ja-ha. "meinungsfreiheit" ist die gnade, das meinen zu dürfen, was die "eliten" als angemessen und unbedenklich für die schafe befinden.
""Ich glaube, wir haben Barack Obama zeigen können, dass wir eine sehr freundliche, aber auch sehr professionelle Polizei sind", so deren Sprecher Bernhard Schodrowski."(...)
und sie ist nicht nur metaphorisch, die volle nase - ich lag die letzten tage mit einer ausgewachsenen erkältung flach, die mich immer noch beschäftigt und für große unlust und schlechte laune sorgt. daher verzögern sich alle angekündigten beitrage mal wieder, und für den moment gibt´s nur ein paar hinweise auf aufgefischtes aus dem netz, was allerdings die schlechte laune keinesfalls zu verbessern vermag. aber für den augenblick will ich einfach mal der ansonsten durchaus unrealistischen maxime folgen, nach der geteiltes leid auch schon halbes leid sei.
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"Die US-Kreditkrise entwickelt sich immer mehr zum Kriminalfall. Jetzt hat die Justiz Betrugsermittlungen aufgenommen. Im Fadenkreuz stehen nicht nur Einzeltäter, sondern auch große Investmentbanken. Sie sollen das Chaos absichtlich mitverursacht haben - um dann eiskalt zu profitieren.
Die Geschichte der Wall Street ist immer schon auch eine Geschichte des Verbrechens gewesen. Eine Geschichte von Betrügern und bösen Buben, von Gaunern und Gangstern. Das liegt in der Natur des Geldes."(...)
so steht´s jedenfalls inspongeschrieben, und das ist ein weiteres unerfreuliches beispiel für das, was sich als fragmentierende/spaltende/dissoziative wahrnehmung in den mainstreammedien allerorten und tag für tag beobachten lässt. das globale börsen-monopoly auch als "geschichte des verbrechens" zu begreifen, ist dabei ein ganz richtiger aspekt. und ließ mich wieder andiesenschönen satz erinnern:
"Könnte ich die Psychopathen nicht im Gefängnis studieren - an der Wall Street würde ich genug von ihnen finden."
eine vor solchen hintergründen gezogene schlußfolgerung wie im spon-artikel jedoch -
(...)"So ist es kein Wunder, dass auch in diesen aktuellen US-Krisenzeiten unweigerlich die Frage aufkam: Wer trägt denn wirklich Schuld an dem ganzen Schlamassel? Eine Antwort, die man in den USA dieser Tage immer lauter hört ist: kriminelle Elemente!"(...)
- ist eine für die systemerhaltung zwar nützliche, aber schlicht irreführende pseudoantwort, für die eine fragmentierende wahrnehmung grundvoraussetzung ist. klar dürften sich gerade soziopathische charaktere in den größtenteils virtuellen welten der globalen finanztransaktionen wohlfühlen, in denen mit konstruierten "produkten" gehandelt wurde bzw. wird, für die zum vollen verständnis ihres aufbaus jeder außenstehende erstmal ein paar wochen intensive gedankliche arbeit leisten muss. bloß: um in solchen dimensionen wie jetzt sichtbar wirken zu können, braucht selbst der intelligenteste soziopath entsprechenden "humus" in form eines begünstigenden umfeldes, in dem er sich nicht nur wie ein fisch imwasser bewegen kann, sondern auch toleriert und womöglich für seine "erfolge" noch bewundert wird. und genau dieser humus steht bei der aktuellen wirtschafts"ordnung" in form von ideologie, gesetzen, willfährigen staaten und politikern sowie einer größtenteils mit immer weniger brot & ausreichend dümmlichen spielen in sozialer trance gehaltenen & befindlichen öffentlichkeit in nur allzugroßem maß zur verfügung.
und dieaffinität des kapitalismus zur soziopathie- vielleicht mit am deutlichsten zum ausdruck gebracht im konstrukt des homo oeconomicus als immer noch verbreitetes modell "des" menschen - ist dabei das strukturelle grundproblem der ganzen geschichte, welches auch nicht dadurch gelöst werden kann, bei den jeweils aktuellen "skandalen" und krisen die besonders auffälligen (oder dümmsten) protagonisten aus dem verkehr zu ziehen, sondern nur durch einen im besten sinne radikalen schnitt: und der muss zum beginn beim begriff des "eigentums" (produktionseigentum, nicht gebrauchseigentum ist in einem späteren schritt das ziel der operation) ansetzen, bei dem es sich um ein konstrukt handelt, welches vermutlich eine der größten kollektivhalluzinationen in der geschichte dieser spezies überhaupt darstellt. und dessen materielle basis in unserer als "normal" empfundenen wahrnehmung stecken dürfte, dass ich bzw. wir einen körper "haben", der quasi unser "grundeigentum" darstellen würde. das "ich" aber, das solches wahrnimmt, ist allen indizien nach weder die einzige menschenmögliche, noch die gesündeste form der selbstwahrnehmung, die uns möglich ist, sondern das produkt der ganz "normalen" pathologischen sozialen zustände, an die wir uns alle über jahrhunderte gewöhnt haben. wenn Sie ernsthaft zu denjenigen gehören sollten, die an diese halluzination glauben - "mein körper gehört mir" - ,dann werden Sie spätestens im moment Ihres todes eine große und vermutlich für Sie unerfreuliche überraschung erleben...
(und nein, für den gegenseitigen respekt vor eigenen und fremden körperlichen grenzen und der allgemeinen integrität jedes menschen ist die postulierung der einbildung namens "eigentum" durchaus nicht nötig, und gleiches gilt für einen angemessenen umgang mit fremden gebrauchseigentum. derlei fähigkeiten haben eher etwas mit nicht pathologisch funktionierenden (selbst-)wahrnehmungsfähigkeiten und daraus folgenden eigenschaften wie vertrauensfähigkeit und großzügigkeit zu tun.)
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um von den abstrakten stürzenden (oder steigenden) kurven der diagramme von kursen und inflationsindexen wieder in die reale welt zu kommen und um zu sehen, wie sich das treiben der finanzeliten in dieser auswirkt, ist es hilfreich, einmal einen blick auf eine der zeltstädtezu werfen:
(...)" Die Sonne über Kalifornien sorgt für angenehme Temperaturen. Herb duftende Holzspäne bedecken den Boden. Darauf stehen in Reih und Glied 149 grün-weiße Polyesterzelte, fabrikneu. Ein Campingplatz? Das Idyll trügt. Alle zehn Minuten peitscht ein startender Jet über den kargen Staubplatz. Erholung findet hier sowieso niemand.
Das Lager ist eine staatliche Reaktion auf eine wild wuchernde Zeltstadt, die sich in den letzten Monaten am Stadtrand von Los Angeles ausgebreitet hat. Zeitweise 600 Frauen, Männer und Kinder hausten dort zwischen Gleisen und streunenden Hunden, Bergen von Abfall und klapprigen Möbeln. Jetzt wurde daneben eine zweite, offizielle Zeltstadt errichtet. Die Menschen, die hier leben, gehören zu den Millionen zahlungsunfähiger US-Familien, deren Häuser im Zug der aktuellen Finanzkrise zwangsversteigert werden. Der Staat weiß keine Antwort auf ihre Probleme; alles, was er zu bieten hat, sind notdürftige Unterkünfte – und das mitten in den USA."(...)
ja, und das mitten in den USA. aber immerhin haben sie dort noch genügendparkplätze- für diejenigen, die noch ums zelt drumrum kommen:
(...)"Es ist noch gar nicht so lange her, da lebte die ehemalige Notarin im kalifornischen Santa Barbara in einem Apartment mit einem Garten voller Rosen und Jasmin. Dann aber kam die Immobilienkrise. Harvey verlor ihren Job - und das in einer Stadt, in der ein Haus im Schnitt eine Million Dollar kostet. Nun wohnt die Mutter von drei erwachsenen Kindern auf einem Parkplatz - immerhin einem der bestbewachten der Stadt. Er gehört zu den zwölf Parkplätzen in Santa Barbara, die vom Wohltätigkeitsverein New Beginnings (Neuanfänge) gesichert werden. Auf ihnen stehen insgesamt 55 Autos mit unfreiwilligen Dauercampern.
Der Leiter der Obdachlosenorganisation National Coalition for the Homeless, Michael Stoops, hält Harveys Geschichte keineswegs für ein Einzelschicksal. "Uns berichten viele Vereine und Menschen ganz ähnliches", sagt er. "Das ist definitiv ein Trend." Für viele Menschen, die Haus oder Arbeit verlören, sei es "der schlimmste Alptraum", buchstäblich auf der Straße zu landen. Deshalb lebten sie lieber in ihrem Auto.
Zwar habe die Obdachlosigkeit in der traditionellen Mittelklasse noch keine "epidemischen Ausmaße" erreicht, sagt Gary Linker, der Leiter von New Beginnings. Aber es seien "doch einige" Menschen betroffen. Allerdings gebe es im Vergleich zu früher immer mehr US-Bürger aus der unteren Mittelschicht, die auf Parkplätze umziehen müssten. Das Spektrum von Menschen, die auf den geschützten Stellplätzen lebten, sei jedoch breit, auch Verwirrte und Drogenabhängige seien darunter. Immerhin hat jeder zweite Dauerparker Arbeit. Elektriker sind dabei, Klempner und Busfahrer."(...)
"home of the brave, land of the free" - auch wenn der tapfere nur noch die freiheit hat, sich zwischen parkplatz und zelt zu entscheiden.
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oder aber sich in alter schlechter manier von der army anwerben zulassen. wo dann auch home of the brave, land of the free gesummt wird. da war doch noch was? ahja, schauen Sie sich mal zum ersten nurdiesesbild an. schauen Sie sich´s lange an.
(...)"Da rannte Elliott in Silver Spring, einem Vorort Washingtons, sturzbetrunken auf die Straße, brüllend, mit einer geladenen Smith & Wesson herumfuchtelnd. "Wollt Ihr mich erschießen?", forderte er die Polizisten heraus, die ihn aus der Entfernung ins Visier nahmen. "Erschießt mich!" Erst nach 20 Minuten setzte ihn der Taser-Stromschlag eines Cops außer Gefecht.
Bis heute kann sich Elliot nicht an die Details des Vorfalls erinnern. Nur eins weiß er: Er ist noch mal davongekommen. Denn Elliot versuchte damals nichts anderes als "suicide by cop" ("Selbstmord per Polizei") - eine nicht zuletzt bei Veteranen immer beliebtere Methode, ihr posttraumatisches Seelenleid zu beenden.
Elliott hatte Glück im Unglück. Doch Tausende andere Veteranen gehen ungehindert in den Freitod, auf diese oder herkömmliche Weise, mit Schlaftabletten, dem Strick, Schusswaffen: Suizid, so Experten, ist zu einer regelrechten Epidemie unter US-Kriegsheimkehrern eskaliert."(...)
zur täter-opfer-problematik bei us-veteranen hatte ich früher in einerfilmbesprechungschon etliches geschrieben, was ich weiter für gültig halte. im lichte der aktuellen entwicklungen jedoch tritt der ganze irr-sinn der us-amerikanischen & kapitalistischen welt"ordnung" mit ihren katastrophalen folgen für das reale leben realer menschen jedoch auf eine derart drastische weise hervor, dass es einen nur noch so schüttelt.
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Mit Vollgas gegen die Wandscheint aber das motto der gesamten, vom westlichen "way of (antisocial) life" dominierten - oder vielleicht besser: infizierten - welt zu sein, wobei ich letztens ja schon auf einen teil dieser wand hingewiesen habe, der unter dem namenpeak oilinzwischen breiter bekannt geworden ist. und das der ölpreis gegenwärtig mal wieder fällt, hat mit der grundsätzlichen realität des peaks nichts weiter zu tun. als anschaungsmaterial zum schluß noch zwei kurze filme zum thema - einmal von der nzz, der auch auf die seltsamen und sich anscheinend selbst reproduzierenden ölvorkommen einiger opec-staaten eingeht:
und zum anderen ein beißendes stück politisches kabarett direkt "aus der anstalt", welches sich mit dem ebenfalls bereits angesprochenen quasi suchtverhältnis der westlichen gesellschaften bezgl. des öls beschäftigt (danke an lotta für den hinweis darauf!):
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als nächstes geht´s dann hier weiter mit der diskussion rund um den autismusbegriff.
"wenn es wahr ist, dass sich eine gesellschaft in ihren totalen institutionen am deutlichsten kenntlich macht, so werden uns die zustände sowohl in der psychiatrie als auch in den (privatisierten) gefängnissen ein spiegelbild unserer inneren verfassung liefern, was zum schreiend davonlaufen - nicht nur sein wird, sondern bereits in teilen ist."
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mit den obigen worten ist ein teil meines fazits ausgedrückt, welches ich vor längerer zeit in einem beitrag zum themapsychiatrie & privatisierunggezogen hatte, und dabei bin ich u.a. auch auf die zustände der psychiatrischen versorgung in new york eingegangen, die besonders seit der umstrukturierung der dortigen psychiatrie vor ein paar jahrzehnten mit dem wort "erbärmlich" nur unzureichend beschrieben sind, und umstandslos sowohl privatisierte als auch die öffentlichen betreiber von kliniken und heimen betreffen. eine institution der letzteren art ist nun vor einiger zeit mit einem - wieder mal - regelrecht sprachlos machenden vorfall in den focus der internationalen medienöffentlichkeit geraten:
"Sie war todkrank, sie war verwirrt, litt an Angstzuständen und benötigte dringend medizinische Hilfe. Die bekam sie nicht - und starb einen einsamen, elenden Tod. Die 49-jährige Esmin Green, eine gebürtige Jamaikanerin, war am Morgen des 18. Juni in die psychiatrische Notaufnahme des New Yorker Kings County Hospitals eingewiesen worden.(...)
Was sich dann ereignete, spricht jeder Mitmenschlichkeit ebenso Hohn wie dem Hippokratischen Eid.
Esmin Green sitzt volle 24 Stunden auf ihrem Plastikstuhl, ohne dass sich jemand für sie interessiert. Schließlich gleitet sie halb bewusstlos zu Boden, versucht sich noch eine Weile auf allen vieren zu halten und fällt dann auf den Bauch. Sie rutscht unter die Stuhlreihe und strampelt im Todeskampf verzweifelt mit den Beinen. Minutenlang windet sie sich auf dem Boden - unter den gleichgültigen Blicken von drei Mitpatienten. Schließlich stirbt Esmin Green."
"Krankenhaus- und Sicherheitspersonal inspiziert wiederholt das Wartezimmer, sieht die Leiche der Frau dort mit gespreizten Beinen liegen - und wendet sich gleichgültig ab. Einer der Angestellten rollt gemütlich auf einem Bürostuhl heran, guckt zu Esmin Green hinüber - und rollt gemütlich weiter. Ein weiterer Angestellter kommt, endlich alarmiert von einer Patientin, schiebt einen Stuhl hin und her und stößt die Tote dann mal an. Erst jetzt wird eine Ärztin alarmiert, die aber nur noch den Tod der Frau feststellen kann - der bereits vor 58 Minuten eingetreten war.
Als Nächstes fälscht das Klinikpersonal offenbar den Krankenbericht, um den Skandal zu vertuschen. Die Videoüberwachung zeigt, dass Green um 6.08 Uhr aufhörte, sich zu bewegen. Der Bericht wähnt sie um diese Zeit aber noch "auf und munter zum Waschraum gehend". Um 6.20 Uhr saß Esmin Green laut Bericht "ruhig im Warteraum" - zu diesem Zeitpunkt war die Patientin schon längst tot."(...)
in den einschlägigen foren, egal ob onlinepresse oder auch bei you tube, wo es inzwischen etliche filme gibt, die sich mit dieser geschichte beschäftigen, werden fragen gestellt und antworten gesucht, die von der hautfarbe der toten über die grundsätzlichen defizite des us-amerikanischen gesundheitssystems bis hin zur grundsätzlichen frage nach dem wert des menschlichen lebens innerhalb des kapitalismus variieren. all diese punkte lassen sich mit mehr oder weniger berechtigung zur erklärung des unsäglichen heranziehen; aber die für mich interessanteste frage lautet wieder einmal:
in welchen wahrnehmungszuständen befanden sich all diejenigen beteiligten, die in dieser geschichte als gleichgültige beobachterInnen - so gleichgültig wie die alles registrierende kamera - eines todeskampfes auffällig wurden?
(...)""Hier geht es um Mängel im menschlichen Charakter", sagte der Bioethiker Michael Shapiro. Es komme immer wieder vor, dass Menschen das Sterben anderer ungerührt mitansähen."(...)
"mängel im menschlichen charakter" - eine aussage, die letztlich alles und nichts meinen kann.
"Entmenschlichung?
Was wir Menschen uns gegenseitig antun, ist Gegenstand von Überlieferungen seit Anbeginn der Zeichensetzung. Was wir Menschen uns gegenseitig nicht mehr antun, beschäftigt zunehmend Soziologen, Politiker und alle, die sich generell für das Miteinander interessieren.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei deren Abwesenheit. Ob Leute in der U-Bahn verprügelt werden, Unfallopfer in der Öffentlichkeit unversorgt bleiben oder eine Frau vor den Augen mehrerer Zeugen vergewaltigt wird: Die Bereitschaft, persönlich einzugreifen und zu helfen, scheint dramatisch abzunehmen. Vielleicht - so fragt der Skeptiker genereller Befindlichkeitsanlaysen in mir - wird diese attestierte Teilnahmslosigkeit durch den Ausbau der Überwachungs- und Schnüffelsysteme aber auch nur etwas sichtbarer.
Angst ist dabei wahrscheinlich noch immer der häufigste Grund des bewussten Wegschauens."(...)
der letzte satz mit der angst als begründung lässt sich dabei höchstens mit situationen in verbindung bringen, in denen es um akut ausagierte formen von gewalt geht, und die aktive intervention auch ein mehr oder weniger großes persönliches risiko beinhaltet. wobei in zeiten der allseits vorhandenen handys eigentlich auch die zeit verkürzt sein müsste, in der wirkungsvolle erste hilfe von entsprechenden institutionen angefordert werden kann.
die situation in der notaufnahme eines krankenhauses jedoch sollte eine derartige erklärungsvariante von vorneherein ausschließen. wenn man sich das video so betrachtet, entsteht weniger ein eindruck von angst als eher einer von verbreiteter apathie - auf seiten der beobachterInnen - und agonie bei der späteren toten. egal ob bei den anderen, vermutlich als patientInnen, wartenden oder beim beteiligten klinikpersonal: die in der ecke liegende frau hatte in all den qualvollen stunden offensichtlich nicht mehr wahrnehmungsmässige bedeutung als ein sonstiges beliebiges ding in dem wartezimmer.
nun lässt sich eine derartige gleichgültigkeit beim klientel, welches in einer psychiatrischen notaufnahme auf selbige wartet, nun nochmals in mehr variationen erklären - zumindest als möglichkeit - als beim personal: der einfluß von psychoaktiven ("legalen" und "illegalen") stoffen bspw. kann ebenso eine rolle spielen wie durch psychophysische extremzustände induzierte wahrnehmungstunnel, die durchaus einbußen zb. in der eigenen empathiefähigkeit mit sich bringen können.
genau diese fähigkeit aber ist bis zur ununterscheidbarkeit beim eigentlich zuständigen klinikpersonal gleichfalls nicht zu erkennen - was dann auch nebenbei die frage aufwirft, wo eigentlich die unterschiede zwischen beiden gruppen liegen, aber das ist zugegebenermaßen schon polemik.
was bis hierher auf dem tisch liegt, ist aber der starke verdacht, dass all diejenigen, die in den verschiedenen momenten in all den stunden diese frau nicht als leidendes mitgeschöpf wahrgenommen haben, sich in diesen momenten bezgl. ihrer wahrnehmungsfähigkeiten dem status der rein beobachtenden kamera angeglichen haben: ungerührt, gleichgültig, mitleidlos und im negativsten sinne mechanisch (darin übrigens auch ähnlich denjenigen jugendlichen, die beim"happy slapping" sowohl zuschlagen als auch darum bemüht sind, möglichst "gute" filmsequenzen in ihren kameras festzuhalten).
und das sich die beteiligten seitens des personals dann hinterher noch bemüht haben, die beweise für ihr nicht-tun zu entsorgen und zu vertuschen, macht deutlich, dass sie irgendwo gewußt haben, dass ihr verhalten in jenen stunden durchaus von vielen anderen als antisoziale aktion übelsten grades begriffen werden kann - wobei eine aktion durch unterlassen ebenso eine aktion bleibt.
die den medien zu entnehmenden maßnahmen der vorläufigen suspendierung und vollen kündigung der involvierten mitarbeiterInnen jedenfalls mögen zwar mal wieder spontane gefühle nach gerechtigkeit und sühne befriedigen, gesellschaftlich sinnvoller wäre meiner meinung nach allerdings, alle beteiligten genauestens nach den zuständen zu befragen, in denen sie sich zu dieser zeit befunden haben. das könnte nun wahrlich mal zur abwechslung erhellendes und auch der prävention dienendes zu tage befördern.
nachtrag: ich habe inzwischen ein anderes video, aber mit dem gleichen thema, ausgewählt, welches mehr von den vorgängen im warteraum zeigt.
wiedermal einprozeßbericht, der allzuoft gelesenes enthält:
(...)"Der vierte Prozesstag um den zu Weihnachten in Kirchberg verhungerten Robin brachte erschütternde Details ans Licht. Der Rechtsmediziner Karl-Heinz Thiele, der Robins Leiche am 27. Dezember obduzierte, berichtete am Freitag, dass der einst bis zu 14 Kilo schwere Junge zuletzt noch 8711 Gramm wog. Er hätte Anzeichen eines extremen Nahrungs- und Flüssigkeitsmangels aufgewiesen, "der letztlich zum Tod führte". Seine Beschreibung des Zweijährigen war so erschütternd, dass eine Zuhörerin unter Tränen aus dem Verhandlungssaal stürzte. Auch bei der angeklagten Mutter liefen Tränen.(...)
Der psychiatrische Sachverständige Günter Petermann bescheinigte der 24-Jährigen, dass bei ihr "eine bedeutsam ausgeprägte Borderline-Persönlichkeitsstörung" vorliege. Er hält sie deshalb für vermindert schuldfähig. 1,8 Prozent der Bevölkerung litten unter dieser Krankheit. Sie beeinträchtige die Gefühle, das Denken und Handeln, was sich durch negatives und teilweise paradox wirkendes Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie im gestörten Verhältnis zu sich selbst äußere.
Der Borderline-Gestörte hätte ein chronisches Gefühl der Leere, er leide unter Ängsten und Hilflosigkeit. "Robins Zustand wurde von ihr nicht so dramatisch erlebt. Für einen Außenstehenden ist das nicht nachvollziehbar", sagte der Mediziner. "Sie hielt die Reise zum neuen Freund für vertretbar. Denn sie konnte die Situation nicht korrekt einschätzen. Die Wahrnehmung der Realität war bei ihr gestört. Hätte sie Robins Zustand als lebensbedrohlich gesehen, wäre sie wahrscheinlich nicht gefahren."(...)
der satz "Die Wahrnehmung der Realität war bei ihr gestört" stellt dabei - im gegensatz zu manch anderen hier im blog zitierten psychiatrischen stellungnahmen - durchaus eine realistische realitätsbeschreibung dar und gibt dazu eigentlich allen anlaß dafür, fragen zu stellen wie zb. die, wie genau diese gestörte wahrnehmung funktioniert und was sie hervorbringt. diesen fragestellungen und den möglichen antworten aber verweigern sich psychiatrie und justiz - stellvertzretend für die gesamtgesellschaft - bis heute größtenteils konsequent, und derartige entsetzliche geschehnisse sind dann u.a. das resultat.
die beschreibung des wahrnehmungsmodus´ der mutter ähnelt übrigens frappierend denhierthematisierten zuständen, die sich zusammenfassend so begreifen lassen:
(...)"Kurzum, es gibt einen Unterschied zwischen lebendigen und mechanistisch toten Ereignissen. Wer diesen Unterschied nicht kennt, ist de facto sehr krank, und zwar in einem sehr strengen, objektiv-wissenschaftlichen Sinne: Die entsprechende Symptomatik findet sich beispielsweise im autistischen und psychotischen Kontext und wird im Bereich extremer Antisozialität zu einem gesellschaftlichen Problem. In all diesen Fällen ist unter anderem auch diese Unterscheidung für die Betroffenen sehr unsicher oder unmöglich geworden. Diese mangelhafte Unterscheidungsfähigkeit entwickelt spätestens dann tragische Dimensionen, wenn eine lebendiger Mensch von einem anderen Menschen wie eine Sache, wie ein totes Ding behandelt wird, ohne daß sich der Akteur selbst an dieser kategorialen Todsünde, die in der Praxis nicht selten einen tödlichen Ausgang nimmt, irgendwie stören müßte."(...)
(mertz, "borderline..." [siehe literaturliste]; s. 160)
und welches diagnostische etikett dann in solchen fällen vergeben wird, ist letztlich zwar nicht sekundär, verweist aber i.d.r. bis heute eher auf wahrnehmungsdefizite von psychiatrie & psychologie als auf die tatsächlich existierende realität.
eine ganz neue erfahrung mussten dieser tage viele europäische medien verarbeiten: nachdem die neue "rückführungsrichtlinie" im eu-parlament zur effizienteren abschiebung von flüchtlingen und migranten aus europa angenommen worden war, kamen aus venezuelatöne, die den seit jahrhunderten dominanten europäischen "eliten" und ihren medien einen spiegel vorhielten, was ihre eigene - als "normal" und üblich - betrachtete praxis der beliebigen, notfalls auch militärischen, einmischung und direktivenvergabe in allen planetaren regionen betrifft:
(...)""Wir können uns dies nicht mit verschränkten Armen ansehen. Die Annahme der sogenannten Rückführungsrichtlinie ist empörend und deshalb lehnen wir sie ab", erklärte Chavéz bei einem Treffen mit dem neuen Präsidenten Paraguays, Fernando Lugo.(...)
Er äußerte die Hoffnung, dass sich "alle unsere Länder gegen diesen Entschluss aussprechen, für die Würde unserer Völker". Chávez kritisierte, dass in Europa inzwischen die Rechte und die Ultrarechte den Ton angeben. Die Länder, welche diese Richtlinie umsetzen, solle das Öl aus Venezuela nicht mehr erreichen, weitete er seine Drohungen aus, die er bisher gegen den US-Konzern Exxon ausgesprochen hatte. "Mit der Anwendung der Rückführungsrichtlinie wird gegen die Menschenrechte verstoßen", fügte er an. Zudem warnte er davor, dass es auch zu einer "Rückkehr der europäischen Investitionen" in die Länder kommen könne, welche die Maßnahmen umsetzten."(...)
die bisherigen reaktionenauf diese "unbotmäßige einmischung" in die repressive eu-politik "ausgerechnet" aus der sog. "dritten welt" sprechen bände - und verdecken leider auch einerseits, dass chavez mit seiner - sehr berechtigten - meinung über den charakter der eu-"flüchtlingspolitik" nicht alleine da steht, machen andererseits aber auch deutlich, dass die drohung mit dem entzug des schmierstoffes öl durchaus die hiesigen "eliten" zu beeindrucken vermag - gerade vor dem hintergrund der jüngsten entwicklungen rund ums öl.
eine sehr lesenwerte kritik an der eu-abschiebepolitik hat im vorfeld der parlamentarischen verabschiedung jedoch auch der bolivianische präsident evo morales ayma als offenen brief veröffentlicht, der im folgenden auszugsweisedokumentiertwird:
(...)"Heute ist die Europäische Union das Hauptziel der Migranten der Welt. Der Grund ist der gute Ruf der Europäischen Union als Region von Prosperität und öffentlichen Freiheiten. Die Migranten kommen mehrheitlich in die EU, um zu dieser Prosperität beizutragen, nicht um sich ihrer zu bedienen. Sie wirken bei öffentlichen Arbeiten mit, in der Baubranche, im Bereich der Dienstleistungen und in Krankenhäusern. Sie übernehmen meist Tätigkeiten, die Europäer nicht ausüben können oder wollen. Sie tragen zur demographischen Dynamik des europäischen Kontinents bei, zur Aufrechterhaltung des notwendigen Verhältnisses zwischen aktiven und passiven Arbeitskräften, das seine großzügigen sozialen Systeme möglich macht. Sie geben dem Binnenmarkt neue Impulse und stützen den sozialen Zusammenhalt. Die Migranten bieten eine Lösung für die demographischen und finanziellen Probleme der EU.
Uns wiederum bieten die Migranten eine Hilfe zur Entwicklung, die uns die Europäer verweigern – da nur wenige Länder tatsächlich das Minimalziel von 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe aufwenden. Lateinamerika erhielt im Jahr 2006 indes 68 Milliarden US-Dollar Geldüberweisungen von Migranten. Das ist mehr das Doppelte der ausländischen Investitionen in unseren Ländern.
Weltweit erreichen diese Überweisungen von Migranten an ihre Familien 300 Milliarden US-Dollar. Dieser Betrag übersteigt die 104 Milliarden US-Dollar Entwicklungshilfe bei weitem. In meinem eigenen Land, Bolivien, entsprechen die Überweisungen mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes, rund 1,1 Milliarden US-Dollar und dem Wert eines Drittels unserer jährlichen Gasexporte.
Die Wirtschaftskraft der Migranten ist trotzdem vor allem für die Europäer von Vorteil und nur marginal für uns in der Dritten Welt. Wir verlieren Millionen unserer qualifizierten Arbeitskräfte, in die unsere Staaten, obwohl sie arm sind, unzählige Ressourcen investiert haben.
Leider verschlimmert die Abschieberichtlinie der EU diese Situation in erschreckender Weise. Auch wenn wir davon ausgehen, daß jeder Staat oder jede Staatengruppe die eigene Migrationspolitik in voller Souveränität definieren kann, können wir nicht akzeptieren, daß unseren Mitbürgern und lateinamerikanischen Brüdern die Grundrechte verweigert werden. Denn die EU-Abschieberichtlinie sieht die Möglichkeit der Einkerkerung der Migranten ohne Papiere bis zu 18 Monate vor. Danach folgt die Ausweisung oder ihre »Entfernung«, wie der exakte Terminus der Direktive lautet. 18 Monate! Ohne Urteil und Gerechtigkeit! Der vorliegende Entwurf der Richtlinie verletzt damit eindeutig die Artikel 2, 3, 5, 6, 7, 8 und 9 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Darin heißt es unter anderem: »Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen«. Und weiter: »Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.«
Und was das Schlimmste ist: Es wird die Möglichkeit geschaffen, Mütter und Minderjährige, ohne ihre familiäre oder schulische Situation zu berücksichtigen, in Internierungszentren einzusperren. Die Folge sind Depressionen, Hungerstreiks und Selbstmorde. Wie können wir tatenlos akzeptieren, daß Mitbürger und lateinamerikanische Brüder ohne Papiere in Lagern eingepfercht werden? Und das, obwohl sie mehrheitlich seit Jahren dort gearbeitet haben und integriert sind. Auf welcher Seite besteht heute die Pflicht zu humanitärer Einmischung? Was ist mit der »Bewegungsfreiheit«, mit dem Schutz gegen willkürliche Haft?"(...)
den ganzen brief finde ich auch mit seinen historischen bezügen sehr treffend, gelungen und absolut verbreitungswürdig - eine aufgabe, die in diesem falle wiedermal primär das netz übernehmen muss, denn auf den ersten seiten unserer medien sind diese worte. obwohl sie da eigentlich hingehören würden, natürlich nicht zu finden.
bei der ansicht der folgenden meldungen musste ich schnell an einen alten comic von gerhard seyfried denken, in dem ein 70s-like gekleideter passant hinter sich eine ganze horde von männern mit hüten, langen mänteln und verdächtigen knöpfen im ohr hinter sich herzieht - schön mit den unterschriften der jeweilgen organe - bka, bfv, bnd, mad, staatsschutz etc. - versehen. ganz am ende kam jemand mit dem vermerk "v.i.b.s." - von irgendwem bezahlter spitzel.
das sich nun die neulichhiererwähnte paranoide verfassung besonders von "führungskräften" in der wirtschaft nicht nur auf verdächtige untergebene und lästige journalisten beschränkt, ist keine besonders fernliegende überlegung. zumal so langsam auch das wirken der "konzernsicherheit" in bereichen bekannt wird, die bisher eine domäne der staatlichen schnüffelei darstellten. wirlesen:
(...)"Der Nestlé-Konzern soll eine als Aktivistin getarnte Agentin beim globalisierungskritischen Netzwerk Attac eingeschleust haben. Grund: Ein Buch, das sich mit dem "Imperium Nestlé" befasst.(...)
Nestlé teilte mit, angesichts der von globalisierungskritischen Gruppen angekündigten Proteste gegen bestimmte Unternehmen während des G-8-Gipfels in Evian im Jahr 2003 habe der Konzern "in enger Zusammenarbeit mit Securitas" die "geeigneten, strikt legalen Maßnahmen" ergriffen."
auch dazu fällt mir spontan ein alter spruch der 70er ein, "legal - illegal - scheißegal", der eigentlich mal als aufruf zur überwindung der hiesigen untertanenmentalität gedacht war, aber vermutlich schon damals von relevanten teilen der "eliten" als integraler teil ihres selbstverständnisses ausagiert wurde. und in diesem selbstverständnis dürfte auch die etwas ältere geschichtehierals "strikt legal" gelten, zumal die objekte der überwachung eh nicht mit größerer gesellschaftlicher sympathie rechnen können, was auch eine erklärung dafür sein mag, das sich diese nachricht nicht groß verbreitet hat:
(...)"Der Siemens-Konzern hat nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel im Jahr 2003 die Münchner Parteizentrale der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) observieren lassen. Außerdem hätten die Privatfahnder für die Siemens Business Services in Paderborn ein von der DKP Südbayern organisiertes Sommerseminar am Ammersee überwacht, hieß es in dem Vorabbericht.
Bezahlt wurden laut Spiegel Detektivrechnungen über 11.600 und 23.200 Euro über eine schwarze Kasse der Telekommunikationssparte.
Die Beobachtungen hätten vor dem Hintergrund eines schwelenden Arbeitskampfes auf die Person des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden der Festnetzsparte, Leo Mayer, der DKP-Funktionär ist, gezielt. Gleichzeitig sollten die Detektive den Angaben zufolge feststellen, ob auch noch andere Siemens-Mitarbeiter der DKP zuzurechnen sein könnten."(...)
wie soll sowas genannt werden? privatisierter "staatsschutz"? nicht ganz abwegig bei der beobachtung, dass sich die transnationalen konzerne entweder schon selbst als quasistaatliche mächte verstehen, und/oder aber die existierenden staaten als real für ihr interesse zur verfügung stehende institutionen begreifen - beides stellt letztlich eine neue art feudalistischer diktatur dar. die verquickung staatlicher organe mit den "global playern" ist jedenfalls mehr als einenblickwert:
(...)"Doch hinter vorgehaltener Hand sprechen in Sicherheitskreisen viele über die verschwiegenen Abteilungen der Konzerne. Über ihre republikweiten Kontakte untereinander. Über ihre enge Verbindungen zum Staat. Und über ihre personelle Verflechtung mit Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz und Bundeswehr.
Seit dem Telekom-Skandal hat das Wort Konzernsicherheit in der Öffentlichkeit einen bösen Klang, steht für Paranoia, Bespitzelung und Datenmissbrauch. War es wirklich nur das "Fehlverhalten Einzelner", wie der Konzern beschwichtigt, oder waren die Telekom-Späher mit anderen Firmen und sogar Behörden vernetzt? Wer dieser Frage nachgeht, entdeckt ein enges Geflecht aus privatwirtschaftlichen und staatlichen Sicherheitsinteressen.
Seit dem Jahr 2005 gibt es diese exklusive Runde, über die in der Branche niemand offen spricht. Von den Treffen profitiert auch das BKA. Es nutzt die weltweit operierenden Konzerne als "Wissensträger" - und verlängerte Arme ins Ausland."(...)
so schreiten sie seit´an seit´. und machen noch mal explizit deutlich, warum in diesem land bis vor kurzem immer nur "die linke" das copyright auf den begriff "terrorismus" zugesprochen bekam - denn terror ist immer nur dann, wenn sich die "elite" entweder persönlich verfolgt fühlt oder aber eigene interessen durchsetzen will mittels der üblichen "politik" der angst:
(...)"Entstanden ist diese spezielle Kooperation von Staat und Wirtschaft als Reaktion auf den Terror der Roten Armee Fraktion Ende der Siebziger Jahre. Wer heute bei Daimler nach der Konzernsicherheit fragt, hört sofort die Namen Schleyer und Herrhausen und dass die Abteilung ihre Arbeit "gut erledigt, wenn wir nicht darüber sprechen." Wie bei vielen Großunternehmen arbeiten bei Daimler in der Sicherheitsabteilung Mitarbeiter "mit entsprechendem Hintergrund". Viele kommen von der Polizei und dem Bundeskriminalamt. Der Abteilungs-Chef, Thomas Menk, war früher beim Verfassungsschutz tätig und spricht manchmal vom "Wirtschaftskrieg", in dem sich sein Unternehmen befinde.
Ob bei Daimler, Siemens, der Bahn oder der Telekom - in Scharen zog es in den vergangenen Jahrzehnten Staatsbeamte aus den einschlägigen Bereichen in die Konzernsicherung der freien Wirtschaft. Für die Beamten ging es um Karrierechancen und ein besseres Gehalt. In der Wirtschaft waren sie gefragt, denn sie galten als loyal, zuverlässig und politisch ungefährlich. Ausbildungsgänge zum Sicherheitsexperten existierten noch nicht. "Sie waren die einzigen, die auf dem Markt waren", heißt es aus Kreisen. Deshalb wimmelt es in den Abteilungen von ehemaligen Polizisten, Militärs und Geheimdienstlern."(...)
eine saubere gesellschaft, die - wenn man die mittel bedenkt, die solche konzerne zur verfügung haben - vielleicht sogar technisch und finanziell wesentlich besser ausgestattet sein könnte als die staatlichen büttel. und auch noch weniger unter kontrolle steht als die letztgenannten. wieder mal feine aussichten also - für paranoiker mit realitätsbezug.
mitlächelsimulationenund ihren möglichen folgen hatte sich eine frühere notiz schon mal beschäftigt. jetzt gibt´s einennachschlag, der die damals kurz dokumentierten folgen nicht nur bestätigt...
(...)" Kürzlich berichtete die "Apotheken Umschau", dass verordnetes Lächeln bei der Arbeit Depressionen, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Krankheiten hervorrufen kann.
Melanie Holz: Das ist richtig, mittlerweile wissen wir das aus vielen Studien. Wenn Freundlichkeit erzwungen, statt empfunden wird, kann das zu Burnout, Depressionen und psychosomatische Krankheiten führen. Das zeigt sich auch im Arbeitsverhalten: Wer von der Emotionsarbeit überfordert ist, leistet weniger."(...)
...sondern auch noch etwas über den elementaren unterschied zwischen authentizität und simulation deutlich macht:
(...)"Sie können wenigstens Strategien lernen, wie man bestimmte Situationen deeskaliert, und wie man die eigenen Grenzen bewusst zieht. Je kürzer die Interaktion, desto einfacher ist es, nur zu schauspielern. Wir unterscheiden bei der Emotionsarbeit grundsätzlich zwischen oberflächlicher und tiefer Darstellung von Gefühlen. Beim surface acting lächelt man, aber es nicht wirklich echt und authentisch, sondern eben aufgesetzt. Aber gerade das ist gesundheitsschädlicher als deep acting! Wenn Sie tatsächlich empfinden, was Sie zeigen sollen und müssen, befinden Sie sich nicht in einem widersprüchlichen Zustand. Es ist viel unbequemer, den ganzen Tag eine Maske zu tragen. Insofern ist das deep acting auch ein Selbstschutz. Deshalb entwickeln Mitarbeiter Strategien, um in die gewünschte Stimmung zu kommen.
Wie geht denn das?
Es gibt im Umgang mit Kunden oder auch Patienten sozusagen Rückkopplungen. Die Menschen merken, ob Freundlichkeit authentisch ist oder nicht, und sie reagieren entsprechend. Studien haben gezeigt, dass man sogar am Telefon den Unterschied hört, ob die Person am anderen Ende der Leitung lächelt oder nicht. Eine andere Studie von Thorsten Henning-Thurau wiederum belegt, dass es weniger auf die Häufigkeit des Lächelns ankommt, als auf die empfundene "Echtheit". Echte Gefühle machen Kunden zufrieden."(...)
ohne die mehr als ärgerliche betonung auf herabgesetzte "leistungsfähigkeit" sowie die bessere verkäuflichkeit authentischer emotionen geht´s anscheinend bei der forschung nicht nur in diesem themenkreis nicht mehr. und dann wäre noch anzumerken, dass die fähigkeiten zur wahrnehmung authentischer kommunikation bekanntlich nicht gerade gesellschaftlich gefördert werden.
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kurz der hinweis auf eine mehr als fatale psychophysische anpassungsstrategie:
die da sehr kurz umrissenen ergebnisse einer studie sind nicht nur ein weiterer beleg dafür, dass das gerede von den angeblich "natürlichen" hierarchien, die menschen angeblich benötigen würden, in die rubrik selbsterfüllender prophezeiungen gehört (ähnlich der "natürlichen" bösartigkeit "des menschen"). sie stellen auch ein paar tiefgreifende fragen an jede emanzipatorische bewegung, wie ich finde.
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kürzlichhatte ich im verlaufe eines beitrags einen kommentar aus der süddeutschen bezgl. des wortes wahnwelten aufgegriffen. nun legt der gleiche autor nochmalnach:
(...)"In manchen Vorstandsetagen wird heutzutage ein regelrechter Personenkult gepflegt. Wer Hauptversammlungen besucht, sieht den Chef überlebensgroß auf der Leinwand - hat so einer zu Hause auch einen Spiegel mit Vergrößerung? Dabei fehlt es den Konzernlenkern unserer Tage nicht selten an der natürlichen Autorität, die früher einen Berthold Beitz oder Alfred Herrhausen auszeichnete. Viele von ihnen wirken geklont, haben ähnlich glatte Biografien und sind von Schranzen und Höflingen umgeben, die sich ebenfalls verblüffend ähneln.
Man hat es nach oben geschafft und muss die persönliche Macht unter allen Umständen absichern. Sonst putscht irgendjemand. Gefahren sind allgegenwärtig. Schneller als früher kann einer von ganz oben nach ganz unten abstürzen. Permanent werden Schlachten geschlagen, wird Krieg geführt und die Metaphern sind entsprechend: "Bis zum letzten Blutstropfen" wollte der frühere Post-Chef und Telekom-Kontrolleur Klaus Zumwinkel um Briefe kämpfen.
Der Herrscher definiert, wer jeweils als Verräter zu betrachten ist. In dieser Logik gibt es keine Unschuldigen, nur solche, die des Verrats noch nicht überführt sind. Verrat, Ketzerei und Kritik sind für die Herrscher irgendwie gleich.
Dass Kontrolleure vor Aufsichtsratstreffen in Konzernen ihre Handys abgeben müssen, damit sie nicht heimlich die Dialoge mitschneiden können, zeigt eine Struktur, die aus der Psychiatrie bekannt ist, die Struktur der Paranoia. Überall wittert sie Verschwörungen, Gefahren. Andererseits wird der kontrollierte Kontrolleur sichtbar zum Geheimnisträger, was seine Bedeutung aufwertet.
Das Einzige, was wirklich stört, ist die Öffentlichkeit. Folglich wird sie zum Feind erklärt. Ein Feind, der mit allen Mitteln bekämpft werden muss. In einer Wahnwelt wird das für Logik gehalten - nicht nur bei der Telekom."
nochmals die treffende beobachtung von der grundsätzlichen paranoia, von der die in verschiedenen formen und intensitäten des objektivistischen wahns befallenen "elitären" akteure zwangsweise und grundsätzlich ebenfalls betroffen sind. gleichzeitig aber werden mit dem satz "Dabei fehlt es den Konzernlenkern unserer Tage nicht selten an der natürlichen Autorität, die früher einen Berthold Beitz oder Alfred Herrhausen auszeichnete" sowohl geschichtsklitterung betrieben als auch falsche spuren gelegt.
die heutige generation von managern, technokraten, "leistungsträgern" etc. ist keinesfalls auf einmal vom himmel gefallen, sondern voll und ganz das produkt ihrer historischen vorgänger - und wie diese "natürlichen autoritäten" mehrheitlich so drauf waren, hätte der autor mit ein bißchen recherche selbst verifizieren können - ich verweise nur einmal aufdiesenälteren beitrag:
(...)"das selbst bei einem explizit nichtpsychiatrischen blick sehr schnell einiges auffällige sichtbar wird, lässt sich z.b. bei einem bestseller der 1970er jahre, "ihr da oben - wir da unten" von bernt engelmann und günter wallraff, in hunderttausenfacher auflage verlegt, nachvollziehen. ging es den beiden dort ursprünglich um ein besitz- und persönlichkeitsprofil der damaligen westdeutschen gesellschaftlichen, v.a. wirtschaftlichen "eliten", so ziehen sie ziemlich am ende ihrer recherchen - bei der darstellung des damaligen skandals um den "gerling-konzern" und den bankrott der "herstatt-bank", folgendes fazit:
"Die FAZ verschweigt (in einem dokumentierten kommentar zum erwähnten skandal, anmrk. mo), daß Gerling nur ein - besonders offensichtlich gewordenes - Beispiel für die Möglichkeiten, ja Affinitäten von Machtmißbrauch und Unternehmerwillkür innerhalb der sogenannten `Freien Marktwirtschaft´ darstellt. Die vielen Hunderte und Tausende kleinen und großen Gerlings sollen weiterhin möglichst frei und hemmungslos ihrer Profitleidenschaft unkontrolliert nachgehen. Unterschlagen und verdrängt wird, daß Gerlings Verhalten geradezu symptomatisch ist für Alleinherrscher dieser Größenordnung. Alfried Krupp, der alte Flick, Quandt, Melitta-Bentz, Siemens-Clan, Oetker und wie sie alle heißen, zeigen politisch wie psychopathologisch oft ganz ähnliche Verhaltensmuster."
(engelmann/wallraff "ihr da oben - wir da unten"; rororo, reinbek 1976; s. 293; isbn 3 499 16990 8)
erstmalig 1973 erschienen, ist die damalige zeit der patriarchalischen alleinherrscher über solche bis heute - in form von aktiengesellschaften meist - existierenden markenunternehmen zwar vorbei, an der psychopath(olog)ischen grundstruktur jedoch scheint sich nicht viel geändert zu haben. das buch ist quasi von vorne bis hinten eine beschreibung schwerer psychiatrischer auffälligkeiten, bei denen die betroffenen einzig durch geld und machtposition vor jenen konsequenzen geschützt sind, die ein normalsterblicher in solchen fällen recht schnell vom sozialen umfeld zu erwarten hätte."(...)
was sich geändert haben dürfte, sind einerseits die symptome - auch aufgrund der technischen entwicklung, die zb. für paranoide persönlichkeiten ganz andere möglichkeiten zum ausagieren einräumt - ,andererseits die öffentliche wahrnehmung. das gleiche gilt übrigens auch für die sog. "politiker". ich kenne die sog. "charaktere" wie wehner, strauß oder auch den notorischen helmut schmidt noch aus eigener anschauung - und würde sagen, dass deren treiben letztlich kein grad besser war als das heutige. bzw. die grundlage für das heutige gewesen ist. und ob die rhetorik unterhaltsamer gewesen ist, kann nicht ernsthaft ein kriterium darstellen.
aber vermutlich scheut der sz-autor auch vor den konsequenzen zurück, die die obige perspektive impliziert - auch für ihn selbst und seine rolle.
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ähnlich treiben es schließlich gerade auch viele kommentatoren auf wirtschaftsseiten, die partout nicht verstehen können, warum der ölpreis von rekord zu rekord eilt. einbeispiel:
(...)"Was ist es dann? Es bleiben nur Vermutungen. Die etwaige Hoffnung auf eine anspringende Konjunktur in den USA scheidet auf jeden Fall aus. Schließlich ist die US-Arbeitslosenrate gerade so stark nach oben geschossen wie zuletzt vor mehr als 22 Jahren. Die Hausse auf die üblichen Verdächtigen zurückzuführen, also Spekulanten und Hedgefonds, scheint etwas dünn. Natürlich waren sie in der vergangenen Woche aktiv – aber das sind sie immer.
Weitere Möglichkeiten sind: eine sich gerade zusammenbrauende Krise, die für das Gros der Marktteilnehmer noch gar nicht erkennbar ist, aber entscheidende Akteure in den vermeintlich sicheren Ölmarkt treibt, oder die Schieflage eines großen Hedgefonds, die einige Börsianer schon ahnen. Doch auch Letzteres ist unwahrscheinlich, denn in einem solchen Fall hätten die Kurse in die genau entgegengesetzte Richtung streben müssen."(...)
ein schönes beispiel dafür, wie ökonomen fest in ihren tunnelrealitäten stecken. vielleicht sollte er mal einen blickhierherriskieren:
(...)"Wie Familie Robinson: Müssen wir am Ende der Ölkrise alle Selbstversorger werden? Überlegungen über eine Welt ohne Öl - zwischen Utopie und Apokalypse.(...)
Die Ölproduktion stagniert seit 2005 bei etwa 85 Millionen Barrels pro Tag, dafür steigt aber der Preis. Am letzten Freitag machte er seinen bisher größten Sprung nach oben - um 11 Dollar auf 138 Dollar pro Barrel. Bis auf 200 Dollar oder mehr, schätzen Analysten von Goldman Sachs, könnte der Preis für ein Barrel Rohöl klettern. 40 Prozent des Öls, heißt es im Petroleum Review, "kommt aus Regionen, in denen die Produktion ganz eindeutig abnimmt."
Peak-Oil-Theoretiker sehen darin ein Zeichen für den Beginn des Niedergangs. Und zunehmend nicht nur sie. Vor wenigen Jahren glaubten noch viele, Peak Oil werde erst zwischen 2015 und 2030 eintreten. Immer mehr Analysten schwenken nun um. 2010 ist das nun am häufigsten genannte Datum. Manche sagen, Peak Oil sei jetzt.
Die Tatsache, dass dieser Scheitelpunkt irgendwann eintreffen wird, stellt kaum einer mehr in Frage, auch wenn Politiker und Medien den Ausdruck lieber vermeiden und Vertreter der Theorie gern als irre Apokalyptiker abtun. So wie ihren Begründer, den Shell-Geologen Marion King Hubbert. Der hatte in den fünfziger Jahren vorausgesagt, dass die amerikanische Ölproduktion um 1970 herum ihren Scheitelpunkt erreichen würde, um dann unaufhaltsam zu fallen. Das allgemeine Gelächter einer vom Rohöl besoffenen Welt verstummte, als der Scheitelpunkt in den USA 1970 tatsächlich erreicht wurde.
Doch es sind ja nicht nur die Apokalyptiker, die vor den Folgen warnen. Als Dick Cheney noch Vorsitzender des Energiekonzerns Halliburton war, hielt er im Herbst 1999 eine Rede vor dem Institute of Petroleum. Die "Grundlage der Weltwirtschaft", warnte er, werde bald extrem knapp werden. Die amerikanische Energiebehörde EIA veröffentlichte 2007 einen Report, in dem sie davon ausgeht, dass die Produktion 2006 ihren Höhepunkt erreicht habe. Das Aspen Institute warnte vor dem Ende des "easy oil". Und gerade erklärte der amerikanische Finanzminister Henry M. Paulson, dass es "keine schnellen Lösungen" für die hohen Ölpreise gebe, denn es sei ein Problem von Angebot und Nachfrage. "Die Produktionskapazitäten haben keine neuen Entwicklungen gemacht."
"Die Frage ist jetzt: Wie steil ist der Abhang auf der anderen Seite", sagt der Energiefachmann Matt Simmons, einst Berater von George W. Bush und Autor von "Twilight in the Desert". Und wie wird sie aussehen, eine Welt, in der Öl nicht mehr im Überfluss vorhanden ist?"(...)
darüber machen sich ökonomen, die dem albernen und größenwahnsinnigem glauben vom "ewigen wachstum" anhängen, natürlich keine gedanken. und offensichtlich auch über die folgenden realitäten nicht:
(...)"In diesen Tagen nun demonstrieren Inder, weil die Regierung die Benzinsubventionen gesenkt hat. Hersteller von Waschmitteln bis Computerbildschirmen warnen vor höheren Preisen. In Europa gehen Fischer auf die Straße, weil der Rohölpreis das Ausfahren inzwischen unrentabel macht. Der Preis für eine Tonne Düngemittel hat sich in den letzten Jahren vervielfacht; Fachzeitschriften für Landwirte informieren ihre Leser darüber, wie sie ihre Betriebe umbauen können - aus der Not geboren, nicht, weil man unbedingt ökologisch arbeiten will. In den USA ziehen die Bürger in die Städte, und die ersten Suburbias verelenden schon zu Slums."(...)
es wird in dieser ach-so-aufgeklärten und ach-so-fortschrittlichen westlichen "zivilisation" selbst dann noch vermutlich genügend leute geben, die an ihren dinglichen fetischen und objektivistischen wahngebilden festhalten, wenn um sie herum und vor ihnen der systemzerfall unübersehbare formen angenommen hat. aber mein mitleid mit denen hält sich absolut in grenzen.
übrigens ist nicht nur peak oil ein begriff, den Sie langsam in Ihren wortschatz aufnehmen sollten - es gibt einige anzeichen dafür, dass im gefolge auchPeak Food, Peak Waterauf dem programm stehen.
und mein gefühl zu dem allen ist wirklich richtig mies, weil u.a. diese gesellschaft nicht nur ihre mitverantwortlichkeit aufgrund unseres "lebens"stils leugnet, sondern es natürlich auch vorzuziehen scheint, in jeder nur möglichen hinsicht mit voller kraft gegen die wand zu rasen. und dieses gefühl wird mehr und mehr belastend.
u.a. auch darum zum schluß noch etwas hörenswertes elitebashing.
...von "frieden", "freiheit", "demokratie" und was dergleichen phrasen mehr sind, ist insgesamt eine unerträgliche. das wurde für mich einmal mehr deutlich beim anblick einesfundstücksauf Dauerfeuer Verarsche - ein kleinerprozessbericht, der sich nicht umsonst in der rubrik "welt" - anderswo heißt es "panorama" oder "vermischtes" - findet. das sammelsurium scheinbar unpolitischer, mit "human touch" gekennnzeichneter themen ist eine gute möglichkeit, themen aus ihren kontexten zu lösen und derart bei der leserInnenschaft nicht das nachfühlen und -denken, sondern den schnellen pseudoinfo-konsum zu fördern. hauptsache, die quote stimmt und die verhältnisse werden nicht mit dem schatten eines zweifels befleckt.
was ist da nun zu lesen?
(...)"Die nach eigenen Angaben unter Depressionen leidende Angeklagte versuchte ihre Tat damit zu erklären, dass ihr die finanziellen und persönlichen Probleme über den Kopf gewachsen seien. Nach der Tötung ihrer Tochter habe sie sich selbst töten wollen. "Die Lisa war das Beste, was ich im Leben zustande gebracht habe", sagte sie unter Tränen. "Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und wollte einfach nur, dass es vorbei ist", sagte die aus Rottendorf bei Würzburg stammende Frau, die geschieden ist und zuletzt von "Hartz IV" lebte."(...)
eine mutter, "hartz IV"-empfängerin und "nach eigenen angaben" depressiv, ermordete also in einer dem anschein nach vorhandenen affektsituation ihre tochter.
(...)"Die Angeklagte hatte laut ihrer Aussage schon im Juli an Selbstmord gedacht. Seit Ende Juli begab sie sich deshalb freiwillig in stationäre psychiatrische Behandlung. "Ich hatte Angst, dass irgendetwas passiert, das ich nicht mehr steuern kann", gab sie als Begründung an.
Bereits 2006 hatte sie sich ein Messer in den Bauch gestoßen, war damals aber von ihrem Mann gerettet worden."(...)
und versuchte sich danach - und offensichtlich nicht das erste mal - selbst das leben zu nehmen. dazu erfahren wir von einer freiwilligen psychiatrischen episode aus tieferliegenden möglichen gründen, die am ende durch den verteidigenden anwalt genannt werden:
(...)"Die Angeklagte habe eine schwere Kindheit gehabt, sei sexuell missbraucht worden und habe als einzige Bezugsperson ihre Mutter gehabt, sagte er. Nach deren Tod 2004 hätten dann die psychischen Probleme begonnen."
das ist also eine jener meldungen, die sich - nicht immer, aber oft genug - unter den oben benannten "unpolitischen" rubriken in den zeitungen dieses landes finden lassen. nicht im "politik"-teil, natürlich auch nicht im wirtschaftsteil. und erst recht schaffen sie es nicht bis zum aufmacher auf seite 1, obwohl journalistinnen, die ihren job ernst nehmen würden, anhand dieser geschichte ohne große probleme blitzlichtartig ganz verschiedene brennpunkte gegenwärtiger antisozialer tendenzen aufzeigen könnten, ja eigentlich müssten.
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der erste punkt, der aus den öffentlich gemachten informationen deutlich wird, lässt sich wiedereinmal als manifest gewordene täter-opfer-dialektik begreifen - ein traumatisierter mensch wird selbst zum täter, agiert und re-inszeniert also die erlebte gewalt, in der er bzw. hier sie, zum objekt verdinglicht wurde, selbst auf destruktive weise aus. im blog sind schon diverse geschichten von tatsächlich gefühllosen bzw. -unfähigen müttern versammelt, aber ich denke, dass in diesem fall tatsächlich um eine affekttat geht. der freiwillige besuch einer psychiatrischen station aufgrund der benannten angst ist kein entschluß, der einem tatsächlich empathiegestörten menschen am nächsten liegen würde.
ein affekt lässt sich allerdings funktional und bezgl. des vorherrschenden wahrnehmungsmodus meiner meinung nach wie eine als-ob-verdinglichende wahrnehmung begreifen - ein emotionaler zustand ist so stark, dass eine art tunnelrealität entsteht, in der alle anderen wahrnehmungen stark bis total überlagert werden, was real auf ihr quasi nichtvorhandensein hinausläuft. und in einem solchen modus werden dann auch die schlimmsten und undenkbarsten taten möglich, die die betroffenen dann nicht selten selbst nicht nachvollziehen können bzw. als krassen bruch ihrer eigenen biographie und innerhalb ihres selbstbildes erleben.
als nächst frage drängt sich also auf, welche bedingungen solche zustände hervorbringen können und möglicherweise sogar noch fördern.
und das leitet zum zweiten punkt über, nämlich der sozioökonomischen situation der frau. und da reicht zum stichwort "hartz IV" einfach noch mal die erinnerung an diese unvollständigedokumentation, bei der ich zum schluß folgendes zitiert hatte - auszug:
(...)"Die Arbeitslosigkeit als individuelle Traumatisierung führt zu desaströsen psychischen Belastungen und Schädigungen, die von Auflehnung und ohnmächtiger Wut zu depressiver Verzweiflung, Erschöpfung und zum Gefühl der Wertlosigkeit führen. Die verinnerlichten negativen Erfahrungen der psychischen Frühphase, in der das werdende Selbst sich noch nicht abgrenzen und wehren kann, werden im hilflosen Erleben der Ausgrenzung aus der Gemeinschaft der Erwerbstätigen reaktiviert. Nicht umsonst ist eines der am schwersten zu ertragenden Gefühle der Arbeitslosen das, überflüssig zu sein, nicht mehr gebraucht zu werden und daran selber schuld zu sein."(...)
das entscheidende wort in diesem absatz ist "reaktiviert". ist die derzeitige armutsverwaltung in diesem land schon für relativ gesunde menschen eine teils schwer erträgliche belastung und zumutung, so kann sie für traumatisierte menschen zu einem echten alptraum werden. und das muss ich auch deshalb so drastisch sagen, weil ich in meinem engsten umfeld genau mit so einer kombination - zeitlich weitgehende erwerbsunfähigkeit aufgrund posttraumatischer belastungsstörung und "hartz IV" - zu tun habe, und einen nicht geringen teil meiner eigenen kraft auch dafür brauche, die sich aus den maßnahmen der armutsverwaltung sowie aus den öffentlichen diskursen über erwerbslose ergebenden gefühle der eigenen "überflüssigkeit" und "minderwertigkeit" sowie die damit assoziierten ängste beim betreffenden menschen immer wieder aufzufangen.
und ja, aus diesen erfahrungen steht für mich fest: die "politik" und auch die öffentlichen diskurse gegen erwerbslose können auf traumatisierte wie ein trigger wirken, der die ganze traumaindizierte ohnmacht und verzweiflung nicht nur reaktivieren, sondern womöglich auch den letzten impuls auslösen kann, der sich dann in selbst- oder fremddestruktive aktionen umsetzt. es ist dabei auch erstmal die feststellung egal, dass sich derartig be- und getroffene menschen die herrschenden wahnvorstellungen bezgl. arbeit und leistung als hauptsächlich sinnstiftend irgendwann einmal zu eigen gemacht haben müssen - unser ganzes schul- und erziehungssystem beruht darauf, und auch in genügend familien dürfte dieser lebensverneinende mist immer noch als "wert" vermittelt werden. und gerade bei innerfamiliär entstandenen traumata stellen diese "werte" später echte und gefährliche plagegeister für die betroffenen dar, da die eigenen authentische erfahrung meist völlig fehlt, für sich selbst und das eigene sein geschätzt und geliebt zu werden.
das gilt übrigens erst recht für traumatische sexualisierte gewalt gegen frauen, wobei wir in diesem fall zuwenig wissen: wer war täter/täterin?, wie war die mutter-kind-beziehung, wie der umgang mit der sexualiserten gewalt seitens dieser mutter etc. ? ich kann mir ein paar teils sehr gegensätzliche konstellationen vorstellen, aber das kann nur spekulation bleiben.
was aber keine spekulation bleibt, ist die perfidität von strukturen, mittels der eine gesellschaft wie unsere, die sich "zivilisiert" nennt, es hinbekommt, die eigenen produzierten gewaltverhältnisse mehrheitlich nicht nur nicht zur kenntnis zu nehmen, sondern die davon betroffenen in einer schwer zu schätzenden zahl nicht nur passiv bei ihren heilungsversuchen behindert (nicht nur durch die extreme beschneidung materieller ressourcen bei "hartz IV"; auch die restriktiver werdenden entwicklungen im gesundheitssystem wirken sich destruktiv aus), sondern mittels der sichtbaren antisozialen ausrichtung der sog. "sozialpolitik" immer wieder sogar in die situation der faktisch aktiven bekämpfung von schwer geschädigten menschen gerät.
(oder gar geraten will? aus einer anderen perspektive ließe sich nämlich auch formulieren, dass hier zeugInnen für viele gesellschaftlich induzierte verbrechen auf die eine oder andere weise zum schweigen gebracht werden, und zwar teils sehr subtil. das muss nicht
unbedingt ein bewußter plan sein, aber den effekt haben konstellationen wie gerade beschrieben schon sehr deutlich.)
was auch keine spekulation bleibt, ist die vorhersage, dass eine wahrscheinliche knaststrafe wirklich niemandem in diesem fall real helfen kann - ich sehe selbst das einzige nachvollziehbare argument, eine gefährdung der restlichen gesellschaft zu minimieren, hier weit und breit nicht gegeben. eine mögliche gefängnisstrafe hier wäre einmal mehr nichts weiter als eine wie üblich ge- und verleugnete racheaktion.
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wer immer mehr menschen in isolation/vereinsamung und gesellschaftlichen ausschluß zwingt, dazu ihre ökonomische verarmung propagiert und betreibt und gleichzeitig von "überflüssigen" oder gar "parasiten" redet, ist kriminell - erst recht, wenn die handelnde kraft in einem solchen szenario eine relativ kleine selbsterklärte "elite" bildet, die zur sicherung der eigenen machtbasis bereit ist, im wahrsten sinne des wortes über leichen zu gehen. und dabei ist es zweitrangig, ob die davon betroffenen bereits vorher schon traumatisiert waren. nicht zweitrangig ist es jedoch, dass das antisoziale treiben bei traumatisierten und/oder sonstwie geschädigten menschen noch destruktiver wirken kann als sowieso schon.
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draußen fahren gerade immer mehr autos mit flatternden nationallappen vorbei. ignorante idioten, die wahrlich in der tradition der wahrnehmungsstörungen und -unfähigkeiten ihrer vorfahren stehen.
themaoxytocin: wenn Ihnen demnächst jemand"liquid trust"anpreisen sollte - es handelt sich dabei tatsächlich um ein produkt, dessen existenz bei mir zu spontaner übelkeit geführt hat. besonders nach ansicht der kundenrezensionen.
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betreffalexithymie: der vollständigkeit halber ein kurzer hinweis auf nicht so überraschende spekulationen aufgrund einer neuenstudie:
(...)"Wenn Menschen nicht in der Lage sind, Gefühle wahrzunehmen und auszuleben, könnte das an einem gestörten Informationsaustausch im Gehirn liegen."(...)
ich kann mir ein "ach? wer wäre darauf gekommen?" nicht verkneifen. aber vielleicht bekommen alexithyme menschen ja demnächst auch "liquid trust" auf rezept.
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viele nachträge bzw. eine völlig unvollständige auswahl zupeak oil, was nur deutlicher macht, dass es jetzt tatsächlich ernst wird:
und weil´s thematisch in richtung der fragen aus dem blogbeiträgen hier geht, sei das hervorgehoben - auch, wenn´s "nur" um ziemlich - hm, pragmatische ratschläge für den institutionellen umgang mit dieser seltsamen struktur geht:
(...)"ZEIT online: Aber warum steigen die Leute nicht im großen Stil auf Fahrgemeinschaften um?
Schlag: Das Auto ist eine Art verlängertes Zuhause, sozusagen ein verlängertes Ich. An das lässt man den anderen nicht so gerne heran. Das hat nicht primär materielle Gründe, sondern spielt sich in den Köpfen ab. Man könnte von einer Überwertigkeit des Kraftfahrzeugs in Bezug auf die eigene Identität sprechen, die mit dem Auto zu stark verbunden ist."(...)
über das mögliche wesen solcher identitäten, die derartige krücken nötig haben, wird ebenfalls irgendwann in nicht allzuferner zeit öffentlich zu diskutieren sein - wenn diese gesellschaft halbwegs(!) unbeschadet aus der fatalen ölfalle herauskommen will.
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der wahrscheinlich meistgelesenste bisher beitrag hier im blog beschäftigte sich mit diversensuiziden und todesfällenals folge der antisozialen "sozial"gesetze, besonders "hartz IV". und genausowenig, wie darüber bis heute eine breitere berichterstattung in gang gekommen ist , werden vorfälle wie der folgende - von denen es mit absoluter wahrscheinlichkeit mehr gibt, als wir ahnen - einer breiteren öffentlichkeit medial präsentiert. es sind, wie auch bei den suiziden zur genüge nachvollziehbar, meistensregionalnachrichten:
"Ein Arbeitsloser hat am Donnerstag auf vier Angestellte der Arbeitsagentur in Linz am Rhein eingeschlagen und dabei eine Frau schwer verletzt.
Der 44-Jährige sei ausgerastet, weil die Agentur ihm die erhofften Leistungen nicht gewährt habe, teilte die Polizei in Linz im Kreis Neuwied mit."(...)
wer sich ein bißchen damit beschäftigt, was für ein klima inzwischen in vielen "jobcentern" und "agenturen" herrscht, wird sich darüber nicht groß wundern. ebensowenig wie über die privaten security-trupps, die inzwischen in vielen städten auf den fluren dieser institutionen herumlungern.