basis: traumageschichte(n) 7 - von triggern, dissoziationen und sekundären traumata

ein weiterer beitrag in dieser reihe, die sich zwar anders als vor jahren geplant entwickelt, aber nichtsdestotrotz mit der zeit alle relevanten thematischen aspekte zur sprache bringen sollte, auch um den preis von redundanz. und in diesem besonderen fall kann ich - leider - einmal mehr aus ureigensten erfahrungen schöpfen.

*

ende letzter woche machte ein video aus den usa
schlagzeilen; und das wort "schlagzeilen" trifft es hier auf den punkt:

(...) "Eine 23-jährige Frau veröffentlichte im Internet ein aufsehenerregendes Video aus ihrer Kindheit, in dem sie von ihrem Vater minutenlang mit einem Gürtel misshandelt wird. (...)

Die 23-Jährige erzählte dem TV-Sender NBC, regelmäßig von ihrem Vater verprügelt worden zu sein. In der Sendung "Today" schilderte die junge Frau, wie sie mit sechzehn Jahren eine Kamera auf einer Kommode versteckt hatte und die Schläge ihres Vaters damit später aufgezeichnet wurden. Das Video zeigt, wie der Richter seine schreiende Tochter schlägt, weil sie illegal Musik aus dem Internet geladen hatte. Auch die Mutter ist zu sehen, wie sie die Tochter einmal schlägt und sie anschreit, die Schläge "wie eine erwachsene Frau zu ertragen". (...)


das originalvideo wurde auf yt schon vor ein paar tagen gesperrt, nachdem es ca. zweimillionen mal aufgerufen wurde. eine vielzahl anderer yt-accounts hat das jedoch übernommen, und wer sich das unbedingt ansehen will (es gibt durchaus gründe dafür), kann es mit ein wenig recherche auch finden. aber VORSICHT! warum, dazu gleich mehr.

es gäbe zu diesem video eine ganze menge zu sagen; in diesem rahmen möchte ich jedoch nur darauf hinweisen, dass es primär in den usa selbst für eine menge öffentlicher debatten gesorgt hat, und das finde ich gerade in diesen zeiten, in denen parallel durch das occupy-movement erstmals seit jahrzehnten eine öffentliche diskussion über die soziökonomische lage großer teile der us-bevölkerung in gang gekommen ist, bemerkenswert. ist doch diese genannte lage selbst über viele ecken mit der allgemeinen gewaltgeschichte der usa verknüpft, welche sich passend zum äußeren imperialismus bspw. im inneren auch dadurch ausdrückt, dass...

"...Anders als in den meisten europäischen Ländern die Prügelstrafe in Haushalten in allen 50 US-Bundesstaaten erlaubt (ist)."

der inhalt des videos ist übrigens unbestritten authentisch; das haben sowohl der prügelnde vater - ausgerechnet ein familienrichter, der in dieser funktion auch in vielen fällen von gewalt gegen kinder geurteilt hat -, als auch die mutter, die sich inzwischen von diesem mann losgesagt hat, bestätigt. ehemals den schein nach aussen als "fromme, anständige christliche familie" in texas wahrend, ist dieses bild für diese leute mit der veröffentlichung seitens der tochter nun endgültig zusammengebrochen, und es macht nicht zuletzt auch einiges über die psychophysischen quellen von bewegungen wie der "tea party" deutlich, die diesen richter als paradigmatisch für einen in ihrer sicht "anständigen amerikaner" halten können (und in vielen us-foren, die diese geschichte diskutierten, liess sich die schnittmenge von prügelbefürwortern und -entschuldigern mit den christlich-fundamentalen extremisten von rechts immer wieder feststellen).

*

so weit, so schlecht - ich bin über diese geschichte letzte woche während meiner normalen blogbetreffenden recherchen gestolpert, und habe dann auch begonnen, mir das video zu betrachten - stammleserInnen werden sich vielleicht an (von der brutalität und widerwärtigkeit der inhalte her) ähnliche filme in der vergangenheit erinnern, sei es die unbeachtete
sterbende frau in der notaufnahme eines psychiatrischen krankenhauses in new york vor ein paar jahren, oder auch einige szenen aus polizeirevieren an verschiedenen orten - stets kamen mir bei solchen anlässen mein eigenes "dickes fell" bzw. meine fähigkeiten zum objektivieren als nötiges werkzeug zu hilfe, um an solchen bildern nicht schlicht und einfach "irre zu werden".

und die letzteren eigenschaften setzte ich auch ohne weiteres nachdenken für das benannte video aus den usa voraus. ich begann also mit dem anschauen der knapp sieben minuten einsichten aus einer familiären hölle, bei denen nach etwas über einer minute die offene gewalt in bild und ton einsetzt.

und ich reagierte radikal anders als in der vergangenheit.

ich konnte sofort nach beginn des flehens und wimmerns des mädchens diese töne nicht mehr ertragen, und musste abbrechen. aber da war es bzw. etwas schon passiert - ich saß auf einmal da mit einem kloß im hals, aufsteigenden tränen und vor allem einem von einem auf den anderen moment krass veränderten körpergefühl, welches sich nur sehr schwer in worte fassen lässt - peripher neben mir stehend, trifft es nur zum teil, andererseits war das durchaus auch der fall.

erschwert wurde die ganze situation dadurch, dass das alles an einem öffentlichen ort - ein netzcafé - geschah, wodurch ich in meinen reaktionmöglichkeiten deutlich beschränkter reagieren konnte, als ich das im häuslichen rahmen hätte tun können.

ich saß dann so einige zeit rum, mit der deutlichen ahnung, dass ich mir selbst gerade keinen gefallen getan habe. dann bin ich los, noch einige dinge zu erledigen, die ich mir vorgenommen hatte. etwa eine stunde nach dieser geschichte trat dann etwas ein, was ich als "prä-grippe-gefühl" bezeichne - vielleicht kennen Sie das, wenn Sie einen oder zwei tage vor einer schweren erkältung oder gar einer grippe ein ganz bestimmtes körpergefühl verspüren; welches sich v.a. in der brust und durch eine unspezifische schwäche bemerkbar macht. dieser zustand jedenfalls hielt ca. zwei stunden an, und klang dann wieder ab. da hatte ich schon die befürchtung, ob ich mir etwa selbst mein immunsystem "abgeschossen" hatte - an meinem arbeitsplatz rannte die letzten wochen immer ca. ein viertel aller anwesenden mit erkältungssymptomen herum, und vor etwa twei wochen lag ich selbst ein paar tage flach. die zusammenhänge zwischen "psyche" und immunsystem jedenfalls sind in der einschlägigen forschung schon länger bekannt.

naja, jedenfalls bin ich dann in den stunden darauf viel unterwegs gewesen, hauptsächlich mit dem fahrrad. dabei musste ich ebenfalls feststellen, dass sich das fahren deutlich unsicherer als sonst anfühlte, was mich zu einer ungewohnten langsamkeit zwang. und ebenfalls war ich die ganze zeit unruhig, und in gedanken vorwiegend fahrig und zerstreut. nachdem ich alles erledigt hatte, was ich wollte, stand dann an, mich zu entscheiden - entweder (alleine) zurück in meine derzeitige wohnung, um dort auch alleine zu sein - oder aber jemanden besuchen, um diesen zustand überhaupt mal zu kommunizieren. ich entschied mich dann glücklicherweise für das letztere, wobei mir klar war, dass aufgrund der eigenarten dieses erlebens aus meinem umfeld nur begrenzt menschen in frage kamen - dass ich da am nachmittag sozusagen von traumatischem material "kontaminiert" worden bin, war mir zu diesem zeitpunkt schon irgendwie klar, wenngleich ich mir auch über die genaue art & weise dieses einflusses selbst noch keinen reim machen konnte.

ich bin dann meine beste und älteste freundin besuchen gegangen, die selbst mit vielfältigsten traumafolgen umgehen muss und wo ich mit recht annehmen konnte, dass ihr solche zustände wie der , in dem ich mich befand, weder fremd noch unverständlich - "komisch" erscheinen würden. dort lag ich dann einfach nur eine ganze zeit auf dem boden herum, wollte nichts sagen, nichts essen oder trinken, und spürte eine tiefe und durch meine sonstigen tagesaktivitäten nicht erklärliche erschöpfung.

dann kamen erstmal, und durchaus befreiend, viele tränen - und einige zeit später dann erzählte ich ihr die oben geschilderten ereignisse, und irgendwann während dieses erzählens, und unter weiteren tränen, fing ich an, mich an lange zurückliegende ereignisse zu erinnern - nicht falsch verstehen bitte: was ich gleich schildere, habe ich "im bewusstsein" nie vergessen; eher kann ich mich daran beliebig erinnern, aber nur an die reinen fakten und nicht an die zugehörigen gefühle. das hebe ich deshalb heraus, weil es für das verständnis der ganzen geschichte ein wichtiger schlüssel ist.

es war in meiner kinderzeit - etwa ab dem alter von sieben an - so, dass ich über jahre ein zimmer wand an wand mit dem kinderzimmer der nachbarwohnung hatte. nebenan wohnte ein etwas jüngerer bube als ich mit seinen beiden eltern, der über jahre auch ein spielkamerad von mir gewesen ist. dieser junge nun wurde über eine lange zeit - das ging über ein paar jahre - regelmässig mehrmals in der woche abends im bett von seinem vater verprügelt, was mich aufgrund der dünnen wände in eine unfreiwillige zeugenschaft dieser erbärmlichkeit versetzte. ich weiß nicht, was dieser vater für motivationen oder gründe hatte - nach außen hin traten er und seine frau (die sich niemals für mich bemerkbar einmischte) zusammen mit dem sohn als völlig "normale" familie auf, wie das für eine deutsche mittelklassefamilie so üblich war bzw. ist.

ich weiß nicht, wie oft ich mir in jenen jahren das weinen, wimmern und flehen - "bitte papa, hör auf!" - und das geräusch von schlägen zusammen mit wütenden ausrufen des schlägers anhören musste. es geschah immer zu recht später stunde, wenn ich schon im dunkeln im bett lag. ich weiß auch nicht mehr, was ich damals gedacht oder gefühlt habe - es war in gewissem sinne halt irgendwie "normal", und war auch unter uns kindern niemals thema. wie früher schon angedeutet, hatte ich in meiner familie nicht primär mit derartiger körperlicher gewalt zu tun, sondern eher mit schweren kommunikationsstörungen, die auch dazu beitrugen, dass ich mit diesen erlebnissen nirgendwo hingehen konnte, und alleine drauf sitzen blieb.

das alles hatte ich wie gesagt niemals "vergessen", aber es war bis letzte woche eine seltsam blasse und irgendwie beiläufige erinnerung - bis sie mir bei der freundin unter tränen wieder präsenter wurde.

*

später dann hatte ich das gefühl, soweit wieder handlungsfähig zu sein, dass ich alleine bleiben konnte und wollte - ich fuhr nach hause und legte mich ins bett, weil ich eigentlich nur noch das dringende bedürfnis nach schlaf verspürte. ich nehme an, viele leserInnen kennen das gefühl, schlafen zu wollen, aber aufgrund von innerer unruhe und herumjagenden gedanken nicht zu können. so verbrachte ich jedenfalls die ganze nacht, um einen wirklich miesen nächsten tag - das war der sonnabend - einzuleiten. ich mache das mal in geraffter form, weil sich der tag so am besten zusammenfassen lässt:
  • den ganzen tag ein gefühl völliger erschöpfung; selbst die paar meter zur toilette fühlten sich nach einem zehn-kilometer-marsch an
  • fast ständig ein gefühl, als ob rund um den kopf ein festes band liegen würde, welches von zeit zu zeit merkbar angezogen wird und für einen unangenehmen druck im kopf sorgte
  • hitze- und kältewallungen; den tag über maß ich verschiedentlich meine temperatur, und die pendelte im bereich "erhöht", d.h. so von ca. 37,4° bis 38°. am darauf folgenden morgen fiel sie dann auf etwa 35, 4°, um sich im laufe des tages mit 36,6° wieder auf einem level einzupendeln, welches ich für mich als durchschnitt ansehen würde
  • kein hunger/appetit und kein durst; ich musste mich zwingen, wenigstens auf einen halben liter flüssigkeit zu kommen
  • schwere konzentrationsschwierigkeiten; leseversuche scheiterten spätestens nach zwei seiten mit einem gefühl von leichtem schwindel und übelkeit. dazu die schon erwähnte fahrigkeit und zerstreutheit im denken
  • schlafen war immer noch nicht möglich, obwohl ich nichts lieber getan hätte. der angenehmste zustand diesen ganzen tag über war das einfache regungslose liegen mit geschlossenen augen
diese diversen symptome dauerten mit abnehmender tendenz noch bis zum montag abend an, wobei das gefühl der unsicherheit am längsten andauerte, und mich auch dazu brachte, meiner arbeit fernzubleiben - ich habe da u.a. mit verschiedenen elektrischen staplern zu tun. stattdessen ging ich zu meinem hausarzt, der sich das alles anhörte, von dem video auch schon gehört hatte, und dann selbst seine wertung abgab, die ich unausgesprochen für mich ebenfalls schon getroffen hatte:

ich war über ca. zweieinhalb tage mit einem sich v.a. körperlich manifestierenden dissoziativen zustand konfrontiert, eingeleitet durch einen trigger speziell in form der tonspur des benannten videos, der eine unverarbeitete sekundäre traumatisierung freilegte.

*

das klingt jetzt hübsch technokratisch, was es auch ist - aber nichtsdestotrotz ist das eine korrekte objektivierung der beschriebenen zustände, deren ganze - subjektive - bedeutung und v.a. deren erleben darin allerdings zwangsläufig verlorengeht. aber ich schreibe das hier auch darum, weil sich daraus möglicherweise für andere mitlesende ein paar aha-effekte ergeben. und nicht zuletzt ist es eine gelegenheit, die angesprochenen begriffe auch für "laien" etwas mehr nachvollziehbar zu machen.

dissoziation: wie früher schon öfter dargelegt, im prinzip ein alltagsphänomen, welches in form von tagträumen zb. den meisten selbst bekannt ist. im mtraumakontext spielen die pathologischen formen der dissoziation allerdings eine herausragende rolle, näheres
hier und hier. "somatoforme" dissoziationen, d.h. solche, die sich primär oder zu großen teilen in einem veränderten körpergefühl und/oder gar "psychosomatischen" symptomen bemerkbar machen, sind noch nicht allzulange im blickfeld der psychotraumatologischen forschung. was ich da erlebt habe, ist einerseits völlig individuell von meinen ganz besonderen symptomen her, andererseits auch allgemeingültig von den dahinterstehenden prinzipien. ich finde im rückblick besonders die schwankungen der körpertemperatur interessant, kann diese doch als ausdruck von psychophysischer homöostase gesehen werden; d.h. ich selbst habe mich in form des körpers arg anstrengen müssen, um das durch durch die traumatische kontamination in trudeln geratene gleichgewicht wieder zu erlangen. sich körperlich ausdrückende dissoziationen können unglaublich vielfältige formewn annehmen, was einerseits ihre diagnose erschwert, andererseits auch primär organische erkrankungen schwerer erkennbar machen kann.

trigger: englisch für auslöser, und wie in meinem fall können das relative kleinigkeiten sein - bestimmte töne, geräusche, auch gerüche oder der anblick bestimmter gegenstände. ein trigger im traumakontext bedeutet letztlich einen schlüssel, mit dem abgespaltene neuronale netzwerke, die nicht der normalen informationsverarbeitung im gehirn zugänglich sind, teile oder alles von ihren inhalten schlagartig ins wachbewusstsein abgeben, es sozusagen überfluten. ein trigger ist ein schlüssel zur "eingefrorenen zeit" der traumatischen situation.

sekundäres trauma: ein begriff, der bis heute vor allem im bereich
helfender berufe wie psychotherapie, rettungswesen und feuerwehr, darüber hinaus aber auch bei polizei und militär, eine hauptrolle spielt. es geht schlicht um das miterlebenmüssen eines traumatischen einflusses auf und bei andere(n); und auch dafür ist meine geschichte ein treffendes beispiel: ich wurde ja nicht selbst verprügelt in jenen momenten, war aber absolut handlungsunfähig; d.h. konnte die situation nicht beeinflussen und auch nicht verlassen.

*

so. für den moment habe ich dazu nicht mehr zu sagen. ich bin mit dem arzt übereingekommen, die ganze sache erstmal zu beobachten, speziell den aspekt der unsicherheit als grundgefühl. sollte diese nicht weiter abklingen - was sie glücklicherweise aber tut - , müsste ich mir ernsthaft überlegen, wieder therapeutische hilfe in anspruch zu nehmen. wobei das so ein fall wäre, der mir für
emdr sehr geeignet erscheint. aber mal sehen - ich bin jedenfalls immer noch überrascht, wie stark meine reaktionen jetzt ausgefallen sind, und diese stärke ist vielleicht ein indiz dafür, damit auf jeden fall zu arbeiten.

zum schluß noch ein danke an
grummel und w-day- und eine wirklich gute freundin da draussen!
sansculotte - 13. Nov, 00:18

Therapie

_

Nix Emdr. Das da hat sich als am wirksamsten erwiesen.

Diese Therapie ist eine Umkehrung des dissoziativen Prozesses. Während in der traumatischen Situation die Informationsverarbeitung fragmentiert wird* und das implizite Gedächtnis keinen Eingang in das explizite, deklarative, autobiografische Gedächtnis finden kann, werden in der NET die impliziten Inhalte Stück für Stück und durch detaillierte Wiederholung reintegriert. Klingt jetzt ziemlich technisch, weil es in Essenz nur die Kurfassung all dessen ist, was da passiert.

*(Die dissoziativen Symptome sind vielfach Folge der ungehemmten Aktivierung des impliziten Gedächtnisses. Diese zeigt sich physiologisch - grob gesagt - in erhöhter Amygdala-Aktivierung und Hippocampusdegenerierung.)

sansculotte - 13. Nov, 00:29

Nachtrag

Zwei weitere Therapien, die auf Basis der exakt selben psychophysiologischen Mechanismen aufgebaut sind, sich jedoch in der methodischen Gewichtung ein wenig unterscheiden:

PE und BSW.

Gruß, s
Wednesday - 13. Nov, 10:07

Danke, Mo (Ähnliches plagte mich die letzten zwei Jahre).
Danke, Sansculotte.
Eine Therapeutin sagte mir zu dem Thema, ein schweres Trauma werde man nicht los, es könne nur erträglicher werden. Alles bisherige half mir nicht, sondern vertiefte die Geschichten nur, erst das Aufschreiben (nicht Tippen) hat nun die Erinnerung in den Hintergrund gedrängt . Mal sehen, wie lange es wirkt.

Ciao
W-Day
[Edit: Grammatikfehler]
sansculotte - 13. Nov, 10:29

Hallo Wed,

fein, dich zu hören/lesen. :-)

Ich würde dieser Therapeutin am liebsten einen A...tritt versetzen, denn derartige Verdikte entbehren nicht nur jeder empirischen Grundlage, sondern entmutigen und stigmatisieren darüber hinaus die/den PatientIn.

Ich selbst sehe gerade an einem Borderliner mit schweren frühkindlichen Traumata, dass es möglich ist, auch massive Traumata durch wiederholtes Wiedererleben im Erzählen aufzulösen. Als kleine Einführung und Ermutigung möcht ich dir vorerst diesen Artikel ans Herz legen:

Gehirn&Geist 2003

Liebe Grüße, s
Wednesday - 13. Nov, 10:55

Servus sansculotte! :-)

Danke.

Liebe Grüße
Wednesday
P.S.: Vielleicht haben Erzähl- und darstellende Kunst diesen Entstehungshintergrund, durch diese Ausdrucksformen Beschädigungen (als Verfluchungen verstanden?) zu korrigieren, zu entladen; mir fallen dazu auch die so oft sadistischen Märchen, Sagen, auch das Alte Testament ein, etliche Motive werden bis heute immer wieder nacherzählt.
me (Gast) - 13. Nov, 00:27

und was mache ich, wenn die symptome nicht mehr nachlassen sondern sich so verdichten, dass keine bewegung mehr möglich ist?

Grummel (Gast) - 13. Nov, 16:01

Hmm .. mir kommt das auch sehr bekannt vor.
Vor allem die Stärke des vom Trigger ausgelösten Reaktivs kann einen ganz schön "an ne Wand knallen".

Meine Beobachtungen (Objektivismus an):
Die Auswirkungen des Erregungszustandes sind abhängig von der .. hmm .. Wahrnehmung.
So kann sich das, Situationsabhängig, von unglaublicher Angst zu rasenden Aggression wandeln, beides kann man schon beinahe Physisch wahrnehmen, oder .. was eher paradox ist... zu Freude (Hängt wohl mit der Zuständigkeit der Amygdala zusammen ?).
Die ersten beiden "Modi" sind Beziehungsabhängig, den dritten kenne ich von einer Wahrnehmung die aus dem eigenen Selbst resultiert.

Ich weiß nicht ob das allgemein zutrifft, aber nach meinem Empfinden beinhalten Traumatisierungen dass das eigene Selbst/Identität, zu diesem Zeitpunkt, empathisch auf destruktive Situationen oder Handelnde ausgedehnt ist die so zu Innerem Zugang erlangen.
Ein Prinzip das Analogien im Helsinki-Syndrom, der Wirkung von Folter, aber auch zB. in traumatisierte Polizisten nach tödlichem Schusswaffengebrauch findet.

Von daher war (und ist) es mein Weg das eigene Selbst(wahrnehmung) zu stärken und so eine Differenz/Realität zu schaffen die diesen (Trauma) Zuständen fremd ist (Die "Selbste" offenbaren die getriggert Projektion und eröffnen so neue Wahrnehmungs- und Handlungsoptionen).
Im kommunikativen Kontext heißt das einen Gegenüber oder Situation als eigene (fremde) Identität wahr zu nehmen, nicht "objektivistisch" sondern erst mal .. hmm.. nicht äh, konnektivistisch eher ein Unterschied der existenziellen Art, auf dem man dann gesund aufbauen kann.
Das ist nicht immer leicht, da das Reaktiv eine Assoziation der verursachenden Beziehung in sich trägt und die Wahrnehmung so erst mal in die falsche Richtung schlägt.

Ich denke an diesen Punkt knüpfen auch Therapieformen an die mit Gruppen arbeiten.

Ein weiterer Punkt ist auch ein Paradox.
Wenns einen erwischt hat fühlt man sich überhaupt nicht gut, das kämpfen ist hart und erschöpft.. dabei ist man in vielen Fällen gerade mit seiner eigenen Stärke konfrontiert, einem Zustand der aus einer existenziellen Auseinandersetzung resultiert (alles auf Gefechststation), sich durch die Intensität der Erfahrung tief eingebrannt hat und eigentlich nur den Fehler macht zur falschen Zeit wieder aus der Versenkung auf zu tauchen.
Man kämpft gegen sich selbst.
Es ist daher wichtig dem Reaktiv seine Berechtigung zu zuerkennen als Teil der eigenen Geschichte zu akzeptieren, an zu nehmen und in seine Wahrnehmung als das integrieren was es ist (eine Projektion vergangener Zustände?).
Ab und an gelingt es den Einschlag als eine Homage an alte siegreiche Schlachten zu verstehen, man hats ja überlebt ;) ... manchmal gelingt es auch liebevoll über sich zu schmunzeln.

Hmm .. aber wahrscheinlich erzähl ich dir nix neues?

me (Gast) - 13. Nov, 16:40

manchmal gelingt auch gar nix mehr u. du hast einfach überhaupt keinen bock mehr auf den ganzen sch... du willst weder darüber reden, noch darüber nachdenken sondern hast es einfach nur sowas von satt. dann kannst du dich aber körperlich überhaupt nicht mehr rühren sondern liegst wie gefesselt da u. kannst nicht weg. womöglich ruft jemand einen arzt, der dir dann sonstwas attestiert u.mit dem du weder reden willst noch kannst. evtl wirst du dann erstmal eingeliefert u mit irgendwelchen drogen versorgt, wenn du noch minderjährig bist wird auch gerne mal an dir herumexperimentiert, wirst halt fixiert u dann therapiert, alles zu deinem besten. das trauma interessiert keinen menschen wer will schon traumatisiert werden. u. erzählst du dann doch irgendjemanden ein paar brocken, so ist das ganze ganz sicher nicht objektiv also war in wirklichkeit ganz anders, das wird dir dann versucht begreiflich zu machen und so geht das immer weiter u. das be... trauma gets a neverending fucked up.
me (Gast) - 13. Nov, 17:05

so wirst du dann zum super survival artisten, du überlebst all das, das erste trauma, dann wenn du glück hast, übelebst du auch noch die "traumatherapie" nur um hernach dann wieder mit einem neuen trauma beglückt zu werden etc etc etc.

ich warte hier nur noch auf das ultimative finale knalltrauma, das mich aus diesen beklopppten irrsinn endlich rausschießt. wenn dabei nur nich soviele unbeteiligte zu schaden kämen. so gehts dann letzlich nur noch darum, eben diese unbeteiligten irgendwie zu schützen
Grummel (Gast) - 15. Nov, 10:11

Hallo ME
vielleicht lohnt es sich für dich sich mit der Natur von Systemen zu beschäftigen.
So wie sich das für mich anhört sitzt du in einer Art selbstreferenten Feedbackschleife.
Ich hab jetzt keine Ahnung was bei dir dahinter steckt, das musst du selber erforschen,

was ich aber weiß ist das ein Reaktiv (eine getriggerte unwillkürliche Reaktion) Assoziationen und Zustände ihrer Verursachung in sich trägt.
Das kann, wenn du zu dem Zeitpunkt noch relativ jung warst, Wahrnehmungszustände aus dieser Zeit sein, aber auch Beziehungskonstellationen und ein äquivalent der damaligen "Weltsicht" (Umfeld).

Ein Reaktiv ist stark, kann so stark sein das normales Feedback in diesem Getöse untergeht ... was dann passiert ist ein Selbstbezug des Reaktivs.
H .v. Förster hat mal Sinngemäß gesagt " wenn der Ausgang wieder zum Eingang wird passiert was ganz wunderbares, "das System" beginnt sich selbst zu organisieren" ...oder so ähnlich...

Im Falle eines Traumas ist das alles andere als wunderbar, aber das kennst du wahrscheinlich selber.
Aus dem Grund gibts auch kein "rausschießen" aus einem "Knalltrauma". In dem Fall besteht nur die Gefahr das der Reaktiv (in einer Art Resonanzkatastrophe) die Kontrolle an sich reißt, mit unvorhersehbaren Folgen für dich und die Umwelt (retraumatisierung).
Ich kann den Wunsch nachzuvollziehen diesen Zustand Final zu beenden, aber das geht nur wenn du dich, am besten mit einem erfahrenen Experten/Therapeuten, mit dem Problem auseinandersetzt und eine neue, radikal andere Realität für dich eroberst, schon die Aussicht darauf ist genug Motivation.
me (Gast) - 13. Nov, 17:26

abschließend möchte ich noch anmerken, dass es weder meine absicht war, mit meinem geposte hier irgendwelche unbeteiligtien zu schädigen, noch anderen traumatisierten ihre hoffnung auf therapie zu sabotieren. nein, ich hoffe jeder findet einen guten u. für sich gehbaren weg dahingehend, über sich selbst u. sein trauma hinauszuwachsen.

me (Gast) - 15. Nov, 15:06

Danke @ Grumel

ich denke du hast es ziemlich scharf getroffen. komme gerade von meiner neurologin, mir der zusammen ich mir in etwa genau diese diagnose gestellt habe. es ist allerdings noch wesentich komplizierter weil sich diese "feedbackschleife" mittlerweile an meiner Tochter vergreift, die ja mit alledem nichts zu tun hat! ich habe keine ahnung ob es einen therapeuten gibt, der mir helfen kann, bislang hab ich noch keinen getroffen.

liebe grüße u. alles Gute

besonders auch Dir, Monoma!
Grummel (Gast) - 15. Nov, 15:47

Na denn, klingt nach einem Plan!
Zum allgemeinen Leidensdruck kommt noch das Wohl deiner Tochter, das nenn ich Motiv (das Bewegende, hat manchmal was von ner Raketen-Endstufe).

Niederlage ist keine Option! Lerne RICHTIG zu kämpfen dann wirst du auch siegen!

Ich drück dir die Daumen!
monoma - 17. Nov, 13:55

at @ll

vielen dank schon mal für alle kommentare; ich werde auf einige in den nächsten tagen noch direkt eingehen.

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