congratulations and best wishes to the people in egypt! was für ein unglaublicher, bangig-spannender und am ende freudiger tag war das heute! und aller wahrscheinlichkeit nach wirklich einer, der das strapazierte attribut "historisch" verdient. ja, klar: das war allerhöchstens eine erste etappe, wenn politische freiheiten und ökonomische strukturveränderungen zusammengedacht werden; von nötigen psychosozialen veränderungen gar nicht zu reden. auch ist das regime keineswegs geschichte, nur weil der böse oberclown am ende doch hingeschmissen hat - seine basis mag sich in diesen stunden verkrochen haben, aber sie ist nicht aus der welt und wird zumindest teilweise auf boshafte rache aus sein. und klar, der status hat sich momentan vom autoritären polizeistaat in richtung eines - durchaus ungewöhnlichen und wie ich vermute, von bestimmten involvierten fraktionen der armee auch eigentlich nicht gewünschten - militärputsches gewandelt. so jedenfalls meine persönliche einschätzung. es gibt höchstens - allerdings würde ich da eher die das-glas-ist-halb-voll-wahrnehmung bevorzugen - erste schritte zu etwas, was den namen revolution rechtfertigen würde. aber das innerhalb von knapp drei wochen hinzukriegen - touché! (und nein, ich vergessse dabei nicht die jahrelange vorgeschichte sozialer unruhe(n) im land).
und das nörgeln und mäkeln sollte zumindest am heutigen abend erst mal weggepackt werden. trotz aller bedenken über die weitere entwicklung bleiben ein paar sehr wichtige dinge festzuhalten:
1. der lange widerstand des diktators dürfte nicht alleine auf seinem eigenen pathologischen mist gewachsen sein. mubarak war durchaus in verschiedener hinsicht eine symbolfigur, gerade in den vergangenen wochen. nicht nur die versammelte bagage des sog. "freien westens" incl. israels, sondern auch befreundete und nicht so befreundete (syriens assad bspw.) maronettendiktatoren der region dürften sich vor dem heutigen szenario schwer gefürchtet haben - so stark, dass es augenscheinlich bspw. zuverstimmungenernsterer art zwischen den saudischen ölprinzen und der us-administration gekommen ist:
(...) "Saudi-Arabien würde einspringen, wenn die USA Ägypten die Finanzhilfe entziehen, weil Kairo die Reformwünsche der USA nicht erfüllt: König Abdullah von Saudi-Arabien soll dies laut der britischen Times US-Präsident Barack Obama bereits Ende Jänner in einem Telefongespräch mitgeteilt haben. Abdullah sei schockiert darüber, wie die USA seinen persönlichen Freund Hosni Mubarak - mit dem er täglich telefonieren soll - demütigen und einen wichtigen Alliierten in der Region einfach fallen lassen." (...)
alle oben genannten parteien haben nachweislich mubarak mehr oder weniger solange rhetorisch oder auch materiell unterstützt, bis sie ihrer opportunistischen ader tribut zollen mussten, als klar war, dass sich der aufstand weder aussitzen noch zusammenschießen lassen würde. die falschen freudengesänge der westlichen politischen "eliten" sind an lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten; israel scheint das unvermeidliche zumindest aktuell hinzunehmen, während - und ich sehe mich genötigt, auch etlichen mainstreamkommentatoren zuzustimmen - bei den marionettendas große zitternbegonnen haben dürfte:
(...) "Ägypten ist das größte und wichtigste arabische Land, Mubarak galt bis vor zwei Wochen als einer der am sichersten im Sattel sitzenden Herrscher der Region - nicht zuletzt, weil er jahrzehntelang vom Westen gestützt wurde. Welcher Machthaber zwischen Atlasgebirge und dem Hedschas kann nun noch ruhig schlafen?" (...)
diese lektion aus ägypten lässt sich nicht mehr aus der welt schaffen - wenn ich mich noch an die vielzahl von sog. experten erinnere, die nach der revolution in tunesien bezgl. ägypten lässig abgewunken und gesagt haben "niemals dort!" mubaraks apparat wäre zu stark, die bevölkerung zu apathisch und überhaupt - dann ist seit heute neben der eindrucksvollen bankrotterklärung jener experten auch eben jenes menetekel an der wand, welches oben skizziert im zitat zu sehen ist. wenn mubarak fallen kann - wer kann dann prinzipiell nicht fallen, trotz aller unterschiede zwischen den diversen ländern? ich glaube, dass das ein im hintergrund ein wichtiger grund für viele interessierte fraktionen gewesen ist, mubarak so lange wie möglich zu "halten". aber in diesem fall haben sie ihre rechnung tatsächlich mal krachend in den wüstensand gesetzt.
2. der aufstand strahlt weltweit aus - ich habe mich in den vergangenen tagen und nächten durch eine vielzahl von internationalen quellen gelesen, und es war auffällig, dass eine klar globale rezeption zu verzeichnen ist - nicht nur in der arabischen welt / in nordafrika, sondern auch im restlichen afrika. glückwünsche aus vielen süd- und mittelamerikanischen ländern, aus asien... und sehr oft werden vergleiche gezogen zur situation im "eigenen" land - und sehr oft endet das mit der feststellung: "ist ja hier genauso wie in ägypten" - korruption, repression, breite verarmung... (interessanterweise scheinen besonders viele us-amerikanerInnen diesen vergleich zu ziehen). und das die botschaft aus kairo, alexandria und suez jetzt lautet: massenproteste, mehr massenproteste, kombiniert auch mit einer entschlossenheit zum militanten agieren, wenn´s nötig sein sollte, können ein als "stabil" begriffenes autoritäres regime schwer ins schwanken bringen - diese botschaft wird weltweit verstanden. und genau diese botschaft liegt den "eliten" von washington über moskau bis peking jetzt schwer im magen, zusätzlich kommt bei den westlichen charaktermasken noch die dämmernde erkenntnis dazu, dass sie sich nicht nur in den selbstproduzierten widersprüchen zwischen den eigenen hohlen phrasen von "demokratie" einerseits und der praktizierten "realpolitik" andererseits komplett verheddert haben, sondern - siehe die reaktion des saudischen dikators weiter oben - sie stehen bei ihren marionetten auch als leute da, die sie im falle des falles ohne weiteres fallen lassen werden. ich könnte mir vorstellen, dass wir demnächst eine stärkere hinwendung einiger dieser marionetten richtung russland und china erleben werden (falls sie solange existieren sollten).
3. die methoden und der verlauf des aufstands enthalten äusserst lehrreiche lektionen, die ebenfalls weltweit aufmerksam studiert werden dürften. die rolle der medien ist dabei durchaus etwas zentrales (und es war überfällig, dass heute in kairo tausende den staatlichen tv-propganda-sender belagert haben). aber ebenso war für mich der umgang mit der armee aufschlußreich, der letztlich zu einem nicht unwesentlichen teil zur jetzigen situation, in der die führenden offiziere sich nicht mehr länger über die loyalität ihrer mannschaften sicher sein konnten, geführt hat. auch die taktiken gegen die provokateure und schlägertrupps des regimes sind aller aufmerksamkeit wert; ebenso die spontan und selbstorganisiert entstandenen selbstschutzgruppen, in denen sich tatsächlich ein embryo einer wahrhaft revolutionären situation sehen lässt.
all diese punkte sind bereits jetzt ge- und erlebte historische erfahrungen der millionen direkt beteiligten, aber auch medial vermittelte erfahrungen von weiteren millionen, die nur von außen wahrnehmen konnten. aber hängen bleibt vor allem eine botschaft, heute abend durch die gigantischen freudenfeiern in ägypten nochmals positiv verstärkt: es ist möglich, wenn menschen zu einem kollektiven handeln kommen.
diese achtzehn tage und das, was noch kommt, werden alleine schon ganze generationen von historikern beschäftigen - von der revolution in tunesien und den weiteren unruhen in anderen ländern der region ganz zu schweigen. die geschichte hat gerade ein tempo angenommen, welches - ich wiederhole mich da zwar, aber sei´s drum - schlicht atemberaubend ist. wenn das jahr so weitergehen sollte... puh.
*
es gäbe noch sehr viel zu sagen, auch zu den sich nun ebenfalls beschleunigenden entwicklungen und reaktionen in anderen staaten der region - aber ein land sollte jetzt neben tunesien und ägypten besonders im focus stehen - nicht nur, weil es dort seit dezember ebenfalls schon kräftig rumort, sondern weil sich für morgen inalgerienein übles szenario abzeichnet:
(...) "Die Nationale Koordination für den Wandel und die Demokratie (CNCD), ein Bündnis aus unabhängigen Gewerkschaften, Oppositionsparteien, Menschenrechts- und Jugendorganisationen, ruft für den heutigen Samstag - trotz Verbots - zu Großdemonstrationen in der Hauptstadt Algier, der zweitgrößten Stadt Oran sowie mehreren anderen Provinzhauptstädten auf.
Das Ziel der CNCD, die nach den Protesten gegen die hohen Lebensmittelpreise im Jänner ins Leben gerufen wurde, ist die Aufhebung des seit 19 Jahren geltenden Ausnahmezustandes. (...)
20.000 Polizisten werden laut Innenministerium am Wochenende in Algier "mit allen Mitteln" versuchen, den Protestmarsch zu unterbinden. Die Zufahrtsstraßen sollen gesperrt, Züge und Busverbindungen ausgesetzt werden. Alle 50 Meter wird eine Anti-Selbstverbrennungsbrigade stehen: Feuerwehrleute mit Brandschutzdecken und Feuerlöschern. Sie sollen Selbstmordaktionen verhindern. Seit Jahresbeginn gab es laut Presse rund 40 Versuche von Selbstverbrennungen."
bereits amheutigen abendkam es in algier nach dem sturz von mubarak zu einer spontanen und von der polizei niedergeknüppelten kundgebung:
(...) "Nach Angaben eines Vertreters der Oppositionspartei RCD ("Sammlungsbewegung für Kultur und Demokratie") wurden am Freitagabend zehn Demonstranten verletzt, zwei von ihnen schwer. (...)
Bei den Protesten am Freitagabend seien zehn Oppositionelle vorübergehend festgenommen worden, sagte RCD-Sprecher Mohcine Belabbas der Deutschen Presse-Agentur. Unter den Sicherheitskräften gab es nach ersten Angaben keine Verletzten. RCD-Anhänger hatten sich nach dem Abgang von Präsident Hosni Mubarak in Ägypten spontan zu einem Protestmarsch entschlossen und auf Arabisch gerufen: "Mubarak ist gestürzt. Wir hoffen, dass (Präsident Abdelaziz) Bouteflika der nächste ist!" (...)
die ereignisse in nordafrika, dem nahen osten und der arabischen halbinsel sind in ihren konsequenzen nach wie vor unüberschaubar und bringen als sicherlich geringstes problem für mich selbst die frage mit, wie ich angesichts einer eh schon angesammelten menge an offenen themen und fragen aus den letzten monaten hier im blog damit umgehe. meine vorläufige lösung sieht so aus, dass ich ab sofort unter dem obigen titel eine kleine reihe starte, unregelmässig, mit bewusst fragmentarischen inhalten und folgerichtig ohne den anspruch auf vollständigkeit, die schwerpunktmässig die folgenden bereiche beleuchten soll:
diverse aspekte der anfangs angesprochenen veränderungen, egal ob sie nun als aufstände, revolten oder gar revolutionen gesehen werden
damit einhergehend der schon früher zumindest begonnene versuch, aus der perspektive des blogs besonders die psychosoziale matrix in diesen regionen besser zu verstehen
aber auch die weitere diskussion über "der kommende aufstand" soll vorläufig erst mal hier stattfinden - es liegt einfach sehr nahe, afrikanische bzw. arabische wege des aufstands mit realen entwicklungen in europa in bezug zu setzen und, soweit möglich, zu vergleichen
andere weitere themen liegen auf der hand, die hier aller wahrscheinlichkeit nach auftauchen werden - aber für den moment sollten die drei obigen punkte zur skizzierung deutlich genug sein. und das bündeln innerhalb einer reihe hat auch für mich den vorteil, dass ich ich mich wahrnehmungsmässig dann bei anderen themen, die gerade nicht im focus sind, flexibler fühle, um sie hereinzuholen. soweit dazu. dann springen wir mal hinein in den zug der geschichte...
*
ägypten: lehrreich und beängstigend in vielerlei hinsicht ist die aktuelle situation. diejenigen ansonsten unsichtbar bleibenden linien von einflüssen, machtinteressen und motivationen der "eliten" werden durch den aufstand gut erahn- bis offen sichtbar. klar ist, dass das regime nach anfänglichem schock versucht, zu einem status quo zurückzukehren, der dem alten möglichst ähnlich sieht. das kann allerdings nur unter dem protektorat der usa, der eu und auch israels gelingen, deren doppelzüngige botschaften in diesen tagen absehbar zu einer schweren hypothek in der zukunft führen werden, falls die konterrevolution sich endgültig durchsetzen sollte. letzteres wird aber zumindest bisher durch die entschlossenheit eines großen teils der aufständischen verhindert, denen ebenso wie ihren gegnern auf der anderen seite auch die persönlichen konsequenzen im falle des scheiterns bewusst sind - das regime wird sich rächen, wenn es die gelegenheit dazu bekommt.
ein frischerartikelin der "taz" beschreibt reaktionen und umgang der aktivsten, jüngsten und "unorganisiertesten" fraktionen auf dem tahrir-platz:
(...) "Die Leute auf dem Platz haben eine klare politische Linie: Erst wenn Mubarak geht, sind sie bereit zu sprechen. Das Regime versucht indes, möglichst viel vom alten System in die neue Zeit hinüberzuretten, während Mubarak offiziell noch im Amt ist. Und Teile der Opposition wollen das Spiel mitspielen, um sich selbst einen Platz für die Zeit nach Mubarak zu sichern.
Doch bisher hat sich der Tahrir-Platz nicht instrumentalisieren lassen. Dabei ist es seine Stärke, dass er bisher keine Sprecher und keine politische Führungen hervorgebracht hat. Niemand konnte bislang von einer organisierten Opposition vereinnahmt oder vom Regime verhaftet werden." (...)
dann, selten genug in diesen tagen, eine explizitlinke stimmeaus ägypten:
(...) "Wie stark ist denn gegenwärtig die bis heute verbotene linke Opposition in Ägypten?
Das ist äußerst komplex im Moment. Gerade die linke Opposition ist extrem zerstritten und fragmentiert und für Außenstehende schwer durchschaubar. Zudem spielt sich die Reorganisation der Linken noch immer im Untergrund ab. Wir können jedoch feststellen, dass die legalen Parteien, also die »dekorativen« Parteien, nicht mehr die wichtigsten politischen Kräfte sind. Das sind jetzt die illegalen politischen Gruppen." (...)
weiter aufgefallen ist mir ein sehr spannendertextdes ägyptischen autors khaled alkhamissi, der mit den folgenden bemerkenswerten sätzen endet:
(...) "Es ist ein erster Schritt auf dem Weg, auf dem die vier Milliarden Menschen unter vierzig Jahren auf der ganzen Welt eine neues System schaffen werden, das den Platz der abgenutzten Weltordnung einnehmen wird, die nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde und die heute im Sterben liegt und nur darauf wartet, dass jemand ihr Grab gräbt."
noch jemand, der das geab liest? (kleiner scherz am rande).
zum letzteren hat sich janeulichschon die islamistische regimeführung aus dem iran ausgelassen und die revolution in tunesien plus die ägyptische revolte gleich mal als "islamisches erwachen" vereinnahmt. und auch eine verwandte hackfresse ein verwandter "geistlicher führer", nämlich der sog. großmufti von saudi-arabien, hat sich erwartungsgemäß regelrecht euphorischgeäussert... äh, moment mal....
"Der Großmufti von Saudi-Arabien, Abdelaziz al-Sheikh, hat die Volksaufstände in anderen arabischen Ländern als von "Feinden des Islam gesteuerte chaotische Aktionen" verurteilt, deren Ziel es sei, "die muslimische Welt zu spalten". Die "Feinde des Islam und ihre Knechte" stifteten zur Revolte an, um "die muslimische Nation im Herz zu treffen und sie zu spalten", wurde der höchste geistliche Würdenträger des Königreichs am Samstag von der Tageszeitung "Asharq al-Awsat" zitiert." (...)
"der islam" halt. alles eine sauce. wissen wir ja alle. vor allem die hiesigen islamophobiker. fast genauso gut wie die tatsache, dass saudi-arabien eine der widerwärtigsten, religiös-fundamentalistisch geprägten und von einem mafiösen clan beherrrschten diktaturen auf dem planeten darstellt. richtig? folgerichtig ein enger und guter verbündeter des westens, und vor allem ein verlässlicher öllieferant. würden lügen und heuchelei als folge zu dicken pickeln im gesicht führen, so würden so ziemlich sämtliche führungsfiguren des sog. "freien westens" spätestens (!) seit ein paar tagen mit wahren blumenkohlgesichtern herumrennen.
wo ich gerade bei saudi-arabien bin, noch der hinweis auf eineaktiondieser tage, die in diesem staat ähnlich wie die neulich erwähnten proteste wirklich mut verlangt:
(...) "In der Hauptstadt Riad forderten am Samstag etwa 40 Frauen vor dem Innenministerium die Freilassung von Gefangenen. Die Häftlinge würden ohne Gerichtsverfahren festgehalten, sagten Aktivisten.
Den Frauen standen zahlreiche Polizisten gegenüber, die aber nicht eingriffen. Amnesty International und andere Menschenrechtsgruppen werfen Saudi-Arabien seit langem vor, tausende Reform-Aktivisten unter dem Deckmantel einer Kampagne gegen die Extremisten der Al-Kaida festzuhalten. Riad bestreitet dies." (...)
ich kann mich nur den bezeichnend wenigen postings in zugehörigen forum anschließen: totalen respekt dafür an diese frauen!
*
israel: die bei den letzten beiträgen unten angefangenen diskussionen besonders mit w-day und demon driver finde ich umgekehrt ebenso nicht besonders "erquicklich", zumal ich auch nach bewusstem sackenlassen nichts finden kann, was meine ursprüngliche wertung der entsetzlichen dummheit und extremen kurzsichtigkeit der aktuellen israelischen politik irgendwie negieren würde. diese diskussionen, nicht nur bezgl. israels, werde ich nochmals stück für stück aufgreifen. für den moment aber erstmal nur weiteres material: eingastbeitrageines ehemaligen israelischen verteidigungs- und außenministers macht die bisherigen prämissen der israelischen politik nochmals nachdrücklich deutlich:
(...) „Frieden schließt man mit Diktatoren.“
Diese traurige Wahrheit kommt uns angesichts der Unruhen in Ägypten wieder in den Sinn. Schließlich stellt sich für Israel die Frage, ob unser Friedensvertrag mit Kairo noch gültig ist, wenn Präsident Hosni Mubarak aus dem Amt gejagt wird. Eben dieser Umstand erinnert uns an die hässliche Tatsache, dass Israel mit zwei Staaten Friedensverträge abgeschlossen hat, mit Ägypten und Jordanien – gezeichnet von zwei Diktatoren, Anwar El Sadat und König Hussein.
Darüber hinaus gab es noch weitere Verhandlungen, von denen wir uns den Frieden versprachen, mit Syrien und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Auch hier versuchten wir, uns mit zwielichtigen bis widerwärtigen Diktatoren einig zu werden. Doch jedem, der sich naserümpfend abwandte, wurde erklärt: „Frieden schließt man mit seinen Feinden.“ Hätte sich jemals die Gelegenheit geboten, Israel hätte selbstverständlich auch mit Demokratien verhandelt – allerdings sind die in unser unmittelbaren Nachbarschaft eher selten anzutreffen." (...)
na, aber warum denn bloß?
(...) "Diese beiden Bedingungen, territoriales Zugeständnis und militärische Aufrüstung, konnte ein Diktator im Zweifelsfall schneller und besser erfüllen. Solange er in der offiziellen Propaganda verkünden konnte, dass es in seinem Land keine Gebietsansprüche gebe, gab es auch kein Problem mit Israel. Außerdem durften sich neben dem Militär auch Polizei und Geheimdienste über die bessere Ausstattung freuen, schließlich hatte der Repressionsapparat offiziell die Sicherheit Israels zu garantieren.
Kurzum, Sadats und Mubaraks Ägypten erfüllten die israelischen Bedingungen, genauso wie Jordaniens König Hussein und dessen Nachfolger, König Abdullah. Vollkommen zu Recht wurde angenommen, dass auch Syriens Hafez Assad und Jassir Arafat von der PLO diese Bedingungen zu erfüllen in der Lage gewesen wären, schließlich verfügten sie als Diktatoren über die entsprechenden Machtmittel." (...)
relativ offen wird das wichtigste fazit gezogen:
(...) "Keine der israelischen Regierungen hat jemals darauf bestanden, nur mit demokratischen gewählten arabischen Regierungen zu verhandeln.
Die implizite Unterstellung dabei wird wohl gewesen sein, dass Diktaturen absolut verlässlich sind – etwas, das Demokratien mit ihren wechselnden Mehrheiten nie sein können." (...)
ebenfalls und gar nicht mal so implizit, sondern eher explizit, dürfte ein bis heute in israel virulenter antiarabischer rassismus eine rolle spielen, der seinen gegenpart im antisemitismus der vielen nationalistischen und islamistischen fraktionen in diversen staaten des nahen und mittleren ostens findet. so weit, so schlecht. ich habe schon früher ausführlicher auf die aus meiner sicht offenliegende tatsache hingewiesen, dass nicht nur israel, sondern auch die arabischen opponenten in etwas gefangen sind, was sich im großen und ganzen alskollektive re-inszenierungentraumatischer strukturen begreifen lässt, und was mit den übrigen einflüssen wie ökonomischen, religiösen und "politischen" interagiert und sie individuell wie kollektiv erst emotional so richtig auflädt. unter diesem aspekt betrachte ich die aktuellen aufstände langfristig als nötigen schritt ion eine richtung, um überhaupt erstmal die voraussetzungen dafür zu schaffen, um diese alte und eingefahrene, ganz spezifische traumatische matrix dort zu durchbrechen.
im übrigen heißt es ja immer, israel wäre die "einzige demokratie" in dieser region. was einerseits bei den vorhandenen vergleichsmaßstäben bisher (!) nicht sooo wahnsinnig schwer gewesen sein dürfte, andererseits aber auch fragen danach aufwirft:was für eine "demokratie"?:
(...) "Eine Demokratie, einen Rechtsstaat von der Art, wie sie Dershowitz vorschweben, gibt es in angenäherter Form tatsächlich. Wie es der Zufall wollte, erschien genau an dem Tag seines Leitartikels ein ausführlicher Bericht des Korrespondenten Glenn Frankel in der "Washington Post", der sich mit der Folter beschäftigte - nicht in Abu Ghraib, sondern in Israel (Prison tactics: A longtime dilemma for Israel). Ein Palästinenser namens Anan Labadeh schildert dort, daß er als Gefangener der Israelis durchaus ähnliches erlebte wie die gefangenen Iraker von seiten der amerikanischen Sicherheitskräfte: Schläge, Erniedrigungen, Trophäen-Fotos mit männlichem und weiblichem Sicherheitspersonal.
Der Unterschied, den Anan Labadeh festgestellt zu haben glaubt, ist nun genau das Dershowitz-Kriterium: Die Israelis gehen nach Regeln vor, und im übrigen sei ihre Technik durchdachter als die der Amerikaner. "Drei Tage ohne Essen und Schlaf, und du erzählst alles. Die Amerikaner sind Amateure." Glenn Frankel rollt die Geschichte der Folter in Israel auf. Das Wort selbst werde nie verwendet, aber Israel sei dennoch der einzige Rechtsstaat, der die Mißhandlung von Gefangenen bei Verhören erlaube.
Nach einer weitgehend ungeregelten Zeit habe man 1987 ein Regelwerk zum "maßvollen physischen und psychischen Druck" festgelegt, das Geheimsache blieb. Immerhin wisse man, so Frankel, daß es dabei darum ging, Gefangene tagelang zum Stehen zu zwingen oder sie zusammengekrümmt zu fesseln, ihnen den Schlaf zu entziehen, sie mit überlauter Musik zu beschallen, sie am Gang auf die Toilette zu hindern oder sie extrem hohen und niedrigen Temperaturen auszusetzen.
1999 entschied dann der Oberste Gerichtshof Israels, daß Folter unter allen Umständen unerlaubt sei. Nach dem Ausbruch der zweiten Intifada im Herbst des Jahres 2000 aber und vor allem nach der Serie verheerender Selbstmordattentate seien die Inlandsgeheimdienste zum physischen Zwang zurückgekehrt. Frankel beruft sich für seine Behauptung auf israelische Menschenrechtsanwälte, auf Bürgerrechtlerinnen wie Hannah Friedmann, auch auf Gefangene." (...)
im großen und ganzen lässt sich das als erweiterte fassung dessen begreifen, was selbst in einem "demokratischen rechsstaat" alá brd als sog."weiße folter"nicht nur an den sog. terroristen aus der raf praktiziert wurde, sondern auch als ein sehr unbekannter deutscher exportschlager in viele andere staaten exportiert wurde - die türkei würde mir da einfallen, aber auch bspw. spanien hat sich von derart "unsichtbaren" methoden durchaus inspirieren lassen. wer israel also als "demokratie" bezeichnet, sollte das ebenso wie bei anderen westlichen staaten nur mit hochkommata tun. zu diesem komplex auch noch eininterviewmit dem vertreter einer israelischen menschenrechtsgruppe von 2007. dem ich übrigens bei seiner definition von folter ausdrücklich widerspreche: isolationshaft (sensorische deprivation) ist folter, von den übrigen "maßnahmen" mal ganz abgesehen.
was die gemeinsamkeiten und unterschiede zu den neulich geschilderten praktiken in äygptischen polizeiwachen angeht, können Sie sich jetzt selbst ein bild machen.
*
gaza-streifen: passend zum thema dürften viele sog. antideutsche dieser tage nicht nur durch die aufstände an sich verwirrt sein, sondern auch durch solche details wie jenes, das die islamistische "regierende" hamas in gaza bereits palästinensische solidemonstrationen mit dem aufstand in ägyptenniederschlug. im verlinkten bericht ist auch der hinweis auf einmanifest der "free gaza youth"enthalten, welches das lesen wirklich lohnt und den eindruck bestärkt, dass es sich die bisherigen opponenten der konflikte in dieser region womöglich in ihren jeweiligen positionen und stellungen klammheimlich regelrecht gemütlich gemacht haben und stillschweigend alle an der macht befindlichen "eliten" ähnliches interesse am bisherigen status quo hatten und haben. die überflüssigen jungen, nicht nur in gaza, spucken ihnen allen dabei aktuell mächtig in die suppe:
"Fick dich, Hamas. Fick dich, Israel. Fick dich, Fatah. Fick dich, UN. Fick dich, UNWRA. Fick dich, USA! Wir, die Jugend aus Gaza, haben Israel, die Hamas, die Besatzungsherrschaft, die Verletzung der Menschenrechte und die Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft so satt! Wir schreien, um diese Wand des Schweigens zu durchbrechen, wir wollen diese Ungerechtigkeit und die Gleichgültigkeit durchbrechen wie die israelischen F-16 die Schallmauer; wir schreien mit der ganzen Kraft unserer Seele, um die riesige Frustration rauszulassen, die uns auffrisst." (...)
unbedingt lesen, weil das, was da steht, in variationen in der ganzen region gültig sein dürfte - zumindest was die elementare und grundsätzliche frustration anbelangt. in gaza kommen ein paar besonders destruktive faktoren noch dazu:
(...) "Wir haben die Operation "Cast Lead" (Vergossenes Blei) nur knapp überlebt, während derer Israel sehr effektiv die Scheiße aus uns rausgebombt hat, tausende von Häusern zerstörte und noch mehr Leben und Träume. Die Hamas sind sie nicht wie beabsichtigt losgeworden, aber sie haben uns auf Ewigkeit Angst eingejagt und das posttraumatische Stresssymptom verpasst, denn wir konnten ja nicht wegrennen.
Wir sind eine Jugend mit schweren Herzen. Wir tragen eine Traurigkeit in uns, die es uns schwer macht, den Sonnenuntergang zu genießen. Wie soll das auch gehen, wenn wir schwarze Wolken am Horizont und düstere Erinnerung sehen, sobald wir die Augen schließen? Wir lächeln, um den Schmerz zu verstecken. Wir lachen, um den Krieg zu vergessen. Wir hoffen, um nicht Selbstmord begehen zu müssen, hier und jetzt.
Wir haben Israel so satt
Während des Krieges hatten wir das untrügliche Gefühl, Israel will uns vom Erdboden tilgen. In den letzten Jahren hat die Hamas alles getan, um unsere Gedanken, unser Handeln und unsere Wünsche zu kontrollieren. Wir sind eine junge Generation, die an Raketen gewöhnt ist.
Wir haben die unlösbare Aufgabe, ein normales und gesundes Leben zu führen, obwohl wir kaum toleriert werden von dieser Organisation, die sich in unserer Gesellschaft wie ein Krebsgeschwür ausgebreitet hat, das alles Lebendige abtötet und die Leute mit ihrem Terrorregime lähmt. Vergessen wir aber auch nicht unser Gefängnis, das von einer sogenannten demokratischen Regierung unterhalten wird.
Wir haben Angst
Die Geschichte wiederholt sich aufs Grausamste, und niemanden scheint das zu kümmern. Wir haben solche Angst. Hier, in Gaza, haben wir Angst, eingesperrt zu werden, verhört, geschlagen, gefoltert, bombardiert, getötet. Wir haben Angst zu leben, weil jeder Schritt wohlüberlegt sein will, überall gibt es Grenzen, wir können uns nicht bewegen, wie wir wollen, manchmal können wir noch nicht mal denken, was wir wollen, weil die Besetzung unsere Gehirne und Herzen so sehr okkupiert, dass es weh tut und wir endlose Tränen vor Wut und Schmerz vergießen wollen!
Wir wollen nicht hassen, wir wollen all diese Gefühle nicht fühlen, wir wollen keine Opfer mehr sein. Genug! Genug Schmerz, genug Tränen, genug Leid, genug der Kontrolle, der Begrenzung, der unrechten Rechtfertigungen, des Terrors, der Folter, der Entschuldigungen, der Bomben, der schlaflosen Nächte, der toten Zivilisten, der schwarzen Erinnerungen, der düsteren Zukunft, der herzerweichenden Gegenwart, der verstörenden Politik, der fanatischen Politiker, der religiösen Scheiße, genug der Verhaftungen!
Wir sagen HALT! Das ist nicht die Zukunft, die wir haben wollen! Wir wollen drei Dinge: Wir wollen frei sein. Wir wollen ein normales Leben leben können. Wir wollen Frieden. Ist das zu viel verlangt? (...)
das ist der geist, aus dem die aktuellen und künftigen revolten und aufstände entspringen und entspringen werden. und zwar völlig berechtigt entspringen werden. eine ganz bittere ironie an der geschichte ist die, dass nicht wenige der jungen leute in all den ländern, die jetzt in unruhe geraten, bei ihren visionen einer besseren zukunft besonders materiell gerade jenes westliche "modell" im auge haben werden, dessen zukunft aufgrund diverser gründe , die hier im blog auch schon oft genug thema waren, bereits vergangenheit ist. was "wir" hier im westen mehrheitlich nicht kapieren (wollen): diese aufstände werfen bereits indirekt auch die frage nach dem eigenen verzicht hier auf (ein wort, welches bekanntlich in dieser gesellschaft durch alle fraktionen und klassen hinweg ein tabu ist, wenn es denn in seiner ganzen radikalität gemeint ist - und ich meine keineswegs jenen obligatorisch einseitigen verzicht, der im zuge von klassenkämpfen von "oben" von denen unten gefordert wird). auch in indien und china werden "die massen" absehbar und mehrheitlich nicht mehr die gelegenheit haben, das in verschiedener (und keinesfalls positiver) hinsicht völlig wahnsinnige level des westlichen materiellen wohstands zu erreichen. und das gilt auch für die hunderte von millionen in der arabischen welt. wer da glaubt, angesichts dieses szenarios können "wir" hier so weitermachen wie bisher, sollte ganz dringend einen realitätscheck veranstalten!
*
so, für heute erstmal schluß. in der nächsten folge werde ich mich u.a. mit der situation in tunesien und algerien beschäftigen.
heute nur kurz - was in ägypten heute bis zur stunde los ist, lässt sich an vielen stellen medial nachvollziehen. wenn man die summe der berichte zieht, ist das absolut beeindruckend: geschätzt zwischen fünf und acht millionen menschen waren heute in allen großen und kleineren städten des landes auf den straßen. mubaraks tage sind so oder so hinüber, aber ich habe den eindruck, dass meine vermutung von gestern sich immer mehr zur realität manifestiert. was glaubt der mann? und was will er? wenn er jetzt geht, könnte er vermutlich - ausdrücklich: leider - unter der protektion seiner "elitären" kumpane sein zusammengeplündertes vermögen verjubeln. der ganze clan hat laut berichten ca.40 milliarden dollarin seiner herrschaftszeit zusammengerafft. aber so wie es aussieht, wird er bis zu seinem bitteren - und wieder ausdrücklich: hochverdientem - ende in seinem palast ausharren. wenn´s denn gefällt, bitte sehr. dürfte auch jede menge menschen in ägypten geben, die sich darüber freuen werden, wenn er erreichbar bleibt... puppen mit seinem konterfei baumelten heute jedenfalls schon mal von allerlei masten in kairo.
*
der fast greifbare erste erfolg - absetzung des diktators - des ägyptischen aufstands erschüttert erwartungsgemäß die region - momentan noch ziemlich unter gehen zwei meldungen, deren brisanz sich in kürze zeigen wird - dienächsten kandidatenaus dem kleinen finsteren freundeskreis von ben ali und mubarak dürfen sich langsam auch schon mal gedanken über ihre zukunft machen:
(...) "Im Nachbarland Syrien gibt es für Freitag und Samstag Aufrufe zu Protesten gegen Unterdrückung und Korruption. Diese sollten auch Ausdruck der Unterstützung für das ägyptische Volk sein, hieß es auf von Oppositionsgruppen betriebenen Internetseiten. Syriens Präsident Baschar al-Assad erklärte per Interview, er wolle mehr politische Reformen in seinem Land. Der Herrscher stützt sich auf die allmächtige Baath-Partei und das Militär. Seit 1963 gilt in Syrien - ähnlich wie seit fast 30 Jahren in Ägypten - ein permanenter Ausnahmezustand. Menschenrechtler beklagen willkürliche Verhaftungen und Folter.
In Algerien kündigten mehrere Gewerkschaften für die kommenden Tage große Streiks an." (...)
ein funke wird zum steppenbrand.
*
edit: als nachtrag gehören unbedingt die folgendeninformationendazu - in algerien ist es heute schon zu größeren aktionen gekommen:
(...) "Gegen das herrschende System und die sozialen Missstände formierte sich am Dienstag in Algerien breiter Widerstand. Knapp 90.000 Krankenpfleger sowie Beschäftigte aus dem Bildungssektor streikten. (...)
In Tizi Ouzou östlich der Hauptstadt Algier gingen nach Augenzeugenberichten mehrere tausend Studenten und Schüler auf die Straße, um für bessere Studienbedingungen und gegen die autoritäre Herrschaft von Präsident Abdelaziz Bouteflika zu protestieren. Die Demonstranten wurden von zahlreichen Bürgern unterstützt. Organisatoren der Proteste sprachen von 15.000 Teilnehmern.
Am Montag hatten wieder junge Arbeitslose mit Selbstverletzungen auf ihre Perspektivlosigkeit aufmerksam gemacht. Drei Männer im Alter zwischen 27 und 33 Jahren schlitzten sich mit Rasierklingen die Haut auf. Etliche andere Algerier hatten zuvor mit öffentlichen Selbstverbrennungen für Schlagzeilen gesorgt. Zu den jüngsten Fällen gehörte der eines Wachmanns einer Entwicklungsbank. Er versuchte, sich aus Verzweiflung über seine Situation zusammen mit seiner schwerbehinderten zehnjährigen Tochter anzuzünden. Alle Bankmitarbeiter traten daraufhin aus Solidarität in den Streik.
Für den 12. Februar haben Anhänger der Opposition zu einer Demonstration in Algier für einen Sturz des Systems und für ein Ende des seit 1992 geltenden Ausnahmezustands aufgerufen." (...)
zuerst mal zur abwechslung einenachricht, die vor ein paar stunden als eilmeldung in vielen europäischen medien auftauchte und - selten genug - grundsätzlich positiven inhaltes ist:
(...) "Die einflussreiche Armee in Ägypten hat sich erstmals hinter die Forderungen der Demonstranten gestellt. Am Montag versprach sie, im Konflikt zwischen der Opposition und dem Regime Zurückhaltung üben zu wollen. "Wir werden keine Gewalt gegen die Bürger einsetzen. Wir verstehen die Forderung der Demonstranten", hieß es in einer Erklärung.
"Die Meinungsfreiheit in friedlicher Form ist für alle garantiert", zitierten die amtliche Nachrichtenagentur Mena und das Staatsfernsehen aus der Erklärung. "Die Präsenz der Armee in den Straßen ist zu eurem Schutz, und um eure Sicherheit und euer Wohlbefinden zu garantieren", hieß es weiter. Die Armee rief die Bevölkerung auf, von Sabotageakten abzusehen, da diese die Sicherheit sowie das öffentliche und private Eigentum verletzten." (...)
falls es sich dabei nicht um einen sehr perfiden trick seitens führender militärs handeln sollte, bin ich geneigt zu sagen: das war´s für mubarak. wenn sich die armee bei den für morgen angesagten aktionen - landesweiter generalstreik und massendemonstrationen in größeren dimensionen als selbst am freitag - tatsächlich zurückhält, wird seine stunde und die großer (vermutlich nicht aller, das benötigt wesentlich mehr zeit) teile seines regimes am morgigen dienstag endgültig schlagen. und ich habe auch das gefühl, dass sein schicksal anders enden wird als das seines diktatorischen bruders ben ali in tunesien. mubarak erscheint unglaublich starr und realitätsfremd. kann gut sein, dass er im wahrsten sinne des wortes den abflug verpasst und stattdessen eine art ceaucescu-moment erlebt.
wie dem auch sei: tempo und ausmaß der entwicklungen sind schlicht atemberaubend und die konsequenzen noch nicht mal ansatzweise abzuschätzen. es ist im wahrsten sinne des wortes eine historische lektion, die da aus tunesien und ägypten erteilt und weltweit wahrgenommen wird. teils bin ich einfach baff.
*
gesicht(er) und töne aus der tunesischen revolution - ein junge frau singt am 14. januar inmitten einer demonstration vor dem innenministerium in tunis kurz vor dem sturz des diktators ein lied über die freiheit:
...
*
solche szenen machen mich - ja, unter anderem schlicht auch neidisch auf das, was die menschen da kollektiv jetzt erleben und an neuen erfahrungen machen - revolutionen sind keineswegs nur momente von angst und schrecken, wie es sich als subtext hartnäckig in vielen berichten des mainstreams hält. aber ich weiß auch nicht, ob ich sie unbedingt alspermanentes volksfestbezeichnen würde, wie das die folgende beschreibung aus kairo tut. wenn schon volksfest, dann jedenfalls nicht im hiesigen sinne:
(...) "Seit Tagen sitzen die Soldaten neben dem Ägyptischen Museum in unmittelbarer Nachbarschaft zum Platz der Befreiung, während um sie herum eine Art permanentes Volksfest tobt. Die Soldaten werden dort nicht als Fremdkörper behandelt, sondern stehen mittendrin in den Debatten darüber, wie es mit Ägypten weitergehen soll. Ihre Panzer sind vollgesprüht mit Slogans, die zum Sturz des Regimes aufrufen. Auf dem Platz sind die Soldaten und die Demonstranten schon längst zu einer Einheit verschmolzen. Da wirkt das Bild, in dem Mubarak inmitten der Militärführung sitzt und das stündlich im ägyptischen Fernsehen wiederholt wird, weit, weit weg.
Seit den Morgenstunden ist auch die Polizei zurück. Die meist verhassten Einheiten, die Bereitschaftspolizei und die Männer der Staatssicherheit aber sind weiterhin auf wundersame Weise aus dem Stadtbild verschwunden. Und die Streifen- und Verkehrspolizisten haben den Befehl, sich keiner Demonstration zu nähern und den Tahrir-Platz zu umgehen. (...)
Zwischen den Zigarettenverkäufern und Menschen, die kostenlos Datteln verteilen, entsteht nicht nur ein neues Ägypten, sondern es greift auch ein neues Gefühl um sich. Die jahrelange kollektive Depression, die dieses eigentlich humorvolle Volk in den letzten Jahren im Griff hatte, ist verschwunden.
Zunächst machten die Menschen ihrer Wut auf die Polizei Luft. Nun stehen sie auf dem Platz, und jeder kann sich frei über die letzten Jahre auslassen. Meist beginnt das mit dem Satz, "Weißt du, wie viel ich als … verdiene?", und endet mit einer Aufzählung der wichtigsten Lebensmittelpreise, die in keinem Verhältnis dazu stehen. Die Menschen beschreiben im Detail, was sie in all den Jahren unterdrückt hat und hören sich dabei gegenseitig zu, um schließlich einander in die Arme zu nehmen. Es ist wie ein Therapierausch.
Man wird den Eindruck nicht los, dass viele immer wieder jeden Tag auf den Platz kommen um diesen Glückstrip zu erleben, der mit einem verwunderten "Ach dir ging's auch so schlecht" beginnt, um mit dem enthusiastischen Ausruf "Stürzt Mubarak! Nieder mit dem Regime!" endet." (...)
ich vermute, dass keine imagination der aktuellen realität in beiden ländern auch nur ansatzweise nahe kommt. aber es klingt verdammt gut!
*
letzteres noch vermehrt, wenn man sich die reaktionen des "offiziellen" westens und seiner speichellecker in vielen kommentarspalten quer durchs netz anschaut. während erstere an ihrer heuchelei ersticken mögen, gibt´s bei letzteren offenen rassismus, paranoide islamphobien (und ja, ich stehe dem islam so gegenüber wie jeder anderen religion auch - sie sind alle eine sackgasse, aber trotzdem lässt sich der befund so konstatieren) und europäisches herrenmenschendenken zu bewundern. im kern tiefste antisozialität und pathologischer egozentrismus ("unsere" sicherheit, "unser" einfluss, "unser" öl...)
pack alle beide, sowohl die westlichen "eliten" als auch ihre devoten untertanen. und zur aktuellen israelischen politik momentan nur ein wort: selbstzerstörerisch. für die von ihnen tolerierte entsetzliche dummheit und das kriminelle verhalten - nichts anderes ist die unterstützung einer folterdiktatur - ihrer regierenden wird letztlich die israelische bevölkerung bezahlen. aber warum sollte es denen auch besser gehen als bespw. der hiesigen bevölkerung?
*
zum wort "fernwirkungen" empfiehlt es sich, auch einen blick auf zwei kommende "groß"- oder gar "supermächte" zu werfen, und zwar in asien. während china bei seinem eigenen "twitter"-klon das wort "egypt" schlicht gestrichen hat, wird ausindiendas folgende berichtet:
(...) "In Indien sind am Sonntag Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Korruption zu protestieren. Auslöser der Aktionen in Neu Delhi und anderen Großstädten waren die permanenten Korruptionsskandale, die seit Herbst die Regierung von Manmohan Singh erschüttern.
In Neu Delhi fordern tausende Demonstranten die Gründung eines gesellschaftlichen Gremiums, welches korrupte Beamte entlassen und korrupte Politiker von Wahlen ausschließen dürfen soll, wie ein Korrespondent RIA Novosti RIA Novosti vor Ort berichtet.
Die heutigen Proteste fallen mit dem 63. Todestag des weltberühmten indischen Freiheitskämpfers Mahatma Gandhi zeitlich zusammen. Fünf Oppositionelle sind in der indischen Hauptstadt in Hungerstreik getreten, um die Regierung zum Einlenken zu zwingen.
"Wir sind bereit, unsere Leben zu opfern - für die Werte, für die sich Mahatma Gandhi eingesetzt hatte", sagte einer der Streikenden, Schambu Datta (93), zu RIA Novosti. „Wir nehmen kein Essen zu sich, solange die Reaktion der Regierung ausbleibt."
Auch in der Finanzmetropole Mumbai sowie in Bangalore und Dutzenden weiteren Städten gingen viele Menschen unter ähnlichen Parolen auf die Straße." (...)
"es liegt was in der luft, ein ganz besonderer duft..." *summ*
das ist wortwörtlich zu nehmen - alle meldungen aus ägypten deuten darauf hin, dass die für morgen angesetzten demonstrationen zu einer echten machtprobe zwischen regime und bevölkerung werden könnten - ausgang ungewiss. in allen nur denkbaren fällen aber werden aller wahrscheinlichkeit nach massive fernwirkungen weit über die arabische welt hinaus zu verspüren sein.
ich habe zur entwicklung v.a. im nordafrikanischen raum viele gedanken im kopf, aber für den moment sei nur aus zwei texten zitiert, einmal ein ganzaktueller...
(...) "Mohammed Kamal sitzt zusammengesunken auf einem Schemel. Er ist sichtlich schockiert, wischt sich mit einem Taschentuch das Blut aus dem Gesicht. Die lila-rote Schwellung an seinem Auge aber bleibt. "Ich habe versucht, auf einer Demonstration eine Frau zu schützen, auf die die Polzisten eingeprügelt haben, als sie am Boden lag", erzählt der Anwalt. "Ich wollte sie da rausholen und dann haben sie auf mich zu siebt eingeprügelt und haben gerufen 'Du Hundesohn'." Kamal macht eine Pause und schüttelt wiederholt den Kopf. "Das Leben hier ist unmöglich geworden. Jeden Tag trampeln sie auf der Würde der Menschen herum", bricht es aus ihm heraus.
"Schau mich an, wie sie mich zugerichtet haben. Ich bin Anwalt, aber ich muss dir sagen, in diesem Land gibt es keine Gerechtigkeit." Er blickt still zum Boden, bevor er fortfährt. "Solange es keine Gerechtigkeit gibt, geht es abwärts mit diesem Land - und am Ende auch mit Husni Mubarak und mit all denen, die hinter ihm stehen. Es wird ihnen genauso gehen wie Ben Ali in Tunesien", sagt er mit zunehmendem Ärger in der Stimme.
Und dann ist er kaum mehr zu bremsen. Er arbeite jeden Tag am Gericht. Er habe genug von dieser Bestechung. Jeden Tag lungere er mit anderen Anwälten vor den Türen der Richter herum. "Ich möchte das nicht mehr machen." Aber er sei dazu gezwungen, um seine Fälle erfolgreich abzuschließen. "Wir alle haben unsere Würde abgelegt", klagt er.
Mit den Demonstrationen wolle er auf jeden Fall weitermachen, kündigt er an. Was ihm heute wiederfahren sei, habe ihn nur bestärkt. "Ich bin 25 Jahre alt. Ich bin unter Mubarak geboren. Und ich werde mit Mubarak oder seinem Sohn ins Grab gehen", meint er bitter "Mubarak ist ein Greis, warum regiert er immer noch?", fragt er und endet wie folgt: "Entweder nimmt Gott ihn oder uns zu sich. Wir können einfach nicht mehr". (...)
(...) "Das Gesicht des jungen Mannes ist schmerzverzerrt, die Augen geschlossen, der Mund weit aufgerissen. Er schreit vor Schmerzen, bittet darum, dass es aufhört. Der Mann liegt auf dem Boden, der Unterkörper ist nackt, und ihm wird ein Besenstiel in den After geschoben. Die grausame Tat erschüttert Ägypten, denn die Täter sind Offiziere der Polizeistation im Kairoer Stadtteil Bulaq al-Dakrur. Zwar ist bekannt, dass in ägyptischen Polizeirevieren und im Gefängnis gefoltert wird. Aber einen so eindeutigen Beweis gab es noch nie: Ein Polizeioffizier hat die Tat mit seinem Mobiltelefon gefilmt – und an Kollegen des Opfers, des 21-jährigen Taxifahrers Emad al-Kabir gesandt, der auf der Straße in einen harmlosen Streit mit der Polizei geraten war.
Mit der Warnung, ihnen werde es genauso ergehen, wenn sie sich mit der Polizei anlegten.
Die Polizisten sollen Schmiergelder von den Taxi- und Minibusfahrern des Viertels verlangt haben, was diese ablehnten. (...)
„Folter in Ägypten ist systematisch“, sagt Magda Adly, die Leiterin des Nadim-Zentrums, das Folteropfer medizinisch und juristisch betreut. „Sie ist weitverbreitet, es werden immer die gleichen Techniken benutzt und es gibt faktisch keine Strafverfolgung“, sagt die gelernte Narkoseärztin, die das Zentrum 1993 mitbegründet hat. „Zunächst gibt es im Polizeirevier die „Empfangsparty“ – so nennen dies die Polizisten selber: Schwere Schläge, Tritte, die Opfer müssen sich auf den Boden legen, und auf ihrem Rücken wird herumgetrampelt. Im nächsten Schritt werden die Menschen an ihren auf den Rücken gefesselten Händen aufgehängt. Oft werden sie an einen Deckenventilator gehängt, der dann angestellt wird, so dass sich das Opfer dreht. Oder sie werden an den Füßen aufgehängt. Elektroschocks gehören ebenso zum Repertoire.“ Regelmäßig endet dies mit dem Tod der Opfer.Bedroht davon sind einfache Kriminelle ebenso wie islamistische und linke Oppositionelle, aufmüpfige Studenten oder jeder Unschuldige, der in die Hände der Polizei gerät. So wie der 18-jährige Mahmoud Tamam, der zu Tode gefoltert wurde, nachdem er Streit mit seinem Nachbarn hatte, der das gleiche Mädchen liebte. Dieser habe seinem Verwandten im Polizeidienst gesagt, dem Nebenbuhler müsse eine Lektion erteilt werden." (...)
DAS sind "unsere" verbündeten - regimes von mördern, folterern und hoch antisozialen. nicht, das das eine neuigkeit wäre. Sie und ich tragen übrigens solche verhältnisse mittels steuern (die dann in sog. militär- und waffenhilfen, polizeiliche ausbildungen etc. fließt) entscheidend mit. wen das kalt lässt oder wer das sogar gut findet (davon gibt es einen gar nicht so kleinen anteil), stellt sich selbst - erfreulicherweise - klar in position. erfreulicherweise schreibe ich deshalb, weil es höchste zeit für klare und deutliche grenzziehungen ist. dazu demnächst mehr.
für den moment aber vor allem dies:
good luck and power to the people in egypt and tunisia!
*
edit am 28.01.: es sieht zur stunde fast so aus, als würde dasbisher undenkbarenun tatsächlich geschehen:
(...) "Mit letzter Kraft stemmt sich die ägyptische Regierung gegen die Massenproteste im Land. Nach Angaben der staatlichen ägyptischen Nachrichtenagentur MENA sind über eine Million Menschen auf den Straßen. Unbestätigten Berichten zufolge sollen es bis zu zwei Millionen sein. Die Polizei setzt Gummigeschosse, Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstranten ein. Die Regierung schaltete das Handy-Netz ab und kappte Internet-Verbindungen. Friedensnobelpreisträger Mohamed al-Baradei steht unter Hausarrest.
Der arabische Nachrichtensender al-Dschasira berichtet von Polizisten, die ihre Uniformen ablegen und sich den Demonstranten anschließen. Ähnliche Meldungen kommen auch über den Kurznachrichtendienst Twitter. Demnach geben sich Demonstranten und Polizisten, die eben noch gewaltsam gegeneinander vorgegangen waren, die Hände. In einem Bericht der amerikanischen Nachrichtenagentur AP wird spekuliert, Präsident Husni Mubnarak könne sich womöglich nicht mehr auf seine Polizisten verlassen und werde die Armee gegen die Demonstranten aufmarschieren lasse.
Auf Twitter heißt es, die Israelis begännen damit, ihr Botschaftspersonal aus Kairo zu evakuieren. Angeblich werden alle auf dem Kairoer Flughafen ankommenden Auslandsjournalisten sofort in Polizeigewahrsam genommen. (...)
Von Stunde zu Stunde breiten sich die Demonstrationen auf das ganze Land aus. Aus allen Großstädten werden Massenproteste gemeldet. In Suez haben Regierungsgegner demnach eine Polizeistation in Brand gesteckt. Die Stadt im Osten des Landes war schon in den vergangenen Tagen Schauplatz heftiger Straßenschlachten. In Luxur geht die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstranten vor. Auf den Straßen würden Bilder des ägyptischen Präsidenten zerrisse, heißt es.
Weit über 100.000 Menschen sollen in Alexandria den Sturz der Regierung Mubarak fordern, berichtet die BBC. „Geh, geh, Mubarak, dein Flugzeug wartet auf dich“, skandieren sie den Berichten zufolge. (...)
es wurden heute mittag weiter auch massendemonstationen in jordanien vermeldet, und ganz aktuell kommen in der letzten halben stunde immer mehr hinweise darauf, dass sich syrien inzwischen ebenso wie ägypten vom netz abgekoppelt hat. regionale us-medien berichten dazu, dass sich einheiten der us-nationalgarde in ägypten bereit halten würden (links folgen, sobald sich das verifizieren lässt).
power to the people!
*
edit 2: was ein tag... die soziale eruption in ägypten ist so gewaltig, dass sie auch den mainstreammedien nach deren eigenen gesetzen eine ausgiebige beschäftigung mit den ereignissen und teils auch den hintergründen aufzwingt. eine kleine auswahl im folgenden, aber zuerst noch zum letzten update oben: die meldungen bezgl. der syrischen netzsperre sind widersprüchlich; fakt scheint aber zu sein, dass zumindest bestimmte teile des netzes dort nicht erreichbar sind. eine totalblockade wird teils demntiert, teils weiter behauptet. zu der info mit der us-nationalgarde: es soll sich nur um eine kompanie handeln, die sich bereits seit wochen im land befindet und in irgendeiner uno-mission eingebunden ist - so zumindest quellen aus den usa. ich gebe das mal ohne kommentar weiter.
ansonsten: nachdem am abend erst in drei städten eine ausgangsperre verordnet (und prompt nicht befolgt) wurde, hat das regime die später auf das ganze land ausgeweitet. inzwischen soll sie partiell wieder aufgehoben sein. die polizei hat sich am ende nicht befähigt gezeigt, militante proteste eines solchen kalibers tatsächlich aufzuhalten (dazu hätten sie massiv schusswaffen benutzen müssen, was spätestens dann aber hinsichtlich der entschlossenheit und erbitterung vieler leute auf den straßen dort zu einer art finalen explosion geführt hätte.)
die zur hilfe beorderte armee verhält sich bisher uneindeutig - während aus alexandria und kairo von verbrüderungsszenen zwischen demonstranten und soldaten berichtet wurde, schienen in suez die einheiten deutlich feindselig gestimmt gewesen zu sein. es halten sich dazu hartnäckig berichte, die aus kairo von kämpfen zwischen armeeeinheiten und aufstandsbekämpfungspolizei erzählen - vielleicht ein ebenso entscheidender fakt wie in tunesien, dass es sich auch in ägypten um eine wehrpflichtarmee handelt. allerdings dürften die generäle dort eine andere linie fahren als in tunesien, was aber wiederum dann keine große bedeutung hätte, wenn sich die mannschaften schlicht den befehlen verweigern. die nächsten tage werden hier vermutlich klarheit schaffen.
es heisst wahrscheinlich eulen nach athen tragen, wenn ich hier nochmal die derzeit informativste nachrichtenquelle poste, aber sei´s drum: derlivestream von al jazeera(in englisch) dürfte momentan weltweit die umfassendste berichterstattung bringen (und sehr viele andere medien schöpfen aus dieser quelle). heute abend kam dort noch die meldung, dass immer mehr reiche geschäftsleute und auch figuren des regimes das land in privaten fliegern verlassen würden - die ratten verlassen ihr bisheriges bequemes und jetzt sinkendes schiff.
eindrucksvolle bilderstrecken bieten bspw.der standardund, wie schon gewohnt, wenn auch nicht total aktuell,boston.com.
zu den reaktionen der westlichen "politik" schreibe ich momentan nichts, weil die angemessene verachtung für die heuchelei und den opportunismus nicht adäquat in worte zu fassen ist.
abschließend sei noch auf eine wie ich finde sehr interessantemeldung aus saudi-arabienverwiesen, die im ersten moment relativ unspektakulär klingt, aber bei verdeutlichung der extrem repressiven verhältnisse dort wie ein vorbeben erscheint:
"Die Sicherheitskräfte in Saudi-Arabien haben heute Dutzende von Demonstranten festgenommen. Nach Polizeiangaben wurden zwischen 30 und 50 Menschen in Jeddah in Gewahrsam genommen, die nach den jüngsten schweren Überflutungen Verbesserungen bei der Infrastruktur eingefordert hatten. Die Proteste auf einer Einkaufsstraße seien nach 15 Minuten aufgelöst worden, berichteten Augenzeugen.
In dem Königreich sind öffentliche Demonstrationen nicht zugelassen. Den Aufruf zu dem Protest, über Smartphones massenhaft verbreitet, bewerten Beobachter als offene Herausforderung der autoritären Staatsführung." (...)
und so nehmen die dinge ihren (trotz aller opfer und schmerzen) hoffentlich erfreulichen verlauf.
auch, wenn ich mich momentan zwischen lohnarbeitszwängen einerseits und schreibunlust andererseits eingezwängt fühle - der heutige tag verlangt wieder mal danach, das blog als - wie rudimentär auch immer - möglichkeit der gegeninformation zu nutzen. also dann in kürze das wichtigste, was bisher vom heutigen "tag des zorns" aus ägypten bekannt ist:
1. nicht nur in kairo, sondern auch in zahlreichen anderen städten wie mahalla kubra (nildelta), masnoura (dito), alexandria ... waren und sind z.t. bis zur jetzigen stunde zehntausende auf den straßen.
2. zu auseinandersetzungen zwischen polizei und demonstranten kam es u.a. bei mehreren demonstrationen in kairo; inzwischen werden aus suez zwei tote demonstranten (laut diversen berichten durch gummigeschosse) sowie aus kairo ein toter polizist gemeldet.
3. die demonstrationen werden als die grössten im land seit den brotpreisunruhen 1977 bezeichnet. und das unter den bedingungen einer quasi-diktatur. auffällig soll besonders sein, dass sich die polizei an vielen orten anfangs stark zurückgehalten hat.
4. es ist bisher keine auffällige beteiligung oder gar dominanz durch bspw. die in ägypten durchaus starke moslembrüderschaft oder andere islamistische gruppen festzustellen. eher dominiert deutlich das vorbild tunesien, u.a. auch durch zahlreiche tunesische flaggen bei vielen demonstrationen sichtbar.
5. deutliche und zentrale stoßrichtung aller aktionen ist gegen das mubarak-regime; das machen primär die parolen auf den demos deutlich.
6. eineitalienische seiteberichtet unter berufung auf arabische quellen, dass der sohn und sog. "designierte" nachfolger von diktator hosni mubarak, gamal mubarak, inzwischen samt familie in eine clanvilla nach england geflüchtet ist.
7. "der westen" glänzt einmal mehr durch beredtes schweigen. mal sehen, wie lange die nummer noch durchzuhalten ist - ägypten ist bereits ökonomisch und politisch ein anderes kaliber als das kleine tunesien.
quellen und weiteres:karim el-gawharyfür die "taz" weiterhin mit berichten aus tunesien und aktuell aus kairo. liveblog mit ständigen updates (in englisch) beimguardian.
nein, der obige titel stammt nicht von mir, sondern aus der headline des heute auf deutsch erschienenen neuestengeab - stammleserInnen werden sich aus vergangenen krisennews an dieses bulletin erinnern. die autoren von leap2020 sind damit konsequenter- und, wie ich denke, auch realistischerweise in der doomer-fraktion gelandet. ironischerweise kommt dieser hochwissenschaftlich daherkommende think tank in anderen worten zu einem ähnlichen ergebnis bei der allgemeinen situationsbeurteilung wie das unsichtbare komitee:
"Es gibt keinen Grund mehr zu warten – auf eine Aufheiterung, die Revolution, die atomare Apokalypse oder eine soziale Bewegung. Noch zu warten ist Wahnsinn. Die Katastrophe ist nicht, was kommt, sondern was da ist. Wir verorten uns bereits jetzt in der Bewegung des Zusammenbruchs einer Zivilisation. Dort ist es, wo man Partei ergreifen muss."
und das geab:
"Seit September 2008 ist allen klar, dass diese Krise in der Tat umfassend und global ist. Dennoch haben sich die USA und in ihrem Windschatten ihre westlichen Verbündeten damit zufrieden gegeben, an den Symptomen herumzudoktern und die Risse des Systems zu übertünchen. So blieb verborgen, wie weitgehend die Ursachen der Krise die Grundlagen des gegenwärtigen internationalen Systems zerstört haben. 2011 wird nach unserer Auffassung das Jahr sein, in dem die staatlichen Maßnahmen, die nur die oberflächlichen Folgen der Krise beheben konnten, ihre Wirkung verlieren. Dann wird die Krise wieder ihre volle Kraft entfalten können, und offensichtlich werden, wie weit der Zerfall der Welt – und öffentlichen Ordnung in den letzten Jahren fortschreiten konnte.
Daher gehen wir gehen davon aus, dass 2011 geprägt sein wird von einer Reihe brutaler Schocks, die die unzureichenden Schutzmechanismen gegen die Krise, die seit 2008 eingerichtet wurden, zerschlagen werden. Diese Schocks werden nach und nach die Fundamente wegbrechen, auf denen seit Jahren die Dollarmauer ruht. Nur die Länder, Gebietskörperschaften, Organisationen und Privatpersonen, die in den letzten drei Jahren die Schlussfolgerungen aus der Krise gezogen haben und die Konzeptionen, Ziele, Werte und Gewohnheiten der Welt von Gestern abgelegt haben, werden dieses Jahr unbeschadet überstehen. Die anderen werden in einer Abfolge von finanziellen, währungspolitischen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Problemen, mit denen das Jahr 2011 uns konfrontieren wird, beträchtlichen Schaden erleiden." (...)
"Das internationale System ist inzwischen in einem so jämmerlichen Zustand, dass es in jeder Art von Katastrophe größeren Ausmaßes zusammenbrechen kann" (...)
kann und hoffentlich endlich auch wird, wie ich ausdrücklich hinzufüge, wobei ich den blick der leap-leute noch für zu beschränkt halte - wir haben es mitnichten "nur" mit einer wirtschaftskrise zu tun.
*
ich habe mich die letzten wochen rar gemacht hier und zwar hauptsächlich deshalb, weil mir einiges schlicht die sprache verschlagen hatte. etliches aus dem vergangenen jahr verlangt nach aktualisierungen und tieferer betrachtung - der öl-gau vom golf ist keineswegs geschichte, sondern hat sozusagen nur ein fortgeschrittenes stadium erreicht, im dezember gab´s die riots von schülerInnen und studentInnen in london und rom, ominöse pakete belebten das gespenst des bombenwerfenden anarchisten, wikileaks brachte wöchentlich neues geahntes und dann letztlich bestätigtes über das treiben verschiedener "eliten" (aber wo zum teufel bleibt das angekündigte bankleak?) . dann kam der jahreswechsel, tote vögel stürzten plötzlich an vielen orten vom himmel und millionen fische trieben kieloben, die verwendung von industriefetten in der menschlichen "nahrung"smittelproduktion wurde publik und in arizona fielen schüsse. dabei hatte ich mich gerade angefangen, näher mit dem massensterben bei unseren tierischen mitgeschöpfen zu beschäftigen, weil da einige durchaus interessante dinge durchschimmern, nicht zuletzt lässt sich dabei etwas über menschliche wahrnehmungsarten lernen.
aber auch der shooter von arizona bzw. das ganze setting seines attentats verdienen einen blick mehr - von der situation der psychiatrischen versorgung in den usa angefangen bis hin zu den thematischen dauerbrennern waffenkontrolle und rechts-religiös-fundamentalischer polit- mainstream sowie der frage, was eigentlich eine diagnose wie "paranoide schizophrenie" wirklich aussagt. ach! die - wie soll ich das nennen? ereignisdichte? komprimierung der ereignisse?, die ich im letzten jahr schon teils kaum noch erträglich fand, setzt sich einfach ungebrochen fort. ich werde als eine konsequenz hier zwangsläufig unaktueller werden (müssen).
*
und dann tauchte vergangenen freitag plötzlich und ausnahmsweise nicht in einem werbe- oder marketingkontext ein wort auf, das zu denen gehört, auf die das unsichtbare komitee nicht mehr warten will: revolution! sollten wir den titel erweitern? "das jahr, das für selbsterklärte "eliten" keine gnade kennt?" zu schön wär´s...
ich kann das unmöglich einschätzen, was da in allen details wirklich alles passiert, habe zu dem land auch kein spezielles wissen, möchte Ihnen jedoch ein paar links mitgeben, die für ein bißchen klärung sorgen können (zumindest für mich war das meiste ganz lehrreich):a tunisian girlbloggt schon länger und wurde (?) bis vergangene woche in tunesien staatlicherseits geblockt. bei spreeblick schreibt ein in frankreich lebender mann aus tunesien von seineneindrückenaus den vergangenen tagen. der u.a. für die "taz" schreibende journalist karim el-gawhary befindet sich seit heute in tunis und wird regelmässig über die aktuellen entwicklungenbloggen. das labournet bietet einenschwerpunkt, der zwar noch nicht ganz auf dem aktuellen stand der dinge ist, aber dafür schon mal interessante rückblicke auf ereignisse in den vergangenen jahren enthält, die für das verständnis der situation durchaus relevant sind.
ansonsten scheint dieses mal nicht nur die mediale öffentlichkeit im westen kalt erwischt worden zu sein - waren die unruhen in tunesien und auch algerien in den letzten wochen doch in den vergangenen wochen immer nur anlaß für oberflächliche und eine sozusagen streifende berichterstattung, so musste jetzt zwangsweise die eigene marschrichtung nicht unwesentlich geändert werden - und siehe da: tunesien hat sich als klassische marionettendiktatur von westlichen - speziell französisch-europäischen - gnaden entpuppt. wie es ein ziemlich pessimistischerkommentar, nochmals aus der "taz", formuliert:
(...) "Und der Westen? Das salbungsvolle Geschwätz der europäischen und amerikanischen Politiker über die Etablierung von echter Demokratie, von Meinungs- und Pressefreiheit ist nichts als eine hohle Phrase. Weder in Algerien noch in Palästina hat der Westen demokratische Wahlergebnisse anerkannt, weil der Sieg an die Falschen ging. Und auch im finsteren Polizeistaat Tunesien hat sich die westliche Politik um demokratische Werte nicht gerade verdient gemacht. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Für die westliche Politik heißt das Zauberwort "Stabilität". Wer sie garantiert, findet den Beifall des Westens." (...)
zur widerwärtigen heuchelei des sog. westens gleich noch mehr. medial teils noch ganz informativ ist derthemenschwerpunktim wiener "standard", ansonsten auch einzelne artikel wie jener über eine wiedergängerin der unsäglichen imelda marcos - oder war´s doch elena ceaucescu? - mit namenleila trabelsi. meist informativ sind auch die artikel auf telepolis, wo heute zb. nochmals sehr deutlich wird, wer da erstens in den letzten nächten wahllos geschossen und geplündert hat und zweitens, was für ein abgrundtief kriminell-asozialespackbisher dieses land und die große bevölkerungsmehrheit ausgeplündert hat:
(...) "Aus dem letzten Krisentreffen der Führung zitiert der Regierungsberater eine Aussage von Ben Alis Sicherheitschef Ali Seriati (mittlerweile verhaftet), der, so heißt es, vorausgesehen habe, dass die Armee, "Söhne von Bastarden", sich mit der Bevölkerung verbrüdern würden. Weswegen man für den Fall des Falles Gegenmaßnahmen getroffen habe:
"Vielleicht müssen wir das Land verlassen, aber wir werden Tunis in Flammen aufgehen lassen: ich habe 800 Männer, die bereit sind, sich zu opfern. In zwei Wochen werden uns die selben Leute, die demonstrieren, auf Knien darum bitten, die Sache wieder in die Hand zu nehmen."
da steckt so nebenbei auch so das einzige rationale argument für wehrpflichtarmeen drin, was ich mir vorstellen kann.
*
der "offizielle" westen, speziell die alte kolonialmacht frankreich, wurde augenscheinlich genauso überrumpelt wie alle anderen - hatte noch vor knapp zwei wochen ein mitglied der regierung dem regime die unterstützung französischer aufstandsbekämpfungstruppen nahegelegt, so wurde vergangenen freitag in letzter minute die landung des diktators (warum der wohl zuerst paris ansteuern ließ...?) verweigert - offenbar hatte irgenjemand sarkozy auf die nicht unwesentliche tatsache hingewiesen, dass nach all der deutlichen französischen parteinahme der vergangenheit ein asyl für ben ali bei den ca. 600.000 exil-tunesiern in frankreich nicht auf große begeisterung stoßen würde - untertrieben ausgedrückt. aber in die theokratische und us-gestützte wüstendiktatur saudi-arabiens passen leute wie der eh besser. gleich und gleich gesellt sich gern.
ganz aktuell muss leider konstatiert werden, dass sich der anfängliche schock in vielen westlichen regierungen und ihren medien zu legen scheint und tendenzen einer einheitliche sprachregelung zu erkennen sind: ruhe und ordnung wieder herstellen und bewahren! die sog. übergangsregierung ist immer noch gefüllt von attrappen des alten regimes, und ganz offensichtlich muss in der systemlogik irgendjemand auf jeden fall führung übernehmen - eine revolution ist für die eh schon unheimlich und schwer verdaulich, ein west-gestützter und geduldeter diktator als "opfer" noch mehr. und dazu sind noch nicht mal islamisten oder wenigstens kommunisten als drahtzieher im hintergrund, um altbewährte reflexe ausrufen zu können. nein, es sind überhaupt keine "führungspersönlichkeiten" zu sehen - nur eine große, offensichtlich im allgemeinen gut ausgebildete, wütende und erbitterte menge vieler (aber nicht nur) junger menschen. sozialer aufruhr. für eine soziale revolution fehlt noch einiges. aber das hier ein menetekel zu sehen sein könnte, und zwar nicht nur für den maghreb und die arabische welt, sondern eines, was auch in ganz anderen weltecken für nachdenkliches interesse sorgen könnte - diese befürchtung ließ sich zwischen den zeilen der bisherigen kargen verschiedenen regierungsverlautbarungen westlicher staaten schon herauslesen bzw. -hören.
*
mich hatte die vergangenen tage eine - gefühlt sehr echte - grippe niedergestreckt, die am freitag so richtig losging. aber als ich da am späten abend nochmal die nachrichten betrachtete, fühlte ich trotz der krankheit wieder einmal die gleich hoffnungsvolle erregung, die ich bspw. vor vielen jahren bei der revolution in nicaragua oder dem aufstand der ezln in chiapas gespürt habe - endlich mal nachrichten, die nicht nur eine wiederkehr der täglichen alpträume verkünden, sondern ein wie kleines stückchen auch immer das fenster zu möglichen anderen realitäten aufmachen. pessimismus hin, realismus her - ich betrachte solche stunden, wenn ein tyrann fällt, als magisch im besten sinne und wünsche den menschen in tunesien wirklich alles erdenklich gute auf ihrem weiteren weg.
*
zur situation in anderen ländern der region gibt es anderswo schon genügend zu lesen, aber ein interessanterkommentaraus einem spon-forum zur situation in algerien verdient nähere betrachtung (auszug):
"El Watan berichtet heute über zwei interessante Ereignisse:
1. sei Obamas wichtigster Antiterror-Berater, ein hochrangiger CIA-Beamter, in Algier eingetroffen
2. riegelt die Regierung seit letzter Nacht Städte ab, verbietet Sport- und Kulturveranstaltungen, stört Internet- und Mobilfunknutzung.
Das zeigt, weshalb die G20 Tunesien relativ wenig interessiert: die Aufmerksamkeit gilt Algerien, oder viel mehr seinen Petroreserven. Ausser Öl und Gas gibt's auch jede Menge Bärtige, aktive Terroristen (AQMI) und milliardenschwere Generäle, die ihre Pfründe verteidigen werden. Geht jetzt noch das Volk auf die Strasse, wird's kompliziert..."(...)
wir können nur mal wieder ahnen, was jetzt in vielen ministeriumszimmern und -fluren diverser staaten wirklich los ist - klar mehr jedenfalls, als es die spärlichen äusserungen vieler "staatsführungen" vermuten lassen. das irgendjemand von denen die - auch womöglich unvollendete - revolution in tunesien als positiv wahrnehmen kann, besitzt ungefähr die gleiche unmöglichkeit wie diejenige, von einem soziopathen empathie einzufordern. eher gilt hier etwas, was einmal mehr das unsichtbare komitee schön formuliert hat:
"Es bedeutet, aufs Neue das leicht erschreckte Zittern in der Stimme unserer Regierenden zu hören, das sie nie verlässt. Denn regieren war niemals etwas anderes als mit tausend Listen den Moment, wo die Menge sie aufhängen wird, zu verschieben, und jeder Akt des Regierens ist nichts als die Weise, die Kontrolle über die Bevölkerung nicht zu verlieren."
wie wahr.
*
btw: die letzten kommentare weiter unten, die sich mit dem "kommenden aufstand" beschäftigen, habe ich schon gelesen. und ich habe dazu eine sehr andere meinung, wobei sich das geschehen in tunesien gerade auch in dieser hinsicht anbietet, um das deutlich zu machen. aber dazu in den kommenden tagen mehr.
das in diesen stunden ausklingende religiöse fest hat als einen vorteil bzw. zumindest als option die verfügbarkeit etlicher nicht fest verplanter stunden, die sich teilweise mit absichtslosem treiben verbringen lassen - auch im netz. und genau bei diesem tun bin ich auf einen text gestoßen, den ich ansonsten vermutlich schlicht ignoriert hätte, zumal ich islamische geschichte keinesfalls als einen inhaltlichen schwerpunkt meiner neugier gelistet habe. letzteres liegt teils einfach an meinem widerwillen, mich auf die arabische sprach- und begriffswelt, so fragmentarisch sie in den übersetzungen auch vorhanden ist, einzulassen. dazu betrachte ich die islamische welt mit ihren feudalregimen und petrodiktaturen, ihrer betonung der religion und den verbreitet desolaten gesellschaftlichen verhältnissen immer wieder mit einem großen emotionalen abstand. das die vermutlichenquellen des islamistischen fundamentalismusdabei den bisher einzigen thematischen kontext darstellen, bei dem es hier im blog um die islamische religion und ihre psychosoziale matrix plus den darauf aufsetznden ideologischen konstrukte geht, darf für den erwähnten abstand durchaus als repräsentativ gesehen werden.
bei daeva fand ich nun den folgenden, langen und sehr informativen text über eine der schlüsselfiguren der ägyptischen moslembruderschaft, eben siyed qutb. die darstellung der gedanken dieses mannes ist faszinierend und aufschlußreich zugleich, und ermöglicht einen nüchternen blick zumindest auf einen teil dessen, was hierzulande so als islamismus verhandelt wird. ich empfehle den beitrag als im besten sinne lehrreiche abendlektüre an einem kalten verschneiten winterabend.