ob sich das ergebnis gestern auch schon alsbodenbildungsehen lässt?
"Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis haben sich am Sonntag 56,7 Prozent der Wahlberechtigten nicht an den Wahlen zum Europaparlament in Deutschland beteiligt.
Für CDU und CSU zusammengenommen entschieden sich 16 Prozent der zur Stimmabgabe Aufgerufenen. Die SPD kommt nach dieser Zählweise auf 8,8 Prozent. Von den Grünen möchten 5,1, von der FDP 4,6 und von der Linken 3,1 Prozent der Wahlberechtigten im Brüsseler Parlament vertreten werden."
ich finde, da ist noch platz nach unten. und generell verweise ich bei anlässen wie diesen immer gerne wieder auf diesen altenbeitrag, in dem es um den unsinn der einbildung geht, dass sog. "wahlen" irgendetwas verändern würden.
...mit schwerpunkt auf die ursachen und folgen von diversen rohstoff-peaks sowie die ökologische krise zeigen zwei filme, die beide geeignet sind, zwar den sonntagnachmittag zu versauen, dafür aber eine fülle an bildern liefern, die sehr lange nachklingen. einmal wäre da das medialgehypte"homeprojekt", welches ich mir heute mit einiger skepsis - u.a. wg. der sponsoren - angeschaut habe, aber jetzt doch empfehlen kann, eben v.a. wegen seiner teilskoyaanisqatsi-artigen bilder, die nach ca. 25 minuten aufgrund des auftretens unserer spezies einen immer deprimierenden touch annehmen. über die "lösungen" am ende lässt sich mit recht streiten, aber insgesamt zeigt der film den realistischen ist-zustand der biosphäre auf. und das sollte inzwischen pflichtwissen sein. "home" ist noch bis zum 14.06.hierzu sehen; deutsche untertitel lassen sich nach start des films im menü rechts unten einblenden.
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die "zukunft der erde"...
...ist in neun teilen ebenfalls beim beliebten videoportal zu sehen, und behandelt zwangsläufig ähnliche themen wie "home", ist aber inhaltlich meiner meinung nach etwas gehaltvoller, weil u.a. die verkettung der diversen krisen recht gut nachvollziehbar wird. dazu gibt´s im siebten oder achten teil interviews zur menschlichen krisenwahrnehmung, die sich mit unserer kollektiven und schwer problematischen verdrängung befassen. hervorheben möchte ich auch den vierten teil mit einer indischen boulevard- und klatschmoderatorin, die mittels ihrer aussagen das thema der flucht in virtuelle und illusionäre (alp-)traumwelten gut verdeutlicht. zu den weiteren teilen:zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, achtundneun.
anders liesse sich auch sagen, dass der folgende beitrag in gewissem sinne von pyromanen handelt, die sich über die mitentzündeten feuersbrünste in ihrer straße beklagen. in der selbstdarstellungder zeitschrift "eigentümlich frei" wird in den zentralen sätzen gleich mal die eigene tiefgreifende innere konfusion deutlich:
(...)"Wir wissen, dass die Handwerksordnung, der Meisterzwang oder der ausufernde Sozialstaat ebenso falsch und unsozial sind wie Rauchverbote oder Quotenregelungen. Im Zusammenleben der Menschen gibt es nur zwei Wege: Gewalt oder Freiwilligkeit, Gewehr oder Vertrag, Zensur oder freies Wort, Sozialismus oder Eigentum, Politik oder Handel. Wir treten kompromisslos für Freiwilligkeit, Vertrag, das freie Wort, Eigentum und Handel ein, wo andere der sozialdemokratischen Versuchung oft genug nicht widerstehen können."(...)
die "sozialdemokratische versuchung" wird an anderer stelle auch so beschrieben:
"Der Massenmensch kollektivistisch-totalitärer Ideologien dagegen ist eine Nummer, austauschbar und gewöhnlich."
als oberbegriff für dieses tatsächlich höchst eigentümliche gebräu wird dann noch das schöne wort"libertär"missbraucht, was deutlich macht, dass es sich hier um selbsterklärte sog. "anarcho"-kapitalisten oder möglicherweise auch individual-"anarchisten" handelt, die sich zumindest von der eigenen ideologie her auf die entsprechenden "traditionslinien" zurückführen lassen. ich habe die wortbezüge zum anarchismus bei den obigen begriffen bewusst in hochkommata gesetzt, weil die gemeinten bezüge meiner meinung nach nicht nur nichts mit anarchismus oder auch libertärer politik zu tun haben, sondern in gewisser hinsicht ihren gegenpol darstellen: einen gegenpol, der nicht authentische individualität - die sich selbstbewusst im besten sinne und aus einsicht in die unaufhebbare beziehungsbasis jeder menschlichen existenz für strukturen authentischer kollektivität einsetzt, was sich durchaus als libertärer sozialismus verstehen liesse - zum ziel hat, sondern genau jene art von egozentrismus, der im totalitären kapitalismus zu häufig mit individualität verwechselt und gleichgesetzt wird und bereits eine mehr als fließende grenze zu all den auch klinisch relevanten phänomenen der antisozialität aufweist, deren gravierendste ausprägung in der form des soziopathen, akaals-ob-persönlichkeit, bekanntlich eines meiner hauptthemen hier darstellt. der benannte egozentrismus führt gesellschaftlich übrigens zu keiner wie auch immer gearteten anarchie, sondern regelmässig zur anomie, d.h. aufgrund seiner immanenten negierung aller sozialen bezüge in ein a-soziales chaos (welches nur aus dümmlicher böswilligkeit ständig als diffamierendes synonym mit der anarchie [= ordnung ohne herrschaft] gleichgesetzt wird).
es ist vor diesem hintergrund auch durchaus nicht zufällig, dass in dieser zeitschrift immer mal wiederlobliederauf die extremistische objektivistin und kapitalistinayn randangestimmt werden, deren beliebtheit bei "eifrei" eben aus dem von ihr konstruierten gerüst herrühren dürfte, welches für anhänger der antisozialen als-ob-"selbst"verwirklichung als ideologische basis dienen kann.
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bei diesem szenario ist es nun nicht nur ärgerlich, sondern geradezu geschichtsklitternd, was sich ein autor dieser zeitschrift in einem beitrag mit der überschrift"Der funktionelle Soziopath"geleistet hat - herumlamentierende pyromanen in aktion. es beginnt bereits mit der überschrift, bei der die einschränkung mittels des attributes "funktionell" keinesfalls nachvollziehbar ist, sondern das problem ebenso bei den strukturellen soziopathen liegt, die bereits pränatal in dieser existenzform gelandet sind und nichts anderes kennen können. dazu bedeutet funktionell in diesem sinne eben, dass sich menschen wie soziopathen benehmen können, ohne jedoch im klinischen sinne soziopathen zu sein. oder anders: die oftmals und fälschlicherweise mit der soziopathie gleichgesetzte antisoziale persönlichkeitsstörung enthält zwar die strukturelle soziopathie als untergruppe, reicht jedoch weit darüber hinaus. wir werden gleich noch sehen, dass sich der autor bei seiner ursachensuche in bereichen bewegt, die eher für strukturelle soziopathen relevant sind.
nun besteht eines der probleme für leute wie diesen autor (der sich selbst als "kapitalist" bezeichnet) darin, dass er und seine gesinnungsgenossInnen sich zwar gerne und bevorzugt in den scheinbar grenzenlos "freien" konstruktivistischen bzw. virtuellen welten desobjektivistischen modusherumtreiben, dieser funktionsmodus aber auch nur das simulativ verwursten kann, was er als input aus der authentischen realität erhält (was übrigens eine funktionelle grundlage jeder soziopathischen und antisozialen wahrnehmung ist). und so sah sich der verfasser offenbar dazu gewungen, tatsächlich ein paar teile der realität auch realistisch wahrzunehmen. so lassen sich jedenfalls die einleitenden absätze verstehen, an derem ende zu lesen ist:
(...)"Es erschreckt und gibt uns Rätsel auf, wenn ein Teenager wegen Hänselei oder Depressionen ein Dutzend seiner Mitschüler umbringt; aber ist es nicht genauso rätselhaft und frappierend, wenn „Freunde“ nicht in der Lage zu sein scheinen, genug Sorge zu empfinden um Alarm auszulösen, wenn eine Vertraute einfach verschwindet?
Ich glaube, dass diese Missklänge auffällig und weit verbreitet sind. Bis jetzt ist es immer noch relativ selten, dass sie in extreme Gewalt münden. Wenn meine Theorie über das, was hier passiert, sich jedoch als richtig erweist, werden wir in den kommenden Jahren noch viel mehr scheinbar unerklärliche Gewalt sehen."
soweit d´accord. jetzt aber geht´s zu den möglichen ursachen:
"Was ist meine Theorie? Ich bin davon überzeugt, dass wir zurzeit die ersten Ergebnisse der Folgen eines systemweiten Zusammenbruchs der Kindererziehung im familiären und institutionellen Bereich erleben. Dieser Zusammenbruch bringt einen neuen virulenten Stamm von Persönlichkeitsgestörten hervor: die funktionellen Soziopathen.
Ein Soziopath ist ein Mensch ohne Gewissen und ohne tiefere emotionale Bindungen zu anderen Menschen, individuell und kollektiv. Die Wissenschaft sucht seit langem nach einer organischen Grundlage für diese Art von Krankheit. Es ist aber auch bekannt, dass frühe Umwelt-Einflüsse eine wichtige Rolle bei der Formung einer menschenverachtenden Persönlichkeit spielen."
auch das ist alles, aufgrund relativer oberflächlichkeit, nicht direkt falsch, wenngleich in schlechter dissoziierender tradition hier sowohl die existenz von soziopathie in früheren epochen als auch die sozialen bedingungen, unter denen sich der heutige umgang mit kindern abspielt, abgespalten werden. dazu ist der implizit konstruierte gegensatz zwischen "organischer grundlage" und "umwelteinflüssen" schlicht unzutreffend, weil sich gerade die hirnphysiologie wie überhaupt das ganze gebilde unserer beiden nervensysteme (vergessen Sie nicht dasenterische) unter beteiligung der zuständigen gene in einer sehr engen und sozusagen dialektischen wechselbeziehung mit der sozialen und nichtmenschlichen umwelt entwickelt - die soziopathie als defektphänomen lässt sich aus dieser perspektive als eine sehr drastische art der versuchten kompensation von schweren mängeln bzw. defiziten in der struktur dieser wechselbeziehung begreifen.
bis zu diesem punkt ist aber die eigentliche aussage des artikels immer noch sehr nebulös - worauf will der autor denn nun eigentlich hinaus?
"Ich bin davon überzeugt, dass wir, als Kultur, über eine zufällige Kombination von Bildungspädagogik und Kindererziehung Ansätze geschaffen haben, die praktisch ideal sind für die Erzeugung menschenverachtender Persönlichkeiten bei anderenfalls gesunden Kindern.
Dass die Stärkung des Selbstwertgefühls heute das Haupt-, wenn nicht das Kardinalziel der elementaren Bildung ist, reduziert bei Kindern drastisch deren Möglichkeit, den notwendigen Schmerz darüber wahrzunehmen, dass die Welt, außerhalb von ihnen, Anforderungen an sie stellen kann und stellen wird."(...)
im ersten satz wird unausgesprochen nochmal ein bisschen 68er-bashing betrieben, um dann im zweiten endgültig die hosen herunterzulassen: die "Stärkung des Selbstwertgefühls" führt letztlich zu "menschenverachtenden Persönlichkeiten bei andernfalls gesunden Kindern". ich kann mich gar nicht entscheiden, ob das nun eher dümmer oder dreister ist, aber es kann natürlich auch gut sein, dass ich im gegensatz zum vertreter einer strömung, die ganz im ernst konstruktivistische bzw. objektivistische seinsmodi vertritt, eine andere definition von selbstwert habe - jemand, der wie eingangs dargelegt antisozialen egozentrismus als "freiheit" wahrnimmt und dazu den fetisch "eigentum" anbetet (dessen historisch-materielle grundlage ich weiter in einer sehr alten,kulturellen und wahrscheinlich traumainduzierten spaltung zwischen "ich/ego" und körper sehe, die in der folge dazu führt, das das "ich" nur als virtuelles wahrgenommen wird, welches den körper "besitzt", ein verhältnis, das real unmöglich ist und bereits eine pathologische konstellation darstellt), dürfte selbstwertgefühl tatsächlich mit dem benannten egozentrismus gleichsetzen, und in einer solchen logik ist die stärkung des letzteren dann natürlich nicht nur überflüssig, sondern auch für antisozialität verantwortlich.
vor dieser logik muss aber eigentlich das attribut pervertiert, d.h. auf den kopf gedreht, stehen - denn selbstwert, besser gesagt ein gesundes selbstgefühl (= authentische identität, aus dem körper stammend und in ihm ruhend) hat sehr viel miturvertrauenzu tun, also damit, ob ich bereits in pränatalen zuständen (und natürlich auch später) zweckfrei geliebt wurde, also ausdrücklich nicht wg. irgendwelcher eigenschaften oder gar "leistungen", sondern wegen meines bloßen da-seins. das ist nach allem, was wir wissen können, eine ganz entscheidende basis, auf der sich eine gesunde psychophysische entwicklung erst entfalten kann.
es liesse sich dabei durchaus darüber streiten, ob diese fehlende basis später überhaupt auch nur ansatzweise "nachentwickelt" werden kann, aber um diese frage soll es jetzt nicht gehen. stattdessen geht es um die behauptung, ob die stärkung des selbstwertgefühls "bei Kindern drastisch deren Möglichkeit reduziert, den notwendigen Schmerz darüber wahrzunehmen, dass die Welt, außerhalb von ihnen, Anforderungen an sie stellen kann und stellen wird."
andersrum wird hier ein schuh draus: erst kinder mit einem ausgeprägten selbstgefühl im oben skizzierten sinne, d.h. mit einer authentischen identität, sind überhaupt in der lage, empathisch die welt wahrzunehmen, sich zu ihr bewusst zu positionieren und auch mit den unausweichlichen frustrationen umzugehen (wobei das "unausweichlich" genauer definiert werden muss - frustrationen, die sich bspw. durch die verrückte kapitalistische ökonomie mit ihren teils mörderischen zumutungen ergeben, sind weder nötig noch unausweichlich). es beschleicht mich an dieser stelle auch der verdacht, ob der autor - womöglich projektiv? - hier im hinterkopf dauernd das wort "narzisstisch" mit dem selbstwertgefühl verwechselt hat. aber wie dem auch sei: die fragliche these ist als blanker und gefährlicher unfug zu werten, selbst wenn man die möglichkeit einbezieht, dass bei bereits wahrnehmungsmässig vorgeschädigten kindern mit antisozialen tendenzen versuche, ihr selbstwertgefühl zu stärken, ähnliche effekte nach sich ziehen können wie therapieversuche mit strukturellen soziopathen: sie lernen lediglich besser, zu tun als ob, also auf gesellschaftliche anforderungen in simulativer und mechanistischer weise einzugehen - aber immer zu ihrem vorteil.
weiter im text:
(...)"Die Freizügigkeit, die mit der Emphase auf das Selbstwertgefühl einhergeht, sabotiert die Entwicklung eines echten Selbst jeder Art.
Was will der coole Junge von heute? Respekt!
Wofür? Dafür, das er ein cooler Junge ist.
Und das coole Mädchen und der coole Junge wissen dabei immer weniger, bekommen dafür aber bessere Noten. An den Schulen wird mehr und mehr „eine Leistungsbewertung propagiert, die Quoten für die Vergabe von guten Noten und Abschlüssen unabhängig von der tatsächlich erreichten Leistung“ festlegt, wie Jan Fleischhauer in seinem Buch „Unter Linken“ beschreibt. In der Germanys-next-Superstar-Kultur wird diese (wenn überhaupt) zu Mittelmäßigkeit dann zu Genialität aufgeblasen."(...)
zum ersten satz nur dies: augenscheinlich stört den autor am meisten die freizügigkeit, wobei darin implizit uralte klischees über die "antiautoritäre erziehung" mitschwingen. diese klischees hatten während einer kurzen zeit zwar eine realen kern (wenn antiautoritär mit grenzenlosigkeit gleichgesetzt wurde); jedoch gibt es keinen nachvollziehbaren grund dafür, warum freizügigkeit und sinnvolle grenzen sich gegenseitig ausschließen würden (das ist natürlich nur auf den umgang mit kindern bezogen). dazu gehört gleichfalls, dass wiederum ein intaktes selbstgefühl die wahrscheinlichkeit dafür drastisch erhöht, dass derartige grenzen auch als solche wahrgenommen werden - eine grundlage für die spätere fähigkeit zur selbstregulation innerhalb sozialer beziehungen, was nebenbei gesagt auch eine ganz elementare basis einer anarchistischen gesellschaft darstellt.
dann: wollen alle jungs cool sein? wenn ja, warum wollen sie es? vielleicht auch deswegen, weil ihnen das ständig von kapitalistischen medien als "männlich" vorgekaut wird? weil die kapitalistischen "helden"gestalten in virtuellen welten und der realität ständig das "ideal" cooler unerreichbarkeit, oder besser, unberührbarkeit, simulieren? ein paar veränderungen in richtung (pseudo-)emotionalität haben eher etwas mit den inhalten der jeweils angesagten simulationen zu tun, die nicht zuletzt von der kapitalistischen ökonomie zwecks "teamfähigkeit" u.ä. nachgefragt werden.
das folgende gejammer über die "linke" leistungsbewertung (bei kindern bis zu einem bestimmten alter überhaupt ein skandal), in der neben der nichthinterfragung des konventionellen leistungsbegriffs auch noch ein erzreaktionärer und zwangsweise objektivistischer (orientiert an "noten und abschlüssen", also am schein) bildungsbegriff sichtbar wird, komplettiert das bild einer position, die ganz zurecht u.a. zu diesem schluß gelangt:
"Das alles ist nur die Tünche einer erschreckenden Leere und Kälte."
das sich das vor allem auf seinen eigenen text beziehen könnte, ist dem verfasser wohl bis heute nicht so recht klar.
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die meisten der angesprochenen zentralen aspekte meiner argumentation sind im blog in diversen artikeln ausführlicher nachzulesen, ich empfehle für interessierte denindexund auch die interne suchfunktion in der sidebar. und zum schluß sollte dann auch noch die wesentlich wahrscheinlichere realität der soziopathie zur sprache kommen, wie ich sie neulich einmalzusammengefassthabe:
"ich betrachte das "subjekt" im kapitalismus immer als ein als-ob-subjekt, weil es sich von seinen dominierenden psychophysischen funktionsweisen her betrachtet eher um ein schwer beschädigtes subjekt handelt, welches diese beschädigungen - die sich vor allem im gesamten bereich der sozialen beziehungen manifestieren - kompensatorisch versucht, mittels verdinglichung/objektivierung seiner selbst und auch aller anderen, genauer gesagt alles lebendigen anderen, auszugleichen - es geht also um überlebensversuche, die bei einer postulierung des subjekts als "eigentlich überflüssig" an stärke und verzweiflung nur noch zunehmen werden. die sog. subjektform, die kurz als identisch mit der "kapitalistischen daseinsform" begreift, ist aus meiner perspektive eigentlich keine authentische subjektform mehr, besser gesagt, es ist ihre totale negierung: nämlich der soziopath (unabhängig davon, unter welchen namen diese extreme manifestation der kapitalistischen normen in körperlicher gestalt nun historisch bisher aufgetreten ist). hier haben wir den meiner meinung nach einzigen tatsächlichen fall, in dem das subjekt aufgrund psychophysischer prozesse tatsächlich zu einer art objekt im totalitären, d.h. allumfassenden sinne, und damit zur kapitalistischen daseinsform, geworden ist."
ein objekt als produkt der ganz normalenverdinglichungim kapitalismus - das ist das resultat der "freiheit" von "eigentum und handel", wie sie "eifrei" propagiert. und daran sollten sie auch gemessen werden.
was soll ich noch groß kommentieren? die nachrichtenlage spricht für sich selbst und macht das tägliche zerbröseln der (noch) herrschenden strukturen hör- und sichtbar:
globale krisenkaskade I: interview zum fetisch "wachstum"
globale krisenkaskade II: peak oil wird sichtbarer
deutschland I: lauter kleine häßliche testballons fliegen, oder was nach den bundestagswahlen passieren wird - von leistungskürzungen und steuererhöhungen
deutschland II: unterschlagene nachrichten - erstes "bossnapping" in osnabrück
spanien: schwere auseinandersetzungen zwischen metallarbeitern und polizei in vigo/galizien
usa I: kalifornien endgültig vor dem bankrott mit katastrophalen folgen
usa II: zur historie von "general motors" und den sozialen folgen der insolvenz
japan: organisierte kriminalität (yakuza) bekommt die krise zu spüren - ein personalabbau der besonderen art
in aller kürze: lettland vor staatsbankrott / griechenland: es kracht in jeder woche - anschläge gehen weiter / usa mit neuem rekord bei lebensmittelmarken / deutschland: werftinsolvenzen in meck-pomm / schienengüterverkehr bricht um über 20% ein / wie die erwerbslosenstatistik gefälscht wird
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ein interessantesinterviewmit einem so called "konservativen sozialwissenschaftler" macht die ganze aktuelle zwiespältigkeit des im weitesten sinne rechten krisendiskurses deutlich - neben durchaus realistischen und notwendigen einsichten...
(...)"Das Wachstum der letzten Dekaden hat für Sie aber auch eine andere Qualität als das Wachstum in den ersten Jahrzehnten der Republik?
Ja, es ist kaum noch wohlstandsmehrend. Erkrankungen, kaputte Familien, Autounfälle, Unwetter - das alles fördert das Wachstum, hebt aber nicht den Wohlstand. Und genau das ist die Art von Wachstum, die seit geraumer Zeit dominiert. Überall muss repariert werden: mehr Kranke, unterstützungsbedürftige Kinder und so weiter. Was heute Wohlstandsmehrung genannt wird, ist zunehmend nur der Versuch, Schäden zu beseitigen, die bei einem solideren Wachstum überhaupt nicht aufgetreten wären.
Wollen Sie darauf hinaus, dass Geld nicht glücklich macht?
Bis zu einem bestimmten Punkt macht es schon glücklich. Menschen, die Not leiden, werden deutlich glücklicher, wenn diese gelindert oder sogar überwunden wird. Doch es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass immer mehr Geld immer glücklicher mache. Die materiellen Bedürfnisse von Menschen sind endlich und lassen sich durchaus befriedigen. Was dann kommt, sind Ansehen, Macht und dergleichen."(...)
...schimmert nicht nur im letzten satz oben das grundsätzlich antisoziale menschenbild von rechts - das streben nach "ansehen und macht" wird als scheinbar anthropologische konstante suggeriert - durch, sondern ebenfalls werden kapitalistische mythen gehätschelt:
(...)"Viele sehen aber in der Krise ein Gerechtigkeitsproblem: Wenige haben einige Jahre sehr gut verdient, nun müssen alle Schulden aufnehmen.
Das ist auch ein Problem, obwohl die Zusammenhänge oft arg verkürzt dargestellt werden. Denn verloren haben ja zunächst einmal die Vermögensbesitzer, die zugleich in aller Regel weit überproportional die Steuerlasten zu stemmen haben."(...)
arg verkürzte zusammenhänge werden hier zuerst durch miegel geliefert - die vermögensbesitzer gehen nämlich in aller regel selbst bei verlusten - die nicht zuletzt durch ihre spielsucht bzw. die eigenartigen ausdrücke des zwangs zur profitakkumulation entstanden sind - nicht nur nicht am bettelstab, sondern wälzen diese verluste zunehmend erfolgreich auf die allgemeinheit ab. und das gejaule von den hohen steuern darf ruhig bei klüngeln wie der fdp u.ä. bleiben.
nichtsdestotrotz ist das ein interessantes interview, weil eine solche breitseite gegen den fetisch wachstum in einem konservativen "leitmedium" schlicht ungewöhnlich und möglicherweise ein zeichen dafür ist, wie die krise beginnt, die gesellschaftliche matrix in bewegung zu bringen. höchste zeit dafür ist´s ja allemal.
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inzwischen wird anhand der entwicklung der ölpreise auch etwas sichtbarer, wie sich die verschiedenen teile der krisenkaskade selbst rückkoppeln und beeinflussen - hartnäckig von den meisten immer noch ignoriert, wage ich die prognose, dass der begriffpeak oiluns in den nächsten monaten immer häufiger begegnen wird. und damit auch die ausweglose situation der heutigen kapitalistischen ökonomie unterstreichen wird. eine aktuellepressemitteilungbringt es auf den punkt:
(...)"Die Zeit billigen Erdöls ist endgültig vorbei!
Der Ölpreis steigt und steigt und kaum jemand will etwas merken.
Die einmalige Talfahrt des letzten Jahres war noch eine Folge der Welt-Wirtschaftskrise, die ihre Ursachen in der Bankenkrise und im hohen Ölpreise hatte. Die Wirtschaftskrise hält nun immer noch an, die Ölnachfrage ist weiter auf niedrigem Niveau, aber der Ölpreis klettert innerhalb eines Monats sogar schon um 20 Dollar nach oben; seit Anfang des Jahres hat er sich fast verdoppelt. Das sind Preissteigerungen, wie wir sie nur vom extremen ersten Halbjahr 2008 kennen!
Der Ölpreis steht heute bei fast 70 Dollar pro Barrel, ein Wert, der vor drei Jahren noch als höchste Bedrohung der Weltwirtschaft betrachtet wurde.
Erneut werden als Ursache nur Spekulanten genannt, wobei wie immer übersehen wird, dass Spekulanten den Ölpreis nur dann nach oben treiben können, wenn Knappheit im Ölmarkt herrscht.
Jahrelang ist das Fördermaximum von Erdöl (Peak Oil) ignoriert worden. Noch immer unterliegen viele dem Irrglauben, dass die Welterdölproduktion ausgeweitet werden könnte. Eine Strategie „Weg vom Öl“ hätte schon vor Jahren begonnen werden müssen. Dass eine solche Strategie von der Bundesregierung nicht umgesetzt wird, zeigten auch die Verhandlungen um Opel.
Anstatt Opel konsequent umzukrempeln, so dass sie ihre Produktpalette ökologisch ausrichten müssen, setzt die Bundesregierung mit dem russischen Zulieferer Magna weiter darauf, CO2-Schleudern zu produzieren, die dem Klima schaden und auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrenzfähig sind, als wäre Erdöl ewig verfügbar."(...)
wer sich diese realität in all ihren konsequenzen deutlich macht, kann bei allem derzeitigen "aufschwungs"-gerede nicht mal mehr müde lächeln, aber sich vielleicht fragen über das ausmaß von wahrnehmungsstörungen bis hin zur realitätsverweigerung bei den handelnden "eliten", aber nicht nur bei denen, stellen. antwortversuche auf solche fragen finden sich einmal mehr beimölschock-blog:
"Einer der Faktoren, die eine angemessene Reaktion auf die Krise der Industriegesellschaft so schwer machen, hat seine Ursache darin, wie tief diese Krise in unserem grundlegendsten Weltverständnis verwurzelt ist. Albert Einsteins berühmter Ausspruch, dass man Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen kann, durch die sie entstanden sind, war nie zutreffender als heute. In besonderem Maße gilt dies für viele der derzeitigen Versuche, dem nahenden Ölfördermaximum zu begegnen, die auf derselben Art von Logik beruhen, die uns erst in unsere heutige Zwangslage gebracht hat, und deren „Lösungen“ bestens geeignet sind, unsere Lage noch wesentlich schlimmer zu machen, als sie ohnehin ist.
Aus den Dutzenden guter Beispiele dafür, die sich jeden Tag in den Nachrichten finden, muss man unbedingt den wirtschaftlichen Rückschlageffekt herausheben, der durch den Versuch der US-Regierung, die strauchelnde ölbasierte Wirtschaft des Landes durch Ethanol am Leben zu erhalten, verursacht wurde. Je mehr Mais und anderes Getreide aus der Lebensmittelversorgung in Autotanks umgelenkt werden, desto höher steigen die Preise für Verbrauchsgüter, desto stärker kommt es zu inflationären Kettenreaktionen über die gesamten wirtschaftliche Nahrungskette hinweg und desto wahrscheinlicher wird es mittelfristig zu tatsächlichen Nahrungsmittelknappheiten kommen. Vor mehr als zwanzig Jahren wies William Catton in seinem bahnbrechenden Werk Overshoot darauf hin, dass Menschen während des Niedergangs der Industriegesellschaft gezwungen sein würden, mit ihren eigenen Maschinen um Ressourcen zu konkurrieren. Seine Voraussage ist heute bereits Realität.(...)
Durch die Entdeckung und Ausbeutung der planetaren Ölvorkommen ist der Menschheit ein unerwartetes Geschenk an mehr oder weniger gratis verfügbarer Energie in fantastischem Umfang in den Schoß gefallen, und jetzt setzen wir alles daran, diesen Gewinn so schnell wie möglich zu verfeuern. Angesichts des drohenden Rückgangs der Ölversorgung geht es nun nicht mehr darum, irgendein anderes Geschenk ebenso schnell zu verfeuern oder eine andere Art der Energieversorgung für eine Zivilisation zu finden, deren Weiterbestehen unauflöslich an einen gargantuesken Energieverbrauch gekoppelt ist, sondern darum, unsere Erwartungen und unsere Technologie so drastisch zurückzufahren, dass beides zu dem wesentlich bescheideneren Energieangebot passt, das uns in Zukunft aus erneuerbaren Energiequellen zur Verfügung stehen wird."(...)
ich tendiere mittlerweile ebenfalls mehr und mehr zur position, dass die derzeitige weltwirtschaftskrise auch bereits die tatsache von peak oil widerspiegelt. und alle versuche des "mehr-desselben" und zurück zum bisherigen status quo machen die ganze situation von tag zu tag nur noch schlimmer. mit dieser haltung werden wir zwangsweise umwälzungen in dimensionen erleben, dass uns möglicherweise hören und sehen vergehen wird.
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letzteres wird aller wahrscheinlichkeit nach bereits kurz nach der wahl im september für große teile der hiesigen bevölkerung eintreffen, wenn man sich denn einmal anschaut, was bereits jetzt medial so an etlichen planungen sichtbar wird, wenn es daran geht, die große rechnung für all die banken"rettungen", neuverschuldungen und sonstigen geschenke an diverse kapitalisten zu präsentieren - aus dem katalog des heulens und zähneklapperns ragen für mich bisher deutlich hervor:
-die mehrwertsteuererhöhung: (...)"Um das Steuerloch zu stopfen, schlagen Forscher eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vor. Man müsse die Bürger ehrlich auf das Kommende vorbereiten, sagen sie." das wörtchen "ehrlich" macht sich in solchen zusammenhängen immer gut, nicht wahr? und der folgenden sentenz werden wir gleich wieder begegnen: "Obwohl den öffentlichen Kassen bis 2013 fast 320 Milliarden Euro fehlen, sind Steuererhöhungen in der Politik derzeit ein Tabuthema."(...)
-die (erhöhte) praxisgebühr bei jedem (!) arztbesuch: klar, das gerangel und gezänk zwischen ärzteverbänden, krankenkassen und pharmaindustrie spielt hier eine rolle, aber ebenso die grundsätzlichen versuche, die medizinische versorgung ebenso zur ware zu machen wie alles andere. im hintergrund lässt sich dazu eine perfide form der selektion durch medizinische unterversorgung in den reihen des sog prekariats erahnen, aus elitärer sicht handelt es sich bei den betroffenen eh um zunehmend überflüssigere (und dazu potenziell störende) esser:
(...)"Hansen, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, hatte angeregt, für jeden Arztbesuch eine Praxisgebühr von fünf bis zehn Euro zu verlangen, für einen Facharztbesuch ohne Überweisung bis zu 25 Euro. Hansen sagte der Rheinischen Post, den Versicherten fehle das Empfinden dafür, welche Kosten sie verursachten. "Die Hemmschwelle, ärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, ist immer noch niedrig."(...)
und das echo auf dieses kostensenkende gedankengut? (...)"Der Vorstoß des Ärztefunktionärs Leonard Hansen, die Praxisgebühr drastisch zu erhöhen, stößt im Bundesgesundheitsministerium und beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) auf entschiedenen Widerspruch. Auch die SPD lehnte den Vorschlag umgehend ab. "Wir halten von solchen Vorschlägen nichts und werden sie auch nicht aufgreifen", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Carola Reimann, der FR.(...) Der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Klaus Vater, betonte, es werde weder höhere Zuzahlungen noch eine höhere Praxisgebühr geben. Dieser Beschluss stehe "felsenfest".(...)
so "felsenfest" wie die eh schon erbärmliche höhe des
-"hartz-IV"-regelsatzes? (...)"Die Zeiten in den Bundeshaushalten stehen auf Sturm. Nach Berechnungen der Kieler Wirtschaftsforscher wird sich die Anzahl der Hartz IV Betroffenen im Jahre 2010 um 1,5 Millionen Menschen erhöhen. Das würde bedeuteten, dass die Anzahl der Leistungsempfänger nach dem SGB II von derzeit 4,9 Millionen auf 6,4 Millionen Menschen sich erhöhen würde. Der Kieler IfW-Finanzexperte Alfred Boss berechnete, dass die Ausgaben für "Hartz IV" des Bundeshaushaltes und der kommunale Kassen von derzeit 37,7 Milliarden auf 44,6 Milliarden Euro ansteigen werden. Der Wirtschaftsforscher legte sogleich nach und forderte den Hartz IV Regelsatz entsprechend abzusenken. Für Boss wäre es "unverständlich", "Hartz IV-Kürzungen für alle Zeit auszuschließen". Wenn das Lohneinkommen durch die ausufernde Kurzarbeit sinke, müssten die Renten und der ALG II-Regelsatz "in gewissem Maß gekürzt" werden, so der IfW-Finanzforscher. Der Finanzexperte Rainer Kambeck schloss sich dieser Einschätzung an und sagte gegenüber der "WAZ": "Wenn die Bruttolöhne je Beschäftigten, wie es die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren, sinken, müssten Renten und Hartz-IV-Satz gekürzt werden."(...)
und bei diesem thema hören wir im gegensatz zu den beiden oben schon eine mischung aus wahlpropaganda und ehrlichen ansagen:
"Bislang halten sich Union und SPD bedeckt und versprechen sogar, die Renten und damit auch den Hartz IV Regelsatz per Gesetz nicht sinken zu lassen. Doch so mancher CDU Politiker mag diese Wahllüge nicht teilen. So sagte der Berliner sozialpolitische Sprecher der CDU Fraktion Gregor Hoffmann: Aufgrund des prognostizierten Anstiegs der Arbeitslosigkeit sei "bereits zum heutigen Zeitpunkt klar, daß der Status Quo der Leistungsangebote nicht beibehalten werden kann".(...)
vor den wahlen also: "man" hält sich "bedeckt", äussert sich nicht zu "tabuthemen", hält nichts von "solchen vorschlägen" und verweist auf "felsenfeste" beschlüsse. das alles lässt nur das allerschlimmste nach den wahlen befürchten. bis dahin versucht sich besonders die sog. politische klasse, noch schwer angeschlagen aufrecht zu halten. und dürfte es spätestens am wahlabend mit der sog. müntefering-maxime halten, wonach es "unfair" sei, die koalitionsparteien an ihrem wahlkampfversprechen zu messen (ein zitat aus dem "tagesspiegel" vom 29.08.2006)
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unfair dürften es auch die aufsichtratsmitglieder des insolventen autozulieferers "karmann" in osnabrück empfunden haben, als ihnendieseswiderfuhr:
(...)""Wir lernen Französisch" - Lektion I: Bereits am 7. Mai hatten Arbeiter des insolventen Automobilwerks Karmann in Osnabrück eine Versammlung des Aufsichtsrates (also auch die Eigentümer) eingesperrt. Die Aktion war spontan. Etwa 400 Arbeiter sollen sich beteiligt haben. Die Aktion war mit einer Arbeitsniederlegung verbunden. Das Zufahrtstor zur Eigentümerversammlung wurde dabei mit Kabelbindern verriegelt. Es kam zu einem Polizeieinsatz. Der Polizeibericht ist online nicht mehr einsehbar.(...)
Hintergrund des Protestes sind die Massenentlassungen beim Osnabrücker Autozulierer Karmann und die von den Gesellschaftern betriebene vorsätzliche Insolvenz um ihre Profite in der Krise zu sichern.
Fast 1900 Arbeiter sind von der Entlassungswelle betroffen, insgesamt sind es über 3000 die durch die Insolvenz und Entlassungen ihren Arbeitsplatz bedroht sehen. Vielen droht Hartz IV."(...)
schweigen im (medialen) walde.
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ähnlich wie bei den folgenden szenen aus spanien:
denn immer dann, wenn sich solche szenen nicht den üblichen "jugendlichen autonomen krawallmachern und randalierern" unterschieben lassen, bricht eine beredte schweigsamkeit aus - man möchte die herde hierzulande ja nicht auf dumme gedanken kommen lassen. zu denhintergründen der riotsin vigo schreibt das labournet:
"Galizien ist eine Region, deren Menschen schon lange daran gewöhnt sind, dass die kapitalistische Marktwirtschaft ihnen keine Perspektiven mehr bieten kann: die Werften sind das naheliegendste Beispiel. In der aktuellen Metalltarifrunde hatten die Unternehmer nur ein Angebot: Keinen neuen Tarifvertrag. Löhne also einfrieren, Arbeitszeiten unbestimmt lassen, so lautet das konkret - im übrigen das weltweit bekannte Kürzungspaket. Die Streikbewegung begann Anfang Mai in den kleineren und mittleren Metallbetrieben - die großen, wie etwa Citroen oder die Werften, haben eigene Tarifverträge. Dem begegneten die Arbeiter mit der Entsendung von Massendelegationen zu den Werkstoren, um Solidaritätsaktionen den Weg zu bahnen, was zunächst bei den Werften schneller passierte, im Verlauf der Tage kam es aber auch bei Citroen zu Aktionen. Der Isolierung in kleineren Betrieben - und im Angesicht der faktischen Nachrichtensperre der Kommerzmedien - begegneten die Belegschaften mit öffentlich zugänglichen Betriebsversammlungen auf Straßen und Plätzen der Stadt, die die ganze Zeit seit Beginn der Auseinandersetzung 10.000 und mehr TeilnehmerInnen hatten. Die offizielle gewerkschaftliche Taktik der drei großen beteiligten Gewerkschaften (Arbeiterkomissionen, UGT und die regionale CIG) liess sich nicht wirklich durchhalten. Seit dem 8. Mai - als Proteste am Bahnhof mit heftigen Repressionsversuchen zu kämpfen hatten - kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der offizielle Anlaß war die Tatsache, dass die Strassenversammlungen immer auch Verkehrsblockaden bedeuteten. Aber selbst eine kurze Nachrichtenschau aus Spanien zeigt in diesen Tagen, dass quer durchs Land Protesten und Widerstandsaktionen nur noch mit Polizeigewalt begegnet wird, egal wie der konkrete Anlaß jeweils genannt wird. Anfang Juni haben sich nun die Auseinandersetzungen verschärft, weil die Belegschaften einerseits dazu übergingen, die Betriebe zu blockieren und andererseits der Polizeirepression Widerstand zu leisten - was dann natürlich auch die Medienwirtschaft mobilisierte."(...)
solche und viele andere in vergangenen news dokumentierte berichte machen eines ganz deutlich: die sozialen verwerfungen schreiten in vielen ländern in einem tempo und mit ausmassen fort, von dem sich die meisten menschen hierzulande immer noch keinen begriff machen.
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der seit monaten drohende bankrott des us-bundesstaates kalifornien war in vergangenen news immer wieder thema (z.b.meet the borderline states); jetzt ist aber offensichtlich endgültigende im gelände:
(...)"Unser Geldbeutel ist leer, unsere Bank ist geschlossen, unser Kredit ist aufgebraucht."
Tatsächlich steht der einst so wohlhabende US-Bundesstaat vor der Pleite. Das Haushaltsdefizit beträgt nicht weniger als 24,3 Milliarden Dollar. Wenn Kaliforniens Parlament bis zur Mitte des Monats keinen Sparhaushalt verabschiedet, dann müssen die Behörden des Bundesstaates nach Berechnungen des kalifornischen Finanzministers spätestens am 29. Juli ihre Zahlungen einstellen."(...)
auch die absehbaren folgen hatte ich schon früher kommentiert, inzwischen sind die dimensionen noch sichtbarer:
(...)"Die Sozialhilfe für eine halbe Million Familien soll ersatzlos gestrichen werden. 38.000 Strafgefangene können auf ihre vorzeitige Entlassung hoffen. 220 staatliche Parks sollen schließen. Die CalGrants - eine Art Bafög - würden auslaufen. Den Schulen sollen 5,2 Milliarden Dollar gestrichen werden. In Los Angeles zum Beispiel wurden vorsorglich schon 1000 Lehrer gefeuert und alle Aktivitäten während der mehr als zwei Monate währenden Sommerferien gestrichen: 200.000 Kinder stehen dort nun auf der Straße. Fast alle Sparmaßnahmen gingen zu Lasten ärmerer Kalifornier."(...)
und letzteres dürfte bei der globalen "krisenbewältigung" bisher die allgemeine regel sein. wenn nicht endlich... aber auch das thema hatten wir schon häufiger. jedenfalls darf der terminator dann von sich behaupten, seinen namen zu recht zu tragen.
(...)"In dem knappen Jahrhundert der GM-Unternehmensgeschichte konnte man „GM“ auch mit „General Money“ übersetzen. Der Konzern machte Profite, wo und wie irgend möglich. Charles Edward Wilson war in den 1940er Jahren Vorsitzender des General-Motors-Verwaltungsrats und der Leiter der US-Heeresverwaltung im Zweiten Weltkrieg. Sein legendärer Spruch lautete: ″Was gut für General Motors ist, ist auch gut für die USA″.
Tatsächlich verdiente GM im Zweiten Weltkrieg auf beiden Seiten: Als Hersteller von Rüstungsgütern und Jeeps für die US-Armee. Und als Lieferant für die Nazi-Armee. Die GM-Tochter Opel in Deutschland mit Werken in Rüsselsheim und Brandenburg lieferte – wie die Ford-Werke in Köln und bei Berlin – den Nazis ohne Zwang und unter einem von GM in Detroit bestimmten Management kriegswichtiges Material. Unter Anspielung auf die Debatte über die Rolle der Schweiz bei der NS-Unterstützung schrieb der US-Historiker Bradford C. Snell: „Die Nazis hätten ohne Hilfe der Schweiz in Polen und Russland einmarschieren können. Ohne General Motors wäre das nicht gegangen.“
Die Nazi-Wehrmacht bezog 85 Prozent ihrer Militär-Lkw von Ford und GM. In der Studie von B.C. Snell heißt es: “Von 1939 bis 1945 produzierte die GM-Tochter in Rüsselsheim 50 Prozent der Antriebssysteme für die JU-88 ... den wichtigsten Bomber der Luftwaffe. Das Rüsselheimer Werk produzierte auch zehn Prozent der Antriebssysteme für die Me-262, den ersten Kampfbomber mit Düsenantrieb (Strahltriebwerk), das wohl wichtigste Kampfflugzeug der Nazi-Armee“. Die Studie trägt den Stempel des US-Senats und stammt vom 26. Februar 1974 („American Ground Transport“).
Nicht nur – wie gelegentlich berichtet - Henry Ford, auch der Vize-Chef von GM, James D. Mooney, erhielten Ende der dreißiger Jahre für ihre Verdienste um die NS-Wirtschaft den höchsten Nazi-Orden, der Ausländern gegeben werden konnte: das „Verdienstkreuz des Ordens vom Deutschen Adler Erste Stufe“.
eine art us-pendant zukruppalso, ein konzern, der im ersten weltkrieg doppelt kassierte. ich frage mich, wie bekannt diese geschichte in den usa wohl sein mag. denn dann würden sich die aktuell betroffenenvielleicht ein paar grundsätzliche gedanken mehr zu ihrer situation machen:
(...)"Im Zuge der Roßkur sollen weltweit an die 35000 Arbeitsplätze verschwinden gehen, übrig blieben weniger als 200000. Laut New York Times müssen vor allem gewerkschaftlich Organisierte gehen. Mehr als 20000 Mitglieder der UAW könnten sich demnach bald auf der Straße wiederfinden, was bei einem »mit der Gewerkschaftsbewegung verbündeten demokratischen Präsidenten« nicht realisierbar wäre, so das Ostküstenblatt. Zudem muß die Gewerkschaft die Hälfte ihres Krankenversicherungsfonds, ursprünglich 20 Milliarden US-Dollar wert, gegen Aktien tauschen. Außerdem gebe es Überlegungen, »zwölf bis 20 Fabriken« zu schließen. Das Händlernetz soll massiv ausgedünnt werden, nahezu 40 Prozent aller 6000 GM-Autohäuser könnten betroffen sein. Schätzungen der Agentur MarketWatch zufolge würden an die 250000 Menschen aufgrund der Insolvenzen von GM und Chrysler ihre Arbeit verlieren."(...)
"proletarier aller länder, vereinigt euch!" nötig fände ich eher: "verarschte und ver-/ geblendete aller länder, lernt um himmelswillen endlich wahrzunehmen, was in, mit und um euch herum eigentlich passiert".
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hatte ich in einer der vergangenen news noch die (globale) mafia als eine der krisengewinner bezeichnet, so muss ich das offensichtlich hinsichtlich derjapanischen niederlassungder ehrenwerten gesellschaft korrigieren:
(...)"Jahrzehntelang waren Drogen, Glücksspiel, Schutzgelderpressung und Prostitution auch in Japan die Haupteinnahmequellen der organisierten Kriminalität. Doch nun werfen die Yakuza erstmals seit ihrem Bestehen hunderte Mitglieder hinaus, weil diese den geforderten Beitrag an ihr jeweiliges Kartell nicht zahlen können. Der Grund dafür scheint zunächst absurd: Es ist die Wirtschaftskrise. Wie kommt es dazu?
Wie die Camorra in Neapel oder die 'Ndrangheta in Kalabrien erlebten die Gruppen der japanischen Yakuza nach dem Zweiten Weltkrieg einen stetigen Aufschwung. Misha Glenny, britischer Journalist und Buchautor, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Phänomen. Er bescheinigt den genannten Gruppen sogar eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Kommunismus, den die USA unterstützt hätten.(...)
Sowohl die Yakuza in Japan als auch die Mafia in Italien sind in ihren Strukturen traditionalistisch geprägt. Plötzlich bekamen sie Konkurrenz in Gestalt von russischen, bulgarischen und anderen Mafiosi, die ihre Mitglieder aus arbeitslos gewordenen Angehörigen des Militärs und des Sicherheitsapparats rekrutierten. Diesen neuen Organisationen war nicht mehr die Loyalität gegenüber der „Familie“ am wichtigsten, sondern der Profit. So schnell und so viel wie möglich, berichtet Misha Glenny. Deshalb reagierten die Yakuza mit einer Abkehr von den Idealen der Samurai – Mut, Opferbereitschaft und Loyalität –, auf die sie sich traditionell berufen, und orientierten sich an den Gesetzen des Marktes."(...)
also eigentlich ein terrain, in dem die ureigendsten "tugenden" aller mafiösen organisationen zur geltung kommen. müsste nicht gerade ihnen dieses milieu besonders zusagen?
"Die Gangster konzentrierten sich daher statt auf Glücksspiel und Drogen vermehrt auf legale Geschäfte wie Aktien und Immobilien. Sie gingen auch mit eigenen Unternehmen an die Börse. Damit scheffelten die Yakuza bis vor eineinhalb Jahren Milliarden. Dem japanischen Yakuza-Experten Tomohiko Suzuki zufolge haben die einzelnen Yakuza-Gruppierungen heute rund 83.000 Mitglieder und besitzen etwa 50 Unternehmen, die an den Börsen in Tokio und New York notiert sind.
Nun trifft sie die Krise genauso wie „klassische“ Unternehmer und Anleger. Die Nachrichtenagentur AFP berichtet von alten Kämpfern, die sich nach dem Yakuza-Ethos von früher sehnen: „Die heutige Geldversessenheit der japanischen Mafia ist falsch.“
ein satz zum einrahmen und an die an die wand hängen, wie ich finde - die mafia beschwert sich über mafiöses treiben, und das wirft durchaus ein grelles, wenn auch sicher unfreiwilliges licht über die grundstruktur des globalen "freien marktes" als kernelement des kapitalismus. und ebenso sagt es einiges über seine verteidiger aus.
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in aller kürze - das krisentelegramm + osteuropa ist eine besondere krisenregion, darin das baltikum nochmal besonders gebeutelt - und jetzt verdichten sich die anzeichen dafür, dasslettlandbald als erstes den finanziellen löffel abgibt: "Die lettische Regierung ist mit dem Versuch, Staatsanleihen an Investoren zu verkaufen, gescheitert. Das nährte Spekulationen an den Finanzmärkten, das einst boomende Land im Baltikum müsse seine Währung bald abwerten." eine solche fehlgeschlagene auktion von staatsanleihen darf als alarmzeichen allerersten ranges betrachtet werden + griechenland, die chronik der laufendenanschläge..."Ein Sprengstoffanschlag wurde gegen 3.00 Uhr in der Nacht von Donnerstag auf Freitag gegen das Finanzamt des Athener Vorortes Psychiko an der Kifissias Straße 256 verübt. Durch die Explosion entstanden leichte Sachschäden an der Fassade des Gebäudes. Verletzt wurde niemand."...wird fortgeführt: "Unbekannte Täter haben in der Nacht mehrere Brandflaschen auf den Eingang einer Polizeistation der Athener Vorstadt Melissia geschleudert. Fast zeitgleich zündeten Unbekannte mehrere Gasflaschen vor drei Bankfilialen in der griechischen Hauptstadt. Dabei entstanden nach Angaben der Feuerwehr erhebliche Schäden." + währenddessen werden aus den usa über33 millionen bezieher von lebensmittelkartenvermeldet. das sind dimensionen, die sprachlos machen + ganz soweit sind wir hierzulande (noch) nicht, auch wenn sich inzwischen die summe der freigesetzten vonmeldung..."Die Wadan-Werften in Wismar und Rostock sind zahlungsunfähig. Seit einem Jahr ist das Unternehmen mehrheitlich in russischer Hand, jetzt hat es einen Insolvenzantrag gestellt. Tausende Arbeiter sind betroffen."...zumeldungmehr erahnen lässt: "Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat den Güterverkehr auf der Schiene im ersten Quartal 2009 kräftig nach unten gezogen. Von Januar bis März wurden im deutschen Schienennetz 74,7 Millionen Tonnen Güter transportiert und damit 21,2 Prozent weniger als vor einem Jahr." haben all die schwätzer vom baldigen aufschwung womöglich nur die kommenden erwerbslosenzahlen gemeint? + die bilden heute auch das allerletzte, genauer gesagt die tricks, mit denen die offiziellen zahlen generiert werden. die lassen sich komprimiert in diesemvideobetrachten. und wer da meint "alles nix neues", sollte sich nach dem grad seiner bzw. ihrer abstumpfung fragen +
das einladende motto der überschrift in den heutigen krisennews lässt sich trefflich als parole der stunde all der psychophysischen mutanten verstehen, die rund um den planeten an den finanzmärkten und börsenwettbüros dabei sind, mehr oder weniger fröhlich, aber in jedem fall offensichtlich unbeeindruckt, die nächsten blasen und quitschebunten ballons voller heisser luft aufzupumpen - auf das ihr spiel ewig weitergehe. was es nicht tun wird, und eingeladen sind eh nur dumme, aber dafür solvente, mitspieler. primär ihnen, aber sekundär auch all jenen statisten in den verschiedenen bevölkerungen rund um die welt, die ebenfalls nur weiter ihre kleinen ballons im sog. privatleben aufblasen möchten, ist der folgende song gewidmet (der nebenbei sicher auch den fans des gepflegten easy listenings freude bereiten wird):
wir werden am ende noch sehen, was das letzte schicksal jedes ballons ist, egal ob klein oder groß.
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global I: europäischer "thinktank" leap attestiert "eliten" totalen realitätsverlust - "die welt verlässt endgültig ihren seit 60 jahren gültigen bezugsrahmen"
global II: szenarios der weiteren krisenentwicklung
china: diverses zur ökonomischen situation und zur lage der wanderarbeiterInnen
japan: in der depression
spanien: generalstreik im baskenland
großbritannien: zur ökonomischen krise gesellt sich eine schwere politische systemkrise
in aller kürze: usa - erwerbslosenzahlen steigen weiter / deutsche manager beschweren sich öffentlich über (angedrohte) gehaltsbeschränkungen / griechenland: anschlagswelle hält unvermindert an
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die regelmäßigen bulletins aus der europäischen "denkfabrik" leap waren hier schon öfter (kommentiertes) thema; das neuestegeabenthält nun ein paar weitere bemerkenswerte einschätzungen der aktuellen lage:
"Die Entwicklung an den Aktienmärkten und bei den Finanzindizes sowie die Kommentare aus der Politik zur Krise und ihrer Bewältigung während der letzten zwei Monate sind surreal; wir erhören den Schwanengesang des Bezugssystems, in dem die Welt seit 1945 lebt.(...)
Heute stellen wir die Behauptung auf: In diesem Frühjahr 2009 hat die Welt das Koordinatensystem verlassen, mit dessen Hilfe sich die Entscheider in Wirtschaft, Finanzen und Politik in einem gegebenen Bezugsrahmen orientieren konnten. Dies gilt insbesondere, weil seit dem Zerfall des Ostblocks 1989 dieses Koordinatensystem ausgedünnt und auf die USA konzentriert wurde. Es war damit schon seit vielen Jahren nur noch bedingt in der Lage, die Wirklichkeit abzubilden. Nun aber, genauer ab dem Sommer 2009, navigieren die Entscheider in terra incognita. Das bedeutet, dass alle Orientierungshilfsmittel, alle Indikatoren, die bisher genutzt wurden, um Entscheidungen zu treffen über Investitionen, Rentabilität, Unternehmensansiedlungen, Eingehen von Joint venture etc., ihre Aussagekraft verloren haben. Sie funktionierten ausschließlich im bisherigen Koordinatensystem.(...)
Diese Entwicklung hat sich in den letzten Monaten unter der Wirkung von zwei wichtigen Trends verstärkt:
- Zum einen haben die verzweifelten Versuche zur Rettung des globalen Finanzsystems, und insbs. ihrer britischen und amerikanischen Bestandteile, wesentlich dazu beigetragen, die bisher noch verläßlichen „Navigationsinstrumente“ zu zerschlagen; sie wurden durch die verschiedenartigsten Manipulationen, die die Banken, die Regierungen und die Zentralbanken vornahmen, unbrauchbar und tragen nun mit ihren widersprüchlichen oder inkohärenten „Messergebnissen“ sogar noch zur Verunsicherung bei. Die Aktienmärkte sind dafür das beste Beispiel. Bisher galten sie noch als Indikatoren über den Zustand der Wirtschaft. Heute zweifeln alle, dass die Kurssprünge der letzten Wochen eine verläßliche Aussage über die Wirtschaftsentwicklung vermitteln könnten.(...)
- Zum anderen haben die astronomischen Summen, die in nur einem Jahr in das globale Finanzsystem und insbesondere in die US-Banken gepumpt wurden, dazu geführt, dass die Banker und Politiker den Bezug zur Realität vollständig verloren haben. Man hat den Eindruck, dass sie alle von der Taucherkrankheit befallen sind, bei der der Taucher das Gefühl für oben und unten verliert und statt, wie beabsichtigt, aufzusteigen, immer tiefer abtaucht. Die Geldkrankheit scheint identisch auf das Gehirn und den Organismus zu wirken."(...)
im großen und ganzen kein widerspruch, außer an den folgenden punkten: die notorische implizite verharmlosung der europäischen (finanz- und wirtschafts-) politik stellt in vielen bulletins von leap ein immer wiederkehrendes ärgernis dar, und darüber hinaus könnten die leap-leute ihre letztgenannte symptomfeststellung gerade an diesem punkt auch auf sich selbst anwenden. und das konstatierte wegfallen des "bisherigen bezugsrahmens" würde ich nicht grundsätzlich als etwas schlechtes ansehen, wenn man sich deutlich macht, was für monströse verbrechen innerhalb dieses rahmens immer und immer wieder vonstatten gingen und gehen. interessant finde ich aber die focussierung auf die "elitäre" wahrnehmung, wie sie auch im weiteren verlauf der zusammenfassung durchscheint:
(...)"Es bleibt natürlich jedem belassen, aus irgendwelchen monatlichen Abweichungen irgendwelcher Wirtschafts- oder Finanzindizes um ein oder mehrere Prozentpunkte rauf oder runter, die darüber hinaus auch noch von staatlichen oder Banken-Interventionen beeinflusst wurden, mehr über die Entwicklung der gegenwärtigen Krise ablesen zu wollen als aus Vergleichen mit Entwicklungen, die mehrere Jahrhunderte abdecken, und die nachweisen, dass eine solch Situation ein Novum ist. Natürlich ist auch jedem belassen zu glauben, dass die, die weder die Krise noch ihr Ausmaß vorher zu sehen vermochten, heute in der Lage sind, vorher zu sehen, wann die Krise überwunden sein wird.
All denen empfehlen wir aber, sich den Film « Matrix » zu Gemüte zu führen und sich Gedanken darüber zu machen, wie verzerrend und irreführend eine Umgebung wahrgenommen wird, wenn alle Wahrnehmungsmöglichkeiten und Sinnesorgane manipuliert wurden."(...)
da steckt durchaus einiges an realität drin; und mir ist beim lesen eine notiz aus dem jahr 2005 wieder eingefallen, in der ich ebenfalls bezug auf die "matrix" genommen habe -"...im Moment ist es sicherer, in eine virtuelle Wirtschaft zu investieren". die doppelbödigkeit der botschaft im zitat (ich empfehle auch nochmals die lektüre des verlinkten artikels, in dem das zitat am schluß steht) wird dann sichtbar, wenn man sich ihre hintergründe betrachtet: erstens gehörte 2005 noch zu den jahren des "aufschwungs", in denen allerseits kräftig all jene blasen produziert wurden, deren kollaps wir heute erleben. zweitens war der (kurzlebige) boom von online-welten wie"second life"bekanntlich anlaß für diverse prophezeiungen von zukünftiger zunehmender verlagerung auch wirtschaftlicher aktivitäten ins virtuelle; drittens waren letztgenannte prognosen in gewisser hinsicht durchaus realistisch (aber ganz anders als gedacht), wenn man sich die explosion quasi-virtueller finanz"produkte" und -konstrukte verdeutlicht (für die das obige zitat ebenfalls stehen kann), deren zunehmend heftigeren wirkungen in der realität einmal mehr deutlich machen, dass virtuelle welten (aka simulationen) nie und nimmer "unabhängig" von der authentischen realität existieren können (genau dieser trugschluß stellt sich bei einzelnen individuen oft genug in symptomen dar, die die definition der "beeinträchtigten wirklichkeitserfassung" erfüllen, eine zulässige klinische definition des wahnsinns).
ich assoziiere natürlich wieder mal, wobei mir der hintergrund der virtualität bei den ursachen der laufenden krise durchaus allgemein zu kurz kommt - da ich bei den handelnden akteuren aus politik & ökonomie mehrheitlich eine krankheitswertige dominanz objektivistischer innerer strukturen annehme, ist die ständige konstruktion virtueller "welten" als eine art der zwangsläufig fehlschlagenden versuchten realitätsbewältigung etwas, was nicht nur zur aktuellen beigetragen krise hat, sondern bis dato - und nichts anderes drückt das leap-bulletin im letzten zitat für mich aus - auch die versuche dominiert, sie zu "lösen". dabei halte ich die unterschiede zwischen den expliziten spiel-welten, wie sie 2005 thema waren, und den virtuellen sphären der finanzwelt lediglich für quantitativ; strukturell sehe ich hingegen sowohl bei denjenigen, die in ersteren in sachen persönlicher "wertschöpfung" aktiv sind und waren und den letzteren, die täglich an den sog. börsen ihre wetten u.a. auf sinkende oder steigende kurse abschließen, keinen großen unterschied.
"...would you like to ride in my beautiful balloon?"
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zu den bereits im geab angesprochenen "surrealen" (oder auch lächerlichen) angeblich positiven entwicklungen primär an den börsen hattetomasz koniczschon anfang mai u.a. angemerkt:
(...)"Die wiedererwachte Kauflust an den Aktienmärkten basiert laut Bloomberg »auf der Spekulation, daß die längste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg bald enden« werde. Doch nicht alle Marktteilnehmer sind dem irrationalen Kaufrausch verfallen. So zitierte Bloomberg die Ergebnisse einer Analyse der Informationsagentur »The Washington Service«, die sich darauf spezialisiert hat, Finanzinformationen an institutionelle Anleger zu verkaufen. Demnach würden Insider aus US-Konzernen, also Mitglieder der Führungselite, seit Beginn der Kurseinbrüche ihre Aktien im »schnellsten Tempo« auf den Finanzmärkten abstoßen.
Konkret haben die Vorstandsmitglieder und Direktoren von börsennotierten US-Unternehmen im Verlauf des April – der eigentlich durch starke Kurssteigerungen gekennzeichnet war – Aktien im Wert von 335 Milliarden US-Dollar veräußert. Diese Verkäufe waren demnach um den Faktor 8,3 größer als deren Aktienkäufe. Dies sei ein »Warnsignal«, da die Insider für gewöhnlich »mehr Informationen über ihre Unternehmen zur Verfügung haben als irgend jemand anders«, erläuterte der Analyst William Stone vom Finanzdienstleister PNC Financial Services Group gegenüber Bloomberg.
Der Analyse des »Washington Service« zufolge nahm der Insiderhandel bereits ein Ausmaß wie im Oktober 2007 an. Damals hatte der Börsenhandel seinen Höhepunkt überschritten und setzte zu einem Sturzflug an, der die »Hälfte des Marktwerts der US-Unternehmen« vernichtet hat."(...)
diese info zusammen mit einem realistischen blick auf die allgemeine wirtschaftliche lage sollte eigentlich ausreichend sein, die wöchentlich als "hoffnungsschimmer" bejubelten derzeitigen kursgewinne an vielen börsen richtig einordnen zu können. und generell ist bei allen derzeitigen "erfolgsmeldungen", die das "ende des abschwungs" verkünden, dreierlei zu beachten: einmal verläuft auch eine ökonomische depression dieses kalibers - wie ein blick auf die (bisherige) "great depression" der 1930er jahre klarmacht - in kurzfristigen (vielleicht ebenfalls zyklischen) auf- und abwärtsbewegungen, die sich dann in den diversen ökonomischen daten wiederspiegeln, bei allerdings grundsätzlicher tendenz aller relevanten daten nach unten. zweitens spricht - wie schon in vielen früheren news thematisiert - etliches dafür, dass wir uns nicht nur in einer "reinen" ökonomischen krise, sondern einer ganzen krisenkaskade befinden, die durch das zusammentreffen und gegenseitige durchdringen von wirtschaftskrise, ressourcenverknappung, ökologischer krise und dem allgemeinen zerfall der sozialen basis bzw. der entsprechenden menschlichen fähigkeiten, die diese basis größtenteils ausmachen, in (zu) vielen gesellschaften rund um den globus gekennzeichnet ist. und die aus diesem zusammentreffen resultierende umfassende systemkrise wird gerade bei den primär aufs "ökonomische" focussierten analysen schlicht abgespalten. und drittens spielt auch etwas eine rolle, was sich alsbewusste manipulationzwecks systemerhalt bezeichnen ließe:
"Wenn die Wirtschaftsleistung, der Export oder die Erwartungen an die Zukunft tief abgestürzt sind, wie jetzt, dann kommt einfach der Punkt, der als Talsole bezeichnet wird und von wo aus der Absturz aufhören muß, wenn nicht alles den Bach heruntergehen soll. Das ist genau der Augenblick, in dem von interessierter Seite aus den kleinsten Zacken nach oben frohe Botschaften gezimmert werden, die die Psychologie auf Aufschwung einstellen sollen. Eigentlich ist es ein durchsichtiges Spiel. Doch wer kann es den Menschen verargen, daß sie nach so vielen schlechten Nachrichten nun bereit sind, einigen positiv klingenden Vertrauen zu schenken?"(...)
nun, verstehen lässt sich dieser "mechanismus" sicher - aber die akzeptanz sollte im ganz eigenen interesse keinesfalls vorhanden sein. je mehr die situation schöngefärbt wird, desto schwerer werden nicht nur die anstehenden umwälzenden veränderungen fallen, sondern auch die negativen effekte werden sich durch die quasifluchten in rosarote virtuelle horizonte derart verstärken, dass die zerstörerischen kräfte der verschiedenen krisen am ende jeden ansatz zu positiven veränderungen zunichte machen könnte. an diesem punkt wäre angemessene angst und daraus resultierende grundsätzliche unruhe eigentliche erste "bürgerInpflicht".
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ein grundsätzlich interessanter versuch,drei szenariender weiteren entwicklung der wirtschaftskrise zu skizzieren, leidet dabei meiner meinung nach an der oben erwähnten focussierung mit nachfolgender abspaltung anderer krisenbereiche; nichtsdestotrotz ist er für eine diskussion durchaus brauchbar:
(...)"Für den weiteren Verlauf der Krise und ihre politische Verarbeitung sind drei idealtypische Szenarien vorstellbar.
Im ersten Szenario tritt eine schnelle Erholung ein. Die Krise endet noch in diesem Jahr und ihr folgt – wie auf die Asienkrise Ende der 1990er Jahre und die New Economy Krise ab 2004 – ein schneller und kräftiger Aufschwung. Dann würden – wie in den beiden vorangegangenen Fällen – der Finanzmarktkapitalismus weiter gestärkt und jede Konzeption einer weiterreichenden politischen Intervention – oder einer »neuen internationalen Finanzarchitektur« – in der Versenkung verschwinden, bereits ergriffene Reformschritte rückgängig gemacht und die Deregulierung fortgesetzt.
Den Eintritt eines solchen Szenarios halte ich jedoch für sehr unwahrscheinlich. Hiergegen sprechen die Gleichzeitigkeit und Heftigkeit der Rezessionen in den Industrieländern sowie die anhaltende Unsicherheit auf den Finanzmärkten. Die Regierungen aller großen Länder und alle internationalen Organisationen gehen davon aus, daß die Krise nicht schnell in einen Aufschwung umschlagen wird und daß daher großer politischer Handlungsbedarf besteht."
das im letzten satz genannte argument impliziert gleichzeitig, dass die "eliten" ihrer eigenen propaganda nicht trauen - und das bezweifle ich zumindest teilweise. ansonsten halte ich das szenario gleichfalls für unwahrscheinlich, wenngleich aus weiteren und anderen gründen.
"Das zweite Szenario geht von dem entgegengesetzten Fall aus: Die Finanzkrise führt zu einer massiven Beeinträchtigung der Basisfunktionen des Finanzsystems – Zahlungsverkehr, Einlagensicherung und Kreditversorgung –, und die Rezession weitet sich zu einer anhaltenden Depression mit Massenentlassungen, Arbeitslosenraten von 20 Prozent und mehr sowie massiv steigender Armut aus. Dieser Fall wird in einem relevanten Teil der öffentlichen Diskussion durchaus als realistisch angesehen, der behauptet, die Krise habe gerade erst begonnen und der eigentliche Zusammenbruch stehe noch bevor. Der Eintritt eines solchen Szenarios würde vermutlich dramatische politische Folgen haben, die allerdings nicht in Richtung auf mehr Demokratie und sozialen Fortschritt zielten. In Europa würde er vermutlich einerseits zu einem schnellen Zerfall der Europäischen Union führen und andererseits autoritärere Formen der Intervention zur Rettung des Systems befördern: Das würde einen härteren Abbau des Sozialstaats und verstärkte Versuche zu internationaler Expansion bedeuten. Zur längerfristigen Stärkung des Systems könnte es überdies zu einer neuen Welle massiver und längerfristiger staatlicher Interventionen kommen, zu denen nicht nur Investitionsprogramme in die Infrastruktur, sondern auch strategische Verstaatlichungen zur Stärkung der jeweiligen nationalen Wirtschaft und zur Unterstützung ihrer internationalen Positionen gehören. Mit demokratischer Wende hätte das nichts zu tun. Es ist zu vermuten, daß die Sozialdemokratie dabei mit von der Partie wäre, und die Befürchtung ist nicht von der Hand zu weisen, daß viele Gewerkschaften sich in eine solche autoritär-etatistische Strategie korporatistisch einbinden ließen.
Auch den Eintritt dieses Extremszenarios eines ungebremsten Absturzes der Finanzmärkte und der Weltwirtschaft halte ich jedoch für unwahrscheinlich. Zum einen erzielen die großen Schwellenländer, vor allem China und Indien, aber auch Brasilien und Argentinien, die zwar auch vom Abschwung betroffen sind, immer noch erhebliche Wachstumsraten und bremsen den weltweiten Absturz. Zweitens wird auch in den großen Industrieländern in absehbarer Zeit ein neuer Zyklus von Ersatzinvestitionen einsetzen, die die Unternehmen trotz Krise vornehmen müssen, um überhaupt im Geschäft zu bleiben. Drittens stehen den Regierungen heute erheblich mehr und wirksamere wirtschaftspolitische Interventionsmöglichkeiten zur Verfügung als damals. Wenn die Rezession sich weiter vertieft, werden vermutlich weitere und umfangreichere Konjunkturprogramme aufgelegt werden, die letztlich die Lage stabilisieren werden."(...)
das ist nun ein szenario, welches weitgehend den prognosen von leap und anderen entsprechen würde. und während ich das - leider - für weitgehend realistisch gezeichnet halte, finde ich die gründe des autors, die er für das nichteintreffen anführt, nicht fundiert. erstens sind die aktuellen meldungen und daten aus ländern wie china (s.u.) und auch brasilien alles andere als positiv (wenn man denn "wachstum" noch als positiv begreifen will); zweitens aber werden dynamische rückkoppelungseffekte, wie sie bspw. peak oil in einem eventuellen "aufschwung" bewirken würde, überhaupt nicht berücksichtigt. drittens werden auch die bereits jetzt vorhandenen und sich tag für tag verschärfenden verwerfungen im sozialen mit ihrem immer wahrscheinlicher werdenden übergreifen auf das sog. "politische" (s.u. das beispiel großbritannien) ebenfalls nicht gesehen. desweiteren wird bei den nicht zitierten zugehörigen gründen der als-ob-charakter besonders der jüngsten bank"gewinne" nicht als solcher wahrgenommen, und das erscheint mir bei einem autor dieses kalibers schlicht unverständlich. was ist also sein drittes szenario?
(...)"Aus diesen Gründen erscheint mir ein drittes Szenario am realistischsten. Die Krise wird zunächst anhalten und sich möglicherweise noch vertiefen, ohne jedoch in einen Absturz überzugehen. Sie mündet dann in eine Stagnationsphase ein, die nach einigen Jahren von einem schwachen Aufschwung abgelöst wird, in dem die fälligen und unverzichtbaren Ersatzinvestitionen die Führung übernehmen. Der weitere Anstieg der Arbeitslosigkeit wird – auf hohem Niveau – gestoppt. Für die Finanzmärkte geht das Szenario davon aus, daß die Unternehmen eine Wiederholung der spekulativen Exzesse der vergangenen Jahre in mittlerer Frist vermeiden. Möglicherweise werden auch die sehr bescheidenen Ergebnisse des G-20-Gipfels vom April 2009 in London dazu beitragen, hemmungslose, abenteuerliche und betrügerische Finanzakrobatik zurückzudrängen."(...)
neben einer überbewertung der handlungsfähigkeiten der "g20"-staaten (die sich allesamt im widerspruch zwischen gemeinsamen interesse an der erhaltung des status quo bei gleichzeitigem innerkapitalistischen konkurrenzgerangel befinden), muss ich hier nochmals die nichtberücksichtigung der diversen schon sichtbaren rückkoppelungseffekte kritisieren - eine weltweite und anhaltende erwerbslosigkeit auf hohem niveau - drastischer als heute, mit allen zugehörigen wirkungen - muss zu immensen sozialen verwerfungen führen, auf die sich die "eliten" - wie in vergangenen news aufgezeigt - bereits mit ihren repressionsapparaten vorbereiten. soziale destabilisierungen im globalen maßstab aber werden neben den auswirkungen von peak oil und anderen ressourcenknappheiten jeden noch so schwachen "aufschwung" gründlich und rasch abwürgen, mit jeweils weiteren eskalierenden rückkoppelungseffekten.
insgesamt ein schönes beispiel dafür, was bei der konstruktion einer "rein ökonomischen" struktur ohne einbettung in die gesamte menschliche realität so herauskommen kann. allerdings enthalten die szenarios trotzdem durchaus reale kerne, über die sich wie gesagt zu reden lohnt.
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china gilt - aus gründen, die bei näherer betrachtung durchaus mehr als fragwürdig sind - inzwischen ironischerweise für das globale kapitalistische system als eine art hoffnungsträger; das wachstum dort incl. der unterstellten konsumbegehrlichkeiten der dortigen milliarden menschen soll für eine weitere phase als motor der globalen ökonomie fungieren. aus sicht des sog. westens möglichst ohne größere veränderungen im globalen politischen machtsystem, was ich als erste unwahrscheinliche annahme betrachte. die zweite wird im folgenden ausgeführt, und hat selbst bei berücksichtigung des oppositionellen charakters der gleich zitierten positionen durchaus mehrrealitätsgehalt, als ich der pseudo"kommunistischen" diktatur in ihren verlautbarungen zutraue:
(...)"Ein jüngster Bericht zeigte, dass die Kapazität der chinesischen Wirtschaft, wieder auf die Beine zu kommen, nicht so groß ist, wie erwartet. Im vierten Quartal des letzten Jahres lag das vierteljährliche Wachstum fast bei Null. Im Februar dieses Jahres sank Chinas Export um 26 Prozent. Dieses hat einige Experten zu der Vermutung kommen lassen, dass nicht die Länder mit der höchsten Konsumrate, wie die Vereinigten Staaten und Großbritannien die wahren Opfer der globalen Finanzkrise sind, sondern eher Länder mit Überproduktion wie China. Cheng weist darauf hin, dass die „Statistiken", die verwandt werden, um Chinas Wirtschaft zu beurteilen, von Chinas National Bureau of Statistics herausgegeben werden und dass es auf Grund des autoritären Systems der KPCh nichts anderes tun kann, als mit der Täuschungspropaganda der KPCh zu kooperieren, um die Illusion von Wohlstand zu erzeugen.
Cheng Xiaonong sagte im Radio Sound of Hope: „Das National Bureau of Statistics ist das Sprachrohr der Regierung. Alle Daten, die das Büro heraus gibt, sind nur für Propagandazwecke bestimmt. Daten, von denen man annehmen muss, dass sie der Regierung schaden könnten, werden nicht herausgegeben oder sie werden manipuliert und dann als falsche Daten veröffentlicht. Unter diesen Umständen ist es sehr schwierig für das chinesische Volk zu erfahren, welche Probleme tatsächlich in der chinesischen Wirtschaft bestehen. Darum hat auch die große Mehrheit der Ausländer, die diese Daten beobachten, einen positiven Eindruck von Chinas Wirtschaft. In vielen Fällen sind solche Eindrücke durch die KPCh verstärkt worden, indem sie falsche Daten angibt, um die wahren Daten zu verbergen."
Cheng glaubt, dass man die Wahrheit über die chinesische Wirtschaft nicht herausfinden kann, wenn man sich auf die offiziellen Daten verlässt, die durch die KPCh herausgegeben werden. Der Grund, warum die chinesischen Behörden in höchsten Tönen von Vertrauen in die Wirtschaft des Landes reden, ist darin zu suchen, dass die KPCh die Medien kontrolliert, die öffentliche Meinung regelmäßig manipuliert und immer wieder falsche Informationen durch die Propaganda der Regierung verbreitet, um die ganze Welt zu täuschen."(...)
das dargelegte sollte erstens nun so überraschend nicht sein; zweitens sollten wir uns aber einmal fragen, ob sich die mediale propaganda hierzulande eigentlich strukturell wirklich von der chinesischen variante so grundlegend unterscheidet.
als sehr entscheidend für die weitere entwicklung der krise nicht nur in china, sondern letztlich auch global, wird von vielen die reaktion der abermillionen von wanderarbeiterInnen auf die situation gesehen. eineneindruckder diesbezgl. aktuellen lage vermittelt die folgenden interviewauszüge:
(...)"Kommt es jetzt häufiger zu Protesten?
Im Herbst wurden wegen der geringeren Exporte die ersten Fabriken dichtgemacht, bis März dieses Jahres verloren geschätzt 20 Millionen Wanderarbeiter ihren Job. Seither gab es eine Zunahme von Protesten und Streiks.
Protest und Widerstand hat es auch schon früher gegeben, was hat sich mit der Krise geändert?
Die Krise hat eine neue Situation geschaffen. Bisher herrschte in einigen Industriezonen Mangel an Arbeitskräften, selbst Ungelernte waren gefragt. Das ist vorbei, die Menschen lernen Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung kennen. Es geht bei Protesten jetzt häufiger um die Auszahlung von Lohnrückständen und Abfindungen bei Entlassungen. Aber die meisten Probleme in den Betrieben und Wohnheimen gibt es schon seit langem: miese Arbeitsbedingungen, Nichteinhaltung der Arbeitsgesetze, Streß und Langeweile, Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle, beengte Wohnverhältnisse, schlechtes Essen, Disziplinierungen und Geldstrafen, Managerwillkür, Korruption.
Wie wird die Krise unter den Wanderarbeitern in China diskutiert?
Sie hatten bisher schon mit der alltäglichen Krise zu kämpfen, in Fabriken, auf Baustellen, in Haushalten. Auf den Einbruch der weltweiten Krise waren sie nach Jahren des Booms, in denen sie immer wieder einen Job gefunden haben, nicht vorbereitet. Wenn sie entlassen werden oder wenn Manager Abfindungen unterschlagen und Lohnrückstände nicht auszahlen, reagieren die Wanderarbeiter wütend. Immer wieder eskalieren die Auseinandersetzungen, werden Straßen blockiert oder Autos umgekippt. Aber mir wurde auch von Arbeitern berichtet, die ihre Lohnkürzung oder den Ausfall von Überstunden – und damit eines Teils des Lohnes – mit einem Schulterzucken akzeptieren. Viele interessieren sich wenig für die Hintergründe der Krise.(...)
Nicht alle entlassenen Wanderarbeiter gehen zurück in ihre Herkunftsorte. Was passiert, wenn sie in den Städten bleiben?
Es hat bisher keine soziale Explosion in den Städten gegeben, aber wenn die Krise anhält, noch mehr Leute ihre Arbeit verlieren und längere Zeit kein Einkommen mehr haben, könnte sich die Situation zuspitzen. Die Regierung selbst beschwört immer wieder diese Gefahr und versucht, die Lage durch Versprechungen und Drohungen im Griff zu behalten."(...)
das macht den eindruck, als könne sozusagen das pendel (noch) zur einen oder anderen seite hin ausschlagen. dabei werden aber neben den "rein" ökonomischen bedingungen eben auch die prozesse innerhalb der gruppe der wanderarbeiterInnen und auch die reaktionen der regierung eine ebenso relevante rolle spielen.
als letztes dazu noch einer der empfehlenswerten basisberichte vonwildcat, zwar schon aus dem februar, aber immer noch mit etlichen wichtigen fragen.
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ein kurzer, aber aussagekräftiger blick zum asiatischen nachbarn chinas, nachjapan- die querschüsse legen einen geradezu verheerenden ökonomischen absturz dar:
"Die japanische Wirtschaft schrumpft im 1. Quartal 2009 um die höchste jemals gemessene Rate seit dem 2. Weltkrieg! Sie brach im Vergleich zum Vorquartal um -4,0% ein und im Vergleich zum Vorjahresquartal um -9,1%! Saisonbereinigt und auf das Jahr hochgerechnet (SAAR) brach nach Angaben des japanischen Cabinet Office die Wirtschaftsleistung sogar um -15,2% ein!(...)
Japan ist eine stark exportorientierte Wirtschaft, deshalb trifft der Einbruch des Welthandels Japan besonders stark. Der schlechte Export schlug mit -26% zum Vorquartal und um unfassbare -70,1% (SAAR) im BIP zu Buche! Aber auch die heimische Nachfrage schwächelt gravierend, die privaten Konsumausgaben sanken um -3,4% zum Vorquartal und um -12,8% auf das Jahr hochgerechnet.(...)
In Folge der Finanzkrise bricht die japanische Realwirtschaft unvergleichbar ein und auch dort verpuffen die umfangreichen Liquiditäts- und Kreditprogramme der Notenbank und das Konjunkturpaket des Staates weitestgehend wirkungslos. Sie sichern weder Wachstum, noch Jobs und können auch nicht die weggebrochenen Exporte kompensieren!"
dem ist nichts hinzuzufügen. ausser vielleicht die frage, inwieweit japan als eine art modell für die entwicklung von hochindustrialisierten kapitalistischen staaten angesehen werden kann.
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die letztgenannte frage ist dabei meiner meinung nach selbst unter berücksichtigung der relevanten und diversen unterschiede zwischen ländern und regionen zulässig, weil sich die strukturen der kapitalistischen ökonomie überall angeglichen haben. so auch in spanien, welches allgemein als eines der hauptbetroffenen länder in (west-)europa angesehen wird. dafür ist es bisher dort vergleichsweise erstaunlich ruhig geblieben, die ausnahmen sind in vergangenen news nachzulesen. eine gewisse brisanz dürfte aber für die spanischen "eliten" darin liegen, dass jetzt - als erste region - ausgerechnet dasbaskenlandkrisenbedingt in bewegung gerät:
"Der gestrige Donnerstag war kein Feiertag im Baskenland. Trotzdem standen viele Räder still: Sechs linksnationale Gewerkschaften hatten in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) und in der Foralen Gemeinschaft Nafarroa (Navarra) zum Generalstreik aufgerufen – ein Ereignis, das es seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 nicht mehr gegeben hatte. Die in den linksbaskischen Gewerkschaften organisierten Arbeiter gingen auf die Straße, um gegen die Madrider Wirtschaftspolitik sowie für einen sozialen und politischen Wandel zu demonstrieren.
Das hochindustrialisierte Baskenland bekommt die Folgen der Wirtschaftskrise besonders hart zu spüren. Im Februar lag die Arbeitslosenquote bei elf Prozent, die Zahl der Kurzarbeiter und Arbeitslosen wird laut Prognosen in der CAV bis 2010 um 33000 Betroffene ansteigen.(...)
Der ELA-Chef und seine Kollegin Ainhoa Etxaide von den linksnationalen Arbeiterversammlungen (LAB) werteten den Generalstreik als einen »Erfolg«. Vor allem in den ländlichen Regionen der Provinzen Bizkaia und Gipuzkoa wurde er weitgehend befolgt. Sogar der öffentlich-rechtliche Fernseh- und Radiosender der Autonomen Gemeinschaft, EiTB, beteiligte sich, indem er lediglich sein Nachrichtenprogramm aufrechterhielt und sonst nur ältere TV-Dokumentationen sowie Musik sendete.
Allerdings hatten die Regionalregierungen der CAV und Nafarroas vor Gericht durchgesetzt, daß in Hospitälern und im öffentlichen Nahverkehr mindestens 30 Prozent der »normalen Arbeit gewährleistet« sein müßten. An den Schulen und Bildungseinrichtungen durfte überhaupt nicht gestreikt werden. Dort, wo Arbeiter versuchten, Busdepots zu blockieren, griffen Prügelbrigaden der Polizei ein. Es kam zu Verhaftungen wegen »Widerstands gegen die Staatsgewalt«.(...)
die mixtur aus quasi schon "gewohnheitsmässig" vorhandener politischer unruhe mit den zunehmend spürbarer werdenden krisenfolgen könnte dort vielleicht in naher zukunft ähnliches wie in griechenland bewirken - eine breite soziale revolte. nur so ein gedanke.
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wie sich die "eliten" die zutaten für die eben erwähnte mixtur selbst herstellen, macht dieser tage ein blick nach großbritannien deutlich - aus dortiger elitärer sicht könnte das motto auch lauten "alles, was schiefgehen kann, geht auch schief" - und zwar verdientermaßen. die rede ist von einer ausgewachsenen krise des politischen systems dort, welche als"spesenskandal"begann - eine art von skandal, der ausgerechnet in der krise die meisten bewohnerInnen der insel in die haltung "not amused" geraten lässt:
(...)"Wohl niemandem im ganzen Land ist entgangen, in welchem Ausmaß die 646 Unterhausabgeordneten ihren Job als Selbstbedienungsladen benutzt haben, mit Spesenabrechnungen von insgesamt 490 Millionen Pfund (600 Millionen Euro) in den vergangenen acht Jahren. Es passt ins Klischee, wenn ein englischer Konservativer der Staatskasse 2.200 Pfund zur Reinigung des Wassergrabens rund um seinen Landsitz in Rechnung stellt und ein Labour-Schotte eine Aldi-Plastiktüte für fünf Pence. Aber es geht auch um systematischen Betrug, beispielsweise mit Modernisierungskosten für Häuser, die dann gewinnbringend verkauft wurden. Kein Tag vergeht, ohne dass irgendein Beschuldigter kleinlaut Geld zurückzahlt, seinen Posten verliert oder auf die Wiederaufstellung zu den nächsten Wahlen verzichtet.
Bei den Kommunal- und Europawahlen am 4. Juni könnte sich der öffentliche Unmut in einen beispiellosen Denkzettel verwandeln. Von zweistelligen Ergebnissen für rechtsradikale Protestparteien, einem Absturz Labours unter 20 Prozent bis zu einer massiven Wahlenthaltung reichen die Spekulationen, eventuell auch alles zusammen. Für den Zustand der Politik werden Vergleiche mit der Weimarer Republik vor dem Aufstieg der Nazis gezogen, für den Zustand der Öffentlichkeit Vergleiche mit dem Volkszorn gegenüber der Queen nach dem Tod Prinzessin Dianas 1997. Es scheint, als durchlebe das Land eine seiner periodisch wiederkehrenden Selbstzweifel, wo alles Bestehende und Beständige plötzlich aussieht wie Schall und Rauch und zu verschwinden droht.
Ohnehin haben die Unbeliebtheit der Labour-Regierung und die Finanz- und Wirtschaftskrise das öffentliche Vertrauen in die Institutionen schon vorher schwinden lassen. Der Volkszorn, der sich heute gegen Parlamentarier richtet, zielte noch vor wenigen Monaten auf Banker als Symbole ruinöser Arroganz auf Kosten der anderen. Das Gefühl, ein grundsätzlicher politischer Wandel sei überfällig, ist in dem Maße gewachsen, wie die Politik sich gegenüber der Krise als nur bedingt handlungsfähig erwiesen hat. Wenn sich dann noch die Politiker so raffgierig zu benehmen scheinen wie die Banker, ist das Bild komplett, und zwar komplett düster.
Die Krise des Parlaments ist dabei mehr als die Krise einer Institution. Es ist eine Krise der politischen Repräsentation."(...)
die "eliten" benehmen sich nicht nur dort ausser rand und band, ihre antisoziale und geradezu widerwärtig verhöhnende haltung giesst zwangsläufig noch öl ins feuer. weiteres entnehmen Sie demnächst den täglichen nachrichten - ich kann mir nicht vorstellen, dass eine derartige selbstoffenbarung der gesamten "politischen klasse" eines landes ohne gravierende folgen bleiben wird.
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in aller kürze - das krisentelegramm + nochmal die querschüsse mit ganz frischenzahlen zur erwerbslosigkeitin den usa. das sieht weiterhin nur desaströs aus, und führt zur frage, wann und ob sich aus all diesen freigesetzten eine kritische masse bildet + wie in vergangenen news häufig thema, finden in griechenland seit der sozialen revolte des dezembers quasi ständig anschläge in einem ausmaß statt, dass ich meine these von einer art der fortsetzung der massenrevolte auch in form der klassischen stadtguerilla zumindest teilweise bestätigt sehe -sprengstoffanschläge auf bankenfinden ebenso statt wie aufinvestmentgesellschaftenoder auchbrandanschläge auf supermärkte(alles aus den letzten tagen). die sprachliche mehrzahl benutze ich schlicht deshalb, weil es sich tatsächlich um ganze anschlagsserien handelt + um "eliten" ausser rand und band zu erleben, muss man nicht erst nach great britain schauen:Manager beschweren sich bei Merkel- und worüber? "In dem Brief bringen die zwölf Aufsichtsratsvorsitzenden ihr Missfallen darüber zum Ausdruck, «dass die Diskussion über Managergehälter ein falsches Bild der wirtschaftlichen Verantwortungsträger reflektiert». Die entsprechenden Pläne der Koalition seien unzulänglich, da sie «die Vertragsfreiheit der Unternehmen stark einschränken«. ach? na, da merken wir uns doch gleich mal die namen der unterzeichner: "Neben Cromme bringen in dem Schreiben auch Ulrich Hartmann (E.ON), Martin Kohlhaussen (Hochtief), Gerd Krick (Fresenius), Joachim Milberg (BMW), Manfred Schneider (Bayer, Linde und RWE), Gunter Thielen (Bertelsmann), Eggert Voscherau (BASF) sowie Albrecht Woeste (Henkel) ihren Protest zum Ausdruck." wie üblich eine höchst ehrenwerte gesellschaft also +
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um nochmal zum anfang zu gehen: was passiert mit all den (virtuellen) blasen und ballons voller konstrukte in der realität? richtig: sie platzen entweder von selbst, oder aber werden zum platzen gebracht. und gerade mit ausdrücklicher betonung der letzten worte möchte ich mich für heute verabschieden.
(...)"So ist es ja immer gewesen, dass die Deutschen entweder andere das Fürchten lehrten oder sich vor sich selber fürchteten. Nun merken wir, dass etwas sich verändert hat; das heißt, die anderen merken es. Roger Cohen, der Berlin-Korrespondent der New York Times, schrieb kürzlich in der Süddeutschen: »Die Welt steht Kopf – die Lage ist fürchterlich, aber die Deutschen sind glücklich!«(...)
ein kurzer auszug aus einemessay, der die frage stellt, "was eigentlich aus der german angst geworden ist". ich komme auf diesen artikel später nochmal zurück. vorher grabe ich nochmal imletzten herbst, genauer ende oktober, wo ich folgendes skizziert hatte:
(...)"es ist vor dem eben umrissenen eigentlich kein wunder, dass bei der aussicht auf derart gewaltige um- und zusammenbrüche eine mehrheit der hiesigen bevölkerung nichts mitbekommen will - ja, will. denn auch wenn die materie gerade bezgl. der ökonomie komplex ist, so sind doch für alle interessierten die nötigen informationen (noch) vorhanden, um sich ein wie rudimentär auch immer ausfallendes bild der situation machen zu können. bezgl. dieses punktes gibt es keine entschuldigung. es muss also etwas mit der eigenen motivation, den verbreiteten inneren strukturen und auch mit der eigenen wahrnehmung zu tun haben, wenn hier bisher weiter "alltag" gespielt wird. ein wichtiger punkt ist dabei sicherlich die schon neulich aufgegriffene soziale trance, zu der die propagierung von "privatheit" (in der form als synonym von vereinzelung) sicher viel beiträgt. will sagen: uns fällt jetzt die allgemeine schädigung der beziehungsfähigkeiten (und damit auch schädigung der fähigkeiten zum kollektiven handeln) voll auf die füße. und als eine folge davon werden wir im zuge der weiteren eskalation der krise mit zunehmend destruktiver werdenden ängsten und aggressionen rechnen müssen"(...)
jetzt, ein gutes halbes jahr später, scheint mir der zeitpunkt gekommen zu sein, um die im letzten satz genannte these erstmals auf ihre plausibilität zu überprüfen. das kann ich naturgemäß nur auszugsweise, weil ich weder über die möglichkeiten noch über die zeit verfüge, entsprechendes bundesweit gültiges datenmaterial zu sammeln und zu sichten. datenmaterial, welches ich vor allem in den rubriken der "unpolitischen", "privaten" und "alltäglichen" gewalt suchen würde, denn - und den zusatz hatte ich damals nicht gemacht - gerade in diesen bereichen vermute ich das erste sichtbarwerden der destruktiven kollektiven tiefendynamik, welche diese umfassende systemkrise innerhalb einer bevölkerung unfehlbar mit sich bringen wird, die mehrheitlich nicht (mehr) fähig erscheint, sich qualitativ andere lebens- und existenzbedingungen auch nur vorzustellen und den herrschenden kapitalismus plus seine totalitär verdinglichenden wirkungen im gesamten sozialen leben als quasi-"natürliches" ansieht.
fangen wir also mal an mit dem kleinen und nicht repräsentativen überblick von entsprechenden meldungen, die mir in den letzten wochen und monaten so im gedächtnis hängen geblieben sind. da wären zum einen etliche großereignisse wie bspw. derrheinische karnevalim februar:
"Nachdem es schon an Weiberfastnacht teils aggressiv und gewalttätig zuging, kam es auch am Rosenmontag vor allem in Köln zu zahlreichen Schlägereien. In den anderen Karnevalshochburgen des Landes wurde nach Angaben der Polizei weitgehend friedlich gefeiert."
aber:
(...)"An allen Karnevalstagen zusammen haben die Beamten weniger Einsätze absolvieren müssen als im Vorjahr. Nur an Weiberfastnacht sei es gewalttätiger als sonst zugegangen, resümiert Baldes.
Die Bundespolizei im Kölner Hauptbahnhof verzeichnet einen sprunghaften Anstieg der Gewalt. Von Weiberfastnacht bis zum Abend des Rosenmontags wurden 19 Körperverletzungen gemeldet."(...)
nur ein großstadtphänomen?
(...)"Doch nicht nur der Kölner Karneval wird von gewalttätigen Jecken massiv gestört. Auch die Polizei im Rheinisch-Bergischen Kreis bemerkte eine zunehmende Gewaltbereitschaft. "Mit von Jahr zu Jahr zunehmender Tendenz ist festzustellen, dass junge Leute kaum noch Interesse an Karneval selbst haben, sondern die Tage gemeinsam nutzen, um sich in jede Richtung auszuleben", erklärt Norbert Knappe von der Polizei in Bergisch Gladbach. Die Einsätze wegen körperlicher Gewalt sind von 69 Delikten im vergangenen Jahr auf 103 angestiegen."(...)
und als bewohnerin von köln hattesomludamals in bezug auf karneval einen aspekt erwähnt, der auch in allen folgenden meldungen fast immer eine nicht unwesentliche rolle spielen wird - alkohol.
von karneval in den april vor meine haustür nach bremen, wo bspw.folgendeszu verzeichnen war:
"Bei drei verschiedenen Einsätzen wurde am Wochenende Widerstand gegen die einschreitenden Polizeibeamten geleistet. Auf dem Vegesacker Bahnhofsplatz trat und schlug ein 23 Jahre alter Mann auf Polizisten ein und zertrümmerte die Scheibe eines Streifenwagens. Am Werdersee trat eine 14 Jahre alte Jugendliche mit Füßen nach den Beamten und beschädigte die Tür eines Streifenwagens und in Bremen-Burg widersetzte sich ein 29 Jahre alter Bremer seiner vorläufigen Festnahme mit Fußtritten gegen die Beamten."(...)
alle beteiligten waren im alter bis ca. 25, also nach allgemeinem verständnis noch jugendliche. bei zwei der fälle war ebenfalls alkohol im spiel. und bemerkenswert - selbst die polizeitypische überhöhung von "widerstandshandlungen" abgerechnet - fand ich vor allem das spontane attackieren der polizei seitens der verhafteten.
ostern war zumindest hier bisher eine art festivität, die nicht durch irgendwelche besonders exzessiven "feiern" geprägt war - bis zu diesem jahr. wer sich ein wenig mit der geschichte der straßenkrawalle in der (alten) brd beschäftigt hat, wird den namensielwallkreuzungvermutlich schon mal gehört haben:
"In den frühen Morgenstunden des Ostersonntages blockierten zirka 250 bis 300 zum Teil erheblich angetrunkene Menschen die Sielwallkreuzung. Es wurde unkontrolliert Fußball gespielt und dabei auch die Oberleitungen der Straßenbahn getroffen. Der ÖPNV wurde daraufhin umgeleitet. Durchfahrende Taxen wurden von der Menge umringt und als Polizeikräfte vor Ort erschienen, wurden diese mit Flaschenwürfen attackiert."(...)
hieß es in den ersten meldungen der lokalpresse seitens der polizei noch, das wäre alle ein werk von "autonomen" im zusammenspiel mit "erlebnishungrigen jugendlichen" gewesen, so wurde das später revidiert - es blieben nur die letzteren übrig. es kam übrigens in den letzten wochen noch öfter zu solchen fussballspielen nachts auf dergleichen kreuzung - "Heute Morgen hielten sich ca. 150 Personen im Bereich der Sielwallkreuzung in größtenteils aggressiver Grundstimmung auf. Sie spielten auf der Kreuzung Fußball, feuerten Leuchtraketen ab und hatten mitten auf der Kreuzung ein 120 Liter fassendes Müllgefäß in Brand gesetzt. Der Individualverkehr war blockiert.
Die eintreffenden Polizeikräfte wurden mit Flaschen beworfen und wüst beschimpft. Durch zügiges Vorgehen der Einsatzkräfte - u.a. unter Einsatz von Diensthunden - wurde die Kreuzung geräumt."(...) -, was eine größere öffentliche debatte unter forderung nach mehr polizeipräsenz nach sich zog. und stellt das umfunktionieren der kreuzung besonders nach werder-spielen oder auch bei welt- und europameisterschaften schon eine art tradition dar, so war dieses jahr das erste mal zu beobachten, wie nicht nur ostern, sondern (s.o.) auch noch ein paar wochenenden später sich jeweils eine menge ohne einen solch "formalen" anlaß versammelte, mit anschließenden weiteren polizeieinsätzen. es hat fast den anschein, als würden sich die über jahre berüchtigten "silvesterkrawalle" rund um die kreuzung jetzt unregelmäßig auf das ganze jahr ausdehnen. nächsten mittwoch dürfte anläßlich des uefa-pokal-endspiels unter bremer beteiligung - und vor einem feiertag - ähnliches zu beobachten sein, wobei der gleichfalls beginnende kirchentag am selben abend vermutlich für eine sehr seltsame kombination von sich auf der straße befindlichenden menschen sorgen wird.
aber ostern war auch an anderen orten - wie zb. einem großen und ebenfalls seit jahren stark besuchten osterfeuer am weserstrand - gekennzeichnet von maßlosen alkoholkonsum sowie teils schweren übergriffen und überfällen, in einem fall einer messerstecherei, bei denen überall ebenfalls jugendliche bis 25 - meist noch jünger - beteiligt und betroffen waren.
bleiben wir noch ein wenig beim stichwort fussball, der ja nicht nur in seiner kommerziellen "profi"-variante und nicht nur in massenpsychologischer hinsicht einigefunktionenerfüllt, sondern sich dadurch auch als eine art gesellschaftlicher seismograph nutzen lässt. vor ein paar tagenbeschwertesich wieder einmal die polizei:
(...)"Pro Spielsaison summierten sich die Einsatzzeiten von Polizeibeamten mittlerweile auf 1,3 Millionen Stunden, berichtet Jürgen Schubert, Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder. Jedes Wochenende würden deutschlandweit rund 800 Spiele von Beamten begleitet.
Die enorme Zahl lässt sich einerseits auf das Phänomen zurückführen, dass selbst in den unteren Ligen, die Gewaltbereitschaft von Fangruppen zunimmt. Ein zweiter Grund ist die Entwicklung der Ultras-Bewegungen, die der Polizei Kopfschmerzen bereiten. Aus den einstigen Kritikern der Kommerzialisierung des Fußballs, gehen nach Darstellung der Polizeivertreter immer öfter gewaltbereite Gruppen hervor."(...)
wobei bzgl. der "ultras" noch anzumerken wäre, dass sich hier die wahrnehmung der polizei naturgemäß von der wahrnehmung der fans krass unterscheidet (interessierte stöbern bittehier.)
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soweit wie gesagt ein paar nicht repräsentative, subjektive und schlaglichtartig ausgewählte meldungen in sachen "unpolitischer" gewalt aus den letzten monaten. die verzerrenden medialen einflüsse sowie die interessen der polizei schon berücksichtigt: was können uns solche meldungen nun in hinsicht auf die ausgangsfrage sagen? sind sie überhaupt aussagekräftig? immerhin waren ja bei den gleichen anlässen zeitgleich teils tausende menschen unterwegs, die nun nicht in irgendeiner form "polizeilich auffällig" geworden sind. und da ist schon die erste einschränkung: die aktuelle qualität der hiesigen sozialen beziehungen sowie der allgemeine individuelle psychophysische "durchschnittszustand" lässt sich meiner meinung nach aus solchen meldungen nur beschränkt ableiten, nicht zuletzt deshalb, weil sich besonders bereiche wie die innerfamiliäre oder auch beziehungsgewalt, aber auch das mobbing im beruf, immer noch weitgehend unbeobachtet abspielen. hingegen sind die jugendlichen und teils auch die kinder seit jahren (medial) immer zuerst im blickpunkt, nicht nur wg. des sog.komasaufens, sondern auch wg. der konstatierten allgemeinenperspektivlosigkeit, die in diesem fall jedoch prompt - und wieder öffentlich - sofortbestrittenwird.
kurz: es ist ein durchaus widersprüchliches bild, was sich da (medial) präsentiert. und ich versuche mal, sowohl die widersprüche als auch die aus meiner sicht vorhandenen tatsächlichen tendenzen auf den punkt zu bringen:
alkohol: bekanntlich die "volksdroge" nr.1, und ihr einfluss bei massenevents aller art ist gewaltig. ich halte die beliebtheit von alkohol aufgrund seiner spezifischen wirkungen - u.a. förderung von enthemmung und amnesie - hierzulande nicht für zufällig. und wenn ich mir so die alltäglichen straßenszenen so betrachte, die ich mitbekomme, bekomme ich mehr und mehr den eindruck, dass - analog zum einsatz bei der ganz persönlichen "krisenbewältigung", wie er seit jeher benutzt wurde - auch die laufende systemkrise im aktuellen stadium nicht unwesentlich mittels alkohol von vielen vorläufig "weggetrunken" wird.
"widerstand gegen die staatsgewalt": bei aller vorsicht, die vor allem aus der berücksichtigung der eigeninteressen der polizei bei solchen öffentlichen diskussionen herrührt - hier habe ich ebenfalls den eindruck, dass es primär, aber nicht nur, unter bestimmten teilen von jugendlichen zu einer massiven verschiebung in der hinsicht gekommen ist, dass die polizei ihren status als "respektsinstitution", wie sie ihn bspw. noch in meiner jugendzeit in den 1970ern besaß, massiv eingebüsst hat. und das ist aus meiner sicht auch keine entwicklung, die nur mit der zunahme der zahl von kindern / jugendlichen aus migrantischen milieus zu tun hat, die in ihren herkunftsländern teils mit einer wesentlich offener brutal agierenden polizei zu tun haben (was die polizei hierzulande nun nicht freisprechen soll.) ich finde diese entwicklung durchaus ambivalent: einmal ist eine weichende angst vor der "staatsgewalt" in meinen augen nun nichts grundsätzlich negatives, weil zu fähigkeiten wie dem öffentlichen und bewussten politischen widerspruch nun einmal auch relativierte ängste gegenüber dem staatsapparat gehören; zum anderen aber könnte es sich dabei auch um menschen handeln, wie sie in diversen blogbeiträgen schon beschrieben wurden, mit sehr ernsten psychophysischen störungen, die sich durch grenzenlosigkeiten aller art, und eben nicht nur gegenüber staatlicher gewalt, manifestieren.
"öffentliche" (bzw. öffentlich registrierte) straßengewalt allgemein: meines wissens in den letzten jahren statistisch zurückgegangen, wobei eine in relation kleine gruppe von primär ebenfalls jugendlichen hier eine erhöhte brutalisierung gegenüber ihren opfern zeigte. ich vermute, dass sich im laufenden jahr hier sowohl der allgemeine trend spürbar verändern wird (ich gehe von einer zunahme aus), als auch die brutalisierung verschärfen und ebenfalls verbreiten wird.
die "unsichtbaren" gewaltformen: hier sind das schon genannte mobbing, auch stalking, ebenfalls die sog. beziehungsgewalt, aber auch die folgen wie psychophysische ("psychische") krankheiten gemeint. und gerade in diesem bereich gehe ich bis auf weiteres - solange nämlich keinerlei wirkliche politische massenbewegung erkennbar ist - von einer enormen verschärfung aus. warum, steht letztlich schon in den vorherigen teilen dieser reihe: die vorhandene traumatische matrix im zusammenspiel mit den vereinzelnden ("individualistischen") ideologischen maximen, zuschreibungen und "werten" des herrschenden systems begünstigt eindeutig die letzteren reaktionen als "typische" für den hiesigen bisherigen umgang mit einer krise solchen kalibers. soweit meine persönliche prognose.
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auch bei hinzunahme weiterer potenzieller indikatoren, die auskunft über kollektive tiefenprozesse geben können, erscheint die situation weiter widersprüchlich. nehmen wir einmal einen (musikalisch einigermaßen erträglichen) chart-hit, nämlich "haus am see" von peter fox, der mitte oktober letzten jahres (offener krisenbeginn) zuerst unter den "top ten" in d-land auftauchte und sich in den charts bis vor kurzem halten konnte:
ist der text ironisch gemeint? ich bin mir da ernsthaft nicht sicher, obwohl ich zumindest ironische anklänge durchhöre. ansonsten stellt der text eine geballte ansammlung von vorstellungen des unbeschwerten, wenn auch modifizierten, spießerglücks aus männlicher sicht dar - individueller "erfolg", eine narzisstische "die-welt-ist-für-mich-da" haltung, die sich regelrecht beisst mit tendenzen zum cocooning im eigenen "haus am see" und geradezu aufdringlichen wünschen nach einer (groß-)familie sowie sozialer verankerung, bei gleichzeitiger akzeptanz des neoliberalen credos vom win-it-or-lose-it, selbstverständlich mit "gezinkten karten". und alles ausgesprochenerweise ein traum.
kurz: der song lässt sich in meiner wahrnehmung durchaus auch als krisensong verstehen, je nach blickwinkel als einer der trotzigen sorte, oder aber auch als abgesang auf hiesige lebensträume und -entwürfe (wenn man denn die eventuelle ironische komponente als existierend bezeichnet).
als anschluß dazu gleich eine der zahllosenumfragendieser zeit:
(...)"In ihrem Unmut über die Auswirkungen der Wirtschaftskrise würde offenbar die Mehrheit der Berliner Gewalttätigkeiten gegen die Verantwortlichen gutheißen. Wie eine aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der «Berliner Zeitung» (Wochenendausgabe) ergaben, sagten 58 Prozent der Befragten, dass sie Verständnis für gewalttätige Proteste und Demonstrationen haben, die sich etwa in Frankreich gegen Banker und Manager richteten. Verständnis für solche Aktionen haben in Berlin besonders Anhänger der Linken (69 Prozent) und der Grünen (66 Prozent), aber auch 58 Prozent der SPD- und immerhin 53 Prozent der CDU-Anhänger."(...)
was im eingangs erwähnten essay so kommentiert wird:
(...)"Man kann die Solidität einzelner Umfragen mit Fug bezweifeln, aber nicht bezweifeln lässt sich, dass sie nicht das geringste Indiz für Radikalisierungen, gleich welcher Art, enthalten. Es müssten sich ja, aller historischen Erfahrung nach, ökonomische Krisenerfahrungen in einem sichtbaren Zulauf zu radikalen Parteien äußern. Nichts davon ist zu sehen. Zwar gibt es, vor allem in den neuen Bundesländern, einen harten Kern neofaschistischer Antidemokraten, aber erstens ist der in Frankreich oder Italien nicht kleiner, zweitens gab es ihn schon vor der Krise, und dass er jetzt wachsen wird, ist keineswegs ausgemacht."(...)
der erste satz ist im angesicht der zitierten umfrage eine völlig widersprüchliche behauptung, und nichts weiter. die nächste behauptung stimmt zwar, es ist für mich aber inzwischen mehr als fraglich, ob sich das genannte historisch gewohnte muster auch bei dieser krise finden lassen wird. die entscheidenden reaktionen in den kollektiven tiefenströmungen werden sich aller wahrscheinlichkeit in historisch neuen formen ausdrücken, die sich erst als letztes - wenn überhaupt - in irgendwelchen prozentanteilen irgendwelcher parteien wiederspiegeln werden (eher in solchen formen, wie ich sie oben als alltagsgewalt umrissen habe). und das hat nicht nur etwas mit den in den letzten beiträgen in dieser reihe skizzierten verhältnissen zu tun, sondern auch mit der endgültigen zerschlagung aller organisierten strukturen der arbeiterbewegung hierzulande im nationalsozialismus. das war ein bruch, von dem sich "die linke" bis heute nicht erholt hat (und das meine ich nicht primär auf die zerschlagung der kpd bezogen, sondern eher auf das, was sich als "proletarisches milieu" bezeichnen ließe - von arbeitersportvereinen über selbsthilfestrukturen in proletarischen vierteln bis hin zu einer ausgewachsenen kleingartenkultur (die nicht umsonst bis heute staatlicherseits sehr reglementiert wird - im ns waren die parzellengebiete vieler großstädte rückzugsorte des vorhandenen widerstands).
der autor des essays in der zeit hat nicht nur davon offensichtlich keinen begriff, sondern auch nicht von der existenz transgenerationaler traumata, wie sie hier schon thema waren (und wie sie die teils durchaus zutreffenden bemerkungen zur öffentlichen stimmung in den 1980er jahren miterklären können).
(...)"Man soll nie sagen, etwas sei ein für alle Mal vorbei, aber ein unbefangener Blick auf die Gegenwart lehrt, dass die alte Mechanik aus Angst und Aggression schwach geworden ist. Natürlich gibt es immer wieder Gegenbeweise, aber in der jetzigen Wirtschaftskrise geschah es nicht in Deutschland, dass Banker oder Manager attackiert wurden, sondern in England und Frankreich."(...)
und das wird als ausdrücklich positiv beschrieben, obwohl man ebensogut desinteresse, nichtwissen über das tatsächliche ausmaß der krise sowie immer noch vorhandene autoritätsängste und falsche vorstellungen über die "eliten" als wahrscheinlichere gründe anführen konnte. immer noch wird ein "seriöses" auftreten im nadelstreifenanzug und das sprechen in esoterischen und bedeutungsvoll erscheinenden worten über ökonomische zusammenhänge von vielen hierzulande als beweis für gute absichten und fähigkeit genommen. derhauptmann von köpenickist immer noch lebendig, und der oben beschriebene veränderte umgang von teilen der jugendlichen mit der staatsgewalt stellt dabei nur scheinbar einen widerspruch dar - die eine (staatliche) uniform mag abgelehnt werden, aber die fixierung und mehr oder weniger heimliche sehnsucht nach der anderen (nadelstreifen) ist nach jahrzehnten der kapitalistischen formierung unter totalitären vorzeichen (und als symbol für geld = "leben") mehr oder weniger ungebrochen. bisher sollen nur die nieten weg (wenn überhaupt), aber (noch) nicht das gesamte system dahinter.
der dokumentierte essay lässt sich als verspäteter kommentar zu den vor ein paar wochen beschworenen und verdammten sozialen unruhen lesen, und das bringt mich jetzt direkt zu diesem thema zurück. es gab da u.a. eine ganz aufschlußreichesammlungverschiedener "prominenter" stimmen, ein paar auszüge:
(...)"Bisher war die soziale Stabilität ein klarer Standortvorteil. Wer auch diesen noch abschaffen will, setzt nicht nur die Zukunft unserer Wirtschaft und ihrer Arbeitsplätze aufs Spiel, sondern führt etwas anderes im Schilde: Der will ein anderes politisches System!"
Hans-Olaf Henkel
ganz recht, "herr" henkel - und zwar ein system, wo leute wie Sie nichts, aber auch gar nichts mehr zu melden haben.
(...)"Die Geiselnahmen in Frankreich zeigen, welche Lösungen verzweifelte Menschen suchen. Daraus kann sich eine Eigendynamik entwickeln, die von den Verantwortlichen genau beobachtet werden sollte - sie könnten zur Rechenschaft gezogen werden. Darum brauchen wir schnell ein gewaltiges Beschäftigungsprogramm, das gerade den industriellen Bereich stärkt. Die Regierung muss ganz schnell viel Geld lockermachen."
Rainer Einenkel
ein betriebsratsvorsitzender von opel auf gewerkschaftslinie - "geld her, oder ihr werdet zur rechenschaft gezogen". eine kleine erpressung zur erhaltung des status quo der industriearbeiterschaft. aber keinesfalls systemkritisch.
(...)"Und es gibt die reale Gefahr, dass der zentrale Aufruf von rechts erfolgt. Es ist ja angenehm, dass es in dieser Hinsicht in Deutschland bisher sehr ruhig geblieben ist, nicht so wie in anderen europäischen Ländern. Wenn jetzt nichts von links kommt, besetzt die Rechte das ganze. Die Linke muss reagieren, von ihr muss ein Aufruf kommen, etwas, um das die Leute sich sammeln können. Und damit meine ich kein fertiges Programm, die Alternative selbst kann nur in einem Prozess kollektiver sozialer Unruhe entstehen.
Thomas Seibert
eine stimme aus der außerparlamentarischen radikalen linken. ich sehe die skizzierte gefahr ebenfalls, wenn auch nicht als alleinige - auch der organisierte faschismus wird sich mit den eingangs und bisher umrissenen reaktionen schwer tun, obwohl er in sachen andockpunkte an gewaltstrukturen mehr und "bessere" optionen hat als die linke. den letzten satz hingegen kann ich nur unterschreiben, das sehe ich gleich.
und als letztes ein wissenschaftler:
"Niemand kann voraussehen, ob und wann es soziale Unruhen auch in Deutschland geben wird. Ich auch nicht. Trotzdem teile ich nicht die Einschätzung, dass es hier auf Dauer ruhig bleiben wird. Unter der Oberfläche brodelt es bereits.
Wir haben ganz aktuell die Leute in den Betrieben befragt und es zeigte sich: Der Unmut wächst. Entscheidend für Deutschland ist bisher, dass die Kurzarbeit noch viele Probleme abfedert. Die Frage ist jedoch, wie lange das halten wird. Eine Reihe von kleinen Unternehmen werden vor der Insolvenz stehen, und auch bei den großen Betrieben wird es massiven Personalabbau geben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in einer Wirtschaftsstruktur, die ohnehin bereits eine stark prekarisierte Arbeitswelt hat, eine weitere Prekarisierung völlig folgenlos bleiben wird."(...)
ja, was wird passieren, wenn die absehbaren massenentlassungen real werden, was wird nach den bundestagswahlen passieren, wenn der zwang zu (leeren) versprechungen bei der politischen "elite" nicht mehr vorhanden ist und die große rechnung präsentiert werden wird? was wird also in dem moment passieren, wenn die krisenfolgen ganz spürbar auch für viele derjenigen werden, die sich heute noch - ob aus unwissenheit oder/und selbstsedierung - in "sicherheit" wähnen? was wird dann aus all den in diesem beitrag erwähnten teils eher unterschwelligen reaktionen von aggressivität gegen andere, aber auch in großem maße gegen sich selbst? wie wird sich dieses potenzial entwickeln?
denn die krise läuft nicht nur hierzulande unbeirrbarweiter, und die frage bleibt offen, ob in einem halben jahr immer noch relative ruhe und der quasiwunsch nacheiner art volksgemeinschaftdominieren. und wie lange das noch vorhandene restvertrauen in diedgb-gewerkschaftenanhalten wird.
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das war jetzt ein zugegebenermaßen sehr "voller" und assoziativer beitrag, aber genau dafür existiert ja auch die entsprechende rubrik. und ich hoffe, gerade durch die vielzahl auch widersprüchlicher aspekte vielleicht dem einen oder der anderen leserIn anregungen für eigene wahrnehmungen gegeben zu haben.
im letzten teil der reihe werde ich dann noch einen aspekt behandeln, der mir hierzulande besonders relevant erscheint: die massenwirkung des fernsehens als teil der sozialen trance.
(...)"In einer Textilfabrik in Bangladesch, die für den deutschen Handelskonzern Metro produziert, hat sich eine junge Frau laut einer Hilfsorganisation unter dem Druck ihrer Chefs zu Tode geschuftet. Die 18-jährige Fatema Akter sei im Dezember während ihrer Schicht tot zusammengebrochen, berichtete die US-Organisation National Labor Committee (NLC).
Demnach musste das Mädchen an sieben Tage in der Woche 13 bis 15 Stunden in der Textilfabrik in der Hafenstadt Chittagong arbeiten und pro Stunde bis zu hundert Jeanshosen reinigen. Bei einem regulären Arbeitstag verdienen die Arbeiterinnen nach Recherchen des (NLC) häufig lediglich 69 Cent.(...)
Der 18-Jährigen wurde NLC-Bericht zufolge trotz Erschöpfung und Schmerzen in Brust und Armen ein freier Tag zur Erholung verweigert. Stattdessen habe der Vorgesetzte das Mädchen hart ins Gesicht geschlagen und ihr befohlen, ihre Arbeit fortzusetzen. Demnach waren für die Arbeiter in der Fabrik 14-Stunden-Schichten ohne Pause, erzwungene Überstunden und Schläge an der Tagesordnung."(...)
"Zeitarbeiter wie Billigware angepriesen - `15 Prozent auf alle´"(...)
"Wenn Arbeitnehmer wie Kühlschränke oder andere Waren mit Rabatten beworben werden, ist dies geschmacklos und verhöhnt die Würde des Menschen und die der Arbeit", unterstreicht André Arenz, Gewerkschaftssekretär der IG-Metall-Verwaltungsstelle Olpe"(...)
warum "würde der arbeit"? was soll denn das bitte sein? und "geschmacklos" würde ich das auch nicht nennen, darum geht es hier nicht. hingegen durchaus als konsequent aus der sicht von verkäufer und kunden. die innere dynamik in solchen verhältnissen scheint sich noch nicht bis zu deutschen gewerkschaftern herumgesprochen zu haben, jedenfalls nicht bis zur ig metall in olpe.
sehr schön aufschlußreich auch das sich-um-kopf-und-kragen-reden des für den slogan offensichtlich (mit-)verantwortlichen:
"Daher sehen wir die Mitarbeiter auch nicht abschätzig als Ware, sondern als wertvolle Humanressource"
und er glaubt vermutlich wirklich ernsthaft daran, dass an der wahrnehmung anderer menschen als humanressource nichts problematisches sei. das ist letztlich ein weiteres beispiel für die verbreitung soziopathischer wahrnehmungsmodi in dieser gesellschaft (ohne das die betreffenden, die sich solcher sprach-, denk- und gefühlsmuster bedienen, nun selbst unbedingt im klinischen sinne soziopathen sein müssten).
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und ein weiteres kapitel aus der unendlichen liste der normalen praktiken bei diversen hiesigendiscounternschliesst den kreis:
(...)"Aber auch, wenn es nicht Samstag ist: Müller findet die Arbeitsbedingungen bei seinem Arbeitgeber Netto inzwischen "unerträglich". "Ich arbeite 65 bis 75 Stunden pro Woche, wenn es glatt läuft", sagt er. Wenn es nicht glatt laufe, seien es an die 80 Stunden. "Unter zehn bis zwölf Stunden pro Tag komme ich nie raus", sagt er. "Wir arbeiten hier am Limit."(...)
und das ist grundsätzlich durchausrepräsentativfür die sog. soziale "marktwirtschaft", wie die kapitalisten das hiesige ökonomische system nach dem wk2 fiktional zu verkleistern suchten. auch die paar jahrzehnte scheinbar "besserer" verhältnisse in der alten brd ändern nichts daran, dass dieses scheinbar bessere schon damals mit den opfern in anderen weltregionen erkauft wurde, ähnlich wie im ersten beispiel. nur in anderen konstellationen.
und die frage nach der rolle der verschiedenen manager bei der "metro", der zeitarbeitsfirma oder den discountern ist besonders vor dem hintergrund der gerade laufendendiskussioninteressant. sind die jeweils verantwortlichen in den obigen fällen nur getriebene der "anonymen sachzwänge"?
wieder eine art kurzer medienrundblick mit blogrelevanten themen - auch, wenn der schwerpunkt absehbar bis auf weiteres auf der eskalierenden systemkrise liegt, so möchte ich doch bereiche, die aus meiner sicht durchaus ebenfalls etwas mit der krise zu tun haben (und seien es noch so verschlungene zusammenhänge) nicht total vernachlässigen.
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beginnen wir mal wieder beim autismus - ganz aktuell gibt´s da alt-neueforschungsergebnisse:
"Autistische Störungen sind offenbar zumindest teilweise genetisch begründet. Forscher haben jetzt verräterische Erbgutvariationen identifiziert, die der Grund für Probleme bei der Signalübermittlung zwischen Nervenzellen sein könnten.
London - Ein Autismus-Gen haben die Wissenschaftler um Hakon Hakonarson vom Kinderkrankenhaus in Philadelphia nicht gefunden. Und doch gelang ihnen eine interessante Entdeckung: Sie deutet darauf hin, dass Autismus in den Genen liegen könnte.(...)
"Viele der Gene, die wir identifizierten, konzentrieren ihre Wirkung in Hirnregionen, die sich bei autistischen Kindern ungewöhnlich entwickeln", sagt Hakon Hakonarson von der University of Pennsylvania, der die beiden in "Nature" veröffentlichten Studien geleitet hat. "Zusammen mit anatomischen und bildgebenden Untersuchungen deuten unsere Resultate darauf hin, dass Autismus ein Problem neuronaler Fehlverbindungen ist." Eine dritte Studie, die in der Zeitschrift "Human Genetics" erschien, kommt zu weitgehend identischen Schlüssen.
Rund 15 Prozent aller autistischen Störungen ließen sich höchstwahrscheinlich auf die SNPs zurückführen, schätzen Hakonarson und sein Team."(...)
zu den (falschen) assoziationen, die aus der auch aus meiner sicht wahrscheinlichen interaktion von genen mit anderen faktoren bei der entstehung autistischer zustände regelmäßig entstehen (und auch medial gefördert werden, verweise ich einfach mal auf einen passendenkommentaraus einer älteren diskussion. und natürlcih auf die bücher von joachim bauer, die auch in der literaturliste vorhanden sind. genetische einflüsse lassen sich nur in ganz seltenen fällen monokausal interpretieren. das ist bei solchen meldungen wie der obigen immer zu beachten.
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zur folgendenmeldungmöchte ich mir (fast) jeden kommentar verkneifen...
"Ein europäisches Forscherteam hat einen Roboter entwickelt, der autistische Kinder spielerisch aus ihrer Isolation locken soll. (...) Der noch namenlose Prototyp soll im Herbst durch ein Serienmodell abgelöst werden, das an Schulen und therapeutische Einrichtungen verkauft werden soll. Die Europäische Kommission hatte das Forscherteam dafür im Projekt IROMEC (Interactive RObotic social MEdiators as Companions) mit 3,2 Millionen Euro ausgestattet.(...)
Jungen wie Mädchen wurden in Bewegung versetzt, folgten dem Gerät und fassten es an. Die Forscher haben verstärkt nonverbale Kommunikation beobachtet: Die Kinder nahmen sich an die Hand, lachten, klatschten und tauschten Blicke aus.
Von einem therapeutischen Nutzen will Kronreif jedoch partout nicht sprechen, obwohl die britischen Projektpartner genau das zum obersten Ziel erklären und längst den Begriff eines „Therapie- und Bildungsroboters“ verbreiten. Ihrer Meinung nach soll das Spielzeug die Entwicklung der Kinder beschleunigen.(...)
Im Sommer bekommt der Roboter noch zwei Arme. Dann sollen Imitationsspiele einstudiert werden, die sich bei Kaspar bewährt haben. Die Maschine winkt, der Mitspieler winkt zurück, beide klatschen abwechselnd. Nachahmen gilt als zentrales Element des Lernens – und insbesondere autistischen Kindern fällt es leichter, einen Roboter zu imitieren als einen Menschen."(...)
...bis auf eine einzige frage zum letzten zitierten satz: was lernen diese kinder bei der imitation eines roboters tatsächlich?
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das hormon (oder auch neuropeptid) oxytocin war bereits öfter thema, zb.hier, nun gibt es ein relativ ausführlichesinterview, welches den aktuellen wissensstand ganz gut zusammenfasst:
(...)Heinrichs: Was wir bis jetzt sehen, und das ist so oft repliziert worden weltweit, dass wir sagen können, es reduziert eindeutig - und zwar bei gesunden Personen zunächst mal - eindeutig Angst, es reduziert die Aktivierung einer Hirnstruktur, die Amygdala, der Mandelkern, die die Angst vermittelt, es reduziert die Stresshormone und es macht sozialen Kontakt belohnender im Gehirn. Deswegen ist natürlich die Hoffnung groß, dass es das Gleiche auch macht bei Patienten, die da die Probleme haben. Nur diese Studien sind noch nicht abgeschlossen. Deswegen denke ich, der Analogieschluss, zu sagen, es funktioniert beim Tier, es funktioniert beim gesunden freiwilligen Probanden, also hilft es auch Patienten, das dürfen wir noch nicht tun, da müssen wir sicherlich die Geduld haben und noch die klinischen Versuche abwarten.
Scholl: Wie sehen Ihre konkreten Forschungen, Experimente auf dem Gebiet derzeit aus?
Heinrichs: Wir machen derzeit an diesen drei Patientengruppen oder Störungsgruppen Untersuchungen, das heißt Kombination Psychotherapie, Oxytocin bei sozialer Phobie, bei Borderline-Persönlichkeitsstörung und auch bei Autismus bzw. einer Unterform des Autismus."(...)
bin sehr gespannt, was da am ende rauskommt - zumal die bedeutung und funktion von oxytocin für unsere zwischenmenschlichen beziehungen nicht mehr ernsthaft bestritten werden kann.
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und noch ein thema, welches bereits von verschiedenen seiten im blog beleuchtet wurde, stellt das schicksal derkriegskinder des 2. weltkriegsdar; und nicht nur in deutschland dürfte die trangenerationale vermittlung der damals entstandenen traumata bis heute einen relevanten gesellschaftlichen einfluß ausüben (der womöglich auch beim umgang mit der aktuellen krise wirksam ist):
(...)"Die letzten Zeitzeugen, damals Kinder, werden alt, sie erinnern sich nun, im Alter, an lange Verschüttetes, und in jedem kollektiven Datum verdichtet sich nun die Erfahrung von Einzelnen, die nicht mehr lange da sein werden. Für die Vierzigjährigen rückt der Abschied von den Eltern näher: von denen, deren Erziehung zumeist noch von der Härte des Nationalsozialismus geprägt war, deren Eltern zur Generation der Täter gehörten, die als Kinder den Krieg, die Kriegsfolgen am eigenen Leibe erfuhren, die dann oft, nur schlecht ausgebildet, unbefriedigende Existenzen führten. Die Erinnerung hat es nicht mehr sehr lange mit ihrer primären Erfahrung zu tun."(...)
in dem artikel werden diverse neue bücher zum thema aus verschiedenen europäischen ländern vorgestellt, die allesamt hoch interessant klingen - ein lesetipp mit lesetipps sozusagen.