ich bin vermutlich nicht der einzige, der sich im angesicht der täglichen flut von nachrichten mit immer öfter schon fast surreal-bösartigen inhalten zunehmend in einen alptraum im wachzustand versetzt fühlt - nicht, dass diese meldungen in den letzten jahren irgendwie anders oder gar "besser" gewesen seien, aber mittlerweile finde ich die aktuell zu konstatierende auswegs- und noch mehr sinnlosigkeit, die einen beim betrachten der globalen gesamtkrise (mit all ihren facetten - ökologisch, ökonomisch, psychosozial, kulturell) so überkommt, immer öfter nur noch bedrückend. und auch, wenn ich mich selbst hinsichtlich negativszenarien bzw. dystopien als in gewisser hinsicht abgedrüht und fähig zur distanz bezeichnen würde - es gibt grenzen.
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aktuell hat sich dieser fakt bspw. bei der lektüre der folgendengeschichtebemerkbar gemacht:
(...) "Stephen Hill war beruflich Kraftfahrer und wohnte mit seiner Familie in Nordengland, in Derbyshire, da, wo England so richtig provinziell ist. Vor zwei Jahren verschlimmerten sich seine gesundheitlichen Probleme. Ständig fühlte er sich erschöpft, berichten seine Angehörigen. Schließlich konnte er nicht mehr zur Arbeit gehen und beantragte Employment Support Allowance (ESA). Von dieser staatlichen Beihilfe leben vor allem Behinderte und chronisch Kranke - Menschen, die nicht arbeitsfähig sind. Ob sie dazu berechtigt sind, wird unter anderem mit medizinischen Tests festgestellt. Schnell stellte sich bei dieser Untersuchung heraus, dass Stephen Hill an einer schweren Herz-Kreislauf-Erkrankung litt. Man riet ihm, möglichst schnell einen Arzt aufzusuchen.
Die Antwort auf seinen Antrag war dennoch - negativ! Eine schwere kardiovaskuläre Erkrankung sei "unwahrscheinlich", hieß es im Bescheid des Arbeitsamts. Hill legte Widerspruch ein, mit Erfolg. Aber schon nach wenigen Wochen nach der ersten Zahlung wurde er erneut für denselben medizinischen Test einbestellt. Wovon sollte er leben? Hatten die Mediziner recht, war er vielleicht doch gesund? Auch beim zweiten Mal kamen die Prüfer zum gleichen Ergebnis; er sei nicht wirklich krank und daher arbeitsfähig. Vier Wochen später starb Stephen Hill an einem Herzinfarkt, als er sein Auto reinigte. (...)
Viele Briten beginnen nun zur Kenntnis zu nehmen, dass Hills Tod weder der einzige, noch der erste Fall einer krassen und fatalen Fehleinschätzung war. Die Boulevardzeitung Daily Mirror recherchierte und fand heraus, dass zwischen Januar und August 2011 1.100 ESA-Empfänger starben, kurz nachdem die Behörden sie als bedingt arbeitsfähig eingestuft hatten." (...)
ich empfehle auch die in den kommentaren unter dem zuletzt erwähntenblogartikeldes "mirror" enthaltenen erfahrungsberichte vieler von den gleichen "maßnahmen" betroffener.
wie soll man sowas nun bezeichnen? eine art indirekter "vernichtung durch arbeit" unter staatlicher aufsicht, durchgeführt in diesem fall mithilfe der aktiven - ja, täterschaft eines privaten unternehmens? wir hier im "goldenen westen" haben uns ja durch jahrzehnte hindurch bestens an die tausenden hungertoten pro tag irgendwo ganz weit weg ebenso gewöhnt wie an die ebenfalls (anscheinend) weit entfernten kriege an vielen ecken. auch die steigenden "selbst"mordraten im europäischen süden, aber ebenfalls auch ingroßbritannien, lösen mehrheitlich ebenfalls das gleiche schulterzucken aus (falls sie überhaupt registriert werden), wie die jährlich tausenden toten an den eu-südgrenzen unter dem regime von frontex (nur storys mit human touch schaffen es überhaupt noch an die oberfläche des medienstromes, so wie vor einiger zeitdiese hier(ist übrigens nicht als vorwurf an uhupardo gemeint, der die erbärmlichen zustände im süden durchaus auf dem schirm hat).
als "menschlich abgestumpft und geistig umnachtet" umschrieb mertz in seinem aktuellen kapitel unten am ende die postmodernen durchschnittsbewohnerInnen der globalen zentren - zumindest dieser befund trifft exakt.
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diese sich mehr und mehr offen wahrnehmbar entfaltende, im kern extrem destruktive und buchstäblich a-soziale mentalität findet sich dabei quer durch die ganze gesellschaft, wobei auch die herrschaften aus den selbsterklärten "eliten" zunehmend gefallen daran zu finden scheinen, offen ihre eigeneinnere verwahrlosungkund zu tun:
(...) "Schläge im Hof, Vergewaltigungen in der Gemeinschaftsdusche: Gewalt gehört in deutschen Gefängnissen offenbar zum Alltag. Laut einer am Donnerstag in Hannover veröffentlichten Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen wird mehr als ein Viertel aller Insassen im Laufe eines Monats körperlich angegriffen. Bei den Jugendlichen war es sogar fast jeder Zweite. Christian Pfeiffer, Leiter des Forschungsinstituts, sprach von „Horrorquoten“ und forderte Konsequenzen.
25,7 Prozent aller männlichen Befragten und 25,6 Prozent aller weiblichen Befragten gaben demnach an, innerhalb der letzten vier Wochen im Gefängnis Opfer physischer Gewalt geworden zu sein. Bei den Jugendlichen waren es 49 Prozent. " (...)
nun sind diese zuständekeineswegs neu, und ebenfalls ist die oft genug tödliche ignoranz nicht nur der zuständigen behörden, sondern auch breiter teile der öffentlichkeit altbekannt. neu ist jedoch eine art von zynismus, die wie folgt klingt:
(...) "Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) reagierte am Donnerstag gelassen auf die Studie. „Ein Knast ist eben keine Mädchenpension“, sagte er auf dapd-Anfrage. Der CDU-Politiker hatte die Studie des Kriminologischen Forschungsinistituts selbst mit in Auftrag gegeben. Die nun vorgestellten Ergebnisse könne er „gut akzeptieren“, da vieles der vorgeschlagenen Konsequenzen in den niedersächsischen Gefängnissen bereits umgesetzt sei." (...)
ich hatte ja hier in der vergangenheit in vielen beiträgen das hiesige justizsystem in all seinen facetten schon öfter als absurd und verkommen bezeichnet, aber dafür fallen mir keine angemessenen beleidigungen mehr ein. nur ein wunsch: das der herr minister einmal nur eine woche, ach was, nur einen tag selbst erfährt, was "keine mädchenpension" bedeutet (aus dem zuletzt verlinkten alten blogbeitrag):
"Sprichwörtlich" sei es, jemanden zu zwingen, den Kopf in die Kloschüssel zu stecken.
Auch "Abzocke" sei üblich: Gefangene drohen demnach anderen damit, dass sie etwas "auf die Schnauze" bekommen, wenn sie etwa keinen Tabak abgäben oder sich weigerten, "Dienstleistungen" auszuüben, wie beispielsweise die Zelle zu putzen. All das gehöre zur Subkultur. Auch Vergewaltigungen seien keine Einzelfälle."
ich fürchte fast, ein teil in mir könnte diese behandlung eines ministers auch ganz "gut akzeptieren"...
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aber was soll´s - ein höherrangiger kollege dieses norddeutschen provinzlers gab in einem anderen zusammenhang neulich zu erkennen, dass er durchaus zumindest ab und zu etwasauthentische realitätwahrnehmen (und entsprechend praktizieren) kann:
(...) "Auch wir bescheißen gelegentlich, auch wir verstoßen gegen Regeln", sagte Schäuble.
bis auf das gelegentlich eine durchaus offene zustands- und selbstbeschreibung aus den reihen der "elite".
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wobei es sich um eineglobale realitäthandelt, die aber anhand dieses beispiels auch deutlich macht, dass die republikaner auf dieser ebene sich durchaus auf der höhe der postmodernen wirrnis ("wahrheit ist die erfindung eines lügners") befinden. und wo ich gerade dabei bin: haben Sie schon mal einen blick auf die beim jüngsten nominierungsparteitag der republikaner verabschiedete neue inhaltlicheplattformgeworfen, die ungefähr die ecken des von der partei tolerierten laufgitters absteckt, in dem sich zombie romney im falle seiner wahl positionieren darf? ein derartiges gebräu aus christlich-fundamentalistischem kulturkampf, sozialdarwinismus, ökologischem desaster und antisozialem engagement führt mindestens zu übelsten magen- und darmkoliken. immerhin sind damit die usa - inzwischen selten genug - wieder einmal führend in der welt: eine derartig offene wahlalternative zwischen mittel- und richtig großer scheisse dürfte auch mehr und mehr in europa als leuchtendes beispiel für die zukunft angesehen werden dürfen.
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und wem´s bis jetzt noch nicht reicht, kann die reste seines/ihres weltvertrauens wie gewohnthierverlieren. schönes wochenende noch.
"Bei einer Zwangsräumung hat ein Mann in der Karlsruher Nordstadt vier Menschen als Geiseln genommen. Vier davon tötete er, bevor er sich selbst erschoss. Beamte der Spezialeinheiten SEK und MEK fanden die fünf Leichen vor, als sie drei Stunden nach dem Kidnapping die Dreizimmerwohnung stürmten. (...)
Trotz der Gewalttat brauchen Gerichtsvollzieher nach Ansicht ihres Verbands keine Bewaffnung. "Sie tragen keine Schutzwesten und auch keine Waffen. Eine Bewaffnung lehnen wir ab", sagte der Vorsitzende des Deutschen Gerichtsvollzieherbundes, Walter Gietmann. Waffen seien Sache der Polizei."
in einem weitgehend lediglich die polizeiberichte wiedergebenen artikel taucht dann zum ende recht unvermittelt die frage nach der möglichen bewaffnung von gerichtsvollziehern auf - und zwar ohne jeden bezug auf ihre aufgaben und die daraus in vielen fällen folgenden konsequenzen, die gerade bei zwangsräumungen für die betroffenen existenzbedrohende dimensionen - die bis zur obdachlosigkeit gehen können - annehmen. damit ist das thema trotz der deutlichen aussagen oben als idee bzw. option in der öffentlichkeit vorhanden.
die möglichenhintergründedieser tat springen einen daneben gerade zu an:
"Weil die Wohnung seiner Lebensgefährtin zwangsgeräumt werden sollte, hat ein 53-Jähriger vier Menschen und sich selbst erschossen. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem geplanten vierfachen Mord. Die Zwangsräumung habe die Existenz des Täters ins Wanken gebracht. (...)
Laut Staatsanwaltschaft habe der Täter genau geplant, was er tun wird, wenn die Räumung der Wohnung ansteht. Als der 47 Jahre alte Gerichtsvollzieher um 8 Uhr in Begleitung eines Sozialarbeiters und des Schlüsseldienstes an der Tür klingelt, lässt der Arbeitslose die Gruppe herein. Dann zwingt er die Männer mit Waffengewalt, sich hinzusetzen. Als sich der Gerichtsvollzieher weigert, schießt der Täter ihm zweimal in die Beine. Darauf fordert er den 33 Jahre alten Schlüsseldienstmann auf, die anderen zu fesseln. Inzwischen ist auch noch der neue Eigentümer der Wohnung eingetroffen, der Ende April die Immobilie erworben und die Zwangsräumung beantragt hat. (...)
"Der Gerichtsvollzieher konnte mit dem schlimmen Verlauf zu keinem Zeitpunkt rechnen", sagt Oberstaatsanwalt Gunter Spitz. Er spricht von geplantem Mord in vier Fällen. Die Zwangsräumung habe die Existenz desTäters bedroht. Erklären kann das die Tat nicht."
nun, wenn eine existenzbedrohung - dazu noch bei vorhandener erwerbslosigkeit - keinerlei motiv darstellen soll, stellt sich die frage: was eigentlich dann? diese frage muss gestellt werden, ohne auch nur einen hauch von sympathie für die tat zu empfinden. das auch noch mögliche beziehungsproblematiken spekulativ aufscheinen, macht sie keinesfalls überflüssig. und das, was sich in diesem fall als "erweiterter suizid" bezeichnen lässt, ist durchaus typisch für viele reaktionen von betroffenen letztlich politischer entscheidungen hier im land - der unterschied dieser tat zusolchenoffenen "selbstmorden" liegt aus meiner sicht lediglich darin, dass sich der täter hier dafür entschied, auch aus seiner sicht (mit)schuldigen das leben zu nehmen - das mag in seiner individuellen disposition begründet gewesen sein, entbindet die gesellschaft als ganzes jedoch nicht der pflicht, solche taten endlich auch einmal im gesamten kontext zu begreifen. das bleibt bis auf weiteres natürlich ein frommer wunsch...einmal mehr.
yo, warum irgendwann irgendwer in china darauf gekommen ist, ist bei ansicht der täglichen nachrichten lebhaft nachzuvollziehen. wahrhaft interessante zeiten sind´s, so interessant, dass einem davon tag für tag nur noch übler wird. im folgenden rühre ich ein wenig in dem aktuellen interessanten gebräu herum und füge ein paar eigene gewürze bei - wohl bekomm´s!
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ich hatte mir neulich beim ersten kommentarhierkurz überlegt, ob ich das so stehenlassen will - und dann fielen mir entsprechende analoge äusserungen aus all den jahren nach 2008 ein, die mal mehr, mal weniger, aber mit stetig zunehmender tendenz selbst in den foren von "spon", "zeit", "standard", "süddeutsche" etc. zu lesen waren bzw. sind - wünsche nach der guillotine, die erwähnung von laternenpfählen und bäumen mit namen von politikern und bankern in einem satz, selbst das gar nicht verschämte bedauern darüber, "dass die raf sich aufgelöst hat" - das sind analog zum krisenverlauf gar nicht so seltene sätze, die zu lesen sind. nun kann man das als verbalradikalismus, gefördert durch die scheinbare anonymität des netzes, abtun. ich empfehle eher, das als vorwarnzeichen zu betrachten. und zwar vorwarnungen bezgl. dessen, was sich im "kollektiven unbewussten" (den begriff verstehe ich, anders als c.g. jung, eher als metapher für handfeste und verbreitete psychophysische prozesse) möglicherweise zusammenbraut. ich bewerte das an dieser stelle nicht, weil mir persönlich das weder überraschend noch unverständlich vorkommt. eher ist die überraschung, dass bei all den tag für tag sichtbarer (und für immer mehr menschen global auch direkt spürbarer) werdenden zerstörungs- und zusammenbruchsprozessen im globalen system die gegenreaktionen nicht noch drastischer und auch militanter ausfallen, als das bisher der fall ist. möglicherweise ist das aber nur noch eine frage der zeit - die selbsternannten "eliten" jedenfalls tun alles dafür, diesen status quo zu ändern, während sie ihren status quo am liebsten für alle zeiten einzementieren würden. das wird aber so oder so scheitern - die frage ist eher, welcher art dieses scheitern sein wird.
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in der aktuellen "taz" ist ein interessanter beitrag zu lesen, der das scheitern auf breitester front für alle nichtmitglieder der "elite" nicht nur als wünschenswert, sondern als große chance begreift -Wir wollen die Krise!:
"Hoch das Herz, nieder mit der Angst! Wir werden sie lieben, die Krise. Wir wollen die Krise. Uns ist langweilig! Wir wollen die totale Eskalation. Wir haben keine Lust mehr auf Rettungsschirme und Rettungsschirme und noch mehr Rettungsschirme. Das ewige "Immer weiter so" widert uns an. Wir wollen die Zerstörung, den Systemwechsel, den ultimativen Neuanfang. (...)
Die Zerstörung ist notwendig, damit etwas Neues entstehen kann. Warum sollten wir das alte System retten? Arbeitslosigkeit, globale Armut, Hunger, Umweltzerstörung, Finanzhaie, steigende Mieten, Hedgefonds, ungerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen und so weiter und so fort. Weg damit! Systemwandel! Wir brauchen neue Regeln, eine andere Politik, ein gerechteres globales soziales Miteinander. Wir wollen gleiche Lebenschancen für alle! (...)
Raus aus dem stahlharten Gehäuse der Moderne, hinein in das fantasievolle Chaos. Die Krise würde die Langeweile zerstören. Niemand könnte sich mehr die Langeweile leisten. Wir müssten unsere Ärsche endlich von der Fernsehcouch erheben und neue Lebensstrategien entwickeln, um zu überleben. Weg mit der Angstkultur, her mit dem wahren Leben
Und diese gottverdammte Sinn- und Identitätssuche wäre auch beendet. Jeder würde von einer existenziellen Wucht getroffen werden, die ihm oder ihr den Sinn des Lebens direkt ins Gesicht schreien würde. Das wäre auch das Ende von diesem allerdümmsten Satz auf Gottes Erden: "Ach, wir leiden ja auf so hohem Niveau."
Ist das System erst einmal ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert. Die Krise würde unser aller Leben wieder spannend und abenteuerreich machen. Adieu, Mittelmäßigkeit - tschüss, Versicherungsmentalität - auf Nimmerwiedersehen, Angstkultur.
Die Krise toleriert keine Mittelmäßigkeit, die Krise bedarf der Extreme. Die Fesseln der versklavenden Selbstzufriedenheit wären gesprengt, es würde zu einer ungeheuren Freisetzung von schöpferischer Energie kommen. Wir würden uns alle wieder lebendig fühlen, ja lebendig. (...)
Fühle dich umarmt, du wunderschöne Weltwirtschaftskrise! Zerstöre unsere Banken, zerstöre unser Geld, zerstöre unser Wirtschaftssystem, zerstöre unser sinnloses Dasein! Komm, Krise, und mach unser Leben wieder interessant!"
es gibt schon eine menge von kommentaren dazu, die neben etlichen interessanten argumenten auch eine deutliche polarisierung zeigen - was den artikel grundsätzlich schon mal rechtfertigt. ist das nun versteckte satire, ironie, oder ernstgemeint? so ganz schöüssig bin ich mir dabei noch nicht, obwohl ich grundsätzlich zum letzteren tendiere. denn nochmals klipp & klar ausgeprochen:
es wird nie wieder diese art wirtschaftswachstum geben, geben können, an das sich alle innerhalb der letzten jahrzehnte - faktisch seit dem weltkrieg II - in den westlichen ländern als anscheinend naturgegebene normalität gewöhnt haben
dieser letzterwähnte zustand wird in künftigen historischen rückblicken eher als einzigartige anomalie, als die illusionäre und mit realem blut, schweiß und tränen von milliarden menschen und anderen lebewesen aufgepumpte blase erscheinen, die er real immer gewesen ist
was nicht zuletzt fundamental mit der energetischen basis dieser "zivilisation" zusammenhängt, die real ebenfalls viel fragiler und instabiler ist, als wir es mit unseren ansozialisierten tunnelrealitäten wahrnehmen - und wahrhaben - können
aus diversen perspektiven betrachtet ist der kommende zusammenbruch absolut wünschenswert; nicht nur aus ökologischen erwägungen, sondern auch und gerade dann, wenn man sich die u.a. hier im blog vielfach thematisierten sozialen verwüstungen betrachtet, die dieses implizit zutiefst sinnlose system (ein system, welches "(ökonomisches) wachstum" als einzigsten relevanten daseinszweck, ja lebenssinn betrachtet, IST sinnlos!) zwangsläufig anrichten muss. die risiken in solchen historischen prozessen sind enorm und nicht zu unterschätzen, andererseits gefällt mir am artikel oben eben auch jenes "no risk, no fun" zwischen den zeilen. und tatsächlich zeugt es in meinen augen mehr von intelligenz, die absehbaren und teils schon laufenden umwälzungen zu antizipieren, auch und gerade emotional, anstatt alle kräfte damit zu verschwenden, das, was stürzen muss und wird, noch länger zu unterstützen
noch ein absatz aus dem artikel:
"Wir würden brutal, herzlich, niederträchtig, solidarisch und kaltblütig sein. Echte Gefühle, wahres Leben. Kein Gerede mehr von virtuellen Realitäten."
yo. gerade das letztere ist entscheidend - wir erleben gerade auch den finalen zusammenbruch der "konstruktivistischen epoche" (die auch als"postmoderne"bezeichnet werden könnte), was konsequenterweise zwingend spätestens dann geschieht...
vor diesem skizzierten kontext werden sich zukünftige psychohistorikerInnen auch die frage stellen müssen, ob es analog dem im obigen link erwähnten phänomen der individuellen "selbstverletzung" auch etwas ähnliches auf kollektiver ebene gibt, eine art wunsch, der sich dann u.a. im breiten tolerieren und aktiver/passiver unterstützung von verhaltensweisen, vorgelebt und repräsentiert von den "eliten", manifestiert, die zu einem zivilisatorischen zusammenbruch führen müssen. das gemeinte ließe sich auch als wunsch nach einerkarthasisverstehen. im gegensatz besonders zu orthodoxen psychoanalytischen strömungen halte ich aber solche prozesse nicht nur für symbolhaft, sondern für psychophysisch relevant, weil es im zusammenhang mit unserem dasein in dieser aktuellen gesellschaftsformationen auch immer um reale verantwortlichkeiten geht.
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und nicht nur verantwortlichkeiten, sondern auch um schuld. wobei ich den begriff gar nicht mal im moralischen sinne verstehe:
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die im video erwähnte "selbstbezogenheit" (eigentlich ein falsches und irreführendes wort, weil es hier um den terror von virtuellen egos geht, die erst dann überhaupt entstehen können, wenn das authentische selbst bereits geschädigt ist), ist implizit auch thema eines kommentars bei denquerschüssen, wo "paule panther" am 10.12. an fünfter stelle schreibt:
"Das Problem ist, daß die Maßlosigkeit der Bevölkerung (die meiner nach völlig korrekt attestiert wird und in meinen Augen nicht radikal genug sein kann, um das Bewußtsein der Massen für ihr eigenes Handeln zu sensibilisieren) vermischt wird mit der Annahme, daß die “Eliten”, die Politiker, Banker, Reiche usw. die Massen nur ausnehmen wollen und ihn deshalb jetzt die Finanzkrise untergeschoben haben bzw. unterschieben wollen um sie noch mehr zu schröpfen.
Es ist sicherlich so, daß die Masse immer ausgenommen und geschröpft wird, aber doch wohl mit wohlwollender Billigung derselben, da sie, genau wie die “Eliten” die Vorzüge dieser Wirtschafts und Lebensweise bis jetzt gar nicht mal so schlecht fanden.
Massenkonsum, Eigenheim, “Fortschritt”, “Kultur” usw. ist ja wohl doch ganz angenehm und hat bis zum jetzigen Zeitpunkt (jedenfalls im “reichen Westen”) nicht dazu geführt, daß die fleißigen Bürger aufgemuckt hätten und auf einmal gegen ihr eigenes Verhalten protestiert hätten.
DIe Bürger haben von den Finanzinnovationen und den Banken und den Zinsen (wer hat denn bitte ernsthaft geglaubt, daß 5, 6, 7 und mehr Prozent Zinsen längerfristig möglich sind auf Ersparnisse und Anlagen) profitiert.
Sie haben freiwillig ihr Geld angelegt, freiwillig an die Lügen geglaubt, daß sich jeder so aufführen kann wie er will ohne an die Konsequenzen denken zu müssen.
Die böse Finanzindustrie hat durch ihre Produkte und ihr Verhalten das Verhalten der Masse möglich gemacht. Ohne Innovationen, ohne Hebel (alles auf der Welt ist gehebelt), ohne Kredit ohne Spekulation usw hätte es die Party der letzten Jahrzehnte, Jahrhunderte gar nicht gegeben!
Und das wär natürlich auch nix für die verwöhnte Masse, die schon schreit, wenn mal 2 Tage die Sonne nicht scheint oder das I-Phone keinen Empfang hat.
Aber jetzt will natürlich niemand von dem System profitiert haben.
Ich wiederhol es immer wieder gerne: Die Bürger sind durch ihr Verhalten SELBST DER AUSLÖSER DES PROBLEMS!
Hätten sie keine “Eliten” oder andere “Eliten”, würden sie genauso handeln, weil sie kleine Kinder sind, die alles wollen aber ihr Handeln nicht abschätzen können.
Es wollen alle nur, daß es genauso weitergeht wie bisher, nur eben ohne negative Folgen.
DAS GEHT NICHT!"
im prinzip kann ich das so unterschreiben, mit zwei gewichtigen einschränkungen: erstens wollen nicht alle, "dass es genauso weitergeht wie bisher". auch, wenn es sich dabei nur bisher um eine kleine minderheit handelt, halte ich diese pauschalisierung für falsch. und zweitens steckt da auch wieder - leider - das beliebte ideologische konstrukt von der "selbstverantwortlichkeit" drin, die in der form, egal ob beabsichtigt oder nicht, dann zwangsläufig zur entlastung der "eliten" führt. diese aber dürfen und sollen dieses mal nicht mehr so relativ ungeschoren davon kommen wie in früheren zeiten - eigenverantwortlichkeit ist keine angeborene fähigkeit, sondern muss im sozialen zusammenhang erst erlernt werden. in dieser gesellschaft wird letzteres aber weitgehend durch komplexere prozesse auf vielen ebenen behindert und unterbunden, während der begriff dann gleichzeitig in form einer allgemeinen forderung als faktische keule benutzt wird, wenn leute aufgrund dieser behinderungen nicht in der lage sind, dieser forderung zu entsprechen. dazu kommt noch, dass unter eigenverantwortlichkeit im totalitären kapitalismus ausschliesslich die egozentrische fixierung auf den persönlichen profit, und zwar in allen lebensbereichen, verstanden wird. und vor diesem hintergrund wird der begriff dann zu einem klassischendouble-bind, einer situation, in der der betroffene nur verlieren kann, weil egal was getan wird, jede handlung nur zu nachteilen für sich führt - eigenverantwortlichkeit im systemisch gewünschten sinne führt mittel- und langfristig durch die gelebte antisoziale egozentrik zum zusammenbruch nicht nur der sozialen infrastruktur, während die "unfähigkeit", dieser eigenverantwortung nachzukommen, oft genug den gesellschaftlichen ausschluß - hierzulande exemplarisch anhand von "hartz-IV" zu sehen - mit sich bringt. in so einer situation hilft nur, den begriff neu und qualitativ anders zu definieren.
und zu dieser definition muss dann auch gehören, dass es durchaus unterschiedliche level von verantwortlichkeiten für das globale desaster gibt - klar sind persönliche verhaltensweisen wie vorlieben für billige urlaubsflugreisen, spritfressende autos oder auch maßlosen fleischverzehr kritikwürdig, aber das treiben von bankern, kriegsbefehle gebenden politikern und militärs oder auch folternden staatlichen institutionen ist anders und auf einer anderen ebene zu werten als das erstere. das eine lässt sich nicht mit dem anderen relativieren, aber das gilt aus meiner sicht in beide richtungen.
und das treiben all der narzisstischen antisozialen und/oder strukturellen soziopathen in den globalen führungspositionen muss und soll durchaus für sich bewertet werden, und das macht auch ganz persönliche konsequenzen für die betreffenden nötig.
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es läge in diesem kontext nahe, auch auf die seltsam anmutende briefbombe an ackermann einzugehen, aber dazu nur soviel: bei aller begründeten skepsis gehen mir entsprechendeansätze, hier wie hartmut finkeldey gleich von einem "hoax" zu sprechen, durchaus auf die nerven. ja, klar gibt es spitzel und v-leute, provokateure und seltsame gestalten in politischen bewegungen - das war zu allen zeiten so. andererseits würde ich eher mal darüber nachdenken, dass möglicherweise diejenigen, die heute zum teil als aktivistInnen bezeichnet werden können, eben auch und vor allem kinder unserer gestörten zeiten sind, mit allen konsequenzen, die das hat - und vor dem hintergrund wird dann auch so ein phantom wie die "informelle fai" nicht unvorstellbar, die mich in ihren bisherigen (mageren) stellungnahmen von der struktur her eher an "anonymous" erinnert als an "klassische" bewegungen, auch und gerade anarchistische. womöglich haben sie das konzept derpropaganda der tatim hinterkopf, dann aber fehlt noch eine ganze menge - diese aktionsform zeichnet sich eben nicht primär durch derlei aktionen aus. im übrigen würde ich bei diesem thema auch noch mal die lektüre einiger gedanken vongünther andersempfehlen.
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die gerade erwähnte erwähnte "propaganda der tat" spielte u.a. historisch im vorrevolutionären russland eine gewisse rolle, was mir dann auch gleich die gelegenheit zur überleitung auf die aktuellen proteste dort gibt - in dem zusammenhang beweist insbesondere die us-regierung einen sinn fürbizarren humor:
(...) "Die US-Regierung appellierte an die Demonstranten und an die russische Regierung, keine Gewalt anzuwenden. Washington erwarte, dass sich Demonstranten wie Behörden friedlich verhalten, sagte Außenamtssprecherin Victoria Nuland. Die USA unterstützten das Recht auf friedlichen Protest überall in der Welt, auch in Russland." (...)
solche statements zur gleichen zeit abzulassen, während in boston vergangene nacht ähnliche szenen zu sehen waren wie aus vielen anderen us-cities in den letzten wochen...
...zeugt schon von einer besonderen art der realitätswahrnehmung. btw: die zahl der im zusammenhang mit occupy in den usa zeitweise oder auch länger verhafteten ist inzwischen auf landesweit über 6000 gestiegen. da muss sich putin schon noch anstrengen (was er zweifellos auch im falle des falles tun wird).
ansonsten nehme ich zu kenntnis, was sich in russland abspielt. bei der besonderen geschichte der gesellschaft dort - unaufgearbeites kollektives traumatisches erbe durch den stalinismus, autoritäres system mit deutlicher demokratiesimulation unter existenz verbreiteter mafiöser strukturen besonders in der ökonomie, starke nationalistische bis faschistische strömungen - halte ich das land für einen potenziellen krisenherd erster güte. die dortigen widersprüche werden irgendwann die bevölkerung dort ebenso zwangsläufig zum handeln zwingen wie anderswo auf dem planeten auch. möglicherweise sehen wir gerade die anfänge. achja, und für die vt-fraktion: natürlich ist es wahrscheinlich, dass sich die usa und andere westliche länder dort "oppositionell" engagieren. bloß lässt sich damit nicht die ganze hausgemachte dynamik erklären, und ebenfalls habe ich starke einwände gegen die tendenz dieser fraktion, die welt als quasi-marionettentheater zu sehen, wo eine ganz kleine minderheit die fäden zieht, während der große rest nur an den fäden tanzen kann. das ist schlichtweg eine reaktionäre anschauung, die nicht nur den opferstatus auf ewig festschreibt, sondern auch implizit die "eliten" mit "superkräften" und totalem durchblick mystifiziert. aber das hatte wir ja neulich schon mal.
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zum abschluß noch kurzes, zu beginn wieder aus denusa:
"Die USA rüstet auf. Die Rede ist jedoch nicht von den Droh(n)gebärden gegen den Iran, sondern vom befürchteten Kampf gegen das eigene Volk. Das harte Vorgehen der US-Polizei gegen die Occupy Wall Street Demonstranten am Union Square in New York City und später in Oakland und an der Universität in Kalifornien war wohl erst der Anfang. Denn über das Pentagon-Programm „1033“ verschenkt das Verteidigungsministerium derzeit Militärausrüstung im großen Stil, berichtet The Daily. In diesem Jahr wurden so Granatwerfer, Hubschrauber, Militärroboter, M-16 Sturmgewehre und gepanzerte Fahrzeuge im Wert von 500 Millionen Dollar an Polizeidienststellen im ganzen Land verteilt. Ein neuer Rekord: Im letzten Jahr war es weniger als die Hälfte. Im nächsten Jahr jedoch soll die Aufrüstung noch einmal um 400 Prozent steigen.
Das Programm „1033“ wurde bereits 1997 ins Leben gerufen, um Behörden mit Ausrüstung und Hilfsmittelns zur Verfolgung von Drogendelikten und Terrorismus zu versorgen. Seitdem haben sich rund 17.000 Dienststellen mit Militärausrüstung im Wert von 2,6 Milliarden Dollar eingedeckt." (...)
na, da wird dann das bild despanzersin tampa neulich gleich besser verständlich - solche ausrüstung will dann auch benutzt werden.
und wer noch vom letzten beitrag unten zu griechenland deprimiert ist, kann zur abwechselung den blick auch nachspanienlenken:
(...) "Javier Hernando, Koordinator der Cáritas Madrid berichtet, dass sie seit Beginn der Krise 2008 über 300.000 Bedürftige versorgen müssen, fast doppelt so viele wie zuvor. „Vor allem immer mehr spanische Familien, die aus stabilen wirtschaftlichen Situationen stammen und infolge der Krise vom sozialen System ausgegrenzt werden, kommen zu uns.“ Wie die Zeitung El Páis mitteilt, stieg die Zahl der Sozialhilfeempfänger im Vergleich zum letzten Jahr um 80 Prozent.
Diesen Zustand bestätigen auch andere wohltätige Organisationen wie Sant Egidio, die ihr Volumen der Essensvergabe verdoppeln mussten. Die Obdachlosen-Organisation para el Desarrollo Solidarios berichtet von einem deutlichen Anstieg von Menschen, die vor allem Nahrung und Kleidung benötigen. Überdies können viele kein Geld für Gas, Wasser, Strom und Miete aufbringen." (...)
während ich gestern und heute mit zunehmender fassungslosigkeit die news und die berichterstattung über das treiben der politischen und ökonomischen "eliten" in europa und speziell in griechenland zur kenntnis nehme - von der reaktion der "märkte" auf die bloße (und, das sollte mittlerweile klar sein, gefakte) absicht, die bevölkerung auch mal zu fragen, was sie von ihrer eigenen verelendung hält bis hin zu unverhohlenen drohungen und erpressungsmethoden seitens der anderen eu-"eliten" an ihre griechischen pendants (die sind keineswegs irgendwie besser) -; während ich dieses tolldreiste stück also zwischen gerüchten über einen krieg gegen iran, berichten über erneute unkontrollierte kernspaltungsprozesse in fukushima und anderen symptomen eines tag für tag dysfunktionaler werdenden systems verfolge, denke ich über den sinn oder unsinn nach, mich in dieser situation unter dem label "demokratie" zu organisieren. dazu im folgenden gleich mehr, eingebettet in weitere ergänzungen rund um das occupy-movement vor allem in den usa.
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echte demokratie jetzt: yo, da sitze ich nun seit zwei wochen regelmässig sonntags in einer runde von 20 bis 30 leuten, mit sehr unterschiedlichen backgrounds, motivationen, biographien, erfahrungen und vorstellungen. altermässig geht es rund um 18 los, um bei ü-50 zu enden. ehemalige und aktuelle "attac-"aktivisten treffen auf schülerInnen aus den aktuellenbildungsprotestenund aktive aus (im weitesten sinne) dererwerbslosenbewegung - dazu kommen leute aus der piratenpartei, einzelne (alt-) autonome bzw. undogmatische linke, verfechter des bedingungslosen grundeinkommens und vertreter der bremer regionalwährungrolandund last bot not least tatsächlich (sich selbst so einschätzende) bisher "unpolitische" menschen, die das gefühl haben, dass "einiges ganz grundsätzlich schief läuft". nicht zuletzt waren bisher auch immer ein oder zwei studenten aus spanien dabei, die dort bei democracia real YA! in städten wie barcelona und valladolid aktiv sind und als interessierte beobachter kommen.
ich habe vor mehr als einem jahrzehnt auf ähnlichen, autonom-linksradikalen plena gesessen und kann nicht vermeiden, dass mir immer wieder vergleiche zu dieser zeit einfallen - und diese vergleiche gehen bisher eindeutig pro heute aus. das hat sicherlich auch etwas mit meiner eigenen entwicklung zu tun, ergibt sich aber primär aus der bisherigen erfahrung, dass eine derart heterogene runde es tatsächlich schafft, über drei bis vier stunden so etwas wie eine angenehme arbeitsatmosphäre herzustellen. klar ist nach so einer zeit die erschöpfung im allgemeinen groß, aber bei den anfangs angesprochenen damaligen plena war das meist bereits nach zwei stunden der fall, dazu oft genug in einer vergifteten atmosphäre (wo und wie die von fall zu fall entstand, ist mir heute klarer, aber soll gerade nicht thema sein.)
auf der oben verlinkten seite unseres "echte demokratie jetzt"-ablegers lassen sich bis auf weiteres etliche diskussionen und zukünftig auch ergebnisse der einzelnen arbeitsgruppen nachlesen - das erspart mir einiges an inhaltlichen beschreibungen. tatsächlich ist bisher der hauptanteil der treffen neben weiteren aktionsplanungen zeitlich der eigenen strukturierung gewidmet gewesen, d.h. es haben sich eine menge arbeitsgruppen - inhaltlich zu ökonomie und verwandten themen, öffentlichkeitsarbeit, gruppendynamik (sowohl nach innen - umgang untereinander - als auch nach aussen, was bspw. umgang mit der staatsgewalt angeht), und gesellschaftlichen alternativen gebildet, die mittlerweile ihre ersten treffen hatten. ich habe mich für die "inhalte"-gruppe entschieden und plane da, das thema peak oil einzubringen. auch die gruppendynamik finde ich grundsätzlich spannend, zumal es schon feststellbar ist, dass durchaus ein bewusstsein für die immer brisanter werdendepsychosoziale lagehierzulande vorhanden ist, nicht zuletzt durch die erfahrungen von leuten, die in diesem bereich beruflich tätig sind. hier schliesst potenziell vieles von dem an, was im blog bis heute immer wieder thema war und ist. was aber auch für peak oil gilt, und ich sehe bekanntlich aus dieser ecke die massivsten verwerfungen kommen, was dann auch der grund für meine entscheidung ist.
parteienvertreter - wie erwähnt waren bisher leute von den piraten, weiter der linkspartei und auch den jusos dabei - werden bisher als vertreterInnen für sich selbst und nicht für ihre organisationen akzeptiert und treten auch so auf - materielle unterstützung bspw. in sachen infrastruktur nehmen wir an, alles weitere hat diskussionsbedarf. so ging es beim letzten mal sehr lange um die frage, ob bei der nächsten geplanten aktion vor der hiesigen "deutschen bank" parteifahnen bzw. fahnen von organisationen überhaupt zugelassen werden sollen oder nicht - und das spektrum der meinungen reichte von völliger freigabe bis hin zum völligen unterlassen. rausgekommen ist dabei der kompromiss, besonders parteien im vorfeld darauf hinzuweisen, dass werbung unerwünscht ist, während gruppen wie attac, der BUND o.a. durchaus im rahmen als gruppen in erscheinung treten können und sollen. ich mache das deshalb so relativ ausfürhrlich, um deutlich zu machen, dass so ziemlich alle grundsätzlichen fragen bisher weder diskutiert geschweige denn geklärt sind, was allerdings bei der geschwindigkeit und dynamik der entwicklung sowie der unterschiedlichkeit der beteiligten kein wunder ist. das dürfte sich mit weiterer etablierung der arbeitsgruppen zukünftig ändern.
es erstaunt nicht, dass bei solchen voraussetzungen der diskussion die methodik der entscheidungsfindung eine entscheidende rolle spielt. und hier lehnen wir uns stark an die erfahrungen aus spanien an, was redezeiten, methoden von zustimmung und ablehnung sowie konsensprinzip betrifft. diese art der entscheidungsfindung in grösseren menschengruppen verdient einen eigenen beitrag, deshalb an dieser stelle nur soviel dazu, dass das durchaus von fall zu fall anstrengend, aber für mich persönlich auch interessant und anregend ist.
wir haben inzwischen sogar ein eigenes kampflied ;-) - ladies and gentlemen, we´re proudly present :
(auch an dieser stelle dank an plunderphoenix für die arbeit - atmosphäre und aussage gefallen mir, trotz eigentlich völlig anderer musikalischer präferenzen).
insgesamt ziehe ich bis jetzt ein durchaus positives fazit - im gegensatz zu einigen unerfreulichen entwicklungen in anderen städten (die umstrittene "zeitgeist"-fraktion ist da nur ein beispiel), haben wir bislang in dieser hinsicht keine größeren probleme, auch wenn sich das bei weiterem anwachsen der beteiligung noch ändern könnte und vermutlich wird. das aber halte zumindest ich für eine unvermeidbare und aus der historie politisch-sozialer bewegungen unvermeidliche entwicklung, der dann begegnet werden muss, wenn sie eintritt. dazu ist allerdings die persönliche anwesenheit unverzichtbar. vielleicht haben wir in dieser stadt auch andere voraussetzungen als anderswo - hier geht es eher darum, sich nicht komplett sozialdemokratisch-grün vereinahmen zu lassen, was aus meiner sicht eine große herausforderung darstellt.
soweit für erste ein kleiner rundblick, ich werde zukünftig bestimmt auf weitere entwicklungen eingehen.
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updates und nachträge:
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Ihnen geht der mediale mainstream auch auf die nerven? ab sofort lassen sichspon, "zeit", "sueddeutsche" und andere zumindest virtuellokkupieren.
(...) "Schon zuvor seien durchaus nicht wenige Ex-Soldaten an den Protesten beteiligt gewesen. Aber die Geschehnisse von Oakland hätten die Veteranen nun richtig wachgerüttelt, meint Ex-Soldat und Student Scott Kimball gegenüber dem Nachrichtenmagazin «USA Today». Kimball ist Mitglied der Protestgruppe Veterans of the 99%. «Wir erhalten jede Menge Anrufe von Kriegsveteranen aus dem ganzen Land. Es herrscht grosse Wut und Bestürzung darüber, dass jemand, der zweimal im Irak gedient hat, als friedlicher Demonstrant so behandelt wird.»
Andere Soldaten-Verbände können den Trend bestätigen. Chef der Vereinigung Iraq Veterans against War (Irak-Veteranen gegen Krieg) und pensionierter Unteroffizier Joe Carter spricht von einer steigenden Anzahl ehemaliger und aktiver Soldaten, welche an den Protesten teilnehmen wollten. «Bei uns melden sich sogar 80-jährige Ex-Marines.» (...)
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occupy together veröffentlicht seit kurzem einen täglichenüberblickzum stand in sachen occupy, primär auf die usa bezogen, aber auch mit internationalen entwicklungen.
(...) "Die Gruppe Occupy Oakland hatte zu dem Streik aufgerufen, an dem sich viele Lehrer und städtische Angestellte beteiligten. Die meisten Geschäfte in der Innenstadt von Oakland hätten ihre Läden geschlossen, berichtet der US-Sender CNN. Auch der Hafen von Oakland – einer der bedeutendsten in den USA – habe seinen Betrieb eingestellt, teilte der Betreiber mit. In Oakland werden jährlich Ein- und Ausfuhren im Umfang von 39 Milliarden Dollar verschifft. Der Betreiber sagte, er hoffe, dass am Donnerstag die Arbeit wieder aufgenommen werden könne." (...)
durchaus eine erstaunliche entwicklung, wie ich finde. am rande gab´s wieder stress mit den cops, aber das war wirklich am rande und nicht der schlagzeilenträchtige krawall, den einige medien daraus machen. ebenso sind viele soliaktionen quer durch die usa zu vermerken, die sich explizit auf den streik in oakland bezogen haben.
noch ein bericht dazu aus der täglichen sendung von democracy nowvon gestern - es zeigt u.a., dass die beteiligung tatsächlich groß gewesen ist.
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zum schluß nochein brief aus kairoan die occupy-bewegung in den usa, den ich zwar unter vorbehalt verlinke, weil ich bisher keine hinweise auf die möglichen verfasserInnen finden konnte (nein, ich möchte keine namen wissen, aber zumindest einen beleg für die authentizität); der aber nichtsdestotrotz etliche interessante passagen enthält, v.a. in hinsicht auf die sog. gewaltfrage:
(...) "In unsere eigenen Besetzungen von Tahrir trafen wir auf Leute, die unter Tränen den Tahrirplatz betraten, weil es das erste Mal war, das sie durch jene Straßen liefen, ohne von der Polizei belästigt zu werden; nicht nur die Ideen sind wichtig, diese öffentlichen Räume sind elementar für die Möglichkeit einer neuen Welt. Dies sind öffentliche Plätze. Plätze für Versammlung, Freizeit, Treffen und Interaktion – diese Plätze sollten der Grund sein, warum wir in Städten leben. Wo der Staat und die Interessen der Besitzer sie unzugänglich, exklusiv oder gefährlich gemacht haben, liegt es an uns, sicherzustellen, dass sie sicher, inklusiv und gerecht sind. Wir müssen sie weiterhin für jedermann öffnen, der eine bessere Welt gestalten möchte, besonders für die marginalisierten, ausgeschlossenen und für jene Gruppen, die am meisten gelitten haben.
Was ihr in diesen Räumen tut ist weder so grandios und abstrakt noch alltäglich wie “echte Demokratie”; die aufblühenden Formen des Umsetzens und des sozialen Engagements, die in den Besetzungen betrieben werden, vermeiden die leeren Ideale und den schalen Parlamentarismus, die das Wort Demokratie mittlerweile repräsentiert. Also müssen die Besetzungen weitergehen, weil niemand übrig ist, um auf Reformen zu drängen. Sie müssen weitergehen, weil wir das erschaffen, worauf wir nicht länger warten können.
Aber die Ideologien von Besitz und Anstand werden sich erneut manifestieren. Ob durch den offenen Widerstand von Grundbesitzern oder öffentlichen Verwaltungen gegen eure Camps oder durch subtilere Versuche, Räume durch Verkehrsregeln, Regeln gegen das Campen oder Gesundheits- und Sicherheitsregeln zu kontrollieren. Es gibt einen direkten Konflikt zwischen dem, was wir aus unseren Städten zu machen versuchen und was das Gesetz und die Polizeisysteme, die dahinter stehen, uns gestatten.
Wir haben uns solch direkter und indirekter Gewalt gegenübergestellt, und tun das immer noch. Diejenigen, die gesagt haben, die ägyptische Revolution sei friedlich, haben nicht die Schrecken wahrgenommen, denen uns die Polizei ausgesetzt hat, noch haben sie den Widerstand und sogar die Gewalt wahrgenommen, die die Revolutionäre gegen die Polizei eingesetzt haben, um ihre versuchten Besetzungen und Widerstände zu verteidigen: nach den Angaben der Regierung selbst wurden 99 Polizeiwachen in Brand gesetzt, Tausende Polizeiautos zerstört und alle Büros der regierenden Partei wurden überall in Ägypten niedergebrannt. Barrikaden wurden errichtet, Polizeibeamte zurückgeschlagen und mit Steinen beworfen, noch während sie mit Tränengas und scharfer Munition auf uns schossen. Aber am Ende des 28. Januars hatten sie sich zurückgezogen, und wir hatten unsere Städte erobert.
Es ist nicht unser Wunsch, Gewalt auszuüben, aber es ist noch weniger unser Wunsch, zu verlieren.
Wenn wir nicht aktiv Widerstand leisten, wenn sie kommen, um sich zu nehmen, was wir zurückgewonnen haben, dann werden wir mit Sicherheit verlieren. Verwechselt die Taktik, die wir verfolgten, als wir “friedlich” riefen, nicht mit einer Fetischisierung der Gewaltlosigkeit; wenn der Staat sofort aufgegeben hätte wären wir vor Freude überwältigt gewesen. Aber da sie versucht haben, uns zu missbrauchen, uns zu schlagen, uns zu töten, wussten wir, dass es keine andere Möglichkeit gab, als zurück zu schlagen. Hätten wir uns zu Boden geworfen und es erlaubt, uns zu verhaften, zu foltern und zu Märtyrern gemacht zu werden um “eine Aussage zu machen”, wären wir um nichts weniger blutig geschlagen und getötet worden. Seid darauf vorbereitet, die Dinge zu verteidigen, die ihr besetzt habt, die ihr errichtet, denn nachdem alles andere von uns genommen wurde, sind diese wiedereingenommenen öffentliche Räume sehr kostbar für uns." (...)
mit diesen sehr treffenden worten verabschiede ich mich für heute.
zunächst das aktuelle: in new york ist z.zt. früher morgen, und bekanntlich hatte der bürgermeister bloomberg für just diesen moment damit gedroht, unter dem deckmäntelchen einer "säuberungsaktion" das camp im ("privaten") zuccotti-park zu räumen. damit wird es erstmal nichts, die ganze sache ist aufgeschoben worden, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich in den letzten stunden tausende unterstützerInnen im park eingefunden und gleichzeitig auch sog. "öffentliche personen" aus politik- und kunstbetrieb der usa eingeschaltet haben. ausführliche berichte natürlich beioccupy wallstreetselbst; das landesweite geschehen lässt sich beimliveblogder "huffington post" ganz gut verfolgen, so auch die ebenfalls sehr angespannten situationen in denver und san diego. gleichfalls ist dort ein andererberichtzu finden, nachdem inzwischen an ca. 150 hochschulen quer durch die usa solidaritätsaktionen für occupy wallstreet laufen bzw. für die nächsten tage angekündigt sind.
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kurzer szenenwechsel: tausende kilometer weiter östlich am mittelmeer, genauer in griechenland, geht es inzwischen auf die entscheidende zielgerade - im "gelben forum" berichtet eine userin, die als auswanderin in griechenland lebt, folgendeszur situation:
(...) "Das Land kommt wegen der vielen Streiks langsam zum Komplettstillstand. Kaum noch ein Tag, an dem Busse und Bahnen fahren (schlimm vor allem für die Region Athen, dort streiken auch die Taxifahrer), insgesamt sieben Ministerien sind besetzt. Davon betroffen vor allem das Finanzministerium vom dicken Venizelos. Dort, wo eigentlich alles koordiniert werden soll, was die "Troika" betrifft, geht schon seit Tagen nichts mehr.
Jetzt haben die Finanzbeamten u.a. auch der Steuerstellen im ganzen Land einen ganzwöchigen Streik ausgerufen. Die Zollbeamten wollen ab heute 10 Tage streiken, was schon sehr bald zu Engpässen bei Lebensmitteln und Benzin/Diesel führen wird.
Der Müll in den Städten Athen und Thessaloniki überflutet die Straßen, bereits seit mehr als zwei Wochen streiken die Müllarbeiter. Mehr als 100.000 Tonnen sollen in Athen auf der Straße liegen, es stinkt bestialisch, die Gesundheitsbehörden warnen eindringlich vor einer "tickenden Zeitbombe." In Thessaloniki-Zentrum das selbe Bild.
Die Zentrale der PPT (also der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft) ist besetzt und blockiert. Dort sollten in diesen Tagen die Rechnungen ausgedruckt werden, über die auch die zusätzliche Immosteuer eingetrieben werden soll. Das geht nicht. Nun droht die Regierung, die Rechnungen von einem externen Dienstleister drucken und versenden zu lassen. Ob sich da einer findet? Denn der Staat zahlt derzeit überhaupt niemandem mehr Geld aus, der nicht Pensionär oder Beamter ist."
dazu auch mehr bei indymedia:"Hoffnung auf unbefristeten Generalstreik". es könnte gut sein, dass eine mögliche und medial vermittelte globale eigendynamik beim morgigen weltweiten aktionstag in griechenland den letzten tropfen bedeutet, der das fass zum überlaufen bringt. währenddessen kommen aus dem land berichte vonschulkindern, die im unterricht vor hunger ohnmächtigwerden. die besteallerwelten! (TM)
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mrs. mophatte gestern bereits über die versuche in den usa seitens "liberaler" und "demokratischer" persönlichkeiten geschrieben, das "ows"-movement zu vereinnahmen, nicht zuletzt als wahlkampfhilfe für obama. weitere eher suspekte "unterstützer" sind im anfangs verlinkten blog der "huffpost" auszumachen, so etwa lech walesa, ehemals in unendlich fernen zeiten mal sprachrohr der "solidarnosc" in polen und späterer präsident ebenda; und - besonders pikant im lichte des jüngsten "terror"plots in den usa - der religiöse oberclown nr.1 im iran, ayatollah ali khamenei. aber das macht vielleicht auch deutlich, dass die occupy-bewegung vor dem hintergrund der aktuellen globalen lage in den usa das potenzial hat, tatsächlich nicht nur für die obama-administration ein ernstes problem zu werden, sondern ein mögliches szenario auch darauf hinauslaufen könnte, schwere soziale spannungen innerhalb der usa derart zu verschärfen, dass das letztlich einen inneren zerfall einleiten könnte. vor dieser möglichkeit verstehe ich solche einlassungen wie aus dem iran jedenfalls.
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thema unterstützung: die sog. kunstszene ist ebenfalls wach geworden; im rahmen der 13. "documenta" wurde von einer teilnehmenden gruppe folgendesschreibenveröffentlicht:
"An die Generalversammlung und Bezugsgruppen von Occupy Wall Street,
Vor vierzehn Monaten besuchte eine Gruppe aus der New Yorker Beaver Street, die nur wenige Häuserblöcke südlich Eurer Besetzungs-Aktion verläuft, das Amerikanische Sozialforum in Detroit. Sie war auf der Suche nach Anregungen für neue Formen von Kultur. Diese Reise zu einem Knotenpunkt der heutigen sozialen Bewegungen war nicht nur symbolischer Natur.
Die Stadt Detroit ist so etwas wie der Inbegriff von Apokalypse und der Verlassenheit, die jeden erwartet, der glaubt, dass sowohl der Kapitalismus als auch unser Planet diese Krise überleben könnten. Die Frage, die unsere Reise beherrschte, war: Wo und wie kann sich die Kunst in gesellschaftlichen Bewegungen verorten?
Im 2011 hat ein neues Zeitalter begonnen, und wir haben versucht, uns einen Begriff davon zu machen." (...)
weiteres im link; ich will dabei nun nicht näher auf ihre betrachtungen zur rolle von kunst in nder aktuellen lage eingehen, obwohl es dazu sicher einiges anzumerken gibt. eher ist interessant, wie sie sich einem vorwurf an ows nähern, der seit beginn in den letzten wochen immer und immer wieder zu vernehmen war:
(...) "Euer Mangel an Forderungen reagiert auf die Vielzahl von Forderungen und Anordnungen, denen unser Imaginäres tagtäglich nachgibt.
Euer Mangel an Forderungen lässt Raum für Diskussionen und Ideen, die sich während der gemeinsam verbrachten Zeit entwickeln können.
Euer Mangel an Forderungen verweigert sich der Tatsache, dass das Schiff nicht von jenen abstrakten Algorithmen und ökonomischen Gesetzen gesteuert wird, die auf wundersame Weise immer nur dem einen Prozent zu nutzen scheinen.
Eure Handzettel, eure Communiqués und Flugblätter sind daher nicht einfach eine Forderung an die Herrschenden. Sie wollen nicht einfach neue Privilegien, Rechte oder Schutzmaßnahmen. Sie sind Leuchtfeuer der Hoffnung, Liebe, Verweigerung und Solidarität – Gedichte für eine Multitude, die sich in einem der Zentren des Empire einen gemeinschaftlichen Raum erschafft und neu bedenkt, wie ein gemeinsamer Horizont aussehen könnte. Die Wälder, unser Wasser, unsere Luft, unsere Erde, unsere Meere sind unsere Gemeingüter. Unsere Arbeit, unsere Ideen, unsere Worte, unsere Beziehungen ebenfalls. Sie können weder einem Staat noch einem privaten Unternehmen gehören, da sie weder von einer Grenze umschlossen, noch von einer einzigen Organisation kontrolliert werden können; sie bilden die Grundlage des Lebens. Doch von uns wird erwartet, toxische Schulden und toxischen Müll als gemeinsames Schicksal akzeptieren." (...)
das sind einige bedenkenswerte ansätze drin, wie ich finde - und ja, in der derzeitigen situation macht es aus verschiedenen gründen sinn, noch auf ganz konkrete forderungen zu verzichten. das in meinen augen z.zt. wichtigste hat sinngemäß und implizit vor ein paar tagennaomi kleinbei ihrem besuch an der wall street gesagt:
(...) "Ich rede über einen Wandel der zugrundeliegenden Werte, die unsere Gesellschaft bestimmen. Das ist schwierig in eine einzige medienfreundliche Forderung zu bringen, und es ist auch schwierig herauszufinden, wie es zu tun ist. Aber es ist nicht weniger dringend weil es schwierig ist.
Das ist es, was ich auf diesem Platz vor sich gehen sehe. In der Art und Weise wie ihr euch gegenseitig ernährt, einander warm haltet, frei Informationen austauscht und medizinische Versorgung, Meditationskurse und Empowerment-Trainings erprobt. Mein Lieblingsplakat ist hier: “Ich kümmere mich um dich.” In einer Kultur, die Menschen beibringt, den Blick aufeinander zu vermeiden, zu sagen: “Lasst sie sterben”, das ist eine zutiefst radikale Aussage.
Ein paar abschließende Überlegungen. In diesem großen Kampf gibt eine einige Dinge, die nicht von Bedeutung sind:
– was wir tragen
– ob wir unsere Fäuste schütteln oder Friedenszeichen machen
– ob wir unsere Träume für eine bessere Welt für die Medien entsprechend verpacken
Und hier sind ein paar Dinge, die von Bedeutung sind:
- unser Mut
- unser moralischer Kompass
- wie wir miteinander umgehen
Wir haben einen Kampf mit den mächtigsten wirtschaftlichen und politischen Kräften auf dem Planeten aufgenommen. Das ist beängstigend. Und je mehr diese Bewegung an Stärke zunimmt, um so beängstigender wird es werden. Seid euch immer der Versuchung, auf kleinere Ziele auszuweichen, bewusst – sagen wir, etwa auf die Person, die gerade bei diesem Treffen neben dir ist. Immerhin ist das ein Kampf, der leichter zu gewinnen ist.
Gebt dieser Versuchung nicht nach. Ich meine nicht, das ihr nun nicht mehr ansprecht, wenn jemand Mist baut. Aber behandelt euch dieses Mal so, als wenn Ihr vorhabt in einem Kampf nebeneinander zu arbeiten für viele, viele Jahre. Denn die bevorstehende Aufgabe erfordert nicht weniger als das." (...)
die erfahrung - und vielleicht, gerade in den usa, das erste mal für viele - einer prinzipiell selbsorganisierten und funktionierenden sozialen struktur - das ist es, was all jene aktivitäten auf den plätzen und strassen dieser welt - ob in kairo, athen, madrid oder new york - so wichtig werden lässt, nicht nur, aber das vor allem. denn das ist letztlich nichts anderes als, wie unbeholfen und schwankend zunächst auch immer, die potenzielle möglichkeit für gelebte authentische individualität in einer kollektivität. der unverzichtbare nucleus für alles, was sich später möglicher- und wünschenswerterweise als soziale bewegung manifestiert. dieser prozeß braucht und hat seine eigene entwicklungszeit und wird sich zukünftig vielleicht unspektakulärer, aber nichtsdestotrotz wirkungsvoll, äussern - ein beispiel für das gemeinte wären die nach dem verlassen der camps in spanien folgendenaktionen gegen zwangsräumungen:
(...) "Die Wohnungsfrage gehört zu den zentralen Anliegen der Bewegung der »Empörten«, welche am 15. Mai 2011 erstmals groß in Erscheinung trat. Die aktuellen Proteste wurden von Kommissionen der 15.-Mai-Bewegung zur Wohnungsfrage gemeinsam mit der PAH organisiert. Sie sind auch Träger des Widerstands gegen Zwangsräumungen und konkreter Solidaritätsaktionen für davon bedrohte Familien.
Nachdem an verschiedenen Orten Räumungen verhindert werden konnten, werden solche Demonstrationen von den Behörden mittlerweile gewaltsam beendet." (...)
wichtig ist, dass räumungen tatsächlich kollektiv verhindert wurden. die reaktionen des systems überraschen nicht, werden aber unvermeidlich die nächste phase des nachdenkens bei vielen beteiligten einleiten. und so kann, in einem quasi dialektischen wechselspiel, am ende ein zustand heranreifen, bei dem dann auch die systemfrage gestellt werden wird. das passiert nicht von selbst und in einem luftleeren raum, sondern das ist letztlich auch für mich ein grund, warum ich mich morgen an protesten beteiligen werde, deren inhaltliche ausrichtungen ich an vielen punkten noch als zu kurz greifend empfinde.
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denn klar sollte auch sein - und den stammleserInnen hier werde ich nichts neues erzählen: was sich da bereits aktuell und möglicherweise morgen umfassender manifestiert, ist letztlich ausdruck einer weiteren entwicklungsphase, in der gerade die bevölkerungen der westlichen gesellschaften aktzeptieren werden müssen, dass nicht nur aus sozusagen verteilungsgerechtigkeitsgründen, sondern auch aus gründen mit namen wieexponentialität und entropiedie party - zu der eh immer nur eine kleine minderheit wirklich reingelassen wurde - definitiv vorbei ist. auch, um die auf diese dämmernde erkenntnis aller wahrscheinlichkeit folgende extreme frustration zu konfrontieren, betrachte ich für mich persönlich die proteste als nötig.
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zum schluß noch ein text, der mir vieles erspart, was ich selbst an anmerkungen zu den (nicht-)reaktionen seitens der "radikalen linken" vorgehabt hatte - er trifft vielerichtige punkte, und besonders einige sätze aus dem folgenden abschnitt stellen in gewissem sinne auch eine antwort auf die kommentare von @d.d und w-day weiter unten dar:
(...) "In der Möglichkeit gegen diese Selbstabschaffung der Politik zugunsten der Wirtschaftsinteressen vorzugehen, besteht der große Wert der neuen Bewegung in den USA. Mit Occupy Wallstreet gibt es nun endlich eine erfolgreiche emanzipatorische soziale Bewegung, die der rechten Tea Party das Wasser abgraben könnte. Der rechte Populismus hat immer dort eine Chance, wo die Linke bei ihren ureigensten Themen versagt. Versagen das könnte am konkreten Beispiel auf den Punkt gebracht heißen, dass man lieber die antisemitischen Untertöne zählt, dass man der Bewegung vorrechnet, wie sehr sie im Fetischismus verfangen sei, wenn sie nicht die systemimanenten Zwänge des Wertgesetzes in Rechnung stellt. Dass man also auf einer bestimmten Lesart einer bestimmten Ausprägung des westlichen Marxismus aufbaut, die von Lukacs über die Frankfurter Schule zu Moishe Postone führt und diese gegen die ursprünglichen Autoren so sehr überbetont, dass kein Ausweg aus der kapitalistischen Entfremdung mehr denkbar erscheint.
Ganz sicher gibt es in einer Bewegung deren Erfolg darauf beruht, dass sie von der Basis her aus ganz unterschiedlichen Strömungen entstanden ist und von den verschiedensten Menschen getragen wird, keine einheitliche Meinung über alle Themen, geschweige denn über die gemeinsame Sache an der alle partizipieren. Vielmehr findet sich ein sehr plurales Bild von Denkansätzen und Motivationen und darunter sind dann mit Sicherheit auch solche, die Linke nicht gut finden können. Zum Beispiel Antisemitismus. Von einzelnen Äußerungen auf die gesamte Bewegung zu schließen ist aber ein Denkfehler. Ein anderer Fehler besteht darin zu verkennen, dass der Ort nicht etwa aufgrund einer fetischistischen Verblendung ausgewählt und daher falsch gewählt sei. Die Wall Street ist gerade, wie man ja sehen kann, als das (scheinbar) diffuse Symbol in der Lage einerseits einen Antagonismus in Erscheinung treten zu lassen und andererseits als konstitutives Außen dazu zu dienen, die heterogenen Strömungen und die vielen verschiedenen Menschen in der Gegnerschaft zu der Wirtschaftspolitik, die ihre Leben bedroht oder zerstört zu vereinen. Das bedeutet nicht, dass sich die gewaltfrei-partizipierenden Menschen bei Occupy Wall Street der Illusion hingeben, ihre Probleme wären gelöst, wenn ein paar Bankster aufgeknüpft würden. Deutsche Linke die so etwas unterstellen, verstehen einfach nicht, dass es sich bei der Aktion darum dreht, gegen das Übergreifen des Ökonomischen auf das Politische anzukämpfen und zwar nicht mit Marx-Exegese, sondern indem gegen das Verdrängen der Politik durch die neoliberale Ideologie ein Mehr an Politik gesetzt wird, welches von einer breitestmöglichen Basis her organisiert wird." (...)
ich erspare mir weitere anmerkungen besonders zu jenen sich "antideutsch" nennenden oder auch angehauchten - sie werden von der dynamik dieses jahres - den arabischen aufständen, israelischen protesten und jetzt occupy wall street- letztlich selbst als historische irrläufer der besonders bizarren sorte kenntlich gemacht werden.
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zum schluß noch der passende song zur zeit, der schon einige jahrzehnte auf dem buckel hat, aber geradezu paradigmatische aussagen für das heute enthält:
in diesem sinne: ich wünsche einen schönen tag morgen auf öffentlichen plätzen und strassen.
"Alle (...) schauen zu, geduldig und nett, wie wir postmodernen Menschen heute sind. Es ist viel zu ruhig.
Es ist längst Zeit, das Staunen über die irrwitzige Geschichte von den mehrfach gebündelten Schrottpapieren und den kriminellen Systemen, die ihre Verbreitung zum Geschäft gemacht haben, diesen Dealern mit gepanschten Finanzspritzen, zu überwinden und das ganze Ausmaß der sich gerade voll entfaltenden Weltkrise ins Auge zu fassen. Das monatelange öffentliche Kümmern um die Banken hat wenig gebracht und führt dazu, die akute Gefahr kommender sozialer Krisen zu vernachlässigen. Wir haben bald ganz andere Probleme, abstrakt war letztes Jahr: In Island führten Proteste der chronisch friedlichen Bevölkerung, die langen schlechten Zeiten entgegensieht, zum Sturz der Regierung, der auch nur ,abwiegeln‘ und ,weiter so‘ einfiel.
Die angesehene Zeitschrift „Foreign Policy“ hat nun die Liste der „nächsten Islands“ veröffentlicht, Staaten, bei denen sich totale Überschuldung, politisches und wirtschaftliches Missmanagement und ein kompletter Glaubwürdigkeitsverlust der Regierenden krisenhaft zuspitzen. Nicaragua ist dabei, alle anderen aber liegen in und bei Europa: Großbritannien, Griechenland, Lettland und die Ukraine. Deren wachsendes Elend wird nicht stumm bleiben. Abgesehen von Streiks, Demonstrationen, Unruhen und Plünderungen können wir rassistische Ausschreitungen gegen Migranten und Minderheiten, politische Instabilität, höhere Kriminalität und generell eine um sich greifende Gewaltbereitschaft und Radikalisierung erwarten. Diese Krise beschert uns zerfallende Gesellschaften in unserer Nachbarschaft: Wo noch die Republik war, herrscht bald die Mafia. Krise ist keine Frage von Blasen und Buchungen, da geht es um durchgeheulte Nächte. Anderswo, unter den chinesischen Wanderarbeitern und bei den Illegalen, die aus Afrika nach Europa wollen, wird die Krise Leben kosten."(...)
obiges zitat stammt aus einem bemerkenswerten text aus der "frankfurter allgemeinen" aus dem frühjahr 2009, und man kann ihn so, wie er da steht, auch als aktuelle zustandsbeschreibung lesen. die liste der "failed states" sowie die prognostizierten (anti-)sozialen folgen sind innerhalb der letzten jahre bis heute allesamt in mehr oder weniger großem ausmaß realität geworden- die august-riots in großbritannien, die seit monaten andauernden pogrome gegen sinti/roma vor allem in vielen osteuropäischen staaten sind ebenso wie die vielfältigen europäischen und us-amerikanischen "rechtspopulistischen" strömungen diejenigen "lösungen", die sich in elitären kreisen großer beliebtheit erfreuen. und nicht zuletzt deswegen habe ich denletzten beitragso formuliert, wie ich´s getan habe - denn das oben skizzierte ist die sehr wahrscheinliche variante dessen, was kommt, wenn jetzt nicht begonnen wird, zumindest potenziell emanzipatorische proteste, und letztlich auch massive und wirkungsvolle widerstandsoptionen, in die öffentlichkeit zu bringen, bekanntzumachen, zu diskutieren und umzusetzen. ich halte das dafür vorhandene zeitfenster für begrenzt und plädiere stark dafür, sich ein beispiel an dem derzeitigen breiten schweigen der sog. "tea party" in den usa im angesicht der regelrecht explodierenden occupy wallstreet-bewegung zu nehmen. solche und ähnliche aktionen und ziele sind genau das, vor dem die herrschaften am meisten angst haben.
markus gärtner, dessenwirtschaftsblogich bei der gelegenheit gleich mal neben den querschüssen empfehlen kann, schreibt in einem ausführlichenartikelim "manager magazin" speziell zu diesem punkt:
(...) "Dass die Bewegung so schnell Zulauf erhält und der Wall Street durch ihre Erfolge näherrückt, macht einige an den Finanzmärkten bereits nervös. Beim Gipfeltreffen der Geldbranche zum Thema Bankentechnologie in Phoenix in der vergangenen Woche sei Occupy Wall Street "ein siedend heißes Thema" gewesen, räumt das Fachmagazin "Bank Systems Technology" ein. Und der Hedgefondsmanager Jim Cramer, eine Fernsehlegende unter amerikanischen Kleinanlegern, sinnierte in der jüngsten Sendung, die Proteste seien "beunruhigend für die Geldinteressen" im Lande." (...)
möge die beunruhigung schnell der nackten panik weichen! die zeit dafür ist überreif.
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bis es soweit ist, wird allerdings noch so mancher kampf zu fechten sein - so wurde heute morgen ein camp von occupy boston geräumt, wobei die cops gegen menschen und dinge wenig zimperlich vorgegangen sind - besonders die "veterans for peace", also jene ex-soldaten aus den kriegen von vietnam bis zum golf, wurden mittels prügeln traktiert, und es ist die rede von über 100 festnahmen plus etliches an zerstörtem (camp-)material.
so sah es da gestern abend aus...
...und das passierte in der nacht bzw. am frühen morgen:
ausführlicher und mit fotos ist das alles direkt beioccupy bostonnachzulesen.
aus eigenem erleben weiß ich, dass derartiges agieren der staatsgewalt nachdrückliche lerneffekte nach sich ziehen kann, und zwar nicht unbedingt im beabsichtigten sinne. und ich wüsste keinen grund dafür zu nennen, warum das - wenn solche bilder mehr werden - bei den menschen in den usa anders sein sollte.
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ich hatte im letzten beitrag vergessen anzumerken, dass sich am 15. in über 40 ländern weltweit etwas tun wird - die liste ist mittlerweile ellenlang: brasilien, indien, australien, so ziemlich alle europäischen staaten, die usa, kanada, chile, neuseeland, ägypten... es wird sehr interessant und lehrreich sein zu sehen, wie sich jeweils der protest äussern wird, was gefordert wird und wie die jeweiligen staatlichen reaktionen ausfallen werden. vielleicht können wir wirklich die geburtsstunde einerglobalen bewegungerleben.
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aus dem zitat vom anfang:
"Krise ist keine Frage von Blasen und Buchungen, da geht es um durchgeheulte Nächte."
das fand ich damals schon eine absolut nötige anmerkung, und auch in den jahren seit 2008 fanden sich bereits hier und da immer wieder meldungen wiediese:
"Die Wirtschaftskrise macht den Griechen zu schaffen - und das nicht nur finanziell. Laut einer neuen Studie zerfällt das staatliche Gesundheitswesen, die Zahl von Suiziden und Krankheitsfällen steigt rapide. Schon warnen Mediziner vor einer "griechischen Tragödie". (...)
auf dem ziemlich eindrucksvollen us-blog"we are the 99 percent"lässt sich anhand diverser schicksale nicht nur der us-amerikanischen mittelklasse nachlesen, warum es um durchgeheulte nächte geht, und was das unmittelbar mit bankbilanzen, börsenkursen und überhaupt dem ökonomischen system zu tun hat.
dabei fiel mir dann auch die eigene,sehr unvollständige liste von todesfällen im zusammenhang mit antisozialer politikein, die ich vor jahren erstellt hatte (ich weiß inzwischen von weiteren "fällen" nach 2006, schaffe das jedoch nicht, alles nachzurecherchieren). wir erinnern uns: in tunesien waren die "selbstmorde" von verzweifelten und verarmten letztlich das auslösende moment für den sturz einer diktatur; in den usa erkennen sich viele in den trostlosen geschichten der 99% wieder - nur hierzulande wird schamhaft gestorben, still und heimlich von der bildfläche verschwunden, und ebenso still vor sich hingelitten - und es dürfte da draussen genügend geben, die das auch ganz richtig so finden. ich fürchte, dass das so einiges über die tatsächliche menschliche qualität dieser gesellschaft hier aussagt.
nachdem ich kürzlich schon einmal eine empfehlung für seinentext zu den britischen riotsauf den "nachdenkseiten" gegeben hatte, kommt nun eine weitere: klar, dass ich beidiesem titelaufmerksam wurde - auszug:
(...) "Die vom Markt propagierten und für ein erfolgreiches Agieren auf dem ökonomischen Parkett erforderlichen Eigenschaften und Haltungen sind inzwischen bis in die Poren des Alltagslebens vorgedrungen. Eine allumfassende Rücksichtslosigkeit, ein zur Egomanie gesteigerter Individualismus, Zynismus und Gleichgültigkeit prägen den zwischenmenschlichen Umgang. So geht das „Zeitalter des Narzissmus“ bereits mit der nächsten psycho-historischen Entwicklungsstufe schwanger. Das Innenleben des allseits kompatiblen und fungiblen Menschen, den Markt, Wirtschaft und Pädagogik propagieren, weist eine große Ähnlichkeit mit dem eines Menschentypus’ auf, den wir heute noch als „Psychopathen“ stigmatisieren und den Gefängnissen und forensischen Psychiatrien überantworten. Wenn hier vom „Psychopath“ die Rede ist, ist nicht die umgangssprachliche Bedeutung gemeint, die darunter einen „durchgeknallten, unberechenbar-brutalen Typ“ versteht, sondern eine psychiatrische Diagnose, die in jüngerer Zeit von den amerikanisch-kanadischen Psychiatern Cleckley und Hare formuliert wurde. Die Diagnosemanuale beschreiben den „Psychopath“ als zur Einfühlung in andere unfähig, oberflächlich charmant, anpassungsfähig, zynisch-kalt, bindungs- und skrupellos und ausschließlich an privater Nutzenmaximierung interessiert. Das sind genau die Eigenschaften, die die Hasardeure und Gurus der New Economy und der Finanzwelt aufweisen, die uns an den Rand des Abgrunds manövriert haben und weiter manövrieren.
Vor einigen Jahren haben Paul Babiak und Robert Hare unter dem Titel „Menschenschinder oder Manager“ (München 2007) ein Buch herausgebracht, in dem sie die Unternehmen und die Finanzwelt vor dem Vordringen von „Psychopathen“ in Führungspositionen warnten, weil ihre Skrupellosigkeit und grenzenlose Risikofreude ihnen langfristig großen Schaden zufügen würden. Eine Psychologie, die ihre Erkenntnisse ans Business verschachern will, muss die Systemfehler beim einzelnen Mitarbeiter suchen und nicht bei den Strukturvorgaben einer kapitalistischen Wirtschaft. Die akademische Psychologie ist auf dem gesellschaftlichen Auge blind und versucht deshalb, wie Peter Brückner bemerkte, „den Stand der Gestirne bei bereichsweise bedecktem Himmel zu bestimmen“. Sie kann nicht erkennen, dass die beklagten Phänomene eine Begleiterscheinung des neuen kapitalistischen Zeitalters darstellen, das sich im Abschied von der traditionellen „stakeholder value“- zugunsten der „shareholder value“-Orientierung Ende der 90er Jahre ankündigte. Die entfesselt und hemmungslos, also, wenn man so will, „psychopathisch“ gewordene Geldwelt zieht wie ein Magnet „psychopathische“ Menschen an und produziert sie." (...)
tja. ich weiß nicht mehr, wie oft ich mich in den vergangenen sechs jahren hier im blog u.a. genau diesen entwicklungen von verschiedenen seiten gewidmet habe. immerhin - und leider - werden diese trends zunehmend von anderen wahrgenommen. "leider" deshalb, weil ich mich am ende in diesen fragen ganz gerne geirrt hätte, auch wenn mir meine intuition ebenso wie meine objektivistische vernunft meistens deutlich etwas anderes sagt.
ich hatte gerade mal blogintern recherchiert, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich zu den erwähnten (nicht zitierten) entwicklungen innerhalb der diagnostischen modellwelt des manuals dsm, die eisenberg als aufhänger benutzt, nicht schon mal ein paar worte geschrieben habe, konnte aber nichts finden. tatsächlich habe ich schon vor monaten etwas über die geradezu als spektakulär zu bezeichnenden revisionen im "neuen" dsm gelesen und weiß noch, dass mir besonders die geplante streichung der narzisstischen persönlichkeitsstörung ebenso wie einige tiefgehende veränderungen (bzw: war´s nicht auch die völlige abschaffung der diagnose?) im modell der borderline-ps schwer zu denken gaben. in"wahnsinnige liebe" und die borderline-gesellschaft ist einiges von der veränderten psychiatrischen wahrnehmung besonders bei den beiden genannten störungen zu lesen, und im prinzip wird da bereits in anderen worten das formuliert, was eisenberg oben ausdrückt.
ich möchte seinen text ausführlicher kommentieren, werde da aber frühestens erst zum wochenende zu kommen. mehr dann an dieser stelle. aber schließlich können Sie sich selbst schon mal ein paar gedanken machen.
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letztere mache ich mir gerade auch über ein video, welches die britische bbc veröffentlicht hat und das sich seit ein paar tagen wachsender und großer öffentlicher aufmerksamkeit erfreut - unter dem titelgoldman sachs regiert die welthat das blog von cashkurs sowohl das video verlinkt als auch eine deutschsprachige übersetzung der gesamten geschichte. gerüchte, dass es sich bei dem interview um einen fake handelt, womöglich gar von den genialenyes meninitiiert, geistern ebenfalls durchs netz - aber bis jetzt konnte ich diesbezgl. keine wirkliche aufklärung finden. bis auf weiteres muss das interview also als authentisch angesehen werden. und solange das so ist, stellt es in gewisser weise eine aktuelle und sehr deutliche untermauerung genau des diagnostischen befundes dar, den eisenberg thematisiert. wobei: selbst als fake würde es der realität immer noch sehr nahe kommen, aber orginale aussagen der involvierten sind doch immer noch am aufschlußreichsten.
dann zum zuletzt erwähnten und weltweit wellen schlagenden interview mit rastani: letzterer ist zwar kein yes man, aber durchaus als hobbytrader und - vor allem -hochstapleranzusehen. allerdings werden seine aussagen dadurch nicht unbedingt weniger treffend.
und zum schluß: ich schlage mich gerade wieder anlässlich des eisenberg-artikels mit dem seit jahren mehrfach verschobenen, überarbeiteten und mehrfach neu begonnenem basis-beitrag "soziopathie" herum - ich verspreche jetzt aber mal nichts. überfällig wär´s allerdings.
nicht nur eine kleine diskussion in denkommentarenzum letzten beitrag bildet den anlaß zu diesem thema, sondern unabhängig davon sah ich gestern (oder war´s freitag?) im supermarkt von weitem die schlagzeile des papiernen totschlägers mit den vier buchstaben: "Volkskrankheit Burn Out - 9 Millionen Deutsche fragen sich: bin ich nur erschöpft oder schon ausgebrannt?". diese "plötzliche" themensetzung hat wie bei derlei medialen konjunkturen üblich ihren konkreten anlaß im rücktritt eines "prominenten" aufgrund eines erschöpfungssyndroms, in diesem fall des bundesligatrainers von schalke 04. ich möchte aber zu dieser speziellen sache eigentlich nur sagen, dass das einzig positive womöglich eine art vorbildfunktion ist, analog zu anderen prominenten fällen von burn out und depressionen, die es mehr menschen zukünftig vielleicht ermöglicht, in ihren jeweiligen umfeldern noch rechtzeitig die reißleine zu ziehen.
aber der rote faden, den ich jetzt verfolgen will, ist ein anderer und geht von einem satz von yurun aus, der in den oben verlinkten kommentaren zu lesen ist:
"so nah an der Seele ist das Öl nun wirklich nicht"
wirklich nicht?
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zunächst zwei videos, die mir bis heute beide unbekannt waren - das eine stammt aus dem letzten jahr und ist ein beitrag des zdf-magazins "frontal":
wenn Sie die bisherigen beitrage im blog zu peak oil kennen, wird Ihnen das meiste davon vertraut sein. allerdings sind die erwähnten projekte sowohl der us-army als auch des schwedischen staates zwar bei näherer betrachtung wirklich spektakulär, aber hierzulande kaum thema. die statements aus dem hiesigen wirtschaftsministerium lassen auch erahnen, warum. im übrigen halte ich das für typische versuche der systeminternen "bewältigung" einer situation, die eben in diesem rahmen ganz und gar nicht mehr zu bewältigen sein wird. mehr und neue technik soll´s wieder mal richten - dieser ansatz kommt jahrzehnte zu spät und hätte das ende des ölzeitalters nur insgesamt etwas abfedern (was allerdings zukünftig als nicht unwesentlich empfunden werden könnte), aber nicht aufhalten können. was man von einer "grünen und ölfreien" luftwaffe halten soll, können eh nur zyniker am besten erklären, ähnlich beim "ölfreien" autoverkehr.
und dann ein video aus einer mir unbekannten quelle, welches sich bei yt unter dem keyword burn-out findet und dessen machart und vor allem symbolik ich interessant finde:
der ganze beitrag strotzt vor spachlich-bildlichen metaphern aus dem energiebereich: fahrende und stehende autos, ausgehende lichter, stromleitungen und vor allem das ausbrennen - kraft- und beziehungslosigkeit. nun braucht es sicher psychophysische energie, um überhaupt beziehungen leben können - energie, deren basis für uns heute zu großen teilen aus der nahrungsproduktion der industriellen landwirtschaft herrührt. aber das ist für mich gerade ein eher nachrangiger apspekt, eher erscheint es nötig, genauer zu fragen, wer da spricht und was für beziehungen eigentlich gemeint sind.
ich hatte ebenfalls im letzten jahr mal versucht, diebedeutung der fossilen brennstoffefür das leben in westlich ausgerichteten industriegesellschaften zu skizzieren, u.a. mit dieser liste:
"die rolle der fossilen brennstoffe lässt sich in ihrer ganzen bedeutung (...) kurz zusammenfassen: öl (und gas) haben
- wesentlich für eine unglaubliche zahl von bahnbrechenden wissenschaftlich-technischen fortschritten gesorgt
- incl. aller medizinischen fortschritte
- die industrielle landwirtschaft mit ihrer massiven produktivität ermöglicht
- darüber dann auch das wachstum der menschlichen bevölkerung global explodieren lassen
- für die heutigen stadtlandschaften gesorgt; incl. der mega-cities
- die mikroelektronische "revolution" mitsamt all ihrer ausprägungen - u.a. das internet - zu verantworten
- die kriegsführung bzw. die dazu verfügbaren mittel so tödlich wie nie zuvor gemacht
- natürlich auch für diverse kriege unmittelbar gesorgt
- die allgemeine mobilität in ungeahnte dimensionen getrieben
- vorher unbekannte ökologische zerstörungen globaler bedeutung ausgelöst (direkte ölverschmutzungen, müllprobleme, smog, klimaveränderungen, landschaftsversiegelung etc. etc.
- und natürlich auch die sog. globalisierung (der ökonomie) sowie die expansion des totalitären kapitalismus mitsamt seiner überproduktions- und sonstigen krisen erst möglich gemacht; in diesen
zusammenhang gehört auch die mittlerweile absolut unerträglich gewordene umverteilung gesellschaftlichen reichstums an eine in relation wirklich winzige minderheit incl. der damit verbundenen
machtungleichgewichte
- durch all das dann indirekt auch zur allgemeinen beschleunigung, zu stress und letztlich vielen schwer gestörten psychophysischen zuständen mit beigetragen"
ich schlage vor, den letzten punkt mal als eine art lupe zu nutzen und sich dadurch alle vorherigen punkte zu betrachten.
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dabei komme ich zu folgenden ergebnissen: erstens haben die erwähnte wissenschaftlich-technischen fortschritte massiv arbeitswelten und -bedingungen beeinflusst. stichworte sind hierbeschleunigung(nicht nur der produktion) sowie rationalisierung, u.a. mit der massiven konsequenz steigender erwerbslosigkeit - beides ganz direkt mit dem thema burn-out verbunden. zweitens ist die erwähnte entwicklung hin zu mega-cities eine, die insgesamt viel zu wenig reflektiert wird - es gibt begründete hinweise darauf, dass in zusammenballungen von millionen von menschen auf engstem raum das risiko für psychophysische störungen massiv steigt - hier ist das zentrale stichwort stress in allen formen. wir sind zwar sozusagen gruppentiere, aber die größe dieser gruppen dürfte idealerweise weit unter den heutigen maßen liegen. drittens sind die "fortschritte" in sachen kriegsführung, auch viele (öl-)kriege selbst, direkt mitverantwortlich für eine große zahl vonkriegstraumata- das gilt dabei sowohl für das militär als auch die zivilbevölkerung. viertens gibt es überzeugende indizien dafür, dass auch ökologische zerstörungen analoge psychophysische zerstörungen bei menschen anrichten. damit sind nicht primär direkte oder indirekte vergiftungen gemeint, sondern eher quasitraumatische prozesse, die über das ohnmächtige miterlebenmüssen der zerstörung der eigenen lebensräume sowie nichtmenschlichen lebens induziert werden. fünftens lässt sich das stichwort internet direkt als symbol für die schon oft thematisierte explosion virtueller und simulativer prozesse in unseren sozialstrukturen vor allem in den letzten zwei bis drei jahrzehnten ansehen - diese entwicklung ist ebenfalls nicht ohne handfest-materielle energieflüsse denkbar, die aus der sicht sozusagen auf dieser seite einiges von unseren heutigen kompensationsmöglichkeiten der negativen folgen eben dieser flüsse in anderen bereichen ermöglichen - stichwort flucht (vor unerträglichen psycho-sozial-ökonomischen realitäten) in virtuelle welten.
man könnte das sicher fortführen und weiter präzisieren, aber worauf ich hinaus will, sollte deutlich geworden sein. natürlich kann es nur so sein: wenn die fossilen brennstoffe die absolute und totalitäre basis unserer art der ökonomie darstellen, dann stellen sie auch die absolute und totalitäre basis aller materialität der heutigen "zivilisation" dar; und damit zwangsläufig auch die basis für alle anscheinend "immateriellen", "psychischen" und virtuellen prozesse, die heute unsere "normalität" darstellen. ich betone das "heute" deshalb, um missverständnisse dahingehend auszuschließen, dass sich das alles nur im ölzeitalter hätte abspielen können, was nicht stimmt. stresszustände zb. dürften solange eine rolle spielen, solange es die menschliche spezies gibt, und ich teile die ansicht, dass wir auf ein gewisses maß an stress nicht nur psychophysisch eingestellt sind, sondern ihn sogar als trigger für entwicklungen benötigen. aber auch hier macht die dosis das gift, und das ölzeitalter hat diese dosis zweifellos in unerträgliche höhen geschraubt.
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apropos gift: dabei fiel mir auch wieder jener beitrag mit dem titeldas schwarze giftein, bei dem ich damals schon ähnliche schlüsse gezogen hatte wie jene, die sich aus dem obigen aufdrängen:
"peak oil erweist sich unter solchen aspekten immer mehr als regelrechter segen - wenn diese sog. "zivilisation" sich angesicht des peaks und angesichts der schlichten normalen unerträglichkeiten bei der ölförderung und auch der verarbeitung als unfähig erweisen sollte, sich selbst zu transformieren, hat sie nichts weiter als den untergang verdient.
in den früheren beiträgen zu peak oil kam öfter mal das gleichnis mit einem junkie oder auch alkoholiker, die auf ihren stoff nicht mehr verzichten wollen und können. in beiden fällen hilft nur der konsequente entzug. das gilt auch für das öl, wobei das angesichts der rolle, die dieser basale rohstoff für die industriellen gesellschaften spielt, gleichzeitig ihr ende bedeuten wird. so oder so. das eine so steht für das (in peak oil-kreisen beliebte) "mad-max-szenario" - eine dystopie nach dem gleichnamigen film. das andere so wäre eine kollektive, rasche und bewusst eingeleitete abkehr vom ölzeitalter - mit allen konsequenzen auch des (scheinbaren oder realen) verzichtes, die das individuell und kollektiv mit sich bringen würde. ich muss wohl nicht mehr schreiben, welches so ich in der derzeitigen situation für wahrscheinlicher halte... der auf öl basierende kapitalismus wird aufgrund seiner inneren widersprüche und der äusseren grenzen des exponentiellen wachstums zur hölle fahren, aber er wird dabei vermutlich auch die eh schon schwer beschädigte menschliche sozialität an den rand des abgrunds bringen."
es ist ein vielleicht aussagereicher zufall, dass das störungsbild, welches medizinisch-psychiatrisch heute mit dem begriff des burn-out erfasst wird, inzwischen mehrheitlich als vorstufe zur depression angesehen (und derart diagnostisch von dieser abgegrenzt) wird. der gleiche begriff, der allgemein auch für den als schlimmsten angesehenen ökonomischen krisenzustand benutzt wird. und dieser letztere wird bei unserer weitgehenden kollektiven und hartnäckigen ignoranz des peaks folgerichtig eintreten. so, wie die persönliche depression ebenso bei ignoranz der persönlichen vorzeichen folgt.
ich bin von solchen analogien immer persönlich fasziniert, erwarte aber durchaus nicht, dass Sie mir bei dieser faszination folgen - aber warum ich hier eine andere meinung habe als kommentator yurun, sollte inzwischen klar geworden sein.
die global in allen industriellen gesellschaften verbreitete plage von zuständen wie depressionen und burn-out (andere psychophysische störungen spielen auch eine rolle; so lässt sich bspw. auch der vielbeklagte pathologische narzissmus aus dieser sicht als ölbefeuert betrachten, und soziopathen "lieben" eh prozesse der beschleunigung und des virtuellen) könnte man aus dieser perspektive ebenfalls als eine art peak betrachten, nämlich den der menschlichen anpassungsfähigkeiten an die durch die spezifischen energetischen eigenschaften des öls produzierte heutige menschliche welt. und passend zur erschöpfung der förderung auf vielen ölfeldern setzt auch die große erschöpfung in der menschlichen welt ein - in beiden fällen heißen die konsequenzen: zusammenbruch, u.a. durch die unfähigkeit bedingt, sich eine andere art & weise des lebens auch nur vorstellen zu können. dabei könnte die eine erschöpfung paradoxerweise die andere heilen helfen...
passend zu einigen beiträgen aus der letzten zeit findet sich in der "zeit" gerade ein interview mitjeremy rifkin, der mich in den frühen 1980er jahren mit seinem buch entropie - ein neues weltbild nachhaltig beeinflusste. und von allen seiner thesen und ideen finde ich diese immer noch persönlich am "nachhaltigsten". zusammen mit den begriffen exponentialität und energie liefert die entropie bzw. das dahinter stehende physikalische prinzip alle nötigen schlüssel, um die heutigen krisen zu begreifen, und zwar in ihren vollen konsequenzen zu begreifen.
ähnlich wie beim kürzlich intensiver vorgestellten"tipping point"hatte ich eine zusammenfassende arbeit zum entropiebegriff vor ein paar jahren schon mal kurz verlinkt, und krame die jetzt wieder raus:"Das Grundgesetz vom Niedergang - Ruiniert Arbeit die Welt?"ist als einstiegstext ganz gut geeignet, eine vorstellung von der bedeutung der entropie zu bekommen, auch und gerade in bezug auf unsere energetische basis sowie die art & weise der herrschenden ökonomie, speziell einen entscheidenden blinden fleck so ziemlich aller ökonomischen theorien, einschließlich der von marx.
(...) "Es geht um den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, der als unerbittliches Weltgesetz alles auf Erden regiert und als Prinzip weit über die Thermodynamik und die Physik hinaus bedeutsam ist. Zu fragen ist vor allem nach dem Schicksal der Materie im Wirtschaftsprozeß, eine Frage, die bisher nur von den Rohstoffökonomen mit ihrer Fixierung auf die Reichweite von diesem oder jenem Metall oder Energieträger gestellt wurde. Aber ebenso wichtig ist das Problem der fortlaufenden Degradierung von Rohstoffen zu Abfall und die Frage nach den Grenzen des Recycling. Materie wird mit zunehmender Beschleunigung entwertet – ein Prozeß, der Wirtschaftswachstum heißt – und Materie steht für Natur. Wertschöpfung ist ein zweifelhafter Begriff, weil wir nur umwandeln, nicht wahrhaft schöpfen. Eine Schöpfung ex nihilo gibt es seit dem Urknall nicht mehr. Im Lichte des Entropiesatzes ist, was wir Wertschöpfung nennen, in Wahrheit Entwertung von Unwiederbringlichem.
Der Entropiesatz regiert alle Umwandlung von Energie und Materie, er ist aber in das ökonomische Denken nicht eingegangen, oder er wurde aus ihm verdrängt. Daraus entstehen Illusionen, und das Ziel „Qualitatives Wachstum" wird verfehlt, wenn sich diese Illusion in Beruhigungsformeln der Selbsttäuschung niederschlagen." (...)
in einem sehr grundsätzlichen sinne sind die heutigen krisen als laufende prozesse von steigender entropie und exponentialität anzusehen, und damit unter keinen umständen mehr innerhalb des herrschenden systems auch nur ansatzweise irgendwie noch kontrollierbar - darum ist der big bang nur noch eine frage der zeit und unmittelbar vor der tür stehend, ja eher schon gerade am eintreten. ich reite auf diesem fakt deshalb so herum, weil Sie sich zumindest mental auf das kommende vorbereiten sollten.
*
aber ich will jetzt zum erwähnteninterviewkommen, und da besonders zu einem punkt, den ichneulichim zusammenhang mit peak oil zum wiederholten male erwähnt habe:
"noch ein interessanter absatz aus dem oben verlinkten artikel von peak-oil.com:
(...) "Die höchstverschuldeten EU-Staaten sind zugleich jene, deren Energieversorgung am stärksten vom Erdöl abhängt: Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Italien..."
das ist absolut kein zufall und unterstreicht die these, dass die seit 2008 offen laufende weltwirtschaftskrise bereits von peak oil getriggert wird - nicht nur hinsichtlich der energiekosten us-amerikanischer eigenheime, die im sommer 2008 ihre bisherigen höhepunkt erreichten."
dazu im interview:
(...) "Rifkin: Die Krise hat in Wahrheit im Juli 2008 begonnen. Damals stieg der Ölpreis auf ein neues Rekordhoch: auf 147 Dollar pro Barrel. Die Preise für Güter und Dienstleistungen gingen durch die Decke, die Kaufkraft sank, die Wirtschaft brach ein. Das war das eigentliche ökonomische Erdbeben.
ZEIT ONLINE: Für gewöhnlich datieren wir den Beginn der Finanzkrise auf den 15. September 2008. Damals brach die Investmentbank Lehman Brothers zusammen.
Rifkin: Ich argumentiere anders. Der Ölpreis ist in meinen Augen entscheidend. Steigt er über 75 bis 80 Dollar pro Barrel, steigen die Preise, ab 150 Dollar kollabiert der Welthandel. Wann immer sie versuchen, neues Wachstum zu erzeugen, werden sie es mit einem steigenden Ölpreis zu tun haben. Ein Teufelskreis, der uns immer neue Wirtschaftskrisen bescheren wird.
ZEIT ONLINE: Die Krise begann dennoch am Finanzmarkt, nicht am Gütermarkt.
Rifkin: Es kommt auf den Zusammenhang an. Weil das alte Wachstumsmodell nicht mehr funktionierte, hat man die Verschuldung der privaten Haushalte in den USA nach oben getrieben. Darauf basierte ein wesentlicher Teil des Wachstums der Weltwirtschaft im vergangenen Jahrzehnt. Die Immobilien waren wie Geldautomaten, mit Hypotheken haben wir das Wachstum finanziert. Dann liefen die unregulierten Finanzmärkte heiß." (...)
in den kommentaren vier und fünf unter dem artikel hat sich ein user die mühe gemacht, die damalige situation nochmals detaillierter auseinanderzudröseln:
"Das Irritierende ist: Lehman ging am 15. September pleite, was tatsächlich eine systemische Krise im Finanzsektor auslöste. Allerdings waren zu dem Zeitpunkt alle wichtigen Konjunkturindikatoren schon seit Wochen schockartig auf Talfahrt. In den USA schnellte die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslosengeld in der letzten Juli-Woche plötzlich auf Rezessionsniveau – nicht Mitte September. Im August brach der Aufwärtstrend bei Aufträgen für US-Unternehmen ab, die Bestellungen fielen binnen einem Monat um vier Prozent. Die Industrieproduktion sank ebenso abrupt im Monat vor der Lehman-Pleite – nicht danach. Das Gleiche gilt für Amerikas Exporte, die vorher monatelang geboomt hatten.
Für den Rest der Welt lautet der Befund ähnlich. In der Euro-Zone begannen die Stimmungsindikatoren im Juni abzustürzen, mit Zuspitzung im Juli. Auch der Ifo-Geschäftsklimaindex beschleunigte seine Talfahrt abrupt schon kurz vor der Jahresmitte. In Japan brachen im August die Aufträge für Maschinen jäh um zwölf Prozent ein. Selbst in China gab es schon Wochen vor Lehman Anzeichen für einen ernsteren Konjunkturrückschlag.
Der Absturz vom Sommer 2008 fällt mit einem anderen weltweiten Phänomen zusammen: Im Juni und Juli 2008 spitzte sich der Anstieg der Ölpreise zu, die Kurse lagen erstmals fast doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor. Damals kostete Benzin fast 1,60 E. Dies löste zudem noch einen ebenso globalen Folgeschock aus: eine Inflationspanik, die dazu führte, dass just im Juni die Zinserwartungen hochschossen. Banken und Unternehmen mussten statt mit sinkenden auf einmal mit steigenden Zinsen rechnen, zumal die Europäische Zentralbank Anfang des besagten Monats plötzlich höhere Leitsätze ankündigte.
Es spricht viel dafür, dass beides einem Konjunkturschock gleichkam. In den USA sackten die Realeinkommen im Inflationsmonat Juni erstmals unter Vorjahr. Die inflationsbereinigten Löhne sanken unversehens um 2,2 Prozent. Zu dieser Zeit liefen auch die Steuerschecks aus, mit denen die Regierung im Frühjahr noch den Konsum gestützt hatte. Kein Wunder, dass just danach die Privatausgaben abstürzten.
Für die Ölschockthese spricht, dass der Umsatz mit Autos in den USA exakt zur Jahresmitte abstürzte. Mit dem Ölpreis ließe sich auch erklären, warum kein Wirtschaftszweig so kriselt wie die Autobranche. In der Euro-Zone brachen die Neuzulassungen von Juni auf Juli um 8,3 Prozent ein. Die deutsche Autoindustrie bekam fast 15 Prozent weniger Aufträge als im Vorjahr.Natürlich schwächelte die Konjunktur in den USA, in Deutschland deutete sich schon im April ein Abschwung an."
natürlich hatte der "lehman-moment" eine vorlaufende phase und ist als beginn der (zunächst) finanz- und bankenkrise lediglich in einem formalen sinne zu sehen. das peak oil für die ganze situation einen trigger darstellt, ist für mich eigentlich nicht zu bezweifeln; eher bleibt die frage, wie groß der anteil dieses triggers ist. wenn es um die strukturellen ursachen der systemkrise geht, ist seitens aktueller linker theorie bspw. das folgende vontomasz koniczzu vernehmen:
(...) "Hierzu ist ein adäquates Verständnis des Charakters der derzeitigen Systemkrise notwendig, das jenseits populistischer Sündenbocksuche (faule Griechen, gierige Banker, Juden, Marsmenschen) die Gründe der Krise des Kapitalismus zur Abwechslung in den Widersprüchen des kapitalistischen System verortet. Der Kapitalismus ist deswegen "defizitär" und nur noch vermittels ausufernder Verschuldung als globales System aufrecht zu erhalten, weil er gewissermaßen an seinem eigenen "Erfolg", an seiner eigenen Produktivität zugrunde geht. Die immer schneller um sich greifende Rationalisierung und Automatisierung führt seit der Mikroelektronischen Revolution der 80er und 90er Jahre dazu, dass immer mehr Waren in immer kürzerer Zeit durch immer weniger Arbeitskräfte hergestellt werden können. Neue Industriezweige in der Mikroelektronik und die Informationstechnik beschleunigen diese Tendenz. Diese neuen Technologien schaffen weitaus weniger neue Arbeitsplätze, als durch deren gesamtwirtschaftliche Anwendung wegrationalisiert wurden. Das System stößt an eine "innere Schranke" (Robert Kurz) seiner Entwicklungsfähigkeit.
Das an seiner Hyperproduktivität krankende System kann nur durch die zusätzliche kreditfinanzierte Nachfrage – durch Schulden – vor dem Kollaps bewahrt werden. Sobald die - private oder staatliche - schuldengenerierte Nachfrage wegbricht, setzt eine verhängnisvolle, sich selbst verstärkende Abwärtsspirale ein, in der Überproduktion zu Massenentlassungen führt, die wiederum die Nachfrage senken und weitere Entlassungswellen nach sich ziehen. Dies geschah nach dem Platzen der Immobilienblasen im Jahr 2008, bis die Staaten eingriffen und die Defizitfinanzierung des Kapitalismus mittels staatlicher Defizitbildung übernahmen. Fakt ist somit auch: Bevor die Staaten seit Krisenausbruch mit ihren kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen das System am Laufen hielten, taten dies jahrzehntelang die wucherungsartig expandierenden Finanzmärkte - bis zum Platzen dieser "globalen Kreditblase", wie es Paul Krugman formulierte." (...)
ich sehe einen solchen ansatz nicht unbedingt im widerspruch zur peak oil-these; allerdings erfüllt er meiner meinung auch nicht den impliziten anspruch, wirklich sozusagen bis zur tiefsten tiefe vorzudringen. die erwähnte explosion der (maschinisierten) produktivität betrachte ich als verifizierbar, nur darf dabei nicht die matrix vergessen werden, in der sich dieser prozeß abspielt - und diese matrix bilden eben jene physikalisch-energetischen bedingungen, oder besser: grenzen, die anfangs erwähnt sind. im prinzip beschreibt konicz aus dieser perspektive nichts anderes als eine rasante beschleunigung in richtung eines hochentropischen zustands, zuverlässig ablesbar u.a. am umfang von ökologischen schäden undmüllbergen. ebenfalls wird jede produktion innerhalb des systems durch die steigenden energiekosten ebenso zuverlässig teurer, mit allen daraus folgenden konsequenzen. wenn man sich nur die systeminternen ökonomischen prozesse betrachtet, erscheint die überproduktionskrise tatsächlich als ein basaler krisengrund; aber eine solche sichtweise ist aufgrund der untrennbaren physikalisch-energetischen basis für jedes menschliche system eigentlich unzulässig, da stark verzerrend. was konicz da beschreibt, unterstreicht allerdings sowohl die einzigartigkeit als auch den finalen charakter der laufenden krisenprozesse; die allgemeine verwirrung in sachen verständnis dieser prozesse ergibt sich meiner meinung zu einem guten teil daraus, dass uns sowohl einige der selbstproduzierten innerkapitalistischen widersprüche auf die füße fallen und gleichzeitig die absoluten physikalisch-energetischen grenzen für jede art von industrieller zivilisation erreicht sind. was wiederum jenes typische bild von überlagerungs- und rückkoppelungseffekten ergibt, welches das verständnis der situation so erschwert - intuitiv-emotional in jenem spontanen eindruck verkörpert, dass es inzwischen "an allen ecken und enden brennt".
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das gesamte interview von rifkin halte ich im übrigen für verharmlosend; ähnlich wie bei chris martenson kann ich mich des eindrucks nicht erwehren, dass beide gerade hinsichtlich peak oil jenes klischeebild des typisch us-amerikanischen optimismus´ verkörpern, für das ich in der realität keine gründe finden kann. und regelrecht belustigend finde ich das folgende:
(...) "Rifkin: Frau Merkel ist Physikerin, sie war Umweltministerin. Sie versteht die aktuelle Krise besser als viele andere." (...)
*lol* ähnliches ist auch an einigen anderen stellen im netz immer wieder zu lesen, und vielleicht ist das tatsächlich die derzeit abgedrehteste vt, die kursiert: das angela merkel sich über peak oil völlig bewusst ist und einen vollständigen masterplan in der tasche hat - *rofl*
aber gut, wer öfter in politischen us-foren liest, wird sich wahrscheinlich über die eigentümliche wahrnehmung der hiesigen politischen landschaft auch schon gewundert haben - der merkelsche "atomausstieg" wurde dort als "wegweisend" bejubelt, die deutschen zustände im allgemeinen als ebenso weltweit vorbildlich betrachtet wie merkel als (mindestens) sozialdemokratin, wenn nicht gar sozialistin gesehen wird. einer wie rifkin sollte es allerdings besser wissen. es könnte aber durchaus wahrscheinlich sein, dass sich zumindest teile der politischen und ökonomischen "eliten" über peak oil viel deutlicher im klaren sind, als nach aussen hin kommuniziert wird. immer noch bezeichnend finde ich die fast totale öffentliche stille zu der vermutlich wichtigsten rede, die barack obama jemals gehalten hat bzw. halten wird - jenerede aus dem juni 2010, in der er angesichts des "deep water horizon"-debakels im golf von mexico...
...meines wissens als erster und "gewichtigster" repräsent der westlichen politischen funktionseliten überhaupt die realität von peak oil in aller öffentlichkeit verkündet."
betäubendes schweigen bis heute, wie gesagt.
*
auch noch thematisch passend zum schluß ein weiterernachschlagzu den am vergangenen sonntag erwähnten spannungen im östlichen mittelmeerraum rund um die griechischen pläne zur förderung dort vorhandener öl- und gasvorkommen. diese ganze entwicklung ist mehr als bauchschmerzerregend; sie ist aus vielerlei gründen schlicht fatal.
Die schottische Ölfirma Cairn Energy musste am 13. September bekannt geben, dass man vor der Küste Westgrönlands erneut eine Niete gezogen hatte. Die Probebohrung Gamma 1 habe sich als Fehlschlag ohne Ölfund erwiesen, meldet die britische Zeitung Guardian.
Schon einige Wochen zuvor war eine erste Bohrung in einem benachbarten Küstenabschnitt ohne Ergebnis geblieben. Die Bohrungen waren trotz der erbitterten Proteste der Umweltschutzorganisation Greenpeace durchgeführt worden. Etwaige Öllecks seien in dem Gebiet, das im Winter monatelang von Packeis bedeckt ist, praktisch nicht zu bekämpfen, warnen die Aktivisten." (...)
diese arktis-bohrungen sind eh der blanke wahnsinn, deshalb ist das tatsächlich eine sehr gute nachricht.
"Inzwischen ist es nicht mehr ein einzelnes Ereignis, das aufmerken lässt, eher schon die eigenartige Kumulation unterschiedlicher Geschehnisse. Die Nachrichten und Bilder überlagern sich, kaum dass der Betrachter Zeit hat, über die jeweiligen Hintergründe genauer nachzudenken. " (...)
so beginnt ein dokumentierter artikel im linksnet unter der passenden überschrift"Wachsende Unruhe". und ja, inzwischen wird die allgemeine ratlosigkeit ebenso wie die allgemeine gesellschaftliche agonie im angesicht der um sich greifenden krisenprozesse nicht nur online mit händen greifbar (hier ist es schon länger der fall), sondern meiner persönlichen wahrnehmung nach auch zunehmend im sog. real life, der letztlich einzig relevanten realität.
in den letzten wochen habe ich begonnen, nicht nur martensons crash course, sondern auch den im letzten beitrag vorgestelltentipping pointin meinem nächsten umfeld bekanntzumachen. und anders als 2008, wo ich schon mal versucht hatte, ein unverbindliches treffen zu organisieren zwecks austausch über die möglichen verläufe sowie die hintergründe des damaligen ökonomischen krisenauftakts, wurde mir diesmal nicht primär mit verständnislosen blicken geantwortet - die nicht enden wollende ereignisdichte der letzten jahre bringt zunehmend mehr leute ins zweifeln, was aber eben keineswegs im nächsten schritt auf handlungen hinauslaufen muss, sondern genausogut (wahrscheinlich sogar primär) tendenziell solche reaktionen hervorrufen kann, wie ich sie vor einiger zeit bei einem guten freund erlebte, der mir nach einem längeren gespräch sinngemäß das folgende fazit gab: ich hätte ja wahrscheinlich schon irgendwie recht mit meinen befürchtungen, aber er weigere sich, davon seinen alltag beeinflussen zu lassen.
was nicht sein darf, kann auch nicht sein. die eine seite, und die andere ist die, die ich schon vor längerer zeit mal hier in worte gefasst habe: der alltag hier (und auch anderswo) ist mit seinen wirkungen die eigentliche katastrophe, die alle anderen mit hervorbringt. was am ende wieder generell zu unserer art des lebens hier führt.
wenn man sich die ereignisse und die offentlichen/offiziellen sowie "privaten" reaktionen darauf so betrachtet, so fällt neben der schier unbegrenzten ignoranz die entsetzliche dummheit ins auge, die die heutigen "westlich" orientierten (primär aufs ökonomisch-technologische-industrielle niveau bezogen) gesellschaften kollektiv befallen hat. ein nicht unwesentlicher faktor, wenn es um die abschätzung der fähigkeiten geht, auf existenzielle krisen zu reagieren. mit "dummheit" meine ich nun nicht das, was so landläufig darunter verstanden wird, sondern eher ein ganzes set von (vor-)urteilen, handlungsmustern und gewohnheiten, die dafür sorgen, notwendige handlungen und tiefgreifende, auch und gerade persönliche änderungen, nicht durchführen zu können und das sogar noch ganz richtig zu finden. ein wesentlicher punkt in diesem set ist die unfähigkeit, komplexitäten wahrzunehmen und begreifen zu können, was in der heutigen welt zwangsweise sofort ganze ketten von fatalen und destruktiv wirkenden fehlern nach sich ziehen muss.
das lässt sich fast beliebig an so ziemlich jeder einzelnen nachricht in diesen zeiten vorführen. von der "offiziellen" britischen regierungsreaktion auf die riots angefangen, über die jubelmeldungen über das "riesige" gefundene neue ölfeld vor der norwegischen küste (das gleichzeitig ein paar hundert seemeilen weiter eine "shell"-bohrinsel vor sich hinleckt, ist in diesem zusammenhang schon von einer bitterbösen ironie), bis hin zum öffentlich-medialen diskurs über "die wirtschaft" (bzw. ihre krise), bei der sich der wahrnehmungsmässige focus tunnelhaft darauf konzentriert, nach anzeichen und den "richtigen maßnahmen" für "wachstum", "aufschwung" und "stabilisierung" zu fahnden - überall springt einem die dummheit dreist grinsend frontal ins gesicht.
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ich habe neulich mal wieder den inzwischen auch schon in die jahre gekommene spielklassiker "gta 3" herausgekramt, über den ich im zusammenhang mit dem themaamokvor langer zeit hier das folgende geschrieben hatte:
"in "gta 3" ist die an new york angelehnte stadt namens "liberty city" (bereits der name ist der blanke hohn auf die kapitalistische "freiheit") säuberlich unterteilt in die machtbereiche verschiedener banden und clans - von der cosa nostra über die triaden und den yakuza bis hin zum kolumbianischen kokain-kartell ist die elite der als solches definierten organisierten kriminalität vorhanden, und dazwischen tummeln sich etliche, ethnisch organisierte streetgangs. eine brutale und korrupte polizei sowie extrem mißgelaunte und ständig schlagbereite passantInnen vervollständigen ein virtuelles bild, welches sich bei der betrachtung der realität in diversen regionen des planeten nur als prophetisch bezeichnen lässt. vielleicht ist das auch ein - versteckter - grund für manche zensurbestrebungen. in "vice city" und indirekt auch in "gta 3" gibt es dazu regulär bzw. mittels cheats die möglichkeit, selbst als spielfigur amok zu laufen bzw. die gesamte stadtbevölkerung in einen amokartigen kampfzustand "alle gegen alle" zu verwickeln."
insbesondere das "alle gegen alle" kam mir bei ansicht einiger bilder aus den aktuellen britischen riots wieder in den sinn; schon berühmt ist ja inzwischen die szene, in der ein verletzter und am boden liegender junge von einer dazu kommenden gang vordergründig versorgt und dabei nochmals ausgeraubt wird.hm?:
(...)"Um eine USK-18-Einstufung bzw. Indizierung zu verhindern, wurden in den deutschen Versionen einiger GTA-Spiele Inhalte entfernt. Dies betrifft (...) das Nachtreten und Berauben der am Boden liegenden Opfer." (...)
von allen folgen der gta-reihe wurden bis heute auf den verschiedenen plattformen zusammengenommen ca. 100 millionen exemplare verkauft, was "gta" zu einem der erfolgreichsten produkte der popkultur des späten 20. und frühen 21. jahrhunderts macht. und es besteht eine erhöhte wahrscheinlichkeit, dass auch diverse der an den riots beteiligten dieses spiel kennen. haben wir hier also eine klassisch kausale ursache-wirkungs-kette vor uns?
die antwort, die ich darauf bevorzuge, gab der maskierte killer im horrorfim "scream 1" sinngemäß an die überlebende heldin, als diese ihm vorwarf, er habe wohl zuviele horrorfilme gesehen: "schieb die schuld nicht auf die filme, sid. die filme machen niemanden zum mörder, aber sie machen die mörder phantasievoller". das sehe ich analog für spiele wie "gta" ähnlich - sie spiegeln primär die existierende realität (und wie ich damals schon schrieb, in einer teils zynischen und drastischen art und weise), können aber für jugendliche, die aus bestimmten gründen eh schon probleme mit der wahrnehmung der trennung von virtueller und authentischer realität haben, durchaus auf unschöne handlungsoptionen aufmerksam machen. die erwähnte unsicherheit der wahrnehmung erzeugen jedoch können sie mit einiger sicherheit nicht; die stammt aus der alltäglichen realität, geprägt von (materieller) armut, erfahrungen von isolation und ausschluß, "normal" gewordener anwesenheit von gewalt sowie innerlicher verödung. was übrigens bis auf die materielle armut durchaus auch lebenshorizonte sind, die ein zunehmend großer teil der sog. mittelklasse kennenlernen "darf" (bisher noch, ohne groß daraus etwas zu lernen); modifiziert dürfte das in spezieller art und weise selbst auf etliche kinder aus den sog. oberschichten zutreffen - der "goldene käfig" ist nicht nur eine metapher.
waren die riots deshalb "unpolitisch"? natürlich nicht. sie spiegeln ebenso die dominanz bestimmter kapitalistischer ideologischer fragmente wieder ("nimm alles, was du kriegen kannst") wie auch das gefühl der aussichtslosigkeit der eigenen lage, welches in krass unterschiedlichen ausprägungen hinsichtlich der versuchten bewältigung inzwischen zu einem gesamteuropäischen phänomen nicht nur der jugendlichen teile der bevölkerungen geworden ist.
die reaktionen der britischen regierung mögen aus einer bestimmten perspektive alles andere als dumm erscheinen; sind doch sündenbockkonstrukte, geschürter rassismus & klassenhaß nach unten ebenso wie innere aufrüstung nur allzugut bekannte instrumente aus dem arsenal der elitären waffen zwecks machtsicherung. langfristig jedoch ist die damit assoziierte entwicklung im sinne einer tatsächlich lebensbejahenden, ja sogar erhaltenden perspektive schlicht ausdruck von dummheit, antisozialer dummheit im großen maßstab nämlich. was mehr über die innere verfassung dieser "eliten" aussagt als sie selbst ahnen. und es passt sehr gut zu einigen analogen befunden zum gleichen thema, die ich hier in der vergangenheit schon dargestellt habe.
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zum neuen "gigantischen" ölfeld vor norwegen reicht eine kleine rechenaufgabe als kommentar: geschätzt wird das vorkommen auf ungefähr 1,2 milliarden barrel. bei einem täglichen weltölverbrauch von ca. 80 millionen barrel reicht das feld also theoretisch für wie lange? eben. (und das theoretisch bedeutet noch nicht mal praktisch, weil aus technischen und auch physikalischen gründen längst nicht alles öl aus dem boden geholt werden kann. real dürfte das feld eher mal für eine woche reichen, und das ist positiv geschätzt. zurück ins studio.)
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man muss allerdings auch konstatieren, dass sich die erwähnte dummheit nicht nur auf seiten der "eliten" befindet, sondern selbstverständlich auch bei großen teilen derjenigen, die sich solche deformierten subjekte wieder und wieder bspw. als "regierungen" wählen. da gibt es durchaus eine relevante interessengleichheit, was den herrschenden status quo anbelangt, der sich doch bitte bitte niemals ändern soll.
sie steuern allesamt auf ein bitterböses erwachen zu - dann, wenn sie die wand merken, an die sie geknallt sind.
ich habe die aussagen im letzten beitrag schon sehr ernst gemeint; der krisenzyklus, in dem wir uns offen seit 2008 befinden, zeigt einige relevante eigenarten, die ihn von vergangenen "normalen" krisen im kapitalismus deutlich unterscheiden und darauf hindeuten, dass es hier eben nicht nur um die spezifischen ökonomischen abläufe im kapitalismus geht, zu denen zwangsweise eben auch krisen gehören, sondern ein ganzes zivilisationsmodell mit all seinen ex- und impliziten welt- und menschenbildern zur disposition steht. wie steht es nüchtern im "tipping point" auf seite 37? "Wirtschaftswachstum→steigende Energiepreise → Rezession → fallende Energiepreise → erneutes Wirtschaftswachstum auf niedrigerem Niveau wegen sinkender Ölproduktion. Die aktuelle Wirtschaftslage spiegelt den Beginn dieses Sachverhalts wider."
ich hebe peak oil deshalb so hervor, weil hier voraussichtlich die effekte am stärksten spürbar werden (für uns im westen). das papier listet ja ebenso wie chris martenson auch noch ein paar andere "wände" auf, die rasend näherkommen:
generell: zu hohe systemische komplexität verstärkt zwangsläufig alle möglichen systemischen instabilitäten
in nordafrika und dem nahen osten, aber auch anderen regionen wird peak water in form von trinkwassermangel zum prioritären problem werden, und zwar in sehr naher zukunft
weltweit macht sich langsam die überbeanspruchung des nutzbaren bodens incl. erosion bemerkbar
wenn Sie noch nie was von peak phosphor gehört haben, sind Sie wahrscheinlich in der mehrheit. recherchieren Sie einfach mal, was sich dahinter verbirgt
allgemein sind die folgen der (un-)sichtbaren ökologischen schäden in allen möglichen bereichen überhaupt nicht einzuschätzen, was letztlich in einer vernünftigen welt bedeuten muss, sie erst gar nicht entstehen zu lassen
was martenson völlig ausser acht lässt, und im tipping point immerhin in einigen nebensätzen angedeutet wird, ist die tatsache, dass uns all diese prozesse in einer situation erwischen, in der sich große teile der spezies tagtäglich mit den folgen der seit jahrhunderten und generationen akkumulierten gewalt herumschlagen. die direkte konsequenz daraus ist u.a. eine destruktive irrationalität, wie wir sie nicht nur jüngst in großbritannien beobachten konnten, sondern in vielen anderen ländern in anderen formen genauso. ausgerechnet in einer situation, in der soziale fähigkeiten existenziell bereits zum bloßen überleben werden, sind eben genau diese fähigkeiten in großen teilen der bevölkerungen rund um den globus bereits stark ge- und beschädigt. was aus so einer situation entsteht - und das lässt sich an vielen historischen beispielen verifizieren - ist letztlich sowohl von der "mentalität" als auch der basalen organisierung her nichts anderes als die mafia, hier als synonym gemeint. ja, es gibt auch immer gegenbewegungen, dem fakt geschuldet, dass weniger kollektiv sozial und individuell psychophysisch geschädigte bevölkerungsgruppen so etwas wie soziales handeln aufrechterhalten können. die kommenden zeiten werden jedoch vermutlich auf eine finale auseinandersetzung zwischen diesen beiden modellen menschlicher organisation hinauslaufen, bei dem die letztere gruppe unter den denkbar schlechtesten voraussetzungen antritt.
dieser letzte punkt ist es, der mir persönlich die meisten sorgen macht. mit grenzen aller art und nichtmenschengemachten unbilden der umwelt lässt sich - nein, nicht fertigwerden, aber auskommen. menschen können verzichten und sich ebenso an ziemlich widrige umstände anpassen. wenn existenzielle konfrontationen jedoch innerhalb der eigenen spezies existieren, und zwar in einer gesamtsituation, die zunehmend bedrohlich wird, ist das u.u. eine entscheidende komponente, die am ende das pendel final beeinflussen kann.
all das sind aber punkte, die in der diskussion über "die krise" meist schlicht nicht existieren - komplexitätsreduktion in ihrer drastischsten form (ein merkmal, was nebenbei gesagt bei diversen "psychischen" aka psychophysischen störungen sehr relevant für die diagnose ist bzw. sein sollte).
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soweit ein paar allgemeine anmerkungen aus meinem weiter andauernden "analogen exil". nicht erwähnt und kommentiert habe ich jetzt bspw. die unbestätigten meldungen aus fukushima, nach denen rund um die schrottreaktoren spalten in der erde entstanden sind, aus denen radioaktiver dampf austritt (was auf das durchschmelzen des betonbodens hindeuten würde). ebenso nicht die gerüchte um eine zunehmende kriegsgefahr zwischen der türkei und syrien, zwei staaten, die sich in der bekämpfung ihnen unliebsamer bevölkerungsgruppen nicht viel geben. nichts zu den schweren unruhen in china, den protesten in israel, den auseinandersetzungen in tunesien und ägypten, den aktivitäten in spanien und griechenland, der situation in italien...
aber für all das sehe ich sinngemäß vieles von dem gelten, was ich oben beschrieben habe - stichwort dummheit. "elitär", kollektiv, individuell und systemisch. und schließen tue ich passend mit dem schluß des zu beginn verlinkten textes:
(...) "Die Regierenden bringen nichts Vernünftiges zustande. Die Krisenprozesse nehmen weltweit und in den unterschiedlichsten Gestalten zu. Und weit und breit ist niemand unter den derzeitigen Entscheidungsträgern zu sehen, der oder die in der Lage wäre, Lösungen zu schaffen. Es verdichten sich die Anzeichen, dass es auf einen chaotischen Zustand zuläuft. Und die Unruhe wächst."