assoziation

Sonntag, 3. Juni 2007

assoziation: kommentierte kommentare zur gewaltfrage

die ereignisse bei der gestrigen großdemonstration in rostock gegen den "g8-gipfel" machen es in meinen augen dringend nötig, sich näher mit verfassung und möglichen motivationen der jeweiligen akteure auf den verschiedenen seiten zu beschäftigen. da ich in jüngeren jahren selbst in dem, was bis heute autonome szene genannt wird, politisch aktiv gewesen bin und auch heikle demonstrationssituationen miterleben musste, begreife ich die jetzt mal wieder ausgebrochene "gewaltdebatte" vor einem etwas anderen erfahrungshintergrund als große teile der sog. öffentlichkeit. daher möchte ich dieses medium jetzt dafür nutzen, einige facetten der realität wiederzugeben, die in der berichterstattung der mainstreammedien alá "spon" und anderen schlicht nicht existieren.

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(...)"Bei der Großdemonstration in Rostock sind am Samstag nach Angaben der Veranstalter 520 Demonstranten verletzt worden. Zwanzig von ihnen seien schwer verletzt worden und müßten unter anderem wegen Knochenbrüchen stationär behandelt werden, sagte Mani Stenner aus der Demonstrationsleitung am Sonntag. Mindestens 165 Demonstranten seien festgenommen worden und über sechs Stunden lang in Gefangenensammelstellen festgehalten worden.
Die Polizei teilte mit, es seien insgesamt 433 Beamte verletzt worden, davon 30 schwer. Zwei Beamte müßten stationär behandelt werden."(...)

(aus dem newsticker der jungen welt)


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zunächst etwas zur begriffsklärung: auch wenn das wort "autonom" medial bis heute teils nur als synonym für "krawallmacher" benutzt wird, so hat die geschichte der vielen und meist auch in vielen inhaltlichen punkten widersprüchlichen gruppen und grüppchen, die darunter zusammengefasst wurden, doch ganz andere, jahrzehntealte, internationale und vielfältigere hintergründe als die oben erwähnte "ein-punkt-beschreibung" seitens der medien und auch des staatsapparates. ebenfalls ist die - ursprünglich staatliche wortkreation - des "schwarzen blocks" eher eine bezeichnung für ein sekundäres phänomen alleine bei demonstrationen, welches primär als selbstschützende (vermummung) reaktion auf die zunehmende polizeiliche observations- und videopraxis seit den 1980er jahren entstanden ist. ich habe selbst etliche demonstrationen miterlebt, die ohne größere zwischenfälle mit kleineren und größeren "schwarzen blöcken" verlaufen sind.

erst später - in der zweiten hälfte der 80er - kam ein eher bedenklicher und sozusagen massenpsychologischer aspekt dazu, der meiner meinung bis heute kaum tiefergehend betrachtet wurde: die konstitution einer formierten und durch quasi-uniformierung einheitlich nach außen auftretenden masse mit einschüchterungspotenzial. diese geschichte bleibt zwiespältig: ein derartiger block kann durch seine präsenz und ausstrahlung in spezifischen, sehr eng raum- und zeitgebundenen situationen ein moment symbolisch/realer gegenmacht zum staatlichen repressionsapparat bilden, lässt sich aber dabei zwangsläufig auf die "logik" dieses apparates ein (das klassische beispiel dafür bilden bis heute die auseinandersetzungen um die hamburger hafenstraße, in deren verlauf einige demonstationen mit riesigen blöcken von bis zu fünftausend menschen mit dazu beitrugen, die folgen einer möglichen räumung für die staatlichen instanzen als unkalkulierbar erscheinen zu lassen - was Ihnen natürlich niemals von medien und staat bestätigt werden wird, aber trotzdem einen teil der wahrheit bildet).

zum anderen aber: jenseits solcher, sehr begrenzten und situationsgebundenen wirkungen kann die teilnahme in einem solchen block gerade für jüngere leute - und da primär männer - durchaus zu jenen individuell transformierenden psychophysischen wirkungen führen, die bspw. elias canetti in seinem klassiker masse und macht ansatzweise beschrieben hat. ich teile nicht alle folgerungen canettis, so ist seine im verlinkten wikibeitrag zitierte ausgangsposition „Nichts fürchtet der Mensch mehr als die Berührung durch Unbekanntes. […] Es ist die Masse allein, in der der Mensch von seiner Berührungsfurcht erlöst werden kann.“ - zitat wiki: ´Diese ersten Sätze aus Masse und Macht besagen nichts anderes, als dass der Mensch von Natur aus kein soziales Wesen ist. Nicht Empathie charakterisiert den Menschen, sondern die Furcht vor der Berührung diktiert sein Leben. Befindet sich der Mensch in der Öffentlichkeit, verlangen zufällige Berührungen mit anderen Menschen nach einer Entschuldigung. Steht der Mensch im Aufzug, drängt er sich in eine Ecke, um nicht in Kontakt mit den Anderen zu geraten. Und das Einschließen in die Häuser ist nichts anderes als ein Versuch des Menschen, sich dem bedrohlichen Fremden der Welt zu entziehen.´ eine der typischen reaktionen westlich geprägter philosophie, die aus bewußtlosigkeit gegenüber der uns umgebenden und durchdringenden matrix einer vielfältig traumatischen sozialen realität heraus zu solchen falschen generalisierungen des angeblichen "menschlichen wesens" neigt. nichtsdestotrotz sind - mit dem bewußtsein eben dieser realität - etliche seiner beobachtungen bezgl. des verhaltens von menschenmassen in dieser realität durchaus inspirierend, solange sie nicht als beobachtungen über angeblich "natürlich anthropologische" gegebenheiten fehlinterpretiert werden.

gewalttätige menschenmassen unterliegen einer sehr spezifischen dynamik, auf die ich hier nicht im einzelnen eingehen kann. aber die eigenarten der damit assoziierten ich-zustände, machtgefühle und auch drogenförmiger (adrenalin, endorphine) prozesse lassen gerade für grundsätzlich selbst-unsichere menschen, die erlebnisse von anscheinender stärke suchen, diese art der massenbildung bis heute sehr attraktiv erscheinen (eine tatsache, die erklärt faschistische bewegungen ebenfalls bis heute ausnutzen. aber auch eine tatsache, die für paramilitärische und polizeiliche massenbildung in eskalierenden situationen gültig ist, was meistens unterschlagen wird. mit der grundsätzlich betonten sog. "militärischen disziplin" ist es oft genug in derartigen momenten nicht mehr weit her, wie nicht nur ich oft genug selbst beobachten konnte. durch die sehr andersgeartete stellung sowie die ausbildung von beamten zb. unterliegen die genannten prozesse hier anderen dynamiken, aber ab einem bestimmten punkt ist es schwer, noch groß qualitative unterschiede zu finden).

und diese seite der blockbildung ist seitens der selbsterklärt militanten linken bis dato zu sehr unterbelichtet. wie gesagt: es kann für mich persönlich durchaus sehr eng definierte situationen geben, heute bspw. primär im bereich von antifa-demonstrationen, wo nicht nur aufgrund fotografierender nazis, sondern auch wg. der potenziellen nazigewalt eine derartige blockbildung unter selbstschutzapekten für eine begrenzte zeit sinn macht. aber das setzt eben auch ein bewußtsein über die eher unerwünschten möglichen psychophysischen dynamiken von menschen in einer masse voraus, welches ich für unterentwickelt halte.

soviel vorläufig zu meinen eigenen definitionen der beiden begriffe. im folgenden nun eine art öffentlicher-interner militanzdiskussion auf indymedia, bei denen die erwähnten und weitere aspekte zur sprache kommen - ich kommentiere im text.

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"mili´s tanzbär" schreibt:

"militanz, unabhängig wie man zu ihr steht, erfordert ein politisches ziel. militanz auszuüben, ohne jegliches erkennbares ziel, kann wohl eher als hooliganismus bezeichnet werden."

und zwar ganz zurecht, weil sich die zugrundliegenden prozesse nicht von der lust von hooligans unterscheidn lassen. auch ansonsten kann ich dem kommentar weitgehend zustimmen.

"und genau diese tendenz war gestern deutlich erkennbar. es ging hier einzig und allein darum einigen lifestyle-autonomen kiddies den lange ersehnten adrenalin-kick zu verschaffen, nachdem man ja auf den meisten demos in deutschland zu schwach vertreten ist um eine derartige schlagkraft entwickeln zu können.

ohne sinn wurden da mal wieder steine geworfen, unabhängig davon ob damit nun auch eigene leute gefährdet und verletzt wurden. wie hier schon ergänzt wurde, setzt militanz auch verantwortungsbewusstsein voraus. hiervon konnte gestern jedoch keine rede sein.

wer nun versucht diese ausschreitungen durch "bullen-provo" zu begründen, macht es sich deutlich zu einfach. wie oft (bzw. eher selten), bitte schön, waren denn die entsprechenden demonstranten bereits auf demos um sich von dem, im vergleich zu vielen anderen aktionen, doch deutlich zurückhaltenden vorgehen den cops provozieren zu lassen? das war doch demo-alltag, wenn nicht sogar deutlich unter normalem provokations-niveau. auch der hinweis, es sollten willkürliche verhaftungen aus dem block heraus verhindert werden, führt ins leere: genau das gegenteil wurde bewirkt - massenweise verhaftungen, weil die autonomen völlig hysterisch, wie die aufgescheuchten hühner, kreuz und quer durch die gegend liefen!

ansonsten wird die konsequenz dieser ausschreitungen wohl v.a. eines sein: ein massiver rückschritt was linksradikale bündnis-fähigkeit betrifft, wenn nicht gar ihr vorläufiges ende - zumindest auf bundesebene.

ebenfalls gezeigt haben die randale, dass es dringend notwendig ist gerade junge, nachrückende autonome mit einer militanz-debatte zu konfrontieren, die als grundlage erstmal die begrifflichkeiten und deren bedeutung als politisches instrument klären. in dieser willkürlichen form, kann die erlebte gewalt jedenfalls nur noch als eines benannt werden: adrenalinsaure mackerkultur ohne jegliches emanzipatorisches / fortschrittliches bewusstsein."


"anton" merkt folgendes an:

"Was bei dem Begriff Globalisierung richtig und wichtig ist, ist bei dem Begriff Kapitalismus genau die Trennlinie.
Menschen die die Tobin-Tax fordern bezeichnen sich wohl auch eher als KapitalismuskritikerInnen. Herzlichen Glückwunsch, aber wenn eure Netzwerke bei einigen Aktionen Schaden nehmen ist mir das ziemlich egal.
Richtig ist auch das Gewalt in der militanten Linken wohl viel zu selten tiefgehend genug reflektiert wird, aber das ist wohl ehere Sache der handelnden Personen. Aber sehr interessant das sich hier mal wieder ein Großteil derer die eine Ergänzung geschrieben haben darauf beziehen.

Von wem die Gewalt tatsächlich ausgeht bleibt dabei viel zu oft unberücksichtigt. Es wird von zwischen Cops und "Autonomen" abgwogen und sich dann entschieden, oder auch nicht.


und macht einen ebenfalls oftmals unterschlagenen aspekt deutlich:

"Die Kriege der BRD, die Unterstützung und Förderung der Rüstungsindustrie die so genannte Entwicklungspolitik, all das ist Gewalt. Und wenn dann ein paar Leute Steine schmeißen fangen gleich alle an zu schreien. Der Protest wird in Veruf gebracht. Oh schade, bei all dem heulen über den Zusammenbruch des schönen Netzwerkes bleiben dann wohl keine Tränen für die Millionen von Verhungerten, Kriegstoten oder SklavenarbeiterInnen übrig.
Adäquat wäre es wohl mit der gleichen Stärke der Gewalt zu antworten welche auch vom System ausgeht, aber das ist gar nicht im Interesse der AktivistInnen. Das einzige was sie zun ist ein Zeichen setzen."


den grundgedanken - bei aller gewalt, die in und von den institutionen und profiteuren dieses systems alltäglich nicht nur im eigenen interesse geduldet, sondern auch aktiv praktiziert, durchgeführt und geschützt wird, ist die ständige aufregung über kaputte scheiben und autos, aber auch verletzte staatsbeamte, zutiefst heuchlerisch und verlogen - kann ich zwar klar nachvollziehen, jedoch halte ich den gedanken von der "adäquaten gewalt" als angemessene antwort zwar für (emotional) verständlich, jedoch trotzdem für gefährlich und falsch. es kann erstens gar keine "adäquate" antwort auf die ungeheure gewalttätigkeit des globalisierten kapitalismus geben, die nicht in suizidaler destruktion endet - einfach deswegen, weil letztere den zwangsläufigen endzustand des kapitalismus bildet. und wirkungsvoller widerstand im interesse eines authentisch-menschlichen lebens, welches diesen namen auch verdienen würde, kann diesen weg schlicht und einfach nicht gehen.

zweitens aber: die herrschenden verhältnisse werden, und das ist eine der kernaussagen dieses blogs, nicht unwesentlich von personen geprägt, deren psychophysische struktur ständige und vielfältigste übergriffe und grenzverletzungen gegen andere menschen zwangsläufig beinhaltet (was wieder nix mit einer angeblichen "anthropologischen konstante" zu tun hat, sondern mit den kompensatorischen prozessen, wie sie als reaktionen auf diverse ernsthafte psychophysische schädigungen zu beobachten sind). gegenüber leuten, für die eine derartige existenzweise quasi ein konstituierendes element ihres seins darstellt, sind alle menschen, die vor gewaltanwendung grundsätzlich tiefe hemmnisse verspüren und vor gewalt auch verständlich mit ängsten reagieren, von vorneherein in einem strukturellen nachteil.

gewalt als selbstschutz und notwehr in existenziell bedrohlichen situationen (ausdrücklich ist hier auch die eher verstecke strukturelle und anonyme, institutionalisierte, gleichwohl oft genug tödliche gewalt mit gemeint!) ist eine option, die in sehr eng gefassten grenzen von fall zu fall manchmal notwendig und wirkungsvoll sein kann. um diese entsprechend einzusetzen, braucht es jedoch eine hohe verantwortlichkeit bei denjenigen, die damit arbeiten wollen. und die kann nicht per se als gegeben angenommen werden. als "königsweg" für wirkungsvolle veränderungen kann sie jedoch keinesfalls begriffen werden.

"Und natürlich tun mir auch die Cops leid die jetzt verletzt wurden. Schließlich kann ich hinter der Uniform auch immer den Menschen erkennen. Aber ein/e SoldatIn braucht sich nicht zu wundern wenn er/sie im Krieg getötet oder verwundet wird. Und ein Cop braucht sich nicht zu wundern wenn er/sie beim Schützen des repressiven Staates, seiner Institutionen oder der durchsetzung kapitalistischer Interessen "unter die Räder" kommt. Schließlich haben sie sich, zumindest in den Grenzen der ökonomischen Zwänge innerhalb des Systems, freiwillig für den Dienst am Staat entschieden."(...)

hm. das berührt direkt die diskussionen um "verantwortlichkeit" und den "freien willen". die möchte ich gerade nicht wiederaufnehmen und verweise dazu auf entsprechende blogbeiträge, zb. zur sicht der hirnforschung.

ein "fotograf" schreibt:

"Eins vorneweg: Mit Pflastersteinen auf Menschen zu werfen ist etwas, wo man den Tod des anderen in Kauf nimmt oder sogar bewußt wünscht. Wasserwerfer, Gumminüppel und Pfefferspray sind dagegen Kinderkram!"

naja, auch wenn das erstere stimmt, so ist letzteres ein glatte verharmlosung: wasserwerfer können knochen brechen oder jemanden überfahren (vielleicht ist der name günther sare einigen noch bekannt), die "gummiknüppel" sind inzwischen tonfas geworden, mit denen sich ebenfalls tödliche verletzungen produzieren lassen. pfefferspray kann bei menschen mit lungenfunktionsstörungen zu schweren komplikationen führen. "kinderkram" sieht anders aus!

"Was man hungernden Kindern in Afrika damit gutes tun will, daß man in Deutschland irgendeinen Polizisten ins Krankenhaus, Rollstuhl oder Grab befördert müßte mir mal jemand erklären. Die Welt ändert man so nicht!"

nunja, das ist doch eher simpel, herr fotograf: letztlich schützen die polizisten hier genau die ordnung, die u.a. dafür verantwortlich ist, dass in afrika kinder hungern. warum ich trotzdem dem fazit im letzten satz zustimme, steht weiter oben.

"Ich war schon auf vielen Demos und habe oft genug das Geheule über Polizeigewalt nachher lesen müssen. Fakt ist: Die meisten wirklich verletzten Demonstranten die ich bislang gesehen habe sind durch die Stein und Flaschenwürfe ihrer vermeintlichen Mitdemonstranten verletzt worden. Auch wenn viele das aus ideologischer Verhärmung nicht zugeben können und es natürlich immer "die Bullen" waren."

wenn der ausdruck "die meisten" durch "einige" ersetzt wird, kann ich das unterschreiben. so ist es eher ein fehlschlagener entlastungsversuch.

"Wer Kinder und friedliche Menschen als Schutzwall benutzt und daraus mit Steinen zu werfen oder sich nach Steinwürfen unter diesen zu verstecken, ist ein verantwortungsloser Feigling und zeigt ein menschenverachtendes Verhalten, daß man sonst eher durch die Staatsmacht in Diktaturen findet. Wer dazu noch so feige ist, daß er sich soweit hinten versteckt, daß seine Steinwürfe noch in der eigenen Demo einschlagen, wer auf die eigenen Sanitäter wirft etc. dem sollten die anderen Demoteilnehmer eigentlich mal zeigen wo der Hammer hängt.

Denn auch das ist Feigheit: Zulassen, daß irgendwelche Hooligans eine politische Demo kapern um Randale zu machen und die anderen Demoteilnehmer zu gefährden oder gar zu verletzen."


hier nun wieder zustimmung.

"Tim" antwortet:

"Ich schließe weder Militanz für mich aus, noch grenze ich mich von militanten Gruppen grundsätzlich ab. Allerdings erfordert Gewalt - in welcher Form auch immer - ein Höchstmaß an Verantwortungsbewusstsein, damit sie gerechtfertigt werden kann. Dass Die Polizei provozieren würde und dass Einige ein Interesse an einer Eskalation hatten - klar, das ist immer so. Dass einie Hundert DemonstrantInnen das ebenfalls hatten, Dutzende Kilometer vom eigentlichen Schauplatz Heiligendamm entfernt, mitten in einer Bündnisdemo, finde ich zwar falsch, aber: O.K.
Dass aber diese GenossInnen über Stunden immer wieder die Polizei angriffen und nach jedem Angriff dann Schutz in der nicht-militanten Bündnisversammlung suchten, wo u.a. Kinder und ältere Leute waren, dass Steine noch aus der dritten und vierten Reihe geworfen wurden, nach Spiegel-Online-Bildern SanitäterInnen geduckt und im Steinhagel zu "unseren" Verletzten laufen mussten, die teilweise von den "eigenen" Leuten verletzt wurden ... nee Leute. Militanz benötigt ein vertretbares Ziel und Verantwortung. Das was gestern abgelaufen ist - bei aller Mitverantwortung der Polizei - war nichts als gefährlicher Schwachsinn, ausgelöst von erlebnisorientierten Jugendlichen - mit Politik hatte das so wenig zu tun wie schimmliges Brot. Und zu all den "Gewalt-gegen-die-Polizei-ist-geil-und-alle-nicht-Militanten-sind-ohnehin-doof" - Postern: Geht nach Hause, geht zur Schule, macht was Vernünftiges und überlasst Anderen die Politik."


d´accord.

ebenso wie bei "simpson", der dazu endlich mal einen der wichtigsten punkte anspricht:

"Schließe mich Tim vollständig an. Das politische Selbstverständnis von Leuten, die sich von einem leeren Polizeifahrzeug zur Eskalation bewegen lassen und die Gefährdung tausender Mit-DemonstrantInnen bewusst in Kauf nehmen, scheint mir doch extrem fragwürdig. Aber wenn man sich die Bilder und Filmausschnitte von den beginnenden Auseinandersetzungen so ansieht, erhält man ohnehin den Eindruck, dass die ausführende Klientel mit politischem Selbstverständnis nicht so viel zu tun hat. Ich behaupte mal, das sind nicht die Menschen aus den Zusammenhängen mit denen ich gewöhnlich zusammenarbeite und nicht die Leute, die gewöhnlich Verantwortung für Organisation und Bündnisse übernehmen. Eher die Leute, die aggressiv auf dich losgehen, wenn du versuchst, ihnen klarzumachen, dass ihre Aktionen grad weder inhaltlich noch strategisch Sinn machen.

Das Problem ist, dass es in der militanten Bewegung keinen Konsens oder auch nur Diskurs zum Umgang mit exzessiver und selbstbezweckender Gewalt gibt. Grundsätzlich davon auszugehen, dass die Polizei Agent Provocateur einsetzt, um friedliche Versammlungen zu eskalieren, ist sicher nicht zu weit hergeholt, aber wir müssen uns doch die ernsthafte Frage stellen, ob die Polizei dieses Mittel überhaupt benötigt."


und zwar hier:

"Möglicherweise haben wir in den eigenen Reihen genügend Personen, die Gewalt und damit zusammenhängende Macht viel zu sehr genießen, um auf sie verzichten zu wollen. Und möglicherweise scheißen diese Personen auf die Interessen anderer Menschen, um diesen Kick regelmäßig haben zu können."

bingo!

"Solche Personen widersprechen übrigens meinem politischen Selbstverständnis, denn sie missbrauchen ihre Macht (Gewalttätigkeit), um sich über gemeinsame Entscheidungen hinwegzusetzen und sabotieren mühsam aufgebaute langfristig hilfreiche Strukturen, Bündnisse und Ergebnisse."

genau das ist das problem, dem sich jede emanzipatorische bewegung in zeiten zunehmender psychophysischer verelendung gegenüber sehen wird und zu stellen hat: die größer werdende präsenz von menschen, die aus welchen gründen auch immer gar nicht mehr in der lage sind, bedingungen für und ausdrücke von freiwilliger und verbindlicher kollektivität wahrzunehmen. dieses problem ist meiner erfahrung nach bisher kaum erkannt, geschweige den thema ernsthafter arbeit geworden.

"Sicher muss hier auch über den Zusammenhang mit Männlichkeitsidealen gesprochen werden, denn mir scheint hier ein extrem maskulines Machtgebaren zu Tage zu treten, dessen Platz in der emanzipatorischen Linken ich nicht sehen kann und will.

Bei alldem hab ich natürlich die Rolle der Bullen ausgespart. Dass Militanz von denen provoziert wird, ist ja gar keine Frage. Und das diese wiederum auf Gewalt unsererseits begeistert einsteigen auch nicht. Aber grade WEIL man das weiß, muss man die Verantwortung übernehmen und die Sicherheit der GenossInnen schützen, die mit einem gemeinsam agieren, indem man entsprechend auf Provokationen und Gewaltbereitschaft der Bullen reagiert. Genauso wie Sitzblockaden lässt sich übrigens auch sowas trainieren und vorbereiten."


schöner beitrag insgesamt.

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zu dem speziellen aspekt von möglichen beamteten - oder auch nur instrumentalisierten - provokateuren verweise ich auf eine unbedingt sehenswerte tv-dokumentation über die nachgewiesenen einsätze solcher seitens der polizei beim gipfel in genua. und wenn Sie sich die angeschaut haben, werden Sie vielleicht auch meine fragen nachvollziehen können, die mir gestern mittag beim anblick dieser meldung auf indymedia in den kopf kamen:

"Gerade sammeln sich Nazis am Kurt-Schumacher-Ring im östlich der Warnow gelegenen Rostocker Stadtteil Dierkow.
Es sind hier jetzt etwa 200-300 (grob geschätzt) die im Moment einfach nur rumstehen und von einem ihrer "Führer" gerade instruiert werden. Dürfte kaum einer über 20 dabei sein. Eher frustrierte Kids aus'm Plattenbau als organisierte Kader. Trotzdem besser nicht auf die leichte Schulter nehmen! Von Bullen ist bisher nichts zu sehen."

"Jetzt zwei Funkwagen mit vier Hanseln vor Ort. Nazis (etwa 300) haben Straßenbahn der Linie 2 geentert und lassen sich auch von den Bullen nicht daran hindern. Jetzt sind sie wahrscheinlich auf dem Weg ins Zentrum."


ich fände es einfach sehr interessant zu wissen, wo diese kids dann letztlich gelandet sind.

Sonntag, 20. Mai 2007

assoziation: elitäre mafiosi? mafiöse eliten? was tun? (teil 1)

die in diesem beitrag zur organisierten kriminalität bzw. mafiastrukturen der sog. "eliten"enthaltenen beispiele müssen - und zwar wiedereinmal - ergänzt werden:

"Medienberichten zufolge reichen die in den Akten geäußerten Vorwürfe im sächsischem Korruptionsskandal von Amtsmissbrauch, Kinderprostitution, Bandenkriminalität und Geldwäsche bis hin zu Verstrickungen höchster Kreise in zwei Morde und einen Mordversuch in Leipzigs Immobilienbranche. Tatorte der Geschehnisse seien Leipzig, Plauen und Chemnitz. In den Unterlagen soll zudem eine Reihe von zweifelhaften Entscheidungen der Justiz aufgelistet sein."(...)

interessant und ebenso der weiteren beobachtung würdig sind in diesem zusammenhang auch die rolle des "landesamtes für verfassungsschutz" sowie die zweifelhafte instrumentalisierung des datenschutzes:

(...)" Angeblich sind ranghohe Politiker, Juristen und Polizisten in ein kriminelles Netzwerk größeren Ausmaßes verstrickt. Berichten zufolge machten sich etwa in Leipzig Amtsträger nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes erpressbar, weil sie Anfang der 90er Jahre in einem Bordell verkehrten, in dem minderjährige Mädchen zur Prostitution gezwungen wurden.

Zudem erscheint ein Urteil im Zusammenhang mit dem Attentat auf einen Abteilungsleiter der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft (LWB) im Jahr 1994 als dubios, weil die Richter mit ihren Strafen gegen die Täter deutlich über die Anträge der Staatsanwaltschaft hinausgingen. Der Publizist Jürgen Roth äußerte den Verdacht, dass "Einfluss auf Urteile genommen worden" sei und deshalb die politische Verantwortung bis zum Justizminister reiche.

Die Recherchen des Verfassungsschutzes sind umstritten, weil er nach der Rechtslage in Sachsen die Organisierte Kriminalität nur dann beobachten darf, wenn diese die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdet. Der Landesdatenschutzbeauftragte Andreas Schurig bezweifelt dies für die Fälle und tritt deshalb für die Vernichtung der Akten ein."(...)


und letztere begründung macht ebenso zum wiederholten male ein unheilvolles - und objektivistisches - prinzip deutlich, welches unsichtbar über der gesamten gesellschaft liegt: die letztlich nicht haltbare ideologie der abstrakten gleichheit aller menschen vor dem sog. "gesetz". der alte sinnige spruch vom gesetz, welches sowohl dem reichen wie dem armen verbietet, unter brücken zu schlafen, bringt das, was ich meine, gut auf den punkt.

es ist einfach -und zwar aufgrund der menschlichen neurophysiologischen bzw. allgemeinen psychophysischen eigenarten - nicht vertretbar und angemessen, überall den gleichen abstrakt-objektivistischen und fiktionalen maßstab anzulegen, ebenso wie das konstrukt der angeblichen verantwortlichkeit auf basis des angeblichen "freien willens".

um mit antisozialen tendenzen, wie sie bei bspw. in solchen fällen von mafiöser bandenbildung zum ausdruck kommen, tatsächlich angemessen umgehen zu können, benötigt diese gesellschaft zunächst eine grundlegende korrektur ihres falschen menschenbildes - in guter absicht von der gleichheit aller menschen auszugehen, negiert einfach die tatsache, dass unterschiedliche psychophysische konfigurationen - also bspw. aufgrund prä- oder postnataler traumatisierungen entstandene pathologische zustände von hirn und nervensystemen, wie sie im extrem bei soziopathen zu beobachten sind - ganz zwangsläufig über eine reduzierung der wahrnehmungsmöglichkeiten sowie auch diverse zwänge zur re-inszenierung traumatischer erinnerungsspuren und vor allem das nichtvorhandensein potenziell verhaltenskorrigierender authentischer beziehungen in letzter konsequenz zur wahrnehmung einer anderen welt führen müssen (!).

oder besser: zur wahrnehmung einer reduzierten welt, die von ängsten (bei soziopathischen persönlichkeiten allerdings nicht), hass, rache, konkurrenz und rücksichtslosigkeit geprägt ist.

dementsprechend destruktiv und alleine am biologischen primat des eigenen überlebens - koste es, was es wolle - orientiert ist das verhalten.

nicht, dass ich falsch verstanden werde: ich halte eine soziale isolation - unter humanen bedingungen, aber mit deutlichen grenzen - solcher leute bis auf weiteres für unverzichtbar. die heutige justiz allerdings sowie das sog. strafwesen sind dafür in vielfältigster hinsicht ungeeignet und verschleiern die eigentlichen probleme nicht nur, sondern verschärfen sie - gerade in form von gefängnissen - in aller regel noch. es gilt eher, die gesellschaftlichen strukturen in jeder hinsicht - sozial, kulturell, ökonomisch - so zu gestalten, dass sie nicht mehr in überwiegendem maße menschen hervorbringen, die in den vielen möglichen varianten der oben skizzierten wahrnehmungsmodi feststecken. genau das wäre die wirkungsvollste prävention (nicht nur) gegen solche entwicklungen wie die von mafiösen strukturen.

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edit am 25.05.07: vertiefend und in ihren konsequenzen noch nicht zu überblicken sind die folgenden informationen

"Enthüllungen über die organisierte Kriminalität politisch vernetzter Banden im Grenzbereich zu Polen und der Tschechischen Republik führen in Berliner Regierungskreise. Betroffen ist das Ministerium des ehemaligen Bürgermeisters von Leipzig, Wolfgang Tiefensee (SPD). Auch Teile der Staatsregierung in Dresden (Bundesland Sachsen) sind verwickelt. Die Kriminellen schleusten Kinder und Jugendliche aus den östlichen Nachbarstaaten nach Deutschland und stellten sie ihren politischen Gönnern in Bordellen zur Verfügung. Polizeiliche Ermittler wurden kaltgestellt oder in die Taten einbezogen. Die systematisierte Kinderprostitution vollzog sich unter den Augen von Staatsanwälten und Pressevertretern, heißt es in Berichten des deutschen Inlandsgeheimdienstes (Verfassungsschutz). Das Geschäft auf Gegenseitigkeit diente der Deckung illegaler Immobilientransaktionen aus dem Gesellschaftsfonds der früheren DDR sowie der Vertuschung schwerer Kapitalverbrechen. Dabei kam es zu mehreren Mordanschlägen. Deutschland ist Drehscheibe des organisierten Missbrauchs von Minderjährigen und europäisches Zielland Nr. 1 beim Frauenhandel. Den deutschen Repressionsbehörden, die bei der Kontrolle von Migranten und Asylbewerbern führend sind, gelingt es nicht, die organisierte Kriminalität mit Kindern und Jugendlichen aus den Armutsstaaten zu unterbinden oder auch nur einzudämmen. Die Ereignisse in Dresden und Leipzig geben einen Hinweis auf die Ursachen des Versagens.

Nach neuesten Informationen wurden unter anderem "'Zigeuner-Kinder' im Alter zwischen acht und zehn Jahren aus Tschechien nach Sachsen" verschleppt "und danach sexuell missbraucht." Die Anlieferung von "Frischfleisch", heißt es in dieser Quelle, sei von einem Staatsanwalt gedeckt worden. Dem kriminellen Netz, das auf diese Weise andere Straftaten ermöglichte, gehör(t)en deutsche Politiker, deren Pressegespielinnen, Rechtsanwälte sowie weitere Vertreter der oberen Gesellschaftsschichten an. Tatorte sind unter anderem Dresden, Leipzig und Chemnitz. Die Organisatoren der zu "Sexparties" verniedlichten Zwangsveranstaltungen waren demnach "höchste Verantwortliche der Stadtverwaltung Leipzig". Zum Zeitpunkt der Leipziger Ereignisse bekleidete Wolfgang Tiefensee (SPD), der heutige Verkehrsminister im Kabinett Merkel, den Posten des Leipziger Bürgermeisters und Oberbürgermeisters. In einem internen Gutachten des Landeskriminalamts Sachsen wird der Leipziger Amtsvorgänger Tiefensees, Hinrich Lehmann-Grube (SPD), als eventueller Tatbeteiligter genannt - wegen fragwürdiger Immobiliengeschäfte, die dem Kindesmissbrauch der Gesellschaftsprominenz zugrunde liegen."(...)


na, wo bleibt der investigative journalismus dieses landes...? ach? unbekannt verzogen? so ein ärger.

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edit am 10.06.07: die geschichte(n) rund um die - staatlich geschützten? geförderten? - mafiastrukturen weiten sich in jeder hinsicht aus - da wäre zum einen das folgende interessante statement aus der sog. bundesanwaltschaft:

(...)"Am Freitag wurde bekannt, dass Generalbundesanwältin Monika Harms sich in der Affäre um angebliche Verbindungen von Politikern und Justizbeamten des Freistaats zum organisierten Verbrechen nicht zuständig fühlt und zumindest den ersten, vom sächsischen Verfassungsschutz Ende Mai übermittelten Fallkomplex nicht übernimmt. Der stellvertretende Sprecher der Bundesbehörde, Andreas Christeleit, nannte es zweifelhaft, ob die übermittelten Erkenntnisse «überhaupt einen Anfangsverdacht für die Existenz einer kriminellen Vereinigung belegen können».(...)

dazu fällt einem dann wirklich nix mehr, bzw. viel zuviel, ein. aber wir sollten verständnis haben: aus sicht dieser elitären institutionen sind die sich mehr und mehr verfestigenden indizien vermutlich das ganz normale geschäftsgebaren ihrer kumpanen im geiste. und die gefahr für den staat kommt und kam in diesem land schon immer von links.

währenddessen werden weitere elitäre institutionen belastet: nicht nur, dass jetzt der aktuelle kanzleramtsminister in schwierigkeiten gerät:

(...)"Laut SPD-Fraktionsvize und PKK-Mitglied Stefan Brangs besteht der «dringende Verdacht», dass de Maizière als Innenminister «offenen Rechtsbruch im Umgang mit Verfassungsschutzerkenntnissen begangen» habe. Es trete immer mehr zutage, dass er es unterlassen habe, die PKK über rechtsstaatlich bedeutsame Vorgänge organisierter Kriminalität in Sachsen zu unterrichten, obgleich er dazu verpflichtet gewesen sei. Merkel müsse deshalb Konsequenzen ziehen und ihm «umgehend die Koordinierungsaufgabe für die Geheimdienste entziehen».(...)

sondern es wird auch sichtbar, dass das netzwerk recht weitreichend zu sein scheint:

(...)"Danach sollen im Vogtland um Plauen und Zwickau weitere rund 100 Personen ins Visier der Ermittler geraten sein. Zur Hälfte sollen sie den Bereichen Polizei und Justiz angehören, involviert seien aber auch Immobilienmakler und Politiker. Bisher war als Zentrum der Affäre vor allem Leipzig genannt worden."

und deswegen ist es auch unabdingbar, unter dem vorwand der beobachtung des "schwarzen blocks" möglichst viele oppositionelle aktivitäten auszuschnüffeln. sonst könnten sich eines nicht mehr allzu fernen tages doch tatsächlich mehr und mehr menschen zu aktivitäten gezwungen sehen, die dieser elitären mafia endlich einmal grenzen - und zwar wirkungsvolle grenzen - setzen.

Dienstag, 24. April 2007

assoziation: wo die angst regiert

während also diejenigen, die aus was für gründen auch immer nicht (mehr) fitmobilflexibelleistungsfähigpositivdenkend sind bzw. sein können, die leerstelle der ihnen geklauten würde teils noch in den arten ihres todes manifestieren, und dabei auch noch auf grauenhafte weise die alles kontaminierende systemlogik der verdinglichung und totalen verachtung aller authentischen menschlichen subjektivität demonstrieren, fangen diejenigen, die anscheinend auf der "sonnenseite" stehen und diese position meist auch noch mit schärfer werdender rücksichtslosigkeit verteidigen, zunehmend vor angst zu schlottern an:

(...)Vor einiger Zeit hat das Team um den Medizinsoziologen Johannes Siegrist von der Universität Düsseldorf zwei Studien veröffentlicht, die den Zusammenhang zwischen bedrohlichen Veränderungen im Erwerbsleben, körperlichen Beschwerden und Angst empirisch erhärten. In Kooperation mit belgischen Kollegen fanden die Düsseldorfer Forscher bei anfangs gesunden Beschäftigten, die von sich verschärfenden Arbeitsbelastungen und Arbeitsplatzunsicherheit betroffen waren, bereits nach einem Jahr dreimal so häufig ausgeprägte Angstzustände wie bei Arbeitnehmern, die davon verschont geblieben waren.

Siegrists Erhebungen und diejenigen seiner Kollegen bestätigen die Vermutung, dass Angst im Verbund mit Depression zur vierthäufigsten Todesursache in westlichen Industriestaaten gehört und laut Schätzung der Weltgesundheitsorganisation im Jahr 2020 nach den kardiovaskulären Ursachen zur zweithäufigsten aufsteigen wird. Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass Angst zu einer festen gesellschaftlichen Konstante geworden ist.(...)

Legt man als Maßstab von Krankheit aber die Angststörung an, lassen sich die Auswirkungen des globalisierten Wirtschaftens in fast allen westlichen Industriestaaten feststellen. Auch japanische Untersuchungen bestätigten kürzlich deutsche Befunde, wonach Arbeitnehmer, die Angst vor Entlassung haben, viermal so häufig depressive Störungen aufweisen wie jene Arbeitnehmer, die diese Angst nicht haben. Herzfrequenz und systolischer Blutdruck waren während des gesamten Arbeitstages, teilweise auch während der Nacht und am Wochenende, signifikant erhöht. In starkem Maße wurde das Stresshormon Kortisol ausgeschieden, was auf permanente Gefahrenbewältigung hinweist – auf eine existenzielle Erschütterung und Verunsicherung, die zur Angst wird, zur Angst vor der Angst, schließlich zur Angststörung, der Angst vor dem sofortigen Sterben."(...)


(streichen Sie bitte spätestens an dieser stelle das wort "psychisch", falls Ihnen das gerade im kopf herumgeht, womöglich noch mit dem wörtchen "nur" als begleiter. es geht hier auch immer um sehr körperliche, also psychophysische vorgänge, was sich gerade am phänomen der angst bestens nachvollziehen lässt.)

ich finde, der letzte absatz oben lässt sich auch so zusammenfassen: speziell das herrschende wirtschaftssystem ist eine einzige permanente körperverletzung, von den zerstörungen auch nichtmenschlichen lebens mal ganz abgesehen. und seine produkte werden übrigens idiotischerweise zu einem immer größer werdenden teil dafür eingesetzt, mit den folgen dieser destruktivität noch einigermaßen fertig zu werden, bzw. sie zu kompensieren (durch konsum). darauf beruhen inzwischen ganze branchen, wie natürlich die pharma-, tabak- und alkoholindustrie, touristik und unterhaltungsmedien...um nur die offensichtlichsten zu nennen.

*

fragen:

(...)"Hat sie, die Angst, denn wirklich zugenommen? Ließe sich nicht einwenden, dass jetzt eben genauer hingesehen, gedeutet und deswegen logischerweise eine Steigerung des Drucks sowie eine Zunahme der Störungen festgestellt werde? Kann der Einzelne dieser Tage vielleicht viel weniger ertragen als vor 100, vor 50, vor 30 Jahren der Bauer auf dem Feld im Angesicht von Missernten und Seuchen? Kurzum – sind die Wohlstandsindividualisten von heute womöglich allzu verweichlicht?

Oder ist – im Gegenteil – die Versagensangst mittlerweile so groß, weil der Einzelne in pluralisierten Gesellschaften für alles selbst verantwortlich ist, weil persönliche Identität sich größtenteils nur noch über die Arbeit und den Job definiert und Siegen in einer Gewinnerkultur zum Imperativ geworden ist, während gleichzeitig alle Gewissheiten und Sicherheiten zerfallen?"(...)


während die erste variante der "verweichlichung" sich tatsächlich bei law-and-order-fanatikern sowie den hemmungslosen propagandisten der herrschenden zustände als allein zulässige einiger beliebtheit erfreut - am deutlichsten wird dieser nicht-umgang mit angst bis heute noch immer von offenen nazis demonstriert, dürfte die zweite antwort zumindest einen großen teil der realität korrekt erfassen.

(...)"Durch die Verlagerung der Arbeitsorganisation vom körperlichen auf den psychomentalen Bereich hat sich auch das Krankheitsbild verlagert. Die ersten medizinischen Langzeitstudien, die seit Beginn der 1990er Jahre insbesondere in Finnland, Schweden und Großbritannien das Verhältnis zwischen Stress und Gesundheit untersuchen, kommen nach ihren Auswertungen jetzt zu eindeutigen Ergebnissen: Die Auswirkungen des Arbeitsalltags auf die psychische Gesundheit des Einzelnen sind enorm. In den vergangenen 20 Jahren haben Begriffe wie Flexibilität, Mobilität und lebenslanges Lernen Karriere gemacht; die berechenbare Biografie wurde zum Märchen aus einer versunkenen Welt und die Unberechenbarkeit zu einer mentalen Dauerbedrohung.

Der Beruf hat für das seelische und körperliche Wohlergehen des Einzelnen heute eine immense Bedeutung, weil er drei elementare Existenzbedürfnisse befriedigt: das Selbstwertgefühl, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und das Gefühl von Zugehörigkeit. Wenn diese grundlegenden Bedürfnisse nun durch Radikalisierung des Wettbewerbs, durch Konkurrenzkämpfe, Verlagerung der Produktion ins Ausland, Lohndruck, Kostendämpfung, Stellenabbau, zunehmende Rationalisierung und Mobbing bedroht sind, pathologisiert sich die permanente Verunsicherung zur Angst. Jeder siebte Angstpatient stirbt von eigener Hand."(...)


in etwas anderen worten steht das auch schon im update des letzten beitrages, wobei der dort angesprochene aspekt der traumatisierung hier nur z.t. erfasst wird: "...pathologisiert sich die permanente verunsicherung zur angst." ich begreife das als eine art vorstufe des traumas, welches hier in seiner vollen wirkung vermutlich nur durch die noch vorhandene einbettung in die destruktive struktur paradoxerweise gebremst wird - die arbeitswelt, egal wie real zerstörerisch sie sich im einzelnen schon auswirken mag, bekommt dann sozusagen die funktion des letzten rettungsankers. allerdings eines sehr fatalen rettungsankers.

(...)"Das Verhältnis zwischen Leistungsfähigkeit, den eigenen Ansprüchen und jenen, die von außen an einen herangetragen werden, ist stark gestört. Der gute Stress nimmt ab, der schlechte zu. Unter Bedingungen erhöhter Konkurrenz mehren sich zwischenmenschliche Spannungen, die Solidarität in Belegschaften wird geschwächt.

Folgen des sogenannten Downsizings, der permanenten Konfrontation des einzelnen Mitarbeiters mit Personalabbau und angedrohtem Personalabbau, sind, wie finnische Wissenschaftler nachgewiesen haben, erhöhte Arbeitsunfähigkeitsraten und eine signifikant erhöhte Sterblichkeit an koronaren Herzkrankheiten. Mit dem Anstieg der Stressbelastung am Arbeitsplatz steigt die Herz-Kreislauf-Mortalität um das 2,4-Fache an, Risikofaktoren wie Rauchen oder Alkohol bereits herausgerechnet. Weniger Menschen müssen mehr Arbeit verrichten. Jene, die keine Arbeit haben, fühlen sich unterfordert, jene, die arbeiten dürfen, überlastet. Psychische Konsequenzen hat es für beide."(...)


wie gesagt: permanente körperverletzung - zum einen, zum anderen, aber damit zusammenhängend, ist hier als größere dimension ebenfalls wie in so vielen anderen bereichen der aspekt der allgemeinen zerstörung der beziehungsfähigkeiten zu beachten.

und es trifft zunehmend jene, die bisher noch - zumindest materiell - von den herrschenden zuständen profitiert haben. was - perverserweise, wie ich betone - vielleicht sogar einen hoffnungsvollen aspekt enthalten könnte: wenn diese gruppen nämlich zum innehalten gezwungen werden:

(...)"Auffällig ist, dass die Angststörungen vermehrt die höher Qualifizierten treffen. Erhebungen in der Vergangenheit haben zwar gezeigt, dass diejenigen, die in sozial benachteiligten Schichten aufwachsen, ein niedrigeres Bildungsniveau und ein geringes Haushaltseinkommen haben, doppelt so häufig krankmachenden Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind wie Arbeitnehmer aus mittleren und höheren Schichten. Jetzt aber sind auch arbeitslose Akademiker in den Dreißigern keine Seltenheit mehr.

Angstambulanzen und Kliniken werden bevölkert von jungen Elektroingenieuren, die bei Kommunikationsunternehmen wegrationalisiert und Hunderte Kilometer von zu Hause entfernt fachfremd als Hartz-IV-Berater eingesetzt wurden; von Technikern, die die Anforderungen ständiger Mobilität und Flexibilität, die Ortswechsel und Fernbeziehung nicht ertragen können – oder eben von erfahrenen Bauleitern wie jenem in Bayern, der nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit mit dem Wechsel vom Senior- zum Junior-Chef den Sympathiebonus eingebüßt hatte, weil der Sohn plötzlich rationalisierte, wo der Vater das menschliche Miteinander in den Mittelpunkt gestellt hatte."(...)


*

der prozeß der psychophysischen verelendung läuft inzwischen auch in den "zivilisierten" zonen des planeten in gigantischen dimensionen ab:

"127 Millionen Menschen in Europa, mehr als ein Viertel der Bevölkerung, leiden an den zwölf häufigsten psychischen Erkrankungen, ein Drittel davon unter Ängsten und Panikattacken. Die jährlichen Behandlungskosten der psychischen und psychosomatischen Krankheiten in den europäischen Ländern schätzt das European Brain Council auf 386 Milliarden Euro. In Deutschland ist nach einer Statistik der DAK die Rate der »Arbeitsausfalltage infolge von Angststörungen« von 2000 bis 2005 um 27 Prozent gestiegen; bei Depressionen liegt im gleichen Zeitraum eine Zunahme um 42 Prozent vor. Insgesamt gehen fast zehn Prozent der Krankschreibungen in Deutschland auf psychische Erkrankungen zurück."(...)

ich hatte es schon früher öfter mal in diesem blog geschrieben: bei einer, na sagen wir mal ansteckenden seuche in derartigen dimensionen würden wir schon längst im medizinischen katastrophen- und ausnahmezustand leben. faktisch und real ist dieser zustand längst vorhanden, allerdings hervorgerufen durch unsere eigene "lebens"weise.

(...)" Meist sind Angstpatienten sehr jung. Die soziale Phobie tritt in der Pubertät auf, mit 15, die generalisierte Angststörung zwischen 30 und 35. Jeder zweite Sozialphobiker ist alkoholabhängig, bei mehrfach erhöhtem Suizidrisiko. Die Leistungsfähigkeit von Menschen mit generalisierter Angststörung ist halbiert, ein großer Teil von ihnen erkrankt zudem noch an einer Depression. Vor übersteigertem Leistungswillen fällt die Leistungsfähigkeit in sich zusammen.

Dreitausend Angstpatienten hat der biologische Psychiater Borwin Bandelow von der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen in seinem Leben bisher gesehen. Er finde es bedenklich, sagt er, hätte ein Mensch keine Angst."(...)


yo. letzteres ist ein starker hinweis auf eine funktionelle oder strukturelle soziopathische persönlichkeit.

(...)"Der Zusammenhang zwischen Evolution und Angst ist auch hirnphysiologisch evident. Einer der ältesten Hirnteile, der Mandelkern, Amygdala genannt, ist als Teil des limbischen Systems die neurologische Schaltzentrale der Auslösung von Ängsten. Wie im Fall fast aller psychischen Krankheiten sieht Bandelow auch Angst als zu 40 Prozent vererbt an, was er aus eigenen Studien mit ein- wie zweieiigen Zwillingen und aus der Evolutionsgeschichte ableitet. Wer Verwandte ersten Grades mit einer Angststörung habe, dessen Risiko sei um ein 4,25-Faches erhöht, ebenfalls eine Angststörung zu entwickeln.

Niemand ist gefeit, jeder Mensch kann eine Angstkrankheit entwickeln, und jeder Vierte hat im Laufe seines Lebens einmal eine Angststörung. »Angst ist ein biologisches Phänomen«, sagt Bandelow, »sie ist kulturunabhängig.« Zur Störung wird die biologisch sinnvolle Angstreaktion erst, wenn sie unverhältnismäßig wird, wenn sie Leid verursacht und ohne adäquaten Grund auftritt, wenn die Reaktion dem Anlass entsprechend unangemessen heftig ist, wenn sie nicht kontrolliert oder akzeptiert wird."(...)


hier möchte ich wiedersprechen: die "kulturunabhängigkeit" ist zwar in dem sinne gegeben, dass die angst bei menschen aller kulturen vorhanden ist und sich auch in gleichen bzw- ähnlichen erlebbaren formen äussert - aber bereits die art und weise des umgangs und der bewältigung ist meiner meinung nach nicht mehr kulturunabhängig zu verstehen.

und ich sehe auch nicht, dass ängste heute mehrheitlich "ohne adäquate gründe" auftreten würden - das lässt sich vielleicht bei den klassischen phobien wie zb. spinnenangst so sehen, keinesfalls aber bei den ängsten, die bspw. durch die ökonomischen verhältnisse produziert werden.

*

ich lasse hier gerade die einzelbeispiele von betroffenen, die im artikel erwähnt werden, außen vor. beim lesen werden Sie aber vielleicht feststellen, dass sehr viele querverbindungen zu anderen psychophysischen auffälligkeiten teils offen oder unausgesprochen deutlich werden - neben der alexithymie taucht ein wohlbekannter begriff aus der welt der sog. "eliten" auf:

(...)"Oft sind Angstpatienten Narzissten, wobei nicht alle Narzissten eine Angststörung haben. Sozialphobiker wie Sabrina haben Angst vor der Bewertung durch andere Menschen, weil sie gerade durch deren Bewertung nach sozialer Anerkennung streben. Deshalb arbeiten sie hart an sich, setzen sich unter Leistungsdruck, sind perfektionistisch und extrem arbeitswillig. Sie kennen kein Jammern, verbeißen sich in ihren Job. Keine Frage, dass sie beim Arbeitgeber beliebt sind. Sie bereiten sich besser vor als nötig. Sie haben Erfolg und dennoch ständig Angst, es könnte auffliegen, dass sie nichts können."

und es ließe sich auch der schluß ziehen, dass mindestens sekundäre als-ob-zustände gefördert werden:

"Therapeuten und Ärzte sind sich sicher, dass die Zahl der sozialen Phobien in naher Zukunft wachsen wird. Im Arbeitsalltag wird vom Einzelnen erwartet, dass er sich in Teams integriert, dass er Vorträge hält, an der Flip-Chart steht, wie selbstverständlich dem Druck standhält, die eigene Kompetenz und das eigene Ich permanent unter Beweis zu stellen. Wer weiß, dass er zur Selbstdarstellung nicht geboren ist, wird allein durch die allgemeine Erwartungshaltung bereits Angst vor dem Scheitern haben."(...)

was nichts anderes bedeutet, als das in diesem szenario tatsächlich extrem simulationsfähige menschen die besten karten haben, und für diese eine art positiver selektion stattfindet - hier steht buchstäblich alles auf dem kopf!

ich möchte Ihnen den artikel insgesamt trotz des abschließenden hochjubelns von verhaltenstherapeutischen maßnahmen - die in vielen fällen lediglich eine, wenn auch wirksame, symptombekämpfung darstellen - und der fehlenden reflexion über die interaktion zwischen sozialen verhältnissen und genen empfehlen, und schließe mit einem gut bekannten aspekt, der gleichzeitig bereits den weg in eine welt weist, die zwar nicht angstfrei sein wird, aber in der wir die angst reiten - und nicht umgekehrt:

(...)»Einer der größten Angststressoren ist das Schwinden der Solidarität«, sagt Jürgen Margraf, Ordinarius für Klinische Psychologie und Psychotherapie in Basel, wo immer er auftritt. Sogleich fügt er an: »Der wichtigste Schutzfaktor gegen Angst sind stabile soziale Bindungen.«(...)

strike!

Montag, 19. Februar 2007

assoziation: zwei essays und drei interviews...(I)

...haben mich in der letzten zeit gedanklich öfter beschäftigt - und gerade, weil sie thematisch aus meiner sicht eng zusammen gehören, möchte ich sie auch innerhalb einer reihe auszugsweise vorstellen bzw. jeweils kommentieren.

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fangen wir an mit einem text des historikers franz schandl, der vor einiger zeit im freitag unter dem titel Eine andere Welt ist möglich, ein anderer Kapitalismus nicht veröffentlicht wurde:

"Nichts wird in Zeiten allgemeiner Egomanie so verhöhnt wie der Altruismus. Menschen, die sich nicht auf der Siegerstraße befinden, sollen aus unserem Blickfeld verschwinden. Da jeder sich selbst gehört, ist auch jeder für sich selbst verantwortlich. Ich bin meiner mir mich. Nicht Solidarität oder zumindest Betroffenheit ist angesagt, sondern in erster Linie Gleichgültigkeit oder im schlimmsten Fall sogar offene Aggression: "Eure Armut kotzt uns an!" Solidarität war zumindest in Ansätzen etwas, das auf ein Jenseits der zwänglerischen Identität (Ich bin ich) verwies. Sie besagte, dass ich für die anderen da bin, und sie für mich da sind."(...)

diese feststellungen sind zwar keinesfalls etwas neues, aber nichtsdestotrotz weiterhin gültig. was mich bei schandls thesen etwas stört, ist ihre fehlende präzision - als eine art kultur- und ökonomiekritischer essay fehlt diesen thesen in zeiten ständig zunehmenden wissens in bereichen wie den neurowissenschaften und der psychotraumatologie eine durchaus mögliche klarheit. "egomanie" verleitet zu assoziationen mit synonymen wie "selbstsucht" etc. - was auf falsche fährten führen kann, dazu gleich mehr. "da jeder sich selbst gehört" ist wiederum eine umschreibung einer im blog hier schon öfter thematisierten psychophysischen konstellation, in der ein quasi virtuelles "ich", produziert vom objektivistischen modus im menschen, sich unter zuhilfenahme sekundärer emotionen ("nationalgefühle", "freude" am shoppen u.ä.) quasi als "eigentliche" identität und subjektivität ausgibt - was es bekanntlich nicht ist, sondern viel eher eine art krücke zum rudimentären überleben unter gewalttätigen sozialen bedingungen (die es dazu überhaupt erst hervorbringen).

der kompensationsversuch einer elementaren schädigung also. in der jeweiligen art und weise als auch im ausmaß dieser kompensation können vermutlich erhebliche unterschiede vorhanden sein - von funktioneller und potenziell reversibler bis hin zu struktureller und totalitärer dominanz (letztere wird im modell der "als-ob-persönlichkeit" sowie strukturellen soziopathen deutlich) gibt es hier ein spektrum, welches allerdings in den symptomen etliche gemeinsamkeiten aufweist. und als eines der verbreitesten dieser symptome, welches eben aufgrund seiner allgegenwart als "normalität" betrachtet wird, kennen wir alle die konstellation des "eigenen körpers", der einem quasi "geistigen" ich anscheinend "gehört" und von diesem ich kontrolliert und gesteuert wird.

wie ich früher schon geschrieben habe, ist das keinesfalls als vollständige subjektivität zu begreifen - dieses eigentumsverhältnis ist im gegenteil ein objektivistisches (ein sich selbst als "subjekt" mißverstehendes virtuelles etwas nimmt den körper - und alles andere - als objekt wahr), und meiner vermutung nach dazu die wesentliche erfahrungsmäßige matrix für alle zustände, in denen das konstrukt "eigentum" irgendeine rolle spielt. natürlich und speziell auch und gerade im kapitalismus, der ohne diese defekte selbst- und weltwahrnehmung gar nicht existieren könnte (und es ist auch nicht so abwegig, hier den tieferen grund für die nicht nur potenziell traumatische gewalt zu sehen, die der kapitalismus ständig massenhaft in ganz verschiedenen versionen produziert - genau diese gewalt ist ja der ausgangspunkt für die ihm zugrundeliegenden und stützenden wahrnehmungszustände).

aus diesen wahrnehmungszuständen ergibt sich u.a. auch die benannte gleichgültigkeit (= empathiestörungen). aber es ergibt sich daraus auch, dass die alternative, die schandl aufstellt - "zwänglerische identität" vs. solidarität - so nicht vorhanden ist. das "ich", welches hier zurecht als "zwänglerisch" bezeichnet wird, ist eben nicht das aus der vollen subjektivität heraus mögliche ich, die vollentwickelte individualität, die eben zwanglos auch die einsicht in die notwendigkeit von und ein bedürfnis nach authentischer kollektivität beinhaltet (und sich von als-ob-kollektiven bzw. zwangsgemeinschaften aller art normalerweise angewidert abwendet).

so, wie es schandl oben ausdrückt, wird nur wieder der scheingegensatz von individualität vs. kollektivität beschworen - und diesen fatalen irrtum gilt es unbedingt zu überwinden.

ich überspringe einen großen - lesenswerten - teil, um gleich wieder eine anmerkung loszuwerden:

(...)"Entsicherte Subjekte jedenfalls können nur überleben, wenn sie selbst beinhart agieren. Wollen sie von den (neuen) Märkten nicht ausgespuckt werden, müssen sie sich zu kleinen Konkurrenzmonstern entwickeln. Es ist nicht der freie Atem, den das bürgerliche Subjekt - der so genannte freie Bürger - atmen darf, es ist asthmatisches Hecheln. Die Angst unter die Räder zu kommen, wird größer, es gilt daher schnell, schlau und verschlagen zu sein. Entsichert meint aber mehr als verunsichert - entsichert heißt auch, dass die flexiblen Subjekte permanent unter Spannung stehen, geladen sind, bereit sein müssen zu schießen, zumindest am Markt andere abzuschießen. Das Instrumentarium, das ihnen aufgezwungen wird, ist ein aggressives. Die Kalaschnikow ist entsichert und bei einigen wird sie nicht nur im übertragenen Sinne losgehen. Am Ende stehen dann kollektive Bandenbildung oder individualisierte Amokläufer. Kann sich keine positive Perspektive entwickeln, werden diese regressiven Tendenzen zunehmen, ja sich zur Barbarei verallgemeinern."(...)

jemand mit einer - wie auch immer genau ausgeprägten - psychophysischen struktur wie oben skizziert kann u.u. weder anders handeln noch sich überhaupt etwas anderes vorstellen - es ist ihm aufgrund des zustandes, in dem sich nervensystem incl. gehirn befinden, schlicht nicht möglich. und genau solche leute bilden mit einiger wahrscheinlichkeit genau die art antisozialer "elite", die hier mit ihrem treiben immer wieder thema ist. mir stellt es sich so dar, dass sich aufgrund traumatischer prozesse unter bestimmten bedingungen immer mehr menschen funktional dem wahrnehmungsstatus dieser "elite" anschließen, was sich bspw. in der übernahme der konstrukte und ideologien ausdrückt, die elitärerseits mit einigem erfolg verbreitet werden. als metapher könnten wir auch eine ganz spezifische art von invasion annehmen, die zu ihrem abschließenden erfolg unbedingt der zerstörung der elementarsten menschlichen fähigkeiten zum sozialen bedarf - an erster stelle wäre hier die liebesfähigkeit zu nennen.

genau diese findet in einem szenario entfesselter konkurrenz, in dem der "wert" eines menschen einzig an objektivistischen kriterien der "leistungsfähigkeit" festgemacht wird, nicht nur keine resonanz im sinne positiver beantwortung mehr, sondern wird in solchen verhältnissen sogar hinderlich und dysfunktional. ich hatte es früher ebenfalls schon mal geschrieben: wer hier "positiv" selektiert wird, d.h. am ende übrigbleibt, lässt sich nicht mehr als mensch nach unserem verständnis beschreiben - wer da übrigbleibt, ist eine totalitär vereinsamte und ständig paranoide figur, die ihre eigenen ununterbrochenen fiktionen mit der realität verwechselt, die aufgrund massiver psychophysischer schäden nicht mehr vollständig und v.a. nicht in ihrer sinnlichen qualität wahrgenommen werden kann. und falls sich dieses szenario so durchsetzen kann, würde es meiner meinung nach auch das definitive ende des "experiments mensch" bedeuten - nicht nur in dem sinne, dass den überlebenden wesen die wesentlichen und spezifischen menschlichen qualitäten fehlen würden, sondern auch deswegen, weil sie über kurz oder lang - und das ist heute bereits eindrucksvoll zu sehen - ihre eigenen lebensgrundlagen zerstören würden. ohne fähigkeiten zur wahrnehmung der eigenen untrennbaren verwobenheit in die planetare ökologie zb. werden sie ebenfalls nicht (mehr) in der lage sein, die vielfältigen warn- und gefahrenzeichen wahrzunehmen, die ökologische systeme vor dem kollaps noch abgeben.

wir sind auf dieser schiefen ebene insgesamt bereits ein ganzes stück ins rutschen gekommen.

und auch die von schandl erwähnte "kollektive bandenbildung", siehe auch hier, sowie der "individualisierte amokläufer" (der eben nicht individualisiert, sondern vereinzelt ist - genauso, wie die banden höchstens als zwanghafte als-ob-kollektive zu verstehen sind), lassen sich sowohl als existierende phänomene registrieren wie auch als zu erwartende entwicklungsschritte auf der erwähnten schiefen ebene begreifen. wobei mir dazu noch ein aspekt eingefallen ist: denken Sie einmal darüber nach, in welchen regionen des planeten besonders gangbildungen zu beobachten sind - und wo einzelne amoktaten. und vergleichen Sie vielleicht auch einmal die kulturellen und klassenzugehörigkeiten. ich will darauf hinaus, dass bandenbildung eher dort zu finden ist, wo in der vergangenheit und teils auch noch aktuell zumindest rudimentär funktionierende soziale strukturen vorhanden sind oder waren. das gegenteil dazu bilden die amoktäter "neuen typs", die v.a. ein produkt der westlichen kultur darstellen - und in ihrer vereinzelung den status unser gesellschaftlichen verhältnisse realitätsgetreu abbilden. der kapitalismus in den metropolen tendiert offensichtlich dazu, selbst simulationen von kollektivität - dazu gehören banden - nicht mehr zuzulassen. den vergleich zwischen der klassischen mafia und transnationalen konzernen habe ich hier schon öfter gezogen - zugunsten der mafia (auch ein als-ob-kollektiv) könnte man inzwischen sagen, dass die sich zumindest noch um den anschein einer rudimentären moral - "ehrenkodex" - bemüht hat...

jetzt zu einem anderen punkt, der hier ebenfalls immer wieder eine rolle spielt:

(...)"Auch Reizvokabeln wie "Skandal", "Schuldige", "Opfer", "Täter" führen auf Abwege. Die Politik der identitätslogischen Zuweisung ist zu überwinden. Wir alle sind - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaße - Opfer und Täter, Schuldige und Unschuldige, im Prinzip aber Funktionäre des Kapitals. Diese Struktur ist aber keine Natur, auch wenn sie als zweite Natur erscheint. Sie verfügt über uns, nicht nur weil wir uns fügen, sondern sie mit unseren Handlungen und Überzeugungen stets neu hervorbringen. Wir müssen allerdings Abstand von der Vorstellung gewinnen, die andere Welt sei nur gegen irgendwelche Andere durchsetzbar. Vor allem die unentwegte personelle Zuweisung bringt die Leute nicht zusammen, sondern hetzt sie gegeneinander auf. Nicht die Befreiung von uns formierenden Formprinzipien steht dann an, sondern der Kampf der formbestimmten Interessen. Das Böse kennt eben nicht Name, Anschrift und Gesicht, wie Bertolt Brecht - ganz Kind seiner Zeit - einmal meinte, sondern bloß Logik und Vorschrift."(...)

hier möchte ich deutlich widersprechen: zwar ist das obige - oberflächlich betrachtet - sehr ähnlich dem ansatz, den ich hier im blog unter täter-opfer-dialektik skizziert habe - aber die betonung liegt eben auf oberflächlich.

es gibt reale täter, und die frage danach, wie sie dazu geworden sind, kann diese realität nicht aus der welt schaffen. das "wir" - bewohnerInnen der westlichen gesellschaften - in unterschiedlichem maße sowohl täter als auch opfer sind, ist dabei noch das kleinste erkenntnisproblem. viel eher wird die täter-frage bei der these relevant, das wir "...allerdings abstand von der vorstellung gewinnen, die andere welt sei nur gegen irgendwelche andere durchsetzbar." das halte ich für eine gefährliche und geradezu suizidale aufforderung. warum? weil spätestens eine genaue auseinandersetzung mit den zuständen, die sich in form der massivsten beziehungskrankheiten manifestieren, die frage mit sich bringt, ob es bspw. mit soziopathen überhaupt eine ebene der authentischen verständigung geben kann. ich hatte dieses problem neulich mal so umschrieben:

(...)"wer einen entscheidenden teil der eigenen wahrnehmungsfähigkeiten eingebüßt hat (und stattdessen als objektivistisches surrogat z.b. den eigenen quantifizierbaren profit als einzigen "lebenssinn" zur verfügung hat), wird erstens weder rücksichtnahme auf soziale und ökonomische beziehungen und grenzen kennen, zweitens weitgehend ignorant gegenüber allen entsprechenden warnsignalen bleiben (von denen das leid von lebewesen für alle empathiefähigen menschen eines der wichtigsten darstellt), und drittens im schlechtesten fall nicht einmal das problem begreifen können - und damit ist eine unüberwindlichende grenze für jeden heutigen begriff von "politik" gesetzt, die abstrakt und objektivistisch von einer diffusen "gleichheit" aller menschen ausgeht. es gibt nun aber real durchaus qualitative psychophysische unterschiede zwischen menschen, die im extremfall die wahrnehmung völlig unterschiedlicher welten bedeuten - die nazis z.b. haben mit ihrem gerede von "untermenschen" imo nicht nur unsinn erzählt, sondern auf ihre eigene art und weise ihren wahrnehmungsstatus durchaus korrekt beschrieben - und sie haben uns mit ihrem handeln einen deutlichen hinweis darauf hinterlassen, was derartige wahrnehmungsbeschränkungen für folgen haben können"(...)

es ist durchaus realistisch, vom worst-case-szenario auszugehen, welches da lautet: beziehungskranke und wahrnehmungsgeschädigte menschen können weder interesse an noch überhaupt eine vorstellung von einem leben jenseits gewalttätiger und hierarchischer strukturen haben. und sowohl mit dieser option als auch den daraus folgenden konsequenzen - die bspw. in einer strikten sozialen isolierung betroffener liegen könnten - hat sich jede emanzipatorische strömung auseinanderzusetzen. schandl geht aus meiner sicht implizit von der oben erwähnten abstrakten gleichheit aller menschen aus, die allerdings in einem psychophysischen sinne nicht vorhanden ist - der jeweilige zustand unseres nervensystems entscheidet auch über die wahrnehmung dieser welt und die möglichkeiten des lebens (und das ist ausdrücklich kein konstruktivistischer ansatz - das nur nebenbei gesagt).

weitgehende zustimmung meinerseits dann zum letzten abschnitt:

(...)"Wir fordern somit nicht Erfüllung, sondern Distanz von der eigenen Charaktermaske. Die Leute sollen sich ernster nehmen als ihre Rollen. Das Rollen-Ich - Dividuum nannte es Günther Anders - ist zu durchbrechen, will überhaupt so etwas wie Individuum ermöglicht werden. Ganz kategorisch gilt es zu sagen: Leben und Kapitalismus sind unvereinbar. Eine andere Welt ist möglich, ein anderer Kapitalismus nicht. Die neue oder notwendige Sozialbewegung wird sich daran messen lassen müssen, ob sie diese Radikalität zulässt oder sich einmal mehr in den Schützengräben des bürgerlichen Kontinuums verkriecht. Wenn sie nicht darüber hinauskommt, mit den "edlen" Werten der kapitalistischen Warengesellschaft gegen die kapitalistische Realität zu revoltieren, wird sie ein obligates Schicksal ereilen. Sie affirmiert dann ja bloß, was sie vermeintlich angreift, tut so, als hätte das Eine mit dem Anderen nichts zu tun. Der Kommunismus ist nur zu haben als eine planetarische Assoziation befreiter Individuen. Wobei Freiheit Freiheit von fetischistischer und verdinglichter Form bedeutet. Befreiung meint frei sein vom Wert und seinem ganzen Rattenschwanz, dem beschränkten Universum, das sich als ewig missversteht: Recht und Demokratie, Politik und Staat, Ökonomie und Ideologie, Tausch und Markt. Das wäre doch mal was anderes."

yo. "das rollen-ich ist zu durchbrechen" - das bedeutet die auflösung der dominanz von als-ob-zuständen im sozialen leben. dieser prozeß muss und kann nur ein globaler sein. und ob das daraus und vielen anderen veränderungen entstehende dann kommunismus oder tendenziell eher anarchie genannt wird - oder auch ganz anders - ist eine nachrangige frage. aber etwas anderes wäre es zur abwechslung wirklich mal.

Freitag, 9. Februar 2007

assoziation: einsamkeit, stress, alter und alzheimer

möglicherweise erinnern Sie sich noch an diesen beitrag, in dem es u.a. um die zunehmende verbreitung von sozialer isolation und einsamkeit in den usa geht. ich möchte das nochmalige lesen empfehlen, denn zusammen mit den gleich folgenden informationen geht es hier um fatale konsequenzen gesellschaftlicher realitäten, die nicht erst seit gestern für die große mehrheit aller lebenden menschen bedrohliche formen angenommen haben.

*

jetzt zu den eben erwähnten informationen, die ich zwei artikeln des deutschen ärzteblattes entnommen habe. zum einen gibt es dort unter der überschrift Deutliche Zunahme neurologischer Erkrankungen zu lesen:

(...)"Offensichtlich ist dagegen der Grund für die Zunahme der Alzheimer-Erkrankungen: die steigende Lebenserwartung. Sie zählt mit 67 von 1.000 US-Amerikanern zu den häufigsten (schweren) neurologischen Erkrankungen. Auch die Zahl der Parkinsonerkrankungen, an der heute 10 von 1.000 US-Amerikaner erkranken, wird weiter ansteigen. In einem weiteren Beitrag prognostiziert Ray Dorsey von der Rochester Universität eine Verdopplung der Zahlen bis zum Jahr 2030 (Neurology 2007 68: 384-386)".(...)

(das der artikel auch aussagen über die hier bereits öfter erwähnten steigenden zahlen von diagnosen aus dem "offiziellen" autistischen spektrum macht und dazu kurz den immer noch laufenden streit über die interpretation dieser zahlen streift, soll hier ausnahmsweise einmal nicht das thema sein).

eine komprimierte zusammenfassung des derzeitigen informationsstands zur alzheimer-demenz findet sich hier. wobei zu sagen ist, dass ergänzend eigentlich diese studienergebnisse dazugehören. und wie schon gesagt: erinnern Sie sich nochmals an das ausmaß der verbreitung von sozialer isolation in den usa.

"Menschen, die sich einsam und verlassen fühlten, erkrankten den Ergebnissen einer Kohortenstudie zufolge mehr als doppelt so häufig an einer Alzheimer-Demenz wie gesellige Menschen. Die Autoren glauben in den Archives of General Psychiatry (2007; 64: 234-240) nicht, dass der soziale Rückzug ein Frühsymptom der Erkrankung ist, haben aber keine Erklärung, wie negative Emotionen die doch massiven strukturellen Veränderungen im Gehirn des Alzheimerkranken auslösen könnten.(...)

Mit dem Memory and Aging Project erforschen Mediziner der Rush Universität in Chicago seit Jahren die vielfältigen Aspekte der Alzheimer-Demenz. Dazu gehört die Tatsache, dass viele Personen bereits vor dem Ausbruch der Erkrankung zunehmend sozial isoliert sind. In der aktuellen Studie zeigen Robert Wilson und Mitarbeiter, dass allein schon das Gefühl der sozialen Isolierung mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko assoziiert ist. Die 823 Senioren, die sich seit Ende 2000 an dem Projekt beteiligen, wurden in einem Fragebogen zu Beginn der Studie und danach jährlich wieder nach ihren Gefühlen befragt."(...)


die tatsache, dass alleine schon das gefühl der sozialen isolierung (und das ist hier nun mal wahrnehmungsmäßig relevant) "mit einem erhöhten erkrankungsrisiko assoziiert" ist, stellt dabei keineswegs eine besonders neue erkenntnis dar - und sie ist auch bei weitem nicht nur im hinblick auf alzheimer von belang. mit dem fortschreitenden wissen der neurowissenschaften wird immer mehr das deutlich, was im nächsten absatz an erster stelle steht:

(...)"Die Studie zeige, dass soziale Interaktionen einen spürbaren Einfluss auf das Gehirn haben, meint Susanne Sorensen von der britischen Alzheimer's Society, welche die Studie auf ihrer Internetseite kommentiert. Ähnlich äußert sich Rebecca Wood vom Alzheimer's Research Trust, einer britischen Stiftung. Mahnend weist sie auf Fragmentierungstendenzen in der Gesellschaft mit der Zunahme sozial isolierter Menschen hin, die langfristig einen „echten“ Einfluss auf die mentale und physische Gesundheit der Bevölkerung haben könnte."

das "könnte" streichen wir an dieser stelle mal. wichtig wäre nach diesem schritt eher, die art und weise dieses einflusses und seine folgen möglichst genau zu bestimmen - aber diese aufgabe würde eine veränderung im menschen- und weltverständnis erfordern, die offensichtlich auch für wissenschaftlerInnen nicht so einfach zu realisieren ist:

"Weder die Autoren noch die Kommentatoren haben jedoch eine Idee, wie die psychosozialen Faktoren in die Pathophysiologie der Alzheimer-Erkrankung einwirken und wie sie zum massiven Untergang von Hirnzellen betragen könnten."

ach? wirklich überhaupt keine idee?

(...)"Unsere Versuche bestätigen, dass soziale Isolation der mit Abstand größte Stressfaktor ist, weit vor Elektro- oder Kälteschocks", erklärt Professor Bauke Buwalda von der niederländischen Universität Groningen den Sinn dieses Experiments."(...)

stress nun wiederum, und das ist meines wissens mittlerweile wirklich keine spekulation mehr, stress kann psychophysisch sehr fatale wirkungen mit sich bringen:

(...)"Zwischenmenschliche Belastungen, Überforderungen oder bereits kleinere psychische Anspannung schalten im Hirn Stressgene an, deren Produkte über den Blutweg die Nebenniere erreichen, wo vermehrt Cortisol produziert wird. Letzteres unterdrückt die Produktion von Sexualhormonen und die Immunabwehr. In diesem Sinne werden heute in der Psychoneuroimmunologie mögliche Zusammenhänge zwischen Stress und Krebs diskutiert. Aber auch zur Alzheimer-Entstehung bieten sich Verbindungen an: Stressgene hemmen andere Gene, die Nervenwachstumsfaktoren produzieren. Auch vermag laut Bauer Stress ein bestimmtes Protein Alzheimer-typisch zu verändern."(...)

vielleicht sollten sich die autoren der oben erwähnten alzheimer-studie einfach mal mehr außerhalb ihrer vermutlichen wahrnehmungstunnel bewegen?

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ich habe vor langer zeit selbst mal ein halbes jahr auf zwei pflegestationen eines privat (lies: kommerziell) betriebenen sog. "alten- und pflegeheims" gearbeitet. und von den vielen in diverser hinsicht unangenehmen erinnerungen ist mir das miterleben des in einem atemberaubenden tempo vor sich gehenden dementen verfalls eines alten mannes als eine der nachdrücklichsten im gedächtnis. dieser mann kam in einem durchaus "fitten" zustand in die station, d.h. er konnte sich um seine sachen selbst kümmern, war geistig klar und orientiert, kommunikationsfähig, nicht bettlägerig und - neben einigen heutigen alterstypischen beschränkungen - durchaus jemand, zu dem das attribut "rüstig" gepaßt hat.

all das änderte sich in nur zwei- bis drei monaten des stationären aufenthaltes in extremer und erschreckender hinsicht.

neben einem etwas schleichender vonstatten gehenden körperlichen verfall fielen als erstes kleine vergeßlichkeiten auf, ebenso wie unsicherheiten in form längerer pausen im gespräch. diese symptome steigerten sich im laufe der - kurzen - zeit zu einer mehr oder weniger vollausgebildeten allgemeinen demenz.

wie gesagt, diese geschichte liegt schon über zwei jahrzehnte zurück und natürlich könnte auch eine zufällig gerade in dieser zeit voll "aktiv" gewordene primär "hirnorganische" krankheit mit verantwortlich gewesen sein - das kann ich nicht mehr rekonstruieren. aber selbst in diesem falle würde sich die frage nach dem oder den auslösern dieser aktivität stellen.

und damit zu dem, was heute immer als psychosoziale bedingungen bezeichnet wird: das klima - und zwar sowohl allgemein als speziell das arbeitsklima - dieser station war ein durchaus desolates: eine autoritär auftretende und willkürlich handelnde stationsleiterin, medikamenten- und alkoholprobleme bei teilen des personals - und einige phänomene mehr, die heute wohl unter den begriffen mobbing und burn-out laufen würden (supervision war natürlich völlig unbekannt). das verhältnis zu den "patientInnen" wiederum war unter diesen umständen - wie konnte es auch anders sein? - ein verdinglichendes in dem sinne, dass die reibungslosigkeit des betriebs vorgeordnet an erster stelle stand, weit vor allen etwaigen bedürfnissen der alten. dazu wurde großzügig von medikamenten, v.a. psychopharmaka, gebrauch gemacht. die reine befriedigung der körperlichen grundbedürfnisse wurde zwar gewährleistet, jedoch wurde auch hier der formale rahmen an die erste stelle gesetzt. was konkret bspw. bedeutete, dass der wunsch einer alten frau nach einem zusätzlichen nachtisch beim mittagessen glatt abgeschmettert wurde - "aus prinzip". es blieb jeden tag einiges an essensportionen über, und diese reste wurden jeden tag in den "schweineeimer" geschmissen und entsorgt. an der verfügbarkeit eines zweiten nachtisch lag es also nicht.

aber am "prinzip". was hier als synonym dafür zu lesen ist, dass ein großteil des personals die alten als störend und lästig empfand - gerade und besonders dann, wenn sie bedürfnisse äußerten, die über die vorgeschriebene minimalversorgung hinausgingen. ich will hier generell kein altenpflegerInnen-bashing betreiben: dieser beruf ist aus meiner perspektive einer der schwierigsten, den es gibt. die ständige konfrontation mit verfall, krankheit und v.a. dem tod unter bedingungen von personalknappheit (Sie wissen schon: die "betriebswirtschaftliche logik"...) und grotesk schlechter bezahlung verlangt eine enorme persönliche stärke, die aber unter den herrschenden gesellschaftlichen bedingungen niemals ausreichen kann. das nur am rande.

"minimalversorgung" jedenfalls meinte damals auch, dass die bedürfnisse nach aktivität und kommunikation - sofern noch vorhanden - seitens der bewohnerInnen in der art "befriedigt" wurden, dass diejenigen, die nicht ständig bettlägerig waren, nach dem frühstück angezogen wurden und bis zum - am späten nachmittag stattfindenden - abendessen in einen scheußlich eingerichteten raum vor den fernseher gepackt wurden - programm nebensächlich - und dort unter weitgehender sprachlosigkeit und sich selbst überlassen vor sich hindämmerten, bis sie wieder ins bett befördert wurden.

manifeste lieblosigkeit - auch ein synonym für soziale isolation. ich habe in den paar monaten dort selbst psychophysische symptome entwickelt, und bin nach einer schweren auseinandersetzung mit der erwähnten stationsleiterin auf eine andere station versetzt worden, auf der ich eine art gegenmodell zum gerade beschriebenen kennenlernen konnte. ein pflegeteam, das aus den eigenarten und den persönlichen fähigkeiten seiner mitglieder heraus sowohl insgesamt ein ganz anderes arbeitsklima etablieren konnte und v.a. seine aufgaben auch jenseits des vorgeschriebenen minimalismus suchte und fand. so wurden zb. spielnachmittage und ausflüge organisiert, und besonders jeden tag und immer wieder das gespräch mit den alten gesucht - und sich zeit genommen. ich kann von heute aus nicht sagen, ob die verantwortliche stationsleitung dazu besondere kämpfe mit der heimleitung ausfechten musste. ich vermute eher, dass lediglich die vorhandenen möglichkeiten konsequent ausgeschöpft wurden.

und als basis dafür braucht es u.a. ein empfinden dafür, es bei pflegerischen tätigkeiten eben nicht mit irgendwelchen dingen zu tun zu haben, die sich beliebig in die ecke stellen lassen - und später wieder rausgeholt werden.

*

warum ich diese geschichten gerade erwähnt habe, sollte eigentlich deutlich sein. und seit damals muss ich immer wieder über einige aspekte von demenz nachdenken, die mir deutliche botschaften zu enthalten scheinen, welche unter berücksichtigung des themas soziale isolation noch deutlicher zu werden:

demenz bedeutet vergessen. und ich kann mir kaum etwas in einem gewissen sinne wirkungsvolleres vorstellen als strukturelle hirnveränderungen, um einsamkeit, schmerzen, demütigungen und allgemeinen stress ein für alle mal anscheinend zu entkommen.

demenz bedeutet selbstverlust. und damit verschwindet die angriffsfläche für die gerade genannten negativen zustände.

demenz bedeutet einen funktional autistischen zustand immer weiter um sich greifender (scheinbarer) beziehungslosigkeit. die sich speziell und konkret in den sozialen beziehungen manifestiert. das lässt sich als sehr umfassenden rückzug aus dem wichtigsten bereich des menschlichen lebens interpretieren.

und mit all dem obigen ganz eng zusammen hängt für mich der letzte aspekt, den ich erwähnen möchte: demenz bedeutet letztlich eine rückkehr in die früheste kindheit. zu meinen alltäglichen arbeiten damals gehörten füttern, windelwechsel sowie waschen - alte babys. ein zustand der zunehmenden hilflosigkeit, in dem die elementarsten körperfunktionen eine - wie auch immer konkret aussehende - zuwendung und aufmerksamkeit praktisch "erzwingen". ich kann mir nicht helfen: auch das lässt sich als ein - nicht "bewußt" durchgeführter und aus bestimmter perspektive kreativer - ausweg aus einer position der isolation interpretieren, bei dem selbstachtung, scham- und stolzgefühle keinerlei hindernisse mehr darstellen können, weil sie schlicht vergessen werden.

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was aus dem obigen für folgerungen bezgl. unserer lebensverhältnisse zu ziehen sind, möchte ich Ihnen überlassen.

Sonntag, 4. Februar 2007

assoziation: "Ein verstörender Trip in ein System vor dem Kollaps"

so lautet der letzte satz eines artikels zu - nein, nicht zu den kommenden klimaveränderungen, sondern zu einer neuen fernsehserie. tv-frei, wie ich sehr weitgehend bin, interessiert mich nun diese serie zwar weniger (auch wenn die inhalte recht realitätsgetreu zu sein scheinen), nichtsdestotrotz ist der satz eine absolut passende überschrift für diese neue ausgabe des kleinen presserundblicks.

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ich weiß, dass hier noch einiges gerade an antworten auf kommentare von verschiedenen leserInnen aussteht - und möchte die betreffenden deshalb schon mal um entschuldigung bitten. ich bin persönlich gerade in einer stresssituation und komme deshalb nur sporadisch zur arbeit hier im blog.

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und einiges gibt es gerade aus den letzten tagen nachzutragen, was ich thematisch relevant finde. ich fange mit ein paar ergänzungen zu verschiedenen blogthemen an.

der sog. amoklauf von emsdetten ist, wie nicht anders zu erwarten war, bereits schon wieder halb dem öffentlich-medialen vergessen anheim gefallen. ich hatte damals besonders zum aspekt der auffälligen geschlechtlichen verteilung bei amok-tätern bzw. der frage, ob es sich dabei um ein "männliches" phänomen handelt, geschrieben:

(...)"bis auf weiteres tatsächlich ja. zwar gibt es auch affekttaten von frauen, hauptsächlich im sog. häuslichen beziehungsbereich. aber diese besondere art der öffentlichen gewalt, schwerbewaffnet und grundsätzlich wahllos, ist bisher eine männliche domäne. ich glaube allerdings, dass es nur noch eine frage der zeit ist, bis sich das ändert: ähnlich wie bei den essstörungen, von denen seit kurzer zeit inzwischen auch zunehmend mehr und mehr männer betroffen sind, während gleichzeitig prügelnde mädchengangs deutlich machen, dass eine emanzipation, die sich in abstrakter (objektivistischer) "gleichstellung" erschöpft, keine wirkliche emanzipation darstellt"(...)

ich hätte mir - ähnlich wie in anderen fällen - gewünscht, dass meine obige prognose nicht so schnell zur realität wird:

"Eine angetrunkene Frau hat in Halberstadt mit einem Messer wahllos auf Passanten eingestochen. Wie die Polizei mitteilte, wurden dabei gestern Abend drei Menschen verletzt. Die 28-jährige Täterin habe das Messer zunächst einer 66-jährigen Frau an den Hinterkopf geschlagen. 20 Minuten später habe sie eine junge Frau oberhalb der Brust verletzt. Danach habe die Frau noch einen Radfahrer angegriffen. Ihm sei das 17 Zentimeter lange Küchenmesser so in die Schulter gerammt worden, dass er operiert werden musste."(...)

ich bin persönlich bei meiner spekulation ebenfalls davon ausgegangen, dass für den fall solcher taten von frauen gleichfalls ein relativ junges alter der täterinnen zu beobachten sein wird - einfach deswegen, weil alle menschen, die etwa seit 1980 geboren worden sind, völlig ohne jede wahl und vergleichsmöglichkeiten in die zunehmenden realen antisozialen verfallsprozesse dieser gesellschaft - die sich v.a. in einer explosion virtueller bzw. objektivistischer phänomene manifestiert - gezogen worden sind und werden. zusammen mit den jeweiligen individuellen entwicklungs(un)möglichkeiten und - bedingungen ist das ein punkt, den ich nicht unterschätzen würde (selbst für den fall, dass die betreffende junge frau noch in der alten ddr sozialisiert geworden sein sollte - dieser staat hatte bekanntlich seine eigenen varianten der verdinglichung, und hat sich dazu, wie der gesamte sog. ostblock, immer nur im vergleich mit dem extremkapitalismus des westens wahrgenommen - und ist darüber letztlich in einer position des anhängsels, der billigen kopie, gelandet.)

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was ich gerade oben geschrieben habe, sollte etwas klarer werden bei ansicht eines artikels, der sich u.a. näher mit der üblen erscheinung des sog. happy slapping beschäftigt:

(...)"Happy slapping - so heißt im Szenejargon die absonderliche Mode, mit der Handykamera Misshandlungen aufzunehmen, die man selbst begeht. Happy slapping, fröhliches Dreinschlagen, wird häufig nicht als Gewaltakt wahrgenommen, die Opfer werden nicht als Opfer angesehen, sondern eher als Kleindarsteller, oft kommen sie zufällig des Wegs, sind zur falschen Zeit am falschen Ort.

Slappen ist eine Art kollektives Freizeitvergnügen. "Es tut gut, irgendwelche Leute zu verhauen, außerdem macht es Spaß", ist in einem Chatforum im Internet zu lesen, und: "Auch wenn es denjenigen, die verhauen werden, wahrscheinlich wehtut, ist es witzig, als ob man einen Sketch im Fernsehen sieht."(...)


dieses "zur falschen zeit am falschen ort" sein ist übrigens für mich von genau der gleichen art, wie es sich bei opfern von amokläufern finden lässt - was weitergedacht auch bedeutet, dass den täterInnen der konkrete mensch jeweils mehr oder weniger in allen aspekten völlig egal ist - mittel zum zweck. soll das nun noch als interpersonale gewalt (= aus einer entgleisten, wenn auch noch grundsätzlich und realen subjektiven wahrnehmung heraus) begriffen werden, oder doch eher als grundsätzlich a-personale (der/die andere kann und wird nicht mehr als mensch wahrgenommen)? die wahrscheinliche antwort findet sich auf der dritten seite des artikels:

(...)"Klaus Hurrelmann, der Erziehungswissenschaftler aus Bielefeld, denkt vor allem an die Opfer, wenn er eine Erklärung dafür sucht, warum so oft nach dem Zufälligkeitsprinzip zugelangt wird.

Der Ehrenkodex hat sich geändert und damit das Verhältnis zwischen Opfer und Täter." Es gebe keine Regel mehr, die das Opfer schütze, sein Schicksal spiele keine Rolle mehr. Wie auch, fragt er, wo doch der Mensch, der malträtiert werde, "in einer Mischung aus Kurzschluss und psychischem Ausnahmezustand nicht mehr als Mensch wahrgenommen wird?".

Heute gehe es selten darum, die Missetat eines anderen zu vergelten, sich für eigenes Unrecht zu rächen. Der Mensch, der auf der Straße, in der Schule geprügelt werde, sei in der Wahrnehmung der Täter "ein virtueller Mensch".(...)


yo. der letzte satz bringt es auf den katastrophalen punkt, der eine entwicklungstendenz zusammenfasst, die für sich ebenso einen solchen öffentlichen alarm auslösen müsste, wie es gerade hinsichtlich des klimas zu beobachten ist (ich bin dabei, nicht sehr überraschend, der meinung, dass es zwischen den beiden entwicklungen gar nicht mal so untergründige verbindungen gibt - mehr dazu später).

nur den "psychischen ausnahmenzustand" würde ich präzisieren wollen: genauer wäre es, von einem zustand der psychophysischen schädigung der wahrnehmungsgrundlagen mit der folge der dominanz objektivierender bzw. objektivistischer/verdinglichender teilwahrnehmung zu reden. die im artikel ebenfalls erwähnte "langeweile" lässt sich bereits als symptom dieses zustands betrachten, weil sie als ausdruck einer impliziten und zwangsweise mit der dominanz des objektivistischen modus (der ja nur eine art werkzeug darstellt und für die aufgabe der kontinuierlichen sinnwahrnehmung weder gedacht noch funktionabel ist) zusammenhängenden sinnlosigkeit des lebens zu begreifen ist.

diese sinnlosigkeit ist dabei letztlich völlig unausweichlich in einer kultur, die sich - mit einiger wahrscheinlichkeit bedingt durch die massenhafte verbreitung von gewalt in so ziemlich allen sozialen bezügen mitsamt ihren traumatischen folgen, die sich eben auch in einer ebenso verbreiteten schädigung der wahrnehmungs- und empathiefähigkeiten manifestiert - schon seit jahrhunderten auf dem suizidalen irrweg der leugnung, verdrängung und abspaltung der tatsache befindet, dass menschen sowohl unabänderlich soziale wesen sind als auch - ebenso unabänderlich - von den engsten sozialen beziehungen angefangen bis hin zur verwobenheit in die planetarische ökologie in ein uraltes und lebenslanges beziehungsgeflecht eingebunden sind, aus dem es selbst - ich sagte es früher schon - für autisten aller coleur keine realen, sondern immer nur halluzinierte - virtuelle - "ausgänge" geben kann. können diese tatsachen mitsamt den daraus folgenden möglichkeiten und aufgaben nicht (mehr) kontinuierlich als selbstverständliche realität wahrgenommen werden, so ist das gefühl einer umfassenden und ständigen sinnlosigkeit die logische konsequenz. und diese totalitäre leere wird dann, jeweils kulturabhängig, mit beliebigen konstruktionen - also produkten des objektivistischen modus - versucht zu füllen. global beliebt dabei "götter" und "nationen", die sich heute in einen wettlauf mit dem konsequenten und auf eine historisch neue weise totalitär verdinglichenden ökonomismus des westens befinden, der auf seine perverse art und weise die ganze geschichte auf den kranken und in einem klinischen sinne wahnsinngen punkt bringt: quantifizierung, vergleich, abstraktion und konkurrenz. und es ist absolut kein zufall, dass damit genau die internen "funktionsprizipien" des objektivistischen modus im menschen benannt sind.

und "suizidaler irrweg" deswegen, weil das genannte beziehungsgeflecht zwar keine realen ausgänge, aber für jedes individuum ein sehr reales ende hat: nämlich den eigenen tod. das ist und bleibt die einzige (!) möglichkeit, wobei diese in diesem beziehungsgeflecht bereits vorgesehen ist, ebenfalls einen teil dessen darstellt und auch sinnvolle funktionen erfüllt.

was in einem strukturellen oder funktionellen autistischen/objektivistischen modus befindliche menschen allerdings - leider - können, ist die zerstörung gerade derjenigen materiellen grundlagen und teile des beziehungsgeflechtes, die für das überleben nicht nur unserer spezies lebensnotwendig sind. wer einen entscheidenden teil der eigenen wahrnehmungsfähigkeiten eingebüßt hat (und stattdessen als objektivistisches surrogat z.b. den eigenen quantifizierbaren profit als einzigen "lebenssinn" zur verfügung hat), wird erstens weder rücksichtnahme auf soziale und ökonomische beziehungen und grenzen kennen, zweitens weitgehend ignorant gegenüber allen entsprechenden warnsignalen bleiben (von denen das leid von lebewesen für alle empathiefähigen menschen eines der wichtigsten darstellt), und drittens im schlechtesten fall nicht einmal das problem begreifen können - und damit ist eine unüberwindlichende grenze für jeden heutigen begriff von "politik" gesetzt, die abstrakt und objektivistisch von einer diffusen "gleichheit" aller menschen ausgeht. es gibt nun aber real durchaus qualitative psychophysische unterschiede zwischen menschen, die im extremfall die wahrnehmung völlig unterschiedlicher welten bedeuten - die nazis z.b. haben mit ihrem gerede von "untermenschen" imo nicht nur unsinn erzählt, sondern auf ihre eigene art und weise ihren wahrnehmungsstatus durchaus korrekt beschrieben - und sie haben uns mit ihrem handeln einen deutlichen hinweis darauf hinterlassen, was derartige wahrnehmungsbeschränkungen für folgen haben können (die schweren und ernsten konsequenzen aus dieser situation für alle bestrebungen, die auf radikale und nötige gesellschaftliche veränderungen abziehen, sollen ein anderes mal thema sein.)

*

was ich mit dem obigen konkret meine, wird anhand eines tp-artikels gleich mehrfach deutlich: einmal werden dort die neuesten bestrebungen des konzerns "exxon" thematisiert, mittels lobbyarbeit (dieser konzern und seine diesbezgl. methoden waren in einem der letzten beiträge hier schon thema) die uno-studie zur globalen erwärmung zu wiederlegen - die offensichtliche gleichgültigkeit gegenüber den verheerenden folgen des eigenen handelns, die mafiöse art und weise der manipulationsversuche sowie das augenscheinliche interesse am profit einiger weniger machen diesen und andere konzerne als objektivistische institutionen deutlich, die sehr berechtigt als "feinde des planeten" bezeichnet werden müssen.

zum anderen wird einer der vom kapital gekauften wissenschaftler mit worten zitiert, die an klarheit und deutlichkeit nicht mehr zu wünschen übrig lassen - und sie machen meiner meinung nach das, was ich oben abstrakt versucht habe zu beschreiben, in einer plastischen art und weise greifbar - der betreffende schreibt bezgl. all derer, die die notwendigkeit zu drastischen veränderungen des parasitären westlichen lebensstils sehen, folgendes:

(...)"Alles, was in Richtung Emissionsbegrenzung geht, zeigt eine `begrenzte Vernunft´ – und dient den Interessen einer mächtigen `tödlichen Koalition´– von Leuten, `die fossile Energien hassen, Autos, große Häuser, urbane Ausweitung, Autobahnen, reiche Leute, dicke Menschen, Industrie, Flugzeuge, Fleischkonsum, nicht recyclebares Papier und alles andere, was jemanden Freude bereitet (...)"

eines der eindrucksvolleren beispiele der irren - und real tödlichen - logik des mainstreams der westlichen kultur, wie ich finde. hier steht alles buchstäblich auf dem kopf, d.h. weist eine unübersehbare perverse und v.a. dingorientierte tendenz auf: "fossile energien, autos, große häuser, großstädte, autobahnen, reichtum, industrie, flugzeuge" gelten hier nicht als mittel, die menschlichen lebensnotwendigen grundlagen zu sichern und dabei mit realer rationalität (= eine rationalität, die aus der gesamten vollständigen subjektivität stammt und darum auch emotional fundiert ist) die positiven und negativen konsequenzen von technischen errungenschaften und bestimmten lebensstilen abzuwägen und bei überwiegen letzterer die betreffenden "errungenschaften" eben auch nötigenfalls - und zwar letztlich im eigenen interesse - abzuschaffen bzw. verträglich anzupassen. nein, das einzige "argument", welches für klimaschäden durch fossile energien, landschaftsversiegelung durch urbanität, tausende verkehrstote und die gesamten negativen folgen unserer wahnsinnigen motorisierung, immense soziale verwerfungen und instabilitäten durch die ungerechtigkeiten des arm-reich-gefälles, die endlos bekannten risiken aller art durch übermäßige industrialisierung, die ebenfalls nicht mehr zu verantwortenden schäden durch den flugverkehr, das elend von millionen tieren und sonstige katastrophale wirkungen des westlichen lebensstils vorgebracht wird, ist - und das ist kaum zu glauben, auch wenn´s zu erwarten war:

freude.

es ist erstens interessant zu sehen, wie im angesicht der nur noch von kompletten ignoranten und bewußten tätern zu leugnenden desaströsen folgen des kapitalismus gerade ein vertreter der benannten gruppe all das ideologische geschwafel von "rationalität" und "objektivität" eben als genau das kenntlich werden lässt, und sich auf die verpönten gefühle zurückzieht (den aspekt der projektion, mit dem im obigen zitat kritikern "hass" vorgeworfen wird, lasse ich hier mal außen vor):

"wir prassen, verschwenden und vergiften uns und alle anderen zwar, führen ein wahrhaft parasitäres leben nicht nur auf kosten von milliarden heutiger menschen und eigentlich der gesamten ökosphäre, sondern ruinieren gleich auch noch unzählige kommende generationen mit und üben mit all dem bzw. den mitteln zur durchsetzung dieser lebensweise zwar massive gewalt aus - aber das macht uns freude"

zweitens aber ist es ungeheuer wichtig, sich über den psychophysischen ursprung dieser "freude" klarzuwerden: sie ist letztlich ein surrogat, ein objektivistisches konstrukt, welches die reale unfähigkeit zum genießen - zu dem zeit, stille, intensität und v.a. liebesfähigkeit im weitesten sinne gehört - nicht mal mehr ansatzweise verdecken kann. was alleine dadurch bestätigt wird, dass es sich im kern hier um "freude" an prozessen der destruktion und vernichtung handelt. und bezgl. des letzteren sollten wir imo diese "freude" wortwörtlich nehmen: ich vermute, dass es sich bei extrem vielen vertreterInnen der heutigen "eliten" letztlich um leute handelt, die sich selbst, andere menschen und alles lebendige überhaupt zutiefst hassen und verachten. das ist eine logische folgerung aus ihrem mörderischen treiben. zum anderen aber ist tatsächlich der surrogatcharakter wichtig: in einer grundsätzlich autistischen/objektivistischen wahrnehmung gibt es keinerlei authentische sinnlichkeit, die in all ihren vielfältigen erscheinungsweisen für echte freude (und darüber auch für impliziten lebenssinn) sorgen kann. stattdessen wird eine pervertierte freude alleine aus den konstruktionen gezogen, die der objektivistische modus produzieren kann: mehr haben - und zwar in einer quantifizierbaren und konkretistischen art und weise - als andere (hier dürfte die eigentlich quelle für das irrsinnige raffen von geld und beliebigen dingen zu suchen sein) ; sich in einem ebenfalls quantifizierbaren und konkretistischen maßstab größer als andere fühlen (einer der wichtigsten motoren für alle hierarchischen systeme).

schauen Sie sich einfach mal in unseren verschiedenen lebensbereichen um, wo dort überall diese quantifizierbaren und konkretistischen maßstäbe zu finden sind - und Sie können sehen, wie weit die surrogate für ein authentisches soziales leben bereits in diese gesellschaft eingedrungen sind.

*

es ist höchste zeit, sich von dieser wahnsinnigen und suizidalen verirrung radikal zu verabschieden.

Montag, 27. November 2006

assoziation: ausweitung der kampfzone - fragen und anmerkungen zum amok neuen typs

"Ich wohne in Denver und möchte fast jeden Einwohner dort umbringen. Ihr versteckt euch am besten alle in euren Häusern, aber ich werde jeden erwischen. Ich werde zielen, um zu töten, und ich werde alles vernichten"

(eric harris, einer der beiden täter aus littleton vor der tat auf seiner website - zitiert nach: götz eisenberg "amok - kinder der kälte"; rowohlt, hamburg 2000; isbn 3 499 22738 X; s.88)

*

(...)"Das führte dazu, dass der junge Mann im Februar 2005 auf eine damals 19-Jährige mit einem 20 Zentimeter langen Küchenmesser einstach. Als Grund dafür nannte er später „Hass auf Menschen“, er habe einfach irgendjemanden umbringen wollen. Die Polizei sprach von einer „Zeitbombe für Neumarkt“.(...)

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"Ich hasse euch und eure Art! Ihr müsst alle sterben!
Seit meinem 6. Lebensjahr wurde ich von euch allen verarscht! Nun müsst ihr dafür bezahlen!"

(aus dem abschiedsbrief von sebastian b.)

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"Aber in Wahrheit kann nichts die immer häufigere Wiederkehr jener Augenblicke verhindern, in denen Ihre absolute Einsamkeit, das Gefühl einer universellen Leere und die Ahnung, dass Ihre Existenz auf ein schmerzhaftes und endgültiges Desaster zuläuft, Sie in einen Zustand echten Leidens stürzen."

(michel houllebecq "ausweitung der kampfzone"; rowohlt tb; hamburg 2000; isbn 3 499 22730 4; s.15)


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1. ist die bezeichnung "amok" für taten wie in emsdetten, erfurt und littleton angemessen?

hierzu habe ich im gleichen beitrag, aus dem das obige zitat über das messerattentat von neumarkt stammt, angemerkt:

(...)"nun ist dieses wort inzwischen medial mit einer bedeutung aufgeladen, die sich vom ursprung des begriffs recht weit entfernt hat (die berüchtigten "schulmassaker" der letzten jahre wie zb. in erfurt erfüllen einige der gleich aufgeführten kriterien nicht; so war zb. in den meisten fällen durchaus eine gezielte planung/vorbereitung der täter zu verzeichnen) - ein "echter" amokzustand zeichnet sich meines wissens durch mehrere einmalige eigenschaften aus: er entsteht a) anscheinend aus dem "nichts" heraus, also sehr plötzlich; ist b) an ein begrenztes zeitfenster (das können auch nur ein paar minuten sein) gebunden; stellt c) einen extremen psychophysischen zustand mit teils deutlich verifizierbaren veränderungen zb. des muskeltonus im gesamten körper (unwillkürliche extreme anspannung) und stark herabgesetzter schmerzempfindlichkeit dar; und wird d) in der regel von einer nachfolgenden amnesie beim amoklaufenden begleitet - d.h., die erinnerung an die taten im amokzustand sind wie ausgelöscht und nicht bewusst zugänglich. all diese phänomene zusammengenommen haben dazu geführt, dass amokereignisse in teilen der psychiatrischen forschung inzwischen im weitesten sinne den dissoziativen zuständen zugerechnet werden" (...)

ein echter amokzustand lässt sich also auch durchaus als ein extremkonzentrat solcher bewußtseinszustände betrachten, die im allgemeinen unter begriffen wie eruptiv und affekttaten zusammengefasst werden. und das übergreifend als dissoziative zustände zu begreifen, scheint mir duchaus berechtigt zu sein.

auf die fraglichen taten wie die des sebastian b. jedoch treffen diese kriterien bei näherer betrachtung nicht zu - hier geht es eher teils um jahrelange entwicklungen, die rückblickend betrachtet mit unerbittlicher konsequenz auf ihr tödliches finale zulaufen. und gerade bei den jeweiligen taten an schulen fällt die lange vorlaufzeit auf, in denen die täter durchaus mehr oder weniger offen ankündigen, was sie zu tun gedenken - und auch, warum sie es tun wollen. von daher wäre es, wenn denn der begriff hier überhaupt weiter benutzt werden soll, sinnvoller, von einem amok neuen typs zu sprechen - und damit ist die frage implizit gestellt, wie zu diesem phänomen kommen kann. ebenfalls stellt sich allerdings eine weitere frage:

2. warum wird vor allem medial hartnäckig an der bezeichnung "amok" festgehalten?

wenn ich davon ausgehe, dass sich die meisten mainstreammedien keinesfalls der information über reale zustände verpflichtet fühlen, sondern - und zu dieser feststellung reicht u.a. die frage nach ihren besitzern - es erstens als ihre aufgabe betrachten, die herrschenden zustände primär zu rechtfertigen (egal, wie subtil oder kritisch das auch im einzelfalle geschehen mag) und zweitens im zusammenhang mit diesem zweck zunehmend dazu übergehen, simulationen, fakes und als-ob-realitäten als quasi drogenförmige sedativa zu produzieren und zu verbreiten, dann wird deutlich, dass sich die obige frage nicht nur als wortklauberei abtun lässt.

ich vermute, dass eher die allgemein verbreiteten assoziationen zum wort amok eine große rolle spielen: etwas irgendwie unverständliches und unheimliches, das einzelne täter - und ihre opfer - genauso "schicksalhaft" trifft wie ein blitzschlag. und die größtenteils unter diesem namen daherkommende "ursachenforschung" landet jedesmal mit zuverlässiger sicherheit bei killerspielen und wahlweise dem ruf nach mehr disziplin und kontrolle bei kindern / jugendlichen oder eben nach mehr pädagogen und psychologen.

diese diskussionen - deren inhalten ich durchaus ein fitzelchen berechtigung zugestehe, dazu später mehr - sind ein zuverlässiges indiz vor allem für eine tatsache: diese gesellschaft will größtenteils weiterhin nichts davon wissen, was sie permanent für eine realität produziert - eine grundsätzlich und potenziell für alle mörderische nämlich, und bei nicht dissoziierter wahrnehmung ist es fast unmöglich, diese korrekte wahrnehmungsebene zu verleugnen.

womöglich haben wir also am beispiel des wortes amok eine art modell vor uns, wie medial daran gearbeitet wird, wahrnehmungen zu fragmentieren / zu spalten: als-ob-zusammenhänge werden konstruiert (wie im falle der pc-spiele; wobei das für die konstruktion zuständige bewußtseinswerkzeug wie früher schon beschrieben immer nur mit realem material arbeiten kann - daher der nicht umgehbare realitätskern in dieser als-ob-erklärung, wobei dieser kern nach bearbeitung durch den objektivistischen modus so verfremdet ist, dass seine bezüge faktisch mehr oder weniger unkenntlich sind); und primäre zusammenhänge (die bspw. im brief des sebastian b. in der sinnfrage implizit enthalten sind), die viele mitglieder dieser gesellschaft womöglich dazu zwingen würden, die herrschende realität anders zu begreifen, werden so lange aufgesplittet, bis die tat tatsächlich seltsam bezugslos erscheint oder aber nur noch in verzerrten bezügen vermittelt wird.

diesem vorhaben stehen im aktuellen fall die virtuellen äußerungen des täters etwas im wege; und womöglich ist das der tiefere grund für die beobachteten versuche, diese virtuellen spuren quasi unsichtbar zu machen.

3. was ist mit der ungleich verteilten empathie für den täter und seine opfer?

eine interessante frage; und sie wird imo nicht ausreichend dadurch beantwortet, dass es sebastian b. aus was für gründen auch immer glücklicherweise nicht vermochte, andere mit in den tod zu nehmen. "nur" etliche verletzte also, und dieses "nur" mag in einer spektakelsüchtigen gesellschaft bereits einen teil der antworten bedeuten. ich vermute jedoch - auch anhand meiner eigenen, und durchaus auch ambivalenten reaktionen - noch weitere ebenen: opfer sind unattraktiv und uncool, sie sind in gewisser weise lästig, weil sie eine eigene deutliche positionierung zur tat verlangen - und weitergedacht ebenso natürlich zum kontext der tat, der aber hier - wie oben schon angedeutet - praktisch sofort grundsätzliche fragen nach dem eigenen leben in dieser gesellschaft aufwirft. unbequeme fragen also noch dazu. diese merkwürdige art der täterorientierung - und zwar ausdrücklich nicht in dem sinne, die entwicklungsgeschichte einer tat emotional und kognitiv zu verstehen, um sie für die zukunft mittels präventiven handlungen, die radikale gesellschaftliche veränderungen beinhalten, möglichst ausschließen zu können - ist nicht nur im aktuellen fall zu beobachten.

dazu kommt - und das lässt sich an unterschiedlichsten medialen orten, vor allem aber hier im netz, wahrnehmen: es gibt zwischen teilen der botschaft des täters und einem größeren publikum prozesse der wiedererkennung eigener zustände. und ich vermute, gerade dieser umstand ist letztlich für die oben erwähnten zensurversuche hauptverantwortlich. der brief, soviel inhaltlich fragliche und auch faschistoide momente er auch enthält, scheint einiges von den aktuellen gesellschaftlichen tiefenströmungen auszudrücken - und es sollte nicht der fehler gemacht werden, alle staatlichen handlanger für so dumm zu halten, dass sie diesen effekt nicht bemerken würden. einen aspekt dieser wiedererkennung hat übrigens imo vor ein paar tagen die taz ganz gut auf einen wichtigen punkt gebracht:

(...)"Der Brief ist ein ganz genau ausgearbeitetes Zeugnis klassischer Teenage Angst mit allem, was dazu gehört - bekannt eben nicht nur aus Büchern, Fernsehen, Kino und Popmusik, sondern auch aus dem eigenen Leben von wohl fast jedem Jungen, der in der westlichen Welt groß geworden ist: Die Umgebung versteht einen nicht, Mädchen beachten einen nicht, Lehrer kümmern sich nicht, Zukunftsversprechen sind nichts wert. Die große, gemeine Konsumoberflächenwelt lenkt von den wesentlichen Fragen ab. Und die Gesellschaft ist nicht bereit, Abweichungen zu akzeptieren und lockt stattdessen mit einem teuflischen Pakt: Gib deine Individualität auf, und du bekommst Teilhabe."(...)

was haben die opfer außer ihrem trauma da noch entgegenzusetzen? aber gerade die wahrnehmung dieser realität - das ein in welcher art und weise auch immer psychophysisch ge- und beschädigter junger mann sein persönliches trauma auf diese art und weise an anderen sozusagen multipliziert - ist imo grund genug dafür, sich sowohl mit dem täter als auch mit den opfern gleicherweise empathisch auseinanderzusetzen. auch, wenn es gerade bezgl. der letzteren enorme schwierigkeiten dabei gibt:

(...)"Oft hassen wir die Opfer nachgerade: Sie verursachen in uns großes Unbehagen, wir schämen uns für unser Mitgefühl, weil wir das Opfer in uns selbst hassen. Der Haß resultiert aus unserer Scham, daß wir uns selbst einmal zu Opfern gemacht haben, als wir uns unterwarfen. Und daran wollen wir nach Möglichkeit nicht erinnert werden."(...)

(arno gruen "der wahnsinn der normalität"; siehe literaturliste, s.92/93)


so ein fazit von gruen, welches er u.a. aus der untersuchung verschiedenster mordprozesse in den usa zieht, bei denen es - vielleicht ähnlich dem fall o.j. simpson - zu einer mehr oder weniger offenen öffentlichen solidarisierung mit den jeweiligen täterInnen kam, während ihre opfer dem schweigen anheimfielen (oder schlimmstenfalls zu schuldigen wurden). das dürfte strukturell dem entsprechen, was alice miller in ihrem zitat im beitrag zu saddam hussein weiter unten im blog bezgl. der öffentlichen wirkung von diktatoren beschrieben hat: bewunderung und entschuldigung (beides hat nichts zu tun mit einem bemühen um verständnis für den hintergrund der taten!) sind oft genug der falsche gegenpol zur ebenso falschen verdammung und dehumanisierung der täter, mit denen sie nicht nur quasi aus der menschheit ausgeschlossen werden, sondern damit gleichzeitig auch vorhandenen verbindungen zu unserem lebensstil entsorgt werden sollen - um den preis der ständigen wiederholung des terrors.

was gruen mit "unterwerfung" meint? nun, wir alle haben uns - bis auf glückliche ausnahmefälle, bei denen die eltern psychophysisch im eher gesunden bereich waren - bereits als kinder dem zwang zur anpassung unterworfen - schule und arbeitswelten bauen später darauf "nur" noch auf. und irgendwo wissen wir das auch alle - und bei vielen dürfte darin ein grund liegen für die unerträglichkeit der wahrnehmung, wenn andere menschen wirklich frei sind (wenig genug sind`s und können es unter diesen bedingungen tatsächlich relativ(!) sein) - sie erinnern uns an das, was wir sein könnten - genauso, wie opfer uns an das erinnern, was wir meistens auch sind - und damit an ohnmacht, angst, scham und demütigung.

eine weitere mögliche ebene hatte ich neulich hier in einem anderen kontext erwähnt - in solchen taten stecken immer auch informationen über den gesellschaftlichen status quo, und...

"...ist da nicht auch die information enthalten "wir - verdienen es nicht anders, solange wir so kollektiv vor der grausamkeit ausweichen, wegschauen, sie relativieren und derealisieren oder gar rechtfertigen und entschuldigen - solange werden eben genauso willkürlich und brutal weiter kinder verschwinden, wird weiter gefoltert und gemordet werden - solange, wie wir an die märchen dieses systems glauben und uns als überlebende und gewinner halluzinieren (nur unter schwerem empathieverlust überhaupt möglich)" (und seien Sie sicher - am ende wird es weder das eine noch das andere geben)."

anders: der gegenpol der mangelnden empathie für die opfer, nämlich die weigerung, den täter in irgendeiner weise zu verstehen (was, ich muss mich da wiederholen, nicht mit akzeptanz gleichzusetzen ist!), macht blind und taub für die tatsache, dass wir insgesamt kollektiv dringend aus solchen und anderen taten konsequenzen ziehen müssen - und die weigerung, genau solche konsequenzen zu ziehen, zeichnet imo mehrheitlich diejenigen aus, die sich einem verstehen verweigern - darin nicht unähnlich denen, die bis heute immer noch bspw. die ns-verbrechen als "nichtverstehbar" hinstellen. auch dieser standpunkt ist ein bequemer in dem sinne, als das "unverstehbares" nicht die eigene lebensweise tangieren kann. aus diesem grund bezeichne ich diese position auch als reaktionär.

4. sind solche täter "psychisch" krank? (anders: was sagt die orthodoxe psychiatrie dazu? und wie sehen alternativansätze aus?)

ich habe es hier in beiträgen bspw. zu folter oder gewalt an kindern immer wieder erwähnt, und wiederhole das jetzt: wer mehrfach bewaffnet und mit bomben am körper eine von hunderten kindern / jugendlichen bevölkerte schule betritt und dort tatsächlich anfängt, um sich zu schießen - der befindet sich - wie andere täter auch - zwingend in einem objektivistischen wahrnehmungsmodus mit den hauptkennzeichen empathielosigkeit und verdinglichung (seiner selbst und aller anderen). das alleine - zusammen mit der gerade bei solchen taten meist offen erkennbaren suizidalen tendenz - legt eine schwere psychophysische pathologie mehr als nahe. zum problem mit den etablierten psychiatrischen diagnosen und ihren definitionen von gesundheit / krankheit habe ich hier ebenfalls schon ausgiebig geschrieben - und das folgende sollte auch unter diesen gesichtspunkten gelesen werden:

(...)"Bei etwa der Hälfte der dokumentierten Amokläufe schien es der Göttinger Forschungsgruppe möglich, Indizien für schwerwiegende psychische Störungen der Täter festzustellen, die sie in einem breiten Spektrum von Psychosen (Schizophrenie, Depression, paranoide Störung) bis hin zu `psychopathischen Normvarianten´ angesiedelt sahen. Thomas Knecht gelangt im Rahmen der inzwischen verfeinerten und weiterentwickelten psychiatrischen Diagnostik zu dem Schluß, daß man beim Gros der Amokläufer eine sogenannte narzißtische oder Borderline-Persönlichkeitsstörung vermuten könne, die durch folgende Züge charakterisiert sei: Ich-Schwäche, Identitätsunsicherheit, erhöhte Vulnerabilität und Kränkbarkeit, einen passiv-aggressiven Charakter und eine Neigung zu unkontrollierbaren Impulsdurchbrüchen. Nebenmerkmale seien berufliche Überanpassung, häufiger Stellenwechsel, Beziehungsschwierigkeiten, sexuelle Abstinenz und Waffenfanatismus.

Auch bei meiner Sichtung von Presseberichten über Amokläufe der letzten Jahre habe ich den Eindruck gewonnen, daß zwischen den charakteristischen Zügen des Amokläufers und den Leitsymptomen der Borderline-Persönlichkeitsstörung eine auffällige Übereinstimmung herrscht."(...)


kinder der kälte - titel

- so götz eisenberg auf den seiten 34/35 seines eingangs bereits zitierten buches "amok - kinder der kälte". wir halten also fest: erstens wird seitens der orthodoxen psychiatrie "etwa die hälfte" dokumentierter amoktaten als von pathologischen persönlichkeitsstrukturen herrührend betrachtet; und zweitens tauchen zwei wohlbekannte diagnosen aus dem bereich der beziehungskrankheiten wieder mal auf: die narzisstische und die borderline-ps. wenn Sie schon länger hier lesen, wird Ihnen vermutlich nachvollziehbar sein, warum gerade borderline schon seit jahren als diagnose eine art schreckgespenst nicht nur für die derart diagnostizierten, sondern auch für viele therapeutInnen aller coleur darstellt: ob es sich um politische diktaturen handelt, gewalttätige eltern, antisoziale manager und jetzt noch amokläufer: immer taucht borderline unter den ersten namen auf, wenn es um passende diagnosen geht. ist das sachlich berechtigt? wie üblich bei dieser frage kann ich nur mit "jein" antworten, und verweise auf die entsprechenden beiträge hier im blog - suchen Sie im index oder der seiteninternen suchmaske.

grundsätzlich habe ich hier eine ähnliche meinung wie bei vielen anderen gewaltformen: die etablierten psychiatrischen ansätze, und auch die orthodox-psychoanalytischen, sind aufgrund strukturell fehlerhafter menschenbilder nur beschränkt in der lage, für tatsächlich realitätsangemessenes verständnis zu sorgen. ich halte sebastian b. und andere täter schon für psychophysisch gestört, aber die art dieser störung ist nur fragmentarisch und/oder verzerrt in den heutigen diagnostischen katalogen enthalten.

5. ist amok ein "männliches" phänomen?

bis auf weiteres tatsächlich ja. zwar gibt es auch affekttaten von frauen, hauptsächlich im sog. häuslichen beziehungsbereich. aber diese besondere art der öffentlichen gewalt, schwerbewaffnet und grundsätzlich wahllos, ist bisher eine männliche domäne. ich glaube allerdings, dass es nur noch eine frage der zeit ist, bis sich das ändert: ähnlich wie bei den essstörungen, von denen seit kurzer zeit inzwischen auch zunehmend mehr und mehr männer betroffen sind, während gleichzeitig prügelnde mädchengangs deutlich machen, dass eine emanzipation, die sich in abstrakter (objektivistischer) "gleichstellung" erschöpft, keine wirkliche emanzipation darstellt. nicht frauen in polizei und bundeswehr stellen ein indiz für tatsächlichen gesellschaftlichen fortschritt dar, sondern die realisierung von verhältnissen, in denen polizei und armeen zunehmend mehr und mehr beschäftigungslos werden würden, würde so einen fortschritt bedeuten.

konstruierte identitäten, die bis heute den kern der gesellschaftlichen geschlechterstereotypen bilden, sind beliebig austausch- und natürlich auch dekonstruierbar - aber das eigentliche problem versteckt sich eher dahinter: konstruierte identitäten bilden primär krücken für diejenigen, die aufgrund psychophysischer schäden die (körperlichen) grundlagen ihrer eigenen authentischen identität entweder nicht (mehr) wahrnehmen oder aber deren grundlagen erst gar nicht entwickeln konnten. aus dieser perspektive wird deutlich, dass bspw. sebastian b. eine sehr martialische, sehr reduzierte und sehr klassische "männliche" identität eher wie ein kleidungsstück genutzt hat, um die sichtbare tatsache der unfähigkeit zum eigenen authentischen sein quasi zu maskieren. und in diesem punkt unterscheidet er sich keinesfalls von millionen menschen, die sich mit derartigen konstruktionen ebenfalls durchs leben schlagen. unterscheiden tut er sich aber bspw. von typischen strukturellen soziopathen (die solche konstrukte - und nichts weiter - gewohnt sind) dadurch, dass er zumindest zeitweise unter dieser authentischen unfähigkeit gelitten haben muss - stichwort ungehörte hilferufe.

6. was haben virtuelle welten zb. in pc-spielen mit all dem zu tun?

ich stelle diese frage nicht umsonst nach dem gerade thematisierten - konstruierte identitäten oder auch simulationen von identität und realität stellen imo den wahren kern in der debatte rund um die rolle der "killerspiele" dar:

(...)"Welche Rolle spielt das Internet und Computerspiele bei solchen Taten?

Das kommt auch nur bei bestimmten Persönlichkeiten zum Tragen, nämlich solchen, die den "Als-ob-Charakter" von Internet-Spielen nicht erkennen, sondern das eins zu eins nehmen. Ballerspiele führen nicht bei allen Jugendlichen zu vermehrter Gewalt, sondern nur bei bestimmten, die dann mehr und mehr die Unterschiede zwischen Fantasie, virtueller und realer Welt nicht mehr erkennen. Hinzu kommen in der Regel aber die Persönlichkeitsstörungen oder psychiatrischen Auffälligkeiten von Amokläufern."(...)


ich bin der meinung, dass die letzten sätze korrigiert werden müssen: bei vielen der unter den persönlichkeitsstörungen laufenden diagnosen ist es ein ganz zentrales problem, dass die - objektivistisch produzierten - simulationen und konstruktionen hierarchisch nicht mehr der gesunden, authentischen und vollständigen subjektivität als werkzeug dienen, sondern das verhältnis auf dem kopf steht: die simulationen, fakes und konstruktionen springen kompensatorisch in einem elementaren mangelzustand anstelle der gesunden realitätswahrnehmung ein. und dieser prozeß dürfte einen ganz zentralen teil bei allen beziehungskrankheiten ausmachen. um den richtig benannten als-ob-charakter virtueller welten nicht mehr als solchen erkennen zu können, ist eine schwere wahrnehmungsschädigung - materiell-körperlich basiert - eine grundsätzliche vorbedingung.

ich habe übrigens so meine eigenen erfahrungen mit mörderischen virtuellen welten, und vor einigen jahren lange nächte mit spielen wie gta 3 und dem nachfolger, gta vice city sowie den ersten teil von max payne verbracht. und ich ziehe daraus für mich folgende schlüsse - in kurzform:

erstens würde ich kindern bis mindestens 16 jahren den umgang mit solchen spielen nicht gestatten wollen, zweitens können sie - gerade bei der virtuellen detailfülle und den möglichkeiten der "gta"-reihe - tatsächlich einer art flucht incl. suchteffekten vorschub leisten (dazu reicht ihre nutzung in einer schwierigen lebensphase ohne weitere persönliche dispositionen imo bereits aus), drittens aber habe ich sie als aggressionsabbauend erlebt (kann mir aber auch das gegenteil vorstellen), und viertens - deswegen halte ich sie für eine kunstform - stellen sie, ähnlich wie gute science fiction, beklemmende dystopien dar - in der gta-reihe unterlegt mit zynischem humor, während "max payne" nicht nur aufgrund tatsächlicher entsprechender traumsequenzen alptraumartige züge aufweist. in "gta 3" ist die an new york angelehnte stadt namens "liberty city" (bereits der name ist der blanke hohn auf die kapitalistische "freiheit") säuberlich unterteilt in die machtbereiche verschiedener banden und clans - von der cosa nostra über die triaden und den yakuza bis hin zum kolumbianischen kokain-kartell ist die elite der als solches definierten organisierten kriminalität vorhanden, und dazwischen tummeln sich etliche, ethnisch organisierte streetgangs. eine brutale und korrupte polizei sowie extrem mißgelaunte und ständig schlagbereite passantInnen vervollständigen ein virtuelles bild, welches sich bei der betrachtung der realität in diversen regionen des planeten nur als prophetisch bezeichnen lässt. vielleicht ist das auch ein - versteckter - grund für manche zensurbestrebungen. in "vice city" und indirekt auch in "gta 3" gibt es dazu regulär bzw. mittels cheats die möglichkeit, selbst als spielfigur amok zu laufen bzw. die gesamte stadtbevölkerung in einen amokartigen kampfzustand "alle gegen alle" zu verwickeln.

"max payne" hingegen - mit der durchaus interessanten story "soziopathische konzernchefin überschwemmt mithilfe der mafia die gesellschaft mit einer droge, abfallprodukt von waffenversuchen der us-army" - weist alle elemente eines ego-shooters auf, und in dieser rolle des "einsamen rächers" sind die grenzen zum amok permanent fließend. wobei die dort gezeichnete virtuelle welt mit ihrer extremen grausam- und bösartigkeit auch quasi dazu auffordert, mit ihr bzw. ihren virtuellen einwohnern schluß zu machen (ich finde es übrigens ein ganz interessantes detail, dass sowohl in diesem spiel als auch in "gta 3" die jeweils als eiskalt dargestellten oberbösen (konzernchefin, sowie weibliche bosse der yakuza und der kolumbianischen mafia, bei der cosa nostra werden in "gta 3" dazu noch witze über den mutterkult italienischer mafiosi gemacht) jeweils frauen sind - dazu in "max payne" mit allen zügen einer bösen mama, die letztlich auch eine tochterfigur - die frau von max payne - sowie ihr "enkelkind", noch ein baby, umbringt bzw. umbringen lässt. ich kann mir schlecht vorstellen, dass sich spiele-entwickler mit borderline-müttern befassen - woher also stammen diese bilder?)

vielleicht mögen sich nun gerade diejenigen unter Ihnen, die mit solchen spielen nichts im sinn haben, in ihrer ablehnung bestätigt fühlen - aber ich möchte abschließend nochmal die zwei für mich entscheidenden punkte hervorheben: genauso wenig, wie bspw. ein naziparteitagsfilm von leni riefenstahl niemanden zum nazi machen kann, der/die nicht schon entsprechende dispositionen besitzt, kann eine virtuelle spielwelt jemanden zum amok bringen. der zusammenbruch der wahrnehmungsfähigkeiten, welche die grenzen zwischen virtuell und real unsicher werden lassen, hat mit solchen spielen imo nichts zu tun. sie können einen fortschreitenden prozess der de-realisierung (als dissoziatives phänomen) möglicherweise verstärken - aber nicht auslösen.und vor diesem hintergrund sollte der aktionismus "verbietet die killerspiele!", der uns gegenwärtig mal wieder als hauptmaßnahme gegen taten wie in emsdetten präsentiert wird, als das verstanden werden, was er imo tatsächlich ist: schein- und ablenkungsdebatten innerhalb gesellschaftlicher kreise, die ihre köpfe gegenüber der selbst produzierten realität größtenteils weiter tief im sand stecken haben.

***

bei der frage danach, woher denn nun dieser deutlich ausgesprochene allgemeine "hass auf menschen" bei den amoktätern stammt, kam mir bei betrachtung des briefes von sebastian b. sehr schnell ein buch in den sinn, dem ich gleichfalls die bezeichnung "dystopie" geben würde - ausweitung der kampfzone von michel houellebecq (hinter dem link verbergen sich eine kurze inhaltsangabe & rezension) war ende der 1990er und rund um die jahrhundertwende in mehreren europäischen ländern ein bestseller, was ich bei diesem buch nach wie vor bemerkenswert finde und mir als einleuchtendste erklärung scheint, dass der autor hier kollektive tiefenströmungen sehr unguter art angesprochen hat - und das ist etwas, was ich jetzt jenseits aller formalen literatur-, sprachkritik usw. näher unter die lupe nehmen möchte.

kampfzone - titel

der roman enthält letztlich viele themen, die auch hier im blog dominant sind: es ist erstens - in seiner hoffnungslosigkeit, seinem zynismus und seiner beschreibung schwerer beziehungsstörungen - ein echtes stück fiktionale borderline-literatur; es ist zweitens - ohne es jemals auszusprechen - ein bericht über allgemein verbreitete autistische züge im sozialen leben; es ist drittens eine - wenngleich ungenaue und inkonsequente - kritik an orthodoxer psychiatrie und psychoanalyse (die hier aber auch v.a. deswegen abgelehnt werden, weil der namenlose ich-erzähler eigentlich nicht wirklich wissen will, was mit ihm passiert); es macht viertens eine aufschlußreiche, konsequente und konkretistische gleichsetzung von sex = liebe auf; enthält fünftens eine fast schon geniale beschreibung des objektivistischen modus´ in funktion - und legt, damit zum letzten punkt, mit der aufdeckung einer bedrohlichen und tödlichen allgegenwärtigen lieblosigkeit meiner meinung auch die eigentliche basis (nicht nur) für den amok unserer tage frei.

der ich-erzähler ohne namen arbeitet als informatiker, ist materiell relativ gut gestellt - und entwickelt im verlaufe der geschichte, die er in einer ständig beobachtenden position beschreibt, eine schwere psychophysische krise, die er an sich selbst und an anderen vor allem an der unmöglichkeit, menschliche beziehungen einzugehen - was sich für ihn v.a. am vorhandensein bzw. nichtvorhandensein sexueller beziehungen manifestiert - festmacht. er beschreibt eine zunehmend sinnloser werdende welt von egozentrischen, vordergründig narzisstischen und sich ständig am arbeits- und sexmarkt prostituierenden persönlichkeiten, die als perspektive aus seiner sicht nichts weiter als die allmähliche aussonderung aufgrund alter und biologischem verfall vor sich haben. liebe in all ihren möglichen variationen, auch und gerade freundschaft (und freundlichkeit), ist in dieser welt nicht (mehr) vorhanden (besser: kann nicht mehr wahrgenommen und/oder geäussert werden, was aber aufs gleiche hinausläuft).

im verlauf des romans unternimmt er mit einem kollegen eine geschäftsreise, erlebt und beschreibt dessen scheitern beim versuch des "frauenaufreißens" (auch so ein verräterisches wort) und empfiehlt diesem dann zur "bedürfnisbefriedigung" einen mord (und nicht nur an dieser stelle wird der implizite bezug zum amok imo sehr deutlich - lassen Sie sich nicht von der oberflächlichen thematik ablenken):

(...)"Was soll ich bloß tun?", sagte er.

"Hol dir doch einen runter."

"Meinst du, es ist gelaufen?"

"Natürlich. Es ist schon lange gelaufen, von Anfang an ist es gelaufen. Du wirst nie einen erotischen Traum für junge Mädchen darstellen, Raphael. Du musst dich damit abfinden; diese Dinge sind nichts für dich. Auf alle Fälle ist es längst zu spät. Der sexuelle Misserfolg, Raphael, den du seit der Pubertät erfahren hast, die Frustration, die dich verfolgt, seit du dreizehn bist, werden in dir eine unauslöschliche Spur hinterlassen. Selbst wenn du irgendwann einmal Frauen haben solltest, was ich ehrlich gesagt nicht glaube, wird das nicht genügen; nichts wird jemals genügen. Du wirst immer ein Waisenkind dieser Jugendlieben bleiben, die du nicht erfahren hast. Die Wunde in dir schmerzt; sie wird immer schmerzhafter werden. Eine schreckliche, unbarmherzige Bitterkeit wird am Ende dein Herz erfüllen. Für dich gibt es weder Erlösung noch Linderung. So ist das. Aber das soll nicht heißen, dass dir jede Möglichkeit der Rache verboten ist. Diese Frauen, die du so sehr begehrst, kannst du auch besitzen.(...) du kannst schon jetzt ihr Leben besitzen. Noch heute Abend sollst du die Laufbahn des Mörders betreten; glaub mir, mein Freund, das ist die einzige Chance, die dir bleibt. Wenn du diese Frauen vor der Spitze deines Messers zittern und um ihre Jugend flehen siehst, wirst du wahrhaftig ihr Herr und Meister sein; du wirst ihren Leib und ihre Seele besitzen."(...)

(houllebecq "ausweitung der kampfzone"; s.o., s.126/127)


mehrere strukturen sind hier bemerkenswert: die durchaus für viele männer immer noch realität darstellende ausschließliche vorstellung, dass sex - und zwar nur sex - die einzige und "eigentliche" form zwischenmenschlicher beziehungen darstelle (konkretistische, d.h. gegenständlich-objektivistische wahrnehmung: sex als engste und wortwörtlich "naheste" möglichkeit der beziehung - in der realität verhält sich das bekanntlich durchaus nicht so), dient hier als ausgangspunkt für eine vernichtende kausalkette: kein sex = keine beziehung = ewige schmerzen = endpunkt rache.

wenn ich mir die lebensläufe der vorwiegend jung-männlichen amoktäter anschaue, mit den immer wieder festgestellten merkmalen der sozialen isolation incl. fehlens von beziehungen zu frauen, und dazu die entsprechende gesellschaftlich herrschende ideologie und praxis berücksichtige, in der sexualität tatsächlich zu einer art alles dominierendem platzhalter für die mehr und mehr fehlende vielfalt von lebendigen und liebevollen menschlichen beziehungen geworden ist, zu allem überfluß auch noch zusehends unter die räder der "marktgesetze" geraten ist - äußere attraktivität konform der jeweiligen mainstreamproduzierten nachfrage mitsamt der fähigkeit, das eigene image gut zu verkaufen, erhöhen die eigenen chancen, von anderen als investitionswürdiges (zeit, aufmerksamkeit) objekt der begierde wahrgenommen zu werden - wenn ich mir also diese verhältnisse so betrachte, dann ist es für mich eine plausible möglichkeit, dass die - glücklicherweise in relation bisher immer noch kleine - gruppe der jugendlichen amoktäter auch versucht, tatsächlich an derlei erbärmlichen verhältnissen rache zu üben. ich möchte das ausdrücklich als these verstanden wissen.

auch der ich-erzähler gebraucht, wie schon gesagt, sexualität während des ganzen romans in ziemlich genau dem gerade skizzierten rahmen als metapher für beziehungen überhaupt, und das bedeutet für den sex nichts weiter als eine hoffnungslose überfrachtung hinsichtlich seiner möglichkeiten und seines sinns. sicher, sexuelle frustrationen können verdammt schmerzhaft sein, jedoch entsteht dieser schmerz erstens bei niemandem in einem gesellschaftlichen vakuum, und kann zweitens durch andere gelebte beziehungsformen doch recht stark relativiert werden. diesbezgl. befindet sich die figur des erzählers in der "kampfzone" nicht nur in einer eben solchen, sondern vor allem auch in einem wahrnehmungstunnel.

im buch schrammt der kollege des erzählers dann tatsächlich kurz an einem (doppel-)mord vorbei, um wenig später in einem sehr suizidverdächtigen autounfall (die näheren umstände werden bewußt mystifizierend offengehalten) sein unglückliches leben zu beenden.

*

weisen die obigen aspekte für mich schon eine sehr spezielle verbindung zum amokthema auf, so betrachte ich die allgemeine atmosphäre des romans, die ich oben schon kurz skizziert habe, als potenziellen humus für amok - potenziell deshalb, weil es eben einige verschiedene möglichkeiten gibt, mit den dystopischen zuständen irgendwie "klarzukommen". der namenlose erzähler agiert eher nach innen aus, landet im weiteren verlauf bei einem psychiater mit der diagnose einer depression, verläßt seinen job bzw. wird gleichzeitig entlassen, und landet schließlich in einer psychiatrischen klinik. wo er sich u.a. folgende gedanken zu seinen mitpatientInnen macht:

(...)"Ich verfiel langsam auf den Gedanken, dass all diese Leute, Männer wie Frauen, überhaupt nicht gestört waren; sie litten bloß unter einem Mangel an Liebe. Ihre Gesten, ihr Verhalten, ihre Mimik zeugten von einem herzzereißenden Durst nach körperlicher Berührung und Zärtlichkeit; aber das war natürlich nicht möglich. Deshalb wimmerten sie, stießen Schreie aus, zerkratzten sich mit ihren Fingernägeln. Während meines Aufenthalts hat einer sich erfolgreich kastriert."(...)

("ausweitung der kampzone"; s.164)


der mangel an liebe ist natürlich in einer allgemeinen art eine ganz richtige diagnose (und zieht dazu ganz real diverse störungen im psychophysischen funktionieren nach sich); die gleichzeitig wieder durch die oben thematisierte einschränkung des liebesbegriffes verzerrt und in gewisser weise auch entwertet wird. das macht der erzähler im "finale" des buches selbst deutlich, zu dessen einleitung er zunächst aus der psychiatrie entlassen wird:

(...)"Ich verließ die Klinik an einem 26. Mai; ich erinnere mich an die Sonne, die Wärme, die Atmosphäre der Freiheit auf den Straßen. Es war unerträglich."(...)

("ausweitung der kampfzone"; s.165)


ohne Sie erschrecken zu wollen - aber in meinen eigenen krisenzeiten hätte ich ganz haargenau ähnliche sätze formulieren können. für mich heute u.a. symptome einer krankheitswertigen wahrnehmungsverschiebung ins objektivistische hinein. und mit diesem begriff komme ich dann zum schluß des buches, welches auch gleichzeitig das für mich eindrucksvollste zitat überhaupt liefert. der erzähler begibt sich nach einem kurzen und trostlosen intermezzo in seiner leeren wohnung (wo er zudem beginnt, selbstverletzendes verhalten zu praktizieren) auf eine reise ohne ziel, und beobachtet sich an derem ende in folgender art und weise:

(...)"Das Wetter ist wunderschön, mild, frühlingshaft. Auch der Wald von Mazas, schön und zutiefst beruhigend. Ein richtiger Gebirgswald mit steil ansteigenden Pfaden, Lichtungen, einer Sonne, die überall durchdringt. Die Wiesen sind von Narzissen bedeckt. Man fühlt sich wohl und ist glücklich; weit und breit kein Mensch. Etwas scheint hier möglich zu sein. Man hat das Gefühl, sich an einem Ausgangspunkt zu befinden.

Und plötzlich verschwindet alles. Eine große geistige Ohrfeige wirft mich zurück auf mein innerstes Wesen. Und ich prüfe mich, werde ironisch, aber gleichzeitig habe ich Achtung vor mir. Wie sehr ich mich, bis ans Ende, zu großen geistigen Bildern fähig fühle! Wie deutlich die Vorstellung noch ist, die ich mir von der Welt mache!(...)

Ich lege mich auf eine Wiese in die Sonne. Und jetzt auf einmal der Schmerz, während ich in dieser so sanften Wiese liege, mitten in dieser so freundlichen, beruhigenden Landschaft. Alles, was Quelle der Teilnahme, der Lust, der unschuldigen Sinnesharmonie hätte werden können, ist zu einer Quelle von Unglück und Schmerz geworden. Gleichzeitig empfinde ich heftig die Möglichkeit der Freude. Seit Jahren marschiere ich an der Seite eines Gespenstes, das mir gleicht und das in einem theoretischen Paradies lebt, in engster Beziehung zur Welt. Ich habe lange geglaubt, dass es mir möglich wäre, diese Gestalt zu erreichen. Jetzt nicht mehr.

Ich fahre noch etwas tiefer in den Wald hinein. (...) Die Landschaft ist jetzt so sanft, so freundlich und froh, dass mir die Haut wehtut. Ich bin mitten im Abgrund. Ich spüre meine Haut wie eine Grenze; die Außenwelt ist das, was mich zermalmt. Heilloses Gefühl der Trennung; von nun an bin ich ein Gefangener in mir selbst. Die sublime Verschmelzung wird nicht stattfinden; das Lebensziel ist verfehlt. Es ist zwei Uhr nachmittags."

("ausweitung der kampfzone"; s.169/170)


das ist - zumindest für mich - eine ganz eindeutige darstellung dessen, was ich hier immer wieder als objektivistischen wahrnehmungsmodus bezeichne - und ich nehme jetzt mein eigenes entsprechendes werkzeug zur hilfe, um das deutlich zu machen.

- das "wohlfühlen und glücklich sein" ist an die abwesenheit anderer menschen geknüpft - nun kann ein derartiges alleinsein manchmal notwendig und wohltuend sein; im kontext dieser geschichte jedoch ist einsamkeit der dominierende zustand. und ein "wohlfühlen" in einsamkeit hat eher etwas damit zu tun, dass andere als störend empfunden werden. störend bei was?

- vermutlich bei den "großen geistigen Bildern" und der "Vorstellung(!) von der Welt" - die ganze und gesunde subjektive wahrnehmung ist geschädigt, und als kompensation treten bilder und fiktionen der realität an deren stelle. in dieser situation ist die wahrnehmung der vielfältigen und ständig vorhandenen beziehungsmäßigen einbindung in die welt (und zu anderen menschen) nicht mehr vorhanden - u.a. mit dieser folge:

- "Alles, was Quelle der Teilnahme, der Lust, der unschuldigen Sinnesharmonie hätte werden können, ist zu einer Quelle von Unglück und Schmerz geworden." was für ein satz! eigentlich spricht er für sich selbst, aber trotzdem: der dominante objektivistische modus kann diese teilhabe (= beziehungswahrnehmung) funktional nicht "produzieren", sondern nur tote fiktionen davon.

- das "Gespenst" stellt folgerichtig die gesamte, körperlich basierte subjektivität (incl. körper) dar, von der sich der beobachtende objektivistische modus quasi verabschiedet hat - und jetzt als (fiktiver) gegenpol fungiert.

- und wenn die (unauflöslichen) beziehungen zur welt nicht mehr wahrgenommen werden können, kann die gesamte "außenwelt" einen bedrohlichen, "zermalmenden" touch bekommen - die objektivistische wahrnehmungsposition ist auch eine latent paranoide. gefangen in sich selbst...

- die lakonische feststellung "Es ist zwei Uhr nachmittags." weist auf den automaten- bzw. computerhaften werkzeugcharakter dieses zustandes hin - unbeeindruckt wird bis zum letzten und unter (fast) allen umständen beobachtet und registriert; und letztlich bedeutet der bezug auf ein objektivistisches und abstraktes, fremdbestimmtes zeitraster auch so etwas wie (als-ob)sicherheit.

so. und warum ich finde, dass das alles eine menge mehr als bspw. pc-spiele mit den psychophysischen zuständen von jungen amokläufern zu tun hat - diese frage können und dürfen Sie sich eigentlich jetzt selbst beantworten. vor allem dann, wenn Sie einerseits die empathielosigkeit und andererseits auch das selbstmitleid berücksichtigen, welches ein entgleister und dominanter objektivistischer zustand mit sich bringt - ersteres zwangsläufig, das zweite eher nur in bestimmten konstellationen.

Montag, 20. November 2006

assoziation: zu den "schulen des verbrechens"

ich hatte im verlauf dieses beitrags vor ein paar monaten auf einen artikel aufmerksam gemacht, in dem folgende - von heute aus betrachtet regelrecht prophetische - worte zu lesen waren:

(...)"Gestörte Jugendliche und verurteilte Sexualstraftäter bleiben sich selbst überlassen, die Behörden sind blind für das, was ihnen gegenüber nötig wäre, und taub für alle Alarmzeichen"(...)

im weiteren verlauf des artikels wird anhand einer konkreten geschichte sehr deutlich, wie die heutigen bedingungen in den knästen hierzulande regelrecht zu einer unvermeidbaren antisozialen bzw. soziopathischen entwicklung führen können (vielleicht bilden die knastbedingungen ja auch den letzten trigger, um bei entsprechend disponierten - was u.a. auch traumatisiert bedeuten kann - persönlichkeiten die im letzten blogbeitrag erwähnten entsprechenden gene zu aktivieren?)

all das fiel mir bei betrachtung des gerade medial verwursteten foltermordes in der jva siegburg wieder ein - erst recht, als ich das hier las:

(...)"Der Mord in Siegburg sei natürlich ein Einzelfall."

aber "natürlich" (siehe weiter unten).

"Doch insbesondere für Jugendliche sei die Zeit im Gefängnis hart. "Sie müssen sich behaupten, sonst gehen sie unter", sagt der Psychologe. Jugendliche versuchten, Macht über Schwächere auszuüben, so bildeten sich Hierarchien. "Sprichwörtlich" sei es, jemanden zu zwingen, den Kopf in die Kloschüssel zu stecken.

Auch "Abzocke" sei üblich: Gefangene drohen demnach anderen damit, dass sie etwas "auf die Schnauze" bekommen, wenn sie etwa keinen Tabak abgäben oder sich weigerten, "Dienstleistungen" auszuüben, wie beispielsweise die Zelle zu putzen. All das gehöre zur Subkultur. Auch Vergewaltigungen seien keine Einzelfälle."(...)


"subkultur" = andere köpfe in die kloschüssel stecken, ansätze von sklaverei, vergewaltigungen. so einfach lässt sich die tatsache von existierender folter in öffentlichen und von steuergeldern finanzierten institutionen als ein PAL (problem anderer leute) von sich selbst abwälzen. keine frage danach, warum wohl die jugendlichen versuchen, "macht über schwächere" auszuüben - keine frage danach, dass dieser präfaschistische sozialdarwinismus durchaus in den herrschenden gesellschaftlichen ideologien mehr als stillschweigend toleriert wird. keine frage danach, welche "wertsysteme" die täter einfach nur in einem unter knastbedingungen besonders extremen konzentrat ausagieren.

und vor allem keine frage danach, ob die institution gefängnis überhaupt jemals etwas anderes erzeugt hat als entweder gebrochene menschen, oder aber vermehrt haß- und racheerfüllte antisoziale ins außen entlässt. ich habe manchmal das gefühl, die psychophysischen wirkungen wären nicht ganz so destruktiv, wenn klipp und klar gesagt werden würde: ihr seid hier drin, um rachebedürfnisse zu stillen (abschreckung oder gar "besserung" gehören erwiesenermaßen nicht zu den wirkungen von strafen). es würde zwar die grundsätzlichen bedingungen nicht ändern, aber immerhin ein stück ehrlichkeit in der gesellschaftlichen kommunikation wiederherstellen (generell dazu: ich habe früher an anderer stelle hier schon mal deutlich gemacht, dass ich rachebedürfnisse grundsätzlich bei den direkten opfern und ihrem umfeld nachvollziehen kann, aber aus ebenso grundsätzlichen erwägungen nicht akzeptieren möchte - rachegefühle entstehen v.a. bei ohnmachtsgefühlen, und auch das sagt einiges über die herrschenden zustände aus).

das einzige wirklich plausible argument für eine soziale isolation mittels einsperren bleibt bis auf weiteres der schutzaspekt - und auch das enthält solange einen zweifelhaften beigeschmack, wie hochgradig antisoziale mitglieder der "eliten" es immer wieder schaffen, jeglichen oder doch wirklich schweren gesellschaftlichen sanktionen zu entgehen.

hinsichtlich der nun aufkommenden forderung nach mehr einzelzellen stellt ein beitrag auf telepolis eine nötige, wenngleich finstere frage:

(...)"Retten Gemeinschaftszellen also wirklich mehr Leben, als sie kosten? Oder schätzt das Wachpersonal an ihnen vielmehr eine gewisse Blockwart-Wirkung, die Alpha-Häftlinge auf potentielle Querulanten ausüben, damit die Wärter nachts nicht so oft rausgeholt werden?"(...)

was würden Sie antworten? empört sein über diese unterstellung? und/oder den ahnungslosen spielen?

(...)"Der Wärterverband gab sich trotzdem überrascht. Friedhelm Sanker beteuerte, er hätte bis zu den Ermittlungen geglaubt, dass es solche Vorfälle nicht gibt. In den letzten Jahren kam es allerdings unter anderem in "Gemeinschaftszellen" in Oslebshausen, Berlin-Tegel, Recklinghausen, Zeithain, Köln, Ichtershausen, Schweinfurt, Naumburg, Fuhlsbüttel, Leipzig und im österreichischen Josefstadt zu ähnlichen Fällen, die darauf hindeuteten, dass es sich nur um die Spitze eines Eisberges handelt.

Als Anfang August 2003 herauskam, dass ein 14jähriger Untersuchungshäftling im Jugendtrakt der Justizanstalt Josefstadt von drei nur wenig älteren Mithäftlingen vergewaltigt wurde, erklärte der damalige Präsident des Jugendgerichtshofs, Udo Jesionek, dass es Justizwachbeamten zufolge "permanent" zu Vergewaltigungen komme."(...)


kann die schlußfolgerung aus den einlassungen seitens des wärterverbandes nicht eigentlich nur lauten, dass in diesem fall der großteil des wachpersonals als völlig untauglich für eine derartige aufgabe angesehen werden muss? die andere alternative würde nämlich tatsächlich heißen: es ist nicht unfähigkeit, sondern absicht. und ich weiß nicht, welche variante ich schlimmer finden würde.

fast schon schlimm finde ich hingegen folgende aussage bezgl. einzelhaft:

(...)"Zeichen einer übertriebenen Gemeinschaftsschwärmerei der Generation Joseph Fischers, die Einzelzellen als "Isolationsfolter" schmäht und die Augen davor verschließt, dass es auch Soziopathen gibt, die in Milieus wie Gefängnissen oder dem Militär durchaus bestimmendere Rollen als in Wohngemeinschaften einnehmen können?"

ohne der "generation joseph fischers" anzugehören oder anzugehören zu wollen, behaupte ich, dass in dieser aussage eine implizite verharmlosung der möglichen folgen von langer einzelhaft steckt - sensorische deprivation heißt hier das stichwort, und die damit verbundenen bekannten fakten gelten nicht nur für die reine isolationshaft, sondern - in individuell gemilderter, jedoch weiterhin grundsätzlich schädlicher form - auch für jegliche einzelhaft. anscheinend hat sich noch nicht überall herumgesprochen, dass das einsperren in engen räumen prinzipiell sehr schnell negative wirkungen auf die menschliche gesundheit nach sich zieht (versuchen Sie´s selbst nur für einen tag, am besten in einem fensterlosen badezimmer bei synthetischem licht).

all das obige spricht allerdings ebenfalls nicht gegen das berechtigte argument, dass es gerade in gefängnissen gehäuft zu einer ballung von antisozialen/soziopathischen persönlichkeiten kommt. ein primär reiner verwahrvollzug mit arbeitszwang kann diese persönlichkeitsstrukturen nicht nur nicht entschärfen, sondern bildet im gegenteil - spiegel der gesellschaft! - auch hier einen reinen humus für deren ungehindertes agieren. und das sich in gemeinschaftszellen solche persönlichkeiten genauso "durchsetzen" wie in den sonstigen "freien" gesellschaftlichen hierarchien, sollte beim heutigen wissen zu den antisozialen störungen im allgemeinen und den soziopathen im besonderen niemand mehr groß überraschen. die pseudoalternative einzelhaft vs. gemeinschaftszelle gleicht also eher der wahl zwischen pest und cholera.

aber womöglich müssen wir - wie so häufig in den verschiedensten anderen gesellschaftlichen bereichen auch - von den übelsten szenarien als den realitätsgetreuesten ausgehen:

"Aber vielleicht ist auch diese Ausübung von Macht durch Mitgefangene an mancher Stelle nicht ganz unerwünscht. Auf diese Weise werden nämlich im Grundgesetz verbotene Körperstrafen und Folter durch die Hintertür Bestandteil des Strafvollzuges und damit auch der "Abschreckung".(...)

in einer zeit, in der ein bekanntes nachrichtenmagazin mit der schlagzeile herauskommt "Die Deutschen müssen das Töten lernen", in der sich die armeelazarette mit traumatisierten soldaten füllen, die an anderen stellen schädelspielchen veranstalten, und in der sich der "terroralarm" als dauernd und gleichzeitig diffus verselbstständigt hat - in so einer zeit ist vielleicht die wiedereinführung eines modifizierten kapo-prinzips nur ausdruck der gleichen objektivistischen (und kranken) logik, die das leben auf diesem planeten für mehr und mehr menschen zu einer hölle werden lässt. willkommen in der freien welt!

Sonntag, 5. November 2006

assoziation: von zuständen, die wir nicht wissen wollen (und sollen)

nun ist er also zum tode verurteilt worden, der "wiedergänger hitlers" und inbegriff des "schurken" - für viele seiner opfer und ihrer angehörigen dürfte es sich dabei um die minimalste form von gerechtigkeit handeln; für uns hier in den ländern, die dem treiben saddams nicht nur passiv zugeschaut, sondern es noch aktiv unterstützt haben, bekommen allerdings ausdrücke der befriedigung sehr schnell bei- und nachgeschmäcker. doppelmoral und heuchelei sind dabei nur eine ebene, viel schlimmer finde ich die funktion des delegierten, bei der saddam hussein mit seinem eventuellen tode gleich noch die verantwortlichkeiten der (weltweiten) mittäter ins grab nehmen würde.

ich hatte schon früher einmal kurz ein paar gedanken zur todesstrafe skizziert, und sehe weiterhin keinen anlaß, um davon abzurücken. darum soll es aber jetzt nicht gehen, sondern um einige informationen, wie üblich bisher ohne sichtbare konsequenzen geblieben sind. und um mißverständnisse und fehlinterpretationen beim folgenden gleich zu vermeiden: lesen Sie sich bitte noch einmal meinen letzten kommentar dort durch, der deutlich genug sein sollte.

in einem älteren spon-artikel führt alice miller u.a. aus:

(...)"Es lässt sich nachweisen, dass sich der Charakter eines Tyrannen im Laufe seines Lebens nicht verändert, dass er seine Macht auf destruktive Weise missbraucht, so lange ihm kein Widerstand entgegen gesetzt wird oder so lange er jeden möglichen Widerstand im Keim ersticken kann. Denn sein eigentliches, unbewusstes, hinter allen bewussten Aktivitäten verborgenes Ziel bleibt unverändert: die in der Kindheit erfahrenen und verleugneten Demütigungen mit Hilfe der Macht ungeschehen zu machen. Da dies aber nie erreicht werden kann, weil sich das Vergangene nicht auslöschen und auch nicht verarbeiten lässt, solange man sein damaliges Leiden leugnet, ist das Unterfangen eines Diktators zum Scheitern im Wiederholungszwang verurteilt, für den immer neue Opfer den Preis zahlen. Selbstverständlich bin ich gegen die Todesstrafe im Allgemeinen, doch mit Ausnahme der Diktatoren."(...)

miller, die ich nun vorschneller schuldzuweisungen für unverdächtig halte, begründet diese entscheidung im weiteren damit, dass sich derartige persönlichkeiten auch dadurch "auszeichnen", im mehr oder weniger beteiligten publikum eigene traumatische erinnerungsspuren triggern zu können, die dann nach einer art projektiven entschuldigung> des täters verlangen, der selbst in halluzinierter form an die stelle der ursprünglich gewalttätigen und gleichfalls entschuldigten elternfigur trete:

(...)"Geschlagene, gequälte, gedemütigte Kinder, denen kein helfender Zeuge jemals beistand, entwickeln in der Regel später eine große Toleranz für die Grausamkeiten der Elternfiguren und offenbar eine auffallende Gleichgültigkeit, was das Leiden misshandelter Kinder betrifft. Dass sie einst selbst zu ihnen gehörten, wollen sie auf keinen Fall wissen, und die Gleichgültigkeit bewahrt sie davor, die Augen zu öffnen. So werden sie zu "Anwälten des Bösen", auch wenn sie noch so sehr von ihren humanen Absichten überzeugt sind."(...)

"Je umfangreicher die Verbrechen eines Tyrannen, desto mehr kann er auf Toleranz zählen, solange den Bewunderern der Zugang zum Leiden ihrer eigenen Kindheit verschlossen bleibt."(...)


das ist ein interessanter gedanke, aus dem miller dann für sich ihr fazit zieht:

(...)"Selbst wenn ich für die Kinder, die die Diktatoren einst waren, viel Mitgefühl empfinde, habe ich ganz und gar kein Mitleid mit einem Erwachsenen, der Menschen massenhaft hängen, erschießen oder vergasen ließ. Diesen muss meines Erachtens wie Ceausescu ihre Bühne vollständig entzogen werden, weil sie meinen, nur in der Allmacht existieren zu können und dadurch für andere gefährlich bleiben, solange sie leben."

das würde, wenn nach einer alternative zur todesstrafe gesucht werden würde, nur eine lebenslängliche soziale isolierung bedeuten können - und diese option finde ich bei der hartnäckigen weigerung so ziemlich aller menschlichen gesellschaften auf diesem planeten, sich die folgen ihres umgangs mit sich selbst und v.a. mit ihren kindern genau anzuschauen, nicht nur grundsätzlich sympathischer, sondern auch notwendig - denn mit den todeswünschen gegen personen vom schlage eines saddam hussein werden nicht nur täter, sondern auch zeugen quasi zur selbstentlastung des - bis auf die unmittelbaren opfer und ihres umfeldes - sozusagen vermittelt empörten publikums aus der welt geschafft. zeugen aber für was?

(...)"Saddam Hussein hatte, wie so viele Diktatoren, eine unglaublich traumatische Kindheit. Seine Mutter versuchte ihn abzutreiben, indem sie mit den Fäusten gegen ihren Unterleib schlug, sich mit einem Küchenmesser schnitt und dabei schrie: `In meinem Bauch trage ich einen Satan!´ Sie gab den Säugling weg zu seinem Onkel, einem gewalttätigen Mann, der den Jungen regelmäßig schlug, ihn den `Sohn eines Köters´ nannte, ihm beibrachte, wie man eine Waffe gebrauchte und Schafe stahl. Saddam verübte seinen ersten Mord im Alter von 11 Jahren. Seine politische Karriere konzentrierte sich auf die Ermordung seiner Landsleute, und er genoss besonders die Folter und Exekution von Offizieren, die mit ihm gekämpft hatten."(...)

(lloyd deMause "das emotionale leben der nationen"; siehe literaturliste, s. 29/30)


täter-opfer-dialektik. ein einwand gegen eine solche betrachtungsweise, der mir immer wieder begegnet, lautet ungefähr so: es sei doch zweifelsfrei festzustellen, dass längst nicht alle in ihrer kindheit schlecht bis grausam behandelten kinder später zu gewalttätigen erwachsenen würden; mithin sei eine kausale ableitung unzulässig (und stigmatisierend).

jein. eine kausale ableitung halte ich auch für unzulässig; allerdings möchte ich auf folgende, imo durchaus gesicherte, fakten hinweisen: erstens lassen sich nicht nur bei diktatoren, sondern auch bei "gewöhnlichen" gewaltverbrechern, bei angehörigen mafiöser strukturen und überhaupt bei als kriminell definierten verhaltensweisen (auf die jeweilige gesellschaftliche bedingtheit dieser definition muss ich wohl nicht besonders hinweisen) in den biographien der täter signifikant und überdurchschnittlich häufig als traumatisch zu begreifende kindheitseinflüsse finden. zweitens ist keinesfalls nur offene/physische und "spektakuläre" gewalt gegen kinder traumatisierend. drittens sind die folgen bis heute auch von vielfältigen sozialen einflüssen abhängig, u.a. von geschlechterstereotypen, die es gerade für männer wahrscheinlicher machen, selbst erlebte gewalt später im außen antisozial zu agieren und zu re-inszenieren (aber ebenfalls spielt die eigene sozio-ökonomische klassenlage vermutlich eine rolle, die bei angehörigen der mittel-, aber nochmehr der oberklassen dafür sorgen könnte, dass es hier im zusammenspiel von traumatischer struktur und den klassenspezifischen rollen bspw. eher zu "versteckten" formen des ausagierens kommen könnte - vielleicht auch eine quelle für "als-ob-persönlichkeiten"). viertens kann die erlebte gewalt auch durchaus zu primärer selbstdestruktion führen (bei vielen betroffenen frauen erkennbar). fünftens können traumatische erinnerungsspuren jahrzehntelang abgekapselt und wie eine zeitbombe im gehirn und körpergedächtnis verbleiben, bei einem durchaus als "normal" empfundenen funktionieren seitens der betroffenen und ihrer sozialen umwelt - ohne jemals "auffällig" zu werden (die mit dieser konstellation meistens verbundenen körperlichen beschwerden ohne erkennbare organische ursachen dabei mal vernachlässigt). sechstens ist ein traumahemmender faktor die echte menschliche unterstützung, die ein betroffenes kind findet - das ist insgesamt immer noch viel zu selten der fall, andererseits aber doch schon so häufig, dass sich auch aus dieser gruppe viele lebende beispiele dafür finden lassen, wie durchaus traumatische erlebnisse nicht zwangsläufig zu antisozialer bzw. selbstdestruktiver neuer gewalt führen müssen. all diese umstände werden von denen, die den oben erwähnten einwand vertreten, normalerweise nicht berücksichtigt. und auch das halte ich für unzulässig.

ich habe großen respekt vor allen traumaopfern, die es durch harte arbeit und meistens auch mit unterstützung anderer schaffen, aus den fatalen kreisläufen der re-inszenierung herauszukommen. aber fakt ist imo ebenso, dass es millionen und abermillionen menschen auf diesem planeten gibt, denen das - durch welche umstände auch immer - nicht gelingt. und diese bilden dann das reservoir, aus denen sich dann bei bestimmten konstellationen eben solche "monster" wie saddam hussein entwickeln. monster, die womöglich von anderen monstern benutzt werden?

(...)"Von allen Führern, die ich untersucht habe, ist sein Hintergrund einer der traumatischsten", sagte Psychiater Jerrold Post der "New York Times". Post entwickelt seit Jahrzehnten Psychogramme von Weltpolitikern für die US-Regierung. Er ist Gründer des Zentrums für Persönlichkeitsanalyse beim Geheimdienst CIA. Post hat seine Studien in einem neuen Buch veröffentlicht: "Leaders and Their Followers in a Dangerous World".

Nach Posts Recherchen starben Saddams Vater und sein zwölfähriger Bruder innerhalb weniger Monate, als seine Mutter mit ihm schwanger war. Aus Kummer habe sie vergeblich versucht, das ungeborene Kind und sich selbst zu töten. Nach der Geburt sei Saddam sofort an einen Onkel abgeschoben worden. Als Dreijähriger kehrte er zu der inzwischen wieder verheirateten Mutter zurück. Doch der Stiefvater habe ihn misshandelt und missbraucht, woraufhin Saddam zu dem Onkel zurückgekehrt sei. "Daraus entstehen Menschen mit einem 'verwundeten Ego'", sagte Post der Zeitung. Aus den meisten würden im Erwachsenenleben Versager, doch eine kleine Zahl entwickle einen bösartigen Narzissmus. Als andere Despoten mit dieser Ausprägung nennt Post Osama bin Laden, den nordkoreanischen Führer Kim Jong Il und Adolf Hitler. Sie zeichneten sich durch vier Merkmale aus: extreme Ich-Bezogenheit, Paranoia, Gewissenlosigkeit und den Willen, über Leichen zu gehen."


na, ob dem im auftrag der cia (bekanntlich nicht gerade ein dem humanismus verpflichteter verein) tätigen herrn bei seiner charakterisierung im letzten satz auch seine auftraggeber in den sinn gekommen sind? entsprechende persönlichkeitsanalysen von reagan und den beiden bushs würden bspw. ähnlich aufschlußreiche ergebnisse ans licht befördern - und die jahrelange liebschaft zwischen verschiedenen us-administrationen mit saddam hussein sowie die bei deMause zusammenfassend dargestellte teils offene ermutigung seitens bushs des ersten zur invasion von kuwait vor dem zweiten golfkrieg führen bei mir zu der frage, ob solche defekten persönlichkeiten nicht vielleicht sogar halb-bewußt seitens der selbsterklärten "guten" selektiert und irgendwann für zwecke des eigenen ausagierens eben auch benutzt werden. ein böser verdacht, der sich aber durch die obszönen zustände in dieser welt schon fast aufdrängt.

eine provokation zum schluß: die willkür und brutalität, mit der die einstigen opfer und späteren täter im akt der re-inszenierung dann wiederum neue opfer fordern - ob es sich dabei um massenmörderische diktatoren oder auch kindermörder handelt - lässt sich in eben dieser willkür nicht auch eine information an all jene unter uns finden, die sich - durchaus berechtigt - über diese gewalt empören? ist da nicht auch die information enthalten "wir - verdienen es nicht anders, solange wir so kollektiv vor der grausamkeit ausweichen, wegschauen, sie relativieren und derealisieren oder gar rechtfertigen und entschuldigen - solange werden eben genauso willkürlich und brutal weiter kinder verschwinden, wird weiter gefoltert und gemordet werden - solange, wie wir an die märchen dieses systems glauben und uns als überlebende und gewinner halluzinieren (nur unter schwerem empathieverlust überhaupt möglich" (und seien Sie sicher - am ende wird es weder das eine noch das andere geben).

*

das folgende hat dabei imo durchaus etliches mit dem obigen zu tun - es geht um einen interessanten selbstversuch:

(...)"Eine Expertin für Ernährung, die jeden Lebensmittelskandal kannte und die Zusammensetzung von Nahrungsmittel-Zusatzstoffen genauso auswendig wusste wie Rezepte für Dinkel-Brot. Ein Experte für Umweltfragen, der den Hickmans genau erklären konnte, wie hoch ihr Anteil an der Erderwärmung war. Und eine Verbraucherschützerin, die wusste, welche Firma in welchem Dritte-Welt-Land Diktatoren geschmiert und Minenarbeiter ausgebeutet hatte.

Die drei Experten durchstöberten Schränke, protokollierten Lebensgewohnheiten, zogen skeptisch Augenbrauen hoch und fällten am Schluss ein klares Urteil: Die Hickmans führten ein Leben, das gefährlich für sie selbst und rücksichtslos gegenüber anderen war. So wie das Leben von eigentlich jedem anderen Bewohner der westlichen Welt auch."(...)


ach - "...ein Leben, das gefährlich für sie selbst und rücksichtslos gegenüber anderen war. So wie das Leben von eigentlich jedem anderen Bewohner der westlichen Welt auch." - einer dieser sätze, die bei mir ein gefühl der - ja, erleichterung auslösen, weil in ihnen eine wahrheit ausgesprochen wird, die kollektiv größtenteils nicht gewusst werden will. und daher zu zuständen des irrewerdens an der eigenen - letztlich völlig korrekten - wahrnehmung führen kann.

mir fiele zu diesem satz noch allerlei ein, aber für den moment möchte ich Ihnen diese aussage nur als denkzettel mit in die kommende woche geben - denken Sie mal bei Ihren alltäglichen geschäften daran.

Montag, 30. Oktober 2006

assoziation: wenn die masken fallen - und weiteres zum (nicht nur) *schrecklichen gelächter* (2)

(eigentlich war das folgende als update zu diesem beitrag gedacht (falls Sie ihn noch nicht gelesen haben sollten, tun Sie es für Ihr eigenes verständnis jetzt) - dann wurde es lang und länger, und hätte zusammen mit dem ersten teil vermutlich den platz gesprengt. so wird das also ein eigener zweiter teil, mit dem ich das gewisse lachen dann auch erstmal wieder verbannen möchte).

*

wie schon öfter, so haben auch die verschiedenen aspekte dieses beitrags (teil 1) es vermocht, zunächst noch eher nebelhafte erinnerungen bei mir anzustoßen, die sich dann vor ein paar tagen geklärt haben - zum schrecklichen gelächter nun ein paar gedanken von klaus theweleit und kate millet. zunächst zitiert theweleit ausgiebig rigoberta menchú, die von einem vorfall in einer indigenen siedlung in guatemala anfang der 1980er jahre berichtet:

"Das Militär ist da. Das ganze Dorf ist zum Antreten befohlen, damit es eine Ansprache `des Offiziers´ entgegennehme. Der Hauptmann hat vor, eine Lehrstunde abzuhalten über gefangene `Guerilleros´ und eine Demonstration, was mit denen geschieht, die sich mit der Guerilla einlassen."(...)

(dieses und alle folgenden zitate aus: klaus theweleit, "das land, das ausland heißt"; dtv, münchen 1995; isbn 3-423-30449-9; s. 50 - 53)


die soldaten hatten gefolterte gefangene mitgebracht, deren schicksal immer wieder während der mehrstündigen ansprache als abschreckendes beispiel angeführt wurde:

"Allen Gefolterten gemeinsam war, daß sie keine Fingernägel mehr hatten und daß man ihnen Teile der Fußsohlen abgeschnitten hatte. (...)

Der Offizier fing wieder mit seiner Rede an und sagte, daß wir uns mit dem zufrieden geben müßten, was wir hätten, uns damit begnügen müßten, unsere Tortillas mit Chili zu essen, und uns nicht von kommunistischen Ideen fortreißen lassen dürften."(...)


der kommunismus war damals ein synonym für terrorismus - der letztere hat bekanntlich als schreckgespenst überdauert.

ich möchte die weiteren grausamen einzelheiten des geschehens hier überspringen und gleich zum "höhepunkt" dieser tatsächlichen machtdemonstration kommen:

"Dann befahl der Offizier, die nackten, geschwollenen Mißhandelten an eine Stelle zu bringen, von der aus das ganze Volk sie sehen konnte. Sie wurden hingeschleift, weil sie nicht mehr gehen konnten. Dann rief er die schlimmsten aller Verbrecher, die Kaibiles. Sie tragen eine andere Uniform als die normalen Soldaten. Sie sind besonders ausgebildet und werden zur Guerillabekämpfung eingesetzt. Er rief also die Kaibiles, und sie fingen an, die Gefolterten mit Benzin zu übergießen. (...)

Dann zündeten sie jeden einzelnen an. Viele riefen um Hilfe. Als sie so da standen, schienen sie mehr tot als lebendig, aber als die Körper Feuer fingen, riefen sie um Hilfe. Einige schrien, andere sprangen und hatten keine Stimmen mehr. Das Feuer nahm ihnen sofort den Atem.

Das Volk kochte vor Zorn. Es war unglaublich; einige hatten zwar ihre Macheten dabei, die meisten aber waren völlig unbewaffnet, und doch wollten alle sofort losschlagen, als sie sahen, daß die Soldaten Feuer legten. Sie wollten ihr Leben einsetzen, trotz all der Waffen."


(nebenbei gesagt, und besonders all jenen antisozialen ignoranten ins stammbuch geschrieben, die den "freien westen" mit seiner "demokratie" achso toll finden: das obige - wie auch viele, viele weitere, ähnliche ereignisse in vielen ländern - geschah ersten im namen dieses "freien westens", zweitens letztlich mit wissen und unter kontrolle des letzteren - und zwar in gestalt der damaligen us-administration (reagans amtszeit, zu dem herrn komme ich gleich nochmal); und drittens können Sie getrost davon ausgehen, dass die damaligen verantwortlichen - gerade der höheren grade - bis heute noch frei herumlaufen.)

nun aber die stelle, die für das thema dieses beitrags besonders aufschlußreich ist:

"Die Armee merkte, daß die Leute wütend waren, und der Hauptmann gab den Befehl zum Rückzug. Die Soldaten zogen sich mit den Waffen in der Hand zurück und brüllten Parolen wie auf einer Fiesta.

Ihnen machte es Spaß. Sie lachten und riefen: `Viva la Patria! Viva Guatemala! Es lebe der Präsident! Es lebe die Armee!"(...)


"sie lachten" also mal wieder - theweleit macht sich anschließend an den versuch, aus seiner perspektive - die ich hier nicht weiter kommentieren möchte, weil damit ein ganzes, v.a. psychoanalytisch inspiriertes, gedankengebäude verbunden ist - das geschehen zu verstehen. einige auszüge:

"In ihrem Buch `Entmenschlicht. Versuch über die Folter´ schreibt Kate Millet: (...)`Die Folter wird heute in einem Maße praktiziert, das die Welt bisher noch nie gekannt hat und das selbst die Jahrhunderte der Inquisition in den Schatten stellt´ (...); und das, obwohl die Folter in allen Verfassungen aller Länder offiziell verboten ist. Ein merkwürdiger Widerspruch. Was hat es auf sich mit diesem `Verbot´? Ich glaube, der Bericht von Rigoberta Menchú gibt eine Antwort auf diese Frage:

Warum schießen die Soldaten nicht in die aufgebrachte Menge, die sich anschickt, sie anzugreifen? Es wäre ein leichtes...sie tun es auch sonst ohne Umstände. Aber nicht in diesem Moment...es würde ihn zerstören...sie genießen das Produkt ihres Mordtheaters: sich selbst als Teil einer übergeordneten Macht, die dies alles erlaubt...sie handeln aus dem Zentrum des Gesetzes heraus. Der Kern der Aktion ist die *erlaubte Übertretung ins Verbrecherische*...eine Befreiung...und diese feiern sie mit ihrem Gelächter...es ist Fiesta...(...)

Unser Impuls, das mit Begriffen wie `Satanismus´ oder `Sadismus´ zu belegen, ist so richtig (an der Oberfläche unserer Empörung) wie falsch zur Bezeichnung dessen, was tatsächlich geschieht: Dies schreckliche `Lachen´ ist mir aufgefallen in so vielen Berichten von Folterungen. Berichten, die die Folterer selbst gegeben haben oder Berichten von Augenzeugen von Folterungen. Nur in den Berichten von Überlebenden der Folter fehlt es. Sie haben diesen Moment des `Freudenausbruchs´ des Folterers nicht erlebt; sie waren schon bewußtlos, von Schmerz überwältigt, ausgelöscht in der Wahrnehmung, wenn das `erlösende Lachen´ eintrat bei ihrem Quäler, und die meisten, die davon hätten berichten können, sind tot.

Der Gequälte kann den psychophysischen Vorgang beim Folterer nicht bis zu `seinem Ende´ sehen. Auf ganz andere Weise erlebt aber auch der Folterer die Qual und das Sterben der Opfer nicht. Er ist mit seinem hocherregten Körper und mit seiner Wahrnehmung ganz woanders, er ist absorbiert von seinem eigenen Wachstum, vom Durchbruch in den neuen riesigen Körper, den er hier enthält: Körper einer männlichen Gewaltinstitution, die all dies absegnet, gutheißt, die ihn erhebt für das, was er tut, ihn bezahlt, ihn belohnt."


ich möchte mal den versuch wagen, das obige mit meinen eigenen überlegungen zur folter hier (ziemlich weit unten) zu verbinden bzw. zu ergänzen: der "körper" der institution ist nicht nur metaphorisch von der qualität einer halluzination, also ein produkt des objektivistischen modus - da der folterer zwingend nur im zustand einer extremen wahrnehmungsreduktion überhaupt foltern kann, wird er von seinem psychophysischen defektzustand dahin gebracht, das "angebot" der macht auf "teilhabe" und vor allem sicherheit anzunehmen - eine kompensation realer beziehungsunfähigkeiten massiver art, die der gleichgültige objektivistische modus als werkzeug in eine pseudobeziehung mit den jeweiligen machtinstitutionen verwandelt. und das eine derartige verwandlung u.u. eine art irrer `freude´ auslösen kann - und das dazugehörende gelächter - scheint mir durchaus eine realistische möglichkeit zu sein.

einen weiteren aspekt finde ich ebenfalls ziemlich interessant:

"Kate Millet betont in ihrem Buch immer wieder, daß die Folter nicht im `Illegalen´ passiert, sondern streng staatlich geregelt ist. Die Folter kommt aus dem Zentrum der offiziellen staatlichen Macht, bezeichnet aber einen Umschlagspunkt dieser Macht, den Umschlag ins Kriminelle:

`Das Vorbild ist nicht die Ethik des Kriegers oder des Offiziers, sondern die Mafia, die Kriminalität. Aber es ist eine hochtechnisierte und hochentwickelte kriminelle Gewalt, die alle Vorteile der Verbindung mit der Regierungsmacht auf ihrer Seite hat: Ihr technisches Kernstück ist das große Kommunikationszentrum im Nationalpalast, wo alle Geheimdienstinformationen koordiniert und die Befehle für die Todesschwadronen ausgegeben werden.´

`...denn das Wesen der Folter ist ihre bewußte Grausamkeit, ihre gewollte Unmoral, ihre willentliche Ungerechtigkeit. Ein höhnisches Lachen."


wobei ich finde, dass es auch mit der "ethik des kriegers oder offiziers" im zweifelsfall nicht so weit her ist, da es sich ebenfalls um ein objektivistisches konstrukt handelt. aber die herausarbeitung einer - wieder einmal! - fließenden grenze zur hochorganisierten (staatlichen) kriminalität mit offen terroristischen zügen (und hier ist das wort terror einmal wirklich angebracht) finde ich denn doch ebenso bemerkenswert wie schwer beunruhigend.

*

im ersten teil dieses beitrags hatte ich mit ronald reagan begonnen, und der kreis schließt sich jetzt sozusagen, wenn ich auch mit ihm ende - und mit einem ganz besonderen lachen, welches sich von den bisher erwähnten beispielen doch um einiges unterscheidet. zunächst aber ein paar informationen zu einer ganz bestimmten neurologischen störung:

"Aphasie ist eine Störung, bei der der Patient die Bedeutung von Wörtern nicht mehr erkennen kann, obwohl er sie akustisch hört. Man kann aber nachweisen, daß solche Patienten verstehen können, was ihnen gesagt wird, wenn die Signale, die normalerweise das Sprechen begleiten, vorhanden sind: Ton und Tonfall der Stimme, die Art der Betonung, Gesichtsausdruck, Gestik, Körperhaltung. Sie werden über das vegetative Nervensystem und die propriozeptiven Bahnen, die die Tiefensensibilität der Muskeln übertragen, vermittelt. Diese Tiefensensibilität ist auch Teil unserer empathischen Wahrnehmungen."

(dieses und alle folgenden zitate: arno gruen, "der wahnsinn der normalität"; siehe literaturliste; s. 64/65)


Sie erinnern sich vielleicht - die propriozeptive wahrnehmung, besonders ihre möglichen schädigungen, hat hier schon öfter eine rolle gespielt.

"Sprachliche Kommunikation besteht also nicht nur aus Wörtern; sie ist eingebettet in Ausdrucksformen jenseits des rein Verbalen. Die Wahrnehmung dafür ist bei aphasischen Menschen besonders stark ausgeprägt.

`Emotional stark aufgeladenen Äußerungen können´, wie Oliver Sacks schreibt, `vollständig verstanden werden, auch wenn kein Wort in seiner richtigen Bedeutung getroffen wird... Ich hatte - wie jeder, der mit Aphasikern arbeitet - manchmal das Gefühl, daß man Aphasiker nicht belügen kann. Sie erkennen die Wörter nicht, also kann man sie auch nicht mit Wörtern täuschen; aber sie erfassen mit unfehlbarer Sicherheit die Ausdrucksweise, die die Wörter begleitet, und dies so treffend, spontan und unabsichtlich, wie es nie vorgetäuscht werden könnte, was mit Wörtern allein nur allzu leicht möglich ist.´

Dies zeigt deutlich, daß wir uns beim Erlernen der Sprache nicht nur Kultur aneignen, sondern auch Denkschablonen übernehmen, die uns der Gesellschaft anpassen und unsere Wahrnehmungen verzerren. Entsprechend beseitigt eine sprachliche Hemmung durch einen Gehirnschaden auch die Hemmung unserer früher vorhandenen elementaren Wahrnehmungsmöglichkeiten, also unserer empathischen Fähigkeiten, die mit dem Spracherwerb zurückgedrängt wurden."


dies zur nötigen einführung für das folgende - und für alle, die sich schon die ganze zeit fragen, was zum teufel aphasie, gelächter und reagan miteinander zu tun haben, kommt nun die auflösung - und zwar eine auflösung, die bei mir beim ersten mal für schiere verblüffung, gefolgt von einem "warum wunder ich mich eigentlich so?", gesorgt hat - bitte sehr:

"Oliver Sacks erzählt nun, daß ihm, als er einmal die Abteilung mit den Aphasikern betrat, großes Gelächter entgegenschallte. Die Patienten sahen gerade den Beginn einer Fernsehansprache von Präsident Reagan und waren begierig, sie weiter zu sehen. `Sie sahen den alten Charmeur, den als Schauspieler geübten Redner, sein theatralisches Talent, seine emotionale Ausstrahlung - und die Patienten bogen sich vor Lachen...Der Präsident wird gewöhnlich als eindrucksvoller Redner anerkannt - aber bei den Patienten erregte er ganz offensichtlich nur Gelächter...*Man lügt wohl mit dem Mund*, schrieb Nietzsche, *aber mit dem Maule, das man dabei macht, sagt man doch die Wahrheit.*

Auf Grimassen, auf Falsches oder Unrichtiges im Auftreten oder in der Körperhaltung reagieren Aphasiker mit außergewöhnlicher Sensibilität. Und wenn sie den Sprechenden - dies gilt besonders für blinde Aphasiker - nicht sehen können, haben sie ein untrügbares Ohr für jede akustische Nuance, den Ton, den Rhyrthmus, die Stimmführung, die Musik, für subtile Modulationen und Intonationen, die der menschlichen Stimme Überzeugung geben oder nehmen. Was echt und was unecht ist, können sie auf diese Weise erkennen, ohne die Bedeutung der Wörter zu verstehen. Die Grimassen, das Theatralische, die Gesten und vor allem Ton und Stimmführung des Präsidenten wirkten auf diese wörterlosen, aber hochsensiblen Patienten vorgetäuscht. Sie reagierten auf die eklatanten, ja grotesken Ungereimtheiten und Unaufrichtigkeiten. Sie ließen sich nicht irreführen und waren nicht irrezuführen durch Wörter...Deshalb lachten sie über die Ansprache des Präsidenten.´


tja. was bleibt da eigentlich noch hinzuzufügen? für unsere wahrnehmungsfähigkeiten im allgemeinen stellt diese episode absolut kein gutes zeugnis aus - ich kann mich selbst noch an die allgemeine bewunderung für reagans auftreten nicht nur in den usa erinnern. und im zusammenhang mit dem (biographischen) material, welches lloyd deMause zu reagan und seiner präsidentschaft zusammengetragen hat, wird eher das bild einer schwer geschädigten (u.a. durch eine traumatische kindheit) und die grenze zum offen kriminellen handeln sehr oft überschreitenden antisozialen persönlichkeit mit stark simulativen zügen sichtbar - und das dürfte tatsächlich der authentischen realität eher entsprechen, als alle (posthume) bewunderung für den "alten charmeur".

vielleicht sollten wir einfach fordern, dass jegliche personen innerhalb der sog. "eliten" von aphasikern auf ihre simulativen züge hin überprüft werden? ich fürchte nur, es wäre des gelächters kein ende...

"Damit erhebt sich die Frage, ob es diesen Patienten möglich gewesen wäre, zu ihrer tieferen Wahrnehmung vorzudringen, wenn sie keinen Gehirnschaden gehabt hätten. Es haben alle Menschen empfindungsfähige Wurzeln (bis auf die bereits entsprechend strukturell pränatal geschädigten, anmerk. mo), sie unterscheiden sich jedoch im Grad der Bewußtheit. Da aber der Spracherwerb Teil jenes Prozesses ist, in dessen Verlauf wir die Verbindung zu unserer Empfindungsfähigkeit verlieren, lassen wir uns meistens von äußeren Erscheinungsformen in die Irre führen. Entsprechend folgerte Sacks:

`So listig wurden täuschende Wörter eingesetzt, kombiniert mit täuschender Stimme, daß nur Gehirngeschädigte nicht getäuscht werden konnten´.


wir haben´s wahrlich weit gebracht mit dieser "zivilisation".

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