an stoff zum weiterdenken geboten hat.
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ich bin etwas zu spät gekommen und mitten in die erste hälfte des vortrags zur militärpsychiatrie im ersten weltkrieg, "maschinengewehre hinter der front" geraten. mit diesem thema hatte ich mich u.a. auch beruflich in der vergangenheit schon etwas ausführlicher beschäftigt und dachte daher im vorfeld, dass sich dabei zumindest für mich keine grundsätzlich neuen aspekte ergeben würden. das aber war, vor allem im zusammenhang mit den nachfolgenden beiträgen, letztlich eine fehleinschätzung.
die mir bis dahin unbekannte referentin, maria hermes, die gerade an einer dissertation zum thema schreibt, arbeitete vor dem hintergrund des allgemeinen vorgehens der (deutschen) militärpsychiater einige punkte heraus, die mir besonders hervorhebenswert erscheinen: erstens spielten die "minderwertigkeitskomplexe" der psychiatrie damals auch bei der behandlung der"kriegszitterer"eine ähnlich unheilvolle rolle wie in der zivilen psychiatrie, und zwar in dem sinne, dass das streben der psychiater nach "wissenschaftlicher anerkennung" seitens der anderen und "anerkannteren" medizinischen disziplinen auch hier zu einem abstrusen biologismus hinsichtlich des krankheitsverständnisses, der diagnosenstellung und bei den behandlungsmethoden führte. besonders die zeitgenössische neurologie grenzte sich in einer heute nicht mehr vorstellbaren form von der psychiatrie ab, was hermes anhand von zitaten einiger prominenter damaliger neurologen gut deutlich machte, in denen die herablassende geringschätzung von "nur psychischen" störungen (= ohne im damaligen sinne nachweisbare organische grundlage) und der entsprechende umgang mit den patientInnen deutlich wurde.
das oben erwähnte führte dann bei den militärpsychiatern dazu, solche theoriemodelle zu entwickeln wie jenes, welches die symptome der traumatisierten als folge einer art "gehirnerschütterung" sowie der körpervermittelten erschütterung des nervensystems durch die wucht des artilleriefeuers in den grabenkämpfen bzw. die dadurch bewirkten erschütterungen des erdbodens deutete. aus damaliger sicht sehr passend, standen soldaten mit traumasymptomen doch schon grundsätzlich unter dem verdacht der (erbbedingten) "konstitutionellen schwäche", also einer grundsätzlichen minderwertigkeit, die konsequent zu ende gedacht alleine dafür verantwortlich gemacht wurde, dass soldaten auf das kriegsgrauen nicht mit unbeeindruckter ignoranz, gelassenheit und "tapferkeit" reagierten, sondern letztlich zutiefst menschlich.
diese unterstellte "minderwertigkeit" führte dann schnell auch zum grundsätzlichen verdacht der simulierten symptome (aus "feigheit"), was sich dann in den behandlungsmethoden entsprechend wiederspiegelte: zwangsbehandlungen mit elektrischen strömen (damit ist übrigens nicht die "elektrokrampftherapie" gemeint, die erst 1938 entwickelt wurde) in form von wiederholten serien von ungefilterten elektroschocks; die damals in den psychiatrischen anstalten üblichen dauerbäder (und zwar nicht nur mit körperwarmen, sondern auch eiswasser); verschiedene arten derdeprivationsowie die bildung von speziellen "bettnässerkompanien", in denen die betroffenen durch "frontnahe behandlung" sowie entsprechenden einsätzen "geheilt" werden sollten. andere behandlungsmethoden wie hypnotische und suggestive sowie die bettbehandlung und obligatorische arbeitstherapie muten vor diesem hintergrund dann schon regelrecht mild und human an.
bezeichnend auch die ebenfalls von der militärpsychiatrie geprägte bezeichnung"kriegshysteriker"in der nicht nur implizit das urteil "weibischer schwäche" untergebracht wurde (und interessanterweise mit dem wort "hysterie" das zweite mal in der psychiatriegeschichte traumatisierte stigmatisiert wurden; siehe dazu den blogbeitrag zurgeschichte der hysterie).
hermes untermauerte ihren beitrag durch etliche zitate aus dem bestand entsprechender krankenakten des altarchivs des klinikums bremen-ost, welches in seiner inzwischen über hundertjährigen geschichte während des wk1 auch als armeelazarett fungierte. und die mir ebenfalls teils gut bekannten akten belegen durch ihre inhalte durchaus selbst die in einer (für damalige verhältnisse) "reformorientierten" heil- und pflegeanstalt dieses neben der späteren nazi-"euthanasie"-aktion"T4"brutalste kapitel der (deutschen) psychiatriegeschichte. abschließend wurde ebenfalls nochmals deutlich gemacht, dass sich hier die damalige psychiatrische ideologie passend mit den interessen der späteren führungsschichten in der weimarer republik traf: liessen sich doch auf basis der vorher stattgefundenen psychiatrischen einordnung der traumatisierten deren mögliche entschädigungsansprüche an den deutschen staat mittels des diagnostischen konstrukts der"rentenneurose"abschmettern, die andernfalls, so jedenfalls ein diskussionsbeitrag aus dem publikum, die damalige deutsche rentenversicherung in den bankrott getrieben hätten (und dazu bei anerkennung der ansprüche und der implizit darin enthaltenen wertung des krieges auch das öffentlich verbreitete bild vom krieg als "vaterländischer notwendigkeit und ehrenvoller aufgabe" beschädigt hätten.)
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die bereits im ersten vortrag anklingenden "besonderheiten" des ersten weltkriegs vor allem in den militärischen formen desgraben- und stellungskrieges - im folgenden ein bild von der westfront, an der britische sanitäter einen verletzten bergen; beachten Sie vor allem den bodenlosen matsch -
bildeten auch einen schwerpunkt beim referat des sozialpsychologengerhard vinnai, der sich mit der genese von hitlers antisemitismus aufgrund dessen traumatischer erfahrungen in diesem krieg (so die these) beschäftigten. hier mache ich´s mir einfach, zumal eine variante des vortrags online als pdf einsehbar ist, und zwarhier. es war im übrigen auch tatsächlich das gleiche thema, welches ich in der ankündigung zum symposium bereits als mir bekannt erwähnt hatte, und so konnte ich nun bei grundsätzlicher "vertrautheit" mit den thesen nochmal anders zuhören als beim ersten mal vor ein paar jahren. und in der nachfolgenden diskussion einige inhaltliche fragen loswerden. die erste davon bezog sich auf vinnais aussage, dass der kriegsbeginn für hitler einen echten biographischen bruch mit seinem bisherigen leben, vor allem dessen "wiener jahren", geprägt von obdach- und perspektivlosigkeit, bedeutet hätten, und ihn vor allem aus der rolle des sonderlichen außenseiters befreit hätte. dazu gibt es allerdings nun durchaus widersprüchliche informationen in der rechts in der literaturliste enthaltenen und primär mögliche relevante psychopathologische züge thematisierenden hitlerbiographie von matussek & marbach (mehr zu den thesen dieses buches hier), die hitler auch in seiner kriegszeit unter den "kameraden" eine außenseiterposition attestieren, welche sich vor allem aus der hochnäsigen verachtung hitlers gegenüber eigenheiten des frontlebens wie bspw. die rolle des alkohols sowie den endlos ausgesponnenen "weibergeschichten" unter den soldaten ergeben hätte. ich finde diese herleitung durchaus nachvollziehbar, leider gab es darauf keine wirkliche antwort vinnais oder auch aus dem publikum.
meine zweite frage bezog sich bereits auf die "männerphantasien" von klaus theweleit (siehe dazu ebenfalls die literaturliste), dem ja ebenfalls die auffällige verwendung von matsch-, sumpf-, schlamm und ähnlichen metaphern in vielen texten/romanen von soldatischen männern (und gerade denjenigen, die sich direkt nach dem krieg in den konterrevolutionären freikorps zusammenfanden und später die kerntruppen der nazibewegung bildeten) aufgefallen ist. theweleit hat mittels seines spezifisch psychoanalytischen zugangs allerdings ausdrücklich die entwicklung der psychophysischen struktur bei diesen männern, als deren markanten ausdruck er die beschriebene metaphernwelt ansieht, nicht im krieg verortet, sondern in den "normalen" erziehungsbedingungen der deutschen militärdiktatur (und so lässt sich die monarchie durchaus bezeichnen) in kindheit & jugend dieser männer vor dem krieg in kombination mit dem späteren berüchtigten deutschen militärischen (vorkriegs-)drill während ihrer rekrutenausbildung.
meine frage bezog sich nun darauf, wie vinnai den einfluss dieser - bekannt brutalen - erziehungsmethoden nicht nur bei hitler, sondern auch den soldaten bzw. späteren nazis bewertet. die antwort darauf entsprach im kern meiner eigenen heutigen position, sinngemäß: die traumatischen wirkungen des krieges dürften nicht gegen die wahrscheinlich vorhandenen traumatischen schäden aus der kindheit "ausgespielt" werden; und ebenfalls habe theweleit die kriegsfolgen (ebenfalls sinngemäß) in ihrer bedeutung eher unterschätzt. es folgte eine kurze diskussion darüber, ob nicht ein weiterer zugang auch über den "mutterkult" der nazis erfolgen könne, und zwar derart, dass für die soldaten im krieg unter feuer der erdboden, in den sie sich oft genug regelrecht vergraben mussten, nicht auch so etwas wie die "schützende mutter" (erde) dargestellt hätte, und diese verbindung ebenfalls eine rolle spielen würde. das lässt sich aus einer (klassisch) psychoanalytischen perspektive vermutlich noch vertiefen; ich möchte mich jedoch eines kommentars dazu enthalten.
(an dieser stelle möchte ich übrigens auch um verständnis dafür bitten, dass ich mich bei der darstellung von diskussionsbeiträgen hauptsächlich auf meine eigenen beschränke; es kamen schlicht zu viele aspekte zur sprache, die ich trotz erstellung von notizen während der veranstaltung dabei nicht berücksichtigen konnte.)
nach diesem zweiten beitrag jedenfalls tauchte bei mir im kopf das erstemal eine these auf, die ich wie folgt umreissen könnte: wo liegen eigentlich die unterschiede zwischen denjenigen, die in und nach dem krieg primär mit den (heute bekannten) posttraumatischen symptomen reagierten und auch daran litten, und denen, die aus dem krieg offensichtlich brutalisiert - v.a. die späteren nazis - herauskamen? liegt eine mögliche antwort etwa darin, ob jemand bereits mit deutlich traumatischen schäden und/oder gar antisozialen bis soziopathischen zügen in den krieg gezogen ist, wo sich letzterer dann wie eine art trigger auswirkte, und zwar einer mit verstärkungseffekt? das kommt mir jedenfalls wie eine sehr untersuchungswerte frage vor, zu der mir bislang nichts bekannt ist.
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nach einer längeren pause kam dann der beitrag, auf den ich im vorfeld besonders gespannt gewesen bin: der - ja, militärpsychiaterkarl-heinz biesold, leitender arzt auch derpsychotraumatologischen abteilungdes bundeswehrkrankenhauses hamburg, referierte zu posttraumatischen störungen nach auslandseinsätzen der bundeswehr bzw. ihrer armeeinternen behandlung.
biesold betrat dabei das podium bereits mit einem (ironischen) ausdruck seiner erwartung, bei dieser veranstaltung "zerfleischt" zu werden - vermutlich hinsichtlich seiner profession als militärpsychiater -, und machte damit bei einem teil des publikums gleich auch mal pluspunkte. desweiteren stellte er sich als rhetorisch gewandter redner heraus, was ich allerdings bei seiner position (u.a. als öffentlicher repräsentant der bw) auch nicht besonders überraschend fand. nichtsdestotrotz: der vortrag war durchaus interessant, und eher als eine art in einem abgegrenzten rahmen herumspringende erzählung gehalten, unterlegt von diversen statistiken zum anschauen an der wand.
er begann zunächst mit einer zusammenfassenden darstellung aller auslandseinsätze der bw seit den 1990er jahren, incl. der sog. "humanitären" wie in kambodscha u.a., und machte in dem zusammenhang auch deutlich, dass selbst bei diesen einsätzen - wie auch bei solchen primär nach naturkatastrophen - bereits ptbs-fälle zu verzeichnen waren. die psychotraumatologische abteilung existiert im krankenhaus seit 1994, ist also durchaus als "produkt" der seitdem ständig zunehmenden auslandseinsätze zu betrachten. was mir auffällig erschien, war der eindruck, dass in dieser abteilung mit einem sehr streng an die jeweils aktuellen definitionen der diagnostischen kataloge icd-10 und dsm-IV angelehnten modell der ptbs gearbeitet wird, also weitergehende und meiner meinung nach realitätsgerechtere diagnostische modelle wie bspw. das derkomplexen ptbsnach judith herman auch nicht bei praktischen schwierigkeiten berücksichtigt zu werden scheint. ebenfalls interessant fand ich die betonung der zusammenarbeit zwischen bundeswehr und zivilen kliniken mit traumaschwerpunkt einerseits sowie die entsprechende zusammenarbeit mit der psychotraumatologischen forschung insgesamt andererseits - mir scheint, dass biesold das sehr bewusst als abgrenzendes moment zur historischen deutschen militärpsychiatrie ansieht (die sich damals strikt gegen alle einmischungen aus der zivilpsychiatrie offensichtlich verwahrt hat, was auch aus ihrem selbstverständnis als teil des (elitären) militärs heraus erklärbar sein dürfte).
gleichfalls fand ich die aussage bemerkenswert, dass als hauptsächliche methode der traumabehandlungEMDReingesetzt wird, mit folgenden ergebnissen: ca. ein drittel aller behandelten ist danach wieder voll "funktions- und dienstfähig", ein weiteres drittel mit einschränkungen, und das letzte drittel verlässt entweder die armee generell (und damit auch die behandlung) oder aber reagiert nicht auf die therapeutischen interventionen (die letzteren aussagen muss ich allerdings aufgrund fehlender sicherheit bei der rekonstruktion der informationen mit einem fragezeichen versehen). aber in bezug auf emdr betrachte ich das als weiteren beleg dafür, dass es sich bei dieser technik - dieser aspekt wurde sowohl von biesold als auch weiteren diskutanten später nochmal betont; emdr lässt sich nur innerhalb verschiedener therapeutischer kontexte einsetzen und nicht "für sich" - tatsächlich um eine hoffnungsvolle möglichkeit handelt, mit posttraumatischen störungen umzugehen.
desweiteren stellte biesold ein modell verschiedener stressoren - zur einschätzung potenziell traumatischer belastungen - vor, mit dem dort gearbeitet wird. er unterscheidet dabei zwischen "operationellen" und "besonderen" stressoren; zu den ersteren zählen bspw. solche umstände wie kontakt mit einer neuen und unbekannten kultur, die trennung von gewohnten sozialen umfeld und ähnliche umstände. die "besonderen" stressoren ergeben sich bspw. aus ständiger kasernierung sowie offen kriegerischen, also gewaltvollen handlungen, situationen und erlebnissen. bemerkenswert war dabei in diesem zusammenhang das, was biesold als "neues dilemma" bezeichnete: im gegensatz zu den letzten großen kriegen unter deutscher beteiligung, die jeweils offiziell und öffentlich als absolut "notwendig", "gerecht" u.ä, gekennzeichnet und mehrheitlich auch so empfunden wurden, stellt sich gerade beim größten laufenden bw-einsatz, nämlich dem in afghanistan, offensichtlich bei vielen beteiligten die sinnfrage, d.h. die frage "wofür bin ich / sind wir eigentlich hier?" das ist vermutlich nicht nur aus meiner sicht eine absolut berechtigte frage, deren existenz aber lt. biesolds ausführungen die wahrscheinlichkeit für das auftreten einer ptbs deutlich erhöhen kann, was ich wiederum beim nachdenken nicht so erstaunlich finde. gleichfalls finde ich das absolut keinen grund, auf diese frage zu verzichten.
in diesem zusammenhang kam die sprache auch auf die immer wieder durch diverse umfragen belegte ablehnung des deutschen isaf-einsatzes von rund zwei drittel der hiesigen bevölkerung, die zu einem nicht geringen teil zu der erwähnten sinnfrage bei den beteiligten beizutragen scheint. biesold hat dabei selbst erfahrungen mit einsätzen nicht nur in afghanistan, sondern auch im kosovo und hat vor diesem hintergrund deutlich die "humanitären" aspekte und die hilfe für die jeweilige bevölkerung vor ort hervorgehoben, konnte jedoch seine skepsis bezgl. der weiteren entwicklung des afghanistan-einsatzes nicht ganz verbergen. was auch daran liegen könnte, dass zum einen die zahl der ptbs-betroffenen gerade in afghanistan ständig steigt, sich zum anderen aber auch der ganze charakter des ursprünglich als "humanitär" bezeichneten einsatzes mehr und mehr in richtung eines deutlichen kriegseinsatzes bewegt - lt. biesold werden die deutschen truppen inzwischen wöchentlich in gefechte verwickelt und müssen bei jeder bewegung ausserhalb ihrer camps mit der möglichkeit von anschlägen rechnen - "spezielle stressoren".
das folgende ist wieder mit dem hinweis auf eine gewisse unsicherheit bei meiner persönlichen rekonstruktion zu lesen: laut entsprechender statistiken sowohl aus dem irak- als auch dem afghanistan-krieg auf seiten der beteiligten westlichen truppen scheint hervorzugehen, dass sich überhaupt nur jeweils 23 bis 40% der betroffenen soldaten mit ptbs-symptomen freiwillig in behandlung begeben. dabei steht als hauptgrund bei denen, die auf eine behandlung verzichten, für ca. 65% das folgende im focus:
"ich will nicht als weichei gelten"
das spricht bände sowohl über die einstellung zu "psychischen" störungen insgesamt, und nochmals speziell beim militär. ebenfalls aber sagt es auch etwas über die - trotz zunehmender zahl von frauen in diversen armeen - immer noch vorhandenen mythen über "männlichkeit" aus, was bei dieser tendenziell und besonders strukturell immer noch erzpatriarchalen institution aber auch kein wunder ist. biesold bemühte sich dazu sehr, aus seiner sicht falsche vorstellungen über die mögliche aggressivität von traumatisierten soldaten abzuwehren, führte diese auf die traumaspezifische ständige anspannung des nervensystems zurück, verschwieg dabei aber nicht die möglichen negativen konsequenzen für familien und soziale umfelder der betroffenen. trotzdem fand ich diese aussagen selbst bei berücksichtigung eines möglichen motives, stigmatisierungen entgegenzuwirken, zu beschönigend, zumal nicht erst seit dem vietnamkrieg durchaus bekannt ist, wie gerade traumatisierte soldaten ihre traumata in grausamen taten quasire-inszenierenkönnen - mehr zu dieser täter-opfer-dialektik auchhier.
die behandlungsbedürftigkeit - und das ergänzt in gewisser hinsicht die vorherigen aussagen - steigt nach biesolds angaben im gegensatz zu früheren kriegen bei den aktuellen besonders nach den einsätzen drastisch an. die gründe dafür sind mir zumindest weiter unklar. ja, und eine mir ganz neue information zur geschichte der kriegstraumata - oder auch der zugehörigen "vertuschungsdiagnosen" - gab´s nebenbei bei einer auflistung der zugehörigen spezifischen symptome vieler kriege, hinter denen sich nach heutigem wissenstand jeweils (post-)traumastörungen verbergen, auch noch: das"da-costa-syndrom, hinter dem sich undefinierte herzbeschwerden befinden, erfüllt nicht nur in der beschreibung wesentliche kennzeichen einer pseudo-diagnose analog der"vegetativen dystonie", sondern war historisch offensichtlich die erste breiter verzeichnete (post-)traumatische erscheinung während eines krieges, und zwar während desamerikanischen bürgerkrieges. finde ich eine interessante information, die möglicherweise auch eine neue bewertung der entwicklung der us-gesellschaft nach dem bürgerkrieg nahelegt.
ich wollte dann bei der anschließenden diskussion die gelegenheit auch nutzen, wenigstens eine meiner ganz zentralen fragen loszuwerden, die ich einem militärpsychiater immer schon stellen wollte: nämlich die, ob er keinen widerspruch zwischen seiner rolle sehen würde, als mediziner traumabehandlung innerhalb einer institution zu betreiben, zu deren impliziten aufgaben es letztlich auch immer gehört, traumatische zustände bei gegnerischen soldaten und häufiger noch bei zivilbevölkerungen zu erzeugen. ich bezeichnete diese frage ausdrücklich als "persönlich", und bekam die folgende antwort (sinngemäß): nein, er sehe diesen widerspruch nicht, sondern betrachte es als normale aufgabe einer institution, die ihre angehörigen in "hochrisikosituationen" schicken würde, auch für diese zu sorgen. mit einem (etwas gezwungenem lächeln) kam immerhin noch die anmerkung, dass es sich bei dieser position vielleicht aber auch um den ausdruck eines "gelungenen verdrängungsprozesses" handeln könnte...
eine weitere frage hatte ich vorher schon gestellt: und zwar vor dem hintergrund der beobachtung, dass bspw. sowohl im vietnamkrieg als auch während des kriegs in afghanistan zwischen sowjetischer roter armee und islamistischen fundamentalisten jeweils die nutzung von diversen drogen - in vietnam heroin (erst danach kam heroin in den usa überhaupt erst so richtig "auf den markt") und cannabis; bei der roten armee wurde im "opiumanbauland nr.1" ebenfalls heroin zu einem schweren problem - auch (analog der nutzung bei vielen junkies mit traumatischer biographie) als ausdruck der versuchten selbstmedikation traumatischer symptome betrachtet werden kann, zielte meine frage auf entsprechende beobachtungen beim aktuellen afghanistaneinsatz der bundeswehr, zumal der opiumanbau dort weiterhin boomt. biesold verneinte das überraschend deutlich, wobei mir beim nachdenken in den sinn kam, dass das tatsächlich der realität entsprechen könnte - das benannte problem dürfte militärstrategen in aller welt spätestens seit den erwähnten kriegen durchaus bewusst sein, und ich kann mir gut vorstellen, dass heutige armeen bei einer erhöhten präsenz von drogen sehr schnell in ihrem sinne durchgreifen.
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soweit meine ganz persönlichen schwerpunkte einer veranstaltung, die ich als sehr informativ bezeichnen würde. vieles aus den diskussionen fällt hier leider, wie schon erwähnt, unter den tisch - trotzdem hoffe ich, dass Sie jetzt einen brauchbaren eindruck bekommen haben.
noch eine anmerkung: während der beitrag beim schreiben immer länger wurde, habe ich mich spontan entschlossen, ihn entgegen meiner ursprünglichen absicht zu einem basis-beitrag zu machen. das liegt einfach daran, dass er jetzt rund um das thema kriegstrauma so viele hinweise und hintergründe enthält, dass ein weiterer entsprechender beitrag aus meiner sicht unnötig viele wiederholungen aufweisen würde. den anspruch nach völliger inhaltlicher abdeckung eines themas habe ich einerseits eh nicht, andererseits könnte ich ihn in diesem rahmen hier auch unmöglich erfüllen. informationen, die bestenfalls zu eigener weiterbildung ermuntern, sollten jedenfalls genügend vorhanden sein. ebenfalls ein eindruck von der vorhandenen vielschichtigkeit des themas, was auch die relevanz für (nicht nur) unsere historische und aktuelle gesellschaftliche entwicklung betrifft.
und noch ein ps: das thema der kriegstraumata innerhalb von "zivilbevölkerungen" (ein wort, welches ich immer etwas seltsam finde) bleibt natürlich auf der agenda kommender beiträge. speziell für deutschland habe ich diesen bereich allerdings schon früher bearbeitet, siehe den link oben im text zur "vegetativen dystonie".
ziemlich voll ist die linksammlung seit den letzten news geworden, und doch ist das nur ein kleine auswahl der zugänglichen informationen, welche diese krise tag für tag so generiert. und etliches ist bereits anderswo thematisiert worden, was ich aus dokumentarischen gründen trotzdem aufführen möchte. zumal ich es inzwischen auch selbst tatsächlich aufschlußreich finde, in alten folgen dieser reihe - erreichbar über denindex- zu stöbern und zu schauen, wie sich bestimmte prozesse über die monate so weiterentwickeln. und auch vor diesem hintergrund bleibe ich bei meinen bisherigen eindrücken, die da wären - erstens, diese ökonomische krise hat weltweit monströse formen angenommen; zweitens ist sie nichtsdestotrotz "lediglich" teil einer krisenkaskade, die drittens eine finale und erreichte grenze für den industrialisierten kapitalismus westlicher prägung anzeigt und darüber hinaus auf enorme und unmittelbar anstehende, ja bereits teils stattfindende umwälzende veränderungen bis in alle lebensbereiche hinein verweist. in diesem sinne - hier sind die aktuellen news:
globale krisenkaskade I: point of no return beim klimawandel rückt näher
globale krisenkaskade II: bemerkungen zum ölpreis
globale krisenkaskade III: ernährungskrise breitet sich aus
globale krisenkaskade IV: was auch zu erwarten war - menschenrechte kommen zusehends unter die räder
elitäre krisenbewältigung deutschland: zum geplanten projekt "desertec"
deutschland II: gigantisches haushaltsloch in sicht / robert kurz zu den anstehenden elitären finanziellen krisenbewältigungsversuchen
deutschland III: ökonomische rezession = steigende zahlen von medizinischer depression
deutschland IV: vom bildungsstreik zum banküberfall
frankreich: hintergründe zum "bossnapping" / video zur situation lohnarbeitender obdachloser in paris
ägypten: eindrücke vom generalstreik
global: das neue GEAB und die "drei monsterwellen"
in aller kürze: usa - wie sich die krise auf familien auswirkt / usa - kalifornien: weitere beispiele der streichungs- und kürzungsorgie / lettland: zur abwendung des staatsbankrotts wird auch hier wird gestrichen, was das zeug hält / griechenland: polizist erschossen / italien: berlusconi im rosa-wolken-land - "was für eine krise?"
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die folgendemeldung wurde meines wissen nur recht sporadisch und wenn, dann auch eher am rande im mainstream (ein paar ausnahmen gab´s) wiedergegeben - dabei hätte sie inhaltlich das zeug für dicke aufmacher und sondersendungen:
" Es ist die letzte Warnung der Wissenschaft an die Adresse von Politik und Wirtschaft, beim UN-Klimagipfel im Dezember schnell und drastisch zu handeln. Denn sonst steht unsere Zivilisation auf dem Spiel. Wissenschaftlich formuliert heißt das, es "bewegen sich viele Klima-Indikatoren über die Grenzen, in denen sich die gegenwärtige Gesellschafts- und Wirtschaftsform erfolgreich entwickelt hat".
Das ist eine der zentralen Aussagen im "Synthese-Report" der "internationalen Allianz der Forschungs-Universitäten", der am Donnerstag in Brüssel vorgestellt wurde. Wenn nicht "schnell, langfristig, effektiv und global koordiniert" gehandelt werde, sei die Erwärmung der Atmosphäre nicht mehr auf zwei Grad zu begrenzen: Dann würde der Klimawandel unkontrollierbar, weil etwa große Eismengen schmelzen und die Permafrostböden auftauen. Der Klimawandel würde sich selbst verstärken."(...)
ich frage mich ja immer wieder, wie irgendjemand bei klaren sinnen der gegenwärtigen gesellschafts- und wirtschaftsform das prädikat "erfolgreich" geben kann - das kann selbst dann, wenn man auf der sog. gewinnerseite des systems stehen sollte, nur bei einer ordentlichen portion verdrängung und abspaltung der fall sein. all die materiellen fortschritte primär hier im westen waren und sind eher als nebeneffekte der profiakkumulation einer kleinen elitären oberschicht zu werten, die das eher aus eigenem interesse heraus geduldet hat, aber aufgrund ihrer grundsätzlich antisozialen ausrichtung niemals als ziel an sich angesehen haben dürfte. dazu kommt noch der entschieden zu hohe preis, der für unser wohlstandsniveau auf allen möglichen ebenen nicht erst seit gestern sichtbar ist. bemerkenswert für den irrsinn der herrschenden "ordnung" finde ich vor dem obigen hintergrund zb. diese passage:
(...)"Es gibt aber darin auch zwei halbwegs gute Neuigkeiten. Erstens: Schon bisher kühlen die Aerosole, winzige Schwebeteilchen in der Luft, das Klima. Ohne sie liegt der Anteil der Treibhausgase bereits mit 463 ppm deutlich über der Gefahrenschwelle. Dreckige Luft hilft also dem Klima - nicht schön für die Luftreinhaltung, aber eine Atempause für die Erderwärmung."(...)
feinstaub, ruß und sonstiger dreck in der luft (schauen Sie sich mal die statistiken der atemwegserkrankungen bei stadtbewohnerInnen international an) gelten also in diesem speziellen kontext als "gute nachricht" - nicht nur solche meldungen sind es, die einen am selbstverliehenen status "intelligenzwesen" bezgl. unserer spezies immer wieder zweifeln lassen. ansonsten ist die botschaft klar, ebenso wie die wahrscheinlichkeit dafür, dass daraus wie üblich keine ernsthaften konsequenzen gezogen werden, schon gar nicht im wirbel von wirtschaftskrise und persönlichen interessen der elitären politiker (und großen teilen der sie gegen alle vernunft weiterhin wählenden bevölkerungen). nach uns weiterhin die sintflut:
(...)"Das alles bedeutet keine Entwarnung. Ganz im Gegenteil. Der Bericht schließt die Lücken des IPCC-Berichts mit drastischen neuen Fakten: So sehen die Forscher nun einen Anstieg des Meeresspiegels bis auf einen Meter bis zum Jahr 2100 als erwiesen an - hunderte Millionen von Menschen sind damit bedroht."(...)
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in anbetracht der klimatischen entwicklungen wärepeak oileigentlich als segen zu betrachten, aber das würde nur gelten, wenn wir mehrheitlich psychophysisch nicht so geschädigt wären, wie dieses blog versucht, zu dokumentieren. und mit der form von höchst begrenzter instumenteller vernunft, die wir uns v.a. im westen als "normalen" bewusstseinszustand zu betrachten angewöhnt haben, wird peak oil eher zum weiteren würgegriff, der nicht nur metaphorisch direkt an der blutzufuhr des kapitalismus ansetzt. und auch hier wird geleugnet, ignoriert und verdrängt, was das zeug hält - im zweifelsfall sind´s dann wieder diespekulanten, die die populäre rolle des bösen übernehmen:
(...)"Obwohl die Nachfrage nach dem Rohstoff schwach bleibt, ziehen die Ölnotierungen bereits wieder kräftig an. Innerhalb der vergangenen sechs Monate haben sie sich mehr als verdoppelt. Ein Fass Nordseeöl kostete am Mittwoch zeitweise knapp 71 Dollar. Angesichts dieser Entwicklung liegt der Verdacht nahe, dass Spekulanten wie etwa Hedgefonds am Werk sein könnten, die den Markt zu ihren Gunsten manipulieren."(...)
im weiteren verlauf des artikels werden einige entwicklungen genannt, aus denen aber mitnichten die richtigen schlüsse gezogen werden:
(...)"Diese Einschätzung wird auch durch den World-Energy-Bericht bestätigt, den BP vor wenigen Tagen vorlegte. Demzufolge verbrauchen die Entwicklungsländer erstmals in der Geschichte mehr Öl als die reichen Industriestaaten. "Der Schwerpunkt der globalen Energiemärkte hat sich deutlich und unwiderruflich in Richtung Schwellenländer, insbesondere China, verschoben", so BP-Chef Tony Hayward.
Schenkt man der Prognose der Internationalen Energieagentur (IEA) Glauben, dann wird sich die Ölnachfrage im zweiten Halbjahr zumindest nicht weiter abschwächen, sondern auf niedrigem Niveau stabilisieren. Die IEA warnte zugleich aber vor zu großem Optimismus: Eine Erholung der Weltwirtschaft sei daraus noch nicht abzuleiten.
2009 wird die Ölnachfrage den Prognosen zufolge so stark zurückgehen wie seit 1981 nicht mehr, auf einen Tagesbedarf von 83 Millionen Fass Öl pro Tag. In den Aktienkursen der Ölkonzerne spiegelt sich der steigende Rohstoffpreis noch nicht wider. Branchenbeobachter rechnen für dieses Jahr mit erheblichen Gewinneinbrüchen in der Branche, verursacht durch den Absturz der Ölpreise.
Viele neue Förderprojekte wurden deshalb zurückgestellt."(...)
ich habe hier in der vergangenheit schon in einigen schwerpunktbeiträgen zum thema peak oil versucht, die situation aus meiner sicht zu beschreiben; deshalb hier nur soviel: erstens, die umkehr im verbrauch zwischen industrialisierten und sog. schwellenländern ist lange vorhergesagt worden und zeigt den verhängnisvollen versuch dieser länder an, den westlichen "way of live" zu kopieren, mit allen zwangsweisen konsequenzen, die allerdings nicht nur in ländern wie china und indien, sondern global spürbar sein werden. zweitens, die zurückgehende nachfrage ist bereits als ein ausdruck des peaks zu betrachten und ergibt sich sowohl aus abnehmenden fördermengen als auch aus diversen maßnahmen zur reduktion des ölverbrauches in verschiedenen ländern. drittens ist sicher ein teil der preise spekulationsbedingt, wobei - wie in den letzten news schon erwähnt - diese spekulation nur funktionieren kann vor dem hintergrund eines realen mangels, den offensichtlich viele involvierte auf den sog. märkten im gegensatz zu den meisten widersprechenden bekundungen aus der wirtschaft bereits in rechnung stellen. viertens wird die rückstellung neuer förderprojekte mit dazu beitragen, dass sofort bei einer möglichen längeren ökonomischen zwischen"erholung" (und nichts anderes werden all die rettungsschirme und konjunkturpakete bestensfalls - aus elitärer sicht - bewirken können), der preis extrem anziehen wird mit folgen, die hier an anderer stelle schon öfter beschrieben wurden. das zeitalter des billigen (und genau das meint peak oil) öls ist definitiv zu ende, was größtenteils weiterhin hartnäckig geleugnet wird. und auch diese leugnung wird fatale konsequenzen haben.
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das zusammenspiel von klimawandel, peak oil und wirtschaftskrise erzeugt ua. phänomene, die sich teils als eigene krise manifestieren, wie dieernährungskrise:
"Die Finanzkrise macht sich auf dramatische Weise bemerkbar: Laut der Welternährungsorganisation FAO steigt die Zahl der Hungernden erstmals auf über eine Milliarde. Das sind elf Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr - damit ist jeder sechste Mensch nicht ausreichend versorgt.(...)
Danach wird die Zahl der Hungernden in diesem Jahr um elf Prozent steigen. Betroffen sind hauptsächlich Entwicklungsländer. Nach FAO-Angaben leiden in Asien rund 640 Millionen Menschen an Hunger, in Afrika sind es 265 Millionen, in Lateinamerika 53 Millionen und im Nahen Osten und Nordafrika 42 Millionen Menschen. Aber auch in den industrialisierten Ländern haben 15 Millionen Menschen zu wenig zu essen.
Die wegen der Wirtschaftskrise nachlassenden Exporte und ausländischen Direktinvestitionen treffen vor allem die städtische Bevölkerung in Entwicklungsländern. Die Ernährungsexperten erwarten deshalb, dass Millionen von Stadtbewohnern wieder zurück in die Provinzen ziehen und damit die dortige Situation verschlimmern werden.
Gleichzeitig haben die Entwicklungsländer damit zu kämpfen, dass die Transferzahlungen von Verwandten im Ausland in diesem Jahr drastisch zurückgegangen sind. "Das führt zu einem Verlust von Devisen und Haushaltseinkommen", heißt es in dem Bericht der FAO. Anders als bei vorherigen Krisen seien die Länder nicht in der Lage, diesen Ausfall auszugleichen, weil der Abschwung quasi die ganze Welt gleichzeitig treffe."(...)
das alles ist bei der beschreibung nicht ganz falsch, aber unvollständig: so gehört der mangel in einer situation des (insgesamt gesehenen) globalen überflusses an nahrungsmitteln immanent zur kapitalistischen ökonomie auch schon unter "normalen" umständen; zweitens aber werden die zunehmenden klimatischen veränderungen in vielen regionen die nahrunsmittelproduktion drastisch verändern, d.a. meist erschweren; und drittens wird sich peak oil auch hier durch preissteigerungen bei produktion und transport bemerkbar machen. dazu dann noch die spekulation mit ernährungsrohstoffen, und fertig ist das desaster. die sozialen und politischen wirkungen folgen auf dem fuße.
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zu den letzteren gehört unmittelbar diesituation der betroffenen menschen, wie sie sich bspw. in den menschenrechtsreporten von amnesty international erahnen lässt:
(...)"So manches Mitgliedsland des UN-Menschenrechtsrates dürfte sich in seiner Kritik an den Industrieländern bestärkt sehen: Bei der globalen Rezession sei es wie beim Klimawandel, die Reichen verursachten den Großteil des Schadens, aber die Armen litten am stärksten unter den Folgen der entfesselten Globalisierung und dem Wachstumstaumel, so die Amnesty Generalsekretärin Irene Khan.
Genau diese Folgen werden im Jahresbericht eindrucksvoll konkretisiert: Jeder dritte Stadtbewohner weltweit lebt in einem Slum, unter unzureichenden Wohnverhältnissen, ohne ausreichenden Zugang zu öffentlichen Versorgungseinrichtungen und ist ständig von Zwangsräumung, Unsicherheit und Gewalt bedroht. Hinzu kommt die damit verbundene gesellschaftliche und politische Ausgrenzung, die wachsende Ungleichheit, und die rücksichtslose Unterdrückung aller Andersdenkenden. Wer keine wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte genießt, verliert auch schnell seine politischen und bürgerlichen Rechte.
Erschreckend viele Regierungen, Großunternehmen und Finanzinstitutionen müssen sich vorhalten lassen, dazu beigetragen oder dies sogar verursacht zu haben, zumindest aber es nicht verhindert zu haben."(...)
und man braucht sich nur das treiben der hiesigen "eliten" zu betrachten, ihr täglichen lügen, ihre intrigen und ihr völlig verkommenes sein, um sich keinerlei illusionen über die situation in ländern zu machen, in denen staatliche oder auch institutionalisierte private (zb. seitens diverser transnationaler konzerne) gewaltausübung zwecks machterhalt mehr als hier als "normalität" gilt. dazu müssen auch immer die potenziell traumatischen folgen dieser gewalt bedacht werden, die ganze gesellschaften und generationen auf dauer schwer schädigen können und derart die entwicklung tatsächlich sozialer verhältnisse extrem erschweren - auch und gerade zu diesem thema gibt´s im blog genug lesestoff, ich empfehle einmal mehr den index.
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nach dieser geballten ladung düsternis dürfte der eine oder die andere der leserInnen hier wieder innerlich "schwarzmalerei" murmeln, worauf ich antworten möchte, dass wir allesamt im kapitalismus zu deformierten objektivistischen wachstumsjunkies degeneriert sind, bei denen wie bei einem den eigenen zustand hartnäckig verleugnenden alkoholiker nur noch die ständige konfrontation mit der realität hinter den eigenen konstruierten scheinwelten den ersten schritt darstellt, um eine zumindest theoretisch mögliche besserung überhaupt erstmal in reichweite zu bekommen. spaß macht das überhaupt nicht, und für mich selbst, der ich schon seit langer zeit mit verschiedenen zerfallsentwicklungen gerechnet habe, ist das ausmaß der zerstörung, aber noch mehr die implizit damit verbundene individuelle und kollektive dummheit etwas, was mich öfter schier an die decke gehen lässt. jegliche "privaten" absichten und pläne werden vor dem skizzierten hintergrund zur makulatur (wenn man sich denn nicht sowieso als beziehungslose monade begreift, was aber zuviele zeitgenossInnen schon zu praktizieren scheinen), und das ist etwas, was ich (nicht nur) den primär verantwortlichen "eliten" ganz persönlich übel nehme.
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das man diesen "eliten" immerhin eine, wenn auch stark reduzierte, art der intelligenz primär der instrumentellen art nicht absprechen sollte (vor allem dann, wenn´s um den erhalt der eigenen machtpositionen geht), habe ich früher schon als these aufgestellt. beimopablogbin ich nun neulich auf ein projekt aufmerksam geworden, welches sich durchaus als ausdruck der erwähnten intelligenz betrachten lässt:
"Die Süddeutsche meldet, daß deutsche Konzerne (und zwar die Creme) beabsichtigen, 400 Mrd Euro zur ökologischen Stromgewinnung in Wüsten Nordafrikas zu investieren.
Für mich ist das das erste ernstzunehmende Signal dafür, daß die amtierende Wirtschaftsmafia einen erfolgreichen kapitalistisch-imperialistischen Weg aus der Krise finden könnte.
Denn:
- Damit würden gleichsam unbegrenzte Finanzmittel in die Realwirtschaft fließen.
- Man würde einen substantiellen Beitrag gegen die ökologische Krise leisten.
- Die Massen sind für Ziele dieser Art zu gewinnen und können für ihre Verwirklichung zu materiellem und demokratischem Verzicht bereit gemacht werden.
- Geostrategische Probleme des atlantischen Kapitals können bewältigt werden.
- Summa Summarum: Die gegeben Machtverhältnisse bleiben nicht nur unangetastet, werden stattdessen sogar gefestigt."(...)
vor den eingangs skizzierten realitäten von klimawandel und peak oil könntedesertectatsächlich der erste adäquate versuch der herrschenden "eliten" sein, unter dem schlagwort des "grünen kapitalismus" doch noch den kopf aus der schlinge zu bekommen. ich enthalte mich an dieser stelle eines kommentars, weil ich mich selbst erstmal näher damit beschäftigen möchte - auch wenn mir spontan einige einwände hinsichtlich der umsetzbarkeit einfallen. für interessierte sei aber schon mal auf eine entsprechendediskussionbeim peakoilforum verwiesen.
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als eine art fanal lässt sich durchaus auch ein anderes geplantes projekt betrachten, welches gerade in den usa konkreter wird -innerstädtische schrumpfkurenlassen sich zunächst oberflächlich als ausdruck des endes der bisherigen autoindustrie betrachten, weisen jedoch als symbol weit darüber hinaus:
(...)"Mr Kildee said he will concentrate on 50 cities, identified in a recent study by the Brookings Institution, an influential Washington think-tank, as potentially needing to shrink substantially to cope with their declining fortunes.
Most are former industrial cities in the "rust belt" of America's Mid-West and North East. They include Detroit, Philadelphia, Pittsburgh, Baltimore and Memphis."(...)
kurz: in städten mit nicht mehr vorhandener schwer- und autoindustrie ist wg. rückgang der einwohnerInnenzahl geplant, ganze stadtteile systematisch von der restlichen bevölkerung zu leeren, sie dann abzureissen und der natur zu überlassen. was ich einerseits eine schöne vorstellung finde, andererseits bei betrachtung der zahl der obdachlosen in den usa auch zynisch. grundsätzlich jedoch glaube ich, dass auch das zeitalter der großstädte langsam, aber sicher dem ende zugeht - selbst bei berücksichtigung der entwicklungen in den sog. schwellenländern.
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kommen wir langsam von globalen zum lokalen, wobei ich glaube, dass die folgend thematisiertenzuständegrundsätzlich ebenfalls ein globales problem darstellt:
(...)"Ungefähr drei bis vier Millionen Privathaushalte sind derzeit in Deutschland überschuldet – das heißt, die Kosten für Essen, Miete und Kreditraten sind höher als die monatlichen Einnahmen. »Arbeitslosigkeit ist mit 29 Prozent die häufigste Ursache für eine Überschuldung«, sagte Heidi Merk, die Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes am Freitag in der Bundespressekonferenz. Dort stellte sie gemeinsam mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen, Arbeiterwohlfahrt, Rotem Kreuz, Diakonie und Caritas den »Schuldenreport 2009« vor. Nach der Studie besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Armut und Überschuldung. Zweithäufigster Grund ist die Veränderung der Lebensumstände. Dazu zählen unter anderem Trennung, Scheidung oder Tod des Partners. Kaum überraschend ist es daher, daß neben Erwerbslosen vor allem alleinerziehende Mütter in der Schuldenfalle sitzen, die bei etwa 60 Prozent der insgesamt Betroffenen aus rückständigen Krediten resultiert.
Scharfe Kritik übten die Wohlfahrtsverbände in diesem Zusammenhang an den Banken. Denen warf Gerd Billen, Vorsitzender des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV)vor, trotz milliardenschwerer Unterstützung mit Steuerngeldern ihre Kunden in wirtschaftlicher Not rücksichtslos zur Kasse zu bitten."(...)
lobet und preiset den freien markt. amen. und wer da von der möglichkeit der privatinsolvenz murmelt, sollte sich klar machen, dass damit keineswegs die grundsätzlichen probleme aus der welt geschafft wären - das prinzip "schulden" (ich beginne gerade erst, über die zweideutigkeit des wortes nachzudenken) gehört insgesamt auf den prüfstand.
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wobei selbst die schulden der millionen haushalte zusammengenommen vermutlich nicht ganz das maß erreichen werden, was sich als perspektive für den haushalt des deutschen staates abzeichnet -nicht kleckern, klotzen!:
(...)"Es ist eine Summe, die es so noch nicht gegeben hat: Bis 2013 wird der Bund 310 Milliarden Euro neue Schulden machen.(...)
Insgesamt plant Steinbrück im kommenden Jahr Ausgaben von rund 328 Milliarden Euro - ebenfalls eine Rekordsumme. Damit liegt das Volumen des Bundeshaushalts deutlich über den Ansätzen des alten Finanzplans. Ursache dafür sind zusätzliche Ausgaben, die durch die Wirtschaftskrise erzwungen werden.
So sieht der Entwurf ein Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 20 Milliarden Euro und höhere Ausgaben für das Arbeitslosengeld II in Höhe von zehn Milliarden Euro vor. Beide Posten treiben den Haushalt von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) in die Höhe. Mit einem Volumen von 153 Milliarden Euro ist er auch im nächsten Jahr wieder größter Einzeletat.
Vom übernächsten Jahr an soll der Bundeshaushalt in absoluten Zahlen sinken. So will Steinbrück die Ausgaben 2011 auf 322 Milliarden Euro drücken. Ein Jahr später sollen noch 319 Milliarden Euro bewilligt werden, 2013 dann 314 Milliarden Euro.
Trotz der düsteren Entwicklung beruhen Steinbrücks Planungen auf Hoffnungswerten. So unterstellt er in jedem Jahr Privatisierungserlöse von 28 Milliarden Euro."(...)
zwei dinge finde ich bei den obigen aussagen besonders interessant: einmal den deutlichen hinweis auf den "größten einzeletat", nämlich die erwerbslosensicherung. zum anderen die deutlich beschriebene absicht, mit den privatisierungen von öffentlichem gut unbeeindruckt fortzufahren. in den letzten news hatte ich hinsichtlich der ersteren bereits von entsprechenden streichungsdiskussionen für die zeit nach der wahl geschrieben, und zwar bevor ich den artikel von robert kurz,Die Stunde der Wahrheit, gelesen hatte - auszüge, wobei ich dringend den ganzen artikel empfehlen möchte:
(...)"Der Optimismus steht in der Tat auf töneren Füßen; er stützt sich allein auf die Hoffnung, dass die staatlichen Konjunkturprogramme ein neues selbsttragendes Wachstum in Sichtweite anschieben. Sehr viel wahrscheinlicher ist aber, dass die globale Kettenreaktion der Krise erst begonnen hat. Insbesondere das Ende des pazifischen Defizitkreislaufs zwischen den USA und Asien hat noch gar nicht voll auf die Weltwirtschaft durchgeschlagen. Wenn die staatlichen Programme nichts anschieben, sondern auf unabsehbare Zeit immer größere Löcher stopfen müssen, wird die Stunde der Wahrheit umso bitterer. Ist der Kapitalismus überhaupt noch finanzierbar? Das paradoxe Scheitern dieser Gesellschaft an ihren eigenen Kriterien ist möglich geworden.
Selbst im günstigsten Fall eines Übergangs vom Absturz in die Stagnation binnen Jahresfrist müssen die sozialen Folgen abgearbeitet und bezahlt werden. Dass die Arbeitslosenstatistik frisiert ist, weiß jeder. Gegenwärtig fällt aus der Statistik der BRD, wer als Arbeitsloser in Schulungsmaßnahmen parkt, von kommerziellen Vermittlungsagenturen betreut wird oder schlicht krank geschrieben ist. Die statistisch gezählten 3,4 Millionen Arbeitslosen summieren sich real auf 5 bis 6 Millionen. Auch wenn die Konjunktur nicht noch weiter abstürzt, sind bis Mitte 2010 nach der jetzigen Zählmethode mindestens 5 Millionen Arbeitslose zu erwarten, also real mehr als 7 Millionen. Noch mehr frisieren geht nicht, denn auf einer Glatze kann man keine Locken drehen. Ein derart rapider Anstieg der Arbeitslosigkeit rüttelt an den Grundlagen der bereits zurückgefahrenen sozialen Sicherungssysteme. Die Einnahmeausfälle der Arbeitsagentur, der Rentenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung in den kommenden Monaten drohen alle Defizitgrenzen zu sprengen. Auch das ist „historisch“.
Schlagen schon die diversen Rettungspakete und Rettungsaktionen ebenso zu Buche wie die vermutlich nicht ausreichenden Konjunkturprogramme, so werden die Ausfälle bei den Sozialkassen zu einer Defizitlawine, deren Dimension die noch gar nicht abbezahlten Kosten der deutschen Vereinigung übersteigt. Im Unterschied zu den Zeiten der Finanzblasen-Konjunktur brechen jetzt aber gleichzeitig die Steuereinnahmen in demselben Tempo weg, wie die Kosten der Krise explodieren; auch dieser Ausfall steht großenteils noch bevor. Die demnächst vom Bundesrat zu verabschiedende Verankerung einer „Schuldenbremse“ im Grundgesetz ist ein finanzpolitisches Phantasma, das die gelungene Krisenbewältigung bereits blauäugig voraussetzt. Aber es ist auch ein Signal für die weitere Verlaufsform des Desasters. In der politischen Klasse besteht wohl momentan darin Einigkeit, dass die Notenpresse nur in dem Maße angeworfen werden darf, wie sich die Inflation als unvermeidliche Folge einer Verstaatlichung der Krise ohne Systembruch einigermaßen beherrschen lässt. Deshalb ist eine dramatisch verschärfte soziale Notstandsverwaltung programmiert, die den Kollaps der Staatsfinanzen hinausschieben soll. Diese Stunde der Wahrheit kann aber erst nach der Wahl im Herbst eingeläutet werden; und bis dahin ist es ein Wettlauf der Demoskopie mit der Zeit.
Am kommenden Notstandsprogramm wird in den Ministerialbürokratien sicherlich bereits unter dem Siegel „streng geheim“ mit heißer Nadel gestrickt. Die Konturen sind leicht zu erahnen. Man muss nur die bisherigen Maßnahmen auf die neue Krisendimension hochrechnen. Das erste Szenario könnte in einer drastischen Erhöhung der Mehrwertsteuer ohne Ausnahmeregelungen bestehen; vielleicht sogar mittels einer europaweit konzertierten Aktion der Regierungen. Das ist die am wenigsten geräuschvolle Methode eines Drucks auf die unteren Einkommen, auch wenn damit allein die Staatsfinanzen nicht zu sanieren sind und die Binnenkonjunktur weiter abgewürgt wird. Aber es geht ohnehin nur um hinhaltende Verzögerungstaktiken, die sich in Widersprüchen bewegen müssen. Das zweite Szenario könnte in einem ebenso drastischen Zusammenstreichen sämtlicher Transfereinkommen bestehen, um die Sozialkassen zu entlasten und die staatlichen Zuschüsse in einem irgendwie bewältigbaren Rahmen zu halten. Also Kürzung der Renten, des Arbeitslosengeldes, der Hartz-IV-Bezüge und (noch weit härter als bisher) der gesetzlichen medizinischen Versorgung. Durch beide Szenarios, die einander ergänzen, wird das Existenzminimum neu definiert, und zwar in einem bisher nicht vorstellbaren Ausmaß nach unten."(...)
wenn ich das noch mit der unterstellten elitären absicht von weiteren privatisierungen kombiniere, kommt dabei etwas heraus, was als umverteilung von unten nach oben noch untertrieben bezeichnet wäre - das wäre eher als ein systematischer raubüberfall mit mindestens in kauf genommener todesfolge gegen die mehrheit der bevölkerung zu betrachten.
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ist es bei all dem nicht schon fast logisch,depressivzu werden?
"Merken Sie bei Ihrer täglichen Arbeit, daß die Wirtschaftskrise bei den Kranken angekommen ist?
Ich registriere einen zunehmenden psychischen Druck bei vielen Menschen – und eine wachsende Hemmungen, sich arbeitsunfähig schreiben zu lassen. Viele fürchten Repressalien, wenn sie krank werden, oder sinkende Chancen auf dem Arbeitsmarkt – vor allem wenn sie älter als Mitte 40 sind. Statistisch gibt es zwar 2008 wieder mehr Krankmeldungen, nachdem 2007 der Krankenstand das Rekordtief von 3,2 Prozent der Sollarbeitszeit erreicht hatte. Das verwundert nicht: Krankheiten lassen sich nicht verschleppen oder verdrängen; das »Rollback« kommt heftig. Die momentane Krise ist noch nicht statistisch erfaßt –in späteren Statistiken wird vermutlich eine Zunahme psychosomatischer Krankheiten erkennbar werden. Aus subjektiver Sicht kann ich nur konstatieren: Depressionen als Folge des ökonomischen Drucks nehmen zu.
Wie macht sich das bemerkbar?
Eine Amerikanisierung der ökonomischen Verhältnisse macht sich breit: Viele können sich nur noch mit zwei Jobs über Wasser halten, teilweise mit einer 60-Stundenwoche. Das führt zur Überlastung: Burnout oder Depression als Antwort auf Mangel an Zeit zur Regeneration, für die Familie und private Interessen. Neu ist, daß die gesellschaftliche Mittelschicht vom Druck erfaßt ist. Durch die Bankenkrise haben kleine Unternehmer und Handwerker einen Großteil ihres Vermögens verloren."(...)
nicht eben was ganz neues, zumal sich diese entwicklung bereitsvor der aktuellen krisedeutlich abzeichnete, und jetzt nochmals an rasanz gewonnen hat - aber auch das gehört zur nötigen realitätswahrnehmung dazu, und von daher kann es eher nicht genug berichte und meldungen über diese speziellen krisenfolgen geben.
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das gefühl spontaner freude beim anblick von nachrichten ist selten genug, und so möchte ich das auch gerne teilen - imtickervom bildungsstreik.net gab es gestern u.a. die folgenden antidepressiv wirkenden meldungen zu lesen:
Berlin: Banküberfall HRE
Donnerstag - 18.06.2009 14:19
Schon über 500 Leute vor der Hypo Real Estate. Es kam zu einer grundlosen Festnahme, jetzt Sitzblockade vor der Polizei. Stimmung ist gut und laut.
Marburg: Banküberfall und Besetzung
Donnerstag - 18.06.2009 14:31
Die Aktionen in Marburg laufen.... Erste Bankfiliale der Dresdner Bank wird besetzt. Die StudentInnen fordern Konjunkturpakete für die Bildung, nicht für Banken. Über die Stadt verteilt finden Aktionen statt. Die Besetzung des FB Politikwissenschaft läuft weiter... die StudentInnen haben sich vorerst für eine längere Blockade (über diesen Tag hinaus) ausgesprochen. Für Essen, Trinken, Musik und gute Stimmung ist gesorgt...andere Fachbereiche solidarisieren sich. Bis jetzt noch kein Verhandlungsangebot der Institutsleitung.
Berlin: Commerzbank überfallen
Donnerstag - 18.06.2009 15:17
Die Commerzbank am Europaplatz wurde soeben von mehreren hundert Leuten \"überfallen\".
Freiburg im Breisgau: Angst
Donnerstag - 18.06.2009 15:23
die Polizei hat alle Banken in der Innenstadt unter ihren Schutz gestellt. Da scheint jemensch Angst zu haben... Vielleicht sollte mensch in die Außenbezirke ausschwärmen...
Freiburg: Banken bewacht
Donnerstag - 18.06.2009 15:36
In Freiburg haben 3 Banken geschlossen und der Rest ist bewacht. Dabei hat die Aktion Banküberfall noch gar nicht begonnen...
Berlin: 1000 vor der Deutschen Bank
Donnerstag - 18.06.2009 15:39
1000 Leute blockieren jetzt die Deutsche Bank. Einige sind drin eingeschlossen, die Beute wird von der Polizei bewacht.
Hamburg: 9 Banken überfallen
Donnerstag - 18.06.2009 15:47
In der Hamburger Innenstadt wurden heute 9 Banken \"überfallen\". 15-17 Leute wurden von der Polizei aus der Deutschen Bank am Rathausmarkt rausgeholt, eingekesselt und die Personalien aufgenommen. Außerdem ging es noch u.a. in die HSH Nordbank und die Commerzbank. Gerade wurde eine Spontandemo angemeldet, eine Kudngebung gehalten. 200 Menschen bewegen sich jetzt wieder in Richtung Uni.
Frankfurt: Banküberfall
Donnerstag - 18.06.2009 15:52
Heute ab 11:30 versammelten sich ca. 50 Studierende der Hochschulgruppen Attac-Campus und Die Linke.SDS gemeinsam mit den Schülern aus Hanau vor der Deutschen Bank-Fliale in der Innenstadt und blockierten den Eingang der Bank. Die Polizei verwehrte ihnen zwar den Zutritt in die Bank. Schüler und Studierende machten daraufhin einen Sitzstreik vor dem Eingang forderten mehr Geld für Bildungswesen. Die Fliale machte daraufhin ihren Kundenbereich ganz dicht... Auf der Vollversammlung der Goetheuniversität berichtete eine Schulsprecherin aus Hanau von der Aktion und bekam einen starken Applaus.
Berlin: Sitzblockade beginnt
Donnerstag - 18.06.2009 15:55
Nach dem die \"Bankräuber\" immer noch in der Deutschen Bank eingezingelt sind, fängt die Polizei langsam an, die 1000 Demonstrierenden einzukesseln...
Potsdam: Innenstadt voller Polizei
Donnerstag - 18.06.2009 15:59
Alle Banken werden bewacht, die Innenstadt ist voller Polizei. Viele Banken haben geschlossen. Vielleicht helfen ein paar Ablenkungsmanöver?!
Freiburg im Breisgau: Banküberfall doch noch durchgeführt!
Donnerstag - 18.06.2009 16:44
Nachdem viele Banken in der Stadt geschlossen waren oder von der Polizei bewacht waren, hat die 40 köpfige Gruppe doch noch eine Finanzquelle gefunden: sie drangen bunt in eine Filiale der HypoVereinsbank ein, das Personal war nicht sehr aufgeschlossen. der Weg führte weiter in eine Filiale der Deutschen Bank, wo der Filialleiter durch vorgehaltenen Wasserpistolen gezwungen werden konnte, Kugelschreiber für das marode Bildungssystem herauszurücken. BEUTE!!! ... aber bitte das Logo abkratzen... Die Polizeibegleitung war groß.
Berlin: Banküberfall wird massiv geräumt!
Donnerstag - 18.06.2009 16:57
Die Polizei räumt gerade massiv in Berlin die Kundgebung vor der Deutschen Bank. Personalien werden aufgenommen, 70 Leute sind noch in der Bank. HINGEHEN, SOLIDARITÄT ZEIGEN!!! Solidarische Grüße treffen bereits aus Köln!
Köln: Bank überfallen!
Donnerstag - 18.06.2009 17:20
viel geruhsamer als in Berlin wurde heute in Köln eine Commerzbank am Friesenplatz überfallen. Ca. 100 Teilnehmer_innen. Das Betreuungsverhältnis zw. Polizei und Aktionist_innen war besser als das an den Bildungseinrichtungen zwischen Dozierenden und Lernenden.
eine schöne und sehr zeitgemäße aktionsform, die sich auch für erwerbslose, frisch entlassene etc. anbietet. die meldungen aus potsdam und freiburg fand ich dabei besonders aufschlußreich, zeigt sich doch im beschriebenen polizeilichen verhalten durchaus eine gewisse nervosität - die in berlin dann bei der erwähnten aktion vor der "deutschen bank" in das übliche rabiate vorgehen umschlug, wie das folgende video deutlich macht:
nur die sprechchöre halte ich gegenüber der staatsgewalt für deplaziert - sorry, aber gewaltausübung ist ihre aufgabe, und die werden sie zum schutz all der systemrelevanten institutionen, als die sich primär die banken nun mal selbst darstellen, auch anwenden. wie nicht erst seit diesem video deutlich sein sollte. was wir von diesem system in seinem todeskampf zu erwarten haben, ebenfalls. andererseits: was werden die behelmten truppen tun, wenn nicht ein paar hunderte oder auch auch tausend, sondern zehn- bis hundertausende vor den banken, firmenzentralen und ministerien auftauchen? auf jeden fall haben die schülerInnen und studentInnen gestern ein gutes zeichen gesetzt, welches erahnen lässt, was potenziell möglich ist. vielen dank dafür!
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die neue ausgabe derwildcatist erschienen, und im editorial machen bereits die ersten sätze deutlich, dass sich dafür ein gang zum örtlichen buchladen lohnt:
"Deutschland, Anfang Juni 2009. Daimlermanager sind gehalten, nicht zu häufig in die Werke zu gehen, um »eine ungute Stimmung zu vermeiden«. Die Polizei beobachtet den Verlauf der Wirtschaftskrise. Noch gibt es keinen Anstieg der Gewalt, sie bereitet sich aber vor. Noch gibt es keine Massenentlassungen. Die Behörden bereiten sich aber vor. Es ist eine seltsame Zeit, eine Zwischenzeit, in der alles auf dem Spiel steht."
und desweiteren lesen sich auch andere ankündigungen sehr spannend:
"Danach kommen ein paar Gedanken zur Frage, warum die radikale Linke in dieser historischen Krise des Kapitalismus so leer dasteht wie ein geräumtes Bankgebäude. Könnte es sein, dass ein Großteil linker Theorieproduktion der letzten drei Jahrzehnte die Seifenblasen der Kreditökonomie für Realität gehalten hat? Und was passiert nun nach dem Platzen der Kredit- und Theorieblasen? Postmoderne Bodenbildung."
mir scheint, dass sich die angriffe gegen diesimulierten (theorie-)weltenauch und gerade innerhalb der linken häufen, was ich als positive entwicklung betrachte - aber darum soll´s jetzt gerade nicht gehen, sondern um das (noch) "urfranzösische" phänomen desbossnapping, bzw. eine kritische und durchaus ernüchternde betrachtung desselben:
(...)"Auch der Kampf bei Caterpillar in Grenoble, wo 763 Jobs bedroht sind, fand großes Medienecho. Hier richtete sich das Hauptaugenmerk auf das Bossnapping und die Art der Freilassung: Gewerkschaftsmitglieder schützten die Bosse vor wütenden ArbeiterInnen. Im Fernsehen konnte man sehen, dass außerhalb der Fabrik 150 CRS-Bullen warteten, während drinnen eine Atmosphäre des Hasses gegen die Bosse herrschte. Diesmal hatten ihnen die Streikenden die Handys weggenommen. Als die Bosse nach zwei Tagen wieder freigelassen wurden, geschah das wirklich unter dem Schutz der CGT. Streikende brachten ihre Wut und Ablehnung zum Ausdruck, Journalisten nahmen das auf. Na und?
Beim Festsetzen übernahm und behielt die CGT die Führung. Selbst diese »wütenden« ArbeiterInnen waren nicht in der Lage, darüber hinauszugehen. Ein Teil der ArbeiterInnen ist zufrieden mit dieser Sackgasse, sie begreifen nicht, dass der Angriff auf einen oder mehrere Bosse kein Angriff auf die Firma Caterpillar ist. Und auch hier wurde keine Initiative ergriffen, um etwa durch einfaches Besuchen anderer Fabriken den Horizont des Streiks zu erweitern.
Leute im Ausland könnten – verstärkt durch die mediale Darstellungn – solche Demonstrationen für einen großen Schritt in Richtung »Revolution« halten: Konfrontation mit der Polizei, Angriffe auf staatliche Gebäude (Präfektur, Arbeitsämter usw.), Straßen- oder Schienenblockaden, die Zerstörung von Industrieprodukten auf den Straßen (Reifen, Stahlrollen usw.). Der Rauch brennender Reifen unterstreicht die Qualität des Spektakels. Aber in Frankreich haben wir das in den letzten 30 Jahren oft gesehen, vom großen Stahlarbeiterstreik im Februar/März 1979 über die Bergarbeiterdemo in Metz im November 1995 bis zu Continental heute. Das soll nicht heißen, diese ganzen Aktionen seien an sich nutzlos. Sie werden es aber, wenn sie Ersatz für kollektiv organisierte Kämpfe sind, die die Bosse wirksam treffen. Es ist klar, dass die Gewerkschaften diese »gimmicks« gut finden, denn sie benutzen sie, um einerseits die Kampfkraft der ArbeiterInnen zu erschöpfen – und andererseits selbst wieder radikal zu erscheinen."
das zeigt durchaus die grenzen der personalisierung bei sozialen kämpfen des derzeitigen kalibers auf, wobei ich nicht finde, dass die aktionsform generell unangemessen ist - im kontext weiterer und anderer aktionen kann das schon eine adäquate möglichkeit darstellen, den "bossen" auch ganz spürbar ihre persönlichen grenzen aufzuzeigen - eine erfahrung, die die "eliten" bisher viel zu selten machen können, was nicht unwesentlich zu ihrer verzerrten realitätswahrnehmung beitragen dürfte.
denn es sind immerhin die gleichen leute, die nicht nur in frankreich hinter zuständen wie den in diesemvideodokumentierten stecken.
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eher zufällig bin ich heute auf eine meldung ausägyptengestolpert, die einmal mehr deutlich macht, wie sich die wirtschaftskrise zusammen mit der ernährungskrise in repressiven autoritären systemen zu einer brisanten mischung auftürmen kann:
"Ein Generalstreik sollte das öffentliche Leben in Ägypten zum Erliegen bringen. Doch viele waren nach massivem Druck der Regierung offenbar eingeschüchtert, es gab nur wenig Resonanz auf den Streikaufruf. Der Anlass für die Wut der Menschen bleibt: Die Preise für Lebensmittel, die sich viele nicht mehr leisten können.(...)
"Wir essen meistens Kartoffeln, Auberginen, Zucchini. Kräftige Sachen gibt es alle Jubeljahre. Das Größte für uns sind die Knochenteile, die vom Hühnchen so übrigbleiben", erzählt Tarek. Seine Frau Mayada ergänzt: "Die Preise klettern jeden Tag! Gestern wollte ich die Tomaten zum Preis von vorgestern kaufen. Der Händler hat mir die Tüte aus der Hand gerissen."
Wenn Tareks Frau Mayada auf den Markt geht, dann dauert das Stunden. In Kairos Armenviertel Boulaq schimpfen, drohen und fluchen die Mütter an den Marktständen. Seit Beginn des Jahres sind die Ausgaben eines Haushalts in Ägypten um durchschnittlich fünfzig Prozent gestiegen. Beim Feilschen liegen die Nerven der Frauen blank. "Möge Gott dein Haus zerstören!", ruft Mayada dem Händler zu. So teure Preise, das sei Sünde, wo bleibe sein Gewissen.(...)
Eigentlich wollten die Ärzte heute zum ersten Mal streiken, aber die Regierung hat den Ärztestreik verboten. Mona klingt frustriert: "Die Ärzte zählen eben nicht mehr zur oberen Mittelklasse. Das war mal. 80 Euro decken nicht die Lebenshaltungskosten. Und die Preise steigen astronomisch."
Doch die Ärzte sind nicht die ersten, die protestieren. Textilarbeiter im Nildelta legten als erste die Maschinen still. Fünf Euro mehr Gehalt fordern sie. Und lösten damit eine Lawine aus. Die Steuerbeamten gingen als nächstes auf die Straße. Der Streik vermischt sich mit politischen Parolen gegen das Regime. Mona und ihre Kollegen versammeln sich zum Sit-in: "Die Linsen sind zu teuer", rufen sie. "Die Ärzte sind hungrig, der Streik ist legal!"
"Ärzte ohne Rechte" ist auch auf einem Forum von Oppositionellen und Globalisierungsgegnern Vertretern. Dort begegnen sich all jene, die wissen wollen, warum Ägyptens Wirtschaftswachstum von zuletzt sieben Prozent bei so vielen Bürgern nicht ankommt."(...)
letzteres dürften sich wohl inzwischen menschen in vielen ländern mit angeblichen "aufschwüngen" stellen. eine kombination von umständen wie den eben dargestellten jedoch hat tatsächlich das potenzial. für breite soziale revolten zu sorgen, v.a. dann, wenn ein regime noch auf die "klassisch" autoritäre art reagiert. insgesamt ein durchaus aufschlußreicher artikel.
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weil´s gerade ganz frisch draußen ist, sei der hinweis auf das neuegeabgestattet. über einfallslosigkeit bei den metaphern kann man sich jedenfalls nicht beschweren, und wie sieht die neueste prognose nun aus?
(...)"Deshalb gehen wir, ganz im Gegensatz zu dem gegenwärtig herrschenden Diskurs in den Medien und der Politik, keines Falls davon aus, dass sich nach dem Sommer die Weltwirtschaft erholen könnte; und übrigens auch nicht in den folgenden zwölf Monaten. Da die eigentlichen Ursachen der Krise überhaupt nicht bekämpft werden, gehen wir vielmehr davon aus, dass im Sommer 2009 als Folge der Verschlimmerung der Krise drei „Monsterwellen“ zeitgleich oder zeitnah über die Weltwirtschaft hereinbrechen werden; sie werden ab September/Oktober 2009 Umbrüche verursachen, über die unsere Kinder in den Geschichtsbüchern lesen werden. Wie schon seit Beginn dieser Krise wird natürlich jede Weltregion in anderer Weise betroffen sein. Aber wir gehen davon aus, dass alle, ohne Ausnahme, sehr stark in Mitleidenschaft gezogen werden und ihre Lage sich bis zum Ende des Sommers 2009 deutlich verschlechtern wird."(...)
bei den hauptaussagen bin ich - was für eine überraschung - d´accord, und was sind nun die drei wellen?
(...)"...vielmehr konzentrieren wir uns auf die drei Monsterwellen, die im Sommer 2009 in schneller Folge und mit zerstörerischer Kraft über die globale Wirtschaft und die nationalen Sozialsysteme hereinbrechen werden. Sie sind Ausdruck der weiteren Verschlimmerung der Krise und werden schon ab dem Ende des Sommers 2009 zu weitreichenden Umbrüchen führen, wie insbs., dass die beiden Pfeiler des gegenwärtigen globalen Systems USA und Großbritannien Staatsbankrott erleiden werden.
Die drei Monsterwellen sind:
1. Massenarbeitslosigkeit ; die Welle wird die Länder Amerikas, Europas, Asiens, des Mittleren Orients und Afrikas zu verschiedenen Zeitpunkten erreichen
2. Insolvenzen mit Dominoeffekten; Unternehmen, Banken, Privathaushalte, Staaten, Regionen, Kreise, Städte und Gemeinden
3. Die Agonie des Dollars, der US-Schatzbriefe, des britischen Pfunds und die Wiederkehr der Inflation
Diese drei Wellen kommen jedoch nicht parallel und gestaffelt hintereinander, wie beim maritimen Phänomen der « drei Schwester-Monsterwellen ». Sie sind noch zerstörerischer, weil sie gleichzeitig oder zumindest zeitnah aus verschiedenen Richtungen und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten über die Weltwirtschaft hereinbrechen. Deshalb können ihre Auswirkungen das globale System und die öffentliche Ordnung in den einzelnen Ländern zerstören. Das einzige, was angesichts dieser vielfältigen Gefahr sicher ist, ist die Tatsache, dass noch nie das internationale System so schwach und so wenig auf eine solche Situation vorbereitet war."(...)
tja. falls Sie das zu sehr aufregen sollte, empfehle ich wahlweise eine beruhigende merkel- oder köhlerrede vor dem schlafengehen. wie, das regt Sie noch mehr auf? dann bleibt wohl langsam nur noch die möglichkeit, in selbst gewählten und angemessenen formen aktiv zu werden.
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in aller kürze - das krisentelegramm + es ist ja nachvollziehbar, dass für die meisten menschen die auswirkungen der krise erst so richtig anhand von einzelschicksalen nachvollziehbar werden, darum hier einbericht über familien in den usa in den fängen der krise + nachtrag zu den letzten news: mehr einzelheiten aus demkalifornischen streichkonzert: "Schulen, Altenheimen, Gefängnissen und Krankenhäusern werden Zuschüsse gestrichen. Knapp eine Million Kinder aus sozial schwachen Familien würden nach Schwarzeneggers Plänen ihre Krankenversicherung verlieren. Stipendien für College-Studenten, Rehabilitationsprogramme für Häftlinge und medizinische Unterstützung für Aids-Patienten entfallen. «Das sind furchterregende Aussichten», sagte der 48-Jahre alte HIV-kranke Arturo Jackson bei einer Protestaktion in Sacramento dem «San Francisco Chronicle». Die Kürzungen, die vor allem Arme, Alte und Kranke treffen werden, sind «grausam, herzlos und sie werden Menschen buchstäblich umbringen», warnt Gary Passmore, Vorsitzender eines Seniorenverbandes." dem ist nichts hinzuzufügen + ein weiterer nachtrag zur situation inlettland, das dem staatsbankrott noch mit einem notfallkredit von eu und iwf von der schippe springen möchte, mit allen bekannten nebenwirkungen: "Die Staatsausgaben, bereits zuvor um ein Viertel reduziert, sollen dank Ausgabenkürzungen von umgerechnet 720 Millionen Euro um weitere zehn Prozent fallen. Die Gehälter im öffentlichen Dienst sinken nach bisherigen Kürzungen um bis zu 35 Prozent nochmals um 20 Prozent. Der Mindestlohn wird auf umgerechnet 200 Euro reduziert, das Elterngeld halbiert, die Kinderbeihilfe gekürzt. Entgegen bisherigen Versprechen, die Rentner im Krisenprogramm zu schonen, wird nun auch bei ihnen der Rotstift angesetzt: Die ohnedies minimalen Staatsrenten sinken um zehn Prozent, all jenen Rentnern, die sich mit Nebenjobs über Wasser halten, wird 70 Prozent ihrer Rente genommen. Gleichzeitig streicht die Regierung die Ausgaben in allen Ministerien massiv zusammen und kündigte die Schließung von Krankenhäusern und Schulen an. Hingegen verzichtet sie weiterhin auf die Einführung eines progressiven Steuersystems statt der Einheitssteuer von 23 Prozent für alle Einkommen. Höhere Steuern würden mehr schaden als nützen, behauptet Finanzminister Einars Repse." hübsch, oder? glauben Sie bloß nicht, das wäre alles ganz weit weg. und verfolgen Sie auch hier die weiteren nachrichten: "Die Lehrer, die mit Lohnkürzungen von 50 Prozent zu den härtest betroffenen Gruppen zählen, drohen mit dem Boykott der Abschlussexamen an den Schulen. Die Gewerkschaften haben für den Donnerstag zu Protestkundgebungen in Riga aufgerufen." + ein wahrhaft globales desaster, wie übrigens auch ganz nüchtern und nicht nur für d-land die entprechendenchartsdeutlich machen + die nachrichten der nächsten tage sollten auch hinsichtlich der situation ingriechenlandim auge behalten werden, wo sich vorgestern das folgende ereignete: "In Athen ist am Mittwochmorgen ein Polizist erschossen worden. Der 41-Jährige war laut Polizei zum Schutz einer Zeugin abgestellt gewesen, die gegen die Terrororganisation "Revolutionärer Volkskampf" ELA aussagen sollte. Die Behörden gehen von einem terroristischen Hintergrund der Tat aus." + das allerletzte diesmal ausitalien:"Für Regierungschef Silvio Berlusconi ist die weltweite Wirtschaftskrise an Italien ziemlich spurlos vorübergegangen. "Unser Banksystem ist solide, die Unternehmen sind flexibel und strukturieren sich um." Berlusconi, der keinerlei Scheu hat, karge Staatsgelder auch für seine frivolen Feste zu nutzen, liegt auch mit Zentralbankchef Mario Draghi im Clinch. Er beschuldigt die Banca d'Italia, falsche Daten über den Arbeitsmarkt präsentiert zu haben. Nun erhielt Draghi unerwartete Hilfe von der OECD, die mit zehn Prozent Arbeitslosenrate in Italien rechnet." einmafiöser staatschefauf dem weg insrosawolkige nirvana. ganz offensichtlich ist die hiesige bevölkerung nicht die einzige, die einen hang zu schwer gestörten führungspersönlichkeiten hat +
das kann eine spannende geschichte werden, ich übernehme mal den ankündigungstext aus demterminkalendervom "kulturemsemble am klinikum bremen-ost":
Haus im Park
Sa 20.6. 14.00 - 18.00 Uhr
Symposium und Vorträge
Kriegstraumata
Kriegstraumata - Maschinengewehre hinter der Front Disziplinierung statt Heilung? Die Psychiatrie im Ersten Weltkrieg, Maria Hermes MA
Kriegstraumata und Faschismus
Zur Genese von Hitlers Vernichtungsantisemitismus, Prof. Dr. Gerhard Vinnai
Traumata: Wenn der Einsatz nicht mehr endet
Posttraumatische Belastungsstörungen in Folge internationaler Missionen der Bundeswehr in Kriegs- und Krisengebieten, Dr. Karl-Heinz Biesold
Moderation: Alfred L. Lorenz
Eine Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung „Was damals Recht war …“
In Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung und der Georg-Elser-Initiative
Eintritt 5,- /2,50
hier ist noch eineskizze der örtlichkeiteneinsehbar. und stattfinden tut das ganze im rahmen einer veranstaltungsreihe als begleitung einer ausstellung, die primär von dergeorg-elser-initiativezum thema "soldaten und zivilisten vor gerichten der wehrmacht" initialisiert wurde - den entsprechenden flyer für die bremer veranstaltungen gibt´s als pdfhier.
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ich werde aller wahrscheinlichkeit als zuhörer dabeisein und würde bei entsprechendem interesse versuchen, nach der veranstaltung meine eindrücke hier aufzuschreiben. das erste thema der militärpsychiatrie im wk1 trägt vermutlich nicht zufällig als titel denselbigen des berühmtenbuches von riedesser und verderber, wobei ich hoffe, dass der vortrag sich nicht auf eine reine wiedergabe der zentralen thesen dort beschränkt. den vortrag von gerhard vinnai habe ich vermutlich vor ein paar jahren auf einer anderen trauma-veranstaltung schon mal gehört, fand ihn aber schon damals aus gründen sehr inspirierend, die ich später in einemkommentarzu einem anderen thema so beschrieben hatte:
(...)"ich war vor ein paar jahren mal auf einem kleinen kongreß zum thema trauma und geschichte, bei dem u.a. gerhard vinnai einen vortrag zu den kriegszitterern gehalten hat und dabei auch einen alternativen erklärungsansatz zu den von theweleit ebenfalls ja ausführlich analysierten schlamm-, sumpf-, und ähnlichen metaphern vorgestellt hat, die sich in der zwischenkriegsliteratur der soldatischen männer ja zur genüge finden. er begründete diese auffällige sprachwelt mit den vielen phasen des stellungskrieges, die mit teils sehr langem ausharren in verschlammten gräben und sumpfigen gelände verbunden waren, unterbrochen von teils heftigen feuerüberfällen, in denen die truppen zur passivität verdammt waren (genau aus solchen situationen stammen wahrscheinlich tatsächlich viele symptome der als solche wahrgenommenen traumatisierten soldaten; ich habe während meiner beruflichen tätigkeit u.a. auch einblick in die krankenakten eines damaligen armeelazarettes - eine umfunktionierte psychiatrische "heil- und pflegeanstalt" - nehmen können, und da war genau diese situation immer wieder thema).
kurz: er hielt es für wahrscheinlich, dass es sich bei den hartnäckigen metaphern quasi um den ausdruck unverarbeiteter traumatischer erinnerungen handelt. und ergänzend zu theweleits ansatz finde ich das nicht unwahrscheinlich."(...)
aber nicht nur für theweleit-leserInnen dürfte das thema spannend sein.
und als letztes: der name karl-heinz biesold ist hier im blognicht unbekannt, zumal es sich bei ihm um den derzeitigen "traumaspezialisten nr.1" in den reihen der bundeswehr handeln dürfte. vor diesem hintergrund bin ich nicht nur auf den vortrag gespannt, sondern mir kommen bereits jetzt schon eine ganze menge fragen in den sinn, die ich so jemandem schon immer stellen wollte - vor allem in die richtung, aus welchen gründen sich eigentlich eine kriegführende armee um "ihre" traumatisierten soldaten bemüht - reine wiederherstellung der dienst- und funktionstauglichkeit? oder auch ängste, dass diese soldaten im späteren zivilleben plötzlich irgendwann "austicken"? wie geht ein militärpsychiater überhaupt mit dem zentralen widerspruch um, innerhalb einer institution tätig zu sein, bei der die erzeugung von traumata sozusagen direkt zu den aufgaben gehört?
wenn sich von den leserInnen jemand auch für den besuch der tagung entscheiden sollte: ich wäre durchaus für ein treffen dort offen und würde Sie in diesem fall bei vorhandenem interesse darum bitten, mir unter derkontaktaddressekurz bescheid zu geben.
...hat nicht nurhierzulandein den jahrzehnten von 1945 (wobei ich nicht davon ausgehe, dass es vor 45 irgendwie besser gewesen wäre) bis teils noch die 1980er jahre innerhalb einer relevanten zahl von unter ihrer verantwortung verwalteten kinderheimen und ähnlichen einrichtungen zu einer wahren schreckensherrschaft geführt, sondern auch und gerade in staaten wie irland, in denen die zahl der (bisher ermittelten) täterInnen als auch ihrer opfer in relation zur gesamtbevölkerung so monströs ist, dass sich hier etliche fragen nach dem grad der mitwisserschaft bzw. des nichtwissenwollens auch und gerade im kirchlichen, aber ebenfalls im staatlichen umfeld ergeben. meiner meinung nach sind die vorgänge in irland und der umgang großer teile der kirche damit nicht nur eine (weitere) eins-a-bankrotterklärung dieser institution, sondern erfüllen auch durchaus alle realistischen kriterien für die wertungterroristisch:
(...)"In katholischen Schulen Irlands sind jahrzehntelang Tausende von Kindern geschlagen, gedemütigt und vergewaltigt worden.
Für den 2600 Seiten umfassenden Bericht wurden Tausende ehemalige Schüler und ehemaliges Personal der mehr als 250 von der katholischen Kirche betriebenen Einrichtungen befragt. In die Berufsschulen, Besserungsanstalten, Waisenhäuser und Herbergen wurden in den sechs Jahrzehnten des Berichtszeitraums mehr als 30.000 Kinder eingewiesen, die als Taschendiebe und Schulschwänzer galten oder deren Familien als zerrüttet galten.
Vor allem in Jungenschulen des Ordens Christian Brothers seien Belästigung und Vergewaltigung an der Tagesordnung gewesen, heißt es in dem Bericht. Mädchen in meist vom Orden der Barmherzigen Schwestern betriebenen Schulen seien weniger sexuell belästigt worden, hätten aber regelmäßig Schläge und Demütigungen über sich ergehen lassen müssen, die ihnen ihre Wertlosigkeit vor Augen führen sollten.
"In einigen Schulen war eine ritualisierte Form des Schlagens Routine. Mädchen wurden mit Utensilien auf alle Körperteile geschlagen, die für die Verursachung maximaler Schmerzen konstruiert wurden. Persönliche Herabsetzung und Verunglimpfung der Familie waren weit verbreitet", heißt es in dem Bericht.
Staatliche Kontrolleure hätten es von den dreißiger bis in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein versäumt, die chronischen Misshandlungen zu unterbinden.
Die meisten Ordensführer haben die Vorwürfe als Übertreibungen und Lügen zurückgewiesen. In vielen Aussagen hieß es, die Verantwortung für Missbräuche falle allein seit langem verstorbenen Personen zu."(...)
das die verantwortlichen aus der kirche hier selbst noch bei klarster sachlage versuchen, irgendwie ihre köpfe aus der sich zuziehenden schlinge zu bekommen, ist nur zwangsläufig - zu deutlich ist die ans tageslicht gekommenebösartigkeitbei den täterInnen:
(...)"Die Kinder wurden mit Gürteln und Peitschen geschlagen und lebten in permanenter Angst. Gelegentlich wurden ihnen zur Strafe die Haare geschoren. An den Jungen-Schulen, die überwiegend vom Mönchsorden der Christian Brothers geführt wurden, waren sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen an der Tagesordnung. In den Mädchen-Schulen, hauptsächlich in der Regie der Sisters of Mercy, wurden die kleinen Zöglinge der Nonnen vor allem psychisch gemartert. Aber auch hier kam es regelmäßig zu gewalttätigen Übergriffen.(...)
"Ein Klima der Angst" herrschte dem Bericht zufolge in diesen Institutionen. Brutale und willkürliche Strafen machten den Kindern das Leben zur Hölle. Zugleich waren die Opfer oft unterernährt, und generell in schlechter physischer Verfassung. Sie seien regelrecht wie Verbrecher oder wie Sklaven behandelt worden."(...)
und wie eingangs gesagt: auch der irische staat muss sich fragen gefallen lassen.
(...)"Inspektoren des Bildungsministeriums hätten bei ihren ohnehin seltenen Besuchen in den Schulen keinerlei Interesse daran gezeigt, mit den Kindern selbst zu sprechen. Niemand habe die Misshandlungen und die Ausbeutung der Kinder zu stoppen versucht. Nicht einmal für eine ausreichende Ernährung und Bekleidung hätten die Behörden gesorgt."(...)
vor diesem hintergrund bekommt die regelung der fälligen "entschädigungs"zahlungen einen fatalen beigeschmack:
(...)"Den Kirchenkritikern missfällt auch, dass Irlands katholische Kirche nur etwa ein Zehntel der Entschädigungssumme zahlen muss, die den Opfern zukommen soll. Neun Zehntel, über eine Milliarde Euro, sollen die Steuerzahler übernehmen. Eine entsprechende Vereinbarung hatte die Kirche 2002 mit der damaligen Regierung getroffen."(...)
das klingt nach einem deal, der gerade durch die spezielle irische situation in der aktuellen wirtschaftskrise eigentlich die tatsächlich nichtinvolvierten teile der irischen bevölkerung auf die barrikaden treiben sollte. und der kirche dürfte vermutlich schon damals - vor sieben jahren! - geschwant haben, was da auf sie zukommt. die jahre seitdem waren bis dato von den oben kurz dokumentierten unterschiedlichen versuchen bestimmt, die grausamkeiten zu relativieren, verantwortlichkeiten zu vernebeln und sich mit einer art doppelstrategie von eingeständnissen und sofort folgenden "aber..." noch irgendwie durchzuschlagen.beispieledafür:
(...)"Von den religiösen Orden wurde dagegen jede Kooperation verweigert. Die Führungen der verschiedenen Orden haben die Beschuldigungen als übertrieben oder erlogen zurückgewiesen, und falls es doch Missbrauch gegeben habe, seien die Täter längst tot. Die Behauptung der Orden, dass die Menschen in vergangenen Zeiten sexuellen Missbrauch von Kindern nicht als Straftat ansahen, sondern als Sünde, für die man Buße tun musste, wies die Kommission in ihrem 2.600-Seiten-Bericht ausdrücklich zurück. Sie stellte fest, dass Vergewaltiger einfach von der Kirche versetzt wurden, wo sie ungestört weitermachen konnten, wenn der Missbrauch nicht mehr zu vertuschen war.(...)
Die Christian Brothers, die schlimmsten Peiniger, sagten in einer Erklärung: "Wir wissen, dass ein Heilungsprozess nicht möglich ist ohne die Anerkennung unserer Verantwortung als Gemeinde für das Geschehene." Das ist Heuchelei. Gerade die Christian Brothers verzögerten die Untersuchung und setzten vor Gericht durch, dass keins ihrer Mitglieder im Bericht namentlich genannt wird, selbst wenn es sich um verurteilte Kinderschänder handelt. Der englische Erzbischof von Westminster, Vincent Nicholls, lobte die Ordensmitglieder für ihren Mut und befürchtet, dass der Bericht ihre guten Taten überschatten werde. Patrick Walsh, eins der Opfer, sagte: "Müll wäre ein zu freundliches Wort für die Äußerungen des Erzbischofs. Was können solche Menschen Gutes getan haben?" Die Opferorganisationen verlangen, dass der Vatikan seine Orden in Irland unter die Lupe nimmt, vor allem deren finanzielle Machenschaften."(...)
und aus dem zuletzt verlinkten artikel möchte ich auf einen fakt besonders hinweisen:
"Die Kinder hatten keine Namen, sondern Nummern, und so wurden sie auch behandelt."
ein untrügliches zeichen der stattfindendenverdinglichungin der wahrnehmung der täterInnen - und eine vorbedingung für jede institutionalisierte massengewalt in solchen dimensionen:
"Es sind diese entsetzlich tüchtigen Leute, die mit ihren präzise funktionierenden Fischgehirnen Menschen auf Stückgut, auf Menschenmaterial, auf Zahlenkombinationen reduzieren, um sie in den Griff zu bekommen, um sie als numerische Größen in ihren Kalkülen handhaben zu können. Es ist dann nur noch ein winziger Schritt, um Menschen tatsächlich zu verschicken, zu verbrauchen, zu vernichten, zu löschen."
eine historisch und aktuell völlig zutreffende feststellung. und zur katholischen kirche fallen mir nur noch äußerungen ein, die nicht schreibfähig sind.
der bloggerweissgarnixhat in seinem "zweitblog"bei der "faz" einen beitrag veröffentlicht, der sich im weitesten sinne mit heinz von foerster und seiner variante des konstruktivismusbeschäftigtund zu weiten teilen zu einer art loblied geraten ist, welches ich nicht so stehen lassen wollte. der bisherige verlauf der debatte ist bei den kommentaren dort einsehbar, z. zt. speziell im letzten viertel.
ob sich das ergebnis gestern auch schon alsbodenbildungsehen lässt?
"Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis haben sich am Sonntag 56,7 Prozent der Wahlberechtigten nicht an den Wahlen zum Europaparlament in Deutschland beteiligt.
Für CDU und CSU zusammengenommen entschieden sich 16 Prozent der zur Stimmabgabe Aufgerufenen. Die SPD kommt nach dieser Zählweise auf 8,8 Prozent. Von den Grünen möchten 5,1, von der FDP 4,6 und von der Linken 3,1 Prozent der Wahlberechtigten im Brüsseler Parlament vertreten werden."
ich finde, da ist noch platz nach unten. und generell verweise ich bei anlässen wie diesen immer gerne wieder auf diesen altenbeitrag, in dem es um den unsinn der einbildung geht, dass sog. "wahlen" irgendetwas verändern würden.
...mit schwerpunkt auf die ursachen und folgen von diversen rohstoff-peaks sowie die ökologische krise zeigen zwei filme, die beide geeignet sind, zwar den sonntagnachmittag zu versauen, dafür aber eine fülle an bildern liefern, die sehr lange nachklingen. einmal wäre da das medialgehypte"homeprojekt", welches ich mir heute mit einiger skepsis - u.a. wg. der sponsoren - angeschaut habe, aber jetzt doch empfehlen kann, eben v.a. wegen seiner teilskoyaanisqatsi-artigen bilder, die nach ca. 25 minuten aufgrund des auftretens unserer spezies einen immer deprimierenden touch annehmen. über die "lösungen" am ende lässt sich mit recht streiten, aber insgesamt zeigt der film den realistischen ist-zustand der biosphäre auf. und das sollte inzwischen pflichtwissen sein. "home" ist noch bis zum 14.06.hierzu sehen; deutsche untertitel lassen sich nach start des films im menü rechts unten einblenden.
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die "zukunft der erde"...
...ist in neun teilen ebenfalls beim beliebten videoportal zu sehen, und behandelt zwangsläufig ähnliche themen wie "home", ist aber inhaltlich meiner meinung nach etwas gehaltvoller, weil u.a. die verkettung der diversen krisen recht gut nachvollziehbar wird. dazu gibt´s im siebten oder achten teil interviews zur menschlichen krisenwahrnehmung, die sich mit unserer kollektiven und schwer problematischen verdrängung befassen. hervorheben möchte ich auch den vierten teil mit einer indischen boulevard- und klatschmoderatorin, die mittels ihrer aussagen das thema der flucht in virtuelle und illusionäre (alp-)traumwelten gut verdeutlicht. zu den weiteren teilen:zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, achtundneun.
anders liesse sich auch sagen, dass der folgende beitrag in gewissem sinne von pyromanen handelt, die sich über die mitentzündeten feuersbrünste in ihrer straße beklagen. in der selbstdarstellungder zeitschrift "eigentümlich frei" wird in den zentralen sätzen gleich mal die eigene tiefgreifende innere konfusion deutlich:
(...)"Wir wissen, dass die Handwerksordnung, der Meisterzwang oder der ausufernde Sozialstaat ebenso falsch und unsozial sind wie Rauchverbote oder Quotenregelungen. Im Zusammenleben der Menschen gibt es nur zwei Wege: Gewalt oder Freiwilligkeit, Gewehr oder Vertrag, Zensur oder freies Wort, Sozialismus oder Eigentum, Politik oder Handel. Wir treten kompromisslos für Freiwilligkeit, Vertrag, das freie Wort, Eigentum und Handel ein, wo andere der sozialdemokratischen Versuchung oft genug nicht widerstehen können."(...)
die "sozialdemokratische versuchung" wird an anderer stelle auch so beschrieben:
"Der Massenmensch kollektivistisch-totalitärer Ideologien dagegen ist eine Nummer, austauschbar und gewöhnlich."
als oberbegriff für dieses tatsächlich höchst eigentümliche gebräu wird dann noch das schöne wort"libertär"missbraucht, was deutlich macht, dass es sich hier um selbsterklärte sog. "anarcho"-kapitalisten oder möglicherweise auch individual-"anarchisten" handelt, die sich zumindest von der eigenen ideologie her auf die entsprechenden "traditionslinien" zurückführen lassen. ich habe die wortbezüge zum anarchismus bei den obigen begriffen bewusst in hochkommata gesetzt, weil die gemeinten bezüge meiner meinung nach nicht nur nichts mit anarchismus oder auch libertärer politik zu tun haben, sondern in gewisser hinsicht ihren gegenpol darstellen: einen gegenpol, der nicht authentische individualität - die sich selbstbewusst im besten sinne und aus einsicht in die unaufhebbare beziehungsbasis jeder menschlichen existenz für strukturen authentischer kollektivität einsetzt, was sich durchaus als libertärer sozialismus verstehen liesse - zum ziel hat, sondern genau jene art von egozentrismus, der im totalitären kapitalismus zu häufig mit individualität verwechselt und gleichgesetzt wird und bereits eine mehr als fließende grenze zu all den auch klinisch relevanten phänomenen der antisozialität aufweist, deren gravierendste ausprägung in der form des soziopathen, akaals-ob-persönlichkeit, bekanntlich eines meiner hauptthemen hier darstellt. der benannte egozentrismus führt gesellschaftlich übrigens zu keiner wie auch immer gearteten anarchie, sondern regelmässig zur anomie, d.h. aufgrund seiner immanenten negierung aller sozialen bezüge in ein a-soziales chaos (welches nur aus dümmlicher böswilligkeit ständig als diffamierendes synonym mit der anarchie [= ordnung ohne herrschaft] gleichgesetzt wird).
es ist vor diesem hintergrund auch durchaus nicht zufällig, dass in dieser zeitschrift immer mal wiederlobliederauf die extremistische objektivistin und kapitalistinayn randangestimmt werden, deren beliebtheit bei "eifrei" eben aus dem von ihr konstruierten gerüst herrühren dürfte, welches für anhänger der antisozialen als-ob-"selbst"verwirklichung als ideologische basis dienen kann.
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bei diesem szenario ist es nun nicht nur ärgerlich, sondern geradezu geschichtsklitternd, was sich ein autor dieser zeitschrift in einem beitrag mit der überschrift"Der funktionelle Soziopath"geleistet hat - herumlamentierende pyromanen in aktion. es beginnt bereits mit der überschrift, bei der die einschränkung mittels des attributes "funktionell" keinesfalls nachvollziehbar ist, sondern das problem ebenso bei den strukturellen soziopathen liegt, die bereits pränatal in dieser existenzform gelandet sind und nichts anderes kennen können. dazu bedeutet funktionell in diesem sinne eben, dass sich menschen wie soziopathen benehmen können, ohne jedoch im klinischen sinne soziopathen zu sein. oder anders: die oftmals und fälschlicherweise mit der soziopathie gleichgesetzte antisoziale persönlichkeitsstörung enthält zwar die strukturelle soziopathie als untergruppe, reicht jedoch weit darüber hinaus. wir werden gleich noch sehen, dass sich der autor bei seiner ursachensuche in bereichen bewegt, die eher für strukturelle soziopathen relevant sind.
nun besteht eines der probleme für leute wie diesen autor (der sich selbst als "kapitalist" bezeichnet) darin, dass er und seine gesinnungsgenossInnen sich zwar gerne und bevorzugt in den scheinbar grenzenlos "freien" konstruktivistischen bzw. virtuellen welten desobjektivistischen modusherumtreiben, dieser funktionsmodus aber auch nur das simulativ verwursten kann, was er als input aus der authentischen realität erhält (was übrigens eine funktionelle grundlage jeder soziopathischen und antisozialen wahrnehmung ist). und so sah sich der verfasser offenbar dazu gewungen, tatsächlich ein paar teile der realität auch realistisch wahrzunehmen. so lassen sich jedenfalls die einleitenden absätze verstehen, an derem ende zu lesen ist:
(...)"Es erschreckt und gibt uns Rätsel auf, wenn ein Teenager wegen Hänselei oder Depressionen ein Dutzend seiner Mitschüler umbringt; aber ist es nicht genauso rätselhaft und frappierend, wenn „Freunde“ nicht in der Lage zu sein scheinen, genug Sorge zu empfinden um Alarm auszulösen, wenn eine Vertraute einfach verschwindet?
Ich glaube, dass diese Missklänge auffällig und weit verbreitet sind. Bis jetzt ist es immer noch relativ selten, dass sie in extreme Gewalt münden. Wenn meine Theorie über das, was hier passiert, sich jedoch als richtig erweist, werden wir in den kommenden Jahren noch viel mehr scheinbar unerklärliche Gewalt sehen."
soweit d´accord. jetzt aber geht´s zu den möglichen ursachen:
"Was ist meine Theorie? Ich bin davon überzeugt, dass wir zurzeit die ersten Ergebnisse der Folgen eines systemweiten Zusammenbruchs der Kindererziehung im familiären und institutionellen Bereich erleben. Dieser Zusammenbruch bringt einen neuen virulenten Stamm von Persönlichkeitsgestörten hervor: die funktionellen Soziopathen.
Ein Soziopath ist ein Mensch ohne Gewissen und ohne tiefere emotionale Bindungen zu anderen Menschen, individuell und kollektiv. Die Wissenschaft sucht seit langem nach einer organischen Grundlage für diese Art von Krankheit. Es ist aber auch bekannt, dass frühe Umwelt-Einflüsse eine wichtige Rolle bei der Formung einer menschenverachtenden Persönlichkeit spielen."
auch das ist alles, aufgrund relativer oberflächlichkeit, nicht direkt falsch, wenngleich in schlechter dissoziierender tradition hier sowohl die existenz von soziopathie in früheren epochen als auch die sozialen bedingungen, unter denen sich der heutige umgang mit kindern abspielt, abgespalten werden. dazu ist der implizit konstruierte gegensatz zwischen "organischer grundlage" und "umwelteinflüssen" schlicht unzutreffend, weil sich gerade die hirnphysiologie wie überhaupt das ganze gebilde unserer beiden nervensysteme (vergessen Sie nicht dasenterische) unter beteiligung der zuständigen gene in einer sehr engen und sozusagen dialektischen wechselbeziehung mit der sozialen und nichtmenschlichen umwelt entwickelt - die soziopathie als defektphänomen lässt sich aus dieser perspektive als eine sehr drastische art der versuchten kompensation von schweren mängeln bzw. defiziten in der struktur dieser wechselbeziehung begreifen.
bis zu diesem punkt ist aber die eigentliche aussage des artikels immer noch sehr nebulös - worauf will der autor denn nun eigentlich hinaus?
"Ich bin davon überzeugt, dass wir, als Kultur, über eine zufällige Kombination von Bildungspädagogik und Kindererziehung Ansätze geschaffen haben, die praktisch ideal sind für die Erzeugung menschenverachtender Persönlichkeiten bei anderenfalls gesunden Kindern.
Dass die Stärkung des Selbstwertgefühls heute das Haupt-, wenn nicht das Kardinalziel der elementaren Bildung ist, reduziert bei Kindern drastisch deren Möglichkeit, den notwendigen Schmerz darüber wahrzunehmen, dass die Welt, außerhalb von ihnen, Anforderungen an sie stellen kann und stellen wird."(...)
im ersten satz wird unausgesprochen nochmal ein bisschen 68er-bashing betrieben, um dann im zweiten endgültig die hosen herunterzulassen: die "Stärkung des Selbstwertgefühls" führt letztlich zu "menschenverachtenden Persönlichkeiten bei andernfalls gesunden Kindern". ich kann mich gar nicht entscheiden, ob das nun eher dümmer oder dreister ist, aber es kann natürlich auch gut sein, dass ich im gegensatz zum vertreter einer strömung, die ganz im ernst konstruktivistische bzw. objektivistische seinsmodi vertritt, eine andere definition von selbstwert habe - jemand, der wie eingangs dargelegt antisozialen egozentrismus als "freiheit" wahrnimmt und dazu den fetisch "eigentum" anbetet (dessen historisch-materielle grundlage ich weiter in einer sehr alten,kulturellen und wahrscheinlich traumainduzierten spaltung zwischen "ich/ego" und körper sehe, die in der folge dazu führt, das das "ich" nur als virtuelles wahrgenommen wird, welches den körper "besitzt", ein verhältnis, das real unmöglich ist und bereits eine pathologische konstellation darstellt), dürfte selbstwertgefühl tatsächlich mit dem benannten egozentrismus gleichsetzen, und in einer solchen logik ist die stärkung des letzteren dann natürlich nicht nur überflüssig, sondern auch für antisozialität verantwortlich.
vor dieser logik muss aber eigentlich das attribut pervertiert, d.h. auf den kopf gedreht, stehen - denn selbstwert, besser gesagt ein gesundes selbstgefühl (= authentische identität, aus dem körper stammend und in ihm ruhend) hat sehr viel miturvertrauenzu tun, also damit, ob ich bereits in pränatalen zuständen (und natürlich auch später) zweckfrei geliebt wurde, also ausdrücklich nicht wg. irgendwelcher eigenschaften oder gar "leistungen", sondern wegen meines bloßen da-seins. das ist nach allem, was wir wissen können, eine ganz entscheidende basis, auf der sich eine gesunde psychophysische entwicklung erst entfalten kann.
es liesse sich dabei durchaus darüber streiten, ob diese fehlende basis später überhaupt auch nur ansatzweise "nachentwickelt" werden kann, aber um diese frage soll es jetzt nicht gehen. stattdessen geht es um die behauptung, ob die stärkung des selbstwertgefühls "bei Kindern drastisch deren Möglichkeit reduziert, den notwendigen Schmerz darüber wahrzunehmen, dass die Welt, außerhalb von ihnen, Anforderungen an sie stellen kann und stellen wird."
andersrum wird hier ein schuh draus: erst kinder mit einem ausgeprägten selbstgefühl im oben skizzierten sinne, d.h. mit einer authentischen identität, sind überhaupt in der lage, empathisch die welt wahrzunehmen, sich zu ihr bewusst zu positionieren und auch mit den unausweichlichen frustrationen umzugehen (wobei das "unausweichlich" genauer definiert werden muss - frustrationen, die sich bspw. durch die verrückte kapitalistische ökonomie mit ihren teils mörderischen zumutungen ergeben, sind weder nötig noch unausweichlich). es beschleicht mich an dieser stelle auch der verdacht, ob der autor - womöglich projektiv? - hier im hinterkopf dauernd das wort "narzisstisch" mit dem selbstwertgefühl verwechselt hat. aber wie dem auch sei: die fragliche these ist als blanker und gefährlicher unfug zu werten, selbst wenn man die möglichkeit einbezieht, dass bei bereits wahrnehmungsmässig vorgeschädigten kindern mit antisozialen tendenzen versuche, ihr selbstwertgefühl zu stärken, ähnliche effekte nach sich ziehen können wie therapieversuche mit strukturellen soziopathen: sie lernen lediglich besser, zu tun als ob, also auf gesellschaftliche anforderungen in simulativer und mechanistischer weise einzugehen - aber immer zu ihrem vorteil.
weiter im text:
(...)"Die Freizügigkeit, die mit der Emphase auf das Selbstwertgefühl einhergeht, sabotiert die Entwicklung eines echten Selbst jeder Art.
Was will der coole Junge von heute? Respekt!
Wofür? Dafür, das er ein cooler Junge ist.
Und das coole Mädchen und der coole Junge wissen dabei immer weniger, bekommen dafür aber bessere Noten. An den Schulen wird mehr und mehr „eine Leistungsbewertung propagiert, die Quoten für die Vergabe von guten Noten und Abschlüssen unabhängig von der tatsächlich erreichten Leistung“ festlegt, wie Jan Fleischhauer in seinem Buch „Unter Linken“ beschreibt. In der Germanys-next-Superstar-Kultur wird diese (wenn überhaupt) zu Mittelmäßigkeit dann zu Genialität aufgeblasen."(...)
zum ersten satz nur dies: augenscheinlich stört den autor am meisten die freizügigkeit, wobei darin implizit uralte klischees über die "antiautoritäre erziehung" mitschwingen. diese klischees hatten während einer kurzen zeit zwar eine realen kern (wenn antiautoritär mit grenzenlosigkeit gleichgesetzt wurde); jedoch gibt es keinen nachvollziehbaren grund dafür, warum freizügigkeit und sinnvolle grenzen sich gegenseitig ausschließen würden (das ist natürlich nur auf den umgang mit kindern bezogen). dazu gehört gleichfalls, dass wiederum ein intaktes selbstgefühl die wahrscheinlichkeit dafür drastisch erhöht, dass derartige grenzen auch als solche wahrgenommen werden - eine grundlage für die spätere fähigkeit zur selbstregulation innerhalb sozialer beziehungen, was nebenbei gesagt auch eine ganz elementare basis einer anarchistischen gesellschaft darstellt.
dann: wollen alle jungs cool sein? wenn ja, warum wollen sie es? vielleicht auch deswegen, weil ihnen das ständig von kapitalistischen medien als "männlich" vorgekaut wird? weil die kapitalistischen "helden"gestalten in virtuellen welten und der realität ständig das "ideal" cooler unerreichbarkeit, oder besser, unberührbarkeit, simulieren? ein paar veränderungen in richtung (pseudo-)emotionalität haben eher etwas mit den inhalten der jeweils angesagten simulationen zu tun, die nicht zuletzt von der kapitalistischen ökonomie zwecks "teamfähigkeit" u.ä. nachgefragt werden.
das folgende gejammer über die "linke" leistungsbewertung (bei kindern bis zu einem bestimmten alter überhaupt ein skandal), in der neben der nichthinterfragung des konventionellen leistungsbegriffs auch noch ein erzreaktionärer und zwangsweise objektivistischer (orientiert an "noten und abschlüssen", also am schein) bildungsbegriff sichtbar wird, komplettiert das bild einer position, die ganz zurecht u.a. zu diesem schluß gelangt:
"Das alles ist nur die Tünche einer erschreckenden Leere und Kälte."
das sich das vor allem auf seinen eigenen text beziehen könnte, ist dem verfasser wohl bis heute nicht so recht klar.
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die meisten der angesprochenen zentralen aspekte meiner argumentation sind im blog in diversen artikeln ausführlicher nachzulesen, ich empfehle für interessierte denindexund auch die interne suchfunktion in der sidebar. und zum schluß sollte dann auch noch die wesentlich wahrscheinlichere realität der soziopathie zur sprache kommen, wie ich sie neulich einmalzusammengefassthabe:
"ich betrachte das "subjekt" im kapitalismus immer als ein als-ob-subjekt, weil es sich von seinen dominierenden psychophysischen funktionsweisen her betrachtet eher um ein schwer beschädigtes subjekt handelt, welches diese beschädigungen - die sich vor allem im gesamten bereich der sozialen beziehungen manifestieren - kompensatorisch versucht, mittels verdinglichung/objektivierung seiner selbst und auch aller anderen, genauer gesagt alles lebendigen anderen, auszugleichen - es geht also um überlebensversuche, die bei einer postulierung des subjekts als "eigentlich überflüssig" an stärke und verzweiflung nur noch zunehmen werden. die sog. subjektform, die kurz als identisch mit der "kapitalistischen daseinsform" begreift, ist aus meiner perspektive eigentlich keine authentische subjektform mehr, besser gesagt, es ist ihre totale negierung: nämlich der soziopath (unabhängig davon, unter welchen namen diese extreme manifestation der kapitalistischen normen in körperlicher gestalt nun historisch bisher aufgetreten ist). hier haben wir den meiner meinung nach einzigen tatsächlichen fall, in dem das subjekt aufgrund psychophysischer prozesse tatsächlich zu einer art objekt im totalitären, d.h. allumfassenden sinne, und damit zur kapitalistischen daseinsform, geworden ist."
ein objekt als produkt der ganz normalenverdinglichungim kapitalismus - das ist das resultat der "freiheit" von "eigentum und handel", wie sie "eifrei" propagiert. und daran sollten sie auch gemessen werden.