während sie meiner wahrnehmung nach die größte öffentliche wirkung vor allem in den 1970er und 80er jahren erzielte, wurden wesentliche inhalte ihres ansatzes vor allem in den letzten beiden jahrzehnten durch die psychotraumatologie wissenschaftlich untermauert.
mit respekt für eine "outsiderin", die sich besonders immer wieder mit der orthodoxen psychoanalyse anlegte, verweise ich einfach mal auf diesen früheren beitrag zusaddam hussein, in dem zentrale teile ihres denkens sichtbar werden. und natürlich nochmals auf das video unter dem titeldie wurzeln der gewalt sind NICHT unbekannt. und gerade die aktuell diskutierte jüngere vergangenheit in heimen, schulen und religiösen einrichtungen lässt sich auch wie ein stiller kommentar zu ihren thesen begreifen.
auch, wenn ich einige von den letzteren ergänzungsbedürftig finde: sie wird nicht nur dieser gesellschaft fehlen.
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edit: der tagesspiegel mit einem informativennachruf; und ein ebenfalls interessanter findet sich in derfaz - interessant deshalb, weil das zentralorgan der so called "bürgerlichen mitte" immer noch die zentralen befunde der alice miller nicht nachvollziehen will und kann:
(...) "Einwände, dass man doch nicht gegen die Lebensberichte Kinderleid unterstellen dürfe, parierte Miller mit dem Hinweis, das Leid sei immer dort am schlimmsten, wo es abgespalten, verdrängt und also heute nicht mehr erinnert werde. Der Gesunde ist demnach unter den Kranken derjenige, der am schlimmsten dran ist. Wer sein frühes Leid bestreite, fliehe vor ihm. Und diese Flucht finde ihren Ausdruck in Formen der Selbstentfremdung, die sich unter anderem als Philosophie oder Literatur tarnten. Von diesem Punkt an nimmt der Pathologiezusammenhang, den Miller behauptet, einen ungeschminkt totalitären Zug an. Es gibt schlechterdings nichts, das der Kindheitsfalle entkommen kann. Die Frage ist bloß noch, ob die frühen Verletzungen in entdeckter oder unentdeckter Form überdauern.
Caroline Neubaur hat die Irrtümer der Alice Miller konzise zusammengestellt. Dazu gehört, dass entgegen Millers Unterstellung Freud die Verführungs- und Traumatisierungstheorie nie aufgegeben habe. Hätte Miller, so Neubaur, ihre Sache, die Sache des Kindes, voranbringen wollen, dann hätte sie etwa mit der Frankfurter Psychoanalytikerin Marianne Leuzinger-Bohleber kooperieren können, die in einer breitangelegten Studie herausfand, dass sechzig Prozent aller Patienten als Kinder traumatisiert wurden." (...)
zu den ersten sätzen des zitats drängt sich förmlich ein verweis auf den letztenbeitragauf - der dort zitierte n. walter, der durchaus als mitglied der "elite" durchgehen darf und muss, liefert mit seiner verklärung der schläge von der "liebenden mutter" die passende kakophonische begleitmusik - dieses muster hat die "faz" in ihrer auflistung zumindest nicht explizit benannt. meiner meinung nach gehört es aber mit zu den schlimmsten überhaupt - das ist nicht unbedingt als dissoziation zu bezeichnen, sondern eher eine dekonstruktion der eigenen - authentischen - erinnerungen zu etwas, was offensichtlich nicht nur die erlebten schmerzen abspaltet, sondern diesen auch noch nachträglich einen positiven sinn verleiht. eine art totaler kapitulation mitsamt übernahme des im wahrsten sinne des wortes eingeprügelten (bürgerlichen) "wertesystems".
das die handelnden protagonistInnen in bereichen wie der kunst oder auch den wissenschaften sich in psychophysischer hinsicht oft genug auf einer sozusagen "verschobenen" ebene kompensatorisch an ihren biographischen beschädigungen abarbeiten und die existenzielle dringlichkeit dieser arbeit dann eben auch die basis für die allseits gerühmten vielfältigen leistungen bildet - sei´s nun literatur, ein musikstück oder auch eine bahnbrechende wissenschaftliche theorie - , ist ein zusammenhang, der einem beim blick auf die geschichte geradezu ins auge springt (im blog habe ich den an ein paar stellen ebenfalls aufgegriffen). und für den gesamten "politischen" bereich gilt das natürlich erst recht.
diese realitätswahrnehmung muss die "faz" natürlich als "totalitär" bezeichnen, werden damit doch nicht nur die ideale und selbstbilder der bürgerlichen gesellschaft, sondern ihre ganze existenz überhaupt selbst als ausdruck einer totalitären matrix, und einer überaus gewalttätigen dazu, erkennbar. und das ist nicht nur eine schwere narzisstische kränkung für die konstruktion des angeblich "freien und unabhängigen" (bürgerlichen) menschen (der sich real immer wieder als äusserst determiniert durch seine biopsychosoziale struktur erweist, aber diese determinierung per ideologischer blasen ständig leugnen muss - sogar gegen seine ureigene authentische erfahrung), sondern entzieht auch dem selbstbild der "friedlichen und zivilisierten" gesellschaft jeglichen boden, besser: macht das als ständigen selbstbetrug (im wahrsten sinne des wortes!) kenntlich.
der satz mit der kindheitsfalle ist bei einem wachen blick in die menschliche historie durchaus richtig (wie es auchlloyd deMause- aus einer etwas anderen, aber verwandten perspektive konstatiert).
was ich bei beiden als kritik anmerken würde bzw. früher auch schon getan habe: die nicht primär kindlichen traumata bei erwachsenen durch kriege, soziale und natürliche katastrophen etc. und ihre folgen werden zu wenig berücksichtigt. und die möglichkeit der "verarbeitung" im sinne einer evolutionären mutation, die sich im extrembeispiel des soziopathen manifestieren könnte, wird überhaupt nicht berücksichtigt. beide punkte existieren vielleicht auch deshalb, weil beide aus einer explizit psychoanalytischen tradition kommen.
von der die neuesten entwicklungen, wie bspw. die im folgenden verlinkten beitrag näher vorgestellterelationale psychoanalyse, durchaus erfreuliche tendenzen mitbringt, die gesellschaftliche realität jenseits der wie ein stein auf der gesamten zunft lastenden freudianischen orthodoxie und ihrer konstrukte mal wirklich wahrzunehmen. und mag freud selbst auch wie dargestellt insgeheim weiter an seinem ursprünglichen (und realistischen) einblick in die verhältnisse der bürgerlichen welt seiner zeit festgehalten haben, so hat sich das doch in seiner theoriebildung später nicht - bzw. schlimmer noch: völlig verzerrt - niedergeschlagen - zum schaden aller tatsächlich traumatisierten (was sein verdienst als "türöffner" für diverse wichtige entwicklungen, wie früher schon mal gesagt, in meinen augen nicht schmälert).
und dem "faz"-autor scheint auch nicht aufgefallen zu sein, dass das ergebnis der zitierten - psychoanalytischen - studie ebenfalls eher als beleg für die existenz der hartnäckig geleugneten totalität aufzufassen ist (und wenn die entsprechende analytikerin ihren traumabegriff anhand der "offiziellen" kriterien für ptbs abgeleitet hat, so würde ich behaupten: das ergebnis ist noch geschönt).
und die totalitäre existenz der traumatischen matrix lässt sich keineswegs nur durch beobachtungen der umwelt ableiten - meine in gewisser hinsicht durchaus "unspektakulären" persönlichen erfahrungen reichen von selbst erlebter primär "psychischer" gewalt (die, wie wir heute wissen können, ebenfalls etwas durchaus körperliches darstellt bzw. auf dieser ebene erst zur wirkung kommt) über viele abende in meinem kinderzimmer, in denen ich beim versuchten einschlafen vom gewimmer des nachbarsjungen im haus nebenan (wir hatten da sehr hellhörige wände) begleitet wurde, der seinen vater anflehte, mit dem schlagen aufzuhören (ohne erfolg), bis zu anderen kindheits- und schulfreunden, die ebenfalls teils gnadenlos geprügelt wurden (und deren spätere und frühe zuneigung zum alkohol ich erst viele jahre danach wirklich verstehen konnte - meine eigene entsprechende phase incl. zweier ausgewachsener alkoholvergiftungen mit 14 bzw. 15 dito).
dazu kamen die ebenfalls "ganz normalen"schulerfahrungenin den 1970ern, und wo ich dann im folgenden in völlig verschiedenen bereichen später überall sonst noch über die wirkungen der traumatischen matrix gestolpert bin, würde den rahmen des blogs hier sprengen. ein teil ihrer gesellschaftlichen manifestationen - derjenigen, die dann die geschichtsbücher füllen - ist hier eh ständiges thema.
alice miller hat mit ihrer arbeit schlicht einen wichtigen schlüssel zum verständnis dieser sehr bösartigen strukturen geliefert - und das zu negieren, wird auch der "faz" nicht gelingen.
...norbert walter, als ehemaliger "chefvolkswirt" der "deutschen bank" und als mitglied im "zentralkomitee der deutschen katholiken" (welch´ name übrigens) gleich in zwei überaus systemrelevanten und allseits beliebten institutionen zugange, der im zusammenhang mit dem notorischenmixahöchst unfreiwillig etwas über die - hm,zugangsbedingungenin elitäre kreise deutlich machte:
(...) "Gefragt, ob der Bischof noch glaubwürdig sei, weil er zunächst jegliche Tätlichkeit abstritt und später doch zugab, Ohrfeigen verteilt zu haben, sagte Walter in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: „Nach meinem Urteil ist das glaubwürdig“. Es sei glaubwürdig, weil Bischof Mixa die Ohrfeigen nicht als Gewalt gegen Kinder interpretierte, sondern als Maßnahme der Kindererziehung.
Mixas Position wirke nur nicht sinnvoll in einer Öffentlichkeit, welche die Referenzmaßstäbe durcheinander bringe. Damit meinte Walter die Tatsache, dass vor einigen Jahrzehnten „die körperliche Züchtigung zu einer normalen gesellschaftlichen Wirklichkeit“ gehört habe. Es sei zudem sehr schwer, im Einzelfall zu beurteilen, ob die Schläge von einst heute zu seelischen Schäden führen würden.
Die derzeitige Debatte sei seiner Einschätzung nach „ahistorisch und (sie) ist in einer Reihe von Fällen, das sage ich sehr schmerzhaft, von fundamentalistischen Aufklärern geführt.“ Auch er sei als Kind von seiner Mutter „verprügelt“ worden und „das hat mir nicht geschadet“. Denn: „Meine Mutter hat mich geschlagen, nicht weil sie mich vernachlässigt hat, sondern weil sie mich liebte“. (...)
mixa ist also deshalb "glaubwürdig", weil er seine schläge in kindergesichter (nichts anderes sind "ohrfeigen") nicht als gewalt, sondern als "maßnahme der kindererziehung" interpretiert? das ist höchst interessant, könnte doch auf ähnlichem level zb. ein vergewaltiger seine taten nicht als gewalt, sondern als maßnahme zum ausagieren höchst drängender sexueller bedürfnisse interpretieren. letzterer könnte sich ebenso auch auf "referenzmaßstäbe" berufen, war doch bspw. die vergewaltigung in der ehe bis mitte der 1990er jahre hierzulande kein strafbares delikt.
auch die phrase "fundamentalistische aufklärer" ist allerliebst; und dann kommen die letzten sätze.
sätze, die blitzartig beleuchten, wie die zusammenhänge innerhalb der traumatischen matrix, mit ihren re-inszenierungszwängen und ihren manifestationen innerhalb von gesellschaften - hierarchische oben-unten-verhältnisse, diverse symptome schwerer psychophysischer störungen auf allen ebenen etc. - tatsächlich beschaffen sind. dazu kommt die typische täter-opfer-dialektik, von der ein mechanismus auch dank walter sehr deutlich wird: die entschuldigung der tätereltern, hier der mutter. und das als "liebe" zu begreifen, ist in dem zusammenhang geradezu ein klassiker.
"Es sei zudem sehr schwer, im Einzelfall zu beurteilen, ob die Schläge von einst heute zu seelischen Schäden führen würden."
nein walter, ist es gar nicht - selbst ohne die psychotraumatologie zu bemühen, reicht für Sie zur bestätigung des zusammenhangs schon ein blick in den spiegel.
so werden tatsächlich die "stützen der gesellschaft" - "honorig, seriös, leistungstragend" und schwer gestört - produziert. bis heute. vielleicht mit der modifikation, dass es heute subtiler und scheinbar "körperloser" abläuft - scheinbar. aber das prinzip ist immer noch das gleiche.
edit am 18.04.: ich finde solche ereignisse - wie auch andere naturphänomene wie erdbeben, tsunamis, tornados, hurricanes etc. - deswegen so faszinierend, weil sie trotz all ihrer zwar potenziell traumatischen, aber unpersönlichen gewalt jedes mal eine sehr nachdrückliche erinnerung an unsere spezies vermitteln: nämlich die, dass wir ein untrennbarer teil der gesamten planetarischen bios- und geosphäre sind, und unser gesamtes soziales leben nicht nur in engen wechselwirkungen mit den diesbezgl. aktivitäten steht, sondern schlicht auf dieser basis beruht. ebenso wie bspw. die großen seuchen des mittelalters können auch geologische und meteorologische gewalten nicht nur einzelne gesellschaften, sondern im extremfall ganze kontinente bzw. ihre menschliche bevölkerung mit krassen und nachhaltigen brüchen in ihrem sozialen leben konfrontieren und den "lauf der geschichte" in völlig andere richtungen lenken. gerade der isländische vulkanismus hat da aller wahrscheinlichkeit nach schon früher mindestens ein prägnantesbeispielfür geliefert:
(...) "Aktuell besteht jedoch noch kein Anlass zur Sorge, dass unser Sommer unterkühlt ausfällt, beruhigt Karsten Haase: "Momentan reicht die Menge an freigesetztem Schwefeldioxid noch nicht aus, um das Klima zu beeinflussen." Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass isländische Vulkane das Wetter in Europa beeinflussten: "1783 fand auf der Insel eine sehr starke Eruption statt, während der enorme Mengen Lava freigesetzt wurden. Ganz Europa war davon massiv betroffen."
Damals brach der Vulkan Laki aus und schickte seine Schwefelfracht ostwärts: Rund 120 Millionen Tonnen Schwefeldioxid könnten damals den Himmel getrübt haben, schätzt der britische Geologe Colin Macpherson von der University of Durham - das Dreifache dessen, was Europas Industrie im Jahr 2006 produzierte. Die Folgen waren verheerend: Auf Island starben tausende Menschen an einer Hungersnot, weil Felder verwüstet wurden und das Vieh starb. Großbritannien und weite Teile Kontinentaleuropas lagen unter einer quasi konstanten Nebeldecke und mussten 1783/84 durch einen extrem kalten Winter, der ebenfalls viele Opfer forderte. Womöglich wurde sogar die Französische Revolution durch die vulkanischen Kalamitäten mit ausgelöst: Die dadurch verursachten Wetterextreme vernichteten Ernten und töteten das Vieh, was die verarmte und ausgezehrte Bevölkerung schließlich zum Aufstand trieb." (...)
nebenbei gesagt, ist der verlinkte artikel, aus dem das obige stammt, eindeutig einer der besten mir bekannten, die bisher zum aktuellen ausbruch und seinen folgen veröffentlicht worden sind - tipp! davon abgesehen, lässt sich bei der betrachtung des gesamten irdischen vulkanismus vor dem hintergrund der aktuellen folgen der isländischen asche lebhaft vorstellen, wie die heutigen hochindustrialisierten gesellschaften regelrecht kollabieren würden, wenn zb. einer der bekanntensupervulkanewie deryellowstonein den usa ausbrechen würde - ereignisse, die schon öfter in der vergangenheit zu zuständen geführt haben, die sich aus menschlicher sicht nur als globale katastrophe bezeichnen lassen; incl. mehrjährigen drastischen klimaveränderungen mit allen folgen für flora und fauna. die heutige welt ist nicht zuletzt von solchen ereignissen nachhaltig geprägt worden - eine art schöpferische zerstörung.
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aktuell ist auf island kein ende des ausbruchs abzusehen, und auch die meteorologischen bedingungen sprechen nicht dafür, dass sich die aschewolken schnell verflüchtigen würden. kein wunder also, dass die luftfahrtbranche langsam sehr nervös wird und laut diversen medienberichten beginnt, das flugverbot in frage zu stellen. hier bahnt sich ein schwerer konflikt zwischen profitinteressen und menschenleben an, der direkt auf weitere anstehende, strukturell ähnliche großkonflikte in unseren gesellschaften in den kommenden jahren verweist - ganze industriezweige und wirtschaftsgebiete werden u.a. durch peak oil in ähnliche situationen geraten, wenn deutlich wird, dass die materielle basis bestimmter industrien einfach nicht mehr aufrechterhalten werden kann. wenn der vulkan die nächsten wochen und monate weiter aktiv wäre, käme es auch immer wieder zu passenden wetterlagen, in denen die asche nach europa gelangen würde - die folgen für den luftverkehr - den ich persönlich zu großem teilen für überflüssig und ersetzbar halte - wären ein desaster. von daher ist das derzeitige gemotze schon verständlich, aber nicht nur den betreffenden managern, sondern auch den inzwischen wieder auf der bildfläche erscheinenden verschwörungstheoretikern sei dieserbericht aus finnlandvom vergangenen freitag empfohlen, in dem die finnische luftwaffe von eigenen erfahrungen mit der asche (incl. photos) am vergangenen donnerstag berichtet - die haben schlicht sehr viel glück gehabt mit ihren maschinen.
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bestenfalls kann der vulkan bei entsprechenden bedingungen hier in wichtigen teilbereichen, die auf dem luftverkehr beruhen - u.a. tourismus, just-in-time-produktion etc. - für ein phase der längeren entschleunigung sorgen. und das wäre dann mal eine wirklich beeindruckende einmischung natürlicher gegebenheiten ins menschliche treiben, zumal es zumindest bisher keine todesopfer gefordert hat. schlimmstenfalls sind dieser ausbruch wie auch die auffällig vielen schweren erdbeben der letzten monate aber auch das indiz für eine phase global gesteigerter geologischer aktivitäten, die sich dann zu folgen akkumulieren können, die nicht mehr als entschleunigung, sondern nur noch als gegen-die-wand-fahren-lassen der menschlichen gesellschaft generell bewertet werden können. machen könnten "wir" dagegen garnix, und so bleibt - wiedereinmal - im angesicht der naturgewalten als vielleicht wichtigste lektion die demut übrig, die uns in aller wünschenswerten deutlichkeit an unseren platz im gefüge der natürlichen beziehungen erinnert - wenn nötig, auch mit dem holzhammer.
hatte mir schon am dienstag in der "anstalt" gefallen; er verpackt da eine harsche kritik in ungewöhnliche formen. zwei tage später aktueller denn je, und wenn man sich die statements unserer sog. "regierenden" anhört, befürchte ich, dass ich die rede künftig wöchentlich so zwei-, dreimal immer wieder ins blog stellen muss...
"klassische" gefühle von innerer leere überkommen mich heute immer wieder, habe mich scheint´s zu sehr den zuständen gewidmet. und das bedeutet ja keinesfalls bzw. noch nicht mal überwiegend die distanziert-objektivistische betrachtung, sondern die zustände gehen an die nieren - irgendwie eine treffende metapher - und bringen die neuronen in hirn und nervensystem/-en (nicht dasenterischevergessen) ihrerseits in zustände, die sich dann als bedrückende und belastende emotionen und gedanken manifestieren. aber schreiben kann ja zumindest manchmal therapeutische wirkung entfalten - nun denn.
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als fortsetzung meiner kleinen letztjährigen reihe mit dem versuch, diefolgen der (ökonomischen) krisehierzulande etwas mehr zu fassen zu bekommen, kann ich ganz persönlich feststellen, dass ich die von mir heimlich befürchteten auswirkungen gerade im sozialen bereich mehr und mehr auch in meinem umfeld wahrnehme - es ist deutlich die tendenz vorhanden, sich auf die "allerprivatesten" dinge, umstände, situationen und orte zurückzuziehen. "politik" (als sammelbegriff für alles "öffentliche") wird zusehends gar nicht mehr oder aber nur noch mit kurzen zynismen kommentiert und wahrgenommen. der wunsch, eine zusehends unbegreiflichere und vor allem auch bedrohlichere welt einfach mittels türzuschlagen "draußen" stehen zu lassen, ist ja verständlich (und ich setze das - immerhin inzwischen meist sehr bewusst - selbst ein, um die nötigen ruhepausen zu finden). andererseits: was sagt es über die zustände unserer welt aus, wenn "wir" uns zunehmend defensiv verhalten, zurückziehen und die einzige "utopie" noch darin besteht, "privat" möglichst angenehm über die runden zu kommen?
mal abgesehen davon, dass letzteres gar nicht funktionieren kann ("die welt" wird beizeiten alle scheinbar fest verschlossenen türen schlicht eintreten und aus den angeln heben), erzählt das beobachtete für mich auch laut und deutlich von allgemeiner überforderung. ein burn-out bzw. das, was sich hinter dieser diagnose alles verbergen kann, ist nichts, was alleine am (lohn-)arbeitsplatz entsteht - es ist eine frage aller lebensbereiche und ein symptom für eine umfassende dysfunktionalität - zunächst im weiteren und nahen sozialen beziehungsgeflecht, dann bzw. parallel zwangsläufig auch individuell psychophysisch.
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es ist eine gefährliche situation, wenn sich solche zustände nicht nur vereinzelt manifestieren, sondern als quasi symptomatisch für die verfassung ganzer gesellschaften wahrgenommen und auch hingenommen werden. dieses letztere nun lässt sich mit einigem recht als ausdruck auch von umfassenden legitimations- und letztlich sinnkrisen betrachten - medial wird sich diesen alarmzeichen dann am beispiel einesnachbarlandeszb. so genährt:
(...) "In Frankreich kriecht gelbe Galle durchs Land. Das Volk misstraut allem und jedem: dem Staat, den Parteien, den Medien. Den Kirchen sowieso. Erst recht den Unternehmen. Und untereinander hegen viele Franzosen ebenfalls Argwohn. Nur ein Fünftel von ihnen glaubt noch, man könne sich gemeinhin auf Mitmenschen verlassen." (...)
mal alle berechtigten fragen nach der plausibilität und repräsentativen aussagekraft von studien wie solchen, auf denen das zitierte beruht, aussen vor gelassen: ist das nicht eigentlich genau das, was - nicht nur in frankreich - zu erwarten ist? alle genannten institutionen erscheinen zunehmend hohl, wenn nicht gleich als ausdruck organisierter zweifelhafter zwecke bis offener kriminalität, vor allem im antisozialen sinne gemeint. nur keine missverständnisse: als sympathisant des anarchistischen gedankens habe ich keine probleme damit, dass sich mehr und mehr systemtragende institutionen und ihre repräsentanten zusehends selbst unmöglich machen und teils regelrecht demontieren (banken und kirchen sind dafür nur sehr auffallende beispiele) - ich finde das eigentlich eine höchst überfällige und sehr begrüssenswerte entwicklung.
das problem: es ist weit und breit nichts wahrzunehmen, was das entstehende vakuum wirkungsvoll und vor allem positiv füllen könnte. sprich: selbstbestimmte und selbstregulierende kollektive entwicklungen zur beantwortung der wichtigsten gesellschaftlichen probleme, beruhend auf authentischer individualität. selbst wenn ich mich an meinen eigenen, in der vergangenheit hier mehrfach geäusserten verdacht klammere, dass wirklich neue politische entwicklungen sich unter umständen in formen vollziehen werden, die historisch bisher unbekannt waren und von daher vielleicht auch nur schwer wahrzunehmen sind, so bleibt doch der eindruck einer allumfassenden defensiven und abwehrenden grundhaltung, und zwar ganz pauschal "der welt" gegenüber, hartnäckig in meinem kopf sitzen.
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wenn ich denn die grundstimmung vieler zeitgenossen unserer epoche in ein paar worten zusammenfassen sollte, würde ich etwas in der art von passiv-gleichgültiges, gleichzeitig latent aggressives misstrauen wählen - zusammen mit der eingangs schon erwähnten allgemeinen tendenz zum rückzug in scheinbar private refugien bietet das ein bild, welches ich bei einem einzelnen menschen als ausdruck einer larvierten depression bezeichnen würde - "larviert" meint hier eine besondere form von versteckt, besser halb-versteckt oder noch nicht voll ausgeschlüpft, weil die depression zwar schon wahrnehmbar ist, aber der betroffene noch zu gleichgültigem funktionieren in der lage ist, wozu auch oberflächliches "spasshaben", meist unter einfluss verschiedenster psychoaktiver substanzen, gehören kann. die kurzfristige "begeisterung" für inhaltlich entleerte und oberflächliche events aller art, die immer wieder neu medial produziert wird, steht dabei für die pseudokollektiven formen des letzteren und bildet dabei gleichfalls nur die andere seite der medaille von dem, was in der letzten zeit hierzulande seitens der selbsternannten "eliten" an plumpen und altbewährten ressentiments wahlweise gegen "die griechen", "die moslems", "die arbeitsscheue hartz-IV-unterschicht" oder sonstwen versucht wird zu schüren - der versuch, die durchaus wahrnehmbaren destruktiven aggressionen wiederum in formen von gegenseitiger aufhetzung konstruierter pseudokollektive zu steuern und zu kontrollieren. aber auch hier ist mein eindruck der einer bestimmten wahllosigkeit - auch, wenn dahinter alte und traditionelle versuche der fragmentierung zwecks machterhaltung stehen, so glaube ich nicht, dass das so funktioniert wie in der unheilvollen vergangenheit - zumindest nicht in den bekannten formen.
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die da heissen: nationalismus, rassismus, sexismus und alle varianten von sozialdarwinistischen bis eugenischen ideologischen konstrukten. sicher schwirren von diesen ladenhütern machtstützender ideologien an allen ecken und enden fragmente durch die gegend; sicher sind auch die seit jahrzehnten unübersehbaren modernisierungsversuche - "wie mache ich diesen alten dreck kompatibel zum modernen zeitgeist?" - teils von mehr oder weniger großem erfolg gekrönt - und trotzdem bleibt vor allem der eindruck einer großen gleichgültigkeit, die sich wie mehltau auf das ganze gesellschaftliche leben gesenkt hat.
und so ist auch die überschriftwie in alten zeitendes blogs, welches dankenswerterweise das folgende zeitzeugnis dokumentiert hat -
- rein oberflächlich betrachtet zwar treffend (wenn man sich in den entsprechenden archiven die todesanzeigen der jahre 1939 - 45 in deutschen zeitungen betrachtet, so gibt es da nur ein paar variationen derart, dass damals von "stolzer trauer" und "für führer und vaterland" die rede war), aber bei genauerem hinsehen mutet den versuchen der erzeugung von so etwas wie nationalistischer, gar militaristischer ernsthafter bzw. erhabener (kriegs-)unterstützung (von begeisterung gar nicht zu reden), und sei´s in form von "nationaler trauer und betroffenheit", doch eher etwas absurdes an - das allermeiste wirkt inszeniert, wie show, fake und simulation. leer.
was ja nun gerade in diesem kontext nicht das schlechteste ist - die gemetzel im namen solch fiktionaler konstrukte wie "nation" u.a. bilden bekanntlich zu einem großen teil die historie der spezies. heute aber scheint es so zu sein, dass die wirkungen des totalitären kapitalismus - vereinzelung bzw. all die (verkäuflichen) formen der pseudoindividualität, allgemeine fragmentierung, beschleunigung etc. - zusammen mit seinen massenmedialen vermittlungsebenen bestimmte, pathologische psychophysische und in der vergangenheit verbreitete menschliche strukturen mitsamt ihren spezifischen fiktionalen kompensationsversuchen alá "nation", "gott" etc. ebenfalls unterminiert bzw. durch noch zu bestimmendes anderes abgelöst haben (hier dürfte übrigens eine motivation jener "echten", d.h. reaktionären, konservativen liegen, die sich selbst nicht mehr in der aktuellen kapitalistischen variante wohlfühlen und teils schon verzweifelt versuchen, die "alten werte" wie familiensinn, "patriotismus" usw. mit allen zugehörigen sog. tugenden - disziplin, formale höflichkeit etc. - neu zu definieren und zu füllen.)
dieser gerade zwangsweise sehr grob skizzierte vorgang haut also reale und fiktionale, "alte" kompensatorische ebenen der kollektiven und individuellen sinngebung gleichzeitig zu klump. wobei letztere seitens der "eliten" regelmässig wiederzubeleben versucht werden, was aber offensichtlich nicht so recht gelingen will - wenn, dann (ausser für die ganz gestörten) nur noch als unglaubwürdige farce. der große rest bleibt gleichgültig oder konsumiert bspw. den "neuen patriotismus" anlässlich von irgendwelchen sportevents ähnlich wie eine tv-show.
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ich hoffe, dass Sie mir ungefähr folgen können - ich versuche gerade, etwas genauer zu fassen zu bekommen, was mir seit langem als vager und diffuser eindruck immer wieder durch meine wahrnehmung geistert. bei der frage an mich selbst, wie ich das umrissene denn nun selbst finde und was das womöglich für konsequenzen hat, bin ich sehr zwiegespalten. einmal finde ich, dass bereits deutlich zu sehen ist, in welche richtung eine gesellschaft driftet, die von solchen tendenzen wie dargestellt bestimmt wird - bereits öfter thema hier, ist das stichwort wieder einmalmafiasierung- bandenbildung:
(...) "Doch der wirklich gefährliche Teil der Mafia ist unsichtbar, vor allem in Ländern, in denen sie investiert. Nehmen Sie die sizilianische Mafia. Hochintelligente, bürgerliche Verbrecher: Ärzte, Mittelständler oder Juristen, die immer erfolgreicher gesellschaftliche Schlüsselpositionen besetzen und ihre Kinder auf die Universität schicken. Oder schauen wir auf die russische Mafia, die in einem kapitalistischen System stark geworden ist, das nach unseren Schätzungen heute zu 70 Prozent vom organisierten Verbrechen betroffen ist und nun große Teile der Weltwirtschaft beeinflusst. (...)
SZ: Wie muss man sich diese wirtschaftliche Betätigung vorstellen?
Scarpinato: Wie eine Tumorzelle, die wächst und streut. Diese kriminelle Zelle erwirbt ein Hotel oder ein Restaurant; dort werden fünf, sechs Menschen platziert, die das Geschäft im Sinne dieser Clans nutzen und ausbauen. Natürlich darf man das nicht kleinreden, wenn die 'Ndrangheta in Bochum eine Pizzeria eröffnet, aber es ist ein Entwicklung, die sich durch Ermittler gut kontrollieren lässt. Im Vergleich zu unseren wirklichen Problemen ist es ein Witz.
SZ: Was ist das eigentliche Problem?
Scarpinato: Wir müssen aufhören, so zu tun, als beschränke sich die Mafia auf wenige Krisenregionen. Es geht um ganze Staaten, die unterwandert werden. Indem die Mafia dort Verbündete an zentralen Stellen platziert. Das kann der Vertreter einer Schweizer Bank, ein Politiker oder ein Mailänder Spitzenanwalt sein. Ein Schulterschluss zwischen traditioneller Mafia und Funktionären. Und derzeit entwickelt sich die organisierte Kriminalität zu komplexen kriminellen Großsystemen, die undurchschaubar werden.
SZ: Das klingt wie eine Verschwörungstheorie. Einige deutsche Ermittler halten das auch für Panikmache.
Scarpinato: Die Probleme zeigen sich aber an vielen Stellen. Etwa in Russland, wo sich das organisierte Verbrechen mit Personen aus Politik, Wirtschaft oder Finanzwelt zusammengetan hat. Das Kapital, das global verschoben wird, ist enorm. Zudem sehen Analysten mit Sorge die Bedeutung des chinesischen und indischen Wirtschaftswachstums für das organisierte Verbrechen. Wenn sich diese Raten aufrecht erhalten lassen, haben die Chinesen in 20 Jahren dieselbe Kaufkraft wie der Westen. Das würde nicht nur bedeuten, dass China das neue Dorado des Drogenkapitalismus wird, sondern auch dass illegale Märkte die legalen an Bedeutung übertroffen haben. Alle alten Mafia-Geschichten sind nur noch Folklore." (...)
ich greife das mafia-thema hier nicht umsonst immer wieder auf, weil ich finde, dass sowohl die ausbreitung "der mafia" (als sammelbegriff für alle adäquaten globalen strukturen) als auch die zunehmende ununterscheidbarkeit zwischen "legal" und "illegal" gerade im ökonomischen und politischen bereich etwas ist, was einerseits von sehr vielen mit der materie professionell befassten konstatiert wird, andererseits aber in der möglichen bedeutung größtenteils schwer unterschätzt wird. allgemeine vereinzelung und gleichgültigkeit bei parallel laufenden deutlichen tendenzen zur totalitären verdinglichung von allem lebendigen laufen in letzter konsequenz auf verschiedenste, "regional angepasste" (suchen Sie im blog einmal nach "maras") mafiöse strukturen als extreme verfallsform des sozialen hinaus. auf dieser ebene sind alle formalen und fiktionalen normen von "moral" und "ethik" auf ihren eigentlichen gehalt reduziert - nämlich gar keinen. die angebliche "ehre" der mafiosi ist sichtbar nur noch ein ganz dünnes feigenblatt; real befinden sich in solchen strukturen nur noch lauter einzelkämpfer, die einen rücksichtslosen kampf um ihr eigenes überleben - mittels aufstieg in der jeweiligen machtpyramide - austragen. wenn man sich übrigens die antiutopie des neoliberalismus betrachtet, so lässt sich die mafia durchaus als verwirklichung des dortigen antisozialen freiheitsbegriffes verstehen - eigentum und vertrag als einzige basis jeglicher sozialität. dem kann jeder mafiosi zustimmen - "verträge" bzw. ihre gestaltung bestimmt der stärkere, und die fiktion "eigentum" wird in diesem szenario der totalen verdinglichung eh zum einzig "sinnstiftenden" element.
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man kann eine derartige gesellschaft als soziopathische dystopie betrachten, ebenfalls als eine variante von dem, was marx glaube ich als "frühe akkumulation" bezeichnet hat - eine ungebremste profit- und raubmaschine. das für ein solches szenario selbst deutlich fiktionale konstrukte und formale gesetze und normen staatlicher, religiöser oder sonstiger "traditioneller" herkunft hinderlich sind, liegt auf der hand. das mafiöse gesellschaftsideal sieht im kern eher so aus wie das, was unter "wilder westen" aus den frühen tagen der usa bekannt ist - incl. recht des stärkeren, lynchjustiz, und totaler freiheit für jegliche egozentrische anwandlung. heute hat das die form des failed state - nicht zufällig entspringen die maras den mittelamerikanischen, die piraten in ostafrika den dortigen (bürger-)kriegszonen.
ein deutlicher fehlschluß liegt für mich aber nun darin, aus dem obigen heraus eine stärkung der benannten "traditionellen" institutionen - an erster stelle die nationalstaaten - zu fordern. und das nicht nur deswegen, weil auch viele staatliche strukturen heute rund um den planeten als mafiös besetzt gelten müssen, sondern weil genau diese auf altbekannten fiktionen gebauten und angelehnten konstrukte wie staaten, nationen und institutionalisierte religionen erst überhaupt den boden für diese extremen formen der antisozialität bereitet haben. auf (philosophischen) fiktionen beruhende gesellschaftliche normen, nach objektivistischen kriterien waltende justiz und religiös begründete moralsysteme tragen allesamt die tendenz zur offenen und qualitativ soziopathischen antisozialität in sich - während sich die ersteren als historische auslaufmodelle im rahmen der zugrundliegenden traumatischen matrix (= die wirkungen der durch unsere geschichte hindurch akkumulierten individuellen und kollektiven gewalt in der spezies) betrachten lassen, stellt die offene soziopathie (und ihre potenziell antisozialen satelliten in form strukturell verwandter psychophyischer zustände) eher eine art endzustand der möglichen menschlichen entwicklung in dieser matrix dar - solche individuen sind u.a. per empathielosigkeit, unfähigkeit zur angstwahrnehmung und beziehungsunfähigkeit GANZ UND GAR NICHT ZUFÄLLIG gerade unter besonders gewalttätigen, also potenziell traumatischen sozialen bedingungen, besonders funktionsfähig. die soziopathische struktur als menschliche option scheint ein logischer, auch durchaus evolutionärer versuch zu sein, die spezies unter traumatischen bedingungen quasi über die runden zu bringen.
bedauerlicherweise lässt sich diese psychophysische mutation nur noch als "mensch neuen typs" betrachten, weil ihr so ziemlich alles fehlt - an erster stelle die liebesfähigkeit - was uns menschen als soziale wesen ausmacht. und so paradox es klingt: dazu gehört auch die fähigkeit, sich überhaupt traumatisieren lassen zu können! denn ein trauma kann nur an bestimmten bruchlinien innerhalb der psychophysis ansetzen und verwandelt dort primär vertrauen in misstrauen, (zer-)stört derart auch die allgemeine beziehungsfähigkeit, produziert rückzug in fiktionale welten, isolation - ganz allgemein gesagt, wird der objektivistische modus zur kompensation der verschütteten / verlorenen sozialen fähigkeiten extrem aktiviert und darüber der eigentlich "gesunde autismus" innerhalb unserer struktur zu einem pathologischen zustand.
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am anfang hatte ich von der großen gleichgültigkeit geschrieben, und die ist für mich ebenfalls ein immanenter ausdruck der traumatischen matrix, die unser aller leben bis heute bestimmt. und wie ich in den vergangenen beiträgen der letzten wochen zum thema der gewalt in totalen institutionen schon angemrkt hatte, ist das, was aktuell alles sichtbar geworden ist, nur als ein teil dieser matrix zubegreifen:
(...) "Der Bundesgerichtshof freilich hat noch 1988 "eine gelegentliche Tracht Prügel" für zulässig erklärt. Die Züchtigung mit einem "stockähnlichen Gegenstand" sei, so sagten die fünf hohen Richter im genannten Fall, "nicht pauschal zu verdammen". Es müssten, so urteilten sie allen Ernstes, alle "objektiven und subjektiven Umstände des Tatgeschehens geprüft werden". Die Untaten des Kindes mussten also zur Dicke des Schlauches und der Zahl der Schläge ins Verhältnis gesetzt werden. So war es Recht - nein, nicht bis 1800, nicht bis 1900, sondern bis zur großen Rechtsänderung von 2000.
Ist das verdrängt - aus Scham über das Vergangene, aus Stolz über das Erreichte? Die lange Geschichte der alltäglichen Prügelei in Schule und Familie ist erst vor einer historischen Sekunde zu Ende gegangen.
Es ist bezeichnend, dass zwei Jahrtausende lang "Frau Grammatika", also die Symbolfigur für Schule und Unterricht, mit der Rute in der Hand gezeigt worden ist. Und zwei Jahrtausende lang hieß das, was heute elterliche Sorge heißt, elterliche Gewalt. Martin Luther hat sie so geschildert: "Die Mutter stäupte mich um einer geringen Nuss willen, dass das Blut hernach floss." Aber, so fügte er an, die Eltern "meinten’s herzlich gut". Diese Art von Güte ist noch nicht ausgestorben.
Das Recht des Ehemanns, die Ehefrau zu züchtigen, wurde erst 1947 offiziell aufgehoben; das Recht des Lehrherrn zur väterlichen Zucht der Lehrlinge wurde erst 1951 abgeschafft; die schulischen Körperstrafen, also die von Lehrern verabreichten Ohrfeigen, Kopfnüsse und Tatzen, wurden in der Bundesrepublik erst 1973 umfassend verboten. Erst seit 1998 sind "körperliche und seelische Misshandlungen" im Bürgerlichen Gesetzbuch für unzulässig erklärt.
Und erst seit dem Jahr 2000 steht dort der klare Satz, der Kindern ein "Recht auf gewaltfreie Erziehung" gibt. Dagegen gab es vor einem Jahrzehnt massive Widerstände. Es sei, so hieß es, dem "Kindeswohl wenig förderlich, wenn Selbstverständlichkeiten ständig wiederholt würden". Selbstverständlichkeiten? Die Eiszeit der Erziehung ist soeben erst zu Ende gegangen. Sie war eine Art Scharia im Westen. Die Misshandlungsskandale, die heute entdeckt werden, sind ihr Nachhall." (...)
mal abgesehen davon, dass die realität nicht nur für viele kinder und nicht nur in anderen regionen, sondern auch in diesem land bekanntlich immer noch so aussieht, dass es fraglich erscheint, bei den "skandalen" von heute von einem "nachhall" zu sprechen, geht bei dieser nötigen und sachlich durchaus richtigen darstellung eines völlig unter: nämlich dass die in juristische normen gegossenen veränderungen in jedem fall gegen den gesellschaftlichen mainstream und die relevanten teile der "eliten" sowieso erkämpft werden mussten - und das gilt eigentlich für alle "zivilisatorischen" errungenschaften, mit denen sich der "freie westen" bis heute zur abgrenzung und selbsterhöhung gegenüber anderen kulturen selbstgefällig schmückt. egal ob arbeiterInnenrechte, stellung der frau oder eben respekt vor kindern: jedes noch so kleinste fitzelchen positiver entwicklungen musste unter teils großen opfern den jeweiligen historischen machteliten aus den händen gezerrt werden; oft genug hiess das auch: kompromisse zu ertragen, weil die eigene macht nicht ausreichend war.
und das, was da dann letztlich alles in gesetzbücher und deklarationen gepackt wurde, ist selbstverständlich nicht davor gefeit, mit einem mal wieder ausradiert zu werden. immer noch stellen diese formen lediglich prothesen für mehr oder weniger gewünschtes soziales verhalten dar - und die notwendigkeit, mit strafandrohungen im falle des nichtbefolgens zu arbeiten, unterstreicht einmal mehr, dass die einzige - relative, aber stärkste denkbare - tatsächliche sicherung dessen, was allgemein als menschenrechte bezeichnet werden kann, nur darin liegt, die traumatische matrix und ihre per unendlich erscheinender individueller und kollektiver re-inszenierungen fortdauernde existenz in möglichst vielen menschen möglichst weitgehend aufzulösen. was dann ohne zweifel auch entsprechende gesellschaftliche konsequenzen hätte.
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ich komme nun langsam zum ende dieses nicht zufällig in der rubrik "assoziation" erscheinenden beitrags. hatte ich weiter oben - im teil zur mafia - von eigener zwiespältigkeit im angesicht der eingangs skizierten wahrnehmungen geschrieben und die mafiasierung als eine zu beobachtende entwicklung dargestellt, so fehlt noch sozusagen die andere seite: könnte es sein, dass innerhalb der erwähnten gleichgültigkeit auch eine tendenz der grundsätzlichen abwendung von den existierenden strukturen vorhanden ist, die sich in einer sozusagen ernüchterten, aber dadurch auch realistischeren einschätzung der eigenen mittel und kräfte ausdrückt? ich kann und will damit nicht meine eigenen, leider negativen eindrücke relativieren oder zurücknehmen, bin aber der meinung, dass sich sehr wohl gerade aktuell durch die thematisierung überhaupt - sowie teils durch ihre art und weise - der gewalt gegen kinder / jugendliche - auch solche tendenzen, wenn auch sozusagen im hintergrund, wahrnehmen lassen. heute leben immerhin zumindest relevante teile von ein paar generationen in den westlichen staaten, für die weder elterliche gewalt noch militärische dressur einen nicht zu hinterfragenden regelfall darstellten. starke minderheiten haben bisher historisch immer als katalysatoren positiver sozialer entwicklungen gewirkt - und je weniger eigene traumatische biographien diese mit sich schleppen müssen, umso mehr steigt die option für ähnliche prozesse.
ich bin mir aber durchaus nicht im klaren darüber, ob das nun eine realistische, wenn auch unwahrscheinliche möglichkeit ist oder aber eine art wunschdenken.
nötig wäre ersteres allemal, um die finsternis zumindest ein bißchen zu vertreiben.
...werden ja nicht nur hierzulande von befürwortern des westlichen kriegseinsatzes dort quasi als kronzeuginnen dafür benannt, warum dieser einsatz angeblich unverzichtbar, humanitär und freiheitsbringend sei - gerade für den weiblichen teil der dortigen bevölkerung, die unbestritten unter dem talibanregime eine unmenschliche existenz fristen mussten. andererseits sind den gleichen befürwortern die guten westlichen kontakte zu einem regime wie dem im klerikalfaschistischen, ultrapatriarchalen und plump sexistischen saudi-arabien in aller regel aber sowas von egal, das die instrumentalisierung der frauen in afghanistan vor diesem hintergrund um so schärfer heraustritt.
und nicht nur die eben genannten ignorieren bis heute weitgehend die eigenen stimmen der von ihnen genannten zielobjekte (das hat durchaus mehrere bedeutungsebenen) der westlichen menschenliebe. würden sie das nicht so halten, müssten sie nämlich zu kenntnis nehmen, dass gerade solche frauen in afghanistan, die selbstbewusst und mutig genug sind, öffentlich aufzutreten, sehr begründet oppositionell gegen die islamistischen fundamentalisten, die nicht primär religiös orientierten warlords und die westlichen truppen stehen.
aber was nicht passt, wird gerade von den predigern des freedomanddemocracy (TM) ohne weiteres passend gemacht, wenn´s nicht in den eigenen kram passt. bedeutet auf einer niedrigen stufe meist konkret: totgeschwiegen.
alle anderen sollten sich aber nicht nur intensiv mit den inhalten der frauen von
beschäftigen, sondern auch deren existenz überhaupt breiter in das öffentliche bewusstsein bringen. ich wünsche mir den obigen link an ganz vielen stellen im netz.
"Darunter steht auf dem Regal ein Foto des Teenagers Barry in Uniform. Dem 18-jährigen Katholiken mit irischen und mexikanischen Wurzeln, der auszog, gegen das "Böse" zu kämpfen. "Schon auf der katholischen Highschool haben sie uns eingetrichtert: Kämpft gegen die Kommunisten, schützt die vielen Glaubensbrüder in Vietnam", sagt Barry Romo. Er meldet sich freiwillig."
"Und auch über das Töten? Auch das wird immer häufiger Alltag eines deutschen Soldaten. Was sagen Sie als Geistlicher dazu, wo doch das biblische Gebot das Töten verbietet?
"Als Militärgeistlicher unterstütze ich ja nicht das Töten. Ich bin für die Menschen da, und die Soldaten der Bundeswehr sind keine Killermaschinen, sondern Menschen, die bei der Erfüllung ihres Auftrags in Gewissensnöte kommen können. Viele fragen sich, wie es ist, wenn sie schießen müssen. Was, wenn sie dabei töten? Damit setzen sie sich auseinander - und beantworten die Frage für sich so, dass sie es jedenfalls theoretisch mit ihrem Gewissen vereinbaren können."
es ist ja nicht so, dass speziell die katholische kirche "nur" wegen ihrer besonders gegen kinder gewaltaffinen institutionellen struktur in die tonne gehört, obgleich das alleine schon völlig ausreichen würde - nein, auch was das sog. kriegshandwerk, dassegnen der waffen, die bereitstellung pseudomoralischer korsette (wie oben im zitat) für zweifelnde sowie die ideologische unterfütterung von kriegen und diktaturen ("für gott, kaiser und vaterland") im allgemeinen betrifft, hat die katholische sekte derart viel historisches unheil angerichtet, das sie längst - wenn´s das denn gäbe - ein wahrhaftiges gottesgericht mit blitz, donner und sintflut mehr als verdient hätte. da solche fiktionalen gebilde wie götter den vorteil haben, dass man sie bei bedarf wie das kaninchen aus dem zaubererhut hervorziehen kann, und dieser trick auch bei allen großen und kleinen sekten weltweit sozusagen zum fundamentalen handwerkszeug gehört, lässt sich gegen derlei treiben bis auf weiteres u.a. nur die methode einsetzen, ihnen den jeweils sichtbaren dreck solange unter die nase zu reiben, bis der gestank schier unerträglich wird - und das gilt von "scientology" bis hin zum vatikan.
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perfide und infamhatte ich letzteren schon genannt - und was in den paar tagen seit diesem letzten beitrag alles folgte, unterstreicht dieses urteil auf eine art und weise, die neben wuterzeugend schon regelrecht ekelerregend ist. einen klopper nach dem anderen hauten die kostümierten mumien heraus, gefolgt von an den haaren herbeigezogenen ausreden, lächerlichen dementis, abstrusen rechtfertigungsversuchen und ständigen belegen einer wachsenden paranoia. und nein, ich habe gerade keine lust mehr, mich hier noch so nüchtern auszudrücken wie das die "frankfurter rundschau" in einemkommentartut:
(...) "Vom Propaganda-Vorwurf an die Kritiker ("Geschwätz des Augenblicks") über die Solidaritätsadresse an den Papst bis hin zum Antisemitismusvergleich hatte Rom alles zu bieten, was zu einem ordentlichen PR-Desaster gehört." (...)
ja, als "pr-desaster" lässt sich das alles auch begreifen, und für den konzern "katholische kirche", der ja als hauptprodukte "seelenheil" und "moral" unters volk bringen will, ist das derzeitige geschehen aus einer sozusagen betriebsökonomischen sicht ein ähnliches debakel wie durchdrehende gaspedale für einen autokonzern. aber dieser blickwinkel ist zu beschränkt - darum jetzt noch mal die widerlichkeiten des wochenendes der reihe nach.
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die rede des "persönlichen predigers" von ratzinger, cantalamessa, hatte ich ja schon im letzten beitrag kommentiert. nachdem die internationale kritik immer heftiger wurde, hat der vatikan das ganze als "nicht repräsentative einzelmeinung" undbedauerliches missverständnisversucht zu dementieren:
(...) "Indes bemüht sich der offizielle Vatikan um Schadensbegrenzung. "Ich dementiere auf die strikteste Weise, dass dies ein vom Vatikan angeregter Vergleich zwischen dem Antisemitismus und der derzeitigen Situation die Pädophilie betreffend wäre", erklärte Lombardi. Das Zitat habe allein ein "Zeugnis der Solidarität" von einem Juden sein wollen. Dies habe absolut kein Angriff auf die jüdische Welt sein sollen und sei auch "kein passender Vergleich", so der Vatikansprecher." (...)
auch cantalamessa versuchte sich selbst mit der sinngemässen aussage zu dementieren, dass er ja nur "einen solidarischen brief eines jüdischen freundes" zitiert hätte (den er übrigens nicht nennen will; und seltsam genug: wenn denn dieser angebliche freund tatsächlich so solidarisch ist, warum spricht er dann nicht selbst?); ratzinger hätte von der predigt "nichts gewusst" (und hat sie sich kommentar- und auch sonst ziemlich regungslos angehört) und überhaupt hätte er das "natürlich" alles gar nicht so gemeint (wie´s sowohl bei großen organisationen von überlebenden der innerkirchlichen gewalt in den usa als auch bei vielen jüdischen gruppen / organisationen angekommen ist). festzuhalten bleibt für mich zweierlei: die besondere perfidität, die darin liegt, dass, was man sich selbst nicht auszusprechen traut, dann einen - womöglich (!) noch imaginären - , scheinbar "neutralen" dritten sagen zu lassen. und eben auch die durchschimmernde feigheit der ganzen funktionäre, die im gleichen moment als sie merkten, was ihre institution da für einen rohrkrepierer produziert hat, versuchten, alles kleinzureden bzw. zurückzunehmen. hat glücklicherweise nach meinem eindruck nicht ganz so funktioniert, wie es sich die kostümierten vielleicht vorgestellt haben.
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letzteres lag zu einem nicht geringen teil auch an dem, was kurze zeit später ein weiterer funktionär meinte von sich geben zu müssen - sodano heisst er, und ist jetzt für folgendeunverschämtheitbekannt:
(...) "Umso ungewöhnlicher war es, dass einer der einflussreichsten Kardinäle in Rom, der Dekan des Kardinalskollegiums, zu Beginn der Messe das Wort ergriff und den Papst der rückhaltlosen Unterstützung versicherte. Vom "unbedeutenden Geschwätz dieser Tage" würden sich die Gläubigen nicht beeinflussen lassen, sagte Kardinal Angelo Sodano. "Die Kirche ist mit dir", versicherte der 82-Jährige dem Papst - und das gelte nicht nur für Kardinäle und Bischöfe auf aller Welt, sondern vor allem für die 400.000 Priester, die im Dienst der Kirche stünden. Der Papst sei "der makellose Fels der heiligen Kirche Christi". (...)
das "unbedeutende geschwätz dieser tage" sieht zb. so aus -"Ich verwalte meinen Körper nur noch"- oder auch so:Scham fressen Seele auf. vom ozean der "stinknormalen" prügel, demütigungen und ängste innerhalb (ja, nicht nur!) kirchlicher institutionen gar nicht zu reden. sodano hat immerhin klartext geredet und überdeutlich gemacht, was von den vielen rhetorischen schuld- und reuebekenntnissen seitens der sekte in der letzten zeit wirklich zu halten ist (ich finde es übrigens keinen zufall, dass es sehr ähnlich auch besonders im herbst und winter 2008 von einer anderen, ebenso nutzlosen, überflüssigen und destruktiven gesellschaftlichen gruppe zu hören war: die bankster und ihr gesinde in der sog. "politik" wimmerten und jammerten ähnlich "voller reue" herum, bevor sie dann im großen und ganzen kollektiv den beweis dafür antraten, dass es schuld- und reuebekenntnisse von leuten eines solchen kriminellen kalibers kostenlos für alle - und besonders für sie selbst - im grabbeltisch am ausgang gibt - quasi zur allgemeinen sedierung).
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und nicht nur vor dem hintergrund des obigen werden auch die am wochenende gefallenen salbungsvollen erklärungen und versprechungen verschiedener hiesiger kirchenfunktionäre - "bischöfe" - zurechtgerückt (innerhalb der hierarchischen kirchenlogik und -struktur müssten sie sich, wenn sie es denn ernst meinen würden, ebenso ernsthaft mit ihrem obersten "weltlichen" chef und seinem apparat anlegen - dafür gibt es nicht das geringste anzeichen) - nein, auch die unterstützung dieser leute für den notorischen mixa widerlegt ihre frommen wünsche auf das allerdeutlichste. die fragen am ende diesesbeitragsstellen sich nach den jüngstenäusserungenmixas nochmals verschärft:
(...) "Mixa kann sich indes nach eigenen Angaben nicht an die Personen erinnern, die ihm Misshandlungen vorwerfen. Zugleich erneuerte der Bischof sein Angebot, mit ihnen zu sprechen.
Mixa sagte der "Welt am Sonntag": "Diese Leute können sich doch gar nicht mehr an mich erinnern." Angesprochen auf die aktuellen, in Zeitungen veröffentlichten Fotos der Personen fügte er hinzu: "Ich erinnere mich auch nicht mehr an sie."
Er wolle sich weiterhin "gerne mit den Betroffenen zu persönlichen Gesprächen treffen, um zu erfahren, was ihnen widerfahren ist", sagte er der "Bild am Sonntag". Er werde für sie beten, denn für ihn als Seelsorger seien sie Opfer, denen offenbar Unrecht geschehen sei." (...)
also doch eine (praktische) amnesie? ein durchaus beliebtes mittel bei angehörigen von "eliten" jedenfalls; oft genug schon bewährt bei kriegsverbrechen, waffengeschäften, korruptionsfällen und parteispenden - "ich bin klein, mein herz ist rein, mein hirn ist leer und meine geldbörse schwer" - mixa würde sich damit bei einer ganzen armee sehr illustrer gestalten einreihen, die plötzlich und unerwartet einfach ihre erinnerung "verloren" haben - bevorzugt vor irgendwelchen untersuchungsauschüssen, oder aber ganz generell in der öffentlichkeit.
schier unerträglich ist jedenfalls weiterhin seine herablassende attitüde gegenüber seinen opfern - perfide und infam sind auch hier angemessene worte. wäre ich selbst betroffen, würde ich ihm seine gebete persönlich vor die füße spucken.
mir kommt es übrigens nach ansicht des fr-artikels so vor, als hätten in der zwischenzeit neben den zehn in meinem damaligen beitrag schon genannten betroffenen jetzt weitere ihren mut zusammengenommen - schilderungen ähnlich den folgenden sind zumindest für mich neu:
(...) "Derweil berichtete ein 40-jähriger Mann aus dem Rosenheimer Raum, der von Mixa in der Grundschule unterrichtet worden war, dem in Ingolstadt erscheinenden "Donaukurier" (Samstagausgabe) über Misshandlungen durch den heutigen Bischof. "Mixa war nicht nett, er hat uns an den Haaren und den Ohren gezogen", wird der Mann zitiert. Er sei ganz anders gewesen, als der Augsburger Bischof sich in den Medien darstelle, behauptete der Mann. Es sei Zeit, dass die Dinge ans Licht kämen.
Ein weiterer, in Innsbruck lebender Mann sagte dem Blatt, von Mixa geschlagen worden zu sein, weil er aus dem Heim abgehauen gewesen sei. Als die Polizei ihn zurückgebracht habe, habe er sich "vom damaligen Stadtpfarrer Mixa" wortlos eine gefangen. Eine Frau aus Weilach behauptete, Mixa habe sie im Firmunterricht geschlagen, danach habe sie ihm die Hand küssen müssen." (...)
aber klar, alles "lügen", "unbedeutendes geschwätz" von bösen menschen, die der heiligen kirche und ihren heiligen kostümträgern aus zielichtigen gründen ans bein pissen wollen. natürlich kommen dafür dann auch prompt entprechendegemeindeschafeals zeugen zum vorschein:
(...) "Gewalttätige Übergriffe des damaligen katholischen Stadtpfarrers von Schrobenhausen hätten sie niemals miterlebt, schreiben knapp 20 Bürger, die damals Ministranten waren oder sich als Jugendliche in der Pfarrei St. Jakob engagierten, in einem Offenen Brief. Sie können sich auch nicht vorstellen, dass Mixa zu solchen Übergriffen fähig gewesen wäre." (...)
die können sich offensichtlich so einiges nicht vorstellen - mit etlicher wahrscheinlichkeit deshalb, weil sonst ihre scheinheilige idylle zusammenbrechen würde. ich glaube mixa nach wie vor kein einziges wort.
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um die dimensionen des ganzen widerwärtigen schauspiels, welches die katholische sekte gerade bietet, einigermaßen zu komplettieren, sei hier noch kurz auf zwei interessante artikel hingewiesen: einmal die zeit mit der aufschlußreichen und detaillierten darstellung der mittel, methoden und handelnden personen in einem deutlichen fall von vertuschung in den usa -Geheimprotokoll belastet wichtigsten Mitarbeiter des Papstes; zum anderen spon mit einem einblick in die derzeitigesituation in mittel- und südamerika:
(...) "In der Kathedrale von Mexico City begann die Karwoche mit einem Eklat: Die Oppositionspolitikerin Julia Klug legte vor dem Gotteshaus ein Tuch aus, auf dem Parolen gegen Kardinal Norberto Rivera und den Papst prangten: "Benedikt und Norberto Rivera schützen Vergewaltiger! Was sind das nur für Gottesvertreter?", war auf dem Banner zu lesen. (...)
Mexiko fühlt sich besonders betroffen: Marcial Maciel Degollado, der vor zwei Jahren verstorbene mexikanische Gründervater des einflussreichen Ordens Legionäre Christi, aus dem sich eine große Zahl des Priesternachwuchses rekrutiert und der im Vatikan längst glänzend vernetzt ist, verging sich jahrzehntelang an Jungen und Mädchen, mehr als 70 angebliche Missbrauchsopfer haben sich gemeldet.
Als Kardinal und Chef der Glaubenskonkregation leitete Joseph Ratzinger im Jahr 1997 eine Untersuchungskommission im Vatikan, die alle Vorwürfe gegen Maciel aufklären sollte. Maciel, der eine "Einladung" der Kongregation nach Rom erhalten hatte, erschien nicht - aufgrund seiner schlechten Gesundheit wurde das Verfahren eingestellt. Er wurde jedoch in ein Kloster verbannt. Die Legionäre Christi hielten es inzwischen für geboten, sich offiziell und "zutiefst erschüttert" von ihrem Gründer Maciel - der übrigens mindestens drei Kinder zeugte - loszusagen." (...)
auch interessant - und beunruhigend - ist die darstellung der evangelikalen fundamentalistischen sekten, die in das vakuum drängen, welches die katholen zunehmend produzieren. pest oder cholera ist in keinem fall, egal in was für bereichen, eine akzeptable wahl.
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soweit die mir nötig erscheinenden nachträge speziell zur kk. ein kleiner, aber durch ein paar eigenarten besonders widerlicher ausschnitt aus dem ganzen bild der gewalt gegen kinder und jugendliche, welches in diesemkommentarumrissen ist. und das wird hier weiterhin thema bleiben.
fast wäre mir die gestern stattgefundene fortsetzung derunendlichen geschichteentgangen, nämlich einbeleg absolut geschichtsvergessener bösartigkeitund des-selbst-zum-opfer-machens seitens der katholischen sekte - bei der karfreitagspredigt im hauptquartier ließ der "persönliche prediger" des ratzinger alle masken fallen:
(...) "Der persönliche Prediger von Papst Benedikt XVI. hat die im Zusammenhang mit der Missbrauchsaffäre gegen die katholische Kirche und ihr Oberhaupt erhobenen Vorwürfe mit dem Antisemitismus verglichen. Die Juden seien in der Geschichte Opfer kollektiver Gewalt geworden, und die Anschuldigungen gegen die Kirche und den Papst erinnerten an die "schändlichsten Aspekte des Antisemitismus", sagte Pater Raniero Cantalamessa bei einem Karfreitagsgottesdienst im Vatikan. Ein jüdischer Freund habe ihm geschrieben, dass er die "gewaltsamen und konzentrierten Angriffe" auf die Religionsgemeinschaft und ihr Oberhaupt mit Abscheu verfolge. (...)
Nach scharfer Kritik aus dem Ausland hat sich der Vatikan vom Antisemitismus-Vergleich eines hohen Geistlichen in der Missbrauchsdebatte distanziert. Ein solcher Vergleich könne zu Missverständnissen führen, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi am Freitagabend der Nachrichtenagentur AP. Die Äußerungen von Raniero Cantalamessa seien nicht die offizielle Position des Vatikans." (...)
nachdem sie also gemerkt haben, dass dieses absolut unverschämte manöver einer organisation, die nicht nur selbst in ihrer langen unheilvollen geschichte immer wieder antisemtismus geschürt hat, sondern dazu noch nach dem wk2 diversen nazis mithalf, den kopf aus der schlinge zu ziehen, ausserhalb ihres clubs der wahnhaften zwangsvorstellungen nicht sooo begeistert aufgenommen wird, distanzieren sie sich von sich selbst.
aus der vielzahl entsprechender kommentare im forum des "standard" sei nureinerals repräsentativ zitiert - das spart mir an dieser stelle einen enormen wutausbruch:
"Diese selbstgefällige Vatikanbrut schafft es, in einem Vergleich gleichzeitig die Opfer der Shoah und die Missbrauchsopfer der sadistischen Pfarrer zu verhöhnen."
grenze endgültig erreicht und überschritten. diese sekte gehört abgewrackt auf den müllhaufen der geschichte.