Freitag, 28. Mai 2010

koyaanisqatsi - life out of balance

„Wenn wir wertvolle Dinge aus dem Boden graben, laden wir das Unglück ein.
Wenn der Tag der Reinigung nah ist, werden Spinnweben hin und her über den Himmel gezogen. Ein Behälter voller Asche wird vom Himmel fallen, der das Land verbrennt und die Ozeane verkocht.“




(in den heutigen kinos dürfte der film eher selten zu sehen sein - dabei gehört er auf große leinwände. sehen Sie sich´s wenigstens im full-screen-modus an, im abgedunkelten zimmer und mit dominantem ton).

Mittwoch, 26. Mai 2010

notiz: der superGAU im golf - weitere updates

bevor ich im zweiten teil der assoziationen zum menetekel auch auf die bisherigen - und sehr lesenswerten, danke schon mal an alle bisher beteiligten - kommentare eingehe, will ich das blog einmal mehr als ergänzung und erweiterung des medialen mainstreams nutzen. es kommen täglich inzwischen derart viele informationen zusammen, dass es kaum möglich ist, noch einen wie auch immer gearteten überblick zu behalten. das, was für mich inzwischen deutlich wird, ist bereits absolut trostlos - wir haben es mit einer von ihren dimensionen her kaum zu fassenden ökologischen katastrophe zu tun. die älteren beiträge direkt zum golf-desaster sind hier, hier und hier zu finden.

*

heute will bp also einen neuen versuch unternehmen, den ölaustritt zu stoppen - die "top kill" genannte methode, mittels hohem druck enorme mengen an schlamm auf das "leck" (das dieser begriff langsam auch mal hinterfragt werden sollte, liegt daran, dass die damit verbundenen assoziationen verharmlosend sind - ein leck ist im vergleich zum sprudelnden und hervorschießenden unglück im meer eine gemütlich vor sich hin tropfende sache) aufzubringen, es derart zu schließen und später mit zement endgültig zu versiegeln, ist angeblich eine bewährte methode bei ähnlichen unfällen in flachen gewässern - in der tiefsee gibt es damit bisher keinerlei erfahrungen, und ebenfalls räumt bp die möglichkeit ein, dass sich das leck schlimmstenfalls nicht nur nicht schließen lässt, sondern durch den angewandten enormen druck während der aktion sogar vergrößern könnte. im ganz allgemeinen interesse bleibt nur zu hoffen, dass der heutige versuch gelingt - auch, wenn das die schon angerichteten schäden nicht aus der welt schaffen kann. aber jeder weitere tag lässt die zerstörung mehr ausser kontrolle geraten (ist sie zwar jetzt schon, aber jeder weitere liter öl ist im hinblick auf die unkalkulierbaren langzeitfolgen sowie die ausbreitung mittels meeresströmungen und die von tag zu tag ansteigende wahrscheinlichkeit für das auftreten eines hurricanes (es ist bisher einfach unbekannt, wie ein derartiger sturm real mit so einer menge öl interagieren würde) in der region absolut zuviel.

*

aktuelle nachrichten aus den usa in den letzten stunden sprechen davon - u.a. bei nbc - , dass das betroffene feld derart viel öl enthält, dass es - sinngemäß - "noch unserer ganzes restliches leben lang" (auf welchen maßstab sich das bezieht, bleibt allerdings unklar) weitersprudeln könne. es müssen ja zumindest schätzungen über das volumen des betroffenen feldes vorhanden sein, die die grundlage für diese aussage bilden müssten. wer darüber mehr sagen kann - bitte melden!

*

thema dispersionsmittel: der verdacht wabert ja schon seit einiger zeit herum, dass es bp beim massiven einsatz des mittels primär darum geht, das aus konzernsicht schlimmste pr-desaster in form von bildern verölter traumstränden sowie massenhaft verölten tieren zu verhindern - und darum dieser einsatz in bisher unbekannten dimensionen stattfindet. unter der meeresoberfläche kann halt kaum jemand genau schauen - dieser ansatz ging auch solange auf, bis - mit etlicher verspätung - eines der großen mainstreammedien in den usa, nämlich der fernsehsender abc, gestern in seiner show "good morning america" erstmals eigene taucher in den golf geschickt hat, darunter u.a. den enkel des - den älteren vielleicht noch bekannten - meeresforschers jacques costeau, philippe. was sie unter wasser zu sehen bekamen, zeigt das folgende video:



die wolken aus öl und dispersionsmittel bestehen aus vielen kleinen aufgespaltenen öltröpfchen, an denen auch jeweils, wenn ich alles richtig verstanden habe, das mittel hängt. diese wolken treiben einerseits in unbekannter anzahl im meer; andererseits scheinen sie teilweise auch bis zum grund zu sinken. aus den augen, aus den sinn - für die (meisten) menschen. keineswegs aber für pflanzen und tiere. die folgen ? im bericht kommt ganz zum schluß die aussage, dass diese wolken für alle, die sich wissenschaftlich und technisch mit ölbekämpfung in den meeren befassen, ein völlig neues phänomen darstellen. und es ist schlicht und einfach unbekannt, was dieser mix aus öl und den dispersionschemikalien für folgen in den und für die ökosysteme hat. da findet vor unseren augen neben allem anderen also auch eine art chemischer großversuch statt.

*

überhaupt scheint die mediale berichterstattung in den usa, die lange zeit in den letzten fünf wochen sehr gleichgültig gegenüber dem gau war, mit der ankunft von relevanten (im sinne von wahrnehmbar) ölmengen an den küsten langsam auf touren zu kommen. mittlerweile sind über 100 km küste - strände und marschland - betroffen, und wie das in den betrofffenen gebieten dann ausschaut, spottet jeder beschreibung. die - handwerklich eindrucksvollsten, inhaltlich niederschmetterndsten - photos hat einmal mehr
the big picture auf boston.com zu bieten. in ihrer aufwühlenden kraft würde ich sie persönlich gleichsetzen mit photos aus kriegsgebieten, oder auch aus den toten zonen rund um tschernobyl. besonders tierfreundInnen seien gewarnt - mich haben die bilder unglaublich wütend gemacht und gleichzeitig totale deprimiertheit hervorgerufen. und wenn ich mir die hunderte von kommentaren betrachte, geht das vielen anderen ähnlich. das sind jedenfalls genau die bilder, die bp um jeden preis vermeiden wollte - und gerade deshalb sollten sie so breit wie möglich bekannt werden.

*

kleine reportage zur situation der küstenbevölkerung in den betroffenen us-staaten:
"Jeden Tag haben sie gesagt, macht euch keine Sorgen"

*

in dem zusammenhang kommen auch immer mehr nachrichten über ernste medizinische symptome bei denjenigen, die auf see und an den stränden direkten und längeren kontakt sowohl mit dem öl als auch den dispersionschemikalien haben - von kopfschmerzen über diverse atem- und lungenbeschwerden bis hin zu zuständen der benommenheit reicht das spektrum - dazu ebenfalls ein (englischsprachiges) video:



*

ich hoffe, irgendwann werden einmal ausführliche dokumentationen dieser geschichte vorliegen - zuviel geht womöglich gerade unter, von den korrupten zuständen in den aufsichtsbehörden angefangen über die lobbyarbeit von bp bis hin zu den diversen unterlassungen, die vermutlich zum unfall führten - von den reaktionen seitens des konzerns, aber auch der us-regierung, erst gar nicht zu reden. übrigens: das die ganze geschichte bezgl. letzterer auch ein krasses lehrstück dafür ist, wieviel reale macht die formale repräsentanz der "mächtigsten nation" der welt gegenüber einem der größten transnationalen konzerne tatsächlich besitzt, ist nochmal ein ganz eigenes thema.

Montag, 24. Mai 2010

assoziation: zum öligen menetekel im golf - zwei sätze, weitergedacht (1)

zum menetekel im golf hat sich drüben auch somlu einige grundsätzliche gedanken gemacht, incl. zweier filmtipps, die ich natürlich unterschreibe. dann aber wären da noch zwei sätze, die in mir im laufe der folgenden stunden nach dem lesen ein wahres gewitter an assoziationen ausgelöst haben:

"Ja, verdammt, vielleicht wird das alltägliche Leben schwerer, wenn die Petrochemie nicht mehr ist. Vielleicht müssen wir uns auf Kochkisten und weniger Mobilität zurück besinnen."

*

als erstes fällt mir beim stichwort "petrochemie" ein, wie wenig ein tatsächliches bewusstsein darüber vorhanden ist, dass "wir" hier in den westlichen lebenswelten allesamt als kohlenwasserstoff-junkies zu gelten haben - ja, auch Sie da! zur untermalung dieser betrüblichen botschaft möchte ich jetzt mal einen kleinen (imaginären) rundgang durch den alltag veranstalten, wie er sich für die meisten von uns so darstellt.

wenn Sie das nächstemal in Ihrem bett aufwachen, schauen Sie sich einfach mal genau um - worauf fällt Ihr blick alles? wenn Sie in der verbreiteten kombination aus arbeits- und schlafzimmer hausen, werden da vermutlich solche dinge wie bücher und zeitschriften herumliegen; vielleicht steht auch Ihr computer plus dazugehörige hardware herum. und wie sieht´s mit unterhaltungselektronik aus? fernseher, cd- / dvd-player ? womöglich haben Sie aus liebhaberei sogar noch irgendwo einen cassettenrecorder oder plattenspieler plus zugehörigem vinyl herumstehen?

wie dem auch sei: Sie stehen jetzt auf, recken & strecken sich herzhaft und laufen - über einen kunstfaser-teppichboden ? oder doch über holz ? (falls das schon vor Ihrem einzug verlegt gewesen ist - wissen Sie, ob und wie das imprägniert ist ?) angesichts der z.zt. nicht wirklich lauschigen nachttemperaturen drehen Sie vielleicht erst mal die heizung herunter und haben dann noch einen flüchtigen gedanken für die farben und lacke an wänden, türen, möbeln und heizkörpern übrig. im schlechtestenfalls fensterlosen badezimmer machen Sie erstmal das licht an und gehen unter die dusche - heisses wasser und irgendwelche duschbäder oder shampoos machen Sie für einen neuerlichen ausflug ins rattenrennen grundsätzlich funktionsfähig. danach dürften, geschlechts- und altersabhängig, auch noch einige aufhübschungen mittels kosmetik fällig sein, bevor Sie sich abschließend nochmal die hände mit einer - recht billigen - seife waschen. benutzen Sie übrigens parfüm ?

dann kleiden Sie sich an - irgendwo in Ihren klamotten werden mit großer wahrscheinlichkeit ebenfalls synthetische fasern verarbeitet sein, und wenn Sie nicht unbedingt lederschuhe tragen sollten... btw.: müssen Sie Ihre schuhe nicht mal wieder mit den entsprechenden schuhputzmitteln reinigen ?

in die küche gewechselt, werden Sie vermutlich erstmal den üblichen morgendlichen koffeinflash benötigen - fragt sich nur, ob mittels wasserkocher oder per kaffeemaschine. aber strom brauchen Sie nicht nur hier. wenn Sie´s denn leider benötigen sollten, kommt jetzt vielleicht auch die zeit, Ihr medikament einzunehmen. hoffentlich sind Sie so vernünftig, wenigstens ordentlich zu frühstücken - ein blick in den kühlschrank fällt auf - falls Sie nicht gerade in der "hartz-IV"-mühle stecken -allerlei mehr oder weniger bunte verpackungen, in denen die - vermutlich mehrheitlich konventionell produzierten - nahrungsmittel ihrer bestimmung harren. Sie essen ein häppchen, schmeißen vorher noch ein wenig wäsche incl. waschmittel in die waschmaschine und eilen aus dem haus.

am himmel zieht ein flugzeug seine runden, während Sie zu Ihrem auto gehen, für dessen nutzung Sie natürlich äusserst triftige argumente anzuführen wissen. besser wäre es, Sie würden wenigstens heute mal wieder Ihr fahrrad ausführen - wobei die wahrscheinlichkeit groß ist, dass weder Ihre auto- noch fahrradreifen aus naturkautschuk bestehen. vergessen Sie nicht, die kettenschmierung zu überprüfen - ist vermutlich schon ein weilchen her seit dem letztenmal.

sehr schön, Sie haben sich für´s rad entschieden - im winter wäre jetzt noch die straßenbeleuchtung an, und während Sie so über den radweg brausen, schweift Ihr blick über den asphalt auf der strasse zu einem bitumengedeckten flachdach. Ihre neue "gore-tex"-jacke trägt sich angenehm, und als Sie bauarbeiter an einem haus sehen, fällt Ihnen kurz die noch ausstehende außenisolierung gegen die feuchtigkeit in Ihrem keller ein.

*

ich muss diesen imäginären tagesbeginn jetzt mal abbrechen, und zwar rein aus platzmangel - wie Sie (da bin ich mir sicher) bereits bemerkt haben, sind alle kursiv geschriebenen dinge im prinzip nichts weiter als platzhalter für das wort
petrochemie, womit letztendlich alle produkte gemeint sind, die direkt und indirekt - meistens in ihren wichtigsten komponenten - auf erdöl oder -gas basieren. ich habe dabei nur die augenfälligsten überhaupt angeführt; wo wir überall im alltag mit der petrochemie in berührung kommen - und zwar in allen lebensbereichen - , lässt sich vermutlich leichter darstellen, wenn die aufzählung sich darauf beschränken würde, wo nicht - und das ist ein verdammt schweres unterfangen. wer sich übrigens wundert, warum auch nahrungsmittel auftauchen, sollte sich mal gedanken über kunstdünger sowie das haber-bosch-verfahren machen. von den transportwegen und -mitteln mal ganz abgesehen, ebenso von der in der konventionellen landwirtschaft eingesetzten technik. und worauf basieren nochmal pestizide u.ä. gifte ?

kurz auf den punkt gebracht: nicht nur unser alltagsleben, sondern auch so ziemlich die gesamte infrastruktur der westlichen industriellen zivilisation, beruht und funktioniert auf und mittels (fossilen) kohlenwasserstoffen. das erdölzeitalter

graphische darstellung des erdoelzeitalters
<br />
quelle: bgr

- links nebenstehend sehen Sie eine interessante graphische darstellung der zeitlichen dimensionen (quelle ist die "bundesanstalt für geowissenschaften und rohstoffe"); dargestellt wird die geschätzte menge des förderbaren öls, und Sie sehen auch den peak in der förderung kurz nach dem jahr zweitausend - wobei der genaue zeitpunkt nun meiner meinung nach recht unerheblich ist; das der peak beim billigen (!) öl unvermeidlich eintritt, bestreiten nur noch ignoranten - bei den anderen langt die zeitspanne etwa vom jahr 2005 bis zur "optimistischsten" schätzung 2040. wahrscheinlich ist es bei betrachtung der nachweislich fallenden fördermengen in so ziemlich allen global relevanten feldern - und das sind im verhältnis recht wenige - , dass wir uns in unmittelbarer nähe des peaks aufhalten, meiner vermutung nach schon jenseits.

beim nachdenken finde ich auch interessant, dass ich mich nicht daran erinnern kann, irgendwann in der schulzeit auch nur einmal irgendetwas relevantes zum thema erdöl, geschweige denn zu seiner realen bedeutung gehört zu haben. wer nach dem jahr 1950 geboren worden ist, muss (im westen) unweigerlich den eindruck einer nicht zu hinterfragenden "normalität" des (ölbasierten) materiellen alltagsniveaus gewonnen haben; dabei ist diese normalität alles andere als das, sondern real eher eine historische ausnahme, komprimiert bei großzügigster auslegung etwa auf die zweihundert jahre von 1850 bis 2050 (wo dann vermutlich auch noch die letzten erreichbaren funde in den polaren tiefseegebieten in tausenden von metern tiefe oder auch die ölsande zusammengekratzt werden) datierbar. bezgl. der anfänge: wer mal eine informative und launig geschriebene darstellung dieser anfänge lesen will, incl. historischer photos von den ersten öl-umweltdesastern, sei auf
diesen artikel verwiesen.

die rolle der fossilen brennstoffe lässt sich in ihrer ganzen bedeutung auch in anderer form kurz zusammenfassen: öl (und gas) haben
  • wesentlich für eine unglaubliche zahl von bahnbrechenden wissenschaftlich-technischen fortschritten gesorgt
  • incl. aller medizinischen fortschritte
  • die industrielle landwirtschaft mit ihrer massiven produktivität ermöglicht
  • darüber dann auch das wachstum der menschlichen bevölkerung global explodieren lassen
  • für die heutigen stadtlandschaften gesorgt; incl. der mega-cities
  • die mikroelektronische "revolution" mitsamt all ihrer ausprägungen - u.a. das internet - zu verantworten
  • die kriegsführung bzw. die dazu verfügbaren mittel so tödlich wie nie zuvor gemacht
  • natürlich auch für diverse kriege unmittelbar gesorgt
  • die allgemeine mobilität in ungeahnte dimensionen getrieben
  • vorher unbekannte ökologische zerstörungen globaler bedeutung ausgelöst (direkte ölverschmutzungen, müllprobleme, smog, klimaveränderungen, landschaftsversiegelung etc. etc.
  • und natürlich auch die sog. globalisierung (der ökonomie) sowie die expansion des totalitären kapitalismus mitsamt seiner überproduktions- und sonstigen krisen erst möglich gemacht; in diesen zusammenhang gehört auch die mittlerweile absolut unerträglich gewordene umverteilung gesellschaftlichen reichstums an eine in relation wirklich winzige minderheit incl. der damit verbundenen machtungleichgewichte
  • durch all das dann indirekt auch zur allgemeinen beschleunigung, zu stress und letztlich vielen schwer gestörten psychophysischen zuständen mit beigetragen
in der zusammenfassenden bilanz wird für mich sehr deutlich klar: wir haben insgesamt einen viel zu hohen preis für die - inzwischen teils recht fragwürdigen - auch anscheinend positiven wirkungen des ölzeitalters gezahlt. ein kleiner teil davon ist momentan täglich in den nachrichten zu betrachten.

*

wer sich einen großteil des obigen selbst mal in möglichen zukünftigen entwicklungen vor augen halten möchte, sollte sich in der science- / social fiction umschauen - einmal wäre da das szenario von andreas eschberg in seinem roman "ausgebrannt" zu nennen...



...zum anderen das leider offenbar nur noch antiquarisch zu bekommende szenario "mutant 59: der plastikfresser" von kit pedler und gerry davis, in dem ein unfall mit einem genmanipulierten bakterium das gesamte fantastic plastic-universum im wahrsten sinne des wortes in (übelriechende) luft aufgehen lässt und dazu noch eine völlig neue definition des wortes haushaltsauflösung präsentiert wird. andere und weitere tipps sind natürlich willkommen.

*

im zweiten teil will ich mich mit einigen konsequenzen - u.a. für politische aktionen, aktuelle verteilungskämpfe, linke diskurse sowie westliche lebensstile - und auch weiteren absehbaren peaks beschäftigen, die sich aus meiner perspektive aus den realitäten des ölzeitalters plus seinem absehbaren ende ergeben. und ein wort, welches da eine große rolle spielen wird und gerade deshalb in so ziemlich allen diskussionen gemieden wird wie ein absolutes tabu, schreibe ich jetzt ebenfalls schon mal groß:

VERZICHT.

*

(zum
zweiten teil)

Samstag, 22. Mai 2010

notiz: zum öligen menetekel im golf - neue updates

ein weiteres update zum supergau im golf - zunächst hat sich der verdacht endgültig bestätigt, dass bp hinsichtlich der real austretenden ölmengen schlicht gelogen hat. trotz der als "erfolg" verkauften maßnahme, mittels eines rohrs im (größten) leck tonnen von öl abpumpen zu können, zeigen neue videos vom grund weiterhin einen ständigen ölausfluss ins meer. ausläufer des öls haben mittlerweile den sog. loop current erreicht, eine starke meereströmung im golf, die das ganze zeug wie schon neulich befürchtet richtung golfstrom / atlantik transportiert. damit kommen absehbar florida (mitsamt seinen ökologisch wichtigen keys), aber auch kuba in den "genuß" der schwarz-bräunlichen pracht. es laufen diesbezgl. bereits gespräche zwischen der us-administration und kuba - wer sich mit dem verhältnis beider länder etwas auskennt, wird an diesem schritt den druck erkennen können, unter dem die usa stehen.

dazu wurde in den vergangenen tagen das ergebnis eines
feldversuchs breiter bekannt, der vor einigen jahren von verschiedenen ölkonzernen (u.a. auch bp) und den zuständigen us-aufsichtsbehörde durchgeführt wurde - da ging es genau um die folgen eines solchen blow-out wie jetzt im golf - das wichtigste ergebnis lässt sich in einem satz zusammenfassen: lediglich ein sechzigstel des gesamten austretenden öls wird überhaupt an der oberfläche sichtbar! wer sich die sichtbaren ölmengen im golf betrachtet, sollte das ab jetzt immer vor dem hintergrund dieser information tun. währendessen sind die ersten wirklichen mengen öls bereits an der küste von louisana angelandet und haben bisher auf ca. 50 km länge die dortigen marschlandschaften zerstört - offizielle des bundesstaates reden davon, dass in diesen abschnitten "alles tot" ist. keine übertreibung - das waren nicht mehr "nur" einzelne flecken oder schillernde schlieren (beides schlimm genug), sondern die küste ist dort bedeckt von einem teils mehrere zentimeter dicken ölschlamm, der alles unter sich erstickt.

mittlerweile werden auch immer neue informationen rund um das verhalten von bp und den zuständigen us-behörden bekannt, die die wertung kapitalverbrechen im wahrsten sinne des wortes dick unterstreichen. hinsichtlich des bisher verwendeten dispersionsmittels "corexit" der firma "nalco" ist bp die weiterverwendung seitens der regierung ab diesem wochenende untersagt worden, die müssen sich jetzt nach einer "ungiftigeren" alternative umsehen. was aber hinsichtlich dieses mittels bisher kaum bekannt war, wird im folgenden
bericht deutlich:

(...) "Der britische Ölkonzern sitzt im Aufsichtsrat der Chemie-Firma Nalco - und hatte damit ein wirtschaftliches Interesse, möglich viele Liter der Chemikalie in den Golf von Mexiko zu sprühen. Nalcos Aktienkurs schoss seit der Ölpest um mehr als zehn Prozent in die Höhe. Durch die Umweltkatastrophe hat die Firma einen Umsatz von mehr als 40 Millionen Dollar gemacht.

Und die Studie, dass die Chemikalie Corexit ökologisch undenklich sei, kommt aus dem hauseigenen Institut der Öl-Firma Exxon. Die hat seit den 90er Jahren ein Joint Venture mit Nalco und sitzt ebenfalls im Aufsichtsrat." (...)


hübsch, oder? genauso wie die zustände, die inzwischen aus der für die ölbohrungen zuständigen aufsichtsbehörde
"minerals management service" bekannt geworden sind und dort bisher zu einem rücktritt sowie größeren umstrukturierungen geführt haben - dieser laden hat sich als hort der korruption erwiesen:

(...) "Erst 2008 hatte es Schlagzeilen darüber gegeben, dass sie in einem Bett liegen – und das auch im wahrsten Sinne des Wortes. Damals flog auf, dass mehr als ein Dutzend MMS-Mitarbeiter Sex mit Angestellten der Ölindustrie hatten, Berge von Geschenken annahmen und Gelage mit Alkohol und Drogen hielten. Zu den netten Gaben gehörten Golf- und Skiausflüge und feudale Abendessen – das alles in einer frappierenden Menge, hieß es damals in einem offiziellen Untersuchungsbericht." (...)

alles zusammengenommen bietet sich ein bild, zu dem zumindest mir keine passenden beschreibungen mehr einfallen.

Freitag, 21. Mai 2010

aufgewärmt: amok; (in) china; oxytocin, männer & autismus

mit dem sog. amok verhält es sich zumindest an einem punkt ein bißchen wie mit erdbeben und vulkanausbrüchen: alle besitzen die gemeinsamkeit, nicht derart vorhersagbar, geschweige denn kontrollierbar - im sinne einer genauen prognose - zu sein, wie es sich womöglich große teile der derzeitigen menschlichen gesellschaften mit all ihren kontrollambitionen gerne wünschen würden. sicher ist nur, dass sowohl die menschengemachte katastrophe als auch die naturphänome (die ebenfalls in vielen fällen erst durch menschliches (nicht-)handeln katastrophische wirkungen in der menschenwelt erzeugen) kommen, mal mehr, mal weniger regelmässig.

und das gilt auch für den
amok neuen typs - mit diesem begriff hatte ich die sehr spezifischen formen des school-shootings in den usa und europa versucht, vom "klassischen" amok etwas zu differenzieren. und war damals u.a. auf die arbeiten von götz eisenberg zum thema eingegangen, der immer noch als so etwas wie der führende "amok-forscher" hierzulande gelten kann. nun bin ich auf eine interessante rezension seiner neuen arbeit zum thema gestoßen, und zwar auch und gerade wegen der folgenden passage:

(...) "In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass bestimmte Eigenschaften von „Psychopathen“ – dass sie z.B. unfähig sind, sich in andere einzufühlen; dass sie anpassungsfähig, zynisch-kalt, bindungs- und skrupellos und ausschließlich an privater Nutzenmaximierung interessiert sind – durchaus auf die Hasardeure und Gurus der Finanzwelt zutreffen, die uns an den Rand des Abgrunds manövriert haben. Ja mehr noch. Unter Hinweis auf eine Studie von Paul Babiak und Robert Hare mit dem Titel „Menschenschinder oder Manager“ (München 2007), in der diese Autoren vor dem Vordringen von „Psychopathen“ in Führungspositionen warnen, fragt Eisenberg, wie wohl Menschen beschaffen sein müssen, die sich kalt und indifferent gegenüber den Schicksalen anderer Menschen verhalten. „Im Zeichen der neuen Management- und Unternehmensstrategien erhalten Leute eine Chance, die bereit sind, für ihre eigene Karriere über Leichen zu gehen, und im Namen kurzfristig erzielter Profite auch vor extrem riskanten und betrügerischen Projekten nicht zurückschrecken.“ (...)

ich habe das buch zwar noch nicht in den händen gehabt, finde es jedoch sehr positiv, dass sich das bewußtsein über bestimmte, letztlich schon länger bekannte mögliche zusammenhänge zwischen massiven psychophysischen defekten und dem aktuellen gesellschaftlichen status langsam zu verbreitern scheint. wenn ich eisenbergs thesen dazu selbst gelesen habe, kommt noch eine eigene rezension hinterher.

*

es wäre aufschlußreich, im vergleich einmal zu sehen, ob und wie sich amok-taten in den verblichenen "realsozialistischen" (= staatskapitalistischen) ländern abgespielt haben - auf die schnelle würden mir keine vergleichbaren ereignisse aus der geschichte dieser länder, oder auch aus kuba, einfallen, was natürlich bei der erinnerung an den üblichen umgang mit symptomen sozialer störungen in diesen ländern erst mal nichts zu sagen hat. trotzdem spricht einiges dafür, dass die moderneren formen des amoks ihre wurzeln auch in den jeweiligen sozioökonomischen verhältnissen haben, wozu in der kapitalistisch geprägten welt auch phänomene wie beschleunigung, stress, mobbing und (materielle) existenzunsicherheit gehören. in gewisser hinsicht durchaus unfreiwillig konnten die "realsozialistischen" staaten auch hier nicht dem (destruktiven) original das wasser reichen, was bezgl. amok dafür sprechen würde, dass diese spezielle wurzel dort nicht derart üble triebe hervorbringen konnte - im sinne eines verstärkers / triggers individueller psychophysischer biographischer dispositionen - wie in unserer heutigen welt. diese these im hinterkopf behaltend, betrachte ich die jüngsten informationen über
amok in china:

"Am Mittwochmorgen ist ein mit einem traditionellen Messer bewaffneter Mann in einen privaten Kindergarten in einem nordchinesischen Dorf in der Provinz Shaanxi eingedrungen und hat sieben Kinder, den Leiter und dessen Mutter zu Tode gehackt. Weitere elf Kinder wurden laut der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua verletzt, die sich auf lokale Behörden berief. Anschließend nahm sich der 48-jährige Mann in seinem Haus das Leben. Die Motive für die Tat blieben zunächst unklar.

Es war bereits der fünfte Amoklauf in einem Kindergarten in China mit Messern oder Hämmern in den letzten acht Wochen. Bisher starben dabei 17 Menschen, Dutzende wurden verletzt. (...) Alle Amokläufe wurden von Männern mittleren Alters verübt und dürften teilweise auch Nachahmungstaten gewesen sein. (...)

Die Amokläufe werden in der Volksrepublik als Zeichen für den psychologischen Stress gewertet, den der rapide gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Wandel auf die Bevölkerung ausübt. Auch könnten die Fälle signalisieren, dass es zu wenig Behandlungsmöglichkeiten für psychische Probleme gibt." (...)


zynisch könnte man sagen: jetzt erst ist china wirklich in der kapitalistischen (post-)moderne angekommen. in
anderen bereichen haben sich die dortigen systemvertreter ja schon länger bemüht.

im angesicht der puren zahl von menschen unter den aktuell extrem beschleunigten bedingungen in diesem land (plus der eigenen, durchaus in vielen teilen traumatischen, chinesischen geschichte) stellt sich überhaupt grundsätzlich die frage nach psychophyischer gesundheit im weitesten sinne, und
joachim jahnke hat sich diesbezgl. neulich ein paar tiefergehende gedanken gemacht:

(...) "Unter den Bedrohungsszenarien, die zu Angst und psychischen Störungen führen, dürfte der Globalisierungsdruck auf die Arbeitsmärkte der Welt eine erhebliche Rolle spielen. Seit einigen Jahren geht dieser Druck vor allem von China und seiner hunderte von Millionen starken Unterschicht an Wanderarbeitnehmer ohne Streikreicht und unabhängige Gewerkschaften aus. Die miserablen Sozial- und Arbeitsbedingungen werden mit dem Export der billigen Waren teilweise weitergereicht, real oder als Angstkulisse.

Aus den gleichen Gründen nehmen aber psychische Erkrankungen auch in China selbst erheblich zu. In nur sechs Wochen kam es jetzt zu sechs mörderischen Attacken von geistig oder seelisch Gestörten auf Schulen in China. Zuletzt wurden sieben Kinder und der Lehrer zu Tode gehackt. Yue Guo'an, Professor für Sozialpsychologie an der Nankai Universität in Tianjin meint:

„Chinas Gesellschaft betritt eine Hoch-Risiko-Phase. Die unfaire Verteilung des Reichtums, die offizielle Korruption, das Versäumnis der Sicherung der Grundnöte der Menschen, die Unfähigkeit, alle diese Probleme zu lösen, hat eine unharmonische Umwelt geschaffen."

Huang Yueqin, die Direktorin des National Centre for Mental Health meint:

„Meine eigene Schätzung ist, daß ein Drittel der Studenten, mit denen ich studiert habe, jetzt eine Form von mentaler Krankheit haben".

Unter den Todesfällen wegen Verletzung und Gewalt entfallen 28 % auf Selbsttötung. Prof. Michael R Phillips hat im Juni 2009 in der britischen medizinischen Zeitschrift Lancet eine von der Weltgesundheitsorganisation finanzierte Studie zu mentalen Störungen in vier chinesischen Provinzen veröffentlicht. Danach haben 17,5 % der Menschen in China eine Form von mentaler Störung, fast alle (95 %) jedoch ohne Behandlung. Schon 2004 war das die wichtigste Krankheitsform in China, die mehr als 20 % der gesamten Gesundheitsbelastung darstellte." (...)


solche zustände und die daraus folgenden aussichten muss und will ich nicht mehr ausführlich kommentieren; entsprechendes ist in früheren beiträgen nachzulesen. aber es wäre vielleicht mal nötig, dass sich die hiesigen (westlichen) amok-forscher mal genauer die chinesischen varianten betrachten würden - ich vermute, da gäbe es einige interessante aha-effekte.

*

das neuropeptid / hormon oxytocin spielt ja im menschlichen sozialen leben eine nicht geringe rolle (und dürfte auch in indirekter form beim gerade thematisierten mitbeteiligt sein), beispiele sind
hier und hier nachzulesen. vor einiger zeit nun machte eine meldung die runde, die ich aufgrund ihrer möglichen implikationen recht spannend fand - "Oxytocin macht Männer sensibel":

"Das Neuropeptid Oxytocin verbessert bei Männern die Fähigkeit, sich emotional in ihre Mitmenschen hineinzuversetzen. Die Substanz sensibilisiert außerdem für „soziale Verstärker“ wie lobende oder tadelnde Gesichter. Diese Erkenntnisse gewannen Forscher um Keith Kendrick von dem Babraham-Institut in Cambridge. (...)

Oxytocin ist ein Hormon, das die emotionale Bindung zwischen Mutter und Neugeborenem stärkt. Das Neuropeptid wird mit Gefühlen wie Liebe und Vertrauen in Verbindung gebracht. Die Studie zeige, dass emotionales Einfühlungsvermögen durch Oxytocin moduliert wird und dass Ähnliches auch für Lernprozesse mit sozialen Verstärkern gelte, behaupten die Wissenschaftler. (...) Die Oxytocin-Gruppe hingegen wies eine Empathie mit Werten auf, die in der Höhe derer von Frauen lag."


na sowas - wäre es dann doch angebracht, demnächst in fussballstadien, bei schlagenden verbindungen, aufsichtsratstreffen etc. ganz ähnlich wie bei lems
futorologischem kongreß zu verfahren...

(...) "Als Tichy einen Anfall von Güte und alles umfassender Zuneigung erleidet, wird ihm klar, dass der Diktator des Landes das Trinkwasser mit Benignatoren versetzt hat, chemischen Begütigungsmitteln, die einen Aufstand der unzufriedenen Bevölkerung des Landes gegen ihn verhindern sollen." (...)

... und die männlichen teilnehmer der benannten veranstaltungen ordentlich mit
"liquid trust" einzunebeln ? glücklicherweise (oder auch nicht, je nach standpunkt) ist oxytocin meines wissens aufgrund seiner flüchtigkeit für solche manipulativen projekte nicht sonderlich geeignet. interessanter finde ich da schon wie gesagt die möglichen implikationen, die sich sich ergeben, wenn man sich klarmacht, dass (in einem der oben verlinkten älteren beiträge zum thema kurz skizziert) oxytocin aufgrund seiner fundamentalen rolle auch im hinblick auf autistische zustände beforscht wird. und da wiederum fällt mir eine etwas ältere hypothese aus der autismus-forschung ein, die sich ganz überspitzt in der frage ausdrücken lässt: sind "männlichkeit" und autismus jeweils synonyme für das gegenüber? das ergebnis der oben genannten studie jedenfalls ließe sich aus meinem verständnis heraus durchaus als indiz dafür interpretieren - vielleicht gibt´s ja "professionelle", die dieser frage zukünftig mal genauer nachgehen.

Montag, 17. Mai 2010

notiz: krisennews und -gedanken (41)

aus aktuellem anlaß zunächst der hinweis auf ein ganz frisches update zu einem ganz speziellen krisenherd, nämlich einer der - das lässt sich jetzt schon vermuten - katastrophalsten menschlich verursachten ölverschmutzungen innerhalb des bisherigen ölzeitalters im golf von mexico. selbst wenn bp jetzt erste erfolgsmeldungen herausgibt - diese geschichte ist noch lange nicht zuende.

*
aufruf krisenproteste zwoelfter juni

diese reihe hatte ich jetzt ansonsten eine ganze zeit lang nicht fortgeschrieben, was nicht etwa daran lag, dass ich das gerede vom "aufschwung" und "krisenende" etwa irgendwie ernstgenommen hätte (kein mensch mit auch nur rudimentärem wahrnehmungsvermögen konnte den quatsch glauben), sondern hauptsächlich eher daran, dass sich die krise - wie es sich schon vor monaten abgezeichnet hatte - inzwischen untergründig in die gefilde der staatshaushalte und währungskreisläufe fortgefressen hat. bereiche, die ich persönlich noch schwerer verständlich finde als das eh schon schwer zu durchschauende treiben in den zeiten rund um den crash 2008 bezgl. der banken- und börsenkrise. aber seit den schweren griechischen unruhen und erst recht seit dem abermals in letzter minute noch
abgewendeten totalcrash am letzten wochenende hat sich die trügerische zwischenzeitliche ruhe auch hierzulande wieder in luft aufgelöst - willkommen zum zweiten akt, der den ersten hinsichtlich seiner widerwärtigen folgen absehbar noch in den schatten stellen wird, bzw. eigentlich die erwähnten folgen erst so richtig sicht- und spürbar werden lässt. und bezgl. des letzteren rückt jetzt das bedrohliche mantra "sparen" in den mittelpunkt - und darum sowie die folgen drehen sich auch hauptsächlich die news:
  • globale wirtschaftskrise I: nach den frühindikatoren der oecd anzeichen für einen erneuten ökonomischen einbruch rund um den globus
  • globale wirtschaftskrise II: zum neuen geab
  • südafrika: massive verarmung breiter bevölkerungsschichten - die folgen können in kürze - vor und während der fussball-wm - eskalieren / flächendeckende streiks angekündigt
  • rumänien: im würgegriff des iwf - schwere soziale kämpfe in sicht
  • usa I: bundesstaat illinois ist faktisch insolvent
  • usa II: kalifornien kürzt brachial im gesamten sozialen bereich
  • deutschland: wie zu erwarten - überschuldete kommunen beginnen mit drastischen kürzungen an der (sozialen) infrastruktur
  • griechenland: interview zu den perspektiven des widerstandes
  • in aller kürze: zusammenfassung der angekündigten (general-)streiks der nächsten zeit in europa / "wir laufen in eine große depression" / das allerletzte: goldman-sachs und die ölpest
*


zur kenntnisnahme:

"Die Frühindikatoren der OECD (CLIs) weisen im Monat März 2010 auf eine Abschwächung der globalen ökonomischen Aktivitäten hin. In den meisten OECD-Ländern gibt es zaghafte Anzeichen für ein sich abschwächendes Wachstum, stärkere Signale sind jedoch in Frankreich und Italien in Erscheinung getreten. Auch zeichnen sich mehrende Hinweise für einen potenziellen Expansionsstopp der Wirtschaften in China und Brasilien ab."

die folgenden charts sprechen für sich; insbesondere der zusammenfassende lässt die konturen eines großen "W" schon im ansatz deutlich erkennen, wobei sich ernsthaft die frage stellt, ob der letzte teil dieses "w" dann noch relevant sein wird, wenn die zweite talsohle (von der wird mit großer sicherheit das restliche jahr bestimmt werden) erst einmal erreicht ist - das ist keine "normale" zyklische krise des kapitalismus mehr, sondern eben eine umfassende systemkrise mit enormer sprengkraft auf vielen ebenen. btw: ich habe mir lange überlegt, ob ich die auch in früheren k-news häufiger als quelle zitierten wirtschaftsfacts.de weiter nutzen will, rechnen sich die betreiber doch selbst dem einigermaßen ominösen "infokrieg"-spektrum zu. da sehr viel beiträge aber hinsichtlich ihrer fakten durchaus sachlich aufschlussreiches material bringen (mir ist neben den querschüssen keine weitere seite bekannt, die derart regelmässig die realen ökonomischen entwicklungen dokumentiert), habe ich mich entschlossen, weiterhin auf das dortige angebot zurückzugreifen.

*

in etwas anderer hinsicht ist adäquate skepsis auch bei einer anderen quelle angesagt, die in früheren news häufiger eine rolle spielte - das regelmässige bulletin "geab", vom europäischen think tank "leap 2020" herausgegeben, fiel neben größtenteils brauchbaren prognosen zum globalen krisenverlauf auch immer wieder mit einer ärgerlichen verharmlosung der situation in den europäischen regionen auf, was nicht dadurch relativiert wird, dass die dortigen einschätzungen hinsichtlich der wirklich fatalen situation der usa und großbritanniens durchaus realistisch sind. diese früher eher versteckte tendenz tritt jetzt ausgerechnet nach dem ganzen trouble rund um griechenland und die faktische bankenrettung seitens der eu in einer nicht mehr nur ärgerlichen, sondern geradezu propagandistischen art und weise offen zutage, wie sich am neuesten
geab nachvollziehen lässt:

"Wie schon von LEAP/E2020 in der 40. und 42. Ausgabe des GEAB vom Dezember 2009 bzw. Februar 2010 vorhergesehen, durchläuft die umfassende weltweite Krise im Frühjahr 2010 einen weiteren Krümmungspunkt und verschärft sich. Zu groß sind inzwischen die Staatsschulden und öffentlichen Defizite, zu theoretisch bleibt der von den Regierungen häufig angekündigte und dennoch ausbleibende Aufschwung. Die dramatischen sozialen und politischen Auswirkungen dieser Entwicklung kennzeichnen den Anfang der Phase der Auflösung der Welt- und öffentlichen Ordnung, wie wir es in der 32. Ausgabe des GEAB vom Februar 2009 vorhergesagt hatten."

soweit lässt sich das alles noch unterschreiben, aber die nächsten absätze haben mich schon regelrecht ob ihrer realitätsverdrehung schockiert:

"Auch die neuesten Entscheidungen der Regierungen der Eurozone bestätigen die Vorhersagen von LEAP/E2020. Unsere Leser werden sich daran erinnern, wie sehr wir von der damals herrschenden veröffentlichten Meinung abwichen, als wir die Einschätzung äußerten, dass nicht nur der Euro die Griechenlandkrise überstehen, sondern vielmehr die Eurozone aus dieser Etappe der Krise verstärkt hervorgehen werde. Wir wagen jetzt die Behauptung, dass mit der Entscheidung der Eurozone, einen Schutzmechanismus zu schaffen, der die finanziellen Interessen von 26 EU-Ländern schützen soll, die Eurozone (mit Unterstützung Schwedens und Polens), in einer Art Staatstreich die europäische Integration Europas in eine neue Dimension geführt hat. Natürlich werden die Medien und viele Akteure in Europa und weltweit, die ihre Vorurteile und die Wirklichkeit nicht unterscheiden können, einige Monate benötigen, bis sie begreifen, dass hinter einer Entscheidung, die oberflächlich nur von haushälterischem und finanziellem Belang zu sein scheint, sich ein Quantensprung der EU auf dem Weg zu einer politischen Union verbirgt, der weltweit die Gleichgewichte zwischen den Staaten und Regionen verschieben wird. " (...)

bitte was? als eine art "staatsstreich" lassen sich die maßnahmen rund um das "rettungspaket" der eu ja aus einer bestimmten perspektive durchaus begreifen (wenn ich alles richtig verstanden habe, sind letztes wochenende gleich eine ganze palette von eu-verträgen, -richtlinien, -gesetzen etc. na sagen wir mal extrem gedehnt worden) - aber die faktische bedeutung dieser riesigen summe von (noch-)bürgschaften und bereits realen zahlungen liegt sehr offen zutage: es geht einmal mehr primär um die "rettung" des kapitals verschiedenster und "systemrelevanter" europäischer großbanken. wer das ernsthaft als "quantensprung auf dem weg zu einer politischen union" interpretiert, sollte sich dann auch mal die frage stellen, wessen union das dann eigentlich real sein wird - die der europäischen bevölkerungen keinesfalls. leap ist halt eben ein "europäischer think tank", aber derartige interpretationen des handelns der europäischen funktionseliten sind trotzdem hochgradig abstrus.

*

die eben angesprochenen europäischen bevölkerungen werden im juni sicherlich zu einem großen teil vor irgendwelchen bildschirmen hängen, um dort einer lieblingsbeschäftigung der massen, dem zuschauersport, zu frönen und der fussball-wm der profis in südafrika zu folgen. in zeiten wie diesen könnte es aber selbst bei so einem event zu überraschungen keinesfalls sportlicher art kommen, und statt der ersehnten ablenkung und zerstreung könnte es passieren, dass stattdessen in ein paar wochen bilder von
sozialen kämpfen über die mattscheiben flimmern:

"4 Wochen vor der WM, die die Stimmung der Ausgebeuteten und Unterdrückten weltweit "aufpeppen" soll, steht nun fast ganz Südafrika still. In den Häfen und auf den Schienen Südafrikas geht nichts mehr. Die beiden grossen Transportgewerkschaften streiken. Andere Gewerkschaften wollen sich anschliessen.

Über 85% der beiden grossen Transportgewerkschaften Südafrikas Satawu und Utatu
(mittlerweile über 90.000 Lohnabhängige) haben sich der Forderung nach 15% Lohnerhöhung bei Transnet angeschlossen. Dem Streikaufruf der beiden Gewerkschaften Satawu und Utatu wollen sich in der kommenden Woche noch weitere Gewerkschaften anschliessen. Die Streiks betreffen das Schienennetz und alle Häfen Südafrikas. Wichtigste Produktionsgüter wie Benzin und Kohle und anderes können nicht mehr transportiert werden. Südafrika wird ab Montag komplett stillstehen. Auch der Personenverkehr fällt komplett aus .Regierungssprecher des Wirtschaftsministeriums und Berater der Regierung verweisen wütend auf die Millionenausfälle durch Produktionsstillstand und den Imageschaden, den die WM nehmen könnte. (Während die Bevölkerung grösstenteils ausgeschlossen ist von der WM, wird die Wut auf diese und die Regierung immer grösser.) Perspektiven des Klassenkampfes die auf den Widerstand in Griechenland verweisen kommen bei verschiedenen Zusammentreffen der Streikorganisation zur Sprache. Ausdrücklich werden Solidaritätsbekundungen und Aktionen aus Europa willkommen geheissen. Die Streiks sollen fortgeführt werden und eine globale Perspektive bekommen."


hui - wenn das passieren sollte und die geliebte wm ins wasser fällt, dürfte das nicht nur hierzulande durchaus relevante massenpsychologische effekte haben. das diese dann u.u. extrem reaktionär ausfallen könnten, liegt auf der hand. deshalb sollten alle emanzipativ interessierten die situation in südafrika spätestens ab jetzt als mindestes aufmerksam beobachten. zur ökonomischen und sozialen situation dort gibt es
hier einen artikel, der einige mir bisher unbekannte infos enthält. die ansicht der kommentare dort macht dann auch gleich klar, warum ich oben das wort "reaktionär" benutzt habe. ziemlich widerlich.

*

rumänien war schon in früheren news immer mal wieder thema, u.a. auch deswegen, weil das land medial meistens als "uninteressant" gilt und deshalb vernachlässigt wird. das könnte sich in ein paar wochen ebenfalls ändern - die faktische
kapital-diktatur durch den iwf fängt an, die erwarteten früchte des zorns zu ernten:

(...) "Franks stellte Rumänien die Aufgabe, das Haushaltsdefizit, das sich 2010 voraussichtlich auf 6,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belaufen wird, im Jahre 2011 auf 4,4 Prozent zu senken. Präsident Traian Basescu kündigte auch umgehend drastische Maßnahmen an: Rumänien müsse Löhne, Gehälter und Renten kürzen. Der aus dem Haushalt finanzierte Lohnfonds wird ab Juni um 25 Prozent reduziert. Die Leiter staatlicher Institutionen werden verpflichtet, eine Auswahl unter ihren Mitarbeitern vorzunehmen, die »nicht auf politischen Kriterien, sondern auf Kompetenz« beruhe. Es geht also um massive Entlassungen! Den Vorstellungen des IWF zufolge muss die Zahl der öffentlich Bediensteten – sowohl in zentralen als auch in örtlichen Behörden – stufenweise um 250 000 gesenkt werden. Mindestlöhne und -gehälter werden Basescu zufolge auf einheitliche 600 Lei (144 Euro) reduziert. Bisher galt in öffentlichen Institutionen ein Mindestlohn von 705 Lei. Renten und Sozialhilfesätze werden um 15 Prozent verringert. Auf diese Weise will Basescu das »Vertrauen« des IWF in die Fähigkeit der Regierung unter Emil Boc wiederherstellen.
Ökonomen weisen darauf hin, dass sich ihr Land nach wie vor in der Rezession befindet. (...)

Einziges Ergebnis des Treffens Präsident Basescus mit Vertretern der großen Gewerkschaften war die Bildung einer »Krisenstruktur«, in der Gewerkschaften, Unternehmerverbände, Regierungsvertreter und Parteipolitiker vertreten sind. Das Gremium soll die vorgesehenen Maßnahmen und Lösungen analysieren.

Die fünf großen Gewerkschaftsorganisationen des Landes haben unabhängig davon ein eigenes Krisenkomitee gegründet. Es soll einen Protestkalender ausarbeiten und Aktionen koordinieren. Für den 19. Mai ist ein »massives Meeting« vor dem Regierungssitz angekündigt. Am 25. Mai soll ein Streik im öffentlichen Dienst beginnen."


rumänien ist nur ein land in osteuropa, in dem sich aktuell jede menge sozialer sprengstoff sammelt. "aus den augen, aus dem sinn" wird keinesfalls als position dabei hilfreich sein, die folgen dieser möglichen explosionen auf die globale situation zu begreifen.

*

das die usa als ganzes vor einer aussichtslosen ökonomischen situation steht, macht nicht nur ein blick in den dortigen bundeshaushalt deutlich, sondern lässt sich besonders drastisch im hinblick auf einzelne bundesstaaten begreifen -
beispiel illinois. der ganze artikel ist sehr informativ, ich zitiere zusammenfassend nur mal den letzten teil:

(...) " Paralysiert durch das höchste Defizit in seiner Geschichte, ist der Bundesstaat um Monate zurück gefallen in Bezug auf seine finanziellen Außenstände und das, was er Unternehmen und Organisationen an Geld schuldet. Einige von ihnen stehen deshalb bereits am Rande des Bankrotts oder mussten Insolvenz anmelden. Illinois beschäftige sich nicht einmal mit der Formalität der Emission von IOUs, so wie Kalifornien es im vergangenen Jahr getan habe, sondern zahlt einfache nicht mehr. (...)

Die Unternehmen reagieren darauf jetzt auf eigene Weise. Ein Lieferant habe es abgelehnt, Kugeln und Munition an die Gefängnisbehörde zu liefern, solange er nicht im Voraus bezahlt werde. Verschiedene Gesetzgeber erhielten bereits Räumungsmitteilungen für ihre Bezirksbüros, weil der Bundesstaat die Mietzahlungen seit Monaten nicht mehr geleistet habe. Illinois befindet sich auf dem Weg, das aktuelle Fiskaljahr mit unbezahlten Rechnungen in Höhe von 6 Milliarden abzuschließen. Budgetvorschläge für das kommende Jahr – wenn der Bundesstaat ein Budgetloch von $13 Milliarden entgegen blickt – lassen vermuten, dass sich dieselbe Prozedur wiederholen wird. Der Bundesstaat schuldet Geld für alle Arten erbrachter Dienstleistungen, die in seinem Namen angeboten und ausgeführt wurden. Dazu gehören unter anderem die medizinische Vorsorge für die Bedürftigen, der Schutz des Hauses von älteren und behinderten Menschen sowie die Tagespflege für diejenigen, die arbeiten, sich davon aber trotzdem finanziell nicht über Wasser halten können."


das dürfte dem schon sehr nahe kommen, was unter dem begriff "game over" verstanden wird. die folgen für die betroffenen dürften mitsamt ihren komplexen, weil unendlich vielfältigen, auswirkungen kaum vorstellbar sein.

*

gleiches gilt für
kalifornien, schon seit dem letzten jahr faktisch bankrott - nur noch nicht formal, was aber für die realität der menschen irrelevant ist:

(...) "Es gebe nur noch harte Entscheidungen, eine Verwaltung der Mängel in einem der reichsten Länder, wobei Schwarzenegger aber auf Griechenland, Spanien oder Irland verweist, wo ähnliches vorgenommen werden müsse. Natürlich suggeriert der republikanische Gouverneur, dass die Kürzung und Streichung der Sozialprogramme alternativenlos sei.

Zurückgefahren werden vor allem Sozialprogramme für die Armen, beispielsweise wird die Unterstützung für die Behandlung von psychischen Problemen um 60 Prozent gekürzt, die staatlich finanzierte Kinderbetreuung für die Einkommensschwachen soll ebenso gestrichen werden wie die Arbeitslosenhilfe und das Gesundheitsprogramm für die Armen. Das Geld für lokale Schulen wird gekürzt, die Löhne von Staatsangestellten werden weiter heruntergefahren, das Geld für die häusliche Pflege von Alten und Behinderten wird um ein Drittel gekürzt." (...)


SO wird die nächste zukunft der gesamten westlichen welt - und nicht nur da - aussehen, wenn sich eine mehrheit weiterhin derart der passiven agonie ergibt. immerhin haben wir dann zumindest in den lebensverhältnissen gleichheit mit dem trikont hergestellt. (und das das alles nicht nur extrem destruktiv im gesamten sozialen leben wirken und alltäglich vielfältig spürbar werden wird, sondern dazu ein umfassendes verbrechen an millionen von menschen darstellt, muss ich wohl nicht extra betonen.)

*

und ja, wir sind auch
hierzulande mittendrin und voll dabei:

(...) "In Hamburg etwa steigen die Kita-Gebühren um bis zu 100 Euro pro Monat. Städte wie Karlsruhe, Mühlhausen in Thüringen oder Feldkirchen bei München haben die Grundsteuer angehoben. Andere stellen neue Radarfallen auf und hoffen darauf, dass Autofahrer rasen.

Einige Städte sind noch kreativer: Die thüringische Gemeinde Niederzimmern verkaufte Schlaglöcher für je 50 Euro. Das gestopfte Schlagloch erhält dann eine Plakette mit dem Namen des Spenders. Insgesamt verkaufte die 1000-Einwohner-Gemeinde 257 Schlaglöcher und nahm so 12.850 Euro ein. Köln hat kürzlich die Einführung einer "Bettensteuer" für Hotels beschlossen, als Kompensation für die gesenkte Mehrwertsteuer für Hoteliers. Die Domstadt rechnet mit jährlichen Einnahmen von bis zu 21,5 Millionen Euro. Das Beispiel macht Schule: Andere Städte wollen den Kölnern folgen, etwa Saarbrücken.

In der Finanznot schlagen Kommunen auch neue Wege beim Schuldenmachen ein. Quickborn in Schleswig-Holstein pumpte im März seine eigenen Bürger an: Einwohner stellten ihrer Stadt eine Million Euro zur Verfügung. Der Bürgerkredit bringt bis zu 2,6 Prozent Zinsen für fünf Jahre. (...)

Auch für Kultur wird weniger ausgegeben: (...) Im schwäbischen Nürtingen erhält die Volkshochschule weniger Geld und muss folglich die Preise erhöhen. In Augsburg muss das Theater auf große Bühnenbilder verzichten und die Zahl der Inszenierungen senken. An den städtischen Bühnen anderer Kommunen ist die Lage ähnlich. Wenn nicht gleich das Haus ganz geschlossen wird, wie das Schauspielhaus in Wuppertal.

Auch der Essener Stadtkämmerer streicht den Kulturzuschuss zusammen. Ohnehin ist die Lage im Ruhrgebiet besonders düster. Beispiel Oberhausen: Die 216.000-Einwohner-Stadt im Westen des Potts ist so gut wie pleite und kürzt die Ausgaben nun radikal. Die Stadt hat den Busfahrplan zusammengestrichen. Viele Busse fahren nun schon ab 21 Uhr im Nachtbetrieb. Einen Bücherbus hat die städtische Bibliothek nicht mehr, Grünflächen werden seltener gemäht. In seiner Not hat Oberhausen zudem mehrere Schwimmbäder geschlossen und eines zu einem Spaßbad umgebaut. Dort wurde dann der Eintrittspreis kräftig erhöht.

Aber auch dort, wo noch Bäder existieren, spüren die Bürger Kürzungen – vor allem in der anstehenden Freibadsaison. Mannheim beheizt nur noch eines seiner Freibäder. In den drei anderen können die Besucher nur hoffen, dass die Sonne kräftig scheint, um das Wasser etwas zu erwärmen. Noch radikaler ging die Stadt Sindelfingen vor: Sie füllte im kommunalen Freibad kurzerhand ein Becken mit Erde und machte es zur Rasenfläche. (...)

Besonders kritisch wird es dann, wenn die Kommunen bei der Infrastruktur für Kinder sparen. Sei es, dass Jugendmusikschulen ihre Preise erhöhen und Jugendzentren schließen müssen. Sei es, dass Schulen so marode sind, dass – wie im Januar in Augsburg – ein Schulleiter aus Sicherheitsgründen Räume sperren muss. Kürzen Gemeinden die Zuschüsse für die Stadtbücherei, fehlt es an aktuellem Bestand. Andernorts verwahrlosen Abenteuerspielplätze und Sportanlagen."


man könnte sich jetzt bei einem teil der beispiele denken: okay, nutze ich eh selbst nie, betrifft mich nicht. anderes erscheint auf den ersten blick verzichtbar. aber: das sind nur die anfänge. für die ärmsten schichten bedeuten diese kürzungen bereits zunehmenden ausschluß vom öffentlichen leben, und in der folge weitere isolation. für viele kinder und jugendliche bedeutet das klassenübergreifend in vielen fällen ebenfalls eine reale beschneidung ihrer lebensmöglichkeiten. und richtig finster wird´s im wahrsten sinne des wortes dann werden, wenn bspw. kommunen und städte beginnen "müssen", an der öffentlichen beleuchtung zu sparen (ich hatte letztes jahr schon mal erwähnt, dass hier in der stadt an vielen stellen kaputte straßenbeleuchtung nicht mehr repariert wird).

ganz eklig wird´s spätestens dann, wenn es direkt an die sozialleistungen geht: von hartz-IV über zuschüsse für kinder bis hin zu den renten. in kombination mit den kürzungsorgien an der öffentlichen infrastruktur wird das alles ausnahmslos alle betreffen: mehr offene armut, psychosoziale verelendung, entsprechende krankheiten, kaputte familien, zunahme von gewalt auf allen gesellschaftlichen ebenen - und nicht nur in diesem land natürlich auch die entsprechende faschistische gefahr. die - ich kann sie nicht anders nennen - ignoranten idioten, die sich besonders im letzten jahr hingestellt und "crisis? what crisis?!?" getönt haben, werden sich in sehr naher zukunft in einer völlig neuen - und kein stück angenehmen - realität wiederfinden. aber auf diese genugtuung könnte ich persönlich sehr gut verzichten.

*

zur aktuellen und weiterhin hoch brisanten lage in griechenland möchte ich heute nur auf ein interessantes
interview mit christoforos vernardakis (professor für politische wissenschaften an der universität saloniki und vorsitzenden des wissenschaftlichen beirates des meinungsforschungsinstitutes VPRC) hinweisen. erschienen in der linken, italienischen tageszeitung „il manifesto“ vom 9.5.2010. die implizite schlußfolgerung wird bereits in der überschrift gezogen: „Zusammenbruch des Systems – nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch“ .

*

in aller kürze - das krisentelegramm + überblick: (general-)streiks sind in den kommenden wochen zu erwarten in: griechenland (20. mai), spanien (vermutlich anfang juni), rumänien (siehe oben), südafrika (dito) sowie
portugal, wo es die zentrale gewerkschaft besonders schön formuliert hat: "CGTP-IN kündigt neue Massenproteste an und ruft zu allgemeiner Auflehnung auf." yo, die letztere ist seit langem überfällig. + wie gefährlich die zeiten sind, lässt sich u.a. auch daran erkennen, dass selbst ein medium wie das handelsblatt finstere gedanken veröffentlich: "Wir laufen in eine große Depression" - heute noch "querdenker", morgen schon allgemeiner mainstream: "Die Finanzmärkte werden zusammenbrechen, die Europäische Währungsunion zerbrechen und die Welt in eine große Depression schlittern." mögest du in interessanten zeiten leben ! + das allerletzte schließt heute den bogen zum thema ganz zu beginn: schon ende april machte eine meldung die runde, die hierzulande vielleicht bezeichnenderweise nie so recht eine breite wahrnehmungsschwelle durchstoßen konnte - die huffpost dient als quelle für das darauf folgende, sinngemäß: am mittwoch, dem 6. mai 2010 gestand der welt größter finanzkonzern ein, »daß er mit erheblichen finanziellen mitteln auf eine ölpest im golf von mexiko spekuliert hat«, und das ausgerechnet einen tag bevor dort eine der großen bohrinseln im Meer versank (wobei die zu dem zeitpunkt schon in flammen stand, aber eben noch nicht gesunken war). ein mitarbeiter hatte in einem schreiben an eine freundin geprahlt, daß goldman sachs jetzt auf eine ölpest im golf von mexiko spekuliert. »wenn auch nur eine ölplattform absäuft, dann schwimmen wir im geld«, schrieb er in einer mail. ist´s nicht ein emsiges völkchen, was da in den glaspalästen in lichten höhen throhnt ? (siehe dazu die hinweise in den kommentaren)

Sonntag, 16. Mai 2010

aktualisierter index

während ich heute so am friemeln daran war, sind mir ein paar fragen durch den kopf gegangen - ich begreife den index wie schon früher erwähnt als einen service besonders, aber nicht nur, für neue leserInnen - es ist die einzige halbwegs praktikable möglichkeit hier, auch ältere bis sehr alte beiträge, die aber in einem quasi-themenblog wie hier deswegen nicht unbedingt inhaltlich irrelevant werden, auch weiterhin verfügbar zu halten (das archivtool hier bei twoday halte ich nicht für sehr gelungen).

deshalb werde ich trotz des recht großen arbeitsaufwands auch weiterhin unregelmässig aktualisieren. aber von meinen gedanken möchte ich aus purer neugier heraus dann doch mal eine frage loswerden (und würde mich über rege beteiligung freuen - auch, wenn´s hier nix zu gewinnen gibt):



wie nutzen Sie / Du den index ?

häufig bis regelmässig
manchmal bis (sehr) selten
nie
ich würde ihn bei einer noch detaillierteren verschlagwortung mehr nutzen

  Resultate

monoma, 18:32h.

Freitag, 14. Mai 2010

kontext 65: "Ich möchte, dass du mich niemals vergisst. Dazu werde ich deine Zukunft ruinieren."

keine ausflüchte mehr, keine verbrämungen mehr: das IST krank, das ist ausdruck einer wie auch immer zu bestimmenden schweren pathologie im strengen klinischen sinne:

(...) "Der Bericht über die Gespräche mit den ehemaligen Heimkindern spart üble Einzelheiten nicht aus: "Herr Mixa zog ihm die Hose herunter und prügelte mit einem Stock auf den nackten Hintern. Nach fünf bis sechs Schlägen begann der Betroffene zu weinen. Danach brach der Stecken ab und Herr Mixa lockerte seinen Hosengürtel und schlug noch weitere fünf- bis sechsmal auf seinen Hintern." Der Mann, der 1982 als 15-Jähriger zu Mixa gerufen worden sei, sei später zum Alkoholiker geworden, so Knott.

Einem Mädchen habe der Ex-Bischof laut dem Bericht gesagt: "Ich möchte, dass du mich niemals vergisst. Dazu werde ich deine Zukunft ruinieren." Die von Knott als glaubhaft bezeichnete Frau benötige bis heute therapeutische Hilfe und sei nicht in der Lage, Beziehungen zu führen." (...)


so ziemlich alles weitere von mir aus nötige hatte ich in diesem früheren
beitrag zu diesem ganz speziellen herrn geschrieben. und es ist wirklich keinerlei entlastung in irgendeiner form für ihn, dass die staatsanwaltschaft die vorermittlungen wg. sexualisierter übergriffe jetzt eingestellt hat.

*

zum zitierten satz in der überschrift noch das: erstens war mixa bis vor allerkürzester zeit teil und repräsentant der sog. "eliten", und diese manifestation seines psychophysisch offensichtlich völlig zerrütteten zustands muss ebenfalls dringend als repräsentativ für diese schicht angesehen werden - gründe dafür sind hier zuhauf nachzulesen.

zweitens: legen Sie den satz mal gedanklich einem "bp"-manager, einem bankster, einem "politiker" in den mund .... genau. aus bestimmten gründen habe ich den verdacht, dass ein teil dieser leute letztlich tatsächlich aus ihrer persönlichen struktur heraus von rache motiviert ist (und die kapitalismusinternen zwänge diesen sachverhalt sehr gut maskieren können - per sog. rationalisierung). zu diesem punkt mehr im kommenden schwerpunkt "soziopathie".

notiz: aus aktuellem anlaß wichtige updates zu den letzten krisennews

stück für stück kommt jetzt ans licht, wie sehr die hütte tatsächlich brennt - und was rund um die (wiederholte) faktische bankenrettung der eu tatsächlich alles passierte (und noch passiert, wenn man sich mal bspw. nur euro- und goldkurse die letzten tage betrachtet).

hatte ich kommentierend bei den krisennews noch auf indizien für eine hauptrolle frankreichs in dem drama hingewiesen, so pfeifen es seit heute morgen in vielen europäischen ländern - spanien, großbritannien und natürlich auch frankreich selbst - die medialen spatzen von den dächern - hierzulande ist online bisher erst eine einzige quelle zu finden -
Sarkozy soll Merkel Euro-Austritt angedroht haben:

(...) "Im Streit um das Rettungspaket für Griechenland hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach Presseangaben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einem Austritt aus der europäischen Währungsunion gedroht. Beim Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone in Brüssel habe „Sarkozy mit der Faust auf den Tisch geschlagen und gedroht, sich aus dem Euro zurückzuziehen“, berichtete die spanische Zeitung „El Pais“ unter Berufung auf Vertreter der in Madrid regierenden Sozialisten, die Regierungschef José Luis Rodriguez Zapatero wiedergaben. Damit habe der französische Staatschef die zögernde Merkel unter Druck gesetzt, dem Hilfspaket zuzustimmen." (...)

das wäre ein sehr nachdrücklicher beleg dafür, wie sehr frankreich bzw. die französischen banken vor dem letzten wochende tatsächlich unter druck gestanden haben - wer ein bisschen recherchiert, wird etliches material darüber finden können, wie sehr die in griechenland direkt und indirekt involviert sind.

und das durchaus die gesamte euro-zone bzw. vermutlich das globale finanzsystem dazu sonntagnacht vor einem realen crash stand, macht die folgende meldung aus
österreich sehr nachdrücklich deutlich:

(...) "Österreich hatte sich bereits gerüstet: Bevor die EU-Finanzminister in der Nacht von Sonntag auf Montag praktisch in letzter Minute ihr Rettungspaket geschnürt haben, um eine Abwertung des Euro zu verhindern, liefen im Innenministerium schon alle Vorbereitungen für den Ernstfall.

Fekter ließ Einsatzpläne aus der Schublade holen, die in ihrem Ressort 2008, zu Beginn der Bankenkrise, entwickelt worden waren: Darin finden sich Maßnahmen „zum Schutz der Infrastruktur“ und zum „Umgang mit aufgebrachten Menschenmassen“ für den Fall, dass wegen der Wirtschaftskrise Bankfilialen geschlossen bleiben oder die Geldausgabe an den Bankomaten gestoppt wird. Ein Bedrohungsszenario, mit dem offenbar ernsthaft gerechnet wurde." (...)


wie lautet aktuell ein begriff für all das ? "lehman 2.0", nur in etwas größeren dimensionen. wie vor zwei jahren ist das globale finanzsystem (und damit auch die globale ökonomie) an einem wirklich fulminanten crash mit allem, was dazu gehört (bank run, bankenschliessungen, faktischer notstand etc.) um haaresbreite vorbeigerauscht. ein drittes mal wird es mit allergrößter sicherheit nicht mehr geben - und zwar nicht, weil das system jetzt irgendwie "gerettet" oder gar stabiler geworden sei. nein, nächstesmal gibt es schlicht keine "retter" mehr. die sind inzwischen alle selbst pleite.

*

noch ganz kurz ein paar weitere, besonders vor dem hintergrund der faktischen präsenz des iwf in der euro-zone interessante neuigkeiten:
spanische regierung kündigt massive etatkürzungen an. bejubelt von den allermeisten claqueren der medien, ´türlich. mittlerweile nehmen auch die großen spanischen gewerkschaften, nicht gerade bekannt für wirkliche konfliktfreudigkeit, das wort generalstreik in ihren wortschatz auf. kann bereits ende mai, anfang juni, akut werden. für griechenland ist übrigens ein weiterer selbiger schon für den 20. mai angekündigt. währenddessen werden auch in großbritannien von der neuen "konservativ-liberalen" regierung als quasi erste amtshandlung die allseits beliebten lieder vom "sparen" angestimmt - pleite as fuck und mit einem fetten bankster-cluster in der hauptstadt "gesegnet", lässt sich lebhaft vorstellen, wohin auch auf der insel die reise geht. apropos insel: in den deutschsprachigen medien kaum thematisiert, ging in der woche ziemlich unter, dass sich, vielleicht inspiriert von dem griechischen umschwärmen der eigenen "volksvertretung" aka parlament, auch in irland einige hundert leute anlässlich einer demonstration gegen die dortigen sparorgien abseilten und "ihr" parlament mit einem besuch beglücken wollten. die polizei hatte was dagegen, es gab rangeleien und einige leichtverletzte.

*

hierzulande hat sich ja bereits der indiskutable hessen-koch vorgewagt, und er will - wie zu erwarten - der bildung und überhaupt offensichtlich der finanziellen unterstützung von kindern an den kragen. dazu nur noch ein interessanter
userkommentar von 10.35 h zum redaktionellen sz-kommentar heute - der steht da bisher unberührt mit einiger zustimmung, und ich dokumentiere ihn gerne als ganzes, weil er einiges ganz gut auf den punkt bringt:

"Georg Büchner ist aktueller denn je. Heribert Prantl ist zu danken, dass er an diesen großen Deutschen im Zusammenhang mit den aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland an diese Ultima Ratio erinnert.

Die politischen Geisterfahrer à la Koch und Westerwelle werden immer dreister. Sie vertrauen auf das relativ geringe Revolutionspotential der Deutschen, die politisch bewusst eingelullt durch Rund-um-die-Uhr-Privatfernsehen, Fußballmärchen, McDonalds, Aldi-, Lidl- und All-inklusive-Reise-Schnäppchen das politische Treiben nur noch peripher verfolgen. Für die Volksbildung sorgen Jörg Pilawa und Günther Jauch mit Kreuzworträtselquiz-Wissen und für die Volkskultur Andy Borg, Carmen Nebel und Thomas Gottschalk; das Rechtsbewusstsein pflegt Richterin Barbara Salesch in SAT 1.

Und eines scheinen diese politischen Demokratiemörder auch vorauszusetzen: Ein Slum in Kalkutta oder Rio de Janeiro hat noch nie einen Volksaufstand inszeniert. Und von solchen Verhältnissen sind wir Deutsche doch noch Galaxien entfernt. In ihrem Menschenbild sind daher offensichtlich die Schmerzgrenzen der meisten Deutschen noch lange nicht ausgereizt. Sie fürchten sich daher weder politisch noch persönlich und werden deshalb immer furcht- und skrupelloser.

Die Psychologie kennt solche Persönlichkeitsstrukturen zu Hauf. Es sind die Menschen, die ihre gesamte Umwelt und letztlich sich selbst aus reinem Egotrieb an die Wand fahren.

Es wird Zeit, sich in Deutschland vor solchen Kamikaze-Politikern zu trennen, wenn es sein muss auch mit Krieg und Gewalt."


ich wünsche uns schafen trotzdem vorläufig ein schönes wochenende (ich hatte mal vor einem jahr oder noch länger mal geschrieben, dass es davon absehbar nicht mehr viele geben würde - und auf mittelfristige sicht bleibe ich dabei).

User Status

Du bist nicht angemeldet.

US-Depeschen lesen

WikiLeaks

...und hier geht´s zum

Aktuelle Beiträge

Es geht ihm gut? Das...
Es geht ihm gut? Das ist die Hauptsache. Der Rest...
Grummel (Gast) - 23. Jan, 21:22
Im Sommer 2016 hat er...
Im Sommer 2016 hat er einen Vortrag gehalten, in Bremen...
W-Day (Gast) - 23. Jan, 14:49
Danke, dir /euch auch!
Danke, dir /euch auch!
Grummel - 9. Jan, 20:16
Wird er nicht. Warum...
Wird er nicht. Warum auch immer. Dir und wer sonst...
Wednesday - 2. Jan, 09:37
Ich bin da, ein Ping...
Ich bin da, ein Ping reicht ;) Monoma wird sich...
Grummel - 15. Sep, 16:50
Danke, Grummel. Das Netzwerk...
Danke, Grummel. Das Netzwerk bekommt immer grössere...
Wednesday - 13. Sep, 10:02
Leider nicht, hab ewig...
Leider nicht, hab ewig nix mehr gehört.
Grummel - 12. Sep, 20:17
Was ist mit monoma?
Weiss jemand was? Gruß Wednesday
monoma - 12. Sep, 14:48
Der Spiegel-Artikel im...
Den Spiegel-Artikel gibt's übrigens hier im Netz: http://www.spiegel.de/spie gel/spiegelspecial/d-45964 806.html
iromeister - 12. Jun, 12:45
Texte E.Mertz
Schönen guten Tag allerseits, ich bin seit geraumer...
Danfu - 2. Sep, 21:15

Suche

 

Status

Online seit 7198 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Besuch

Counter 2


assoziation
aufgewärmt
basis
definitionsfragen
gastbeiträge
in eigener sache
index
kontakt
kontext
lesen-sehen-hören
notizen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren