heute drei ergänzungen bzw. updates in dieser rubrik:
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im februar letzten jahres hatte ich unter dem titeles gibt systemkrise, baby!den versuch unternommen, krisenmodelle grundsätzlicherer art aus verschiedenen ecken zusammenzutragen und näher zu beleuchten. sehr passend dazu und mehr als ergänzend bin ich vor einiger zeit auf einen vortrag von christian schütze gestossen, der sich unter dem titelPerspektiven, Risiken und Grenzen des gegenwärtigen exponentiellen Wachstums aus der Sicht der Naturwissenschaften, der Ökologie und der Systemtheorie. Das Grundgesetz vom Niedergang – Ruiniert Arbeit die Welt?mit einem unüberwindlichen physikalischen hindernis für alle technokratischen versuche beschäftigt, dass auf exponentiellem wachstum beruhende system des von fossilen brennstoffen betriebenen industriellen kapitalismus irgendwie zu retten. der kernbegriff, um den schützes gedanken kreisen, heisst entropie, und dieser begriff ist untrennbar mit dem zweiten hauptsatz der thermodynamik verbunden. was das alles genau bedeutet und was dieses physikalische gesetz mit der heutigen art der kapitalistischen ökonomie zu tun hat, wird teils sehr anschaulich und gut nachvollziehbar im vortrag erläutert. sechzehn seiten lese- und gedankenfutter, die sich gerade an einem verregneten sonntagnachmittag sehr lohnen.
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aus dem italien des berlusconi gab es in den letzten jahren immer neue beunruhigende botschaften zu vernehmen; so zb.solcheundsolche. und das das keine zerrbilder darstellen, sondern berlusconi tatsächlich genau so gefährlich ist, wie es die verlinkten beiträge nahelegen, machte vergangene woche die folgendemeldungdeutlich:
(...) "Unter lautstarken Protesten genehmigte der Senat Mittwochabend ein Gesetz, das den italienischen Premier und seine Minister zur Ausübung ihrer Amtsgeschäfte für eineinhalb Jahre vor gerichtlicher Verfolgung schützt. Damit werden die gegen Silvio Berlusconi laufenden Gerichtsverfahren bis Herbst 2011 ausgesetzt. Dank Verjährungsfrist ist eine rechtskräftige Verurteilung des Premiers damit faktisch unmöglich." (...)
das passt ebenso nahtlos ins bisherige bild wie das wiederholte schweigen anderer eu-regierungen zu diesem treiben. und auch die hiesigen medien schweigen lieber, was ebenfalls für die gestrigegroßdemonstration in romgilt:
(...) "Rund 200.000 Menschen haben sich laut den Organisatoren am Samstagnachmittag in Rom an der Protestkundgebung gegen ein umstrittenes Dekret von Regierungschef Silvio Berlusconi beteiligt, mit dem seine von den Regionalwahlen am 28. und 29. März ausgeschlossene Wahlliste wieder zugelassen werden soll. Die Polizei zählte 30.000 Teilnehmer. "Hier ist das Italien versammelt, das eine Alternative zu dieser Regierung verlangt", betonte Oppositionschef Pierluigi Bersani in seiner Ansprache auf der zentralen Piazza del Popolo im Herzen der Ewigen Stadt." (...)
wenn sich italien in absehbarer zeit ökonomisch in einer sehr ähnlichen lage wie griechenland wiederfinden wird, wird schlimmstenfalls zu sehen sein, wie sich all das sammelsurium von autoritären bis offen faschistoiden und präfaschistischen regierungsoffiziellen machenschaften in einer offenen krise auswirken wird. vielleicht ist das schweigen der übrigen europäischen regierungen vor diesem hintergrund auch am besten verständlich: wollen die sehen, wie sich eine "politik" àla berlusconi innerhalb einer sozialen krise "bewährt"? eine art feldversuch?
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die diskussionen rund um denanthropogenen klimawandelsind weder hier noch anderswo abgeschlossen und werden uns auch zukünftig begleiten. in diesem zusammenhang sei hier noch der hinweis auf eine interessantetv-diskussionnachgetragen, in der sich vor dem hintergrund des gerade ausklingenden winters klimawissenschaftler und sog. skeptiker konfrontieren - tipp!
leider erst sehr kurz vor dem termin erreichte mich heute eine mail mit dem hinweis auf eine veranstaltung der rosa-luxemburg-stiftung in düsseldorf, die unter dem obigen motto steht - ich werde die aus diversen gründen nicht besuchen können, aber vielleicht gibt es ja leserInnen, die sich kurz entschlossen für einen informativen samstag entscheiden - hier ein paardetails:
"Die Konferenz hat zum Ziel, den Zusammenhang von Kapitalismus im Allgemeinen und Neoliberalismus im Besonderen und die daraus folgenden psychosozial destruktiven Auswirkungen zu beleuchten. Das Expertenwissen von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen, von Betroffenen sowie sozialverantwortlich Tätigen soll in drei Podiumsdiskussionen hierzu genutzt werden. (...)
Die eintägige wissenschaftlich-politische Konferenz thematisiert die Mechanismen psychosozialer Destruktion im Neoliberalismus und versucht, Zusammenhänge zwischen aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen und biopsychischen Funktionen Betroffener herzustellen, von dem psychischen Erleben und Befinden über Restriktionen der Handlungsfähigkeit bis hin zu basalen neurobiologischen Funktionen und Strukturen.
Es sollen im Kreise von Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen (Psychologie, Philosophie, Sprachwissenschaften, Neurobiologie, Psychiatrie Erfahrene, Hartz IV-Betroffene, Sozialverbände, Politik) biopsychische Veränderungsprozesse unter den gegebenen Herrschaftsbedingungen kritisch diskutiert und Möglichkeiten des Widerstandes und der Entwicklung von Gegenstrategien aufgezeigt werden."(...)
die drei podien befassen sich mit folgenden inhalten:
"Psychosoziale Destruktion im Neoliberalismus: die Dialektik von Subjekt und Objekt im biopsychischen Produktionsprozess
Ansatz der Kritischen Psychologie; wie Herrschaftssprache und Herrschaftsdenken in unsere Köpfe kommen
Psychosoziale Stressoren und Psychotrauma aus klinischer und neurobiologischer Perspektive
Möglichkeiten des Widerstandes: die Rolle von Sozialverbänden, Betroffenenorganisationen und Politik"
aus meiner perspektive überfällige fragestellungen; und sehr begrüßenswert, dass sich endlich "professionell" mit psychotraumatologie beschäftigte aus den bereichen psychiatrie, psychologie und auch der (relationalen) psychoanalyse an öffentlich-politischen diskussionen aus ihrer perspektive beteiligen - es gibt eigentlich keine relevanten gesellschaftlichen krisen- und konfliktbereiche, die ohne bezug auf unsere psychophysische struktur auch nur ansatzweise wirklich verständlich sind.
im ersten podium sitzt übrigens ein vertreter der relationalen psychoanalyse und mitautor des buches"solidarisch mensch werden", welches sich ausführlich mit den fragestellungen der veranstaltung beschäftigt.
alle angaben zu ort und zeiten sind im ersten link oben enthalten - ja, und die veranstaltung ist kostenfrei.
ergänzend zur gestrigenbeitragsreihemöchte ich schon mal im vorlauf auf diesen termin hinweisen und auszugsweise einen der kursierendenaufrufezitieren - diesen besonders, weil ich finde, dass er das ganze ausmaß dessen, worum es geht, wirklich gut benennt:
"Wir wollen ein Zeichen setzen. Wollen klarmachen, dass die Zeit des Stillhaltens vorbei ist !
Wir lassen uns nicht länger veralbern !
Ehemalige Heimkinder
Ehemalige Schulkinder
Ehemalige Jugendliche
klagen an !
Wir klagen an
weil wir geschlagen wurden
weil wir zwangsgefüttert wurden
weil wir sexuell missbraucht wurden
weil wir gefoltert wurden
weil wir in dunklen Kellerzimmern eingesperrt wurden
weil wir seelisch zu Grunde gerichtet wurden
weil wir isoliert wurden
weil wir unzureichend ausgebildet wurden
weil wir zu Zwangsarbeit gezwungen wurden
weil man Hunde auf uns hetzte
weil man uns aufeinander hetzte und uns für gegenseitige Misshandlungen lobte
weil man uns von unseren Geschwistern trennte
weil man uns in die Kirche zwang
weil uns ehemalige KZ-Aufseher erziehen sollten
weil man uns medizinische Hilfe versagte
weil man uns sogar in den letzten 4 Jahren immer beleidigte und die Gewalt und Verbrechen an uns leugnete oder verniedlichte
Wir klagen an
die heute noch lebenden Verbrecher, die unser Leben zerstört haben
die Katholische Kirche, die die Verbrechen unter Ihrem Dach duldete
die Evangelische Kirche, die ebenfalls die Augen fest zudrückte
die staatlichen Heimträger, die ebenso Verbrechen duldeten oder übersahen und die Akten fälschten
die Landschaftsverbände, die mit Ihren Landesjugendämtern die Aufsichtspflicht nicht ausgeführt hatte
die Kommunalverwaltungen, weil sie nicht sehen und hören und schon gar nicht sprechen wollten, wenn sie doch mit den Verbrechen konfrontiert wurden
die Menschen, die unser Leid sahen und feige schwiegen
Wir fordern
Entschädigung
Entschuldigung
Rentennachzahlungen
Schmerzensgeld
Kostenübernahme für medizinische und psychologische Maßnahmen
ein Lebensende in Würde ohne Angst vor weiterer Gewalt im Altenheim"
bereits seit dem letzten jahr liegt die geforderte höhe derentschädigung auf dem (runden) tisch:
"Sie wurden erniedrigt, geschlagen und zu Schwerstarbeit gezwungen - und das vor allem in kirchlichen Einrichtungen im Deutschland der fünfziger und sechziger Jahre. Jetzt fordern die Mitglieder des Vereins ehemaliger Heimkinder ein Entschädigung von 25 Milliarden Euro. (...)
"Auch wenn die Forderung auf den ersten Blick hoch erscheint, ist sie angesichts der großen Zahl der Betroffenen und der Schwere des erlittenen Unrechts, das ganze Biografien zerstört hat, maßvoll", erklärte VEH-Anwalt Gerrit Wilmans. "Auch im internationalen Vergleich liegt die Forderung bezogen auf den Einzelfall absolut im Schnitt." Die VEH-Vorsitzende Monika Tschapek-Güntner erklärte: "Jede dieser Taten ist eines zivilisierten Staates unwürdig und ist gleichermaßen zu entschädigen, unabhängig davon, wo sie geschehen ist."
Die Entschädigung soll dem VEH zufolge nicht vorwiegend vom Steuerzahler getragen werden. Verantwortlich seien in erster Linie die meist kirchlichen Heimträger sowie die beteiligten Betriebe, die von der Zwangsarbeit profitiert hätten.
Der VEH fordert neben der Entschädigung auch einen rentenversicherungsrechtlichen Ausgleich für die Zwangsarbeit sowie sofortige Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Behandlung der Traumata, unter denen viele ehemalige Heimkinder leiden." (...)
eine völlig berechtigte forderung, wenn man sich die hunderttausende von betroffenen betrachtet, von deren zwangsarbeit kirchen und private betriebe profitierten - und dazu kommt der aspekt, dass geld für ein zerstörtes leben wenig mehr als ein trostpflaster darstellt. gerade die kirchen könnten hier mal einiges von ihrem vermögen wirklich menschenfreudlich anlegen...
hiergibt es ein aufruf-flugblatt als .pdf zum download. und folgend noch einige seiten bzw. blogs von ehemaligen heimkindern:
4. vor den im letzten beitrag geschilderten hintergründen wird vielleicht deutlich, warum ich bspw. die diskussion um das sog. zölibat in der katholischen kirche für nicht weitreichend genug halte - das zölibat sowie die spezifisch ideologischen inhalte der sekte - strafender gott, die konzepte von schuld, sühne, büße etc. - werden mit einiger wahrscheinlichkeit innerhalb des rahmens von totalen institutionen die verhältnisse nochmals verschärfen / brutalisieren, spezifisch ausformen und vielleicht auch für die auffällige menge sexualisierter gewalt innerhalb kirchlicher gemäuer mitverantwortlich sein, ursächlich jedoch - und dafür reicht ein blick auf und in andere totale institutionen mit anderem ideologischen background - scheinen sie mir nicht im zentrum zu stehen.
5. ich muss selbst sagen, dass mir die ganze mögliche tragweite der geschichte derehemaligen heimkinder der alten brdtrotz sporadischer beschäftigung bis dato nie so recht deutlich geworden ist. die beiträge jetzt dienen auch für mich dazu, diesbezgl. bildungslücken zu beseitigen und ein gefühl für die realität dieses - ja, nennen wir es ruhig terrorsystems, zu erhalten. und womöglich müssen im weiteren verlauf sowohl die offizielle geschichte der alten brd als auch ihr selbstbild stark korrigiert werden - die folgende geschichte jedenfalls hat mich zum staunen gebracht -der aufstand von glückstadt:
(...) "Erst seit wenigen Jahren interessiert sich die Öffentlichkeit überhaupt für das Schicksal von Heimkindern in der Bundesrepublik der fünfziger und sechziger Jahre. Seit Februar 2009 beschäftigt sich auf Initiative des Bundestags sogar ein „Runder Tisch Heimkinder“ mit dem Thema. Frühere Heiminsassen verlangen vehement Aufklärung über das geschehene Unrecht. Eine Einrichtung im schleswig-holsteinischen Glückstadt tat sich in dieser Hinsicht besonders hervor. Vor genau 40 Jahren, in der Nacht vom 7. zum 8. Mai 1969, gab es dort einen Aufstand von Heimzöglingen, der möglicherweise sogar mit Hilfe von Marinesoldaten niedergeschlagen wurde. Unter den rebellierenden Jugendlichen, die als Strafe teilweise KZ-Kleidung tragen mussten, war auch der spätere RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock. (...)
Seit dem 1. April 1951 nannte sich die Einrichtung Landesfürsorgeheim, in das Jugendliche und junge entmündigte Erwachsene beiderlei Geschlechts eingewiesen werden konnten. Aus Mangel an geeignetem Personal griff man in dieser Zeit auch auf „vorbelastete“ Beschäftigte aus der NS-Zeit zurück. Das haben Nachforschungen der Heiminsassen beim United States Holocaust Memorial Museum in Washington ergeben. Die Besserungsanstalt war daher eher vom Charakter des Verwahrens und Wegschließens als von einer pädagogischen Erziehung geprägt. Und alle Heimzöglinge wurden zudem zu Zwangsarbeiten herangezogen. Verweigerung und Widerstand wurden mit Isolationshaft und Schlägen gemaßregelt. (...)
Der heute 57-jährige Otto Behnck aus dem schleswig-holsteinischen Schwedeneck, der im Herbst 1970 für drei Monate nach Glückstadt eingewiesen wurde, sagt rückblickend: „Man wollte uns brechen.“ Der in Kiel lebende Frank Leesemann (54) war als Jugendlicher von September 1969 bis Mitte 1971 in Glückstadt. Dort schlief er noch auf einer Matratze mit Reichsadler und Hakenkreuz. In der Kleiderkammer fiel ihm grau-weiß gestreifte Kleidung des ehemaligen NS-Arbeitslagers auf. Nach einem ersten von insgesamt über 20 Ausbruchsversuchen bekam er ein KZ-Hemd mit rotem Winkel und der Aufschrift „Außenkommando“ verpasst. Bei seiner Entlassung ließ er seine Karteikarte mitgehen, auf der das Wort Arbeitserziehungslager per Hand in Landesfürsorgeheim verändert wurde, aus „Häftling“ wurde „Zögling“, aus dem „Lagerkommandanten“ der „Heimleiter“.
Angesichts der Erzählungen von ehemaligen Heiminsassen in Glückstadt, die von Drill und Drangsalierung, von sexuellen Übergriffen und Misshandlungen berichten, die sich ausgebeutet und zum Teil um Jahre ihrer Jugend beraubt fühlen, versteht man Ulrike Meinhofs Frage in ihrem 1971 veröffentlichten Buch Bambule nach der „Fürsorge – Sorge für wen?“. Es handelte sich dabei nicht nur um Einzelschicksale, sondern um ein gesellschaftliches Phänomen, das rund 800.000 Kinder und Jugendliche betraf - mit zum Teil psychischen Folgen bis zum heutigen Tag." (...)
es sind schlicht faschistische kontinuitäten, die sichtbar werden - und zwar in sehr deutlicher offenheit, was für andere bereiche in der brd, die eher im öffentlichen licht waren und sind, nicht in dieser art zutraf - dort war zur beruhigung des publikums mehr demokratiesimulation angesagt. heimkinder hingegen? uninteressante schicksale.
all das mehr als gute gründe für eine massive revolte:
(...) "Der Auslöser des Aufstandes war dabei eher banal. Später hieß es, dass Päckchen, die den Zöglingen von Familienangehörigen zugeschickt wurden, nicht ausgehändigt worden seien. (...)
Die in Haus 1 und 2 untergebrachten 80 Heimzöglinge zündeten Matratzen und Kleidungsstücke an, rissen sanitäre Anlagen aus den Wänden, zertrümmerten Fenster wie Möbel und attackierten das Heimpersonal. Einer der Rebellierenden war der damals 17-jährige Peter-Jürgen Boock, der nach der Heimrevolte in das hessische Jugendhaus von Rengshausen verlegt wurde. Dort kam er unter anderem mit Andreas Baader und Gudrun Ensslin in Kontakt, die sich wie Meinhof für die Interessen von Heiminsassen einsetzten, und fand kurze Zeit später Unterschlupf in deren WG, ehe er selbst zum Terroristen der zweiten Generation wurde." (...)
und jetzt kommt etwas, was sich bei einer verifikation nur als echter hammer bezeichnen ließe, der die mythen der alten brd ordentlich mit rissen versehen könnte:
"Brisant im Zusammenhang mit der Glückstädter Heimrevolte sind die Aussagen des gelernten Rohrschlossers Gerd Meyer aus Schleswig. Dieser war als damaliger Zögling Augenzeuge. Der heute 57-Jährige beteuert, gesehen zu haben, wie in Glückstadt stationierte Marinesoldaten im Innenhof vorfuhren und unter Einsatz von Tränengas den Aufstand niederschlugen. „Ich kannte doch den Unterschied von Polizei- und Bundeswehruniformen, von Polizei- und Militärfahrzeugen“, sagt Meyer. Auch Boock hatte bereits auf den verfassungswidrigen Bundeswehreinsatz hingewiesen, doch wollte man ihm keinen Glauben schenken. Im Bericht des damaligen Heimleiters Walter Blank hieß es dagegen, nur 20 Heiminsassen hätten sich an den Aktionen beteiligt und man habe noch bevor die gerufene Polizei und Feuerwehr eingreifen mussten, die Lage wieder in den Griff bekommen." (...)
warum ich das gleichfalls in mehrfacher hinsicht brisant finde, erzähle ich gleich - vorher aber noch zu weiteren folgen des aufstands:
"Als einen von zwei verantwortlichen Rädelsführern benannte Oberamtmann Blank Harry Radunz, der am 31. Mai 1969 erhängt in seiner Arrestzelle aufgefunden wurde. In der Folge häufen sich kritische Zeitungsberichte über die Zustände in Glückstadt. Die Nordwoche titelte etwa „Terror im Erziehungsheim“ und „Methoden aus dem Mittelalter“. Sogar im Kieler Landtag wurde daraufhin über Glückstadt gestritten – am Ende zunächst ohne Folgen. Das anfangs stets mit 140 Zöglingen belegte Heim wurde erst wegen rückläufiger Zahlen zum 31. Dezember 1974 geschlossen.
Heute weiß man von diversen als Suizide registrierten Todesfällen." (...)
wenn man sich also dieses gesamte szenario so betrachtet - die offene nazi-kontinuität mit aller brutalität, die vielen todesfälle, den möglichen bundeswehreinsatz gegen kinder - und dazu die namen ulrike meinhof und peter-jürgen boock liest, so stellen sich im hinblick auf die raf einige zumindest für mich ganz neue fragen.
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fragen bspw. solcher art: besitzt die bis heute immer als "abstrus" bezeichnete wahrnehmung der ersten raf-generation von der brd als quasi-faschistischem staat in den realen erfahrungen ihrer ersten beiden (gründungs-)generationen ihre eigentliche basis?
denn diese beiden ersten "terroristischen" "generationen" setzten sich zu einem großteil aus menschen zusammen, die entweder am eigenen leib - bspw. der schon genannte peter-jürgen boock,stefan wisniewskioder auchinge viett(bewegung 2. juni),unmittelbare persönliche erfahrungen mit dem heimsystem der brd hatten oder aber, wie bspw. ulrike meinhof als journalistin, nach intensiven recherchen von diesen zuständen in den heimen wussten.
und es gibt aber noch ein zweite art der totalen institution, die zur quelle späterer raf-mitgliedschaften wurde: die psychiatrie. hier heisst das stichwortsozialistisches patientenkollektiv:
"Einige Mitglieder des SPK wechselten (...) zur RAF, darunter Klaus Jünschke, Margrit Schiller, Lutz Taufer, Bernhard Rössner, Hanna Krabbe und Siegfried Hausner, Elisabeth von Dyck, Ralf Baptist Friedrich, Sieglinde Hofmann und mutmaßlich Friederike Krabbe."
wer die zustände in der bundesdeutschen psychiatrie ende der 1960er jahre kennt, kann etliche strukturelle gemeinsamkeiten mit der situation in den heimen entdecken. auch das dürfte für einige der raf-mitglieder, die nicht alle als patientInnen ins spk kamen, eine sehr prägende lektion gewesen sein.
und vor diesem hintergrund wird die raf-spezifische wahrnehmung des staates brd durchaus nachvollziehbarer, wie ich finde - ebenso wie die täter-opfer-dialektik es verständlicher machen kann, warum betroffene aus den totalen institutionen militant zurückschlugen gegen einen staat, der ihnen aus eigenem erleben tatsächlich mit einer faschistischen fratze begegnete.
beide aspekte halte ich zumindest für diskussionswürdig.
2. die arten und formen der gewalt gegen kinder und jugendliche, die gerade besonders innerhalb institutioneller rahmen sichtbar werden, stellen meiner meinung nach keinesfalls alleine ein problem der katholischen kirche dar; andererseits ist es auch nicht zufällig, dass sich gerade diese sekte international mit derart verbreiteten gewaltstrukturen innerhalb der eigenen reihen konfrontiert sieht. das sich aktuell inzwischen mindestens auch einenichtkonfessionelle, ja sogar wg. ihres reformpädagogischen ansatzes ausgezeichnete "eliteschule" mit ihrer innerstrukturellen gewalt beschäftigen muss, unterstreicht allerdings nachdrücklich, dass hier der zipfel von etwas gelüftet worden ist, was - eigentlich schon lange erkennbar - nicht nur diese gesellschaft hier in ihrem umgang mit kindern und jugendlichen seit jahrhunderten tiefgreifend und destruktiv prägt.
ich fürchte, das, was wir gerade sehen müssen, ist eine späte ausdrucksform dessen, was bspw. alice miller seit jahrzehnten beschreibt und lloyd deMause in der extremsten erscheinungsform alsinfantizidbezeichnet. und ich glaube, dass wir hier sozusagen "nur" das institutionelle komplementär zu all den fällen von schwerer bis tödlicher gewalt und vernachlässigung gegen kinder sehen, die in den letzten jahren unter namen wiekevin, jessicaund zu vielen anderen auch hier im blog immer wieder thema waren. die zu starke konzentration auf die katholische kirche alleine - auch, wenn dieser verein völlig berechtigt im kreuzfeuer steht - birgt durchaus die gefahr, dass sich die restgesellschaft hier selbst entlastet. etwas, was wir im ureigensten interesse nicht durchgehen lassen dürfen.
3. wer sich schon mal näher mit den (historischen) formen militärischen drills beschäftigt hat (empfehlenswert hierzu immer noch die "männerphantasien" von theweleit, siehe literaturliste), wird zwischen einigen der jetzt bekannt gewordenenpraktikenbesonders aus religiösen heimen und dem umgang gedrillter männergruppen untereinander durchaus gemeinsamkeiten erkennen können:
(...) "So berichtete ein Opfer, in den 60er-Jahren seien Übergriffe bis hin zur Prügelstrafe "tägliche Praxis" gewesen. Diese Übergriffe seien "vollkommen offen praktiziert" worden. Ein anderer Ex-Schüler bezeichnete die früheren Verhältnisse in der Schule als "absoluten Terror". Im Schlafsaal habe es Ohrfeigen für alle Schüler gegeben als Strafe dafür, dass zuvor einer von ihnen etwas gesagt habe. Eine andere Methode sei gewesen, zwei Nachtkästchen zusammenzurücken und zwei Schüler sich daraufstellen zu lassen, die sich gegenseitig ohrfeigen mussten. Wer zuerst herunterfiel, hatte verloren. Andere berichteten von Stockschlägen auf den Rücken, Kopfnüssen und Schlägen mit der flachen Hand." (...)
das gegenseitig-demütigen lassen, die bestrafung aller für das "vergehen" eines einzelnen, der ständige - offene - ein- und übergriff auf die psychophyische unversehrtheit - all das sind genau die gleichen techniken, mittels derer rekruten bis heute in vielen armeen zu soldaten verwandelt werden sollen. drill bedeutet im prinzip nichts weiter als ein set von ausgesuchten an- und übergriffen sowie kontrolliert-impulsiven demütigungen, mittels derer traumatische effekte erzielt werden, die dann von der jeweiligen institution benutzt werden können, um die gebrochene persönlichkeit in ihrem sinne neu zusammenzusetzen. in einer kaum zu übertreffenden klarheit hat das stanley kubrick in der quälend langen ersten stunde seines films "full metal jacket" am beispiel der (authentischen) nachstellung des drills bei den us-marines exemplarisch vorgeführt. man könnte auch sagen: eine schockstrategie für individuen. im rahmen der katholischen kirche mit dem vermutlichen ziel, "gottesfürchtige, anständige unddemütige" menschen zu produzieren - also von zwängen und ängsten geplagte, traumatisierte, lenkbare und autoritätshörige untertanen.
die geschilderten praktiken erinnern nicht zufällig auch an die sporadisch öffentlich werdenden "rituale" von bundeswehrrekruten bzw. ihren unmittelbaren vorgesetzten, und sie erinnern gleichfalls nicht zufällig an die zustände in einer anderen - erzstaatlichen - institution, nämlichgefängnisse:
(...) "Doch insbesondere für Jugendliche sei die Zeit im Gefängnis hart. "Sie müssen sich behaupten, sonst gehen sie unter", sagt der Psychologe. Jugendliche versuchten, Macht über Schwächere auszuüben, so bildeten sich Hierarchien. "Sprichwörtlich" sei es, jemanden zu zwingen, den Kopf in die Kloschüssel zu stecken.
Auch "Abzocke" sei üblich: Gefangene drohen demnach anderen damit, dass sie etwas "auf die Schnauze" bekommen, wenn sie etwa keinen Tabak abgäben oder sich weigerten, "Dienstleistungen" auszuüben, wie beispielsweise die Zelle zu putzen. All das gehöre zur Subkultur. Auch Vergewaltigungen seien keine Einzelfälle." (...)
kurz: es gibt natürlich einige, eher formale und oberflächliche unterschiede zwischen (kirchlichen) heimen, kasernen und knästen - aber ihre strukturellen gemeinsamkeiten sind schon bei einem kurzen blick unübersehbar, und es sind nichts anderes als die gemeinsamkeitentotaler institutionen:
"Neben Strafanstalten und Untersuchungshaftanstalten rechnet man dazu auch psychiatrische Anstalten, Kasernen, Arbeitslager, Internate, Schiffe, Altersheime etc. (...)
Eine totale Institution weist nach Goffman folgende Merkmale auf:
1. Totale Institutionen sind allumfassend. Das Leben aller Mitglieder findet nur an dieser einzigen Stelle statt und sie sind einer einzigen zentralen Autorität unterworfen.
2. Die Mitglieder der Institution führen ihre alltägliche Arbeit in unmittelbarer (formeller) Gesellschaft und (informaler) Gemeinschaft ihrer Schicksalsgefährten aus.
3. Alle Tätigkeiten und sonstigen Lebensäußerungen sind exakt geplant und ihre Abfolge wird durch explizite Regeln und durch einen Stab von Funktionären vorgeschrieben.
4. Die verschiedenen Tätigkeiten und Lebensäußerungen sind in einem einzigen rationalen Plan vereinigt, der dazu dient, die offiziellen Ziele der Institution zu erreichen.
Zu ergänzen ist dies noch um einen weiteren 5. Punkt, den Goffman in seiner Aufzählung zunächst nicht nennt, dann aber im weiteren Verlauf seiner Erörterungen als "zentrales Faktum" totaler Institutionen bezeichnet. Das Funktionieren der totalen Institution erfordert die Handhabung einer Reihe von menschlichen Bedürfnissen durch die bürokratische Organisation ganzer Gruppen von Menschen, aus der automatisch eine Trennung zwischen Verwaltern (dem Personal) und Verwalteten (den Insassen) entsteht. (...)
Goffman hat den Begriff idealtypisch gebraucht. Er hat das Konstrukt "totale Institution" an der Gefängnisähnlichkeit festgemacht. Der eigentliche Witz der Begriffsbildung besteht darin, dass man die von Goffman am Beispiel der Gefängnisse herausgearbeiteten Merkmale auch an anderen sozialen Institutionen nachweisen kann, die auf den ersten Blick wenig oder gar nichts mit Gefängnissen gemein haben (Psychiatrische Anstalten, offene Anstalten, Schiffe, Schulen, ja sogar Familien). Dieser Blickwinkel gestattet es, gerade an den als normal geltenden Institutionen das Gefängnisartige zu erkennen." (...)
die hinzunahme von familien mag zuerst befremdlich erscheinen, aber wenn man sich die abhängigkeiten von kindern gerade in dysfunktionalen familien mit gewaltstrukturen betrachtet, befinden sie sich durchaus im status eines insassen in einer totalen institution. auch der entführer der zur traurigen berühmtheit gewordenen natascha kampusch hat in gewisser hinsicht speziell für sie das szenario einer totalen institution konstruiert bzw. sich selbst in der rolle installiert.
totale institutionen werden einerseits für bestrafung und abschreckung verwendet, andererseits dienen sie auch der kontrolle, korrektur, erziehung und regelmässig auch der elitebildung. sie stellen unverzichtbare elemente aller systeme dar, die auf struktureller gewalt und gesellschaftlichen hierarchien beruhen, arbeiten dafür zwangsweise wie dargestellt mit gewalttätigen ein- und übergriffen auf die psychophysis der ihnen ausgelieferten und sind vor allem als wahrhaft rechtsfreie räume anzusehen - die schlimmsten, die überhaupt vorstellbar sind (auch folterkeller und vernichtungslager zählen dazu). und sie sind wahre brutstätten für gewalt in allen formen, und zwar nicht als ausnahme, sondern als regel. sie funktionieren mittels mechanismen systematischer traumatisierung - kurz gesagt, sind sie in ihren bösartigsten formen einpsychotischer kosmos.
totale institutionen können sich, gerade in ihren relativ "zivilen" formen, wie schulen, altenheime, psychiatrischen kliniken etc. auch durchaus wandeln, d.h. je mehr transparenz und offenheit vorhanden ist, desto mehr kann das destruktive potenzial entschärft werden - allerdings verschwindet es niemals völlig, solange der strukturelle kern vorhanden ist, und kann bei anderen rahmenbedingungen auch wieder auftreten - interessanterweise können dazu auch umstrukturierungen gehören, die bspw. als privatisierung auftreten, hier dargestellt am beispiel der institutionalisiertenpsychiatrie:
(...) "Halts Maul", pflaumt der Stationsleiter den Patienten an. Als der psychisch kranke Mann nicht reagiert, sprüht er ihm Pflegeschaum - eigentlich zur Reinigung des Genitalbereichs gedacht - in den Mund. Was wie Szenen aus einer Neuverfilmung von "Einer flog übers Kuckucksnest" anmutet, spielte sich bis vor kurzem in einer der größten psychiatrischen Privatkliniken in Europa, dem Klinikum Wahrendorff bei Hannover ab.
Bekannt wurden die Praktiken auf der Station AST 2, einer geschlossenen Akutstation für Menschen ab 55, als Mitarbeiter anderer Bereiche dorthin versetzt wurden - und vor Entsetzen über die Zustände schleunigst wieder weg wollten. Nach ihren Berichten flößte Klaus W.*, seit 2004 Stationsleiter, schlafenden Patienten Flüssigkeit ein. Gesundheitliche Probleme, die bei einer Patientin daraufhin auftraten, kommentierte er lapidar, sie habe sich "verschluckt" und gehe deshalb "kaputt".
Andere zwang er unter Polizeigriff zur Einnahme von Medikamenten. Und auch die Körperpflege war für "lästige" Patienten kein Vergnügen: Sie wurden von Kopf bis Fuß mit Pflegeschaum eingesprüht, der jedoch nicht abgewaschen, sondern nur mit einem trockenen Tuch abgewischt wurde. Untergebene, die sein Verhalten kritisierten, soll er mit Druck und Drohungen zum Schweigen gebracht haben.
Die Leidenszeit auf der AST 2 hat nun ein Ende: Der Stationsleiter wurde vor die Tür gesetzt. Bis dato gibt es keinerlei Hinweise auf strafrechtliche Konsequenzen der Übergriffe.
Doch für negative Publicity sorgen nicht allein die Misshandlungsfälle. Die Klinik ist für stetig schlechter werdende Arbeitsbedingungen und kontinuierliche Attacken gegen gewerkschaftliche Strukturen bekannt. Kritiker sehen die aktuellen Misshandlungen als direkte Folge der Unternehmenspolitik: "Hier werden Vorgesetzte nicht nach Qualifikation ausgesucht, sondern danach, dass sie die Linie der Klinikleitung umsetzen", kommentiert ein Angestellter, der lieber anonym bleibt." (...)
auch hier finden wir wieder viele strukturelle gemeinsamkeiten mit den vorherigen beispielen, und eine weitere sei hervorgehoben: "Bis dato gibt es keinerlei Hinweise auf strafrechtliche Konsequenzen der Übergriffe."
staatliche repressionsorgane werden nicht von ungefähr regelmässig von apathie und lähmung befallen, wenn es darum geht, selbst schwere und schwerste gewaltdelikte in solchen institutionen zu verfolgen, und zwar nicht nur in staatlichen. das darf getrost als ausdruck davon verstanden werden, dass sie selbst - polizei und justiz - strukturell ähnlich organisiert sind bzw. solche institutionen selbst betreiben; und auch als ausdruck eines impliziten wissens, dass ohne solche institutionen im wahrsten sinne des wortes kein staat zu machen ist. es wird sehr interessant zu beobachten, ob der öffentliche druck für den staat aktuell groß genug werden wird, um einen zumindest ehemals tragenden systemteil, nämlich die institutionalisierte kirche, faktisch zu "opfern" - um den rest erhalten zu können.
weil aus meiner sicht in der öffentlichen berichterstattung zusehends mehr durcheinandergeschmissen bzw. vermischt wird, und deshalb bestimmte dinge eher vernebelt werden - hier ein mehrteiliger versuch der zumindest groben sortierung.
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1. zur sprache: in der medialen berichterstattung dominieren worte und begriffskombinationen wie "(sexueller) missbrauch", "kinderschänder", "sexskandal" und "pädophilie". ich halte die ersten drei begriffe allesamt für gleich in mehrfacher hinsicht sachlich falsch, sprachlich irreführend, inhaltlich verharmlosend und ausdrück bürgerlich-reaktionärer ideologie.
das wort "missbrauch" stammt in der schreibweise mit ß aus dem althochdeutschen und bedeutet "etwas falsch oder bösegebrauchen". das reichsstrafgesetzbuch von 1871 als erster (?) juristischer nachweis bezieht die strafrechtliche bedrohung primär auf den missbrauch "...einer in einem willenlosen oder bewußtlosen Zustande befindlichen, wie auch einer geisteskranken Frauensperson" (quelle ist der wikipediaartikel zum wort sowie verschiedene etymologische onlinelexika). missbrauch bezeichnet also im hiesigen historischen kontext den "falschen gebrauch" von "willen- und bewusstlosen" oder "geisteskranken" menschen, die in dieser bedeutung - anders lässt sich das beim besten willen nicht interpretieren - umstandslos den status einer sache, eines gegenstands oder dings zugewiesen bekommen.
nun liesse sich mit recht behaupten, dass das im besten falle die (sprachliche) wiederspiegelung der zwangsweise verdinglichenden wahrnehmung der täter darstellt - wenn man sich jedoch klar macht, dass im wort implizit auch die alternative des "richtigen gebrauches" steckt, so wird deutlich, das wir es hier eher mit dem relikt eines sehr alten patriarchalen denkmusters zu tun haben, in dem sowohl frauen als auch kinder nicht als "vollwertige" menschen, also als männer, gelten - die zuschreibungen mittels solcher attribute wie "willenlos" oder auch "geisteskrank" primär auf frauen bezogen enthalten eine ordentliche portion patriarchaler diskriminierungen, auch wenn sie scheinbar "nur" eine sachliche situationsbeschreibung darstellen. die kehrseite der medaille dieser patriarchalen tradition liegt übrigens darin, dass sich männliche betroffene sexualisierter gewalt bis heute auch wg. diesem aspekt in aller regel sehr schwer tun, sich als opfer zu begreifen - das hatte ich früher mal näher im verlaufdieses beitragesausgeführt. richtig krass wird der oben skizzierte hintergrund dann, wenn in schlagzeilen von "gewalt und missbrauch" die rede ist - inhaltlich wäre das "nur" doppelt gemoppelt, wenn darin nicht implizit auch die vorstellung mitschwingen würde, dass "missbrauch" irgendwie noch etwas anderes als gewalt sei, besonders mit dem attribut "sexuell". das ist aber nichts weiter als implizite verharmlosung.
"kinderschänder": das wort schande hängt etymologisch eng mit dem wort scham zusammen, und das ist dann schon der einzige, wenn auch bereits sehr an den haaren herbeigezogene, realistische bezug zum thema, weil scham für die betroffenen in der regel eine große rolle spielt. der "kinderschänder" bringt schande über das kind, was hier ebenfalls vergleichbar mit den zuschreibungen hinsichtlich "geschändeter" (= vergewaltigter) frauen ist. wenn man sich klar macht, dass schande ein synonym für den verlust der ehre darstellt, so wird deutlich, dass diese begriffswelt ebenfalls aus der oben skizzierten patriarchalen tradition stammt - diese sprachlichen konstrukte enthalten eine implizit sehr nachdrückliche zuschreibung von (mit-)schuld an die opfer (eine wahrscheinliche quelle für die real empfundene scham in vielen fällen); dazu wabert im hintergrund assoziativ der mythos von der sexuellen "verführungkraft" herum, die besonders von kindern ausgehe (und die dann angeblich ehrenwerte, "anständige" mannsbilder regelmässig überwältigt - eine denkfigur der täter-opfer-verdrehung, die sich aktuell in einigen der schlimmsten statements aus der katholischen kirche wiederfinden lässt). als letztes dann noch dazu die patriarchale wahnvorstellung vom ehr- als wertverlust - die vergewaltigten kinder (und frauen) sind nicht (mehr) "unberührt" (womöglich dank ihrer "verführungskraft"), haben also "schande" über sich (und ihre herren und besitzer) gebracht, die diese dann auch bis heute in offen patriarchalischen kulturen "sühnen müssen", damit die "ehre" des "herren" (oder auch der familie) wiederhergestellt sei - ein punkt, an dem sich besonders religionen mit patriarchalen göttern die hand reichen.
wer also bisher die begriffe "kinderschänder" oder auch "schändung" gedankenlos nachplapperte, sollte sich zukünftig etwas mehr darüber im klaren sein, in welche unheilvolle tradition er oder sie sich damit stellt.
"sexskandal": das wort ist in diesem zusammenhang für sich selbst ein skandal - einmal, weil damit regelmässig assoziationen verbunden sind, die ich hier nicht extra anführen möchte, die aber der brutalen realität in den heimen, internaten, schulen etc. völlig unangemessen sind. zweitens geht es regelmässig um gewalt, und nicht um wie auch immer geartetete formen von sexualität. vergewaltigungen und andere formen sexualisierter an- und übergriffe haben nichts mit sexualität, sondern nur mit dem ausdruck von machtverhältnissen bzw. -bedürfnissen seitens mehr oder weniger gestörter persönlichkeiten zu tun, die unter bestimmten bedingungen sexualisiert auftreten. und in den bisher bekannten fallbeschreibungen tritt sexualisierte gewalt überwiegend nur als eine facette unter anderen, nichtsexualisierten gewaltformen auf.
pädophilie: nachdem ich vor langer zeit einmal an einer öffentlichen auseinandersetzung mit einem örtlichen schwulenzentrum beteiligt war, in dessen räumen sich eine pädophile "selbsthilfegruppe" (deshalb in anführungszeichen, weil sich diese gruppe offensiv für die "gleichberechtigung" einer angeblich ebenso legitimen sexuellen variante wie homo- oder heterosexualität mitsamt der selbstdefinition als "unterdrückt" öffentlich einsetzte), habe ich weder zeit noch lust, dieses thema nochmals tiefgreifend zu beleuchten. nur soviel: aus meiner sicht spielen in der aktuellen diskussion die taten "echter" pädophiler lediglich eine nebenrolle; vielmehr halte ich den begriff der totalen institution für entscheidend (dazu mehr im zweiten teil). es gibt natürlich eine gewisse wahrscheinlichkeit dafür, dass sich im ganzen bereich des institutionellen umgangs mit kindern und jugendlichen vermehrt auch pädophile finden lassen, aber die oftmals sichtbare koppelung mit nichtsexualisierter gewalt gerade im kirchlichen rahmen deutet nicht unbedingt als haupttäter auf die pädophile fraktion hin.
wir hatten damals als hauptpunkt der diskussion von pädophiler seite immer wieder mit dem betonten argument zu tun, dass sie ihr treiben keineswegs als gewalt ansehen würden, sondern im gegenteil "aus echter liebe" ihr kindliches gegenüber achten und niemals schädigen würden. das mag aus ihrer selbstwahrnehmung heraus durchaus so erscheinen, nur ändert das nichts an der realität dessen, dass zwischen erwachsenen und kindern (ab einem bestimmten - jugendlichen - alter stellen sich andere fragen) immer ein nicht aus der welt zu schaffendes machtgefälle bis -ungleichgewicht herrscht, was sich schlicht und einfach aus faktoren wie lebenserfahrung, des massiven ungleichgewichtes der gegenseitigen abhängigkeit, aber bspw. auch schlichter körperlicher stärke ergibt. dieser umstand lässt sich auch mit noch soviel gutem willen nicht aus der welt konstruieren, und deshalb sind sexuelle verhältnisse zwischen erwachsenen und kindern immer ein problem und grundsätzlich nur einen kleinen schritt vom kippen in ein offenes gewaltverhältnis entfernt. pädophile neigungen, auch wenn sie subjektiv als "naturhaftes" erlebt werden mögen, deuten auf meiner sicht eher regelmässig auf eigene massive probleme in der persönlichkeitsstruktur des pädophilen hin, incl.gerade der unfähigkeit zu gleichberechtigten beziehungen mit erwachsenen menschen.
das bedeutet übrigens nicht, dass ich damit kindliche sexualität leugnen will - nur sollten kinder den raum haben, die ihrem alter angemessenen erfahrungen auch unter ihresgleichen machen zu können - ohne verzerrende und in aller regel schädliche einmischung von meist wesentlich älteren.
"Schliesslich besetzten die Arbeiter der Nationaldruckerei ihre Arbeitsstätte und weigern sich die Gesetzestexte für die Sparmaßnahmen zu drucken. Bevor das Gesetz nicht gedruckt ist, ist es nicht rechtsgültig."
...offenbart sich z.zt. nicht zum ersten mal in einer derart unangenehmen ballung, dass ich weder die lust noch die energie dazu verspüre, die eigentlich bei jedem der folgenden themen nötige erweiterte betrachtung zu schreiben - so also der schnelldurchlaufmodus.
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hatte ich neulich erst vomsuper-gaufür die römisch-katholische kirche geschrieben, so kann ich gleichfalls auch die damalige überschrift recyclen:schlimmer geht immer. wobei ich nicht nur in der sz etliche kommentare dahigehend besonders spannend finde, die die gesamte - nicht nur katholische - realität in denheimenund auch den schulen der "alten", ach so idyllischen brd in den focus nehmen. denn es ist keineswegs eine relativierung der sexualisierten gewalt, wenn auch die "ganz normale" körperlich-psychische gewalt als eben solche begriffen wird - die offen sexualisierten taten werden mir manchmal zu sehr in den blickpunkt gerückt; und derart kann dann schnell eine durch nichts begründete hierarchie entstehen.
im kommentarbereich zum gerade verlinkten sz-artikel oben schreiben einige user aus ihrer schulzeit an staatlichen schulen in den 1970er jahren. das führte bei mir zu einigen erinnerungen:
grundschule in niedersachsen, erste frühe hälfte der 1970er: einige lehrer waren schon um die sechzig, mithin noch in der weimarer republik ausgebildet - und da waren bei gelegenheit ohrfeigen völlig "normal" - in der vierten klasse.
ebenfalls in niedersachsen, die sog. orientierungsstufe - fünfte und sechste klasse, in der - ja, die selektion auf eine der drei dann folgenden schultypen (haupt- und realschule sowie gymnasium) stattfand, mitte der 70er: entschieden jüngere lehrkräfte arbeiteten mit folgenden innovativen pädagogischen methoden: englische vokabeltests fanden derart statt, dass die ganze klasse auf die tische steigen musste und dann alle abgefragt wurden - richtige antworten führten zunächst zum abstieg auf den stuhl (immer noch stehend), dann durfte nach einer weiteren richtigen antwort wieder gesessen werden. preisfrage: wie fühlt man sich, wenn man am ende zu den zwei oder drei gehört, die immer noch auf den tischen stehen, wenn alle anderen schon sitzen? spielen Sie das für sich in gedanken ruhig mal durch - obwohl das nur eine ungefähre annäherung an die realität sein kann.
gleiche schule: ein lehrer hatte die angewohnheit, während des unterrichts ständig um die gesamte klasse (wir saßen damals in einem großen quadrat) zu tigern. hielten nun zwei leute ein kleines schwätzchen während des unterrichts, so spitzte er seinen zeigestock (plastik) an (mit einem bleistiftanspitzer), schlich sich von hinten an die störerInnen an und rammte dem oder der ersten den stock in den rücken. gleichfalls flogen seitens anderer lehrer öfter schlüsselbünde durch die luft, wieder im falle einer unbotmässigen "störung", zu der alleine schon (scheinbare) mangelnde aufmerksamkeit gehörte. fliegende, mit wucht geworfene kreidestückchen fallen hingegen gegen metallende schlüssel schon stark ab und können schlimmstenfalls nur im wahrsten sinne des wortes ins auge gehen.
unspektakuläre "normalität" damals - ich weiß nicht, ob sich je eltern deswegen beschwert hätten. und gewiss auch "kleinigkeiten" gegen die sich jetzt endgültig offenbarenden realitäten der heime - aber eben auch nicht als irgendwie getrenntes zu sehen, sondern als systemischer umgang mit kindern vor dem hintergrund einer gesamtgesellschaftlichen traumatischen matrix. mittels solcher methoden werden bzw. wurden ganze generationen ver- und gestört.
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viele derart traktierte menschen sind selbst dann nicht in der lage, sich zu wehren, wenn ihnen die eigene obrigkeit das fell über die ohren zieht und jegliche maske fallen lässt: Wirtschaftsführer mit Merkel "nicht ganz zufrieden",Spitzenmilitärs der Bundeswehr versuchten, die Folgen des Kunduz-Bombardements herunterzuspielen- nur zwei von unzähligen überschriften bzw. headern heute, die tragende systeminstitutionen als das kenntlich machen, was sie im kern sind: konstrukte angemaßter macht, bei denen im zweifelsfall ganz ähnliche methoden und haltungen zu finden sind, wie sie in der parallelwelt - ist das überhaupt noch eine? - der organisierten kriminalität die norm bilden. wobei ich die überschrift in der "zeit" wirklich allerliebst finde - treffender lassen sich die realen machtverhältnisse jenseits der demokratiesimulation fast schon nicht mehr in einen einzigen satz packen. die spieler in und hinter den kulissen sind mit ihrer marionette ganz offensichtlich unzufrieden. und wahrlich, für all ihre spenden können sie ja auch etwas erwarten - das ist schliesslich eine leistungsgesellschaft. eine hand wäscht die andere.
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ein anderes, implizites prinzip der hiesigen leistungsgesellschaft lautet so:wo gehobelt wird, fallen späne. und "hiesig" deshalb, weil das dargestellte auch eine sehr "deutsche" reaktion darstellt: in diesem land ist offener, gar geplanter und konsequenter widerstand gegen selbsterklärte "eliten" und angemaßte autoritäten seit generationen für zu viele immer noch etwas unvorstellbares, ja schon fast naturwidriges. lieber also depressiv werden - das lässt sich in einem gewissen sinne als form von autoaggression begreifen. oder aber der depression durch identifikation mit der macht entgehen und ihre wahnsinnigen spaltungs- und fragmentierungsmanöver nachvollziehen: treten gegen noch schwächere, oder gerne auch gegen äussere feinde - wenn der papierprügel mit den vier buchstaben heute zumindest online titelt "Ihr griecht nix von uns", dann wird der medial sedierte hartz-IV-empfänger erleichert aufatmen, vergessen, dass er selbst gerade noch die zielscheibe war (und wieder werden wird) und denken: "genau. immer diese korrupten südländer. nicht mit uns deutschen"
herrschaftstechniken - so platt wie immer noch wirkungsvoll. die tiraden der westerwelles, sarazzins, clements, henkels und wie sie sich alle schimpfen gegen dieparasitenim innern sind absolut deckungsgleich mit der chauvinistischen mobilisierung gegen "die griechen. beides hat den gleichen hintergrund. und zeigt in gewissem sinne auch an, wie weit die panik und paranoia der "elitären" vollhonks im angesicht ihres eigenen möglichen untergangs mit ihrem system bereits gediehen ist. leider ist das auch ein indiz dafür, wie gefährlich die gesellschaftliche situation inzwischen tatsächlich ist.
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wo ich gerade beim stichwort bin - bezgl. griechenland und der dortigen, breit angeklagten korruption hatte ich in denkrisennews 41u.a. geschrieben:
"und, ist das ein wunder bei den "elitären" vorbildern nicht nur in griechenland ? es ist immer wieder verblüffend, mit welcher chuzpe die apologeten der herrschenden a-sozialität sich dann immer wieder jammernd beklagen, wenn große teile von bevölkerungen beweisen, dass auch sie ihre lektionen der kapitalismusimmanenten regeln gelernt haben und sich im kleinen nicht anders verhalten als im großen die bankster und diverse transnationale konzerne."
dem habe ich nichts hinzuzufügen ausser der anmerkung, dass es schon schwer belustigend ist, wenn sich bspw. hier im land leute, die sich von hotelketten gesetze bezahlen lassen, ministerpräsidenten bzw. sich selbst vermieten und überhaupt allerlei lobbys zu einem großen teil die gesetzgebung überlassen, hinstellen und sich ganz ernsthaft über korruption beklagen wollen.
generell sind eigentlich eh neue krisennews bzw. zu griechenland ein special fällig - aber für den moment möchte ich nur sagen, dass ich griechenland für einen art testlauf halte - die dortigen spar- und kürzungsorgien werden mit zeitlicher verzögerung auch in so ziemlich allen anderen europäischen ländern anstehen - und wenn das bei der streitlustigen griechischen bevölkerung durchgedrückt werden kann, dann auch bspw. inportugal, spanien, irland, großbritannien - und irgendwann auch hier und in den usa. deswegen dürften die kommenden tage und wochen nicht nur für die griechische bevölkerung sehr entscheidend sein - berichte, teils stark verzerrt, gibt´s an vielen stellen - aktuelle bilder vom heutigen tag, welche die bereits erfolgte eskalation der konflikte zwischen bevölkerung und regierung belegen, sindhierzu sehen.
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zum schluß noch einemeldung, die zwar schon einige tage alt ist, aber meiner meinung nach mehr thematisiert gehört:
(...) "Seen on a recent Citibank statement: 'Effective April 1, 2010, we reserve the right to require (7) days advance notice before permitting a withdrawal from all checking accounts. While we do not currently exercise this right and have not exercised it in the past, we are required by law to notify you of this change.' " (...)
hübsch, oder? nochmal:
"Auszug aus einer aktuellen Citibank Mitteilung: 'Ab dem 1. April 2010 behalten wir uns eine Frist von sieben (7) Tagen vor, bevor wir Abhebungen von einem Girokonto zulassen. Wir üben zwar derzeit diesen Vorbehalt nicht aus [...] aber wir sind gesetzlich verpflichtet, Sie über diese Änderung zu informieren.' "
die citi- bzw. neuerdings targobank - "so geht bank heute" - in texas teilt also mit, dass sie sich ab dem ersten april vorbehält, jegliche abhebungen von egal was für einem konto und egal welche summe erst nach vorheriger anmeldung mit sieben tagen vorlauf möglich zu machen. hat man schon jemals eine plattere prävention gegen einen möglichen bank run gesehen? es gibt übrigens meldungen, die noch nicht verifiziert sind, dass das keinesfalls a) nur die targobank in texas, sondern us-weit sowie b) nicht nur die targobank alleine betrifft; sowie c) diese massive änderung der agb direkt auf eine anweisung der FED zurückgeht. alle drei punkte lassen sich aber für mich bis zur stunde nicht prüfen, während die geschichte aus texas gesichert scheint. auch das ist etwas, was gut im auge behalten werden sollte - weil es leider in kombination mit etlichen anderen unheilvollen zeichen im zeichen der krise viel sinn - aus sicht der banken - machen würde.
da ich hier seit beginn des bloggens auch immer wieder gerne besonders dokumentarfilme vorstelle, die ich thematisch spannend und gut gemacht finde, sei hier jetzt ein weiterer kandidat benannt:plastic planet...
... vom...
... "Regisseur Werner Boote, dessen Großvater selbst Geschäftsführer eines Unternehmens war, in dem Plastik produziert wurde, will mehr wissen über den Stoff, der unser Leben so sehr prägt. Werner Boote begibt sich auf die Suche nach Antworten. Auf verschiedenen Stationen auf der ganzen Welt spricht er mit Industriellen, Wissenschaftlern und Betroffenen über die Faszination und Gefahren von Plastik."
manchenkritikernmissfällt offensichtlich die formale art & weise der filmischen umsetzung des themas - aber gerade wg. der bedeutung des letzteren bin zumindest ich persönlich bereit, bei einer guten faktenvermittlung auch über eventuelle schwächen der regie und übertriebene selbstdarstellung des regisseurs hinwegzusehen. vielleicht exemplarisch für die oben verlinkte kritik, aber auch für meine anschliessenden worte, mag der folgende ausschnitt stehen:
tatsache ist einfach, dass überwältigend viele kunststoffverbindungen hinsichtlich ihrer möglichen chemischen interaktionen mit belebter & unbelebter welt im wahrsten sinne des wortes blinde flecken darstellen - teilweise weiß kein mensch, wie sich diese stoffe auf dauer innerhalb der biosphäre verhalten werden. und das, was jetzt schon sichtbar ist - bspw. der sog.pazifische plastikstrudel, der - welche überraschung - auch im atlantik mindestens eingegenstückbesitzt, machen gleichfalls wie ein blick in die eigene wohnung deutlich, dass plastik aufgrund seiner allgegenwart ein produkt darstellt, welches bisher in einer breiteren diskussion seltsam unterbelichtet ist. das zumindest könnte der film ein kleines stückchen verändern.
btw: plastik ist ohne erdöl undenkbar; und deswegen ist es nicht nur in sachlicher hinsicht begründet, sich beim nachdenken über plastik auch überpeak oilund seine konsequenzen gedanken zu machen. das mögliche ende des plastikzeitalters würde ich persönlich keinesfalls zu den schlimmeren zählen.
"plastic planet" läuft heute bundesweit in diversen kinos an.
ich weiß, dass das folgende eigentlich alles todernst in dem sinne ist, das es sich dabei um handlungen und äusserungen handelt, die ganz reales leid nach sich ziehen - und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, spüre ich immer wieder ein hysterisches gelächter hochsteigen - viele meldungen dieses wochenendes haben eine derart bizarre note, dass ich immer wieder eine imäginäre geschlossene psychiatrische abteilung für wirklich schwere fälle vor meinem geistigen auge sehe - ein vergleich, der aber realistisch gesehen durchaus den bedauernswerten insassen solcher abteilungen unrecht tun dürfte - die fratze wirklich bösartiger wahnzustände lugt jedenfalls, nur noch mühsam beherrscht, immer öfter und deutlicher bei den herrschaften in den schicken anzügen durch ihre vom starrhaften grinsen und x-mal wiederholten phrasen eingefrorenen seriösen und amtlich genehmigten masken hindurch. also, es kommt jetzt wirklich hard stuff - einblicke in völlig entglittene innere zustände.
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Westerwelle will Hartz-IV-Empfänger Schnee schippen lassen- tja, all die dekadenten kraftstrotzenden nichtstuer, die dem w. und seinen leistungsträgern die ganze schöne kohle wegnehmen, bevor sie die in die schweiz schaffen können - da ist tatsächlich eine besinnung auf altbewährteliberale traditionenvonnöten. und schneeschippen geht auch am besten mit demspaten- auch das ein rückgriff auf zu unrecht vergessene traditionen.
"Gerald Hörhan ist Investmentbanker und geht auf Heavy-Metal-Festivals. Er ist reich. Und er tut Dinge, „von denen ihr nur träumt“, sagt er. Mit „ihr“ meint er die Mittelschicht. Jene, die schuften, während die Reichen immer reicher werden, sagt Hörhan. „Es wird wenige geben, die viel haben. Und es wird immer mehr Menschen geben, die nichts haben.“
recht so. ausserdem lernen wir: das ist echter punk:
"Man muss ein intelligenter Punk sein. Punks hinterfragen das System, das ist gut. Sie ziehen aber die falschen Schlüsse. Für Anarchopunks sind Unternehmer, Vermieter und Politiker die Bösen. Ohne die gäbe es aber eine feudalistische Plutokratie. Intelligente Punks dagegen versuchen, sich mit kreativen Ideen von den Konventionen der Mittelschicht zu verabschieden. Ich nenne sie Investmentpunks."
investmentpunks - istlloyd blankfeinam ende gar nur der sid vicious der wall street?
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aber das mutterland des punks ist natürlich immer noch großbritannien, und da ist aktuell gerade eine variante despolitpunksschwer angesagt - und die heisseste location liegt in der downing street:
(...) "Downing Street hat die "bösartigen Unterstellungen" zwar zurückgewiesen, aber Rawnsley, der 500 Zeugen befragt haben will, verteidigt seine Quellen als "24-karätig". Einer dieser Informanten ist der mächtigste Mann der britischen Ministerialbürokratie: Sir Gus O'Donnell - als Kabinettssekretär der Chef aller Regierungsbeamten -, sah sich angesichts zunehmender Beschwerden und Klagen von Mitarbeitern über den pöbelnden Premier gezwungen, Brown zur Rede zu stellen: "So kann man das nicht machen", will er ihn ermahnt haben.
Wie Brown es freilich machte, dafür liefert das Buch zahlreiche Beispiele: Eine Sekretärin kippte er kurz entschlossen aus ihrem Stuhl, weil sie ihm zu langsam war, statt ihrer übernahm er selbst den Platz am Computer. Seinen stellvertretenden Stabschef packte er, so Rawnsley, am Anzugrevers und schrie ihm ins Gesicht: "Die sind alle hinter mir her." Als er europäische Botschafter treffen sollte, brannte ihm die Sicherung durch: "Warum zwingt ihr mich, diese Scheißer zu empfangen?"
Immerhin behandelt Brown jedermann gleichermaßen grob: Telefonistinnen ebenso wie seinen Schatzkanzler. Letzteren putzte er herunter, als der 2008 die aufziehende Rezession als schlimmste Wirtschaftskrise seit 60 Jahren angekündigt hatte. "In sechs Monaten" sei alles ausgestanden, brüllte Brown Alistair Darling an." (...)
das ist wahrhaft groß - ein interessantes gemisch aus narzissmus, rücksichtslosigkeit,paranoiaund überhaupt absolutem durchballern. das sind die heute gefragtesten eigenschaften für die wirklichen spitzenpositionen. (zurisikenundnebenwirkungenfragenSieIhrenpsychiaterodertherapeuten.)
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im vatikan sitzt ein seltsam kostümierter mann - womöglich auch eine art punk - auf einem stuhl und hebt seinen zeigefinger -Benedikt: Klerus in Irland hat versagt- hm...
"Papst Benedikt XVI. hat den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen als „abscheuliches Verbrechen“ und schwere Sünde bezeichnet. Angesichts des tausendfachen Missbrauchs in irischen Kircheneinrichtungen warf der Papst dem Klerus des Landes Versagen vor und forderte die Bischöfe zu einem mutigen und ehrlichen Umgang mit dem Skandal auf."
""2003 berichtete der Observer von einem vertraulichen Dokument, das vierzig Jahre zuvor mit dem Siegel von Papst Johannes XXIII an alle katholischen Bischöfe weltweit gesandt wurde (...).
2005 legte das amerikanische Polit-Blog Daily Kos nach. Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger, heute besser bekannt als Benedikt XVI, hatte 2001 in einem weiteren Rundschreiben ausdrücklich die Weitergeltung des päpstlichen Dokuments von 1962 bestätigt.
Für den Fall, dass die Opfer des Missbrauchs sich an kirchliche Stellen wenden, sollen auch sie einen Eid schwören, dass sie Stillschweigen bewahren werden." (...)
naja, der mann ist schließlich schon alt - da kann man schon mal einiges von dem vergessen, was einem in langen berufsjahren so alles an papier vorgelegt wurde - oder?
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verweilen wir noch einen moment in bella italia, wo wir jetzt lernen können, dass es nicht nur investmentpunks, sondern auchoppositionsbankengibt:
"Nicht hundert, sondern 35 Mrd. Euro sind nach der Steueramnestie 2009 ("scudo fiscale" ) nach Italien zurückgekehrt. Die Zentralbank Banca d'Italia hat Regierungsdaten von 95 Mrd. Euro zurückgekehrten Kapitals widerlegt, was ihr prompt den Vorwurf einbrachte, sie spiele sich als Oppositionsbank auf, wie der Minister für "Vereinfachung der Bürokratie" , Roberto Calderoli (Lega Nord), wetterte.
Der "scudo fiscale" habe zur Reinwaschung von Mafia-Geld gedient, sagt Oppositionspolitiker Elio Lannutti. (...)
die ehrenwerte italienische regierung hat´s aber auch wirklich schwer - alle sind hinter ihr her und wollen ihr böses tun - erst waren´s richter und staatsanwälte, die dem duce berlusconi ans leder wollten, jetzt ist´s die zentralbank - womöglich stecken auch da überall fiese geistige sozialisten hinter?
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in innovativen europäischen wettbewerb um neue begriffe und eine neue definiton des alten sponti-mottos "legal-illegal-scheissegal" möchte auch die nordrhein-westfälische cdu nicht abseits stehen und steuert das wohlklingende wortpartnerpaketbei:
"Die CDU in Nordrhein-Westfalen hat versucht, vertrauliche Gespräche mit ihrem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und seinen MinisterInnen an zahlungskräftige Sponsoren zu verkaufen. Für den CDU-Landesparteitag am 20. März hat die Parteizentrale in Düsseldorf Unternehmern in Werbebriefen sogenannte Partnerpakete angeboten, in denen auch "Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen" versprochen wurden.
20.000 Euro sollte ein solches "Partnerpaket" kosten. Ein 15 Quadratmeter großer Ausstellungstand ist beim CDU-Parteitag dagegen schon für 14.000 Euro zu haben - allerdings ohne persönliche Unterredung mit dem Regierungschef. Geboten werden dann nur noch ein "Fototermin und Rundgang mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen". (...)
lumpige 6000 euronen für ein gespräch mit einem echten politischen leistungsträger - ich bitte Sie! wer wird sich denn wg. solcher peanuts aufregen? richtig: die geistigen sozialisten wollen auch hier unseren geliebten führern frei gewählten regierenden nur aus neid an die wäsche gehen:
(...) "Die Opposition hält Rüttgers dennoch für käuflich. SPD-Generalsekretär Michael Groschek warf der CDU vor, "sich den Staat zur Beute" zu machen. Der Bundesvize der Linkspartei, Klaus Ernst, hält das CDU-Angebot für "beschämend" und sprach von einer "illegalen Parteispende". Die grüne Landesvorsitzende Daniela Schneckenburger fragte ironisch, ob die Christdemokraten, wenn schon "nicht käuflich, so doch zumindest mietbar" seien. Und der Chef der SPD-Landesgruppe im Bundestag, Axel Schäfer, rückte Rüttgers gar in die Nähe des Rotlichtgewerbes: "Wenn sich jemand auf Zeit einer nicht bestimmten Zahl von Menschen gegen Geld anbietet, nennt man das im alltäglichen Sprachgebrauch Prostitution", sagte Schäfer der taz." (...)
ach, pappelapapp. das waren schliesslich nur mindere diener - zu hartz-IV mit tem purschen!
"Doch hinter den Kulissen muss Rüttgers Generalsekretär Wüst um seinen Job bangen. Die Spekulationen sind nicht die erste peinliche Panne, für die der erst 34-Jährige die Verantwortung trägt. Im vergangenen Jahr musste die CDU einräumen, dass die permanente Beobachtung der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft nicht aus der Parteizentrale in der Düsseldorfer Wasserstraße, sondern mit Steuergeldern direkt aus Rüttgers Staatskanzlei gesteuert wurde.
Im Dezember musste Wüst dann zugeben, unrechtmäßig Zuschüsse des Landtags zu seiner eigenen privaten Krankenversicherung kassiert zu haben. Jetzt lässt die Wut seines Regierungschefs Wüst devot werden: "Ich bedauere ausdrücklich, dass ein falscher Eindruck entstanden ist, und entschuldige mich insbesondere bei dem Vorsitzenden der CDU Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers", lässt er seine Pressestelle mitteilen. (...)
auch das ist eine alte schöne tradition - nämlich die der bauernopfer. schach ist ein schönes spiel, besonders dann, wenn man es mit lebenden figuren spielen kann.
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apropos schach: wird zeit, die ganzen könige auf dem brett endgültig matt zu setzen.