vorweg: als ich gestern nachmittag selbst die medienberichte aus athen das erste mal länger betrachtete, war meine erste reaktion: völlige deprimiertheit. der erste gedanke: idioten! (in bezug auf diejenigen, die mit mehreren molotovcocktails ein gebäude innerhalb einer dicht an dicht bebauten strasse in einer großstadt angreifen - unabhängig davon, dass das nun eine bank gewesen ist. diese art militanz enthält immer ein unakzeptables risiko hinsichtlich der gefährdung von menschenleben. und selbst wenn ich viele "innerlinke" diskussionen der vergangenheit berücksichtige, an die ich mich erinnere, und ein wichtiger punkt darin bei der betrachtung von widerstandsformen in anderen regionen immer war, dass es in der regel nicht angebracht ist, die eigenen maßstäbe aus der friedhofsruhe einer erstarrten demokratiesimulation an das handeln unter ganz anderen bedingungen anzulegen, kann das meine reaktion nicht groß ändern.
was ich allerdings gerade bei solchen ereignissen nicht bloß selbstverständlich, sondern schlicht notwendig finde, ist das genaue hinschauen - wer, was, warum. das macht auch in diesem fall die toten nicht wieder lebendig, verhindert jedoch womöglich ihre instrumentalisierung von leuten, die nun schon unzählige male gezeigt haben, dass sie notfalls auch über leichen gehen und dabei von zeit zun zeit - wenn´s taktisch nützlich ist - krokodilstränen vergießen. und nein, damit sind nicht diejenigen gemeint, die sich in griechenland selbst als anarchisten begreifen bzw. von außen als "autonome" bezeichnet werden.
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vor diesem hintergrund also nutze ich das blog jetzt ausdrücklich als form und möglichkeit der gegenöffentlichkeit, weil ich finde, dass das gleich folgende material mit herangezogen werden muss bei der betrachtung dessen, was sich da gestern in athen abgespielt hat. ich erwarte kein blindes glauben des folgenden, weil auch ich das selbst nicht nachrecherchieren kann. allerdings erhält das dokumentierte durch die anschließend dargestellte reaktion der griechischen gewerkschaft der bankangestellten eine nicht unwesentliche unterstützung. urteilen Sie selbst.
"I feel an obligation toward my co-workers who have so unjustly died today to speak out and to say some objective truths. I am sending this message to all media outlets. Anyone who still bares some consciousness should publish it. The rest can continue to play the government’s game.
The fire brigade had never issued an operating license to the building in question. The agreement for it to operate was under the table, as it practically happens with all businesses and companies in Greece.
The building in question has no fire safety mechanisms in place, neither planned nor installed ones – that is, it has no ceiling sprinklers, fire exits or fire hoses. There are only some portable fire extinguishers which, of course, cannot help in dealing with extensive fire in a building that is built with long-outdated security standards.
No branch of Marfin bank has had any member of staff trained in dealing with fire, not even in the use of the few fire extinguishers. The management also uses the high costs of such training as a pretext and will not take even the most basic measures to protect its staff.
There has never been a single evacuation exercise in any building by staff members, nor have there been any training sessions by the fire-brigade, to give instructions for situations like this. The only training sessions that have taken place at Marfin Bank concern terrorist action scenarios and specifically planning the escape of the banks’ “big heads” from their offices in such a situation.
The building in question had no special accommodation for the case of fire, even though its construction is very sensitive under such circumstances and even though it was filled with materials from floor to ceiling. Materials which are very inflammable, such as paper, plastics, wires, furniture. The building is objectively unsuitable for use as a bank due to its construction.
No member of security has any knowledge of first aid or fire extinguishing, even though they are every time practically charged with securing the building. The bank employees have to turn into firemen or security staff according to the appetite of Mr Vgenopoulos [owner of Marfin Bank].
The management of the bank strictly bared the employees from leaving today, even though they had persistently asked so themselves from very early this morning – while they also forced the employees to lock up the doors and repeatedly confirmed that the building remained locked up throughout the day, over the phone. They even blocked off their internet access so as to prevent the employees from communicating with the outside world.
For many days now there has been some complete terrorisation of the bank’s employees in regard to the mobilisations of these days, with the verbal “offer”: you either work, or you get fired.
The two undercover police who are dispatched at the branch in question for robbery prevention did not show up today, even though the bank’s management had verbally promised to the employees that they would be there.
At last, gentlemen, make your self-criticism and stop wandering around pretending to be shocked. You are responsible for what happened today and in any rightful state (like the ones you like to use from time to time as leading examples on your TV shows) you would have already been arrested for the above actions. My co-workers lost their lives today by malice: the malice of Marfin Bank and Mr. Vgenopoulos personally who explicitly stated that whoever didin’t come to work today [May 5th, a day of a general strike!] should not bother showing up for work tomorrow [as they would get fired].
- An employee of Marfin Bank"
kurze zusammenfassung: ein mitarbeiter der betroffenen "marfin-bank" (wenn mich nicht alles täuscht, eine "privatbank") erläutert zunächst die mangelhaften bis nicht vorhandenen schutzmaßnahmen gegen feuer im gebäude und die nicht vorhandene vorbereitung der angestellten auf mögliche brandfälle. soweit nichts ungewöhnliches, und zwar nicht nur in ländern wie griechenland.
dann aber folgt eine beschreibung der zustände in der bank (nicht nur) am gestrigen tag des generalstreiks: es wird beschrieben, wie das management der bank sämtliche angestellte unter androhung der entlassung am verlassen des gebäudes hinderte; türen wurden abgesperrt / geschlosssen sowie die kommunikationsverbindungen nach außen - auch das netz - blockiert. daraus zieht der anonyme mitarbeiter einen bemerkenswerten schluß: seine toten kollegInnen gehen für ihn auf das konto der böswilligkeit des managements und des besitzers der bank.
wie gesagt: man muss das nicht unbedingt ungeprüft glauben, und als anonyme einzelmeinung mag das interessant sein, aber nicht unbedingt den blick auf die verantwortlichkeiten verschieben (zu denen übrigens letztlich auch, und zwar nicht nur in einem abstrakten sinne, die griechische regierung sowie die eu-"eliten" und der iwf gehören - sie haben die eigentliche bühne für das tödliche drama ausgestattet). ganz persönlich traue ich zwar nicht unbedingt den leuten, die sich dort im widerstand befinden, so eine fakeaktion zur eigenen entlastung zu - aber man auch schon pferde kotzen sehen.
die bedeutung des anonymen offenen briefes nimmt jedoch eine unerwartete wendung, wenn man sich die folgendemeldungbetrachtet:
"GREEK bank staff will hold a nationwide strike today in protest at the deaths of three bank employees in a firebomb attack during general strike demonstrations in Athens yesterday, their union said. (...)
"This tragic event that took the life of three of our colleagues, two women and a man, is the sad consequence of anti-popular measures that whipped up pop popular anger," the OTOE bank employees' federation said.
"The government has very serious responsibilities, as it seems it failed to take account the scale of the consequences which its decisions would have on Greek society," OTOE said.
The federation also criticised Greek police for failing to protect its members, noting that banks are frequently targeted during demonstrations." (...)
die gewerkschaft der bankangestellten OTOE wird also heute aus anlaß des todes ihrer kollegInnen einen landesweiten streik durchführen, und gibt der regierung und ihren wutauslösenden sparpaketen ausdrücklich ! die hauptverantwortlichkeit, incl. des aus ihrer sicht fehlenden polizeischutzes - klar sind banken, und zwar alle ohne ausnahme, in einer solchen massiven krise wahrscheinliche angriffsziele.
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ich fürchte, dass die nächste zeit allerlei mehr oder weniger fundierte (verschwörungs-)theorien hervorbringen wird; einige davon, die sich auf undercoveraktionen staatlicherseits und / oder eine provokation der griechischen faschisten beziehen, sind schon im umlauf. nicht, dass ich nicht beides gerade in einer solchen situation wie aktuell für unmöglich halten würde - das problem ist jedoch das übliche: solange nicht wirklich faktische belege oder zumindest starke indizien auf dem tisch liegen, bleiben das eben - theorien. die beiden oben vorgestellten berichte jedoch bringen tatsächlich etwas an material, welches zwar die schaurige und traurige dummheit des betreffenden militanten angriffs nicht relativiert, ihn jedoch womöglich in seinen fatalen wirkungen in einen realistischen kontext stellt. und darum halte ich es auch für wichtig, beide berichte weit zu verbreiten.
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edit am 06.05.: es gibt inzwischen ein paar sehr brauchbare zusammenfassungen der ereignisse aus verschiedenen (linken) perspektiven: einmal beientdinglichung, wo nochmal ausführlich die ereignisse rund um den angriff auf die bank zusammengefasst werden. die junge welt konstatiert: proteste gehen weiter, und widmet sich speziell den reaktionen aus parteien und gewerkschaften. ja, und bei indymedia gibt es inzwischen - längst überfällig - so etwas wie einfeaturezur gesamten aktuellen situation in griechenland, mit vielen weiteren links und möglichen quellen. ja, und dann kommen ja auch immer blogs auf touren, wie in den kommentaren zu sehen ist.
sowohl gestern als auch heute hatte ich selbst nur begrenzt zeit, mich mit dem thema zu beschäftigen - die (lohn)arbeit hat mich fest im griff, und wer sich die erscheinungszeit des beitrags hier heute morgen betrachtet, wird wahrscheinlich nachvollziehen können, warum ich gerade regelrecht platt bin.
vor diese hintergrund also mit aller vorsicht meine eigene wahrnehmung des ganzen, wie es sich für mich aktuell darstellt:
ich halte es - leider - für wahrscheinlich, dass der tödliche angriff tatsächlich aus den reihen der militanten linken gekommen ist. dafür spricht u.a. auch, dass es meines wissen dort bereits früher ähnliche angriffe auf geschäfte, banken etc. gegeben hat, die sich ebenfalls teilweise in bewohnten gebäuden befanden. gekoppelt mit den weiter oben beschriebenen und inzwischen faktisch verifizierten eigenheiten der situation in dem gebäude zum zeitpunkt des angriffs ergab das ein fatales und tödliches desaster.
hooligans (als umfassender begriff gemeint), faschisten, undercoverpolizisten: ja, gab es und gibt es immer wieder. an entsprechenden diskussionen stört mich jedoch eine mehr oder weniger unausgesprochene tendenz immer wieder (ähnliches lese ich auch aus einigen kommentaren unten heraus): nämlich die, jede militante aktion in eine dieser schubladen zu stecken. und das halte ich nicht nur für inhaltlichen quatsch, sondern es fördert auch eine bestimmte, im kern fatalistische, haltung der ohnmacht. die ich nebenbei gesagt übrigens für etwas sehr "deutsches" halte und zu großen teilen auf die spezifisch katastrophalen historischen erfahrungen mit militanten bewegungen "von unten" hierzulande zurückführe, beginnend mit der revolution 1848.
das militanz zunächst einmal eine innere haltung darstellt, lange vor jedem möglichen ausdruck (der übrigens keinesfalls zwangsläufig den geläufigen klischees entsprechen muss), fällt beim oben angesprochenen fatalismus ebenso unter den tisch wie die einfache tatsache, dass es selbst in der deutschen geschichte immer wieder nicht nur militante kleine gruppen, sondern auch entsprechende massenbewegungen gab (erstere, wie zb. die "rote zora", hat 1987 sehr wirkungsvoll mittels einer reihe von brandanschlägen auf den repressiven umgang mit einem streik südkoreanischer arbeiterinnen in produktionswerken des deutschen textilunternehmens adler interveniert mit der folge, dass sich adler zu einer öffentlichen erklärung gezwungen sah und sowohl entlassungen in südkorea zurücknahm als auch die forderungen der dortigen arbeiterinnen erfüllte. das bka war damals absolut not amused und beschwerte sich postwendend bei der führung von adler - die reaktion der firma würde (sinngemäß) ein sehr schlechtes beispiel liefern. naja, und hinsichtlich von erfolgreichem und militanten massenwiderstand lohnt sich ein blick in richtung des kleinen bayrischen örtchens wackersdorf
militanz hat - und gerade gruppen wie die rote zora haben das beispielhaft umgesetzt - ganz entschieden etwas mit dem erarbeiten von verantwortlichkeit zu tun, bekanntlich eine wirklich harte aufgabe. dabei lassen sich gerade in diesem bereich selbstverantwortlichkeit und verantwortung für andere nicht trennen. es ist daher nicht wirklich eine gewagte vermutung, wenn ich glaube, dass es den athener akteuren in diesem fall an beidem massiv gefehlt hat. was sicher auch gründe hat, aber das würde jetzt den rahmen sprengen.
viele weitere meiner gedanken zum ganzen thema militanz und - damit fast untrennbar gekoppelt - auch dem mittel der gewalt finden sichhier- geschrieben im winter 2008 anlässlich der damaligen massiven riots in griechenland, verweise ich an dieser stelle einfach darauf. und möchte vor allem den letzten abschnitt hervorheben - ein text aus griechenland, der mich bis heute sehr berührt - , weil es das, was ich als militante haltung bezeichnen würde, in einer schon poetischen art und weise ausdrückt.
bin müde, muss morgen früh raus - aber ein paar sehr informative links gibt´s noch mit in die nacht:
karl-heinz roth dürfte einigen hier noch aus vergangenen krisennews ein begriff sein; von ihm gibt es nun den ersten teil eines für mich wirklich ein paar verständnisschleier auflösenden versuchs eines großen überblicks über das, was sich in der globalen ökonomie spätestens seit 2008 als verschiedene phasen einer massiven krise wahrnehmen lässt - einglobaler schwelbrandist im gange, und wie das bei schwelbränden nun so ist, kann daraus jederzeit eine alles verbrennende feuerwalze entstehen. sehr interessante perspektive(n), aus denen roth da die situation wahrnimmt.
ergänzend sei einmal mehr die wildcat empfohlen, mit einer spannenden - ja, sowas lässt sich vielleicht schon als "militante untersuchung" bezeichnen, und zwar aus der innenansicht des griechischen widerstands - "linke" parteien, gewerkschaften bis hin zu den im weitesten sinne autonomen gruppen. ist zwar von mitte märz, aber das beschriebene dürfte auch noch in diesen tagen aktuell eine rolle spielen:"Hier steht nur noch eine Abrechnung aus: unsere Abrechnung mit dem Kapital und seinem Staat".
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das wort "abrechnung" ist auch ein begriff, der mir in verschiedenen zusammenhängen immer wieder bei der betrachtung der situation im golf in den sinn kommt - wirklich sehr viele facetten gerade der reaktionen in den usa selbst sowie die jeweils neusten entwicklungen sind im in jeder hinsicht monströsenthemenschwerpunkt der huffington postzu finden - ich bin da in den letzten tagen schon teils stunden über stunden drin hängengeblieben, aber es lohnt sich selbst dann, wenn mensch besonders englischsprachige technologische details oder auch sonstige fachsprachlichen aspekte nicht besonders gut versteht. es gibt da einiges zu lesen, was es offensichtlich nicht oder nur mit verzögerung über den großen teich bis in die hiesige medienlandschaft schafft. tipp.
während sich der störfall im golf von mexico zu einemsupergau des ölzeitalterszu entwickeln droht - nach ein wenig recherche stinkt es einerseits penetrant nach verharmlosung, die andererseits durch die inzwischen sichtbaren dimensionen immer weniger aufrechtzuerhalten ist - und dazu bis zur stunde überhaupt nicht absehbar ist, wann und ob überhaupt die lecks geschlosen werden können, geschweige denn wie die folgen nicht mehr nur für die dortigen ökosysteme nach womöglich wochen oder gar monaten des ölaustritts aussehen würden - während also solcherlei und noch andere düstere gedanken wie ölschlieren auf dem wasser durch meinen kopf zogen, kam mir dank eines hinweises im "spon"-forum eine information vor augen, die zumindest mir bis heute abend völlig unbekannt gewesen ist und meinen wutpegel in gefährliche höhen getrieben hat. mir fällt für die gleich folgenden tatsachen keinerlei angemessenes wort ein - "skandal" wäre eine verharmlosende untertreibung, und unsere aller (in variationen sicher jeweils mehr oder weniger ausgeprägte, aber grundsätzlich vorhandene), anscheinend unlösbare involvierung in das ölzeitalter machen das folgende schwer erträglich. vielleicht auch eingrund dafür, dass erst ende letzten jahres überhaupt berichte in der medialen öffentlichkeit auftauchten - berichte über dieradioaktive verseuchung im ganz normalen betrieb der ölforderung - ehrlich, haben Sie davon schon mal etwas gehört?
(...) "Seit Jahrzehnten produziert die Öl- und Gasindustrie mit jedem Barrel Öl und jedem Kubikmeter Gas radioaktiven Abfall: Abwässer, Schlämme und Ablagerungen, versetzt vor allem mit dem hochgiftigen und langlebigen Radium 226. Jahr für Jahr sind das weltweit einige Millionen Tonnen - weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit. (...)
Konkret darauf angesprochen gibt auch die Öl- und Gasindustrie die Existenz der radioaktiven Abfälle unumwunden zu. "Das Thema ist eigentlich ein Thema seit es die Gasförderung in Deutschland gibt, das ist so seit Anfang der 70er-Jahre", erklärt Hartmut Pick, Sprecher des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG).
Allerdings hat die Industrie das Phänomen der radioaktiven Abfälle bei der Öl- und Gasproduktion bislang konsequent vor der Öffentlichkeit verschwiegen. "Wir haben das natürlich nicht mit der Bevölkerung kommuniziert", sagt Pick. "Wir kommunizieren das Problem mit den Mitarbeitern, die damit beschäftigt sind, mit den Aufsichtsbehörden, die damit zusammenhängen - ja, mit der Branche, innerhalb der Branche."
Der Branchenverband begründet dieses Vorgehen mit der vermeintlichen Ungefährlichkeit der kontaminierten Rückstände. "Wir haben es hier mit natürlicher Radioaktivität in einem relativ geringen aktiven Bereich zu tun, der im Bereich der natürlichen Radioaktivität auch unserer Umgebung liegt", sagt Verbandssprecher Pick.
Diese Aussage ist falsch und widerspricht den eigenen Angaben des Verbandes. Denn danach ist die durchschnittliche Belastung der radioaktiven Öl- und Gasabfälle fast 700 mal höher als die durchschnittliche Belastung des Erdbodens. Dem WDR liegt ein Papier der Firma Exxon vor, wonach die mittlere Belastung der Abfälle sogar 3000 mal höher ist." (...)
und so weiter. eine recherche ergibt auf die schnelle nachweisbare folgen bspw. in kasachstan, nigeria und in denusa:
(...) "Durch Zufall fand man heraus, dass die Rohre aus den Ölfeldern von Ashland Oil radioaktiv kontaminiert waren. Strahlenschutzexperte Wade Smith hat als Erster systematisch in und um Martha gemessen. "Wir fanden Radioaktivität in Tanks, in Abflüssen und Rohren, in offenen Sickergruben, sogar im Trinkwasser und in einigen Bächen und Flüssen." Als eines der größten Probleme entpuppten sich die ausgedienten Förderrohre. Ashland Oil hatte sie zu Tausenden an Dorfbewohner und Mitarbeiter, an die örtliche Schule und an Farmer verkauft. Und die hatten, ohne von den stark radioaktiven Ablagerungen innerhalb der Rohre etwas zu wissen, daraus Klettergerüste, Zäune, Regale und anderes gebaut.
Rodney Hamilton war früher selbst bei Ashland Oil angestellt. Er nutzte die Rohre, um damit das Fundament seines Hauses zu bauen. Vor zwölf Jahren kam Strahlenschützer Wade Smith in sein Haus und stellte fest: Das ganze Haus ist kontaminiert. "Wir haben Werte gemessen, die lagen bis zu 800 mal über der natürlichen Hintergrundstrahlung," sagt Wade Smith. Für Hamilton war das ein Schock: "Als ich das erfuhr, habe ich mit meiner Frau und meinen beiden Kindern das Haus sofort verlassen." Bis heute steht das verstrahlte Haus leer.
Auch die Schule von Martha musste wegen der Strahlung geschlossen werden. Ashland Oil hat inzwischen überall, wo es ging, die verstrahlten Rohre abgebaut. Tausende Tonnen Erdreich wurden ausgetauscht. Doch die Einwohner von Martha warten noch heute auf Entschädigungen, viele erkrankten an Krebs. Einige sind inzwischen gestorben.
Martha ist kein Einzelfall, sagt Whelma Subra von der US-Umweltorganisation "Earthworks". In der Mehrzahl der 20 Öl produzierenden Bundesstaaten gibt es Probleme mit radioaktiven Abfällen. "In verschiedenen Gerichtsverfahren wurde nachgewiesen, dass die Industrie schon seit den 30er Jahren davon wusste, es aber bis in die späten 80er, frühen 90er Jahre verheimlicht hat," erklärte die Umweltschützerin gegenüber dem WDR." (...)
wenn ich die situation richtig verstanden habe: es betrifft letztlich alle regionen, in denen öl gefördert wird - wie im ersten link hoffentlich deutlich wird, ist die beförderung der radioaktiven stoffe an die oberfläche (das wörtchen " natürlich" als attribut vor der radioaktivität ist in diesem fall völlig bedeutungslos und als implizite verharmlosung gemeint) in verschiedenen konzentrationen eine geradezu zwingende folge der ganz "normalen, unfallfreien" erdölförderung, die auf geologischen und physikalischen gegebenheiten beruht. was seitens der industrie "natürlich nicht in der bevölkerung kommuniziert" wurde.
peak oil erweist sich unter solchen aspekten immer mehr als regelrechter segen - wenn diese sog. "zivilisation" sich angesicht des peaks und angesichts der schlichten normalen unerträglichkeiten bei der ölförderung und auch der verarbeitung als unfähig erweisen sollte, sich selbst zu transformieren, hat sie nichts weiter als den untergang verdient.
in den früheren beiträgen zu peak oil kam öfter mal das gleichnis mit einem junkie oder auch alkoholiker, die auf ihren stoff nicht mehr verzichten wollen und können. in beiden fällen hilft nur der konsequente entzug. das gilt auch für das öl, wobei das angesichts der rolle, die dieser basale rohstoff für die industriellen gesellschaften spielt, gleichzeitig ihr ende bedeuten wird. so oder so. das eine so steht für das (in peak oil-kreisen beliebte) "mad-max-szenario" - eine dystopie nach dem gleichnamigen film. das andere so wäre eine kollektive, rasche und bewusst eingeleitete abkehr vom ölzeitalter - mit allen konsequenzen auch des (scheinbaren oder realen) verzichtes, die das individuell und kollektiv mit sich bringen würde. ich muss wohl nicht mehr schreiben, welches so ich in der derzeitigen situation für wahrscheinlicher halte... der auf öl basierende kapitalismus wird aufgrund seiner inneren widersprüche und der äusseren grenzen des exponentiellen wachstums zur hölle fahren, aber er wird dabei vermutlich auch die eh schon schwer beschädigte menschliche sozialität an den rand des abgrunds bringen.
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unabhängig davon: meiner wahrnehmung nach sind die obigen informationen noch weitgehend unbekannt. zumindest das können bloggerInnen und auch "nur"-leserInnen ändern - das schwarze gift und die umstände seiner produktion und verarbeitung sind nicht nur hinsichtlich der "rein" chemischen eigenschaften eine gefahr.
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edit: noch ein zusammenfassendes und vor allem hinsichtlich der bisherigen reaktionen aus wirtschaft und politik sehr aufschlussreichesmanuskripteiner radiosendung im dlf.
ich schaffe es momentan nicht, eine neue folge der krisennews zu schreiben, aber natürlich passieren gerade im bereich widerstand immer wieder genügend aktionen in verschiedensten ländern, die hierzulande im mainstream nicht oder nur verzerrt dargestellt werden - und die ich deshalb immer wieder versucht habe, in den news zu dokumentieren. dann also diesmal ausserhalb - besser als gar nicht.
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eine größere aktion - demonstration plus eher symbolischer bankenstürmung - ist am vergangenen donnerstag in derwall streetgelaufen:
(...) "Es ist der größte Massenprotest gegen die Wall Street seit dem "Bailout" vor zwei Jahren, als die US-Regierung die Finanzbranche mit 700 Milliarden Dollar vor dem Kollaps rettete. Die Polizei schätzt die Zahl der Demonstranten im Finanzdistrikt auf 7500. Die Veranstalter, allen voran der US-Gewerkschaftsverband AFL-CIO, sprechen von 15.000. (...)
Es sind Gewerkschafter, Lehrer, Bauarbeiter, Angestellte, verschuldete Hausbesitzer, Bankkunden, Arbeitslose, Geistliche, Gemeindeführer. Ein paar hundert haben es sogar geschafft, kurz die gläsernen Eingangshallen von JP Morgan Chase und Wells Fargo in Midtown zu stürmen, mit geballten Fäusten, bevor die Polizei sie friedlich abführte." (...)
letzteres ist thema dieses kurzen videos:
wenn ich mich so an die berichte erinnere, die mir seit herbst 2008 aus den usa vor augen gekommen sind, dann gehört diese demo schon zu den auffälligeren, sowohl was beteiligung als auch zusammensetzung anbelangt. ich habe zu wenig einblick in die (potenzielle) linke oder auch linksliberale opposition dort und die sich teils doch sehr von europa unterscheidenden bedingungen und eigenarten. auch per indymedia nyc oder andere einschlägige seiten war nichts wirklich aufschlussreiches zu erfahren. wer diesbezgl. also mehr infos hat, möge die bitte per kommentar teilen - würde mich freuen.
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fast täglich geht der blick gen griechenland, wo es immer wieder zu solchenszenenwie ebenfalls am donnerstag kommt:
(...) "Während ihrer Proteste gegen die Sparmaßnahmen der Regierung haben Hunderte Lehrer versucht, das Finanzministerium in Athen zu erstürmen. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt, vereinzelt habe es auch Rangeleien gegeben, sagte ein Sprecher der Behörden. Verletzt wurde jedoch niemand. Vor dem Parlamentsgebäude warfen etwa 50 Vermummte Steine auf Polizisten, die ihrerseits mit Schlagstöcken gegen die Randalierer vorgingen." (...)
"kleine scharmützel", würden militärfreaks jetzt vermutlich sagen. bemerkenswert aber die durchaus wahrnehmbaren ansätze zur militanz selbst bei berufsgruppen, von denen hierzulande wohl kaum ein mitglied auf ähnliche ideen kommen würde.
aber die reaktion großer bevölkerungsteile wird bei der jetzt unter iwf- und eu-regie anstehenden finanziellen brachialamputation eben dieser bevölkerung eine sehr wichtige und große rolle mit bedeutung weit über griechenland hinaus spielen - verweigern sich nämlich relevante mengen den geplanten "spar"- ( bzw. umverteilungs-) programmen hauptsächlich zugunsten diverser banken, dann wird es zukunftsweisend sein, wie die "eliten" mit so einer verweigerung umgehen werden - die zeit der militärdiktaturen in europa ist ja bspw. eigentlich vorbei, obwohl sich manch einer der antisozialen organisierten kriminalität solche repressiven gebilde zurückwünschen dürfte, lassen sich doch gerade in deren friedhofsruhe ungestört kapitalistische exzesse organisieren und umsetzen.
bereits heute wird sich aber aller wahrscheinlichkeit nach schon abzeichnen, wie zugespitzt die situation nun real tatsächlich ist - dererste maikönnte diesbezgl. ein sehr symbolträchtiges datum sein:
(...) "Im ganzen Land finden wieder die traditionell eher friedlichen Mai-Demonstrationen statt. Aber in diesem Jahr erhalten sie vor dem Hintergrund der härtesten Sparmaßnahmen seit dem 2. Weltkrieg eine besondere Dringlichkeit, da Premier Papandreu am Sonntag die Einzelheiten der Kürzungen öffentlich verkünden wird. (...)
Der Blog"teacher dude"eines in Thessaloniki lebenden "Citizen-Journalist" und Englisch-Lehrers, wagt eine Vorhersage für den 1. Mai. Der Blog gilt seit dem Beginn der Krise als einer der bestinformierten Europas.
"Teacher Dude" misst der Verkündung der Details der Sparmaßnahmen an einem Sonntag eine besondere, nicht zufällige Bedeutung zu, die ihre einschneidende Bedeutung für die Bevölkerung betonen soll.
Dann kommt der blog zu einer Einschätzung des 1. Mai.
Normalerweise seien die Maikundgebungen im Land eher friedlich und durch einen rituellen Charakter als durch einen leidenschaftlichen revolutionären Antrieb gekennzeichnet. Der 1. Mai sei auch für Linke nur ein sekularer Feiertag.
Der morgige Tag verspreche allerdings anders zu werden. Der Ärger über die in den nächsten Jahren zu erwartenden Lohnkürzungen und Absenkungen des Lebensstandards werde sich höchst wahrscheinlich sein Ventil suchen.
Gewerkschaften, Arbeiter des öffentlichen Dienstes, die Opppostition und der ganz normale Bürger werden auf die Straße gehen, wütend wegen der ausweglosen Lage, in die sie die PASOK-Regierung gebracht hat.
In dem die Regierung den Sicherheitskräften bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung freien Lauf lasse, trage sie dazu bei die explosiven Mischung zu verstärken, die durch die augenfällige Wut der Menschen entstanden ist.
Im vollen Bewußtsein dass die Augen der Finanzwelt auf Griechenland gerichtet sind, versuche die Papandreu-Regierung alles in ihrer Macht mögliche um eine Wiederholung des Dezember 2008 zu verhindern.
Auf der anderen Seite sei die Riot Police (MAT) dafür bekannt, dass ihre Einsatztaktik am 1. Mai genau die Bilder produzieren werde, die Papandreu so verzweifelt verhindern will."
vor diesem hintergrund schreibt derlesende arbeiterauf indy sehr berechtigt:
(...) "Auffallend ruhig bleibt es dagegen auf der linken Seite. Wo hat man bisher von Solidaritätskundgebungen für die streikenden griechischen Lohnabhängigen in Deutschland gelesen? Dabei hat die griechische Linke Solidarität aus anderen europäischen Ländern erbeten: So schrieb der Vorsitzende der griechischen Partei »Koalition der Linken, Bewegungen und der Ökologie«, Synaspismos (SYN), Alexis Tsipras, vor einen Tagen in einen Brief an den Vorsitzenden der Europäischen Linken (EL), Lothar Bisky, und an die Vorsitzenden der in der EL zusammengeschlossenen Parteien:
"Wir fordern euch auf, den Mitgliedern eurer Parteien, der Arbeiterklasse und den Menschen eurer Länder nicht nur Solidaritätsbotschaften mit der griechischen Bevölkerung zu übermitteln, sondern auch Botschaften der Mitwirkung für eine Koordinierung in der Praxis, damit sich in ganz Europa Kämpfe gegen den Angriff entwickeln, dem heute unsere Bevölkerung und morgen alle Menschen Europas ausgesetzt sind. Lasst uns alle zusammen Widerstand leisten! Lasst uns alle zusammen Europa verändern und in ein Europa des Friedens, der Demokratie und der Gerechtigkeit verwandeln! Es ist an der Zeit."
Der 1.Mai, der immerhin einmal als internationaler Arbeiterkampftag entstanden ist, wäre eine gute Gelegenheit, um diese Bitte praktisch zu beantworten. Dabei braucht man gerade in Deutschland nicht bei moralischen Solidaritätsappellen stehen bleiben. Kundgebungen vor den Zeitungen, die sich mit der Hetze gegen Griechenland besonders hervorgetan haben, könnten ein Signal an die griechische Bevölkerung sein, dass es in Deutschland Menschen gibt, die sich davon nicht anstecken lassen. Es gäbe auch genügend weitere konkrete Anknüpfungspunkte für diese Solidarität. So weigert sich die deutsche Regierung noch immer, Reparationen für die Verbrechen während der NS-Besetzung des Landes zu zahlen. Die geschuldete Summe beläuft sich auf mehr als 50 Milliarden Euro. Andererseits geht mittlerweile 13 % des deutschen Rüstungsexports nach Griechenland. Auch hier böte sich eine Möglichkeit an, Solidarität mit der griechischen Bevölkerung zu zeigen." (...)
da sind durchaus ein paar bedenkenswerte ansätze dabei, finde ich.
eigentlich wollte ich mir ja zumindest übers wochenende nichts von außen "diktieren" lassen, was die bloggerei und überhaupt das schreiben (einige mails rund ums blog harren noch ihrer beantwortung) betrifft - eigentlich. inzwischen hat sich jedoch der vor ein paar tagen vermutlich nicht nur von mir eher beiläufig registrierte unfall auf der bohrinsel "deepwater horizon" im golf von mexico als ein monströses technoindustrielles desaster ersten grades herausgestellt, mit einigen dimensionen, die im folgenden kurz skizziert werden sollen. und neben den dazugehörigen eher "rationalen" betrachtungen möchte ich auch ausdrücklich erwähnen, dass mich solche bilder...
...wie dieses eines verölten vogels in der san franciso bay 2007 (photo von mila zinkova) regelmässig stinksauer machen - und das nicht nur wegen einer fast schon misanthropischen scham im angesicht der durch übles menschliches treiben gequälten kreatur, die nicht begreifen kann, was ihr geschieht (aber, und da bin ich mir sicher, leidet), sondern auch deshalb, weil sich alles gerede und alle wohlfeilen absichtsbekundungen nach derlei großtechnologischen verbrechen regelmässig als billige luftnummern herausstellen - oder will sich jemand hinstellen und behaupten, dass aus der kette von dimensionsmässig vergleichbaren störfällen wie bspw. seveso 1977, bhopal 1984, dem atomaren gau von tschernobyl (in einem quasi staatskapitalistischen system, ganz recht) und dervergiftung des rheinsim gleichen jahr 1986 sowie den schweren unfällen mit supertankern wie der"exxon valdez"1989 irgendwo und irgendwann wirklich grundsätzliche und einschneidende konsequenzen gezogen worden wären?
natürlich nicht - es fällt erstens auf, dass bei den obigen beispielen überall verschiedene, aber weltweit bekannte corporations beteiligt waren, deren macht und kriminelle energie im gleichnamigenfilmpräzise dokumentiert wurde; und zweitens, dass bei den meisten derartigen "unfällen" ein fataler mix aus menschlicher selbstüberschätzung, mangelnder beherrschung der technologie, verantwortungslosigkeit, unterlaufenen sicherheitsstandards und profitmaximierung um buchstäblich jeden preis ursächlich beteiligt gewesen ist, gefolgt von vertuschungs- und verharmlosungsversuchen sowie dem mehr oder weniger unverschämten bemühen, sich jeweils möglichst erfolgreich um die fälligen entschädigungen zu drücken. mit moralischen kategorien ist derlei treiben nicht beizukommen, im systemimmanenten verständnis sind das alles durchaus "rationale" verhaltensweisen. von "außen" betrachtet jedoch lässt sich etwas wahrnehmen, was in "the corporation" völlig berechtigt als soziopathische, antisoziale grundstruktur von gebilden wie großkonzernen (und ich füge hinzu: auch von den verantwortlichen führungskräften sowie teilen ihrer lakaien) gezeichnet worden ist. und unter diesem aspekt sollten sie auch wahrgenommen und behandelt werden.
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das sich nun "bp" öffentlich sehr schnell zur übernahme der kosten (was immer das dann auch konkret bedeutet) breit erklärt hat, dürfte als allerletztes mit solchen dingen wie echter verantwortungsübernahme oder gar wirklicher reue zu tun haben, sondern eher damit, dass auch die pr-abteilungen dieser kriminellen organisationen inzwischen wissen, dass sich solche (absehbaren) debakel wirklich großen stils öffentlich nicht wirklich gut machen und eine ernste delle ins geschäft schlagen können, vom image mal ganz zu schweigen.
und es dürfte auch etwas mit den tatsächlichenhintergründenin diesem fall zu tun haben - die sehen hinsichtlich "bp" nämlich so aus:
(...) "Doch BP macht es sich mit der Schuldzuweisung an die Schweizer Firma etwas zu leicht, wie verschiedene Kommentatoren bemerkten. «Es war der britische Ölkonzern, der Transocean den gefährlichen Auftrag gab. BP liess das Unternehmen in in einer Tiefe bohren, die technisch nicht mit letzter Sicherheit zu kontrollieren ist», schreibt etwa die «Financial Times Deutschland». Das «Wall Street Journal» weist darauf hin, dass die Sicherheitstechnik der «Deepwater Horizon» nicht auf dem modernsten Stand gewesen sei. Es habe ein Schalter gefehlt, mit dem das Bohrloch hätte verschlossen werden können. Warum? BP hatte zusammen mit anderen Ölfirmen im amerikanischen Parlament lobbyiert, dass diese Schalter anders als etwa in Norwegen und Brasilien nicht zur Vorschrift werden. Kein Wunder: Ein Stück kostet 500'000 Franken." (...)
weil da einige herren etwas sparen wollten, gibt es jetzt also eine situation, die - stand heute abend - soaussieht:
(...) "Die küstennahen Feuchtgebiete sind die Laichgebiete und Brutstätten von zahlreichen Krebstieren, Fisch- und Vogelarten. „Gerade für Vögel könnte die Zeit nicht schlechter gewählt sein“, sagt Melanie Driscoll von der US-Vogelschutzorganisation Audubon. Viele Vögel brüten in der Gegend, auch Zugvögel auf dem Weg von Südamerika in arktische Gebiete sind zur Zeit dort. (...)
„Über die Nahrungskette sind beinahe alle Tiere bedroht, die in der Küstenregion leben“, sagt Maggy Nugues vom Bremer Leibniz-Zentrum für marine Tropenökologie. Zahlreiche Tierarten ernähren sich von Plankton - etwa Krabben, Muscheln, Austern und Shrimps. Eingeöltes Plankton können sie entweder gar nicht fressen oder wenn sie es doch tun, vergiften sie sich an der verseuchten Nahrung. Dadurch fehlt dann wieder Nahrung für andere Tiere, etwa Otter, der sich von Muscheln ernähren.
Auch Delphine und Wale sollen betroffen sein. Die können doch weite Strecken zurücklegen - können sie nicht aus dem verseuchen Gebiet verschwinden?
Doch, können sie - sagt Maggy Nugues. „Delfine und Wale werden merken, dass das Wasser nicht in Ordnung ist, verlassen das Gebiet und fressen auch nicht mehr dort.“ Allerdings ernähren auch sie sich von Plankton und Fischen. Sind diese durch Öl verseucht, können die Tiere erkranken. Verseuchte Fische können sich sehr viel weiterräumiger ausbreiten, als der Ölteppich selbst. Wie genau sich das auf die großen Meeressäuger auswirken wird, ist aufgrund der geringen Erfahrungswerte schwer einzuschätzen.
Man hört immer wieder, das Mississippi-Delta sei besonders empfindlich. Warum?
Die Region besteht zu einem großen Teil aus Mangrovenwäldern. Mangroven atmen über Luftwurzeln - deren Öffnungen werden durch das Öl verklebt. Die Pflanzen sterben und mit ihnen der Lebensraum für zahlreiche Tierarten." (...)
oder, aus finanzieller warte - leider und bezeichnenderweise die einzige ebene für etliche zeitgenossen, die von ihnen wirklich wahrgenommen wird -so:
(...) "Der Fischerei und dem Tourismus in der Region, die sich gerade erst von den Folgen "Katrinas" erholt haben, drohen schwere Schäden. Experten gehen davon aus, dass das Öl Umweltschäden anrichten wird, die nur schwer zu beseitigen sein werden. Die Küstengewässer und Sumpfgebiete im Golf von Mexiko sind Heimat zahlreicher Tierarten wie Seekühe, Delfine, Wale, Tümmler, Pelikanen sowie anderer Vögel. Im Golf gibt es zudem riesige Mengen an Meeresfrüchten wie Austern, Krabben Muscheln und Fische.
Die Energie-Experten der Agentur Fitch schätzen, dass allein die Eindämmung des Ölteppichs und die anschließende Säuberung drei Milliarden Dollar erreichen könnte. Der Analysten Neil McMahon von der Investmentfirma Bernstein rechnete zudem vor, dass in der Fischereiindustrie Schäden von 2,5 Milliarden Dollar und in der Tourismusbranche von drei Milliarden Dollar zu erwarten sind."
wobei ich persönlich das entscheidende die in der fiktiven kategorie "geld" nicht messbaren qualen der unzähligen lebewesen finde, die letztlich einmal mehr vom wahnsinn des ölzeitalters sowie der damit verbundenen bzw. immanenten kapitalistischen schwerkriminalität zum tode verurteilt werden.
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es gibt aber noch einen weiteren aspekt des ganzen, der bisher - zumindest bei den mir bekannten berichten - nirgendwo aufgegriffen wurde, aber wirklich schlimme befürchtungen wecken muss (vielleicht wird er genau deswegen beschwiegen) - die einzige mir bisher bekannte ausnahme ist dieserartikel, der den zusammenhang deutlich macht und benennt:
(...) "Da die klassischen Ölquellen nach und nach versiegen, sind Ölkonzerne darauf angewiesen, andere Vorkommen zu erschließen, um den Energiebedarf zu decken – etwa in der Tiefsee sowie in den sandigen Böden Kanadas, wo Öl aus Teersand gefördert werden kann. Dies ist mit mehr Aufwand, höheren Kosten und deutlich größeren Belastungen für die Umwelt verbunden." (...)
kurz: es war eine tiefseebohrinsel, die da versunken ist - und genau diese eigenschaft macht die schließung der lecks jetzt so schwierig - hoher druck, dunkelheit, unzugänglichkeit für taucher bzw. notwendigkeit für high-tech-material . und damit wird genau das deutlich, was im zitat als "mehr aufwand, höhere kosten und deutlich größere umweltbelastungen" umschrieben ist: tiefseebohrungen sind bereits ein teil der manischen jagd nach den letzten erreichbaren ölvorräten, und damit spiegeln sie ebenfalls einen teil der realität vonpeak oil - siehe auchhier- wieder. und wie dieser fall jetzt gerade deutlich unterstreicht, steigen die risiken beim gierigen grapschen nach den letzten vorräten des schmierstoffs für die industrielle "zivilisation" absehbar in einer derart unakzeptablen weise an, dass die dringlichkeit der beendigung des zeitalters der fossilen energien einem schier ins gesicht springt. und noch mehr die dringlichkeit der beendigung des auf diesen fossilen energien basierenden totalitären kapitalismus: weil die profitmaximierung um jeden preis das eherne gesetz dieses systems, ja eigentlich seinen einzigen inhalt darstellt, ist das verhalten von bp, wie es weiter oben kurz skizziert wurde, keinesfalls irgendwie als "ausrutscher" zu begreifen, sondern als "normalität", die unter den systemvorgaben ohne weiteres zur offenen kriminalität (wenn auch vermutlich nicht im sinne der herrschenden strafgesetze) mutiert.
anders: es liegt auf der hand, dass bei immer schwierigeren umständen der ölförderung solche "unfälle" keine ausnahmen bleiben werden - was das in gebieten wie den polarregionen oder auch anderen tiefseezonen mit einiger wahrscheinlichkeit bedeutet, müssen wir gerade miterleben. aber wenn man sich den umgang mit der gleichfalls hochriskanten - und zwar in jeder beziehung, vom uranabbau bis zur fiktiven "endlagerung - atomenergie betrachtet, die unter strukturell ähnlichen prämissen wie die ölförderung betrieben wird, bleibt die wahrscheinlichkeit für lerneffekte gering - auch, wenn obama inzwischen andere tiefseeprojekte erstmal ausgesetzt (und eben nicht definitiv beendet) hat. dafür ist letztlich auch eine verbreitete haltung mitverantwortlich, wie sie jemand im "standard"forum zur schau stellt:
(...) "ich will die errungenschaften der modernen gesellschaft nicht aufgeben. ich will im auto fahren wann ich es will und wohin ich will, ich will wenn ich es möchte ein flugzeug besteigen können und in ein land reisen können, das mich interessiert.
kaufen sie sich einen bauernhof (kein stromanschluss, kein traktor), züchten sie tiere und pflanzen sie obst, gemüse und getreide. und schauen sie sich mal an, was für ein sch** leben das ist."
wer derart "ich will" brüllt, will und wird letztendlich und tatsächlich nur eines: mit dem kopf frontal gegen eine betonwand laufen. ich fürchte, anders werden die nach dem westlichen "way of life" strukturierten gesellschaften incl. einer mehrheit ihrer bewohnerInnen ihre grenzen auch nicht (mehr) lernen, als nur noch auf die ganz harte und schmerzvolle tour (da kann dann beizeiten auch ein naturphänomen wie ein vulkanausbruchwertvolle lektionen vermitteln). mal abgesehen davon: woher will der im tatsächlichen sinne a-soziale ignorant wissen, was ein scheißleben ist? in der heutigen gesellschaftlichen form können sich wirklich und tatsächlich nur noch gestörte auf die dauer wohlfühlen (und halten das auch noch für "freiheit") - das nenne ich ein scheißleben ! und das ist keine haltlose polemik, sondern ein nüchterner tatsachenbestand (wer das nicht glaubt, darf sich zb. einmal das blog von vorne bis hinten durchlesen und dann wiederkommen).
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einmal mehr lautet abschließend ein wesentliches fazit aus dem ölteppich im golf so: es ist absolut zeit, aufzuräumen - im ganz eigenen überlebensinteresse.
ach, hätte ich doch heute nachmittag nur dem impuls nachgegeben, irgendwo ein nettes fleckchen in der sonne zu besetzen - stattdessen habe ich angefangen, im netz zu stöbern. ergebnis: rauchender kopf und schlechte laune. ein paar gründe dafür folgen nun.
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das kuddelmuddel rund um die möglichen staatsbankrotte in der sog. euro-zone mitsamt "rating-agenturen" (private unternehmen, von nichts und niemandem legitimiert - soviel zur realen machtverteilung in den demokratiesimulationen),medialer hetze, undurchsichtigen motivationen seitens politik und ökonomie, währungsfragen etc. finde ich sehr schwierig zu begreifen - war die erste phase der krise diesbezgl. schon nicht "ohne", wenn auch durch die direkte, besser offensichtliche involvierung der bankster nicht völlig abstrakt, so ist das jetzige geschehen sozusagen auf einer anderen ebene angesiedelt, wenn auch mit strukturell gleichen inhalten und beteiligten. aber eben auch schwerer durchschaubar, und darum auch leichter in der wahrnehmung vieler zu manipulieren. ich habe mir die foren der offen reaktionären medien erspart, bereits die "liberalen" reichen da völlig aus - vom plumpen nationalismus gegen inzwischen "die südländer" bis hin zu etwas, was ich als europäischen chauvinismus gegen " die anglo-amerikaner" bezeichnen würde, reichen viele reaktionen vom standard über die süddeutsche bis zur fr (von spon und zeit einmal ganz ab). sicher, es gibt dort auch ein ganze menge relativ rationales (im besseren sinne gemeint) - aber eben auch zu vieles der ersteren sorten. macht mir ein dumpfes, beunruhigendes gefühl in der bauchgegend - klar gibt es innerimperialistisches interessengerangel zwischen usa/uk und der eu - aber hier sind nicht nur belege für etwas sichtbar, was sich als identifikation mit der eigenen herrschaft bezeichnen ließe, sondern auch erste schritte im massenbewusstsein auf - potenzielle - kriege. wird mir ganz anders, wenn ich solche sachen lese. bitte bei bedarf selbst herumstöbern. ansonsten verweise ich für den moment speziell zu griechenland auf das, was im verlaufdieses beitragszu lesen ist.
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ich esse ja und mag aus diversen gründen schon seit jahren kein fleisch mehr, aber unabhängig davon ist die folgendemeldungzum treiben einesalten bekanntendurchaus auch für vegetarierInnen interessant und wichtig:
"Mit einem Patentanspruch auf Schinken und Schnitzel ist der Biotechnik-Konzern Monsanto erneut in die Kritik geraten. Das US-Unternehmen will sich beim Weltpatentamt in Genf bestimmte Schweineprodukte als Erfindung schützen lassen.
Es geht um das Fleisch von Tieren, die mit gentechnisch manipulierten Pflanzen gefüttert wurden." (...)
"monsanto" würde ohne weiteres, wenn man sie denn lässt, alles und jedes in der lebendigen welt als produkt patentieren - wenn man bspw. mich denn ließe, würde ich diese schwer kriminelle bis deutlich terroristische organisation in form eines sog. "unternehmens" auf der stelle entschädigungslos enteignen, ihre strukturen zerschlagen und sämtliche verantwortlichen personen dazu verdonnern, den rest ihres lebens für entschädigungen an ihre zahllosen opfer weltweit zu arbeiten - vorzugsweise in der landwirtschaft (bioanbau - ich weiß aus eigener erfahrung, wie diese arbeit körperlich schlauchen kann). und mit "verantwortlichen personen" meine ich übrigens auch lobbyisten und die befehlsempfänger der bande in der sog. politik. herrje, man wird doch wohl noch träumen dürfen.
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aktuell stellen sich aber eher alpträume ein - wie schon öfter hier thematisiert, sind (deutsche) knäste nicht wirklich orte, an und in denen sich irgendjemand mit menschlichen empfindungen aufhalten sollte (okay, ein paar ausnahmen würden selbst mir einfallen) - aber was bleibt einem nochhierzuzu sagen übrig?
"Unmenschliche Verhältnisse: In den nordrhein-westfälischen Frauengefängnissen müssen Schwangere in Hand- und Fußfesseln entbinden. Eine Praxis, die im Düsseldorfer Justizministerium nicht bekannt ist, von der aber Hebammen berichten. Die absurde Begründung: Fluchtgefahr. (...)
Die junge Frau sitzt zurzeit wegen eines Drogendelikts in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Köln. Als ihr Geburtstermin für den 5. Mai errechnet wurde, zeigten sich die Behörden gnädig und stellten ihr ab diesem Tag Haftverschonung in Aussicht. Dann drängte Lars doch früher auf die Welt, was den Richter nicht sonderlich beeindruckte. Antes blieb in Haft, Lars kam zu einer fremden Familie nach Bonn in die Kurzzeitpflege. Immerhin: Mutter und Kind werden "nur" drei Wochen lang getrennt sein. Andere Häftlinge sehen ihre Säuglinge erst nach Monaten wieder. Manche auch überhaupt nicht.
"Das ist, als würde man hilflos ins Weltall geschossen, ohne jeden Kontakt zur Bodenstation", sagt Ursula Volz von der Internationalen Studiengemeinschaft für pränatale Psychologie. "Damit legt man den Grundstein für die nächste Generation von Straftätern", sagt Julia von Seiche, die Vorsitzende des Aktionskomitees Kind im Krankenhaus. Volz und von Seiche gehören zu einer Gruppe von Experten, die sich jüngst an die FR wandten, weil sie die Verhältnisse in nordrhein-westfälischen Frauengefängnissen für unmenschlich halten.
Zu diesen Verhältnissen gehört nach deren Kenntnis nicht nur die Trennung von Mutter und Kind unmittelbar nach der Geburt. Zu diesen Verhältnissen gehöre auch, dass Frauen in Hand- und Fußfesseln zum Gynäkologen gebracht werden - und im Einzelfall sogar gefesselt entbinden mussten. Eine Praxis, die im Düsseldorfer Justizministerium "nicht bekannt" ist, von der aber Hebammen, der Sozialdienst Katholischer Frauen und die Corneliusstiftung sagen: "Wir wissen, dass es das gegeben hat." (...)
jaja, der rechtsstaat - dieser begriff ist bekanntlich wortwörtlich zu nehmen. die vorstellung einer gebärenden in handschellen und fußfesseln ist unbeschreiblich, zumindest für mich (und glauben Sie mir bitte, dass ich mir so einiges an wirklich krankem zeug vorstellen kann). neben allen anderen finsteren aspekten ist das wirklich auch als schwere körperverletzung an den säuglingen zu werten, und die zitate der beiden frauen oben in der mitte sind leider überhaupt nicht so absurd, wie sie sich vielleicht für einige darstellen mögen - um das nachzuvollziehen, empfehle ich eine nähere beschäftigung mit den bisher bekannten eigenheiten derpränatalen phase.
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der gedanke ist nicht sehr abwegig, dass bei unter solchen umständen (dazu gehören auch die problembelasteten, also im regelfall massiv gestressten, schlimmstenfalls gleichgültigen mütter) geborenen menschen auch ihrespiegelneuronennicht so arbeiten, wie´s eigentlich in unserem genetischen code vorgesehen ist (der verlinkte beitrag ist schon sehr alt, aber wie ich gerade feststelle, passt der inhalt perfekt). inzwischen sindneue erkenntnissezu dieser spezifischen gruppe von neuronen bekannt geworden:
(...) "Gemeint sind damit Neuronen, die im Gehirn einer Person aktiv werden, die ein Verhalten oder auch Gefühle bei anderen Menschen beobachtet. Die senso-motorischen Aktivierungsmuster sollen denen ähnlich sein, die entstehen, wenn eine Person selbst etwas macht oder fühlt. Daher wurden die Spiegelneuronen, deren Existenz man aber bislang bei Menschen nur indirekt nachweisen konnte, auch als Grundlage für Wiedererkennung, Lernen, Nachahmung und Empathie bezeichnet. Sie sollen den neuronalen Mechanismus darstellen, mit dem man andere Menschen verstehen kann, indem man sich an die Stelle eines anderen versetzt, um so etwa erkennen zu können, ob jemand lächelt oder grinst, ob er Angst hat oder Schmerzen empfindet.
Nun wollen Neurowissenschaftler der University of California, Los Angeles, erstmals einen empirischen Nachweis für die Existenz dieser Neuronen bei Menschen gefunden haben, die das Spiegeln oder nachahmende Kopieren von Gehirn zu Gehirn ermöglichen. (...)
Möglicherweise ist dies aber auch ein Mechanismus, der die Menschen, die sich beobachten, einander ähnlich macht, also zu einem konformen Verhalten führt. Das kann offenbar nicht nur in körperlicher Anwesenheit geschehen, sondern auch medial vermittelt. Und natürlich würden Spiegelneuronen, sollten sie tatsächlich automatisch Verhalten und Gefühle anderer reproduzieren, nicht nur Empathie fördern, sondern auch Wut, Panik oder Aggressivität." (...)
finde ich alles sehr interessant, gerade auch die letzten sätze. bei weiterer verifikation wären eigentlich teils recht drastische konsequenzen in verschiedensten gebieten fällig - das fernsehprogramm wäre da nur ein bereich. ist vorgemerkt für einen eigenen beitrag.
"Mit einem drastischen Schritt wollen Politiker die rasant steigende Anzahl von Morden und Gewaltverbrechen in Chicago bekämpfen. Weil die Polizei mit der Lage in der drittgrößten US-Stadt offenbar überfordert ist, sollen künftig Soldaten der Nationalgarde für Sicherheit auf der Straße sorgen.
Die Entwicklung ist dramatisch. Seit Beginn des Jahres wurden 113 Einwohner der Stadt am Michigansee ermordet. Damit starben genau so viele Zivilisten in den Straßenschluchten der Stadt wie US-Soldaten bei ihren Kriegseinsätzen in Afghanistan und im Irak. Allein in einer Nacht der vergangenen Woche verzeichnete die Polizei sieben Todesopfer und 18 Schwerverletzte. In den meisten Fällen spielten Schusswaffen eine Rolle. (...)
Den Eindruck, dass bald Panzer durch die Stadt rollen, wollen Fritchey und Ford dabei nicht aufkommen lassen. Nach ihrem Plan sollen die Gardisten in den besonders von Gewalt betroffenen Stadtvierteln Einsatzteams mit der regulären Polizei bilden. Damit solle die Präsenz der Sicherheitskräfte auf den Straßen deutlich erhöht werden. Auch Geld ist ein Thema: Die klamme Stadt Chicago kann sich derzeit keine neuen Polizisten leisten. Einen Einsatz der Nationalgarde müsste zumindest teilweise der Bundesstaat bezahlen. (...)
und das wäre dann nachitaliender zweite, westliche nato-staat, in dem im zuge der krise militärische formationen "legal" in großstädten auftauchen würden - ebenfalls unter dem label der "kriminalitätsbekämpfung". nun dürfte eben die dargestellte (gewalt-)kriminalität mittelbar ebenfalls zu den (in maßen tolerierten, weil aus elitärer sicht nützlichen) krisenfolgen zählen - die deklassierten gehen sich selbst an die gurgel (vermutlich auch noch in den typischen formen der bandenstruktur) und lassen sich derart noch als vorwand für die innere aufrüstung sowie als schreckgespenst gegen "das chaos" nutzen, welches ohne den starken staat losbrechen würde. ich fürchte, da sehen wir eine art blaupause für die nähere zukunft in vielen staaten.
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kurz noch in eigener sache: versprochene kommentare und beiträge sind nicht vergessen. aber momentan ist mal wieder vieles eine zeitfrage bei mir.
als ich gestern mal so interessehalber in der bloglandschaft nach reaktionen auf den tod von alice miller geschaut habe, bin ich regelrecht erfreut über ein blog gestolpert, welches - neben allen anderen positiven aspekten - mir in gewisser hinsicht einen teil der arbeit hier abnimmt bzw. schon abgenommen hat: unter dem titel
beschäftigt sich der autor sven fuchs dort ausführlich unter explizit psychohistorischen prämissen - angelehnt an autorInnen wie etwa lloyd deMause, arno gruen und auch alice miller - mit den gesellschaftlichen folgen der traumatischen gewalt vor allem gegen kinder in unserer spezies. ich konnte bisher vieles nur querlesen, werde aber mit sicherheit öfter links setzen. gerade der ansatz von deMause wird dort in einer ausführlichkeit und detailliertheit anhand von vielen themen behandelt, die ich hier einfach arbeitsmässig nicht schaffen würde (unabhängig von der bedeutung, die deMause hier im blog als einer von vielen für mich relevanten forschern hat).
besonders schön finde ich, dass sven fuchs dort eine beitragsreihe laufen hat, die ich als "psychohistorische biographieforschung" bezeichnen würde - ähnliches habe ich selbst hier bereits anhand von leuten wie saddam hussein, adolf hitler, aber auch isaac newton u.a. begonnen. als sehr informativen einstieg möchte ich zum reinlesen deshalb einfach mal die folgenden historischen persönlichkeiten empfehlen:francisco franco, kaiser wilhelm II., napoleon bonaparte - es gibt noch wesentlich mehr ähnliche und auch positive beispiele, wie bspw. astrid lindgren - aber wie gesagt, konnte ich selbst erst einen kleinen teil querlesen. jedenfalls auf alle fälle und unabhängig von aller potenziellen kritik, die ich hier und da hätte, ein wirklich wichtiges blog und eine absolut erfreuliche entdeckung für mich, die ich allen leserInnen hier wie gesagt dringend empfehlen möchte.
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im "capitalverbrecher" hat sich jetzt leider seit über einem jahr nichts mehr getan, deshalb entlinke ich das blog vorläufig. dafür kommen diegeheimrätin(meine antwort ist übrigens in arbeit) sowiefeynsinnhinzu - wer sie bisher noch nicht kennt, sollte unverzüglich mit beiden blogs bekanntschaft schließen.
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und sonst? ja, eine indexaktualisierung ist mal wieder überfällig *seufz* - ich sage mal, das passiert innerhalb der nächsten drei wochen.
während sie meiner wahrnehmung nach die größte öffentliche wirkung vor allem in den 1970er und 80er jahren erzielte, wurden wesentliche inhalte ihres ansatzes vor allem in den letzten beiden jahrzehnten durch die psychotraumatologie wissenschaftlich untermauert.
mit respekt für eine "outsiderin", die sich besonders immer wieder mit der orthodoxen psychoanalyse anlegte, verweise ich einfach mal auf diesen früheren beitrag zusaddam hussein, in dem zentrale teile ihres denkens sichtbar werden. und natürlich nochmals auf das video unter dem titeldie wurzeln der gewalt sind NICHT unbekannt. und gerade die aktuell diskutierte jüngere vergangenheit in heimen, schulen und religiösen einrichtungen lässt sich auch wie ein stiller kommentar zu ihren thesen begreifen.
auch, wenn ich einige von den letzteren ergänzungsbedürftig finde: sie wird nicht nur dieser gesellschaft fehlen.
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edit: der tagesspiegel mit einem informativennachruf; und ein ebenfalls interessanter findet sich in derfaz - interessant deshalb, weil das zentralorgan der so called "bürgerlichen mitte" immer noch die zentralen befunde der alice miller nicht nachvollziehen will und kann:
(...) "Einwände, dass man doch nicht gegen die Lebensberichte Kinderleid unterstellen dürfe, parierte Miller mit dem Hinweis, das Leid sei immer dort am schlimmsten, wo es abgespalten, verdrängt und also heute nicht mehr erinnert werde. Der Gesunde ist demnach unter den Kranken derjenige, der am schlimmsten dran ist. Wer sein frühes Leid bestreite, fliehe vor ihm. Und diese Flucht finde ihren Ausdruck in Formen der Selbstentfremdung, die sich unter anderem als Philosophie oder Literatur tarnten. Von diesem Punkt an nimmt der Pathologiezusammenhang, den Miller behauptet, einen ungeschminkt totalitären Zug an. Es gibt schlechterdings nichts, das der Kindheitsfalle entkommen kann. Die Frage ist bloß noch, ob die frühen Verletzungen in entdeckter oder unentdeckter Form überdauern.
Caroline Neubaur hat die Irrtümer der Alice Miller konzise zusammengestellt. Dazu gehört, dass entgegen Millers Unterstellung Freud die Verführungs- und Traumatisierungstheorie nie aufgegeben habe. Hätte Miller, so Neubaur, ihre Sache, die Sache des Kindes, voranbringen wollen, dann hätte sie etwa mit der Frankfurter Psychoanalytikerin Marianne Leuzinger-Bohleber kooperieren können, die in einer breitangelegten Studie herausfand, dass sechzig Prozent aller Patienten als Kinder traumatisiert wurden." (...)
zu den ersten sätzen des zitats drängt sich förmlich ein verweis auf den letztenbeitragauf - der dort zitierte n. walter, der durchaus als mitglied der "elite" durchgehen darf und muss, liefert mit seiner verklärung der schläge von der "liebenden mutter" die passende kakophonische begleitmusik - dieses muster hat die "faz" in ihrer auflistung zumindest nicht explizit benannt. meiner meinung nach gehört es aber mit zu den schlimmsten überhaupt - das ist nicht unbedingt als dissoziation zu bezeichnen, sondern eher eine dekonstruktion der eigenen - authentischen - erinnerungen zu etwas, was offensichtlich nicht nur die erlebten schmerzen abspaltet, sondern diesen auch noch nachträglich einen positiven sinn verleiht. eine art totaler kapitulation mitsamt übernahme des im wahrsten sinne des wortes eingeprügelten (bürgerlichen) "wertesystems".
das die handelnden protagonistInnen in bereichen wie der kunst oder auch den wissenschaften sich in psychophysischer hinsicht oft genug auf einer sozusagen "verschobenen" ebene kompensatorisch an ihren biographischen beschädigungen abarbeiten und die existenzielle dringlichkeit dieser arbeit dann eben auch die basis für die allseits gerühmten vielfältigen leistungen bildet - sei´s nun literatur, ein musikstück oder auch eine bahnbrechende wissenschaftliche theorie - , ist ein zusammenhang, der einem beim blick auf die geschichte geradezu ins auge springt (im blog habe ich den an ein paar stellen ebenfalls aufgegriffen). und für den gesamten "politischen" bereich gilt das natürlich erst recht.
diese realitätswahrnehmung muss die "faz" natürlich als "totalitär" bezeichnen, werden damit doch nicht nur die ideale und selbstbilder der bürgerlichen gesellschaft, sondern ihre ganze existenz überhaupt selbst als ausdruck einer totalitären matrix, und einer überaus gewalttätigen dazu, erkennbar. und das ist nicht nur eine schwere narzisstische kränkung für die konstruktion des angeblich "freien und unabhängigen" (bürgerlichen) menschen (der sich real immer wieder als äusserst determiniert durch seine biopsychosoziale struktur erweist, aber diese determinierung per ideologischer blasen ständig leugnen muss - sogar gegen seine ureigene authentische erfahrung), sondern entzieht auch dem selbstbild der "friedlichen und zivilisierten" gesellschaft jeglichen boden, besser: macht das als ständigen selbstbetrug (im wahrsten sinne des wortes!) kenntlich.
der satz mit der kindheitsfalle ist bei einem wachen blick in die menschliche historie durchaus richtig (wie es auchlloyd deMause- aus einer etwas anderen, aber verwandten perspektive konstatiert).
was ich bei beiden als kritik anmerken würde bzw. früher auch schon getan habe: die nicht primär kindlichen traumata bei erwachsenen durch kriege, soziale und natürliche katastrophen etc. und ihre folgen werden zu wenig berücksichtigt. und die möglichkeit der "verarbeitung" im sinne einer evolutionären mutation, die sich im extrembeispiel des soziopathen manifestieren könnte, wird überhaupt nicht berücksichtigt. beide punkte existieren vielleicht auch deshalb, weil beide aus einer explizit psychoanalytischen tradition kommen.
von der die neuesten entwicklungen, wie bspw. die im folgenden verlinkten beitrag näher vorgestellterelationale psychoanalyse, durchaus erfreuliche tendenzen mitbringt, die gesellschaftliche realität jenseits der wie ein stein auf der gesamten zunft lastenden freudianischen orthodoxie und ihrer konstrukte mal wirklich wahrzunehmen. und mag freud selbst auch wie dargestellt insgeheim weiter an seinem ursprünglichen (und realistischen) einblick in die verhältnisse der bürgerlichen welt seiner zeit festgehalten haben, so hat sich das doch in seiner theoriebildung später nicht - bzw. schlimmer noch: völlig verzerrt - niedergeschlagen - zum schaden aller tatsächlich traumatisierten (was sein verdienst als "türöffner" für diverse wichtige entwicklungen, wie früher schon mal gesagt, in meinen augen nicht schmälert).
und dem "faz"-autor scheint auch nicht aufgefallen zu sein, dass das ergebnis der zitierten - psychoanalytischen - studie ebenfalls eher als beleg für die existenz der hartnäckig geleugneten totalität aufzufassen ist (und wenn die entsprechende analytikerin ihren traumabegriff anhand der "offiziellen" kriterien für ptbs abgeleitet hat, so würde ich behaupten: das ergebnis ist noch geschönt).
und die totalitäre existenz der traumatischen matrix lässt sich keineswegs nur durch beobachtungen der umwelt ableiten - meine in gewisser hinsicht durchaus "unspektakulären" persönlichen erfahrungen reichen von selbst erlebter primär "psychischer" gewalt (die, wie wir heute wissen können, ebenfalls etwas durchaus körperliches darstellt bzw. auf dieser ebene erst zur wirkung kommt) über viele abende in meinem kinderzimmer, in denen ich beim versuchten einschlafen vom gewimmer des nachbarsjungen im haus nebenan (wir hatten da sehr hellhörige wände) begleitet wurde, der seinen vater anflehte, mit dem schlagen aufzuhören (ohne erfolg), bis zu anderen kindheits- und schulfreunden, die ebenfalls teils gnadenlos geprügelt wurden (und deren spätere und frühe zuneigung zum alkohol ich erst viele jahre danach wirklich verstehen konnte - meine eigene entsprechende phase incl. zweier ausgewachsener alkoholvergiftungen mit 14 bzw. 15 dito).
dazu kamen die ebenfalls "ganz normalen"schulerfahrungenin den 1970ern, und wo ich dann im folgenden in völlig verschiedenen bereichen später überall sonst noch über die wirkungen der traumatischen matrix gestolpert bin, würde den rahmen des blogs hier sprengen. ein teil ihrer gesellschaftlichen manifestationen - derjenigen, die dann die geschichtsbücher füllen - ist hier eh ständiges thema.
alice miller hat mit ihrer arbeit schlicht einen wichtigen schlüssel zum verständnis dieser sehr bösartigen strukturen geliefert - und das zu negieren, wird auch der "faz" nicht gelingen.
...norbert walter, als ehemaliger "chefvolkswirt" der "deutschen bank" und als mitglied im "zentralkomitee der deutschen katholiken" (welch´ name übrigens) gleich in zwei überaus systemrelevanten und allseits beliebten institutionen zugange, der im zusammenhang mit dem notorischenmixahöchst unfreiwillig etwas über die - hm,zugangsbedingungenin elitäre kreise deutlich machte:
(...) "Gefragt, ob der Bischof noch glaubwürdig sei, weil er zunächst jegliche Tätlichkeit abstritt und später doch zugab, Ohrfeigen verteilt zu haben, sagte Walter in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: „Nach meinem Urteil ist das glaubwürdig“. Es sei glaubwürdig, weil Bischof Mixa die Ohrfeigen nicht als Gewalt gegen Kinder interpretierte, sondern als Maßnahme der Kindererziehung.
Mixas Position wirke nur nicht sinnvoll in einer Öffentlichkeit, welche die Referenzmaßstäbe durcheinander bringe. Damit meinte Walter die Tatsache, dass vor einigen Jahrzehnten „die körperliche Züchtigung zu einer normalen gesellschaftlichen Wirklichkeit“ gehört habe. Es sei zudem sehr schwer, im Einzelfall zu beurteilen, ob die Schläge von einst heute zu seelischen Schäden führen würden.
Die derzeitige Debatte sei seiner Einschätzung nach „ahistorisch und (sie) ist in einer Reihe von Fällen, das sage ich sehr schmerzhaft, von fundamentalistischen Aufklärern geführt.“ Auch er sei als Kind von seiner Mutter „verprügelt“ worden und „das hat mir nicht geschadet“. Denn: „Meine Mutter hat mich geschlagen, nicht weil sie mich vernachlässigt hat, sondern weil sie mich liebte“. (...)
mixa ist also deshalb "glaubwürdig", weil er seine schläge in kindergesichter (nichts anderes sind "ohrfeigen") nicht als gewalt, sondern als "maßnahme der kindererziehung" interpretiert? das ist höchst interessant, könnte doch auf ähnlichem level zb. ein vergewaltiger seine taten nicht als gewalt, sondern als maßnahme zum ausagieren höchst drängender sexueller bedürfnisse interpretieren. letzterer könnte sich ebenso auch auf "referenzmaßstäbe" berufen, war doch bspw. die vergewaltigung in der ehe bis mitte der 1990er jahre hierzulande kein strafbares delikt.
auch die phrase "fundamentalistische aufklärer" ist allerliebst; und dann kommen die letzten sätze.
sätze, die blitzartig beleuchten, wie die zusammenhänge innerhalb der traumatischen matrix, mit ihren re-inszenierungszwängen und ihren manifestationen innerhalb von gesellschaften - hierarchische oben-unten-verhältnisse, diverse symptome schwerer psychophysischer störungen auf allen ebenen etc. - tatsächlich beschaffen sind. dazu kommt die typische täter-opfer-dialektik, von der ein mechanismus auch dank walter sehr deutlich wird: die entschuldigung der tätereltern, hier der mutter. und das als "liebe" zu begreifen, ist in dem zusammenhang geradezu ein klassiker.
"Es sei zudem sehr schwer, im Einzelfall zu beurteilen, ob die Schläge von einst heute zu seelischen Schäden führen würden."
nein walter, ist es gar nicht - selbst ohne die psychotraumatologie zu bemühen, reicht für Sie zur bestätigung des zusammenhangs schon ein blick in den spiegel.
so werden tatsächlich die "stützen der gesellschaft" - "honorig, seriös, leistungstragend" und schwer gestört - produziert. bis heute. vielleicht mit der modifikation, dass es heute subtiler und scheinbar "körperloser" abläuft - scheinbar. aber das prinzip ist immer noch das gleiche.