Montag, 24. Mai 2010

assoziation: zum öligen menetekel im golf - zwei sätze, weitergedacht (1)

zum menetekel im golf hat sich drüben auch somlu einige grundsätzliche gedanken gemacht, incl. zweier filmtipps, die ich natürlich unterschreibe. dann aber wären da noch zwei sätze, die in mir im laufe der folgenden stunden nach dem lesen ein wahres gewitter an assoziationen ausgelöst haben:

"Ja, verdammt, vielleicht wird das alltägliche Leben schwerer, wenn die Petrochemie nicht mehr ist. Vielleicht müssen wir uns auf Kochkisten und weniger Mobilität zurück besinnen."

*

als erstes fällt mir beim stichwort "petrochemie" ein, wie wenig ein tatsächliches bewusstsein darüber vorhanden ist, dass "wir" hier in den westlichen lebenswelten allesamt als kohlenwasserstoff-junkies zu gelten haben - ja, auch Sie da! zur untermalung dieser betrüblichen botschaft möchte ich jetzt mal einen kleinen (imaginären) rundgang durch den alltag veranstalten, wie er sich für die meisten von uns so darstellt.

wenn Sie das nächstemal in Ihrem bett aufwachen, schauen Sie sich einfach mal genau um - worauf fällt Ihr blick alles? wenn Sie in der verbreiteten kombination aus arbeits- und schlafzimmer hausen, werden da vermutlich solche dinge wie bücher und zeitschriften herumliegen; vielleicht steht auch Ihr computer plus dazugehörige hardware herum. und wie sieht´s mit unterhaltungselektronik aus? fernseher, cd- / dvd-player ? womöglich haben Sie aus liebhaberei sogar noch irgendwo einen cassettenrecorder oder plattenspieler plus zugehörigem vinyl herumstehen?

wie dem auch sei: Sie stehen jetzt auf, recken & strecken sich herzhaft und laufen - über einen kunstfaser-teppichboden ? oder doch über holz ? (falls das schon vor Ihrem einzug verlegt gewesen ist - wissen Sie, ob und wie das imprägniert ist ?) angesichts der z.zt. nicht wirklich lauschigen nachttemperaturen drehen Sie vielleicht erst mal die heizung herunter und haben dann noch einen flüchtigen gedanken für die farben und lacke an wänden, türen, möbeln und heizkörpern übrig. im schlechtestenfalls fensterlosen badezimmer machen Sie erstmal das licht an und gehen unter die dusche - heisses wasser und irgendwelche duschbäder oder shampoos machen Sie für einen neuerlichen ausflug ins rattenrennen grundsätzlich funktionsfähig. danach dürften, geschlechts- und altersabhängig, auch noch einige aufhübschungen mittels kosmetik fällig sein, bevor Sie sich abschließend nochmal die hände mit einer - recht billigen - seife waschen. benutzen Sie übrigens parfüm ?

dann kleiden Sie sich an - irgendwo in Ihren klamotten werden mit großer wahrscheinlichkeit ebenfalls synthetische fasern verarbeitet sein, und wenn Sie nicht unbedingt lederschuhe tragen sollten... btw.: müssen Sie Ihre schuhe nicht mal wieder mit den entsprechenden schuhputzmitteln reinigen ?

in die küche gewechselt, werden Sie vermutlich erstmal den üblichen morgendlichen koffeinflash benötigen - fragt sich nur, ob mittels wasserkocher oder per kaffeemaschine. aber strom brauchen Sie nicht nur hier. wenn Sie´s denn leider benötigen sollten, kommt jetzt vielleicht auch die zeit, Ihr medikament einzunehmen. hoffentlich sind Sie so vernünftig, wenigstens ordentlich zu frühstücken - ein blick in den kühlschrank fällt auf - falls Sie nicht gerade in der "hartz-IV"-mühle stecken -allerlei mehr oder weniger bunte verpackungen, in denen die - vermutlich mehrheitlich konventionell produzierten - nahrungsmittel ihrer bestimmung harren. Sie essen ein häppchen, schmeißen vorher noch ein wenig wäsche incl. waschmittel in die waschmaschine und eilen aus dem haus.

am himmel zieht ein flugzeug seine runden, während Sie zu Ihrem auto gehen, für dessen nutzung Sie natürlich äusserst triftige argumente anzuführen wissen. besser wäre es, Sie würden wenigstens heute mal wieder Ihr fahrrad ausführen - wobei die wahrscheinlichkeit groß ist, dass weder Ihre auto- noch fahrradreifen aus naturkautschuk bestehen. vergessen Sie nicht, die kettenschmierung zu überprüfen - ist vermutlich schon ein weilchen her seit dem letztenmal.

sehr schön, Sie haben sich für´s rad entschieden - im winter wäre jetzt noch die straßenbeleuchtung an, und während Sie so über den radweg brausen, schweift Ihr blick über den asphalt auf der strasse zu einem bitumengedeckten flachdach. Ihre neue "gore-tex"-jacke trägt sich angenehm, und als Sie bauarbeiter an einem haus sehen, fällt Ihnen kurz die noch ausstehende außenisolierung gegen die feuchtigkeit in Ihrem keller ein.

*

ich muss diesen imäginären tagesbeginn jetzt mal abbrechen, und zwar rein aus platzmangel - wie Sie (da bin ich mir sicher) bereits bemerkt haben, sind alle kursiv geschriebenen dinge im prinzip nichts weiter als platzhalter für das wort
petrochemie, womit letztendlich alle produkte gemeint sind, die direkt und indirekt - meistens in ihren wichtigsten komponenten - auf erdöl oder -gas basieren. ich habe dabei nur die augenfälligsten überhaupt angeführt; wo wir überall im alltag mit der petrochemie in berührung kommen - und zwar in allen lebensbereichen - , lässt sich vermutlich leichter darstellen, wenn die aufzählung sich darauf beschränken würde, wo nicht - und das ist ein verdammt schweres unterfangen. wer sich übrigens wundert, warum auch nahrungsmittel auftauchen, sollte sich mal gedanken über kunstdünger sowie das haber-bosch-verfahren machen. von den transportwegen und -mitteln mal ganz abgesehen, ebenso von der in der konventionellen landwirtschaft eingesetzten technik. und worauf basieren nochmal pestizide u.ä. gifte ?

kurz auf den punkt gebracht: nicht nur unser alltagsleben, sondern auch so ziemlich die gesamte infrastruktur der westlichen industriellen zivilisation, beruht und funktioniert auf und mittels (fossilen) kohlenwasserstoffen. das erdölzeitalter

graphische darstellung des erdoelzeitalters
<br />
quelle: bgr

- links nebenstehend sehen Sie eine interessante graphische darstellung der zeitlichen dimensionen (quelle ist die "bundesanstalt für geowissenschaften und rohstoffe"); dargestellt wird die geschätzte menge des förderbaren öls, und Sie sehen auch den peak in der förderung kurz nach dem jahr zweitausend - wobei der genaue zeitpunkt nun meiner meinung nach recht unerheblich ist; das der peak beim billigen (!) öl unvermeidlich eintritt, bestreiten nur noch ignoranten - bei den anderen langt die zeitspanne etwa vom jahr 2005 bis zur "optimistischsten" schätzung 2040. wahrscheinlich ist es bei betrachtung der nachweislich fallenden fördermengen in so ziemlich allen global relevanten feldern - und das sind im verhältnis recht wenige - , dass wir uns in unmittelbarer nähe des peaks aufhalten, meiner vermutung nach schon jenseits.

beim nachdenken finde ich auch interessant, dass ich mich nicht daran erinnern kann, irgendwann in der schulzeit auch nur einmal irgendetwas relevantes zum thema erdöl, geschweige denn zu seiner realen bedeutung gehört zu haben. wer nach dem jahr 1950 geboren worden ist, muss (im westen) unweigerlich den eindruck einer nicht zu hinterfragenden "normalität" des (ölbasierten) materiellen alltagsniveaus gewonnen haben; dabei ist diese normalität alles andere als das, sondern real eher eine historische ausnahme, komprimiert bei großzügigster auslegung etwa auf die zweihundert jahre von 1850 bis 2050 (wo dann vermutlich auch noch die letzten erreichbaren funde in den polaren tiefseegebieten in tausenden von metern tiefe oder auch die ölsande zusammengekratzt werden) datierbar. bezgl. der anfänge: wer mal eine informative und launig geschriebene darstellung dieser anfänge lesen will, incl. historischer photos von den ersten öl-umweltdesastern, sei auf
diesen artikel verwiesen.

die rolle der fossilen brennstoffe lässt sich in ihrer ganzen bedeutung auch in anderer form kurz zusammenfassen: öl (und gas) haben
  • wesentlich für eine unglaubliche zahl von bahnbrechenden wissenschaftlich-technischen fortschritten gesorgt
  • incl. aller medizinischen fortschritte
  • die industrielle landwirtschaft mit ihrer massiven produktivität ermöglicht
  • darüber dann auch das wachstum der menschlichen bevölkerung global explodieren lassen
  • für die heutigen stadtlandschaften gesorgt; incl. der mega-cities
  • die mikroelektronische "revolution" mitsamt all ihrer ausprägungen - u.a. das internet - zu verantworten
  • die kriegsführung bzw. die dazu verfügbaren mittel so tödlich wie nie zuvor gemacht
  • natürlich auch für diverse kriege unmittelbar gesorgt
  • die allgemeine mobilität in ungeahnte dimensionen getrieben
  • vorher unbekannte ökologische zerstörungen globaler bedeutung ausgelöst (direkte ölverschmutzungen, müllprobleme, smog, klimaveränderungen, landschaftsversiegelung etc. etc.
  • und natürlich auch die sog. globalisierung (der ökonomie) sowie die expansion des totalitären kapitalismus mitsamt seiner überproduktions- und sonstigen krisen erst möglich gemacht; in diesen zusammenhang gehört auch die mittlerweile absolut unerträglich gewordene umverteilung gesellschaftlichen reichstums an eine in relation wirklich winzige minderheit incl. der damit verbundenen machtungleichgewichte
  • durch all das dann indirekt auch zur allgemeinen beschleunigung, zu stress und letztlich vielen schwer gestörten psychophysischen zuständen mit beigetragen
in der zusammenfassenden bilanz wird für mich sehr deutlich klar: wir haben insgesamt einen viel zu hohen preis für die - inzwischen teils recht fragwürdigen - auch anscheinend positiven wirkungen des ölzeitalters gezahlt. ein kleiner teil davon ist momentan täglich in den nachrichten zu betrachten.

*

wer sich einen großteil des obigen selbst mal in möglichen zukünftigen entwicklungen vor augen halten möchte, sollte sich in der science- / social fiction umschauen - einmal wäre da das szenario von andreas eschberg in seinem roman "ausgebrannt" zu nennen...



...zum anderen das leider offenbar nur noch antiquarisch zu bekommende szenario "mutant 59: der plastikfresser" von kit pedler und gerry davis, in dem ein unfall mit einem genmanipulierten bakterium das gesamte fantastic plastic-universum im wahrsten sinne des wortes in (übelriechende) luft aufgehen lässt und dazu noch eine völlig neue definition des wortes haushaltsauflösung präsentiert wird. andere und weitere tipps sind natürlich willkommen.

*

im zweiten teil will ich mich mit einigen konsequenzen - u.a. für politische aktionen, aktuelle verteilungskämpfe, linke diskurse sowie westliche lebensstile - und auch weiteren absehbaren peaks beschäftigen, die sich aus meiner perspektive aus den realitäten des ölzeitalters plus seinem absehbaren ende ergeben. und ein wort, welches da eine große rolle spielen wird und gerade deshalb in so ziemlich allen diskussionen gemieden wird wie ein absolutes tabu, schreibe ich jetzt ebenfalls schon mal groß:

VERZICHT.

*

(zum
zweiten teil)

Samstag, 22. Mai 2010

notiz: zum öligen menetekel im golf - neue updates

ein weiteres update zum supergau im golf - zunächst hat sich der verdacht endgültig bestätigt, dass bp hinsichtlich der real austretenden ölmengen schlicht gelogen hat. trotz der als "erfolg" verkauften maßnahme, mittels eines rohrs im (größten) leck tonnen von öl abpumpen zu können, zeigen neue videos vom grund weiterhin einen ständigen ölausfluss ins meer. ausläufer des öls haben mittlerweile den sog. loop current erreicht, eine starke meereströmung im golf, die das ganze zeug wie schon neulich befürchtet richtung golfstrom / atlantik transportiert. damit kommen absehbar florida (mitsamt seinen ökologisch wichtigen keys), aber auch kuba in den "genuß" der schwarz-bräunlichen pracht. es laufen diesbezgl. bereits gespräche zwischen der us-administration und kuba - wer sich mit dem verhältnis beider länder etwas auskennt, wird an diesem schritt den druck erkennen können, unter dem die usa stehen.

dazu wurde in den vergangenen tagen das ergebnis eines
feldversuchs breiter bekannt, der vor einigen jahren von verschiedenen ölkonzernen (u.a. auch bp) und den zuständigen us-aufsichtsbehörde durchgeführt wurde - da ging es genau um die folgen eines solchen blow-out wie jetzt im golf - das wichtigste ergebnis lässt sich in einem satz zusammenfassen: lediglich ein sechzigstel des gesamten austretenden öls wird überhaupt an der oberfläche sichtbar! wer sich die sichtbaren ölmengen im golf betrachtet, sollte das ab jetzt immer vor dem hintergrund dieser information tun. währendessen sind die ersten wirklichen mengen öls bereits an der küste von louisana angelandet und haben bisher auf ca. 50 km länge die dortigen marschlandschaften zerstört - offizielle des bundesstaates reden davon, dass in diesen abschnitten "alles tot" ist. keine übertreibung - das waren nicht mehr "nur" einzelne flecken oder schillernde schlieren (beides schlimm genug), sondern die küste ist dort bedeckt von einem teils mehrere zentimeter dicken ölschlamm, der alles unter sich erstickt.

mittlerweile werden auch immer neue informationen rund um das verhalten von bp und den zuständigen us-behörden bekannt, die die wertung kapitalverbrechen im wahrsten sinne des wortes dick unterstreichen. hinsichtlich des bisher verwendeten dispersionsmittels "corexit" der firma "nalco" ist bp die weiterverwendung seitens der regierung ab diesem wochenende untersagt worden, die müssen sich jetzt nach einer "ungiftigeren" alternative umsehen. was aber hinsichtlich dieses mittels bisher kaum bekannt war, wird im folgenden
bericht deutlich:

(...) "Der britische Ölkonzern sitzt im Aufsichtsrat der Chemie-Firma Nalco - und hatte damit ein wirtschaftliches Interesse, möglich viele Liter der Chemikalie in den Golf von Mexiko zu sprühen. Nalcos Aktienkurs schoss seit der Ölpest um mehr als zehn Prozent in die Höhe. Durch die Umweltkatastrophe hat die Firma einen Umsatz von mehr als 40 Millionen Dollar gemacht.

Und die Studie, dass die Chemikalie Corexit ökologisch undenklich sei, kommt aus dem hauseigenen Institut der Öl-Firma Exxon. Die hat seit den 90er Jahren ein Joint Venture mit Nalco und sitzt ebenfalls im Aufsichtsrat." (...)


hübsch, oder? genauso wie die zustände, die inzwischen aus der für die ölbohrungen zuständigen aufsichtsbehörde
"minerals management service" bekannt geworden sind und dort bisher zu einem rücktritt sowie größeren umstrukturierungen geführt haben - dieser laden hat sich als hort der korruption erwiesen:

(...) "Erst 2008 hatte es Schlagzeilen darüber gegeben, dass sie in einem Bett liegen – und das auch im wahrsten Sinne des Wortes. Damals flog auf, dass mehr als ein Dutzend MMS-Mitarbeiter Sex mit Angestellten der Ölindustrie hatten, Berge von Geschenken annahmen und Gelage mit Alkohol und Drogen hielten. Zu den netten Gaben gehörten Golf- und Skiausflüge und feudale Abendessen – das alles in einer frappierenden Menge, hieß es damals in einem offiziellen Untersuchungsbericht." (...)

alles zusammengenommen bietet sich ein bild, zu dem zumindest mir keine passenden beschreibungen mehr einfallen.

Freitag, 21. Mai 2010

aufgewärmt: amok; (in) china; oxytocin, männer & autismus

mit dem sog. amok verhält es sich zumindest an einem punkt ein bißchen wie mit erdbeben und vulkanausbrüchen: alle besitzen die gemeinsamkeit, nicht derart vorhersagbar, geschweige denn kontrollierbar - im sinne einer genauen prognose - zu sein, wie es sich womöglich große teile der derzeitigen menschlichen gesellschaften mit all ihren kontrollambitionen gerne wünschen würden. sicher ist nur, dass sowohl die menschengemachte katastrophe als auch die naturphänome (die ebenfalls in vielen fällen erst durch menschliches (nicht-)handeln katastrophische wirkungen in der menschenwelt erzeugen) kommen, mal mehr, mal weniger regelmässig.

und das gilt auch für den
amok neuen typs - mit diesem begriff hatte ich die sehr spezifischen formen des school-shootings in den usa und europa versucht, vom "klassischen" amok etwas zu differenzieren. und war damals u.a. auf die arbeiten von götz eisenberg zum thema eingegangen, der immer noch als so etwas wie der führende "amok-forscher" hierzulande gelten kann. nun bin ich auf eine interessante rezension seiner neuen arbeit zum thema gestoßen, und zwar auch und gerade wegen der folgenden passage:

(...) "In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass bestimmte Eigenschaften von „Psychopathen“ – dass sie z.B. unfähig sind, sich in andere einzufühlen; dass sie anpassungsfähig, zynisch-kalt, bindungs- und skrupellos und ausschließlich an privater Nutzenmaximierung interessiert sind – durchaus auf die Hasardeure und Gurus der Finanzwelt zutreffen, die uns an den Rand des Abgrunds manövriert haben. Ja mehr noch. Unter Hinweis auf eine Studie von Paul Babiak und Robert Hare mit dem Titel „Menschenschinder oder Manager“ (München 2007), in der diese Autoren vor dem Vordringen von „Psychopathen“ in Führungspositionen warnen, fragt Eisenberg, wie wohl Menschen beschaffen sein müssen, die sich kalt und indifferent gegenüber den Schicksalen anderer Menschen verhalten. „Im Zeichen der neuen Management- und Unternehmensstrategien erhalten Leute eine Chance, die bereit sind, für ihre eigene Karriere über Leichen zu gehen, und im Namen kurzfristig erzielter Profite auch vor extrem riskanten und betrügerischen Projekten nicht zurückschrecken.“ (...)

ich habe das buch zwar noch nicht in den händen gehabt, finde es jedoch sehr positiv, dass sich das bewußtsein über bestimmte, letztlich schon länger bekannte mögliche zusammenhänge zwischen massiven psychophysischen defekten und dem aktuellen gesellschaftlichen status langsam zu verbreitern scheint. wenn ich eisenbergs thesen dazu selbst gelesen habe, kommt noch eine eigene rezension hinterher.

*

es wäre aufschlußreich, im vergleich einmal zu sehen, ob und wie sich amok-taten in den verblichenen "realsozialistischen" (= staatskapitalistischen) ländern abgespielt haben - auf die schnelle würden mir keine vergleichbaren ereignisse aus der geschichte dieser länder, oder auch aus kuba, einfallen, was natürlich bei der erinnerung an den üblichen umgang mit symptomen sozialer störungen in diesen ländern erst mal nichts zu sagen hat. trotzdem spricht einiges dafür, dass die moderneren formen des amoks ihre wurzeln auch in den jeweiligen sozioökonomischen verhältnissen haben, wozu in der kapitalistisch geprägten welt auch phänomene wie beschleunigung, stress, mobbing und (materielle) existenzunsicherheit gehören. in gewisser hinsicht durchaus unfreiwillig konnten die "realsozialistischen" staaten auch hier nicht dem (destruktiven) original das wasser reichen, was bezgl. amok dafür sprechen würde, dass diese spezielle wurzel dort nicht derart üble triebe hervorbringen konnte - im sinne eines verstärkers / triggers individueller psychophysischer biographischer dispositionen - wie in unserer heutigen welt. diese these im hinterkopf behaltend, betrachte ich die jüngsten informationen über
amok in china:

"Am Mittwochmorgen ist ein mit einem traditionellen Messer bewaffneter Mann in einen privaten Kindergarten in einem nordchinesischen Dorf in der Provinz Shaanxi eingedrungen und hat sieben Kinder, den Leiter und dessen Mutter zu Tode gehackt. Weitere elf Kinder wurden laut der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua verletzt, die sich auf lokale Behörden berief. Anschließend nahm sich der 48-jährige Mann in seinem Haus das Leben. Die Motive für die Tat blieben zunächst unklar.

Es war bereits der fünfte Amoklauf in einem Kindergarten in China mit Messern oder Hämmern in den letzten acht Wochen. Bisher starben dabei 17 Menschen, Dutzende wurden verletzt. (...) Alle Amokläufe wurden von Männern mittleren Alters verübt und dürften teilweise auch Nachahmungstaten gewesen sein. (...)

Die Amokläufe werden in der Volksrepublik als Zeichen für den psychologischen Stress gewertet, den der rapide gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Wandel auf die Bevölkerung ausübt. Auch könnten die Fälle signalisieren, dass es zu wenig Behandlungsmöglichkeiten für psychische Probleme gibt." (...)


zynisch könnte man sagen: jetzt erst ist china wirklich in der kapitalistischen (post-)moderne angekommen. in
anderen bereichen haben sich die dortigen systemvertreter ja schon länger bemüht.

im angesicht der puren zahl von menschen unter den aktuell extrem beschleunigten bedingungen in diesem land (plus der eigenen, durchaus in vielen teilen traumatischen, chinesischen geschichte) stellt sich überhaupt grundsätzlich die frage nach psychophyischer gesundheit im weitesten sinne, und
joachim jahnke hat sich diesbezgl. neulich ein paar tiefergehende gedanken gemacht:

(...) "Unter den Bedrohungsszenarien, die zu Angst und psychischen Störungen führen, dürfte der Globalisierungsdruck auf die Arbeitsmärkte der Welt eine erhebliche Rolle spielen. Seit einigen Jahren geht dieser Druck vor allem von China und seiner hunderte von Millionen starken Unterschicht an Wanderarbeitnehmer ohne Streikreicht und unabhängige Gewerkschaften aus. Die miserablen Sozial- und Arbeitsbedingungen werden mit dem Export der billigen Waren teilweise weitergereicht, real oder als Angstkulisse.

Aus den gleichen Gründen nehmen aber psychische Erkrankungen auch in China selbst erheblich zu. In nur sechs Wochen kam es jetzt zu sechs mörderischen Attacken von geistig oder seelisch Gestörten auf Schulen in China. Zuletzt wurden sieben Kinder und der Lehrer zu Tode gehackt. Yue Guo'an, Professor für Sozialpsychologie an der Nankai Universität in Tianjin meint:

„Chinas Gesellschaft betritt eine Hoch-Risiko-Phase. Die unfaire Verteilung des Reichtums, die offizielle Korruption, das Versäumnis der Sicherung der Grundnöte der Menschen, die Unfähigkeit, alle diese Probleme zu lösen, hat eine unharmonische Umwelt geschaffen."

Huang Yueqin, die Direktorin des National Centre for Mental Health meint:

„Meine eigene Schätzung ist, daß ein Drittel der Studenten, mit denen ich studiert habe, jetzt eine Form von mentaler Krankheit haben".

Unter den Todesfällen wegen Verletzung und Gewalt entfallen 28 % auf Selbsttötung. Prof. Michael R Phillips hat im Juni 2009 in der britischen medizinischen Zeitschrift Lancet eine von der Weltgesundheitsorganisation finanzierte Studie zu mentalen Störungen in vier chinesischen Provinzen veröffentlicht. Danach haben 17,5 % der Menschen in China eine Form von mentaler Störung, fast alle (95 %) jedoch ohne Behandlung. Schon 2004 war das die wichtigste Krankheitsform in China, die mehr als 20 % der gesamten Gesundheitsbelastung darstellte." (...)


solche zustände und die daraus folgenden aussichten muss und will ich nicht mehr ausführlich kommentieren; entsprechendes ist in früheren beiträgen nachzulesen. aber es wäre vielleicht mal nötig, dass sich die hiesigen (westlichen) amok-forscher mal genauer die chinesischen varianten betrachten würden - ich vermute, da gäbe es einige interessante aha-effekte.

*

das neuropeptid / hormon oxytocin spielt ja im menschlichen sozialen leben eine nicht geringe rolle (und dürfte auch in indirekter form beim gerade thematisierten mitbeteiligt sein), beispiele sind
hier und hier nachzulesen. vor einiger zeit nun machte eine meldung die runde, die ich aufgrund ihrer möglichen implikationen recht spannend fand - "Oxytocin macht Männer sensibel":

"Das Neuropeptid Oxytocin verbessert bei Männern die Fähigkeit, sich emotional in ihre Mitmenschen hineinzuversetzen. Die Substanz sensibilisiert außerdem für „soziale Verstärker“ wie lobende oder tadelnde Gesichter. Diese Erkenntnisse gewannen Forscher um Keith Kendrick von dem Babraham-Institut in Cambridge. (...)

Oxytocin ist ein Hormon, das die emotionale Bindung zwischen Mutter und Neugeborenem stärkt. Das Neuropeptid wird mit Gefühlen wie Liebe und Vertrauen in Verbindung gebracht. Die Studie zeige, dass emotionales Einfühlungsvermögen durch Oxytocin moduliert wird und dass Ähnliches auch für Lernprozesse mit sozialen Verstärkern gelte, behaupten die Wissenschaftler. (...) Die Oxytocin-Gruppe hingegen wies eine Empathie mit Werten auf, die in der Höhe derer von Frauen lag."


na sowas - wäre es dann doch angebracht, demnächst in fussballstadien, bei schlagenden verbindungen, aufsichtsratstreffen etc. ganz ähnlich wie bei lems
futorologischem kongreß zu verfahren...

(...) "Als Tichy einen Anfall von Güte und alles umfassender Zuneigung erleidet, wird ihm klar, dass der Diktator des Landes das Trinkwasser mit Benignatoren versetzt hat, chemischen Begütigungsmitteln, die einen Aufstand der unzufriedenen Bevölkerung des Landes gegen ihn verhindern sollen." (...)

... und die männlichen teilnehmer der benannten veranstaltungen ordentlich mit
"liquid trust" einzunebeln ? glücklicherweise (oder auch nicht, je nach standpunkt) ist oxytocin meines wissens aufgrund seiner flüchtigkeit für solche manipulativen projekte nicht sonderlich geeignet. interessanter finde ich da schon wie gesagt die möglichen implikationen, die sich sich ergeben, wenn man sich klarmacht, dass (in einem der oben verlinkten älteren beiträge zum thema kurz skizziert) oxytocin aufgrund seiner fundamentalen rolle auch im hinblick auf autistische zustände beforscht wird. und da wiederum fällt mir eine etwas ältere hypothese aus der autismus-forschung ein, die sich ganz überspitzt in der frage ausdrücken lässt: sind "männlichkeit" und autismus jeweils synonyme für das gegenüber? das ergebnis der oben genannten studie jedenfalls ließe sich aus meinem verständnis heraus durchaus als indiz dafür interpretieren - vielleicht gibt´s ja "professionelle", die dieser frage zukünftig mal genauer nachgehen.

Montag, 17. Mai 2010

notiz: krisennews und -gedanken (41)

aus aktuellem anlaß zunächst der hinweis auf ein ganz frisches update zu einem ganz speziellen krisenherd, nämlich einer der - das lässt sich jetzt schon vermuten - katastrophalsten menschlich verursachten ölverschmutzungen innerhalb des bisherigen ölzeitalters im golf von mexico. selbst wenn bp jetzt erste erfolgsmeldungen herausgibt - diese geschichte ist noch lange nicht zuende.

*
aufruf krisenproteste zwoelfter juni

diese reihe hatte ich jetzt ansonsten eine ganze zeit lang nicht fortgeschrieben, was nicht etwa daran lag, dass ich das gerede vom "aufschwung" und "krisenende" etwa irgendwie ernstgenommen hätte (kein mensch mit auch nur rudimentärem wahrnehmungsvermögen konnte den quatsch glauben), sondern hauptsächlich eher daran, dass sich die krise - wie es sich schon vor monaten abgezeichnet hatte - inzwischen untergründig in die gefilde der staatshaushalte und währungskreisläufe fortgefressen hat. bereiche, die ich persönlich noch schwerer verständlich finde als das eh schon schwer zu durchschauende treiben in den zeiten rund um den crash 2008 bezgl. der banken- und börsenkrise. aber seit den schweren griechischen unruhen und erst recht seit dem abermals in letzter minute noch
abgewendeten totalcrash am letzten wochenende hat sich die trügerische zwischenzeitliche ruhe auch hierzulande wieder in luft aufgelöst - willkommen zum zweiten akt, der den ersten hinsichtlich seiner widerwärtigen folgen absehbar noch in den schatten stellen wird, bzw. eigentlich die erwähnten folgen erst so richtig sicht- und spürbar werden lässt. und bezgl. des letzteren rückt jetzt das bedrohliche mantra "sparen" in den mittelpunkt - und darum sowie die folgen drehen sich auch hauptsächlich die news:
  • globale wirtschaftskrise I: nach den frühindikatoren der oecd anzeichen für einen erneuten ökonomischen einbruch rund um den globus
  • globale wirtschaftskrise II: zum neuen geab
  • südafrika: massive verarmung breiter bevölkerungsschichten - die folgen können in kürze - vor und während der fussball-wm - eskalieren / flächendeckende streiks angekündigt
  • rumänien: im würgegriff des iwf - schwere soziale kämpfe in sicht
  • usa I: bundesstaat illinois ist faktisch insolvent
  • usa II: kalifornien kürzt brachial im gesamten sozialen bereich
  • deutschland: wie zu erwarten - überschuldete kommunen beginnen mit drastischen kürzungen an der (sozialen) infrastruktur
  • griechenland: interview zu den perspektiven des widerstandes
  • in aller kürze: zusammenfassung der angekündigten (general-)streiks der nächsten zeit in europa / "wir laufen in eine große depression" / das allerletzte: goldman-sachs und die ölpest
*


zur kenntnisnahme:

"Die Frühindikatoren der OECD (CLIs) weisen im Monat März 2010 auf eine Abschwächung der globalen ökonomischen Aktivitäten hin. In den meisten OECD-Ländern gibt es zaghafte Anzeichen für ein sich abschwächendes Wachstum, stärkere Signale sind jedoch in Frankreich und Italien in Erscheinung getreten. Auch zeichnen sich mehrende Hinweise für einen potenziellen Expansionsstopp der Wirtschaften in China und Brasilien ab."

die folgenden charts sprechen für sich; insbesondere der zusammenfassende lässt die konturen eines großen "W" schon im ansatz deutlich erkennen, wobei sich ernsthaft die frage stellt, ob der letzte teil dieses "w" dann noch relevant sein wird, wenn die zweite talsohle (von der wird mit großer sicherheit das restliche jahr bestimmt werden) erst einmal erreicht ist - das ist keine "normale" zyklische krise des kapitalismus mehr, sondern eben eine umfassende systemkrise mit enormer sprengkraft auf vielen ebenen. btw: ich habe mir lange überlegt, ob ich die auch in früheren k-news häufiger als quelle zitierten wirtschaftsfacts.de weiter nutzen will, rechnen sich die betreiber doch selbst dem einigermaßen ominösen "infokrieg"-spektrum zu. da sehr viel beiträge aber hinsichtlich ihrer fakten durchaus sachlich aufschlussreiches material bringen (mir ist neben den querschüssen keine weitere seite bekannt, die derart regelmässig die realen ökonomischen entwicklungen dokumentiert), habe ich mich entschlossen, weiterhin auf das dortige angebot zurückzugreifen.

*

in etwas anderer hinsicht ist adäquate skepsis auch bei einer anderen quelle angesagt, die in früheren news häufiger eine rolle spielte - das regelmässige bulletin "geab", vom europäischen think tank "leap 2020" herausgegeben, fiel neben größtenteils brauchbaren prognosen zum globalen krisenverlauf auch immer wieder mit einer ärgerlichen verharmlosung der situation in den europäischen regionen auf, was nicht dadurch relativiert wird, dass die dortigen einschätzungen hinsichtlich der wirklich fatalen situation der usa und großbritanniens durchaus realistisch sind. diese früher eher versteckte tendenz tritt jetzt ausgerechnet nach dem ganzen trouble rund um griechenland und die faktische bankenrettung seitens der eu in einer nicht mehr nur ärgerlichen, sondern geradezu propagandistischen art und weise offen zutage, wie sich am neuesten
geab nachvollziehen lässt:

"Wie schon von LEAP/E2020 in der 40. und 42. Ausgabe des GEAB vom Dezember 2009 bzw. Februar 2010 vorhergesehen, durchläuft die umfassende weltweite Krise im Frühjahr 2010 einen weiteren Krümmungspunkt und verschärft sich. Zu groß sind inzwischen die Staatsschulden und öffentlichen Defizite, zu theoretisch bleibt der von den Regierungen häufig angekündigte und dennoch ausbleibende Aufschwung. Die dramatischen sozialen und politischen Auswirkungen dieser Entwicklung kennzeichnen den Anfang der Phase der Auflösung der Welt- und öffentlichen Ordnung, wie wir es in der 32. Ausgabe des GEAB vom Februar 2009 vorhergesagt hatten."

soweit lässt sich das alles noch unterschreiben, aber die nächsten absätze haben mich schon regelrecht ob ihrer realitätsverdrehung schockiert:

"Auch die neuesten Entscheidungen der Regierungen der Eurozone bestätigen die Vorhersagen von LEAP/E2020. Unsere Leser werden sich daran erinnern, wie sehr wir von der damals herrschenden veröffentlichten Meinung abwichen, als wir die Einschätzung äußerten, dass nicht nur der Euro die Griechenlandkrise überstehen, sondern vielmehr die Eurozone aus dieser Etappe der Krise verstärkt hervorgehen werde. Wir wagen jetzt die Behauptung, dass mit der Entscheidung der Eurozone, einen Schutzmechanismus zu schaffen, der die finanziellen Interessen von 26 EU-Ländern schützen soll, die Eurozone (mit Unterstützung Schwedens und Polens), in einer Art Staatstreich die europäische Integration Europas in eine neue Dimension geführt hat. Natürlich werden die Medien und viele Akteure in Europa und weltweit, die ihre Vorurteile und die Wirklichkeit nicht unterscheiden können, einige Monate benötigen, bis sie begreifen, dass hinter einer Entscheidung, die oberflächlich nur von haushälterischem und finanziellem Belang zu sein scheint, sich ein Quantensprung der EU auf dem Weg zu einer politischen Union verbirgt, der weltweit die Gleichgewichte zwischen den Staaten und Regionen verschieben wird. " (...)

bitte was? als eine art "staatsstreich" lassen sich die maßnahmen rund um das "rettungspaket" der eu ja aus einer bestimmten perspektive durchaus begreifen (wenn ich alles richtig verstanden habe, sind letztes wochenende gleich eine ganze palette von eu-verträgen, -richtlinien, -gesetzen etc. na sagen wir mal extrem gedehnt worden) - aber die faktische bedeutung dieser riesigen summe von (noch-)bürgschaften und bereits realen zahlungen liegt sehr offen zutage: es geht einmal mehr primär um die "rettung" des kapitals verschiedenster und "systemrelevanter" europäischer großbanken. wer das ernsthaft als "quantensprung auf dem weg zu einer politischen union" interpretiert, sollte sich dann auch mal die frage stellen, wessen union das dann eigentlich real sein wird - die der europäischen bevölkerungen keinesfalls. leap ist halt eben ein "europäischer think tank", aber derartige interpretationen des handelns der europäischen funktionseliten sind trotzdem hochgradig abstrus.

*

die eben angesprochenen europäischen bevölkerungen werden im juni sicherlich zu einem großen teil vor irgendwelchen bildschirmen hängen, um dort einer lieblingsbeschäftigung der massen, dem zuschauersport, zu frönen und der fussball-wm der profis in südafrika zu folgen. in zeiten wie diesen könnte es aber selbst bei so einem event zu überraschungen keinesfalls sportlicher art kommen, und statt der ersehnten ablenkung und zerstreung könnte es passieren, dass stattdessen in ein paar wochen bilder von
sozialen kämpfen über die mattscheiben flimmern:

"4 Wochen vor der WM, die die Stimmung der Ausgebeuteten und Unterdrückten weltweit "aufpeppen" soll, steht nun fast ganz Südafrika still. In den Häfen und auf den Schienen Südafrikas geht nichts mehr. Die beiden grossen Transportgewerkschaften streiken. Andere Gewerkschaften wollen sich anschliessen.

Über 85% der beiden grossen Transportgewerkschaften Südafrikas Satawu und Utatu
(mittlerweile über 90.000 Lohnabhängige) haben sich der Forderung nach 15% Lohnerhöhung bei Transnet angeschlossen. Dem Streikaufruf der beiden Gewerkschaften Satawu und Utatu wollen sich in der kommenden Woche noch weitere Gewerkschaften anschliessen. Die Streiks betreffen das Schienennetz und alle Häfen Südafrikas. Wichtigste Produktionsgüter wie Benzin und Kohle und anderes können nicht mehr transportiert werden. Südafrika wird ab Montag komplett stillstehen. Auch der Personenverkehr fällt komplett aus .Regierungssprecher des Wirtschaftsministeriums und Berater der Regierung verweisen wütend auf die Millionenausfälle durch Produktionsstillstand und den Imageschaden, den die WM nehmen könnte. (Während die Bevölkerung grösstenteils ausgeschlossen ist von der WM, wird die Wut auf diese und die Regierung immer grösser.) Perspektiven des Klassenkampfes die auf den Widerstand in Griechenland verweisen kommen bei verschiedenen Zusammentreffen der Streikorganisation zur Sprache. Ausdrücklich werden Solidaritätsbekundungen und Aktionen aus Europa willkommen geheissen. Die Streiks sollen fortgeführt werden und eine globale Perspektive bekommen."


hui - wenn das passieren sollte und die geliebte wm ins wasser fällt, dürfte das nicht nur hierzulande durchaus relevante massenpsychologische effekte haben. das diese dann u.u. extrem reaktionär ausfallen könnten, liegt auf der hand. deshalb sollten alle emanzipativ interessierten die situation in südafrika spätestens ab jetzt als mindestes aufmerksam beobachten. zur ökonomischen und sozialen situation dort gibt es
hier einen artikel, der einige mir bisher unbekannte infos enthält. die ansicht der kommentare dort macht dann auch gleich klar, warum ich oben das wort "reaktionär" benutzt habe. ziemlich widerlich.

*

rumänien war schon in früheren news immer mal wieder thema, u.a. auch deswegen, weil das land medial meistens als "uninteressant" gilt und deshalb vernachlässigt wird. das könnte sich in ein paar wochen ebenfalls ändern - die faktische
kapital-diktatur durch den iwf fängt an, die erwarteten früchte des zorns zu ernten:

(...) "Franks stellte Rumänien die Aufgabe, das Haushaltsdefizit, das sich 2010 voraussichtlich auf 6,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen wird, im Jahre 2011 auf 4,4 Prozent zu senken. Präsident Traian Basescu kündigte auch umgehend drastische Maßnahmen an: Rumänien müsse Löhne, Gehälter und Renten kürzen. Der aus dem Haushalt finanzierte Lohnfonds wird ab Juni um 25 Prozent reduziert. Die Leiter staatlicher Institutionen werden verpflichtet, eine Auswahl unter ihren Mitarbeitern vorzunehmen, die »nicht auf politischen Kriterien, sondern auf Kompetenz« beruhe. Es geht also um massive Entlassungen! Den Vorstellungen des IWF zufolge muss die Zahl der öffentlich Bediensteten – sowohl in zentralen als auch in örtlichen Behörden – stufenweise um 250 000 gesenkt werden. Mindestlöhne und -gehälter werden Basescu zufolge auf einheitliche 600 Lei (144 Euro) reduziert. Bisher galt in öffentlichen Institutionen ein Mindestlohn von 705 Lei. Renten und Sozialhilfesätze werden um 15 Prozent verringert. Auf diese Weise will Basescu das »Vertrauen« des IWF in die Fähigkeit der Regierung unter Emil Boc wiederherstellen.
Ökonomen weisen darauf hin, dass sich ihr Land nach wie vor in der Rezession befindet. (...)

Einziges Ergebnis des Treffens Präsident Basescus mit Vertretern der großen Gewerkschaften war die Bildung einer »Krisenstruktur«, in der Gewerkschaften, Unternehmerverbände, Regierungsvertreter und Parteipolitiker vertreten sind. Das Gremium soll die vorgesehenen Maßnahmen und Lösungen analysieren.

Die fünf großen Gewerkschaftsorganisationen des Landes haben unabhängig davon ein eigenes Krisenkomitee gegründet. Es soll einen Protestkalender ausarbeiten und Aktionen koordinieren. Für den 19. Mai ist ein »massives Meeting« vor dem Regierungssitz angekündigt. Am 25. Mai soll ein Streik im öffentlichen Dienst beginnen."


rumänien ist nur ein land in osteuropa, in dem sich aktuell jede menge sozialer sprengstoff sammelt. "aus den augen, aus dem sinn" wird keinesfalls als position dabei hilfreich sein, die folgen dieser möglichen explosionen auf die globale situation zu begreifen.

*

das die usa als ganzes vor einer aussichtslosen ökonomischen situation steht, macht nicht nur ein blick in den dortigen bundeshaushalt deutlich, sondern lässt sich besonders drastisch im hinblick auf einzelne bundesstaaten begreifen -
beispiel illinois. der ganze artikel ist sehr informativ, ich zitiere zusammenfassend nur mal den letzten teil:

(...) " Paralysiert durch das höchste Defizit in seiner Geschichte, ist der Bundesstaat um Monate zurück gefallen in Bezug auf seine finanziellen Außenstände und das, was er Unternehmen und Organisationen an Geld schuldet. Einige von ihnen stehen deshalb bereits am Rande des Bankrotts oder mussten Insolvenz anmelden. Illinois beschäftige sich nicht einmal mit der Formalität der Emission von IOUs, so wie Kalifornien es im vergangenen Jahr getan habe, sondern zahlt einfache nicht mehr. (...)

Die Unternehmen reagieren darauf jetzt auf eigene Weise. Ein Lieferant habe es abgelehnt, Kugeln und Munition an die Gefängnisbehörde zu liefern, solange er nicht im Voraus bezahlt werde. Verschiedene Gesetzgeber erhielten bereits Räumungsmitteilungen für ihre Bezirksbüros, weil der Bundesstaat die Mietzahlungen seit Monaten nicht mehr geleistet habe. Illinois befindet sich auf dem Weg, das aktuelle Fiskaljahr mit unbezahlten Rechnungen in Höhe von 6 Milliarden abzuschließen. Budgetvorschläge für das kommende Jahr – wenn der Bundesstaat ein Budgetloch von $13 Milliarden entgegen blickt – lassen vermuten, dass sich dieselbe Prozedur wiederholen wird. Der Bundesstaat schuldet Geld für alle Arten erbrachter Dienstleistungen, die in seinem Namen angeboten und ausgeführt wurden. Dazu gehören unter anderem die medizinische Vorsorge für die Bedürftigen, der Schutz des Hauses von älteren und behinderten Menschen sowie die Tagespflege für diejenigen, die arbeiten, sich davon aber trotzdem finanziell nicht über Wasser halten können."


das dürfte dem schon sehr nahe kommen, was unter dem begriff "game over" verstanden wird. die folgen für die betroffenen dürften mitsamt ihren komplexen, weil unendlich vielfältigen, auswirkungen kaum vorstellbar sein.

*

gleiches gilt für
kalifornien, schon seit dem letzten jahr faktisch bankrott - nur noch nicht formal, was aber für die realität der menschen irrelevant ist:

(...) "Es gebe nur noch harte Entscheidungen, eine Verwaltung der Mängel in einem der reichsten Länder, wobei Schwarzenegger aber auf Griechenland, Spanien oder Irland verweist, wo ähnliches vorgenommen werden müsse. Natürlich suggeriert der republikanische Gouverneur, dass die Kürzung und Streichung der Sozialprogramme alternativenlos sei.

Zurückgefahren werden vor allem Sozialprogramme für die Armen, beispielsweise wird die Unterstützung für die Behandlung von psychischen Problemen um 60 Prozent gekürzt, die staatlich finanzierte Kinderbetreuung für die Einkommensschwachen soll ebenso gestrichen werden wie die Arbeitslosenhilfe und das Gesundheitsprogramm für die Armen. Das Geld für lokale Schulen wird gekürzt, die Löhne von Staatsangestellten werden weiter heruntergefahren, das Geld für die häusliche Pflege von Alten und Behinderten wird um ein Drittel gekürzt." (...)


SO wird die nächste zukunft der gesamten westlichen welt - und nicht nur da - aussehen, wenn sich eine mehrheit weiterhin derart der passiven agonie ergibt. immerhin haben wir dann zumindest in den lebensverhältnissen gleichheit mit dem trikont hergestellt. (und das das alles nicht nur extrem destruktiv im gesamten sozialen leben wirken und alltäglich vielfältig spürbar werden wird, sondern dazu ein umfassendes verbrechen an millionen von menschen darstellt, muss ich wohl nicht extra betonen.)

*

und ja, wir sind auch
hierzulande mittendrin und voll dabei:

(...) "In Hamburg etwa steigen die Kita-Gebühren um bis zu 100 Euro pro Monat. Städte wie Karlsruhe, Mühlhausen in Thüringen oder Feldkirchen bei München haben die Grundsteuer angehoben. Andere stellen neue Radarfallen auf und hoffen darauf, dass Autofahrer rasen.

Einige Städte sind noch kreativer: Die thüringische Gemeinde Niederzimmern verkaufte Schlaglöcher für je 50 Euro. Das gestopfte Schlagloch erhält dann eine Plakette mit dem Namen des Spenders. Insgesamt verkaufte die 1000-Einwohner-Gemeinde 257 Schlaglöcher und nahm so 12.850 Euro ein. Köln hat kürzlich die Einführung einer "Bettensteuer" für Hotels beschlossen, als Kompensation für die gesenkte Mehrwertsteuer für Hoteliers. Die Domstadt rechnet mit jährlichen Einnahmen von bis zu 21,5 Millionen Euro. Das Beispiel macht Schule: Andere Städte wollen den Kölnern folgen, etwa Saarbrücken.

In der Finanznot schlagen Kommunen auch neue Wege beim Schuldenmachen ein. Quickborn in Schleswig-Holstein pumpte im März seine eigenen Bürger an: Einwohner stellten ihrer Stadt eine Million Euro zur Verfügung. Der Bürgerkredit bringt bis zu 2,6 Prozent Zinsen für fünf Jahre. (...)

Auch für Kultur wird weniger ausgegeben: (...) Im schwäbischen Nürtingen erhält die Volkshochschule weniger Geld und muss folglich die Preise erhöhen. In Augsburg muss das Theater auf große Bühnenbilder verzichten und die Zahl der Inszenierungen senken. An den städtischen Bühnen anderer Kommunen ist die Lage ähnlich. Wenn nicht gleich das Haus ganz geschlossen wird, wie das Schauspielhaus in Wuppertal.

Auch der Essener Stadtkämmerer streicht den Kulturzuschuss zusammen. Ohnehin ist die Lage im Ruhrgebiet besonders düster. Beispiel Oberhausen: Die 216.000-Einwohner-Stadt im Westen des Potts ist so gut wie pleite und kürzt die Ausgaben nun radikal. Die Stadt hat den Busfahrplan zusammengestrichen. Viele Busse fahren nun schon ab 21 Uhr im Nachtbetrieb. Einen Bücherbus hat die städtische Bibliothek nicht mehr, Grünflächen werden seltener gemäht. In seiner Not hat Oberhausen zudem mehrere Schwimmbäder geschlossen und eines zu einem Spaßbad umgebaut. Dort wurde dann der Eintrittspreis kräftig erhöht.

Aber auch dort, wo noch Bäder existieren, spüren die Bürger Kürzungen – vor allem in der anstehenden Freibadsaison. Mannheim beheizt nur noch eines seiner Freibäder. In den drei anderen können die Besucher nur hoffen, dass die Sonne kräftig scheint, um das Wasser etwas zu erwärmen. Noch radikaler ging die Stadt Sindelfingen vor: Sie füllte im kommunalen Freibad kurzerhand ein Becken mit Erde und machte es zur Rasenfläche. (...)

Besonders kritisch wird es dann, wenn die Kommunen bei der Infrastruktur für Kinder sparen. Sei es, dass Jugendmusikschulen ihre Preise erhöhen und Jugendzentren schließen müssen. Sei es, dass Schulen so marode sind, dass – wie im Januar in Augsburg – ein Schulleiter aus Sicherheitsgründen Räume sperren muss. Kürzen Gemeinden die Zuschüsse für die Stadtbücherei, fehlt es an aktuellem Bestand. Andernorts verwahrlosen Abenteuerspielplätze und Sportanlagen."


man könnte sich jetzt bei einem teil der beispiele denken: okay, nutze ich eh selbst nie, betrifft mich nicht. anderes erscheint auf den ersten blick verzichtbar. aber: das sind nur die anfänge. für die ärmsten schichten bedeuten diese kürzungen bereits zunehmenden ausschluß vom öffentlichen leben, und in der folge weitere isolation. für viele kinder und jugendliche bedeutet das klassenübergreifend in vielen fällen ebenfalls eine reale beschneidung ihrer lebensmöglichkeiten. und richtig finster wird´s im wahrsten sinne des wortes dann werden, wenn bspw. kommunen und städte beginnen "müssen", an der öffentlichen beleuchtung zu sparen (ich hatte letztes jahr schon mal erwähnt, dass hier in der stadt an vielen stellen kaputte straßenbeleuchtung nicht mehr repariert wird).

ganz eklig wird´s spätestens dann, wenn es direkt an die sozialleistungen geht: von hartz-IV über zuschüsse für kinder bis hin zu den renten. in kombination mit den kürzungsorgien an der öffentlichen infrastruktur wird das alles ausnahmslos alle betreffen: mehr offene armut, psychosoziale verelendung, entsprechende krankheiten, kaputte familien, zunahme von gewalt auf allen gesellschaftlichen ebenen - und nicht nur in diesem land natürlich auch die entsprechende faschistische gefahr. die - ich kann sie nicht anders nennen - ignoranten idioten, die sich besonders im letzten jahr hingestellt und "crisis? what crisis?!?" getönt haben, werden sich in sehr naher zukunft in einer völlig neuen - und kein stück angenehmen - realität wiederfinden. aber auf diese genugtuung könnte ich persönlich sehr gut verzichten.

*

zur aktuellen und weiterhin hoch brisanten lage in griechenland möchte ich heute nur auf ein interessantes
interview mit christoforos vernardakis (professor für politische wissenschaften an der universität saloniki und vorsitzenden des wissenschaftlichen beirates des meinungsforschungsinstitutes VPRC) hinweisen. erschienen in der linken, italienischen tageszeitung „il manifesto“ vom 9.5.2010. die implizite schlußfolgerung wird bereits in der überschrift gezogen: „Zusammenbruch des Systems – nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch“ .

*

in aller kürze - das krisentelegramm + überblick: (general-)streiks sind in den kommenden wochen zu erwarten in: griechenland (20. mai), spanien (vermutlich anfang juni), rumänien (siehe oben), südafrika (dito) sowie
portugal, wo es die zentrale gewerkschaft besonders schön formuliert hat: "CGTP-IN kündigt neue Massenproteste an und ruft zu allgemeiner Auflehnung auf." yo, die letztere ist seit langem überfällig. + wie gefährlich die zeiten sind, lässt sich u.a. auch daran erkennen, dass selbst ein medium wie das handelsblatt finstere gedanken veröffentlich: "Wir laufen in eine große Depression" - heute noch "querdenker", morgen schon allgemeiner mainstream: "Die Finanzmärkte werden zusammenbrechen, die Europäische Währungsunion zerbrechen und die Welt in eine große Depression schlittern." mögest du in interessanten zeiten leben ! + das allerletzte schließt heute den bogen zum thema ganz zu beginn: schon ende april machte eine meldung die runde, die hierzulande vielleicht bezeichnenderweise nie so recht eine breite wahrnehmungsschwelle durchstoßen konnte - die huffpost dient als quelle für das darauf folgende, sinngemäß: am mittwoch, dem 6. mai 2010 gestand der welt größter finanzkonzern ein, »daß er mit erheblichen finanziellen mitteln auf eine ölpest im golf von mexiko spekuliert hat«, und das ausgerechnet einen tag bevor dort eine der großen bohrinseln im Meer versank (wobei die zu dem zeitpunkt schon in flammen stand, aber eben noch nicht gesunken war). ein mitarbeiter hatte in einem schreiben an eine freundin geprahlt, daß goldman sachs jetzt auf eine ölpest im golf von mexiko spekuliert. »wenn auch nur eine ölplattform absäuft, dann schwimmen wir im geld«, schrieb er in einer mail. ist´s nicht ein emsiges völkchen, was da in den glaspalästen in lichten höhen throhnt ? (siehe dazu die hinweise in den kommentaren)

Sonntag, 16. Mai 2010

aktualisierter index

während ich heute so am friemeln daran war, sind mir ein paar fragen durch den kopf gegangen - ich begreife den index wie schon früher erwähnt als einen service besonders, aber nicht nur, für neue leserInnen - es ist die einzige halbwegs praktikable möglichkeit hier, auch ältere bis sehr alte beiträge, die aber in einem quasi-themenblog wie hier deswegen nicht unbedingt inhaltlich irrelevant werden, auch weiterhin verfügbar zu halten (das archivtool hier bei twoday halte ich nicht für sehr gelungen).

deshalb werde ich trotz des recht großen arbeitsaufwands auch weiterhin unregelmässig aktualisieren. aber von meinen gedanken möchte ich aus purer neugier heraus dann doch mal eine frage loswerden (und würde mich über rege beteiligung freuen - auch, wenn´s hier nix zu gewinnen gibt):



wie nutzen Sie / Du den index ?

häufig bis regelmässig
manchmal bis (sehr) selten
nie
ich würde ihn bei einer noch detaillierteren verschlagwortung mehr nutzen

  Resultate

monoma, 18:32h.

Freitag, 14. Mai 2010

kontext 65: "Ich möchte, dass du mich niemals vergisst. Dazu werde ich deine Zukunft ruinieren."

keine ausflüchte mehr, keine verbrämungen mehr: das IST krank, das ist ausdruck einer wie auch immer zu bestimmenden schweren pathologie im strengen klinischen sinne:

(...) "Der Bericht über die Gespräche mit den ehemaligen Heimkindern spart üble Einzelheiten nicht aus: "Herr Mixa zog ihm die Hose herunter und prügelte mit einem Stock auf den nackten Hintern. Nach fünf bis sechs Schlägen begann der Betroffene zu weinen. Danach brach der Stecken ab und Herr Mixa lockerte seinen Hosengürtel und schlug noch weitere fünf- bis sechsmal auf seinen Hintern." Der Mann, der 1982 als 15-Jähriger zu Mixa gerufen worden sei, sei später zum Alkoholiker geworden, so Knott.

Einem Mädchen habe der Ex-Bischof laut dem Bericht gesagt: "Ich möchte, dass du mich niemals vergisst. Dazu werde ich deine Zukunft ruinieren." Die von Knott als glaubhaft bezeichnete Frau benötige bis heute therapeutische Hilfe und sei nicht in der Lage, Beziehungen zu führen." (...)


so ziemlich alles weitere von mir aus nötige hatte ich in diesem früheren
beitrag zu diesem ganz speziellen herrn geschrieben. und es ist wirklich keinerlei entlastung in irgendeiner form für ihn, dass die staatsanwaltschaft die vorermittlungen wg. sexualisierter übergriffe jetzt eingestellt hat.

*

zum zitierten satz in der überschrift noch das: erstens war mixa bis vor allerkürzester zeit teil und repräsentant der sog. "eliten", und diese manifestation seines psychophysisch offensichtlich völlig zerrütteten zustands muss ebenfalls dringend als repräsentativ für diese schicht angesehen werden - gründe dafür sind hier zuhauf nachzulesen.

zweitens: legen Sie den satz mal gedanklich einem "bp"-manager, einem bankster, einem "politiker" in den mund .... genau. aus bestimmten gründen habe ich den verdacht, dass ein teil dieser leute letztlich tatsächlich aus ihrer persönlichen struktur heraus von rache motiviert ist (und die kapitalismusinternen zwänge diesen sachverhalt sehr gut maskieren können - per sog. rationalisierung). zu diesem punkt mehr im kommenden schwerpunkt "soziopathie".

notiz: aus aktuellem anlaß wichtige updates zu den letzten krisennews

stück für stück kommt jetzt ans licht, wie sehr die hütte tatsächlich brennt - und was rund um die (wiederholte) faktische bankenrettung der eu tatsächlich alles passierte (und noch passiert, wenn man sich mal bspw. nur euro- und goldkurse die letzten tage betrachtet).

hatte ich kommentierend bei den krisennews noch auf indizien für eine hauptrolle frankreichs in dem drama hingewiesen, so pfeifen es seit heute morgen in vielen europäischen ländern - spanien, großbritannien und natürlich auch frankreich selbst - die medialen spatzen von den dächern - hierzulande ist online bisher erst eine einzige quelle zu finden -
Sarkozy soll Merkel Euro-Austritt angedroht haben:

(...) "Im Streit um das Rettungspaket für Griechenland hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach Presseangaben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einem Austritt aus der europäischen Währungsunion gedroht. Beim Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone in Brüssel habe „Sarkozy mit der Faust auf den Tisch geschlagen und gedroht, sich aus dem Euro zurückzuziehen“, berichtete die spanische Zeitung „El Pais“ unter Berufung auf Vertreter der in Madrid regierenden Sozialisten, die Regierungschef José Luis Rodriguez Zapatero wiedergaben. Damit habe der französische Staatschef die zögernde Merkel unter Druck gesetzt, dem Hilfspaket zuzustimmen." (...)

das wäre ein sehr nachdrücklicher beleg dafür, wie sehr frankreich bzw. die französischen banken vor dem letzten wochende tatsächlich unter druck gestanden haben - wer ein bisschen recherchiert, wird etliches material darüber finden können, wie sehr die in griechenland direkt und indirekt involviert sind.

und das durchaus die gesamte euro-zone bzw. vermutlich das globale finanzsystem dazu sonntagnacht vor einem realen crash stand, macht die folgende meldung aus
österreich sehr nachdrücklich deutlich:

(...) "Österreich hatte sich bereits gerüstet: Bevor die EU-Finanzminister in der Nacht von Sonntag auf Montag praktisch in letzter Minute ihr Rettungspaket geschnürt haben, um eine Abwertung des Euro zu verhindern, liefen im Innenministerium schon alle Vorbereitungen für den Ernstfall.

Fekter ließ Einsatzpläne aus der Schublade holen, die in ihrem Ressort 2008, zu Beginn der Bankenkrise, entwickelt worden waren: Darin finden sich Maßnahmen „zum Schutz der Infrastruktur“ und zum „Umgang mit aufgebrachten Menschenmassen“ für den Fall, dass wegen der Wirtschaftskrise Bankfilialen geschlossen bleiben oder die Geldausgabe an den Bankomaten gestoppt wird. Ein Bedrohungsszenario, mit dem offenbar ernsthaft gerechnet wurde." (...)


wie lautet aktuell ein begriff für all das ? "lehman 2.0", nur in etwas größeren dimensionen. wie vor zwei jahren ist das globale finanzsystem (und damit auch die globale ökonomie) an einem wirklich fulminanten crash mit allem, was dazu gehört (bank run, bankenschliessungen, faktischer notstand etc.) um haaresbreite vorbeigerauscht. ein drittes mal wird es mit allergrößter sicherheit nicht mehr geben - und zwar nicht, weil das system jetzt irgendwie "gerettet" oder gar stabiler geworden sei. nein, nächstesmal gibt es schlicht keine "retter" mehr. die sind inzwischen alle selbst pleite.

*

noch ganz kurz ein paar weitere, besonders vor dem hintergrund der faktischen präsenz des iwf in der euro-zone interessante neuigkeiten:
spanische regierung kündigt massive etatkürzungen an. bejubelt von den allermeisten claqueren der medien, ´türlich. mittlerweile nehmen auch die großen spanischen gewerkschaften, nicht gerade bekannt für wirkliche konfliktfreudigkeit, das wort generalstreik in ihren wortschatz auf. kann bereits ende mai, anfang juni, akut werden. für griechenland ist übrigens ein weiterer selbiger schon für den 20. mai angekündigt. währenddessen werden auch in großbritannien von der neuen "konservativ-liberalen" regierung als quasi erste amtshandlung die allseits beliebten lieder vom "sparen" angestimmt - pleite as fuck und mit einem fetten bankster-cluster in der hauptstadt "gesegnet", lässt sich lebhaft vorstellen, wohin auch auf der insel die reise geht. apropos insel: in den deutschsprachigen medien kaum thematisiert, ging in der woche ziemlich unter, dass sich, vielleicht inspiriert von dem griechischen umschwärmen der eigenen "volksvertretung" aka parlament, auch in irland einige hundert leute anlässlich einer demonstration gegen die dortigen sparorgien abseilten und "ihr" parlament mit einem besuch beglücken wollten. die polizei hatte was dagegen, es gab rangeleien und einige leichtverletzte.

*

hierzulande hat sich ja bereits der indiskutable hessen-koch vorgewagt, und er will - wie zu erwarten - der bildung und überhaupt offensichtlich der finanziellen unterstützung von kindern an den kragen. dazu nur noch ein interessanter
userkommentar von 10.35 h zum redaktionellen sz-kommentar heute - der steht da bisher unberührt mit einiger zustimmung, und ich dokumentiere ihn gerne als ganzes, weil er einiges ganz gut auf den punkt bringt:

"Georg Büchner ist aktueller denn je. Heribert Prantl ist zu danken, dass er an diesen großen Deutschen im Zusammenhang mit den aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland an diese Ultima Ratio erinnert.

Die politischen Geisterfahrer à la Koch und Westerwelle werden immer dreister. Sie vertrauen auf das relativ geringe Revolutionspotential der Deutschen, die politisch bewusst eingelullt durch Rund-um-die-Uhr-Privatfernsehen, Fußballmärchen, McDonalds, Aldi-, Lidl- und All-inklusive-Reise-Schnäppchen das politische Treiben nur noch peripher verfolgen. Für die Volksbildung sorgen Jörg Pilawa und Günther Jauch mit Kreuzworträtselquiz-Wissen und für die Volkskultur Andy Borg, Carmen Nebel und Thomas Gottschalk; das Rechtsbewusstsein pflegt Richterin Barbara Salesch in SAT 1.

Und eines scheinen diese politischen Demokratiemörder auch vorauszusetzen: Ein Slum in Kalkutta oder Rio de Janeiro hat noch nie einen Volksaufstand inszeniert. Und von solchen Verhältnissen sind wir Deutsche doch noch Galaxien entfernt. In ihrem Menschenbild sind daher offensichtlich die Schmerzgrenzen der meisten Deutschen noch lange nicht ausgereizt. Sie fürchten sich daher weder politisch noch persönlich und werden deshalb immer furcht- und skrupelloser.

Die Psychologie kennt solche Persönlichkeitsstrukturen zu Hauf. Es sind die Menschen, die ihre gesamte Umwelt und letztlich sich selbst aus reinem Egotrieb an die Wand fahren.

Es wird Zeit, sich in Deutschland vor solchen Kamikaze-Politikern zu trennen, wenn es sein muss auch mit Krieg und Gewalt."


ich wünsche uns schafen trotzdem vorläufig ein schönes wochenende (ich hatte mal vor einem jahr oder noch länger mal geschrieben, dass es davon absehbar nicht mehr viele geben würde - und auf mittelfristige sicht bleibe ich dabei).

Dienstag, 11. Mai 2010

notiz: der ölige superGAU... [2. update am 16.05.]

... im golf von mexico geht nachrichtenmässig im derzeitigen trubel ja fast völlig unter - obwohl die möglichen folgen in gewisser hinsicht von ähnlichem kaliber sind wie bei den raubzügen der organisierten kapitalistischen kriminalität, wenn auch auf anderen, aber eigentlich noch fundamentaleren ebenen. ebenfalls finde ich, dass der ungeist (auch als "rationales gewinnstreben" beschönigt) der ölkonzerne prinzipiell kein anderer ist als derjenige in der sog. finanzwelt.

darum jetzt also ein kleines themenupdate, für das ich nochmals die entsprechende
themenseite der huffington post als quelle nutze und auch ausdrücklich empfehle - kein vergleichbares medium hierzulande berichtet derart umfassend über alle möglichen ökologischen, ökonomischen, sozialen, politischen und technischen aspekte des desasters. aus den letzten tagen halte ich vor allem folgende punkte für wichtig:
  • der ölaustritt ist weiterhin nicht unter kontrolle - bp hat es zwar angeblich geschafft, eines der drei lecks (das kleinste) abzudichten. an der menge des austretenden öls hat sich aber faktisch danach nichts verändert. währenddessen scheiterte am wochenende ein improvisierter versuch, einen großen stahlzylinder über das grösste leck zu setzen. und zwar aus gründen, über die teils widersprüchlich berichtet wird: einmal sollen es gasblasen von methan sein, die sich in der kuppel gefangen und ihr unerwünschten auftrieb verpasst haben. um anderen ist die rede von (eis-)kristallen aus methan(-hydrat), welche sich am meeresgrund an der kuppel gebildet haben und bestimmte leitungen bzw. mechanische teile blockieren. aktuell sollen jetzt weitere möglichkeiten ausprobiert werden, wobei auch von zubetonierung des lecks die rede ist - wie das unter den bedingungen der tiefsee - die ähnlich extrem sind wie im weltraum - vonstatten gehen soll ? keine ahnung.
  • nochmal zum methan: es gibt den verdacht, dass eine entsprechende gasblase auch für den unfall/die explosion auf der bohrinsel verantwortlich gewesen sein könnte.
  • am wochenende hat ein bp-sprecher von der möglichkeit gesprochen, dass der ölaustritt in nächster zukunft noch zunehmen könnte - und zwar durch den weiter vorhandenen ungeheuren druck, mit dem das öl aus der tiefe quillt. dieser druck könnte die lecks mit der zeit vergrößern.
  • die großkotzige ankündigung, bp werde "für alle schäden" aufkommen, ist nicht nur aufgrund ihrer faktischen umsetzbarkeit - vor allem der ökologische schaden und das leid unzähliger lebewesen lässt sich schlicht nicht in geldwert beziffern - eine absolute luftnummer, sondern auch deswegen, weil offensichtlich noch während des bush-regimes in den usa entschädigungsregeln gerade für industrielle unfälle in der hinsicht geändert wurden, dass die summen für betroffene konzerne gedeckelt worden sind. das wird noch interessant werden zu beobachten, wie obama irgendwann damit umgehen wird.
  • die ersten ölschlieren sind inzwischen längst an der us-golfküste angekommen, und es ist faktisch unmöglich, genügend sperren o.ä. einzusetzen, schon gar nicht im missisippi-delta, welches aber gerade eine ökologisch verwundbarsten zonen darstellt.
einen extrapunkt allerdings, der bisher zumindest hierzulande kaum thematisiert wurde, stellt der massive einsatz von sog. dispersionsmitteln zur angeblichen neutralisierung des öls dar - chemische stoffe, deren einsatz wahrscheinlich ebenso
fatale ökologische folgen mit sich bringt wie das öl selbst:

(...) "Durch die Chemikalie soll das Erdöl bis auf feine Tröpfchen zerlegt werden, so daß es auf den Meeresgrund sinken oder auch leichter von Bakterien verdaut und unschädlich gemacht werden kann.

Laut der britischen Zeitung "The Guardian" hat BP bereits 637.000 Liter, das sind ein Drittel der Weltvorräte, dieses Chemiecocktails im Golf von Mexiko eingesetzt und schafft nun weitere Mengen heran. Das Dispersionsmittel Corexit 9500 ist seinerseits nicht harmlos. Welche ökologischen Schäden schwerer wiegen, die aufgrund der Ölverseuchung oder die aufgrund der Ölverseuchung plus ihrer -bekämpfung, steht noch gar nicht fest. Die Dispersionsmittel lösen womöglich genetische Mutationen und Krebs aus, spekuliert der "Guardian". Nun seien die Delphine und Wale, die bereits in dem Ölteppich gesehen wurden, sowie die Meeresschildkröten, der Thunfisch und andere Meeresbewohner einer doppelten Vergiftungsgefahr ausgesetzt.

Erstmals wurde bei einer Ölbekämpfungsmaßnahme Dispersionsmittel direkt ins Bohrloch gepumpt. Inzwischen dürfte es mit der Strömung zu weiter entfernten Meeresregionen verfrachtet worden sein. "Man versucht, das Ausmaß der Verseuchung mit einem Dispersionsmittel zu verringern, doch der Preis, den man dafür bezahlt, besteht in zunehmender Giftigkeit", warnte Richard Charter, wissenschaftlicher Berater der Umweltorganisation Defenders of Wildlife, in dem "Guardian"-Bericht." (...)


der ganze bericht ist empfehlenswert, und u.a. wird auch auf das wichtige detail hingewiesen, dass diese mittel das öl nicht aus der welt schaffen können, aber es faktisch "unsichtbar" machen - und unzugänglich für jede art mechanischer reinigung.

es wurden schon in der vorletzten woche erste bilder u.a. von angeschwemmten toten seeschildkröten, fischen und vögeln veröffentlicht - und zwar zu einem zeitpunkt, an dem sich das öl noch relativ weit vor den küsten bewegte. ebenfalls waren beim großteil der tiere keinerlei äussere ölverschmutzungen zu erkennen. zumindest die schildkröten sollten meines wissens auf die todesursache hin untersucht werden, aber bisher habe ich über mögliche ergebnisse nichts gefunden. es kann sein, dass sich die tiere innerlich mit öl vergiftet haben, es kann aber auch theoretisch möglich sein, dass massive konzentrationen der dispersionsmittel zum tod geführt haben.

*

wie dem auch sei: wenn es schlimmstenfalls dazu kommt, dass alle versuche der abdichtung scheitern sollten und dann erst in zwei bis drei monaten mittels einer weiteren bohrung im gleichen feld versucht werden kann, den druck zu reduzieren und derart den austritt zu stoppen, und sich der ölfluss in dieser zeit noch vergrößert - dann könnte sich eine situation ergeben, die mit dem wort supergau eigentlich nur noch unzureichend beschrieben wäre: dann wäre es keine lokale/regionale katastrophe mehr (die jetzt schon schlimm genug ist), sondern dann hätten wir es mit globalen auswirkungen zu tun.

je nach wind und strömungsverhältnissen könnte dann die gesamte region, incl. der karibik betroffen sein (wie würde es wohl bspw. kuba finden, die eigenen küsten von kapitalistischen öl kontaminiert zu sehen? haiti, ein verwüstetes land, existenziell angewiesen auch auf die nahrung aus dem meer? zudem beginnt in der region am ersten juni "offiziell" die hurricane-saison). ebenfalls kann das öl in den golfstrom gelangen - damit dann zuerst nach florida, später dann an die us-ostküste bis hinauf nach kanada und in die arktis. und auch nach europa. im atlantik wäre es dann natürlich ebenfalls längst.

und bp will "für alle schäden" aufkommen? lächerlich.

das einzig positive, was dieses verbrechen am planeten eventuell wirklich auslösen könnte: eine beschleunigte abkehr vom öl. aber das zu hoffen, ist wohl mal wieder schlicht vermessen.

*

edit am 14.05.: das trostlose bild vervollständigt sich langsam, und zwar auch im wahrsten sinne des wortes - es gibt erste bewegte bilder vom meeresgrund zu sehen:



das dürfte wohl von einem der unterwasser"robots" aufgenommen worden sein und zeigt eines der lecks, aus dem unter hohen druck sowohl öl als auch gas (das ist als eher weißliche wolke zu sehen) austreten. unter anderem aufgrund dieser bilder wird inzwischen aber auch offen darüber diskutiert, ob die von bp (und regierung) genannten zahlen hinsichtlich der ölmengen nicht einfach auch
gelogen sind:

(...) "Ist alles noch viel schlimmer als bislang befürchtet? Mehrere Wissenschaftler und Umweltaktivisten sind sich sicher: Im Golf von Mexiko schießen nicht 5000 Barrel Öl täglich aus den Lecks in rund 1500 Metern Tiefe, sondern weitaus mehr. Die Zahlen, die die Forscher nun berechnet haben, sind dramatisch: Möglicherweise tritt aus den Rohren, die einst zur Bohrinsel Deepwater Horizon führten, gut das Zehnfache an Öl aus als bislang von BP und der US-Regierung behauptet wird. Das würde bedeuten, dass täglich fast acht Millionen Liter der giftigen schwarzen Masse ins Meer gelangen würden. (...)

Die neuen Berechnungen stützt Chiang wie auch andere Wissenschaftler auf ein Video, das die Behörden am Mittwoch veröffentlichten. Es zeigt eines der Rohre auf dem Meeresgrund, aus dem anfangs eine hellere, dann eine dunkle Flüssigkeit sprudelt. Zunächst wird offenbar Methan frei, anschließend fließt Öl. Auch Steven Wereley von der amerikanischen Purdue Universität ist überzeugt, dass die von BP und den Behörden genannte Zahl von 5000 Barrel an austretendem Öl deutlich unterschätzt wird. Mithilfe eines Computerprogramms, das die Geschwindigkeit von fließenden Partikeln messen kann, kam auch er auf eine Ölmenge, die etwa bei 70.000 Barrel liegt. Seine Berechnung könne aber um plus oder minus 20 Prozent ungenau sein. Dennoch würde dies bedeuten, dass mindestens das Zehnfache an Öl austritt als angenommen." (...)


und warum das viele leute (incl. mich) nicht groß erstaunen würde? weil fakes und lügen inzwischen ganz "offiziell" und unverblümt zum geschäft gehören, nicht nur in der ölbranche. und wenn man einem weiteren bericht in der huffington post trauen darf, so hat dieses gebahren auch unmittelbar zum jetzigen GAU beigetragen - telepolis
berichtet darüber zusammenfassend:

(...) "Laut Aussagen des demokratischen Kongressabgeordneten Henry Waxman, die er vor dem Untersuchungsausschuss zur Ölpest, gab es im hydraulischen System des BOP ("blow-out-preventer", also dem vorgesehenen sicherheitssystem gegen so einen störfall) ein Loch. Nicht der einzige Fehler im Sicherheitssystem: eine Batterie im Steuerungsteil so außerdem leer gewesen sein, bemängelt wurden bei der Anhörung auch eine nutzlose Testversion eines Teils, das den Ölstrom unterbrechen sollte, und eine Schneidevorrichtung, die zu schwach war.

Auch hatte der BOP einen Drucktest, der nur wenige Stunden vor der Explosion der Bohrinsel durchgeführt wurde, nicht bestanden. Trotzdem erteilte eine Ingenieur von der staatlichen Aufsichtsbehörde die abschließende Erlaubnis für die Bohrung. Bei einer Anhörung gab der Ingenieur zu, dass er sich nicht um einen Nachweis der Funktionsfähigkeit des Blow-out Preventers bemüht habe.

Das Hinwegsehen über mögliche Mängel und sogar das Fälschen von Sicherheitstest sei geradezu üblich und BP sei sich dessen seit längerer Zeit bewusst, behauptet ein Zeuge, der seit 18 Jahren auf Bohrinseln in Alaska arbeitet. Die Huffington Post zitiert Aussagen des Mannes, wonach er bei mindestens 100 BOP-Tests anwesend war, deren Ergebnisse gefälscht wurden. Viele Tests betrafen demnach Arbeiten an Bohrlöchern, die BP gehörten. Üblicherweise, so der Informant, sei bei solchen Tests, auch wenn sie von einer damit beauftragten Firma durchgeführt würden, immer ein Vertreter der BP dabei.

Das Hinwegsehen über mögliche Mängel und sogar das Fälschen von Sicherheitstest sei geradezu üblich und BP sei sich dessen seit längerer Zeit bewusst, behauptet ein Zeuge, der seit 18 Jahren auf Bohrinseln in Alaska arbeitet. Die Huffington Post zitiert Aussagen des Mannes, wonach er bei mindestens 100 BOP-Tests anwesend war, deren Ergebnisse gefälscht wurden. (...)

Die herrschende Praxis in der Ölindustrie und besonders bei BP sei es, dass man die Sicherheitsprozeduren als lästiges Übel hinter sich bringe und dann woanders hinschaue. So würden auch Berichte über Unfälle in vielen Fällen unterlassen. Die Huffington Post stützt die Vorwürfe durch Hinweise auf entsprechende Vorfälle in Alaska, die vor einigen Jahren auffällig wurden. Dabei kam auch zutage, dass Personen, die Vorwürfe gegen Ölfirmen erhoben, von privaten Sicherheitsfirmen überwacht wurden." (...)


man sitzt da und liest das und.... egal: dieses system hat nichts weiter als seinen schnellen und radikalen untergang verdient.

*

edit am 16.05.: weil die aktuellsten entwicklungen es zumindest im moment gerade auf die spitzenplätze der mainstreammedien (zumindest online; wer sich bspw. die
tagesschau von 20.00 h im netz betrachtet, wird einen anderen eindruck bekommen - ganz am schluß, unter "ferner liefen", gespickt mit nicht anders zu nennender bp-propaganda und EXTREM verharmlosend. unmittelbar danach dann ein bericht vom "sport" - formel-1-autorennen...) geschafft haben, hier nur die wichtigsten entwicklungen in stichpunkten:

- trotz der vor einigen stunden eingetroffenen ersten "erfolgsmeldungen" von bp: soweit ich das sehe, ist bis zu dieser minute noch uberhaupt nichts erreicht. sie verfolgen den (gestern zunächst gescheiterten) plan weiter, ein dünnes rohr in das hauptleck zu bugsieren und dann das ganze bzw. zumindest teile über diese quasi-leitung abpumpen zu können. wie das technisch unter den verhältnissen funktionieren soll, vermag ich mir zwar nicht vorzustellen, aber egal - momentan ist tatsächlich vordringlich, den ölaustritt zu stoppen.

- der tatsächlich wesentlich grösser sein dürfte (siehe letztes update oben), als von bp und auch der regierung behauptet - ist schon der ölfilm auf dem wasser von zwar dünner dicke, aber mittlerweile auch gigantischem ausmaß, so wurde dieses wochenende bekannt, dass riesige ölfladen auch
unter wasser herumtreiben:

(...) "Gigantische Ölschwaden treiben in der Tiefe des Meeres. Darum ist der Ölteppich nach der Deepwater-Katastrophe an der Oberfläche nicht dicker. Die Ölschwaden sollen bis zu 16 Kilometer lang und sechs Kilometer breit sein und hätten eine Höhe von rund 100 Meter. "Im Vergleich zu dem, was wir an der Wasseroberfläche sehen, gibt es eine erschreckenden Menge an Öl in der Tiefe", sagte die Meeresforscherin Samantha Joye von der University of Georgia. (...)

Der Sauerstoffgehalt in der Nähe der Ölschwaden liege bereits rund 30 Prozent unter den Normalwerten, dies könnte sich zu einer echten Gefahr für Meerestiere auswachsen. "Dies ist alarmierend", sagte die Forscherin. Ursache könnte der Einsatz jener Chemikalien sein, die das Öl bereits unter Wasser zersetzen sollen." (...)


- aha, gerade die meldungen gesehen (auch in den usa bestätigt), dass die aktion mit dem rohr tatsächlich geklappt habe - "spon" titelt dazu aktuell
"BP meldet Erfolg im Kampf gegen die Ölpest":

(...) "Nun ist offenbar erstmals ein wichtiger Teilerfolg gelungen. Ein Rohr wurde in die zerstörte Steigleitung gesteckt, um das hervorsprudelnde Öl in einen Tanker abzupumpen. Die Vorrichtung sei erfolgreich angebracht worden, sagte ein Unternehmenssprecher am Sonntag. Der größte Teil des Öls könne nun aufgefangen werden.

Ingenieure hatten seit Donnerstag daran gearbeitet, das Rohr in 1.600 Metern Tiefe an die Leitung anzuschließen. Mit ferngesteuerten Untersee-Robotern gelang es nun, das 15 Zentimeter dicke Rohr mitsamt einer Dichtung in die 53 Zentimeter breite Leitung zu stecken." (...)


das dürfte die leitung sein, bei der das leck oben im video zu sehen ist. misstrauisch macht einerseits die bisherige desinformationspolitik seitens bp - ich traue denen mittlerweile so ziemlich jeden fake zu, nur um ruhe zu haben - zum anderen: was bedeutet "der größte teil" ? und nicht zu vergessen, das ist nicht das einzige leck. zum anderen weist die in diversen quellen genannte aktion von bp, dispersionsmittel jetzt auch in nächster nähe des austritts unter wasser einzusetzen, darauf hin, dass hier versucht wird, eine real vorhandene menge des zeugs im wasser per "unsichtbarmachung" aus der öffentlichen wahrnehmung zu entfernen. öffentlichkeitswirksame bilder schwarzverschmierter strände werden dadurch tatsächlich eher seltener werden, die vergiftung aber - gerade im meer und unter wasser - bleibt - aber ist eben nur noch "indirekt", per messungen etc., wahrzunehmen.

- fatal wäre eine entwicklung, bei der es bp mittels solcher meldungen schaffen sollte, das dazu eh potenziell bereite öffentliche bewusstsein wieder zu sedieren - es strömt erstens weiter öl aus, und zweitens ist der bereits eingetretene schaden für sich schon eine katastrophe. dazu kommen zu den umständen der geschichte immer neue
interessante details zur vorgeschichte heraus:

(...) "Schlamperei war offenbar mitverantwortlich für die verheerende Ölpest im Golf von Mexiko. Wie eine Untersuchung des US-Kongresses ergab, hat ein Sicherheitsventil auf dem Meeresboden versagt, weil es schlecht gewartet worden war." (...)

ich würde das wort "schlamperei" hier wg. grober irreführung glatt streichen - eher zutreffend dürfte es sein, von maßnahmen innerhalb eines systemischen zwangs zur profitmaximierung zu sprechen, gekoppelt mit antisozialen wahrnehmungsdefekten.

Montag, 10. Mai 2010

notiz: krisennews spezial - von (mal wieder) geretteten bankstern

na, welch´überraschung - ähnlich wie in jenen herbsttagen 2008, als der begriff "lehman" schlagartig zum symbol für den ökonomischen hades wurde, könnte auch das gerade vergangene wochenende einmal in historischen rückblicken als - nein, keinesfalls als "wendemarke", sondern eher als unübersehbare wegmarke auf dem weg eines ganzen systems in den finalen abgrund stehen. der bail out von eu und iwf mag zwar zugegebenermaßen für alle, die sich nicht ständig mit den mechanismen von finanzmärkten, währungen und ökonomischen prozessen beschäftigen (dazu gehöre ich ebenso wie vermutlich ein großteil der menschlichen gesellschaft), zunächst undurchschaubar in seiner struktur, seinen motivationen und den konsequenzen sein, aber gerade hier lohnt sich die frage: cui bono?

(...) "Neben der Gemeinschaftswährung profitierten am Montag vor allem Finanzwerte. Aktien der Deutschen Bank stiegen um bis zu zwölf Prozent, Commerzbank-Titel legten zeitweise rund zehn Prozent zu. In Madrid und Paris stiegen Papiere der zuletzt arg gebeutelten spanischen und französischen Banken teils um bis zu 20 Prozent." (...)

das ist europa-, und vermutlich weltweit zu
beobachten:

(...) "Die Titel der Schweizer Grossbanken haben rund zehn Prozent gewonnen. Das ist auch verständlich: Die Aktien der Finanzhäuser haben in den letzten Tagen unter einer generellen Verunsicherung gelitten. Wer hat wie viele Staatsanleihen von Griechenland, aber auch von Portugal, Spanien oder Italien in den Büchern, lautete die bange Frage der Investoren. Im Falle einer Umschuldung oder gar eines Staatsbankrottes wären die betroffenen Banken selbst ins Wanken geraten."

das lässt sich oberflächlich durchaus als "lehman 2.0" bezeichnen, wenn auch insgesamt die dimensionen gleich mal um ein vielfaches höher sind - jetzt geht es um die haushalte ganzer staaten, ja staatengruppen:

"Dank der Europäischen Zentralbank (EZB) ist diese Angst wie weggeblasen. Die EZB hat bekannt gegeben, sie werde ab sofort Staatsanleihen und private Schuldpapiere von Euroland-Mitgliedern als Sicherheit akzeptieren. Will heissen: Die EZB setzt auf die gleichen Instrumente wie die US-Notenbank Federal Reserve System nach dem Kollaps von Lehman Brothers: Sie tauscht «Giftmüll» gegen blitzsaubere Euro-Obligationen ein. Damit sind die Banken fürs erste aus dem Schneider. Was aber ist mit dem europäischen Bürger und Steuerzahler? Wird ihm die Rechnung entweder in höheren Steuern oder höherer Inflation präsentiert werden?" (...)

die erschütternde unschuld der letzten (rhetorischen) frage ist schon wieder fast lustig - aber auch nur fast. eine schleichende, immer stärkere inflation dürfte genauso sicher sein, wie weitere cuts von den staathaushalten angefangen bis hin zur ebene von kommunen und gemeinden. wer sich die länder betrachtet, denen der iwf in der vergangenheit schon mal an der halsschlagader saß, kennt das rabiate vorgehen dieser bande. für die bevölkerung von griechenland sowieso, aber auch für die in portugal, spanien und den anderen potenziellen zielkandidaten der "hilfe" dürfte das
mantra des sparens zu bisher ungeahnten gesellschaftlichen konflikten führen:

(...) "Die entsprechenden Staaten hätten sich als Gegenleistung für die Hilfen auch zu neuen Sparanstrengungen verpflichtet. So hat Spanien angekündigt, man wolle 2010 weitere fünf Milliarden Euro und 2011 weitere zehn Milliarden einsparen. Madrid will damit die Neuverschuldung schneller senken. Das Haushaltsdefizit soll 2010 schon auf 9,3 % gedrückt werden. 2011 will man es nach den neuen Plänen auf 6,5% reduzieren. Wie das geschehen soll, da bleibt die Finanzministerin Elena Salgado einsilbig. Bisher war sogar unklar, wie die schon zuvor angekündigten Sparpläne umgesetzt werden sollen, da Madrid auch ständig neue Ausgaben ankündigt.

Wie schon das bisherige Sparpaket Portugals klar, konkret und glaubwürdig war, hat Lissabon erneut konkret erklärt, an welcher Stelle die zusätzlichen Milliarden eingespart werden. Portugals Ministerpräsident Jose Socrates hat angekündigt, dass die sozialistische Minderheitsregierung zwei große Infrastrukturprogramme auf Eis legen werde. Der neue internationale Flughafen in Lissabon und die dazugehörige Brücke über den Tajo werden zunächst nicht gebaut. Das Defizit soll schon in diesem Jahr von 9,4 auf 7,3 % gesenkt werden, bisher hatte Lissabon für 2010 noch 8,3% angesetzt." (...)


die letztgenannten kürzungen bei großprojekten wie in portugal sind ja dabei noch nicht mal das verkehrteste - solche projekte sind bekanntlich aus diversen gründen in aller regel eh fragwürdige und meistens auch überflüssige ausgaben. der eigentliche batzen wird - und zwar mit einiger sicherheit in der gesamten eurozone, wenn auch in unterschiedlichen dimensionen - in solchen bereichen wie soziales, bildung, kultur und öffentliche (notwendige) infrastruktur angepeilt sein - und dieses "sparen" wird auf jahre, wenn nicht jahrzehnte, konsequenzen und folgen haben, die sich in ihrer ganzen unheilvollen komplexität überhaupt niemand vorstellen kann. die "märkte" haben ihre agenda der umverteilung des gesellschaftlichen reichtums bis dato in letzter hinsicht sehr erfolgreich durchsetzen können - und ohne eine massive umwälzung werden sie das aller voraussicht nach auch weiterhin tun (können) - unterstützt von ihren politikerInnen, die wiederum von einer mehrheitlich in agonie befindlichen bevölkerung passiv unterstützt werden (auch das bloße zuschauen erfüllt diesen tatbestand). bankster wie ackermann können ein weiteres mal ihr "victory" grinsend in die kameras zeigen - profite nicht nur gerettet, sondern gesteigert, und alle risiken und kosten einmal mehr erfolgreich sozialisiert.

*

vielleicht werden wir auch zukünftig irgendwann mal erfahren, was in den tagen und stunden seit dem seltsamen "crash" der wallstreet vergangenen donnerstag bis in die letzte nacht hinein eigentlich wirklich passiert ist - warum musste der bail out unbedingt bis heute morgen vor der öffnung der ersten börsen unter dach und fach sein? was wäre passiert, wenn nicht? bei lehman 1.0 stand das ganze (finanz-)system im herbst 2008 ja ca. 24 bis 48 stunden vor dem totalcrash, bevor damals die us-administration intervenierte - das aktuelle geschehen zeigt ein paar parallelen auf - bis dahin, das letzte woche bereits wieder meldungen über zunehmende und größere störungen im sog. "interbankenmarkt" zu sehen waren, d.h. die banken haben angefangen, sich untereinander wieder keine kredite mehr zu geben - wer sitzt auf wieviel "faulen" staatanleihen? da sich das pack untereinander bestens kennt, dürfte das gegenseitige misstrauen eine sehr reale basis besitzen.

*

aber wie dem auch sei - solange dieses system nicht ganz fundamental zerschlagen und umgestaltet wird, werden "wir" alle einmal mehr für eine klitzekleine minderheit zahlen. interessanterweise sind viele ähnliche stimmen auch
jenseits des atlantiks zu vernehmen - ein kommentarstrang der huffington post kann da als exemplarisches beispiel für dienen:

"German Chancellor Angela Merkel accused the financial industry of playing dirty. 'First the banks failed, forcing states to carry out rescue operations. They plunged the global economy over the precipice and we had to launch recovery packages, which increased our debts, and now they are speculating against these debts. That is very treacherous,' she said. 'Governments must regain supremacy. It is a fight against the markets and I am determined to win this fight.'"

UK Telegraph

Didn't she see the preview that happened here? And you want to go bailout?


antwort 1:

She is naive to believe that there is a division between governments and corporations. They are now one in the same.

ich würde das nicht als "naivität" bezeichnen - nennen wir´s eher bewusste mittäterschaft. und das system lässt sich als kapitalistische variante namens korporatismus mit feudalen zügen, vernebelt durch eine demokratiesimulation, begreifen.

antwort 2:

Battle for planet earth! Bankers vs the rest of us.

etwas seeehr verkürzt, aber als parole der stunde durchaus brauchbar - wobei die banken eben nicht alleine das problem sind, sondern das ganze system, in dem sie eingebettet und fett gepolstert existieren.

ebenfalls verkürzt in der benennung der ursachen (es liegt nicht alles nur am zins), aber eben so treffend im versuch der kurzen
gesamtschau klingt es teils hierzulande:

"Willkommen Europäer in Europa, könnte man heute sagen, denn jetzt sitzen wir wirklich alle in einem Boot. Nur heißt das Schiff Titanic und die Kapitäne ignorieren die Finanzeisberge, welche da draußen umher schwimmen. Solange ein Staat, eine Region, ein Kontinent Kredite aufnehmen muss, um funktionieren zu können, solange wird es langfristig immer eine Versklavung der Bevölkerung oder eine Ausbeutung der natürlichen Ressourcen geben. Zinsen müssen schließlich erwirtschaftet werden und dazu muss jemand verlieren.

Der Planet ächzt an allen Enden, Millionen von Menschen hungern täglich obwohl die Nahrungsmittelproduktion für 12 Milliarden Menschen produzieren kann. Das Artensterben geht weiter und hat den Zenit bereits überschritten und wir bekommen es nicht in die Reihe, die Ursachen für den bestehenden Druck und die damit verbundenen ausufernden psychischen Erkrankungen in den Industrienationen in den Griff zu bekommen.

Die Griechen haben Recht wenn sie sagen „Europäer erhebt euch.“ Der Ausverkauf Europas hat begonnen."


ja. jetzt sind wir alle u.a. auch griechen. nur an der widerständigkeit hapert´s noch.

*

in dem zusammenhang möchte ich auch noch auf ein äusserst lesenswertes
interview hinweisen, welches der dlf mit dem wirtschaftskolumnisten der französischen zeitung "le monde", paul jorion, geführt hat - lesenswert (für mich) v.a. deshalb, weil dort tatsächlich einmal auch für ökonomische laien gut nachvollziebar etwas von den mechanismen erklärt wird, die rund um die funktion des geldes in dieser gesellschaft existieren. das ist zwar noch vor dem aktuellen geschehen entstanden, jedoch in den grundsätzlichen aussagen natürlich weiter gültig (auch der jetzige bail out wird aus systemsicht eigentlich nur eins bringen: zeitgewinn vor dem großen finale). am ende ist zu lesen:

"Der ökonomische Mainstream hat ja die Krise bereits verabschiedet: Positive Zeichen am Horizont, das Schlimmste haben wir hinter uns, Sie sind da sehr viel pessimistischer, Sie glauben an diesen "Double Dip", also an diesen zweifachen Einbruch in Form eines Ws, wobei der zweite Teil sehr viel dramatischer sein wird als der erste, dieser zweite Teil, auf welchem Feld spielt er? Wird es eine Krise der öffentlichen Verschuldung sein? Wird es eine Krise der Nachfrage sein, die durch das Sparen ausgelöst ist? Also eine deflationäre Krise, wo wird sich das abspielen?

Jorion: Da stelle ich zuerst einmal die Frage, wo ist dieser Mainstream, von dem Sie da sprechen. Das sind ein paar Zeitungen, ein paar Fernsehsender, sicher nicht die Mehrheit! Im April lief eine Umfrage in Frankreich. Man hat die Menschen gefragt, ob sie an das Ende der Krise glauben. 75 Prozent haben darauf mit Nein geantwortet.

Was uns wirklich bevorsteht, ist die japanische Krankheit: eine sich dahinschleppende Periode andauernder Stagnation und Deflation. Für Keynes war Deflation die größte Gefahr. Niemand gibt Geld aus, weil morgen ja alles noch viel billiger zu haben sein wird. Die Wirtschaft kommt nahezu zum Stillstand, die Arbeitslosigkeit steigt steil an, es kommt zu einer Verarmung weiter Kreise der Bevölkerung.

Die Rezession wird sich fortsetzen, die Nationalstaaten haben ihr Pulver verschossen. Da kann man nicht mehr nachladen. Die Rettung des Bankensektors hat die letzten Reserven verbraucht, die Staaten haben mehr ausgegeben, als sie hatten. In ihrer Mehrheit sind sie ebenso insolvent wie Griechenland. Die Versuchung ist groß, die Schuldenlast durch eine Inflation abzutragen. Aber eine Inflation ist wie ein Flächenbrand, sie lässt sich kaum steuern.

Man stellt mir sehr oft die Frage, ob wir die finale Krise des Kapitalismus erleben. Ich denke, das stimmt. Es ist eine Art Todeskampf, der sich da abspielt. Er wird vielleicht nicht aus den gleichen Gründen sterben, die Marx vorhergesagt hat. Aber das ändert nichts. Marx kann sich getäuscht haben und das System trotzdem tödlich getroffen sein.

Man muss endlich handeln, man muss die Finanzindustrie daran hindern, weiter Schaden anzurichten. Seit drei Jahren plädiere ich dafür, Wetten auf Preise zu verbieten. Aber nichts bewegt sich. Enorme Summen werden der Wirtschaft durch diese Art des Zockens entzogen. Das ist etwas sehr, sehr Gefährliches."


wobei es ja jetzt so aussieht, als ob die eurozone der erwähnten "versuchung" einer (kontrollierten?) inflation nachgegeben hat - aber was ist das anderes als die wahl einer todesart?

*

(betreffend möglicher inhaltlicher fehler bei meiner bewertung ökonomischer zusammenhänge bin ich natürlich für korrekturen, ergänzungen etc. dankbar - ich finde das wirklich alles hard stuff).

User Status

Du bist nicht angemeldet.

US-Depeschen lesen

WikiLeaks

...und hier geht´s zum

Aktuelle Beiträge

Es geht ihm gut? Das...
Es geht ihm gut? Das ist die Hauptsache. Der Rest...
Grummel (Gast) - 23. Jan, 21:22
Im Sommer 2016 hat er...
Im Sommer 2016 hat er einen Vortrag gehalten, in Bremen...
W-Day (Gast) - 23. Jan, 14:49
Danke, dir /euch auch!
Danke, dir /euch auch!
Grummel - 9. Jan, 20:16
Wird er nicht. Warum...
Wird er nicht. Warum auch immer. Dir und wer sonst...
Wednesday - 2. Jan, 09:37
Ich bin da, ein Ping...
Ich bin da, ein Ping reicht ;) Monoma wird sich...
Grummel - 15. Sep, 16:50
Danke, Grummel. Das Netzwerk...
Danke, Grummel. Das Netzwerk bekommt immer grössere...
Wednesday - 13. Sep, 10:02
Leider nicht, hab ewig...
Leider nicht, hab ewig nix mehr gehört.
Grummel - 12. Sep, 20:17
Was ist mit monoma?
Weiss jemand was? Gruß Wednesday
monoma - 12. Sep, 14:48
Der Spiegel-Artikel im...
Den Spiegel-Artikel gibt's übrigens hier im Netz: http://www.spiegel.de/spie gel/spiegelspecial/d-45964 806.html
iromeister - 12. Jun, 12:45
Texte E.Mertz
Schönen guten Tag allerseits, ich bin seit geraumer...
Danfu - 2. Sep, 21:15

Suche

 

Status

Online seit 7223 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Besuch

Counter 2


assoziation
aufgewärmt
basis
definitionsfragen
gastbeiträge
in eigener sache
index
kontakt
kontext
lesen-sehen-hören
notizen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren