sehr passend zum begriff deropferökonomiehat der derzeitige chef der us-bank "goldman-sachs" in einem interviewsein selbstverständnis - welches bei betrachtung der psychophysischen verfassung bspw. einesberlusconidurchaus kein einzelfall in kreisen der "eliten" sein dürfte - ausgebreitet:
(...) "Der Chef der US-Großbank Goldman Sachs hat hohe Profite und Bonuszahlungen als Zeichen für eine Erholung der Weltkonjunktur bewertet. In einem Interview mit der Londoner "Sunday Times" sagte Lloyd Blankfein: "Wir helfen den Unternehmen zu wachsen, indem wir ihnen helfen, Kapital zu bekommen. Unternehmen, die wachsen, schaffen Wohlstand. Und das wiederum ermöglicht es den Menschen, Jobs zu haben, die noch mehr Wachstum und noch mehr Wohlstand schaffen."
Seine Schlussfolgerung: Banken hätten einen gesellschaftlichen Zweck und würden deshalb "Gottes Werk" verrichten, sagte Lloyd Blankfein wörtlich." (...)
kaum noch unverhülllt tritt mal hier, mal da der elitäre größenwahn zutage - und warum auch nicht, wenn man sich die sehr realen konsequenzen des göttlichen wirkensbetrachtet:
„Durch diese Krise verlieren Leute ihre Krankenversicherung, sie sehen ihren Arzt nicht mehr. Und wenn sie ihn doch sehen, dann kaufen sie die verschriebenen Medikamente nicht weil sie sie nicht bezahlen können.“
zeit für eine ordentliche götterdämmerung.
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edit: zufällig kam mir gerade eine andere meldung - auch aus den usa - unter die augen, in denen ebenfalls eingottgesandterdie hauptrolle spielt:
(...)"Nennt mich Gott" , schrieb John Allen Muhammad auf Zettel, die er der Polizei hinterließ.
Drei Wochen lang spielte er Gott, zusammen mit seinem Komplizen Lee Boyd Malvo, einem Teenager. Es war im Oktober 2002, der Schock der Terroranschläge auf das World Trade Center im Jahr davor war noch frisch. Als wäre er der Herr über Leben und Tod, wählte Muhammad willkürlich seine Opfer aus. Jeden konnte es treffen, es war das grausame Zufallsprinzip bei diesem russischen Roulette, das die amerikanische Hauptstadt und ihre Vororte in den Bundesstaaten Maryland und Virginia in Angst und Schrecken versetzte. Am Dienstag soll der "DC Sniper" hingerichtet werden, im Gefängnis von Greensville in Virginia." (...)
interessant sind dabei einige hintergründe zum washington sniper:
(...) "Der Anwalt des Todeskandidaten führt die mentalen Probleme seines Mandanten ins Feld. "Er ist paranoid" , sagt Jonathan Sheldon.
"Nachdem Muhammad aus dem Golfkrieg von 1991 zurückkehrte, war er zornig auf die Regierung." Zudem hänge der dunkelhäutige Mann Wahnvorstellungen einer rassistischen Verschwörung an. Sich selber halte er für einen Propheten." (...)
paranoia, sicherlich auch - bloß entsteht die niemals im luftleeren (sprich gesellschaftsfreien) raum. und es klingt mal wieder so, als verberge sich hinter der geschichte ein destruktiver verarbeitungsversuch von kriegstraumata, kombiniert mit der erfahrung rassistischer strukturen in der us-gesellschaft. täter-opfer-dialektik, die sich die usa nicht nur in diesem fall mit der finalen "lösung" vom hals schaffen will.
es ist recht interessant, das ganze einmal mit der situation, der position und dem umgang mit leuten vom schlage eines blankfeins zu vergleichen - gottgesandte in god´s own country alle beide, der eine ein schreibtischtäter mit einer unbekannten opferzahl, der andere ein (ge- und beschädigter) ex-soldat im vormaligen dienste für u.a. eben solche schreibtischtäter und ihr system, direkt auf der strasse mordend mit einer benennbaren zahl von toten. der eine bzw. seine institution wird vom staat massiv quasi-subventioniert und gefördert, der andere bekommt - ebenfalls vom staat - die tödliche spritze. der eine beruft sich bei seinem tun auf den "göttlichen auftrag" und wird dafür - bestenfalls - belächelt; der andere betrachtet sich als "gott" und "propheten", begründet damit ebenfalls sein handeln und wird als paranoid klassifiziert. der eine ist weißhäutig, der andere hat eine dunkle hautfarbe.
eine vergleichende geschichte, die aufgrund ihres exemplarischen charakters eigentlich eingang in viele schulbücher finden müsste.
ziemlich missvergnügt melde ich mich zwischenzeitlich wieder; es gibt gerade zu viele baustellen, die im realen leben warten - und das hat einfluss auf das schreiben hier. der angekündigte beitrag zum "freien willen" kommt noch, aber aus aktualitätsgründen (s.u.) schiebe ich jetzt ein thema dazwischen, welches aus meiner sicht nicht nur schon viele unsichtbare verbindungen zum willenskomplex aufweist, sondern mich auch schon spätestens seit dem offenen ausbruch der wirtschaftskrise letztes jahr beschäftigt. aber bislang fand ich irgendwie noch nicht den richtigen einstieg - das hat sich nun geändert.
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und dafür verantwortlich ist hartmut finkeldey, der sich in einembeitragmit der frage beschäftigt hat...
"...warum speziell der Mittelstand sich so widersprüchlich verhält, warum er zB zwar in Umfragen immer wieder pro soziale Politik votiert, um dann dennoch schwarz-gelb zu wählen. Albrecht Müllers Antwort - das Volk sei Opfer manipulativer Machenschaften - habe ich hier schon mehrfach als zwar nicht falsch, jedoch unzureichend bezeichnet." (...)
und danach als antwortversuch friedrich engels mit einer art sozioökonomischer betrachtung aus dem vorletzten jahrhundert zitiert, die phasenweise selbst auf das aktuelle heute bezogen gar nicht mal falsch sein mag, aber erstens nach meinem eindruck zu sehr eine art irrational-rationaler kalkulation bei der skizierten klasse unterstellt, und zweitens muss die frage damals wie heute auch breiter gestellt werden: was treibt nicht nur die mittelklasse, sondern auch das "lumpenproletariat", aktuell die "unterschicht" oder - weiter gefasst - das sog. prekariat immer wieder in die in unterschiedlichen gewichtungen / ausprägungen zu konstatierenden haltungen wie
resignation, apathie, fluchtverhalten aller art
devotes bücken nach oben
aggressives treten nach unten ?
speziell bezgl. der hiesigen bevölkerung hatte ich ja schon einenmehrteiligen antwortversuchgeschrieben, aber erstens ist das obige nicht nur ein rein "deutsches" phänomen in der krise, und zweitens fehlt noch ein bereits existierender theoretischer ansatz, das ganze einmal aus einer qualitativ anderen perspektive zu betrachten. und darum geht´s jetzt im folgenden.
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"Wir geben dir (...) keine Schuld an der Rezession. Wir waren zu fett geworden, zu bequem, zu faul zum Konkurrieren. Unsere Standards sind nicht mehr so hoch, wie sie es immer waren und man ist viel zu schnell bei der Hand, jemandem die Schuld zuzuschieben... Aber wir glauben noch an die alten (...) Werte, von denen Sie sprechen. Vielleicht mußten wir leiden, um uns zu reinigen von unserem ausschweifenden Leben."
na, wer könnte das wann gesagt haben - oder sagen? kein langen ratespiele: in die erste auslassung gehört der name ronald reagan, in die zweite das wort "puritanische", und beides zusammen macht ort und zeit deutlich:
"Obwohl das schwer zu glauben sein mag: Selbst viele Opfer der Reaganomics stimmten der Opferung zu. Eine Umfrage der Washington Post 1983 unter Reaganomics-Geschädigten faßte die Gefühle von Arbeitslosen, die krank waren und nicht behandelt werden konnten, weil sie keine Krankenversicherung mehr hatten, deren Leben durch die Reagan-Rezession zerstört worden war, derart zusammen."
und damit sind schon ein paar schlüsselbegriffe - "ausschweifendes leben", "opferung", "reagonomics" - gefallen, die allesamt eine zentrale rolle spielen im 1984 erschienenen buch des psychohistorikerslloyd deMause, reagan´s amerika(der link führt auf die derzeitige neue url der ex-utopie 1, deren betreiber öfter mal im wahrsten sinne des wortes die seite wechselt. aber dankenswerterweise sind große teile des buches online lesbar - tipp!).
das buch eignet sich als praktische einfürhrung in die methodik und arbeitsweise der us-psychohistorie sehr gut, beschäftigt sich neben reagans wirtschaftspolitik als weiteren zentralen punkt mit den teils bizarr anmutenden militärischen übergriffen (lybien, grenada...) der frühen reagan-jahre und stellt teils überraschende zusammenhänge - oder eher ein zusammenspiel - zwischen regierung, medien (als vermittler) und eben großen teilen der damaligen us-bevölkerung her.
kritikpunkte und vorbehalte in kürze: einmal generell der meiner meinung nach überbelastete bezug der deMausschen psychohistorie auf die orthodoxe freudsche psychoanalyse, der mir in jüngerer zeit - siehe Das emotionale Leben der Nationen - durch eine größere berücksichtigung der neurowissenschaften sowie der psychotraumatologie bei ihm etwas in den hintergrund getreten zu sein scheint, aber in dieser vielleicht ersten wirklich spektakulären veröffentlichung noch eine (zu) große rolle spielt. dann sind die eigenarten der damaligen (und heutigen) us-amerikanischen medienwelt, die für die dortigen psychohistoriker als vermittelnde projektionsfläche für die "stillen" botschaften zwischen regierung und bevölkerung eine zentrale rolle spielt, natürlich so nicht auf andere regionen übertragbar, erst recht nicht in zeiten der online-medien. hierzulande wären, wenn man den damaligen deMausschen ansatz ein zu eins übertragen würde, vermutlich nur zeitungen wie die "bild" und andere auflagenstärkere boulevardblätter sowie illustrierte wie "spiegel", "stern" und "focus" im sinne von einigermaßen repräsentativen und wirkmächtigen vermittlungsquellen fürfantasy-messagesdenk- und brauchbar.
dazu kommen dann noch die ziemlich spezifischen eigenarten des religiösen lebens in den usa sowie die tatsächlich verbreiteten puritanischen einstellungen zur sexualität, die - neben der nachweislich explizit antifeministischen ausrichtung der "reagan-revolution" - mit dazu beigetragen haben mögen, dass deMause die entsprechenden teile der freudschen pa oft und gern zur untermauerung vieler thesen herangezogen hat.
nichtsdestotrotz: eine erweiterung des blicks auf die unzweifelbar vorhandenen zusammenhänge zwischen ökonomischen strukturen einerseits und andere gesellschaftliche bereiche andererseits ist dringend geboten und nötig, und da ist die perspektive von deMause zumindest für mich eine inspirierende. und kann zur eingangs erwähnten fragestellung durchaus neue antwortversuche beisteuern.
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(...) "Trotz der erstaunlichen Regelmäßigkeit von Wirtschaftszyklen (in den Industrienationen haben sie im allgemeinen einen Achtjahresrhythmus) und der Kriege (die meisten Länder haben durchschnittlich alle zwanzig Jahre einen) wurden sie niemals als Wünsche angesehen; als Wege, durch periodische selbstzerstörerische Abläufe, die wir selber sorgfältig inszenieren, die Angst zu begrenzen, die daher kommt, daß wir unser Leben genießen. Wie der Patient, der seine Probleme als Folge von »Fehlern« in seinem Leben sieht, versteht man gemeinhin ökonomische und politische Krisen als Ergebnisse kollektiver »Fehler«, seien es »Fehler der Überinvestition«, »Fehler in der Geldpolitik«, »Fehler der Finanzierungsprogramme« oder die »Fehler von München«. Ökonomische Zyklen wie auch die Abfolge der Kriege werden kaum gesehen als gewollte.
Der Grund, aus dem gesellschaftliche Probleme so oft als Folge von Fehlern dargestellt werden, liegt in der Modellannahme eines »homo oeconomicus«, den die meisten Gesellschaftswissenschaften unterstellen. Dieser, er oder sie, handelt nur nach Eigeninteresse, vermehrt den eigenen Lustgewinn, arbeitet rational und rationell und geht in jeder Hinsicht klug mit seinem / ihrem Geld um. Um das zu glauben, muß man allerdings an der erstaunlichen Tatsache vorbeisehen, daß alle die, die man selber kennt, dem »homo oeconomicus« nur sehr entfernt, wenn überhaupt, ähneln. Die eigenen Nachbarn scheinen ihr Geld eher blindlings auszugeben, sie sparen kaum, mit der Arbeit gibt es Probleme oder sie trinken zuviel, oder sie sind eher depressiv oder zu schüchtern, zu streng, zu gelangweilt oder zu sehr geladen, um ihre Talente wirklich entfalten zu können oder ihr Familienleben zu genießen.
In Wahrheit sind die Leute auf genau die Weise irrational menschlich, wie sie in den umlaufenden Romanen vorkommen, und ähneln viel mehr einem Typ, der sich alle Mühe gibt, seine/ihre Vergnügen und Fähigkeiten zu begrenzen als sie zu entgrenzen. Selbst jene, denen es gelingt, ihre Arbeit als fruchtbar zu erleben, enden oft darin, daß alles, was sie tun, ihnen letztlich mißfällt oder sie opfern ihre Familien, ihr Liebesleben oder ihre Gesundheit »dem Beruf«. Menschen, die psychologisch gesund genug sind, sowohl Erfolg zu haben als auch Freude an ihrer Arbeit und an ihrem Besitz und an ihren Angehörigen und an ihrer Liebe, sind in Wahrheit höchst selten anzutreffen.
Wenn aber die meisten Individuen ihre Befriedigungen beschränken, ihre Fähigkeiten nicht entfalten, sowie ihre Einkünfte und ihre Vergnügungen opfern, grad so, als wollten sie keine Schuldgefühle provozieren durch zu exzessiven Lebensgenuß, dann wird das auch auf die Nationen zutreffen, die aus solchen Menschen bestehen. Eine brauchbare Theorie der Psychoökonomie muß deshalb auch untersuchen, durch welche Strategien Nationen ihren Überfluß vernichten, nicht nur, wie sie ihn erzeugen — Strategien, die periodische Blütezeiten, Zusammenbrüche und Kriege einschließen.
Wirtschaftswissenschaftler stoßen hin und wieder eher unfreiwillig auf die Möglichkeit selbstzerstörerischer Motivationen, aber da ihr Modell dem »homo oeconomicus« nur rational zu sein erlaubt, verwerfen sie ihre Wahrnehmung als offensichtlich zu verrückt, um sie ernsthaft in Erwägung zu ziehen. So folgt in mehreren Büchern auf den Versuch, die Wirtschaftzyklen nach rationalen Modellen zu erklären, das Eingeständnis ihres Ungenügens; die Autoren werfen die Arme in die Luft und stellen, wie Paul Samuelson, fest, fast scheine es, als ob die Menschen »absichtlich einem manisch-depressiven Muster folgten und dabei erst den ökonomischen Zyklus erzeugen«, oder jemand ist versucht, wie Robert E. Lucas Jr., »anzunehmen, daß die Leute Depressionen mögen.« Aber das sind nur Momente psychologischer Einsichten, die schnell wieder fallengelassen werden; und sie kehren zurück zu ihrem Grundlagemodell »ökonomischer Mensch« mit seinen unmotivierten »Fehlern«. (...)
so ein längeres zitat aus der einleitung des kapitels 4,Reaganomics als Opferritual, welches einen ganz zentralen punkt der psychohistorischen sichtweise deutlich macht. als reaganomics wird seit damals - analog dem britischen thatcherism - eine explizit neoliberale politik verstanden, die ökonomisch auf der "chicagoer schule" des milton friedman fusst, und in der umsetzung durch rabiate steuersenkungen zugunsten der oberklasse einerseits und ebenso rabiate sozialkahlschläge anderseits, bei ideologischer beweihräucherung der "freien märkte", reaktionären vorstellungen bezgl. familie und ehe, nationalismus als popanz, militaristischer aussenpolitik sowie allgemein antisozialer tendenz berühmt und noch mehr berüchtigt geworden ist. in einem artikel zur neuen bundesregierung, der mir kürzlich unter die augen kam (ich weiss leider nicht mehr wo), werden übrigens etliche gemeinsamkeiten vor allem der fdp-politik zu den reaganomics herausgearbeitet - die lassen sich meiner meinung nach tatsächlich nicht nur in punkto steuern auch belegen.
ich empfehle übrigens zum besseren verständnis, mindestens das gesamte kapitel, besser noch auch die anderen vorhandenen auszüge des buches zu lesen - einfach, weil sich durch das gesammelte mediale material die inhaltliche tendenz der argumentation besser erschliessen lässt.
eine argumentation, die ich jetzt in eigenen worten versuchen will, auf´s wesentliche zu komprimieren:
bekanntlich geht die psychohistorie von der existenz von psychoklassen aus, deren mitglieder durch die art und weise des elterlichen / familiären umgangs mit ihnen in der kindheit (dazu gehört auch die pränatale phase) entsprechend zugeordnet werden. diese klassen sind nicht identisch mit soziologischen oder ökonomischen klassen (auch, wenn "erziehungsstile" durch entsprechende materielle umstände natürlich beeinflusst werden), sondern stellen sich sozusagen quer - liebevoller oder liebloser, verdinglichender umgang mit kindern lässt sich jeweils sowohl in (materieller) armut als auch im "reichtum" beobachten.
diese psychoklassen, die ihre mitglieder quasi durch die jeweilige individuelle neurologische konfiguration gewinnen, agieren nun im öffentlich-gesellschaftlichen leben als quasi-kollektive - ältere erziehungsstile mit ihrem gewaltvolleren umgang gegenüber kindlichen bedürfnissen produzieren angstbesetzte, in destruktiv-irrationalen emotionalen mustern verhedderte erwachsene, die davon determiniert nun in der öffentlichen arena zwanghaft all das abspalten, verfolgen und projizieren, was sie selbst als bedrohlich empfinden und sich eher für grundsätzlich reaktionäre politikkonzepte gewinnen lassen, weil diese sie nicht zwingen, sich mit ihren mustern auseinanderzusetzen, sondern eher ihre konflikte im aussen inszenieren und symbolhaft und praktisch stellvertretend ausagieren (ganz im diesem sinne war auch "der führer" primär ein delegierter, wie überhaupt als grundaussage über den verschiedensten autoritären herrschern der geschichte als motto stehen könnte: er bündelte die vorherrschenden psychophyischen pathologien am wirksamsten und gab ihnen am wirkungsvollsten ausdruck. bezgl. ronald reagan empfehle ich auch noch mal den zweiten teildieses beitrags.)
demgegenüber sind die mitglieder neuerer psychoklassen, bedingt durch weniger traumatisierende kindheiten, innerlich ein stückchen freier - (hier befindet sich ein wichtiger link zum thema des "freien willens") - und eher zur emotionalen rationalität fähig; deMause fügt als wichtigen punkt u.a. auch die fähigkeit zum qualitativen genuß an. diese psychoklassen sind es in der psychohis. lesart, die letztlich die träger jedes gesellschaftlich-zivilisatorischen fortschritts darstellen - ohne unbedingt in moralischer hinsicht jetzt "bessere menschen " zu sein.
aus der psychohistorischen lesart der geschichte ergibt sich nun bezgl. der vorherrschenden und "beliebtesten" kollektiven inszenierungen (die eigentliche aufgabe von regierungen! jedenfalls werden sie dafür von älteren psychoklassen gewählt) eine schnelle focussierung auf den begriff des opfers. und der stammt nicht zufällig ursprünglich aus dem religiösen bereich - die praxis von sach-, aber auch tier- und menschenopfern zur beruhigung der "götter", aber auch zur "reinwaschung" von empfundener schuld (mit eine der schlimmsten möglichen plagen von traumatisierten menschen!) ist ein uraltes und global verbreitetes, interkulturelles und interreligiöses phänomen.
während deMause in seinem buch sehr schön die entsprechenden amerikanischen motive - wo die azteken historisch eine nachwirkende rolle gespielt haben - herausgearbeitet und illustriert hat, habe ich als bewussten kontrast die darstellung eines kindlichen opfers aus dem hiesigen christlichen mittelalter gewählt.
und im kern spielt der doppeldeutige begriff des opfers bei seiner analyse eine hauptrolle: reagan wurde gewählt (und auch geprüft) dafür, dass er die rolle des opfernden als delegierter einehmen sollte (und dazu das passende ökonomische system bereitstand, welches strukturell u.a. auf solchen kollektiven dispositionen aufbaut). und sowohl die von ihm angezettelte us-rezession der frühen 1980er jahre als auch sein militärisches banditentum lassen sich als materiell gewordene inszenierungen von opferungen begreifen. und in alter paranoider und traumatischer tradition waren diese opfer hauptsächlich, aber nicht nur, kinder (kinder und frauen in rezessionen, jugendliche männer in kriegen):
(...) "Man soll nicht denken, Sätze wie die von den »Opfern der Reaganomics« seien bloß metaphorisch zu nehmen. Ein wirksames Opfer verlangt einen wirklichen Menschenschlucker und echte Tote.
Es ist nicht einmal sehr schwer, die ungefähre Zahl der Tode anzugeben, die auf das Konto von Reagans Opferungszeit gehen. Der durchschnittliche Anstieg der Sterblichkeitsrate in Rezessionen wird sorgfältig statistisch aufgezeichnet und analysiert vom Gemeinsamen Wirtschaftsausschuss des Kongresses (Congressional Joint Economic Committee), insbesondere für Selbstmord, Mord, Herztode und andere, die mit der ökonomischen Lage in Verbindung gebracht werden können. Ausgedehnt bis zum jetzigen Zeitpunkt (1984) können demnach annähernd 150.000 zusätzliche Tode den Effekten der Reaganomics zugeschrieben werden.
Dazu kommen die Todesfälle, die man mit Reagans Haushaltskürzungen in Beziehungen setzen darf — die vor allem auf die Millionen von Frauen und Kindern zielten, die auf die Unterstützung durch die Regierungsprogramme angewiesen sind —, sowie die Tode, die durch Kürzung von Kinderernährungsprogrammen verursacht wurden, durch Kürzung der Hilfe für Familien mit mehreren Kindern in Schule oder Ausbildung, der Lebensmittelhilfe für schwangere Frauen mit niedrigem Einkommen, der staatlichen Schulspeiseprogramme, der Unterstützung für behinderte Kinder und Erwachsene usw. Die abrupte Kürzung solcher Hilfsprogramme läßt den Todeszoll für Reaganomics die Zahl von 150.000 weit übersteigen.
Schließlich umfaßt diese Zahl noch nicht einmal die weniger augenfälligen Opfer von Kürzungen wie der beim Umweltschutz, bei der Unterstützung von Wohlfahrtsorganisationen wie der UNICEF, den Wegfall der Krankenversicherung bei Millionen von Arbeitslosen, Tode in den unterentwickelten Ländern als Folge der Reagan-Rezession und eine Reihe ähnlicher todbringender Aktivitäten. (...)
»Cut«, runter mit drei Millionen Kindern von der Schulspeise. »Slash«, weg mit den Geldern für 340.000 Stellen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. »Chop«, raus mit den behinderten Kindern aus der staatlichen Hilfe."(...)
und weiter aus dem buch zitiert (online leider nicht vorhanden):
(...) "So aber erschien im Winter 1981/82 Artikel auf Artikel über die steigende Kindersterblichkeit in sozialen Bereichen, die am härtesten von den Kürzungen und der Arbeitslosigkeit betroffen waren. Artikel über die Kinder auf den Armenlisten, mehr als eine Million waren hinzugekommen, über die sechs Millionen Kinder, die wegen der Arbeitslosigkeit ihrer Eltern die Krankenversicherung verloren hatten, über die halbe Million Kinder, denen die Krankenversorgung entzogen war durch die Schließung von 229 Gesundheitszentren (community health centers) seitens der Regierung und über die Hunderte von Kindern, die zu Tode geprügelt werden würden, weil Reagan fast alle Mittel für das sehr erfolgreich arbeitende Zentrum für mißhandelte und vernachlässigte Kinder gestrichen hatte - man kommt auf über zwanzig Millionen Kinder, die unnötig Schmerzen und Hunger leiden mußten oder sogar starben, aber kaum jemand war zu sehen, der um sie getrauert hätte.
Während jener kalten Winternächte saßen wir alle vor dem Fernseher und sahen, Abend für Abend, Szenen von Kindern, die im Schnee unter Brücken schliefen, weil ihre Eltern Arbeit und Wohnung verloren hatten und Bilder von Neugeborenen, die vor der Kamera aus Schwäche starben, weil der Regierung die Gelder "fehlten" zur weiteren Finanzierung der Zusatzdiät für mittellose schwangere Frauen und stillende Mütter. (...)
"Reagans Netz sozialer Sicherheit ist ein Mythos", kommentierte Bill Moyers im Fernsehen. "Menschen sterben infolge dieser Kürzungen". (...)
wie gesagt: lesen Sie das ganze kapitel selbst und betrachten Sie sich vor allem die vielzahl an entsprechenden medialen motiven aus der zeit - das ist schon frappierend.
ansonsten kann zumindest ich die obigen kapitel nicht lesen, ohne sehr schnell an die hartz-IV-kinder hierzulande denken zu müssen - vielleicht nicht in solch drastischen formen wie oben für die usa beschrieben, so ist die kinderarmut vor dem hintergrund des geldhinterherwerfens an die bankster doch ebenso als geduldet, wenn nicht schlimmstenfalls als gewollte, zu verstehen - wäre das grundlegend anders, so würde die mehrzahl von uns anders handeln als bisher. manchmal habe ich schon den eindruck, dass die kollektiven uralten frühreligiösen überbleibsel in unseren psychophysischen strukturen gerade von sich selbst als "aufgeklärt" haltenden gerne unterschätzt werden.
nun hatte ich weiter oben schon die reibungslose übertragbarkeit des ansatzes von deMause bspw. nach d-land relativiert, und dazu kommen zwei weitere punkte, die ich schon in der rezension des Emotionalen Lebens... angemerkt hatte: einmal die bei ihm fehlende berücksichtigung von anderen, aber trotzdem massenwirsamen traumata (wie kriege und diktaturen), zum anderen die möglichkeit, dass die existenz generationenübergreifender tradierter traumatischer strukturen am ende per evolutionärer selektion etwas hervorbringt, was sich als psychophyische mutationen bezeichnen liesse: empathiegestörte und weitgehend gleichgültige, aber deswegen auch schmerzunempfindlichere, überlebensfähigere (in traumatischen sozialen bedingungen) menschen -> soziopathen .
und trotzdem kann der ansatz auch hierzulande zum erweiterten verständnis befruchtend sein, wenn nämlich einfach hinsichtlich der aktuellen politik von einer gewünschten ausgegangen wird, und zwar gerade deswegen, weil sie verheerende soziale konsequenzen nach sich zieht und ziehen wird. die dazu nötigen psychoklassen hatte neulich ausgerechnetpeer steinbrückexplizit und beispielhaft benannt, nämlich in dem fall die generation der kriegskinder des wk2, die sich nach den psychohistorischen kriterien durchaus als klasse verstehen lassen. und mehrheitlich immer noch in ihren traumatischen lebensbezügen feststecken, diese teils schon weitergegeben haben (da weiss ich sehr gut, wovon ich rede...) und in ihrem zustand die öffentlichen diskurse mitbestimmen. es geht dabei nicht um mehr oder weniger sinnlose schuldzuweisungen, aber ich denke, wir brauchen dringend ein erweitertes verständnis gesellschaftlicher prozesse. und da sollten ansätze wie der hier skizzierte und eher "klassische", soziologische und ökonomiekritische nicht als widersprüchlich, sondern als ergänzend empfunden werden.
auch, wenn es uns dann vielleicht selbst in der erkenntnis, dass all diekevinsundjessicasund all die anderen bekannten und unbekannten kinder, die hier in den letzten jahren thema waren, in der doppelten wortbedeutung zu opfern wurden, vorkommen mag, als würden uns aus dem spiegel, in den wir schauen, monster zurück anstarren. vielleicht ist der schreck dann groß genug für konsequenzen.
stück für stück wird in diesen tagen immer mehr von dem sichtbar, was demnächst in "gesetze" gegossen hierzulande als richtlinien für das gesellschaftliche leben seitens dervon einer minderheit gewähltenneuen regierung in ihrem sinne (und also im sinne derrealen machthaber) gelten soll. auf dem gebiet der "inneren sicherheit" werden nun erstmals konkretemaßnahmen mit perspektivebekannt:
(...) "Union und FDP wollen künftig die Programme gegen rechts auch zur Bekämpfung von Linksextremismus und Islamismus nutzen. Das geht aus dem Entwurf des Koalitionsvertrags hervor, der der taz vorliegt.
Darin heißt es, dass "die Aufgabenfelder des Fonds für Opfer rechtsextremistischer Gewalt sowie des Bündnisses für Demokratie und Toleranz auf jede Form extremistischer Gewalt ausgeweitet werden". Die vom Bund geförderten Programme gegen Rechtsextremismus sollen zudem in Zukunft als "Extremismusbekämpfungsprogramme unter Berücksichtigung der Bekämpfung linksextremistischer und islamistischer Bestrebungen" fortgeführt werden. Aus dem Entwurfstext für den Bereich Justiz und Inneres geht hervor, dass Rechtsextremismus nicht mehr explizit genannt wird, sondern mit Extremismen jeder Art gleichgestellt wird." (...)
in einemkommentardazu, der aufgrund seiner deutlichen benennung der lage ausführliche zitierung verdient, wird dazu bemerkt:
"Erst kürzlich erhöhte die alte Bundesregierung die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 offiziell um 5 auf 46. Nichtstaatliche Beobachter gehen von mehr als 130 Menschen aus, die in diesem Zeitraum von selbst ernannten Herrenmenschen verbrannt, erstochen oder zu Tode getreten wurden.
Jährlich verletzen rechte Schläger rund 1.000 Personen. Der Terror richtet sich zumeist gegen Schwächere ohne Lobby: Obdachlose, Punks, Schwarze oder andere Minderheiten. Werden Politiker oder Polizisten angegriffen, gibt es bisweilen größeres Aufsehen. Ansonsten gehören Hassverbrechen zur Normalität der Berliner Republik.
Seltsam: Denn in den vergangenen Monaten haben Ermittler ganze Waffendepots bei Neonazis ausgehoben, bei einem Funktionär der NPD-Jugendorganisation fanden sie Chemikalien, die denen der Sauerlandgruppe ähnlich sein sollen. Und in Berlin marschierten fast 1.000 Neonazis unter der Parole "Vom Widerstand zum nationalen Angriff" durch die Stadt, verlasen Namen und Adressen von Linken, skandierten dazu: "Wir kriegen euch alle!" Die Polizei schaute zu. Die NPD setzt derweil ihren systematischen Aufbau fort: Über mehr als 300 Kommunalmandate verfügt sie mittlerweile, in Teilen Ostdeutschlands wird sie als normale Partei wahrgenommen.
Dies ist auch ein Ergebnis der Gleichsetzung von links und rechts. In Sachsen werden die Konsequenzen daraus besonders deutlich: Erstmals gelang es einer offen neonazistischen Partei, in einen Landtag einzuziehen und fünf Jahre später diesen Erfolg zu wiederholen. Die Öffentlichkeit debattiert unterdessen, wie viel Substanz in den rassistischen Aussagen von Bundesbanker Sarrazin steckt; Unionspolitiker bedienen sich dumpfesten Populismus, indem sie das Thema "integrationsunwillige Ausländer" verantwortungslos überzeichnen.
Und nun soll das Treiben der Neonazis, geht es nach den Plänen der schwarz-gelben Koalition, offiziell erleichtert werden. Die Ausweitung der Aufgaben des Fonds für Opfer rechtsextremer Gewalt bedeutet, die Toten und Verletzten zu ignorieren." (...)
als "maßnahmen mit perspektive" bezeichne ich das deshalb, weil sich die sicht- und unsichtbaren "eliten" in diesem fall gleich mehrfach weitblickend instrumentell intelligent zeigen:
erstens lassen sich die organisierten faschisten auch als stille reservearmee für unruhigere zeiten begreifen, die alle möglichen oppositionellen kräfte binden und mittels (strassen-)terror wirkungsvoll einschüchtern kann. die verquickungen seitens des staatsapparates (über v-leute) mit dieser szene sind hinreichend belegt; ebenso der fehlende "verfolgungsdruck" - der einem repressionsapparat des bundesdeutschen kalibers bei einem echten willen ohne weiteres möglich wäre. und der bewegungsraum für diese gruppen wird durch die skizzierten veränderungen definitiv erweitert werden.
zweitens werden damit, ganz im sinne der "bürgerlichen" totalitarismustheorie, die mörderischen besonderheiten gerade des deutschen historischen und aktuellen faschismus relativiert, was ebenfalls vor dem hintergrund der krise manöver des teile-und-herrsche einfacher werden lässt, weil sich die elitären schichten eben nur aus jenem fundus bedienen können, der dafür real geeignet ist (rassismus etc.), in diesem land jedoch - mit abnehmender tendenz - aufgrund der historie nicht als opportun angesehen wird.
drittens werden, anschließend an die benannte relativierung, dadurch auch die reaktionären und/oder faschismusaffinen teile der bevölkerung ermuntert, sich entsprechend zu äussern und zu verhalten, was zu weiteren inneren spannungen führen kann, auf die sich dann der "unparteiliche staat" als wächter von ruhe und ordnung" bei weiteren verschärfungen der repressionsspirale berufen kann.
und viertens bestimmt bekanntlich im zweifelsfall der staatsapparat selbst, was als "linksextremistisch" zu gelten hat - und das könnten dann zukünftig bspw. eben auch gewerkschafterInnen sein, die zu politischen streiks aufrufen, demonstrierende schülerInnen oder auch eine sozialdemokratische partei wie "die linke", die sich mittels solcher bennenungen noch mehr unter druck setzen lässt, um sie auf den "rechten weg" zu bringen.
all das ist weder neu noch überraschend, aber die stumpfsinnigkeit, mit der das projekt "systemerhalt um jeden preis" durchgezogen wird (und die eben auch an solchen punkten sichtbar wird), ist dann doch erschütternd.
ganz passend dazu die (wahrscheinliche)neue charaktermaskean der spitze des innenministeriums:
"Der bisherige Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) wird neuer Bundesinnenminister,..."
"ich würde sagen, er bringt wirklich alle qualifikationen für einen schäublenachfolger mit..."
yo. und von so jemandem darf auch ein strammer kampf gegen den "extremismus" erwartet werden, müssen solche leute doch immer auch ihre eigenen extremistisch-antisozialen tendenzen im aussen projizieren und ausagieren.
(...) "Rund um den Globus stieg die Zahl der Hungernden 2009 auf 1,02 Milliarden Menschen, teilte die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) in Rom mit. Das sei der höchste Wert seit 1970. (...)
Nach dem diesjährigen FAO-Welthungerbericht bekommt zur Zeit statistisch gesehen jeder sechste Mensch auf der Erde nicht genug zum Essen. Insgesamt sind das 100 Millionen Notleidende mehr als noch im Jahr 2008. Die meisten unterernährten und hungernden Menschen leben in Entwicklungsländern." (...)
(...) "Seit vielen Jahren befasse ich mich mit globalen Trends in Landwirtschaft, Bevölkerungsentwicklung, Umwelt und Wirtschaft sowie deren Wechselwirkungen. Alles in allem laufen die Folgen – insbesondere die davon erzeugten politischen Spannungen – auf den Kollaps von Regierungen und Gesellschaften hinaus. Dennoch habe ich mich bis vor Kurzem gegen die Idee gesträubt, Nahrungsmittelknappheit könnte nicht nur einzelne Staaten zu Fall bringen, sondern auch unsere gesamte Zivilisation.
Doch ich vermag diese Gefahr nicht mehr zu ignorieren. Da wir nach wie vor nicht im Stande sind, die ökologischen Trends zu stoppen, welche die weltweite Nahrungsmittelproduktion untergraben – insbesondere Grundwasserabsenkung, Bodenerosion und Erderwärmung –, muss ich einen globalen Kollaps in Betracht ziehen.
Schon ein flüchtiger Blick auf die ökologischen Probleme unserer gegenwärtigen Welt erhärtet leider meine Schlussfolgerung. Wer sich mit Umweltfragen beschäftigt, beobachtet nun schon seit drei Jahrzehnten negative Entwicklungen, aber keine nennenswerte Anstrengung, auch nur einen dieser Trends umzukehren." (...)
(...) "Mitten in der Krise schütten die Banken erneut Boni in Milliardenhöhe aus. Insgesamt fließen den Bankern und Zockern dieses Jahr 26 Milliarden Dollar an Boni zu – 40 Prozent mehr als 2008." (...)
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solche zustände lassen sich natürlich nur mittelsstaatlicher gewaltdurchsetzen:
(...) "Für Straßenblockaden drohen Freiheitsstrafen von 40 Tagen ohne Bewährung. Bußgelder für die Störung der "öffentlichen Ordnung" sollen verfünffacht werden - und die Polizei soll DemonstrantInnen bei bloßem Verdacht ordnungswidriger Absichten vorab für zwölf Stunden in Vorbeugehaft nehmen können. Mit diesen Maßnahmen will die dänische Regierung gegen Proteste vorgehen, die im Zusammenhang mit dem UN-Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen erwartet werden." (...)
(...) "Wir stehen vor einer Veranstaltung, zu der Hardcore-Unruhestifter anreisen werden, die nur Sachschäden und Gewalttaten zum Ziel haben", begründete der rechtspolitische Sprecher der regierenden rechtsliberalen Venstre, Kim Andersen, das geplante "Lømmelpakke" ("Lümmelpaket").
im ersten moment dachte ich ja, der meint die elitären klüngel, die sich bei dieser konferenz wieder einmal aufnichtsverständigen werden, was den status quo, den sie selbst für nützlich halten, auch nur ansatzweise qualitativ ändern könnte. klassische projektion, diese aussage eines wahren lümmels.
(wobei das natürlich nicht heissen soll, dass Sie sich nicht näher mit den präsentierten links beschäftigen, eher wünsche ich mir das gegenteil. aber bei mir ist´s gerade eine mischung aus depressiver unlust und zeitmangel, darum nur kurze kommentare).
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Gebt die Drogen frei!, fordert ein essay in der "zeit" mit argumenten, die durchaus im systemimmanenten ökonomischen rahmen liegen, aber deshalb - eben unter den jetzigen bedingungen - nicht falsch sind. die skizierte kosten-nutzen-rechnung könnte zur abwechslung tatsächlich viel leid ersparen.
das thema drogen kommt ansonsten hier auch meiner meinung nach viel zu kurz, wobei ich es schwer finde, wirklich neue aspekte beizutragen - diese diskussion läuft nun schon seit jahrzehnten öffentlich in schneisenbereiten ausgetretenen pfaden, positionen und verhältnisse sind weitgehend bekannt. und trotzdem habe ich den eindruck, dass die wirkungen der diversen psychoaktiven substanzen gesellschaftlich eher unterschätzt werden, und zwar in jeder hinsicht. ich merke mir das mal für einen basis-beitrag vor.
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zumal unter dem obigen thema auch solche sachen wie das sog.Neuro-Enhancementzu verzeichnen sind, dessen reale intentionen bei seinen befürwortern im artikel folgendermassen auf den punkt gebracht werden:
(...) "Von was reden wir also, wenn wir von kognitiven Enhancern sprechen? Doch in erster Linie von Substanzen, die Menschen stromlinienförmig im Arbeitsalltag agieren lassen. Und geht es nicht um Arbeit, so geht es um die Eliminierung unerwünschter Persönlichkeitseigenschaften; eine seltsames Phänomen unserer Zeit, die droht, aus jeder kleinen Macke ein behandlungswürdiges Syndrom zu machen. Hier spielen Psychologen, Wissenschaftler, Ärzte und Pharma-Unternehmen eine Rolle, sie alle tragen dazu bei, dass der Katalog der psychischen Krankheiten immer länger wird. Christopher Lane hat in seinem Buch "Shyness: How Normal Behavior Became a Sickness" gut beschrieben, welche Kräfte bei der Transformierung der Schüchternheit in die behandlungswürdige Sozialphobie am Werk waren.
Noch etwas muss bedacht werden. Der Begriff der "Kognition" wird im Zusammenhang mit NE so unscharf verwendet, dass viel gemeint sein kann, praktisch aber nur wenig erreicht wird. Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit mögen mit diesen Mitteln zeitweise verbessert werden, die Hoffnung aber, dass damit das Kurzzeit- oder gar Langzeitgedächtnis gefördert werden können, haben sich nicht bestätigt." (...)
der seitenhieb auf die ausufernde praxis, mit hilfe neuer diagnostischer modelle nicht "gesellschaftskonformes" verhalten psychiatrisch in den griff zu bekommen, ist dabei durchaus berechtigt, was aber im umkehrschluß nicht bedeutet, dass es nun keinerlei tatsächlich ernsthafte und konsequenzenreiche psychophysische pathologien geben würde - ein beliebter kurzschluß gerade bei skeptischen menschen.
aus dem aktuellen text aber noch ein hübsches zitat von roth:
Und was für Laien besonders irritierend ist: "Viele Psychopathen", sagt der Hirnforscher Gerhard Roth von der Universität Bremen, "zeigen ein hohes Maß an Selbstkontrolle beim Lügen und Betrügen, können Mitgefühl heucheln, ihre wahren Motive verbergen und Straftaten vertuschen."
ich frage mich ja immer, ob der recht kleinen gruppe von neuroforschern, die sich mit dem phänomen soziopathie beschäftigen, eigentlich die gesellschaftlichen implikationen klar sind? das da oben in einem satz auf den punkt gebrachte jedenfalls ist ein wesentlicher bestandteil der nötigen psychophysischen grundausstattung, um in diesem system nach oben zu gelangen. und das sagt eigentlich bereits alles nötige aus, um viele erbärmliche zustände hier begreifen zu können.
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und das gilt auch fürsolche wie hier beschrieben- die entsprechende dokumentationHeilung unerwünschtläuft heute ab 21.00 h in der ard. nebenbei: man schaue sich mal die kommentare sowie die bewertungen im artikelforum der "süddeutschen" an und erhalte einen eindruck von kapitalistischer medienarbeit. das ist echt zu auffällig. - (hierzu siehe untenstehenden kommentar).
(...) "Nirgends werden die Folgen sozialer Verelendung und Untersozialisation, von Sucht und Gewalt, psychischer und körperlicher Verwahrlosung, Schröderscher Agendapolitik, Globalisierung oder gescheiterter Migration deutlicher als in psycho-sozialen Einrichtungen, besonders der Psychiatrie. Doch die Hürde zu einer ambulanten, aufdeckenden oder verhaltenssteuernden Psychotherapie nehmen nur jene, die den Psychotherapeuten und ihrer Schicht potentiell ähnlich sind: Für die Konsequenzen verfehlter Sozial- und Bildungspolitik gibt es keine Psychotherapie."
mit einem interessanten textfragment möchte ich mich heute näher beschäftigen, auf das ich eher zufällig durch einekommentierung- eine weitere findet sich bspw. auchhier- der medial so getauftenbrandrededes ehemaligen spd-parteivorstandsmitglied und finanzministers peer steinbrück aufmerksam geworden bin. im kontext seiner antworten auf das desaströse spd-wahlergebnis im september zieht er vier vorläufige schlußfolgerungen (die natürlich alle darauf hinauslaufen, vor einem "linksrutsch" zu warnen), von denen ich eine sehr bemerkenswert finde:
(...) "Und bei der Annäherung an die Linkspartei ist nicht einmal ein Nullsummenspiel, sondern eher ein Verlust für die SPD wahrscheinlich, weil immer um einen Faktor höher Wählerinnen und Wähler in der Mitte zu den konservativ-bürgerlichen Parteien überlaufen. Das hat etwas mit der ausgeprägten Sehnsucht der Deutschen nach Stabilität, Sicherheit und Beständigkeit zu tun. Diese in meinen Augen tief verankerte Sehnsucht in der deutschen Gesellschaft geht auf die Brüche und traumatischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts zurück. Diese Traumatisierungen sind nach wie vor mentalitätsprägend und lassen die Wählerinnen und Wähler in Deutschland in der Mitte zusammenrücken. Jede Annäherung an die politischen Ränder trifft daher auf eine verbreitete Skepsis, mehr noch: Ablehnung in der Bevölkerung." (...)
"oups", dachte ich beim lesen dieser sätze, "unterschätze nie die instrumentelle intelligenz von "eliten" bei ihrem geschäft der machterhaltung". bemerkenswert finde ich vor allem einen möglichen einblick in die handlungsmotivationen von mitgliedern der "politischen klasse", der sich hinter den obigen sätzen offenbaren könnte. ebenso bemerkenswert aber ist aus so einer ecke das - eingeständnis? die behauptung? die vermutung? - , dass die -abbröckelnde - vorliebe großer teile der hiesigen bevölkerung für "rechte" politikkonzepte unmittelbar etwas mit der spezifisch deutschen traumageschichte zu tun hat, und sich "politik" bzw. parteien, die hier "mehrheitsfähig" sein wollen, sich den daraus resultierenden strukturen und motivationen letztlich nur anpassen können.
nun ist mir das schicksal der spd bekanntlich herzlich egal, und ebenso halte ich aus gründen nicht viel von der demokratiesimulation, die hier unter dem label der "parlamentarisch-repräsentativen demokratie" immer noch in zu vielen köpfen bzw. körpern für die fatale illusion sorgt, dass in diesem system relevante bevölkerungsteile irgendetwas zu sagen hätten. nicht egal finde ich es jedoch, wenn sätze wie die obigen aus dem munde eines kürzlich noch unmittelbar an formalen entscheidungsprozessen "auf höchster ebene" beteiligten kommen, um damit quasi einen bei weitem nicht nur die spd betreffenden gesellschaftlichen status quo zu rechtfertigen, der sich nicht erst seit gestern als komplette sackgasse erwiesen hat. deshalb im folgenden ein paar gedanken zu den inhalten der steinbrückschen einlassungen.
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die argumentative basis, von der er ausgeht, ist dabei aus meiner sicht nicht zu bestreiten - bereits früher waren die hiesigentraumainduzierten langzeitfolgen aus weltkrieg(en) und nationalsozialismus - die ddr ist dabei noch mal ein eigener bereich - hier thema; und ebenfalls kamen die durch jahrhunderte währenden fatalen ergebnisse der spezifisch deutschen (und sehr gewalttätigen)traumatisierenden erziehungspraktiken, welche sich in ihren übelsten ausprägungenbis teils weit in die 1970er jahre hinein als "normalität" halten konnten, zur sprache. wobei nicht nur ich die letzteren als entscheidend mitbeteiligt bei den ursachen für die ersteren halte, und ebenfalls von weitreichenden und tiefgehenden konsequenzen dieser traumatischen matrix für das gesamte gesellschaftlich-öffentliche, aber auch alltäglich-private leben hier ausgehe.
von daher scheint es also zunächst sogar ein fortschritt zu sein, wenn die skizzierte realität als solche gerade von leuten anerkannt wird, die hier z.zt. noch "politische" entscheidungen treffen. das problem ist dabei nur, dass diese "eliten" aller wahrscheinlichkeit nur aufgrund dieser traumatischen matrix überhaupt in ihren positionen sitzen können; und das führt dann in der folge zu allerlei unschönen paradoxien und / oder zu schlüssen wie denen von steinbrück.
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nun ergibt sich beim näheren nachforschen bezgl. der steinbrückschen thesen, dass er da - fast bin ich geneigt zu sagen, "natürlich" - nicht alleine drauf gekommen ist. wenn ein vertreter von angeblich notwendigen "reformen" wie der "agenda 2010" argumentativ zur erklärung der "reformunwilligkeit" der hiesigen bevölkerung mit dem rückgriff auf die traumatische matrix arbeitet, ist die mögliche quelle dieses diskurses nicht schwer zu finden: die autorinsabine bode, deren buch zu den (deutschen) kriegskindern der "vergessenen generation" weiter als empfehlung in der literaturliste steht (ein gutes einstiegsbuch zum thema mit viel geschichte zur ptbs-diagnose und abstechern in die neuroforschung und psychotraumatologie), hat einige zeit später unter dem titel"Die deutsche Krankheit - German Angst"etwas thematisch anschliessendes veröffentlicht, welches nicht nur ich beim querlesen so ärgerlich fand, dass ich auf eine betreffende empfehlung verzichtet habe. mir ist allerdings damals entgangen, dass sie dort nicht nur biographische fragmente und statements von bundesdeutschen "promis" wie u.a. norbert blüm, wolf biermann und eben auch steinbrück gesammelt hat, sondern eben dieser steinbrück selbst das buch bei der veröffentlichung 2006in einer redezu diesem anlass lobend vorgestellt hat - ein buch, in dem die verfasserin, bei der diese inhaltliche wendung bei der "vergessenen generation" zumindest von mir keinesfalls irgendwie zu vermuten war, u.a. diesesfatale fazitzieht:
(...) "Führt die Verfasserin diese generationsspezifische "Unlebendigkeit" zunächst auf die Sozialisation durch "gebrochene" Eltern zurück, die trotz oder gerade wegen der Erschütterung ihres eigenen Wertesystems die "schwarze Pädagogik" des Nationalsozialismus auch in der Nachkriegszeit noch praktizierten, so geraten später die Nachgeborenen in die Kritik. Jetzt erscheinen nicht mehr Krieg und Nationalsozialismus als "Vergifter", sondern die Vergangenheitsbewältigung der alten Bundesrepublik, die "Kulturleistungen, auf die üblicherweise jedes Volk stolz ist", verworfen habe, "weil man darin die Wurzeln des Zivilisationsbruchs" vermutet habe. "Es ist an der Zeit, unsere Erinnerungskultur zu überdenken", folgert Bode und referiert mit Sympathie ein erzkonservatives Leitbild: Familie, Gott und Nation seien "Ressourcen", die beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften in nur begrenztem Umfang zur Verfügung gestanden hätten. Es gelte, "vergessene Traditionen" wieder aufzunehmen, um ein "verunsichertes Kollektiv [...] zu unterstützen", wie die Verfasserin in ihrem Schlusswort fordert." (...)
(Jörg Arnold: Rezension von: Sabine Bode: Die deutsche Krankheit - German Angst, Stuttgart: Klett-Cotta 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 10 [15.10.2007])
offensichtlich hätte ich das buch damals doch genau von anfang bis ende lesen sollen - die richtung, die bode da mit rückgriff auf eine unbezweifelbare gesellschaftliche realität vorgibt, ist nicht nur fatal, nicht nur "politisch" reaktionär, sondern auch psychotraumatologisch höchst bedenklich, weil es sich bei den erwähnten "ressourcen" in der hier verankerten form allesamt um destruktive kollektivhalluzinationen handelt, von denen ich als beispiel in der vergangenheitdie "nationale identität" als identitätskrückeschon ausführlich kommentiert habe. bode geht damit bei ihren empfehlungen den vermeintlich leichtesten weg, ohne anscheinend auch nur im ansatz zu realisieren, welche destruktiven - und letztlich traumatischen - wirkungen diese "vergessenen traditionen" nicht nur in der deutschen geschichte zu verantworten haben. ebenfalls handelt es sich bei ihren vorschlägen keinesfalls um eine reale kollektive und individuelle bearbeitung der traumatischen matrix (von denen wir bis heute hier jeder und jede einen mehr oder weniger großen teil im wahrsten sinne des wortes verkörpern), sondern letztlich um ein ausweichen mit hilfe von objektivistisch produzierten und angeblich "ewigen" surrogaten - kollektive als-ob-identitäten, in denen sich die beschädigten menschen nicht nur formen anscheinender sicherheit holen, sondern sich durch stärke- und größenillusionen auch um ihre realen psychophysischen zustände selbst belügen.
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steinbrück nennt den erwähnten bezug auf die "nation" in derlangfassungder oben erwähnten rede anlässlich der buchvorstellung verklausuliert anders:
(...) "Wenn ich das richtig sehe, sagt sie, dass es drei Kraftquellen gibt, über die wir versuchen können, Identitäten zu stiften. Das ist die Familie, das ist der Glauben und das ist die Gemeinschaft. Und ich bleibe mal bei der Gemeinschaft, weil ich mich in das andere nicht einmischen
will. Ich glaube, Gemeinsamkeiten entdecken zwischen Generationen, zwischen sozialen Schichten, Gemeinsamkeiten entdecken in der Beurteilung von komplizierten gesellschaftlichen Fragestellungen, auch zwischen Ost- und Westdeutschen mit dem Ziel, so etwas wie eine kollektive Identität zu stiften, ist in meinen Augen der wahrscheinlich wichtigste Ansatz, um aus diesem verbreiteten mentalen Block herauszukommen, den wir hier als deutsche Angst wahrnehmen und diskutieren." (...)
gegen authentische gemeinschaft, die langsam wächst und sich über lange und teils schmerzhafte prozesse in einem gegenseitigen vertrauen als basis ausdrückt, ist nun nicht nur nichts einzuwenden, eher ist ein solches menschliches (!) und eben nicht durch surrogate wie "nationen", "götter" etc. herbeikonstruiertes bzw. -halluziniertes kollektiv ein noch nicht verwirklichter, aber notwendigerer entwicklungszustand der spezies als vielleicht jemals zuvor, wenn man sich die vielfältigen und bedrohlichen probleme betrachtet, die heute nur noch auf planetarer ebene lösbar erscheinen. was steinbrück aber da unter "gemeinsamkeiten entdecken" und "kollektive identität stiften" aller wahrscheinlichkeit nach versteht, hat mit dem obigen nicht nur nichts zu tun, sondern stellt in gewissem sinne sogar dessen negation dar:
die "gemeinschaft" ist hier als implizit als "national" bestimmte formuliert
"gemeinsamkeiten zwischen sozialen schichten" entdecken zu wollen ist in einer zeit der weitergehenden spaltung zwischen reich und arm und in einer geleugneten klassengesellschaft eine frechheit, welche die realen gegensätze zugunsten eines halluzinierten als-ob-kollektivs zu verwischen versucht. im prinzip und strukturell ist das nichts weiter als eine modifizierte bzw. neu formulierte variante der nazistischen volksgemeinschaft - "jeder und jede an seinem / ihrem "naturgegebenen" platz für das große ganze"
wenn man sich die von der spd maßgeblich mitverantwortete bundesdeutsche politik der letzten zehn jahre betrachtet, so machen gerade solche aktuellen ausfälle wie die des spd-mitglieds sarrazin aus obiger perspektive einen größeren sinn, denn die spaltungen, die die "unterschichten-debatte" formuliert und zementiert, dienen auf der anderen seite genau der produktion einer solchen "gemeinschaft", wie sie steinbrück oben vorschwebt. dazu ist es bei der konstruktion solcher kollektiven surrogat-identitäten unabdingbar, mit einem binären "wir" und "die" zu operieren, weil der ausführendeobjektivistische modusnur anhand solcher trennungen "identitäten stiften (konstruieren)" kann. der größte unterschied zur alten "volksgemeinschaft" nazistischen typs dürfte heute darin liegen, dass die aus- bzw. einschlußkriterien nur noch sekundär rassistisch/ethnisch bestimmt werden (obwohl das durchaus noch ein rolle spielt), sondern vor allem nach leistungskriterien (die machen "den ausländer" dann zwar immer noch nicht zum "deutschen", aber sie sorgen für etwas, was sich als murrende duldung bezeichnen liesse - solange eben die leistung stimmt.)
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wo ich gerade beim thema bin: sowohl bode als auch steinbrück blenden völlig aus, dass sich inzwischen ebenfalls relevante gruppen und menschen aus anderen regionen / ländern hier teils selbst zur bevölkerung zählen, teils faktisch als zugehörig betrachtet werden sollten. und diese bringen aus (bürger-)kriegsregionen, diktaturen, zuständen extremer armut sowie entsprechenden fluchtgeschichten oft genug selbst traumatisierungen mit, deren konsequenzen dann hier vor ort genauso virulent werden wie dietradierten"selbstproduzierten". komplexer wird die situation noch dadurch, dass der deutsche staat bzw. die deutsche gesellschaft teils direkt (bei kriegsbeteiligungen), teils indirekt (bei ökonomischer ausplünderung bspw.) als täterkollektiv auftritt, was die täter-opfer-dialektik fast aussichtslos verwirrend werden lässt.
gleichfalls ist besonders bei steinbrück als vertreter der antisozialen "agenda-gesetze" ein weiterer blinder fleck dahingehend zu konstatieren, dass er offensichtlich dietraumatischen bis tödlichen folgengerade der "hartz-IV"-gesetze entweder nicht wahrnehmen kann oder will. spätestens dieser umstand macht jedes wort, was leute wie er über die traumatische matrix verlieren, zur heuchelei. nicht, dass ich alles als falsch begreifen würde, was er diesbezgl. sagt (aber vieles); ohne aber zu begreifen, dass er selbst und die politik, für die er steht resultate dieser matrix darstellen, wird er letztlich nur noch eins: unglaubwürdig.
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nichtsdestotrotz ist ein aspekt in der langfassung der rede gerade vor dem hintergrund seiner position als finanzminister und seiner rolle beim umgang mit der wirtschaftskrise interessant, nämlich dann, wenn er bodes blickwinkel bezgl. historisch traumatisierender ereignisse erweitert:
(...) "...mit Sicherheit durch die Inflationsentwicklung 1923, durch den Zusammenbruch auch des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mittelstandes, dass sie ökonomisch traumatisiert worden sind in der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre,..." (...)
ich finde es nicht allzu abwegig, anzunehmen, dass bei der systemrettung um jeden preis auch solche motivationen bei den protagonistInnen in d-land eine rolle gespielt haben bzw. spielen (ihre kapitalhörigkeit wird damit weder bestritten noch in ihrer bedeutung tangiert). wenn auch nur relevante teile der hiesigen "eliten" tatsächlich die existenz der traumatischen matrix in ihr kalkül miteinbeziehen, wird die auch hier im blog schon oft thematisierte simulation von "normalität" in einer ausgewachsenen systemkrise nochmals verständlicher, zumal gerade die "politische klasse" hier an führender stelle beteiligt und tätig ist. es wäre dann, wie steinbrück ganz oben bezgl. der wahlen ausführt, teil eines machtkalküls, bei dem leute wie er meinen und glauben, die traumatisierten bevölkerungsteile durch eine illusion von sicherheit und beständigkeit zur eigenen unterstützung instrumentalisieren zu können. muss ich an dieser stelle noch extra erwähnen, dass ein vom interesse an authentischer menschlicher emanzipation geleiteter umgang mit der traumatischen matrix qualitativ sehr anders aussehen müsste? das ständige platte an- und belügen über die tatsächliche realität bis hin zum einsatz komplizierter fakes und simulationen bspw. lässt sich als permanenter trigger mit re-traumatisierender wirkung betrachten, den eine emanzipatorische politik im eigenen interesse zu vermeiden hat (nebenbei gesagt, wird sich meiner meinung nach u.a. an solchen stellen auch die tatsächliche emanzipatorische kraft der "linken" [partei] herausstellen).
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bleibt zum schluß noch der kurze hinweis auf andere politikfelder wie zb. die "innere sicherheit" (ein wahrhaft treffender begriff!), bei dem die traumatische matrix mitverantwortlich sein dürfte für widersprüche wie denjenigen zwischen einer einerseits in den letzten jahren ständig sinkenden kriminalitätsrate und andererseits steigenden unsicherheitsgefühlen vor allem bei älteren menschen (die größtenteils noch der kriegskindergeneration angehören). einschäubleals bisher handelnder protagonist jedenfalls stellt mit seinem individuellen traumatischen background einen perfekten stellvertreter für all jene dar, die sich unbegriffenerweise durch ihre individuelle und kollektive biographie in den historischen wirren dieser welt weiterhin in angstbesetzten, paranoiden, dissoziativen und destruktiv-aggressiven traumainduzierten zuständen befinden. schon aus solchen gründen ist das gerede von "mündigen bürgern" übrigens ein schlechter witz.
die zu beobachtende größere gewalt und brutalität bei in relation kleiner werdenden tätergruppen lässt sich ebenfalls vor dem hintergrund der traumatischen matrix besser verstehen, aber das ist ein anderes thema für andere beiträge.
(...) "Wer die Position des Premiers bestreite, urteile gegen das Volk, behauptete Bossi. Berlusconis Anwälte, die beide auch für seine Partei im Parlament sitzen, hatten vor dem höchsten Gericht ähnlich argumentiert. Berlusconis Regierung sei der Wille des Volkes – darüber dürfe sich kein Richter erheben. Der Regierungschef könne vor Gericht nicht wie jeder andere Bürger behandelt werden." (...)
"Der Führer schützt das Recht vor dem schlimmsten Mißbrauch, wenn er im Augenblick der Gefahr kraft seines Führertums als oberster Gerichtsherr unmittelbar Recht schafft . . . Der wahre Führer ist immer auch Richter. Aus dem Führertum fließt das Richtertum . . . In Wahrheit war die Tat des Führers echte Gerichtsbarkeit. Sie untersteht nicht der Justiz, sondern war selbst echte Gerichtsbarkeit . . . Das Richtertum des Führers entspringt derselben Rechtsquelle, der alles Recht jeden Volkes entspringt . . . Alles Recht stammt aus dem Lebensrecht des Volkes."
(carl schmitt 1934)
soviel zu einemquasi-mafiosoundmöchtegern-duce - und vor allem auch zu den restlichen eu-staaten, von deren regierungen offensichtlich keine mit der ehrenwerten gesellschaft dieses mannes probleme hat. vaffanculo!
(...) "Zwei Tage nachdem das Verfassungsgericht seine Immunität aufgehoben hat, sagte er: "Ich bin der beste Premier aller Zeiten." Zu den Erwägungen in seiner Partei Popolo della Libertà (Volk der Freiheit) und bei seinem nationalistischen Koalitionspartner Lega Nord, die Bevölkerung zu Demonstrationen für Berlusconi aufzurufen, sagte er, das sei nicht nötig. "Wir sind an der Regierung, wir haben die Zustimmung der Bevölkerung. Es ist klar, dass wir in der Mehrheit sind, und wir werden fünf Jahre lang regieren." (...)
"Ich bin der am meisten Verfolgte der Geschichte, sagte er, "angesichts dessen, dass ich immer freigesprochen worden bin." Es habe 109 Verfahren gegen ihn gegeben, mehr als 2500 Anhörungen, mehr als 530 Durchsuchungen, erklärte Berlusconi weiter. "Ich musste mehr als 200 Millionen Euro ausgeben, um Anwälte zu bezahlen", klagte er." (...)
was hatte ich unten in einem kommentar geschrieben? "paranoider querulatorischer narzissmus". das problem ist dabei wie üblich, dass solche leute wie der "BePreMaz" wie auch in früheren unseligen zeiten regelmässig "nur" tendenzen zu bündeln scheinen, die in größeren teilen der bevölkerung in den tiefenstrukturen der individuen vorhanden sind - unter dem aspekt dient berlusconi primär als projektionsfläche, nützt das allerdings auch - wie ebenfalls üblich -skrupellos aus. es gibt übrigens einen recht interessanten clip seiner partei aus dem wahlkampf 2008:
und genau so sieht eine der faschismus-versionen dieser jahre aus: junge, lohnarbeitende, "ethnisch" homogene, leistungswillige (man beachte die szene aus dem fitnessstudio ziemlich am ende) leute finden sich unter der fuchtel eines gottähnlichen "führers" in einem halluzinierten "kollektiv" unter ausblendung sämtlicher realen klassen- und interessensgegensätze zusammen, um den "italienischen traum" ( was das sein soll, wollen Sie und ich womöglich gar nicht genau wissen... aber btw erinnert mich das auch an eine personalisierte variante des "du bist deutschland"-mülls von vor ein paar jahren hierzulande) in die realität umzusetzen (laut einem kommentar im netz spielt die schlußszene mit der jubelnden masse vor einem gebäude aus der mussolinizeit - wenn das jemand bestätigen kann, wäre das noch das i-tüpfelchen auf einem bild, welches in seiner widerwärtigkeit zumindest bei mir immer neue stadien des abscheus auslöst.) italien hat offensichtlich nicht nur ganz ernsthafte probleme, es droht bei weiterem ungehinderten regime dieses mussolininachfolgers auch zu einem problem für andere zu werden, und dies nicht nur für die bedauernswerten flüchtlinge, die gewollt oder zufällig in italien anlanden. nein, die gefahr liegt eher in der impliziten vorbildfunktion, die dieser typ und sein verhalten auch für "eliten" in anderen ländern haben könnte. von der potenziellen bürgerkriegsgefahr in italien selbst (doch, die sehe ich als latenz tatsächlich) mal ganz abgesehen.
»Investmentbanker stellen einen Aufwärtstrend fest«, schreibt die New York Times. »Weiterer Fortschritt in der Geschäftswelt«, berichtet das Wall Street Journal. »Ökonomen sehen Zeichen einer Erholung«, »Kräftiger Aufstieg an den Börsen«, melden andere. Einige Blätter schreiben, dass sich in Amerika ein Bischof zu Wort gemeldet habe, der das große »Misstrauen« in der Welt der internationalen Finanzanleger geißele. So etwas halte die wirtschaftliche Erholung bloß unnötig auf.
Die Schlagzeilen könnten aus den letzten Wochen sein – stammen aber aus dem Jahr 1931, in der kurzen Erholungsphase der great depression, der schärfsten Wirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts." (...)
geschichte wiederholt sich also zumindest teilweise denn doch. oder sollte es besser heissen, dass probleme solange in verschiedenen, jeweils aktuell angepassten formen wiederzukehren pflegen, bis sie grundsätzlich gelöst sind? wie dem auch sei: die in vergangenen news angesprochene realitätsleugung der "eliten", aber auch größerer teile der ihnen an den lippen hängenden bevölkerungen, hat jedenfalls nicht nur, aber besonders in d-land wie zu erwarten in den wochen vor der "wahl" neue rekorde gesetzt. umso schmerzhafter wird das böse erwachen - die (wirtschafts-)krise ist, ganz im gegensatz zu bspw. etlichen banken, quicklebendig. von ihren globalen schwestern in sachen ressourcen und ökologie mal ganz abgesehen. dementsprechend die news:
globale krisenkaskade I: peak oil - neue ölfunde? keine lösung für nichts!
globale krisenkaskade II: erste zögerliche schritte, das wachstumsdogma in frage zu stellen?
globale wirtschaftskrise: zum neuen geab
krisenfolgen in afrika: 8 bis 10 millionen menschen zusätzlich in "absoluter armut"
deutschland I: städte und gemeinden schlagen nach dem sturz mit als erste auf
deutschland II: realitätsleugnung allerorten
usa I: das einzige, was steigt, sind die erwerbslosenzahlen und die zahlen der ausgegebenen lebensmittelkarten
usa II: anzeichen des großen change - "yes, we can!" - tauschhandel, mobile ärzteteams und beschleunigter verfall der shopping malls
rumänien: generalstreik und massenentlassungen
frankreich: suizide als protestform?
in aller kürze: baltikum - anzeichen für schwere währungskrise / ukraine im finanziellen und sozioökonomischen desaster /einbrüche im globalen tourismus / spanien: mehrwertsteuererhöhung und andere taten / baltic dry index weiter auf südkurs / ganz aktuell: goldpreis und dollarflucht
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"peak oil? kein problem!", so lautete die unterschwellige botschaft in vielen meldungen der letzten wochen, die sich mit einigen neuenölfundenbeschäftigten. mal abgesehen davon, dass für alle die, rechnen können - geschätzte 10 milliarden barrel in den neuen feldern reichen bei einem aktuellen täglichen globalen verbrauch von 85 millionen brl für genau wie viele tage? - , zeigt sich bei einem großen teil der öffentlichen jubelarien auch mal wieder neben der grundsätzlichen ignoranz für die probleme, die das erdöl-zeitalter generell mit sich bringt, immer noch ein starkes unverständnis dessen, was peak oil tatsächlich bedeutet. deshalb schalten wir einmal mehr um zuoelschock:
(...) "Das Problem mit dem Hubbert-Maximum ist ja nicht, dass überhaupt kein Öl mehr gefunden oder gefördert würde – das Problem ist, dass die alten Felder (etwa das (...) mexikanische Cantarell, das größte Offshore-Feld der Welt, das in den ersten sieben Monaten 2009 bereits einen Rückgang der Fördermenge um 35 % verzeichnen musste) schneller leer werden, als neue gefunden werden und in Produktion gehen. In diesem Zusammenhang hat auch der unermüdliche Sadad al-Huseini (ehemaliger Vize der saudischen Ölgesellschaft Aramco, wurde Ende 2007 bekannt, als er als erster saudischer Brancheninsider von einer nahenden Obergrenze der Förderung sprach) ein Interview gegeben, in dem er die neuerlichen Ölfunde in die rechte Perspektive rückt:
Am Ende ist es einfach so, dass es nicht genug Förderprojekte gibt. Es wird nicht genügend neue Kapazität verfügbar sein, sagen wir in den nächsten fünf bis sechs Jahren, um den weltweiten Förderrückgang aufzuwiegen. Und selbst das nur unter der Voraussetzung eines sehr moderaten Förderrückgangs – 6 bis 6,5 % für Nicht-OPEC-Länder, vielleicht 3,5 bis 4 % für die OPEC.
Sogar bei derart moderaten Förderrückgängen müssen wir mehr oder weniger innerhalb von zwei bis drei Jahren mit Kapazitätsmängeln rechnen. Wir werden momentan von dieser enormen Überschusskapazität eingelullt, die alles mit dem Nachfragerückgang, aber nichts mit der Förderkapazität zu tun hat. Wir haben also bereits kurzfristig ein Problem. Langfristig wird es noch schlimmer, weil bis zu 10 Jahre vergehen können, bevor ein neu gefundenes Ölfeld so weit entwickelt wird, dass es in Förderung gehen kann. Und es wird langfristig auch insgesamt zu wenig getan. Das Problem ist also sowohl kurz- als auch langfristiger Art. [...]"
so ist es. betrachtet man sich dazu die hoffnungen der wachstumsfetischisten weltweit, die v.a. in china und indien mit ihren milliarden menschen neue märkte sehen und sich darüber den absatz von autos und vielfältig auf öl basierenden konsumgütern erhoffen, so sollte klar sein, dass sich der gegenwärtige tägliche verbrauch dann nochmals entsprechend erhöhen würde. konsequenzen: nachfrageanstieg -> angebotsverknappung -> höhere preise, auch um die immer aufwendigere förderung zu finanzieren -> belastung des (pseudo-)"aufschwungs" -> neuer ökonomischer einbruch. in abgeschwächtem maße gilt das sogar jetzt schon ohne die hypothetische entwicklung chinas und indiens, die dazu bei der gewünschten tendenz zu einem globalen ökologischen desaster führen würde. die wachstumsgläubigen befinden sich wie eine fette quiekende ratte in einer selbstgebauten falle ohne ausgang. game over. immer noch.
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das das (exponentielle) wachstum als existenzgrundlage mit schon religiös anmutenden verklärenden zügen innerhalb der kapitalistischen gesellschaften ein grundsätzliches strukturelles problem mit grundsätzlicher systemsprengkraft darstellt, dämmert vielleicht inzwischen sogar schon instrumentell intelligenten, aber keieneswegs sympathischen vertretern der "eliten" wie einem monsieursarkozy:
(...) "Zitat aus einer Politikerrede, die von Veränderung, Umdenken und Umsteuern handelt: "Wenn wir nicht wollen, dass unsere Zukunft, die Zukunft unserer Kinder, die Zukunft künftiger Generationen durchsetzt ist von Finanz-, Wirtschafts-, Umwelt- und sozialen, letztendlich also menschlichen Katastrophen, dann müssen wir unsere Art zu leben, zu konsumieren, zu produzieren ändern. Und wir müssen die Kriterien unserer gesellschaftlichen Organisation und unserer öffentlichen Politiken ändern. Eine großartige Revolution erwartet uns. Jeden von uns." Veränderung. Obama-Sound. Aber er kommt aus Paris. Originalton Nicolas Sarkozy.(...)
Das Timing war kein Zufall. Sarkozy wählte für seinen Auftritt nicht zufällig den 1. Jahrestag der Lehman-Brothers-Pleite. Ort des Events: Die Große Aula der Sorbonne. Der Anlass: Die von ihm Anfang 2008 eingesetzte internationale Kommission über die Messung der wirtschaftlichen Leistung und des gesellschaftlichen Fortschritts legte nun ihren Bericht vor.(...)
Der Fortschritt von Gesellschaften und Staaten und das Glück der Menschen und der Völker können durch schlichtes ökonomistisches Zusammenzählen von Wirtschaftsvorgängen nicht einmal annähernd beschrieben oder definiert werden. Das hat sich mittlerweile herum gesprochen. Genauso wie die Absurdität, dass in dieser Statistik nichtstaatliche Solidaritätsleistungen, ehrenamtliche Gemeinschaftsaktivitäten, die Kindererziehung im Allgemeinen und familiäre Krankenpflege und Altenbetreuung im Besonderen, mangels Preiszettel nicht berücksichtigt werden. Mehr als dreißig Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Berichts des Club of Rome über die "Grenzen des Wachstums" ist das hinreichend bekannt.(...)
Doch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt deutlich, dass die Einsicht politisch und praktisch keine Folgen hat. Die Staaten, ihre politische Führer und deren Berater klammern sich unverändert an die globale Lebenslüge, dass nur die in Dollar, Euro, Yen oder Yuan messbare Leistung ein Beitrag zur Wirtschaftsleistung und zum Wohlstand sei." (...)
einigermaßen zutreffend sind hier primäre probleme mit dem wachstumsmantra umrissen. in zeiten aber, in denen die reichtumsverteilung von unten nach oben quasi das primäre programm der kapitalistischen staaten als antwort auf die krise darstellt, haben solche gedanken von vertretern eben dieses "oben" auch immer ein gschmäckle:
(...) "Drang zur Selbstdarstellung und Imponiergehabe? Oder innenpolitische Strategie, um der Linken das Thema wegzunehmen? Das Misstrauen ist nicht unbegründet. In der Tat wäre "Sarkos" engagierte Warnung vor Risiken aus Profitsucht auch glaubwürdiger, wenn diese Debatte die Kernenergie samt Risiko und Nebenwirkungen einbezöge." (...)
sowie die situation in den banlieus, die verzweiflung vieler arbeiterInnen und erwerbsloser etc. etc. allerdings ist das thema so wichtig, das eine derart grundsätzliche infragestellung des mantras, die auch öffentlich wahrnehmbar ist, erstmal immer zu begrüßen ist - selbst wenn sie von so jemandem wie sarkozy kommt.
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den stammleserInnen dieser reihe sollte das regelmässige geab des europäischen "think tanks" leap 2020 ein begriff sein. wie kommentiert nun dieaktuelle ausgabedie lage?
(...) "Nicht einmal LEAP/E2020 bestreitet, dass sich die Geschwindigkeit, mit der die Weltwirtschaft auf den Absturz zurast, in den letzten Monaten verlangsamt hat, was ja von den hinlänglich bekannten Experten und den Medien als „gute Nachrichten vom Licht am Ende des Tunnels" ausgeschlachtet wird. Aber dieses Bremsen auf dem Weg zum Abgrund wurde mit einem unglaublichen Aufwand öffentlicher Gelder während der letzten zwölf Monate bezahlt. Doch die unglaublichen Summen aus den Taschen der Steuerzahler wurden schlecht genutzt; sie hätten für den Aufbau eines neuen internationalen Finanz- und Währungssystems eingesetzt werden müssen. Denn die aktuelle umfassenden Krise ist die Agonie des bisherigen Systems. Diese Baustelle blieb jedoch vollständig unberührt – wenn man von einigen schönen Absichtserklärungen und den Rettungsgeldern für amerikanische und europäische Banken absieht. In der Zukunft werden internationale Egoismen das Geschehen an den Finanz- und Devisenmärkten bestimmen .
Mit dem Ende des Sommers 2009, wenn nun die drei Monsterwellen des Sommer die Weltwirtschaft mit voller Wucht treffen (Arbeitslosigkeit, Insolvenzen, Währungskrisen) ist die Chance für einen kontrollierten und geordneten Übergang der bisherigen Weltordnung zu einer neuen vergeben. Dass die großen Weltregionen sich von der US-Wirtschaft abkoppeln und von der US-Dominanz emanzipieren, wird nun auch an konkreten Tatsachen ablesbar. Der US-Dollar ist dabei, seine Stellung als globale Reservewährung und die Leitwährung vieler Devisen zu verlieren. Wie man dem unten stehenden Schaubild entnehmen kann, kann mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass in Kürze 1.000 Milliarden neuer Dollar gedruckt werden. Das wird im Wert des Dollars und in den Volkswirtschaften, die eng an die US-Wirtschaft gekoppelt sind, deutliche Spuren hinterlassen.
Die Welt ist damit auf dem besten Weg in die Phase des Zerfalls der Öffentlichen Ordnung, deren Beginn wir für das vierte Quartal 2009 vorhersagten" (...)
nun, ich vermute stark, dass sich die vorstellungen von leap hinsichtlich einer "neuen weltordnung" von meinen wünschen stark unterscheiden. ungeachtet dieser grundsätzlichen differenz sind für mich die wesentlichen aussagen plausibel. die ersten beiden "monsterwellen" fangen bspw. gerade in d-land damit an, nicht mehr nur etliche keller volllaufen zu lassen - diejenigen, die ganz vorne am strand stehen (leih- und zeitarbeiterInnen, etliche kommunen, transportsektor, maschinenbau...) werden inzwischen teils bis zum hals umspült.
(...) "Nach der Auffassung unserer Forscher ist der von uns vorher gesagte Zerfall der Weltordnung paradoxer Weise der einzig mögliche Weg für eine wirtschaftliche Erholung." (...)
das ist entschieden zu kurz gegriffen, vor allem dann, wenn unter "wirtschaftlicher erholung" ein modifiziertes "weiter-so-wie-bisher" unter anderen bedingungen verstanden wird, wie ich das leap unterstelle. die in früheren news angesprochenen vielfältigen rückkoppelungseffekte der krise in ganz andere bereiche sowie die unverkennbar destruktiven systemkomponenten werden in letzter konsequenz nicht den neustart des alten spiels, sondern ein ganz neues bedeuten müssen - wenn die spezies nicht in einer langen und quälenden agonie dahindämmern will.
bei anderen punkten jedoch kann ich wieder sagen: d´accord.
(...) "Heute kann niemand mehr aus makro-ökonomischem Statistiken verlässliche Angaben über den realen Zustand der Weltwirtschaft ableiten. Denn diese werden immer widersprüchlicher oder gerade zu grotesk. Daten und Meßmethoden wurden so lange manipuliert, und der Dollar trotz seiner chaotischen Kurssprünge als ausschließlicher Meß- und Vergleichsstandard akzeptiert, dass heute weder Regierungen noch internationale Institutionen oder Banken in der Lage sind, sich ein Bild davon zu machen, wohin sich die Weltwirtschaft bewegt. Die Lektüre der Medien ist ein Spiegelbild dieses Chaos und stürzt die Leser in Abgründe intellektueller Frustration: In Abständen von nur einigen Tagen, manchmal auch nur Stunden, ist man einer Abfolge widersprüchlicher Nachrichten über das Finanzsystem, die Wirtschaft oder die Währungen ausgesetzt. (...)
Der Scheitern des weltweiten Wirtschafts-, Finanz- und Währungssystems wird mit Händen greifbar; noch nie in der modernen Geschichte war es so brüchig. Bei der geringsten Erschütterung kann es in sich zusammenbrechen. Dabei kann die Erschütterung von den Finanzmärkten, der internationalen Politik oder einer Naturkatastrophe ausgehen. Die Explosion der staatlichen Defizite, die die öffentlichen Hilfen in den Staatshaushalten verursachen, führt in den betroffenen Staaten zu politischen Spannungen. Aber die Regierungen sehen keine Alternative, denn sie spüren, dass ohne die staatlichen Hilfen die Wirtschaft unmittelbar wieder in einen Abwärtsstrudel gerissen wird. Damit wird es in Japan, USA und Europa wohl unweigerlich zu Steuererhöhungen kommen. Wenn also ein Bereich einen Aufwärtstrend verzeichnen kann, dann sind es Steuern und Abgaben. (...)
Wir sehen die Krise wie den Lauf eines Gummiballs auf einer Treppe. Auf jeder Stufe springt er hoch, um danach auf die nächste, tiefere Stufe hinabzufallen. Doch bei jedem Aufspringen könnte man mit Fug und Recht behaupten, die Abwärtsbewegung sei gestoppt, es gehe wieder aufwärts, obwohl es sich nur um ein Zwischenhoch auf dem Weg zu einem weiteren Tief handelt." (...)
alleine schon wg. der öfter zu bewundernden farbigen metaphern sei die lektüre empfohlen.
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paradigmatisch jedoch stellt sich nicht nur bei leap die focussierung des blicks auf europa, die usa und die "boom"-regionen asiens dar. afrika als gesamter kontinent wird einmal mehr von den meisten krisenanalysen schlicht vergessen, wie es den menschen dort schon seit langer zeit widerfährt. dabei sorgt die krise gerade dort fürvielfältig gefährliches elend:
(...) "Acht bis zehn Millionen Menschen zusätzlich dürften in ganz Afrika dieses Jahr in absolute Armut hineinschlittern, erklärte die Weltbank diese Woche - mit der Konsequenz von 30.000 bis 50.000 zusätzlichen, vermeidbaren Todesfällen bei Kleinkindern. Afrikas Volkswirtschaften werden dieses Jahr laut Weltbankprognose um 1,7 Prozent wachsen und liegen damit unter dem Bevölkerungswachstum. Länder und Regionen, die sich auf einzelne Bereiche des Rohstoffexports spezialisiert haben, ob Diamanten oder Öl, brechen am tiefsten ein.
Regierungen, die die Vorgaben der internationalen Geldgeber am eifrigsten befolgt und ihre Wirtschaft am meisten geöffnet haben, stehen jetzt als die Dummen da, denn fast alle größeren Investitionsprojekte sind auf Eis gelegt. In ganz Afrika sind nach jüngsten Berechnungen Auslandsinvestitionen von 82 Milliarden Dollar entweder eingefroren oder verschoben. Die Neuinvestitionen schrumpfen dieses Jahr gegenüber 2008 von 32,7 auf 26,7 Milliarden Dollar. Im Bürgerkriegsgürtel Westafrikas, der von Guinea über Sierra Leone und Liberia bis in die Elfenbeinküste reicht, kippen reihenweise die Hoffnungsträger des Aufbaus (...)
Ganz einheitlich ist die Katastrophe natürlich nicht. Die von der Finanzkrise ausgelöste Rezession folgte direkt auf eine Ernährungskrise, als weltweite Spekulation die Lebensmittelpreise in ungeahnte Höhen trieb. Dies stürzte viele Städter in Armut, nützte aber vielen Bauern. Seither sind die Preise nicht wesentlich gesunken, aber nun fallen in vielen Städten auch noch Einkommen aus. Die Armut breitet sich immer weiter aus.
Warnungen, dass in Afrikas Metropolen eine soziale Explosion droht, sind durchaus ernstzunehmen. Am vergangenen Donnerstag eskalierte in Ugandas Hauptstadt Kampala ein alter Streit zwischen Regierung und Großhändlern um Eigentumsrechte auf den innerstädtischen Märkten in massive Gewalt, bei der arbeitslose Jugendliche und die Polizei aufeinander losgingen, gestärkt durch ethnische Ressentiments in einem zunehmend aufgeheizten Vorwahlklima.
Während abends Gerüchte von immer mehr Toten die Runde machten und die Armee auffuhr, sorgten sich Ugander um mögliche ethnische Säuberungen durch ein perspektivloses, gewaltbereites Lumpenproletariat.
Die Versprechungen der internationalen Gemeinschaft, die ärmsten Länder der Welt beim Bewältigen der Krise nicht zu vergessen, erweisen sich derweil größtenteils als Humbug." (...)
zynisch könnte man sagen, die menschen dort dürfen sich immerhin amwestlichen atommüllwärmen... und was lässt sich womöglich auch noch alles mit giftmüll anstellen? jedenfalls wird eine krisenfolge im wahrsten sinne des wortes todsicher in steigenden flüchtlingszahlen zu besichtigen sein, für die sich die europäische union mittels der aufrüstung von "frontex" bereits in stellung bringt. das handeln der sog. "europäischen demokratien" gegenüber dem afrikanischen kontinent und den dortigen menschen ist in so vielfältigen dimensionen nur noch als so schwer kriminell zu begreifen, dass man jedesmal, wenn repräsentanten dieser staaten mit dem wort "menschenrechte" ankommen, nur noch mit tiefer verachtung ausspucken kann.
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letzteres gilt bekanntlich ja auch bereits innerhalb der eu für den umgang mit den so called "minderleistern", deren reihen sich mit demfinanziellen untergang vieler kommunen und gemeindenhierzulande weiter kräftig füllen werden. ich spare mit hier das eingehen auf einzelne beispiel, im link ist genügend material für weitere eigene studien enthalten. in den nächsten jahren jedoch wird es in so ziemlich der gesamten öffentlichen infrastruktur, und zwar mit sicherheit gerade in bereichen wie soziales, kultur und bildung zu verwüstungen kommen, die sich gewaschen haben werden. das ein großteil der hiesigen bevölkerung das erst dann realisieren wird, wenn überall die türen verschlossen sein werden, ist zu einem guten teil auch das "verdienst" vieler sedierender medien.
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über letztere macht sich einmal mehrjoachim jahnkelesenswerte gedanken:
"In diesen trüben Jahren möchte man sich den Optimismus herbeischwindeln. Die meisten Medien tun das permanent, quasi als Serientäter. In der Regel gibt es ein politisches Programm dahinter und nicht etwa den Versuch, Menschen einfach nur froh zu stimmen. Das haben diese natürlich längst bemerkt. Daher sind die Medien, nach den Sprüchen der Politiker und der ach so schlauen Wirtschaftsforschungsinstitute, die größte Quelle von Zynismus in Deutschland geworden." (...)
als kommentar zum kommentar passen bspw. meldungen wiediese- kein wort davon, dass die bahn neben den anstehenden massenentlassungen (deren ausmaß vermutlich nach oben korrigiert werden muss) auch bereits schon hunderte güterwaggons stillgelegt hat. solche bilder hätten nämlich jenseits aller zahlen ein so starke symbolkraft, dass sie von den medien gemieden werden wie das weihwasser vom teufel.
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was sich beim blick in ausland bekanntlich (noch) anders verhält - vermutlich dient das aufzeigen von fremden elend immer auch der verbreitung der botschaft "schaut mal, wie gut wir es hier haben!" (das dieses relative "gutgehen" zu einem großen teil auch schon vor der krise auf dem fremden elend basierte, wird natürlich gleichfalls beschwiegen). und gerade die berichte aus den usa zu den krisenfolgen sind hier teils von einer nur mühsam unterdrückten schadenfreude durchzogen, die mit etlicher sicherheit in den nächsten zwei jahren allerdings wie ein boomerang zurückkommen und das selbstzufriedene grinsen aus den hiesigen medialen fratzen wischen wird. ungeachtet dessen sind die relevanten zahlen aus den usa weiterhin auf depressionsniveau - ich mache es mir einfach und verweise einmal mehr auf die vorzügliche aufarbeitung bei den querschüssen -eins...
"Bereits den 21. Monat in Folge führt die Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem drastischen Stellenabbau in den USA! Im September 2009 lag die Anzahl des vom Bureau of Labor Statistics (BLS) gemeldeten Stellenabbaus bei saisonbereinigten -263'000 Jobs! Insgesamt kumuliert sich der Stellenabbau auf gewaltige -7,205 Millionen verlorene Jobs seit Januar 2008! Dies ist der längste und größte Einbruch am Arbeitsmarkt seit Beginn der Datenerhebung durch das BLS im Jahre 1939!" (...)
"Nach den heutigen Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums (United States Department of Agriculture - USDA), steigt die Anzahl der US-Bürger welche Lebensmittelmarken beziehen Monat für Monat auf ein neues Allzeithoch! Unfassbare 35,851 Millionen Amerikaner bezogen per Kreditkarte, für je 133,31 Dollar pro Person im Monat Juli 2009, Lebensmittel auf Basis des Supplemental Nutrition Assistance Program (SNAP).
Dies ist ein gewaltiger Anstieg von +725'621 Leistungsbeziehern bzw. von +2,1% zum Vormonat und von unfassbaren +23,4% bzw. +6,791 Millionen zum Vorjahresmonat, mit damals 29,059 Millionen Bedürftigen." (...)
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um sich aus diesen immer noch abstrakten zahlen ein realistisches bild davon zu machen, was das dann alles ganz konkret bedeutet, folgen ein paar aktuelle beispiele aus den usa - so ist eine renaissance destauschhandelsmit ganz spezifischen ausprägungen zu beobachten...
(...) "Ganz egal, welche der etwa 400 registrierten Internet-Tauschbörsen in den USA man zurzeit anklickt, Anfragen zur Ware Gesundheit sind ganz klar auf dem Vormarsch: "Suche Zahnbehandlung, biete Teppichlegen / Tausche Chiropraktiker-Service gegen Abendessen / Heilmassagen gegen Geigenunterricht / Biete Gartenarbeit für neue Brille."
Es sind die vielen unversicherten und unterversicherten US-Amerikaner, die auf diesem Weg versuchen, ihre Gesundheitsversorgung zu organisieren. Und es sind Menschen, bei denen wegen der Wirtschaftskrise das Geld knapp ist und die ihre Arztrechnungen auf andere Weise zahlen wollen. Gehandelt wird per direktem Tausch oder in einem professionell organisierten Tauschring mit eigener Währung. (...)
Mittlerweile gibt es ganze Krankenhäuser, die einen Tauschservice anbieten. "More than Money" - Mehr als Geld - heißt es im Gesundheitszentrum in der Kleinstadt Goshen in Indiana. Bedürftige Patienten können hier kleine Jobs erledigen und werden im Gegenzug medizinisch behandelt. Die schwangere 15-jährige Stephanie etwa macht Büroarbeit, um für die Vorsorge-Untersuchungen zu zahlen." (...)
...was ja bei den bereits in der vergangenheit thematisiertenzuständendes dortigen gesundheitssystems in kombination mit den krisenfolgen kein wunder ist:
(...) "Heute ist es wieder so weit in Wise County. Zum zehnten Mal schon hat die Hilfsorganisation Remote Area Medical (RAM) in dem abgelegenen Grubenrevier der Appalachen-Berge Virginias ihr Feldlazarett aufgeschlagen. Unter einer weissen Zeltplane stehen dicht gedrängt in endlosen Reihen graue Klappliegen. Zahnärzte beugen sich im Akkord über offene Münder. Nebenan brummt ein mobiler Röntgenwagen. Ein Stück weiter werden alte Spenderbrillen angepasst und neue Gläser geschliffen. In einer verwitterten Scheune trennen schwere Planen schmale Behandlungszimmer ab. Hier kümmern sich Ärzte um chronisch Kranke und akute Leiden. Dazwischen tummeln sich wie auf einem Jahrmarkt Hunderte Menschen mit roten, blauen und gelben Armbändern und schwarzen Nummern auf den Handrücken. Wer heute früh nicht pünktlich um fünf Uhr vor den Toren des Lagers stand, um sich für eine Behandlung zu registrieren, muss es morgen noch einmal versuchen. Nur 1600 Patienten haben täglich Einlass. «Wir mussten mehr Leute wegschicken als je zuvor», bedauert die Krankenschwester Teresa Gardner, «es kommen einfach jedes Jahr immer mehr.» (...)
neben den leeren zwangsgeräumten häusern, den tent cities der obdachlosen, den boomenden stadtgärten zur selbstversorgung sowie den mobilen medizinischen einsatzteams ist vielleicht der verfall eines originären us-kulturguts - oder vielleicht besser: symbol einer außer rand und band geratenen konsumkultur - in form dershopping mallsbemerkenswert - eine entwicklung, die nicht erst mit der krise begonnen hat, und deren aktueller stand sich auf der zum herumstöbern einladenden seitedeadmalls.comablesen lässt, die auch unter dem hübsch doppeldeutigen titel "malls R us" eine filmische dokumentation über diese dem (verdienten) untergang geweihten konsumtempel erstellt haben - hier der trailer:
das immer mehr bewohnerInnen der usa schlicht nicht mehr in der lage sind, die synthetischen welten mittels konsum am "leben" zu erhalten, machen am schluß ein paarfakten aus new yorkdeutlich:
(...) "Drei von fünf Beschäftigten im Einzelhandel verdienen weniger als dreizehn Dollar die Stunde, 44 Prozent weniger als zehn. Ein Viertel der im Einzelhandel Beschäftigten über 24 hat einen Collegeabschluss. Einem von drei New Yorker Vollzeitbeschäftigten ist im letzten Jahr eines oder mehrere der folgenden Missgeschicke passiert: a) Gas, Telefon oder Strom wurden wegen Zahlungsrückständen abgestellt; b) sie konnten die Miete nicht zahlen; c) sie konnten sich ein vom Arzt verschriebenes Medikament nicht leisten; d) sie mussten in einer öffentlichen Armeneinrichtung essen."
die vereinigten staaten der abgebrannten und zombiebanken - einmal mehr ein weltmodell?
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aus osteuropa ist derzeit - mit ausnahme des baltikums vielleicht - medial insgesamt eher selten etwas zu vernehmen, was in diesen zeiten auch schnell als indiz dafür gewertet werden kann, dass sich dort etliches unerfreuliche - wie bspw. die faschistische mobilisierung in ungarn - zusammenbraut und/oder schon im gange ist. harte soziale auseinandersetzungen jedenfalls werden von hiesigen medien gerne mal ausgeblendet, erst recht, wenn sie sich in solchen ländern wierumänienzutragen, von denen der gemeine durchschnittsdeutsche in aller regel nur zu wissen meint, dass sich dort etliche geklaute autos auf den strassen bewegen (von der im wahlkampf stattgefundenen höchst offiziellen "aufklärung" über die arbeitsweisen des "rumänen an sich" mal ganz abgesehen). das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil das deutsche schaf auch dort etwas lernen könnte:
(...) "Der gesamte öffentliche Sektor - Rathäuser, Kreisräte, Ämter, Schulen, Polizei und Spitäler - hat am Montag in Rumänien gestreikt. Hunderttausende Rumänen legten aus Protest gegen ein neues einheitliches Besoldungsgesetz im öffentlichen Dienst die Arbeit nieder. Aus Sicht der Gewerkschafter sieht das neue Gesetzespaket, für das die Regierung Mitte September die Vertrauensfrage gestellt hatte, eine Einkommenskürzung für öffentlich Bedienstete vor. (...)
Die Einsparungen, die durch das Gesetzespaket erzielt werden sollen, stellten die Bedingung des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die finanzielle Krisenunterstützung Rumäniens dar.(...)
Die staatliche rumänische Eisenbahngesellschaft CFR will in diesem Jahr 10.300 von insgesamt rund 78.000 Beschäftigten abbauen. Einen entsprechender Gesetzesentwurf habe die Regierung in Bukarest ausgearbeitet, berichtete die rumänische Nachrichtenagentur Mediafax am Montag. Die freigestellten Bahnarbeiter sollen Abfindungen und 20 bis 24 Monate lang Zuschüsse zum Arbeitslosengeld erhalten.
Betroffen von der angekündigten Kündigungswelle sei sowohl der Güter- als auch der Personenverkehr auf der Schiene. Die Eisenbahner-Gewerkschaft protestierte gegen die geplanten Freistellungen und drohte mit Streik." (...)
der iwf ist also wie in alten zeiten dabei, sich in all den ländern, in denen er den menschen an die gurgel geht, äusserst beliebt zu machen. das wird wie üblich nicht ohne folgen bleiben.
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die während der krise bisher aufgetretenen widerstandsformen in frankreich - vom bossnapping über drohungen, besetzte fabriken in die luft zu jagen - haben nun ein weiteres pendant bekommen, welches von der fremd- zur autoaggression wechselt, alleine deswegen bereits unakzeptabel ist und auch keine origonäre krisenerscheinung ist, sondern bereits davor im ganz normalen kapitasitischen geschäft zu beobachten war. inzwischen aber mit zunehmender tendenz, lassen sich diesuizidevon französischen arbeiterInnen als beleg für die gefühlte ausweglosigkeit ansehen, in die der kapitalismus als ganzes inzwischen gesteuert ist:
(...) "In den vergangenen 18 Monaten kam es zu 24 Selbstmorden in der Belegschaft des Ex-Monopolisten, acht davon allein seit Anfang Juli. Gewerkschaftler prangern Stress und schlechten Führungsstil an, die Konzernleitung wies jede Verantwortung aber lange von sich. (...)
Die Suizidfälle beschränken sich allerdings nicht nur auf France Télécom, wo man alle Umstrukturierungsmaßnahmen bis Ende Oktober gestoppt hat und, nach Worten Lombards, nach einem neuen "contrat social" für das Unternehmen sucht. Eine beunruhigende Anzahl von Selbsttötungen, die entweder am Arbeitsplatz stattfanden oder mit Verhältnissen am Arbeitsplatz verbunden wurden, gab es in der Vergangenheit auch von Peugeot und Renault und vom Atomkonzern Areva zu berichten. (...)
Es scheint tatsächlich, als seien die Mittel des herkömmlichen Arbeitskampfes erschöpft, als gelänge es frustrierten Arbeitnehmern immer seltener, eine tragfähige Form des Protests zu organisieren. Die "Politik der Straße", die auf bevölkerungsweite Solidarität setzte und mit deren Hilfe kleine Interessengruppen in der Lage waren, die Gesamtgesellschaft gegen Sozialabbau zu mobilisieren, hat möglicherweise ihre Kraft verloren.(...)
Es bleibt abzuwarten, ob sich die politische Kultur in Frankreich derart gewandelt hat, dass Proteste in immer kleineren, verzweifelteren und zugleich gewalttätigeren Formen verharren müssen. Mit der Globalisierung und der "Krise" scheinen höhere Mächte über die nationalen Volkswirtschaften gekommen zu sein, denen das (Arbeits-)Volk scheinbar ohnmächtig gegenübersteht." (...)
das erinnert mich spontan etwas an die hiesigen"hartz IV"-totenund tatsächlich lassen sich in beiden fällen die ursachen in verschiedenen ausdrucksformen ein und desselben regimes verorten. wie lange wollen die leute eigentlich noch auf die fassade dieses tödlichen systems hereinfallen?
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in aller kürze - das krisentelegramm + neueschlagzeilenaus dem baltikum: "Frühwarnindikatoren deuten zudem auf eine bevorstehende Währungskrise in Lettland hin. Eine Abwertung würde zwar die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessern, aber aufgrund des hohen Anteils der in Fremdwährungen ausgereichten Kredite zu großen Kreditausfällen im Inland führen. Nicht zuletzt könnte es durch eine starke Abwertung der lettischen Währung zu einer Kettenreaktion kommen. So könnten zum Beispiel die Probleme der lettischen Banken über die schwedischen Mutterbanken in die anderen baltischen Länder übertragen werden." ich bin ja hinsichtlich unserer aller perspektiven inzwischen ebenfalls bei der alternative angelangt, dass uns entweder eine längere phase des langsamen verfalls und auch der gewöhnung an eben diesen ins hasu stehen, oder aber - wie oben im geab skizziert - ein kollapsartiges ende zunächst des finanzsystems sehr plötzlich und überraschend eintritt, so wie fast schon im oktober letzten jahres, als es bereits haarscharf gewesen ist. ein solches szenarion wie oben könnte dabei durchaus als auslöser für letzteres fungieren + schlagzeilen aus der ukraine:"Konjunktureinbruch, Abwertung der Währung, extreme Staatsverschuldung" - also wie fast überall. nur noch offensichtlich ein bisschen schlimmer + auch - oder gerade - der globaletourismuskommt natürlich nicht ungeschoren davon: "Die Wirtschaftskrise und die Schweinegrippe lassen den globalen Tourismus gemäss der Welttourismusorganisation UNWTO im laufenden Jahr um bis zu 6 Prozent schrumpfen. Damit fällt der erste Rückgang in der Branche seit 2003 schlimmer aus als zunächst befürchtet, wie die UNWTO aus Anlass ihrer Hauptversammlung in der kasachischen Hauptstadt Astana mitteilte. Zum Jahresbeginn hatte die Organisation den Rückgang noch auf maximal 2 Prozent geschätzt. Es gebe aber für das nächste Jahr begründete Hoffnung auf eine Erholung, hiess es." also scheinen die dort zuständigen funktionäre genauso merkbefreit zu sein wie ihre kollegen aus anderen bereichen *umpfh* im übrigen müssen die derzeitigen formen des tourismus eh auf den prüfstand, auch unabhängig von der krise + man betrachte sichspanienund erhalte einen eindruck von dem, was bald auch in anderen eu-staaten angesagt sein wird + zum alten bekannten, dem baltic dry index, mal ein blick aus der perspektive vonrohstoffzockern: "Während die Lagervorräte an Rohstoffen steigen, sinken die Frachtraten. So haben die Ölbestände in den letzten zwölf Monaten um 15 Prozent zugenommen. Hingegen hat der Baltic Dry Index, ein Barometer für die Rohstoffnachfrage, im dritten Quartal um 41 Prozent nachgegeben. Diese Entwicklungen sprechen dafür, dass die Preise wohl bald fallen dürften.
"Wir sind bei Rohstoffpositionen ausgestiegen und haben die Barpositionen erhöht", berichtet Peter Sorrentino, Fondsmanger bei Huntington Asset Advisors, der den Preisrückgang bei Rohstoffen im vergangenen Jahr korrekt prognostiziert hat. "Die Leute waren so begeistert, dass das Wirtschaftswachstum zurückkehrt. Aber jetzt ist sich keiner mehr so sicher, wie stark die Dynamik der Erholung sein wird." tja + das allerletzte ist heute mal ganz im chronologischen sinne zu verstehen: einmal wäre da dieser aktuellesachverhalt - "Der Goldpreis steigt heute auf ein neues Jahreshoch mit 1026 Dollar, er spiegelt eventuell bereits die beginnende Flucht der immensen Buchgelder, vor allem aus dem Dollar, in ein schuldenfreies Asset wider.", der vielleicht etwas mit einer meldung zu tun haben könnte, die seit heute vormittag über dietickerläuft: "Wie die Tageszeitung "The Independent" berichtet, haben die arabischen Golfstaaten geheime Gespräche mit China, Russland, Japan und Brasilien geführt. Die US-Währung solle im Ölhandel als Zahlungsmittel durch einen Währungs- und Rohstoffkorb ersetzt werden." von saudi-arabien inzwischen zwar dementiert (von denen nicht anders zu erwarten), ist das eine potenzielle bombe für die usa. auch dieser oktober scheint schon wieder spannend zu werden...+