Donnerstag, 3. November 2011

assoziation: occupy, echte demokratie jetzt etc. - wo geht´s hin?

während ich gestern und heute mit zunehmender fassungslosigkeit die news und die berichterstattung über das treiben der politischen und ökonomischen "eliten" in europa und speziell in griechenland zur kenntnis nehme - von der reaktion der "märkte" auf die bloße (und, das sollte mittlerweile klar sein, gefakte) absicht, die bevölkerung auch mal zu fragen, was sie von ihrer eigenen verelendung hält bis hin zu unverhohlenen drohungen und erpressungsmethoden seitens der anderen eu-"eliten" an ihre griechischen pendants (die sind keineswegs irgendwie besser) -; während ich dieses tolldreiste stück also zwischen gerüchten über einen krieg gegen iran, berichten über erneute unkontrollierte kernspaltungsprozesse in fukushima und anderen symptomen eines tag für tag dysfunktionaler werdenden systems verfolge, denke ich über den sinn oder unsinn nach, mich in dieser situation unter dem label "demokratie" zu organisieren. dazu im folgenden gleich mehr, eingebettet in weitere ergänzungen rund um das occupy-movement vor allem in den usa.

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echte demokratie jetzt: yo, da sitze ich nun seit zwei wochen regelmässig sonntags in einer runde von 20 bis 30 leuten, mit sehr unterschiedlichen backgrounds, motivationen, biographien, erfahrungen und vorstellungen. altermässig geht es rund um 18 los, um bei ü-50 zu enden. ehemalige und aktuelle "attac-"aktivisten treffen auf schülerInnen aus den aktuellen bildungsprotesten und aktive aus (im weitesten sinne) der erwerbslosenbewegung - dazu kommen leute aus der piratenpartei, einzelne (alt-) autonome bzw. undogmatische linke, verfechter des bedingungslosen grundeinkommens und vertreter der bremer regionalwährung roland und last bot not least tatsächlich (sich selbst so einschätzende) bisher "unpolitische" menschen, die das gefühl haben, dass "einiges ganz grundsätzlich schief läuft". nicht zuletzt waren bisher auch immer ein oder zwei studenten aus spanien dabei, die dort bei democracia real YA! in städten wie barcelona und valladolid aktiv sind und als interessierte beobachter kommen.

ich habe vor mehr als einem jahrzehnt auf ähnlichen, autonom-linksradikalen plena gesessen und kann nicht vermeiden, dass mir immer wieder vergleiche zu dieser zeit einfallen - und diese vergleiche gehen bisher eindeutig pro heute aus. das hat sicherlich auch etwas mit meiner eigenen entwicklung zu tun, ergibt sich aber primär aus der bisherigen erfahrung, dass eine derart heterogene runde es tatsächlich schafft, über drei bis vier stunden so etwas wie eine angenehme arbeitsatmosphäre herzustellen. klar ist nach so einer zeit die erschöpfung im allgemeinen groß, aber bei den anfangs angesprochenen damaligen plena war das meist bereits nach zwei stunden der fall, dazu oft genug in einer vergifteten atmosphäre (wo und wie die von fall zu fall entstand, ist mir heute klarer, aber soll gerade nicht thema sein.)

auf der oben verlinkten seite unseres "echte demokratie jetzt"-ablegers lassen sich bis auf weiteres etliche diskussionen und zukünftig auch ergebnisse der einzelnen arbeitsgruppen nachlesen - das erspart mir einiges an inhaltlichen beschreibungen. tatsächlich ist bisher der hauptanteil der treffen neben weiteren aktionsplanungen zeitlich der eigenen strukturierung gewidmet gewesen, d.h. es haben sich eine menge arbeitsgruppen - inhaltlich zu ökonomie und verwandten themen, öffentlichkeitsarbeit, gruppendynamik (sowohl nach innen - umgang untereinander - als auch nach aussen, was bspw. umgang mit der staatsgewalt angeht), und gesellschaftlichen alternativen gebildet, die mittlerweile ihre ersten treffen hatten. ich habe mich für die "inhalte"-gruppe entschieden und plane da, das thema peak oil einzubringen. auch die gruppendynamik finde ich grundsätzlich spannend, zumal es schon feststellbar ist, dass durchaus ein bewusstsein für die immer brisanter werdende
psychosoziale lage hierzulande vorhanden ist, nicht zuletzt durch die erfahrungen von leuten, die in diesem bereich beruflich tätig sind. hier schliesst potenziell vieles von dem an, was im blog bis heute immer wieder thema war und ist. was aber auch für peak oil gilt, und ich sehe bekanntlich aus dieser ecke die massivsten verwerfungen kommen, was dann auch der grund für meine entscheidung ist.

parteienvertreter - wie erwähnt waren bisher leute von den piraten, weiter der linkspartei und auch den jusos dabei - werden bisher als vertreterInnen für sich selbst und nicht für ihre organisationen akzeptiert und treten auch so auf - materielle unterstützung bspw. in sachen infrastruktur nehmen wir an, alles weitere hat diskussionsbedarf. so ging es beim letzten mal sehr lange um die frage, ob bei der nächsten geplanten aktion vor der hiesigen "deutschen bank" parteifahnen bzw. fahnen von organisationen überhaupt zugelassen werden sollen oder nicht - und das spektrum der meinungen reichte von völliger freigabe bis hin zum völligen unterlassen. rausgekommen ist dabei der kompromiss, besonders parteien im vorfeld darauf hinzuweisen, dass werbung unerwünscht ist, während gruppen wie attac, der BUND o.a. durchaus im rahmen als gruppen in erscheinung treten können und sollen. ich mache das deshalb so relativ ausfürhrlich, um deutlich zu machen, dass so ziemlich alle grundsätzlichen fragen bisher weder diskutiert geschweige denn geklärt sind, was allerdings bei der geschwindigkeit und dynamik der entwicklung sowie der unterschiedlichkeit der beteiligten kein wunder ist. das dürfte sich mit weiterer etablierung der arbeitsgruppen zukünftig ändern.

es erstaunt nicht, dass bei solchen voraussetzungen der diskussion die methodik der entscheidungsfindung eine entscheidende rolle spielt. und hier lehnen wir uns stark an die erfahrungen aus spanien an, was redezeiten, methoden von zustimmung und ablehnung sowie konsensprinzip betrifft. diese art der entscheidungsfindung in grösseren menschengruppen verdient einen eigenen beitrag, deshalb an dieser stelle nur soviel dazu, dass das durchaus von fall zu fall anstrengend, aber für mich persönlich auch interessant und anregend ist.

wir haben inzwischen sogar ein eigenes kampflied ;-) - ladies and gentlemen, we´re proudly present :




(auch an dieser stelle dank an plunderphoenix für die arbeit - atmosphäre und aussage gefallen mir, trotz eigentlich völlig anderer musikalischer präferenzen).

insgesamt ziehe ich bis jetzt ein durchaus positives fazit - im gegensatz zu einigen unerfreulichen entwicklungen in anderen städten (die umstrittene "zeitgeist"-fraktion ist da nur ein beispiel), haben wir bislang in dieser hinsicht keine größeren probleme, auch wenn sich das bei weiterem anwachsen der beteiligung noch ändern könnte und vermutlich wird. das aber halte zumindest ich für eine unvermeidbare und aus der historie politisch-sozialer bewegungen unvermeidliche entwicklung, der dann begegnet werden muss, wenn sie eintritt. dazu ist allerdings die persönliche anwesenheit unverzichtbar. vielleicht haben wir in dieser stadt auch andere voraussetzungen als anderswo - hier geht es eher darum, sich nicht komplett sozialdemokratisch-grün vereinahmen zu lassen, was aus meiner sicht eine große herausforderung darstellt.

soweit für erste ein kleiner rundblick, ich werde zukünftig bestimmt auf weitere entwicklungen eingehen.

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updates und nachträge:

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Ihnen geht der mediale mainstream auch auf die nerven? ab sofort lassen sich
spon, "zeit", "sueddeutsche" und andere zumindest virtuell okkupieren.

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zu
occupy marines weitere berichte aus der huffpost sowie dem schweizer tagesanzeiger:

(...) "Schon zuvor seien durchaus nicht wenige Ex-Soldaten an den Protesten beteiligt gewesen. Aber die Geschehnisse von Oakland hätten die Veteranen nun richtig wachgerüttelt, meint Ex-Soldat und Student Scott Kimball gegenüber dem Nachrichtenmagazin «USA Today». Kimball ist Mitglied der Protestgruppe Veterans of the 99%. «Wir erhalten jede Menge Anrufe von Kriegsveteranen aus dem ganzen Land. Es herrscht grosse Wut und Bestürzung darüber, dass jemand, der zweimal im Irak gedient hat, als friedlicher Demonstrant so behandelt wird.»

Andere Soldaten-Verbände können den Trend bestätigen. Chef der Vereinigung Iraq Veterans against War (Irak-Veteranen gegen Krieg) und pensionierter Unteroffizier Joe Carter spricht von einer steigenden Anzahl ehemaliger und aktiver Soldaten, welche an den Protesten teilnehmen wollten. «Bei uns melden sich sogar 80-jährige Ex-Marines.» (...)


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occupy together veröffentlicht seit kurzem einen täglichen
überblick zum stand in sachen occupy, primär auf die usa bezogen, aber auch mit internationalen entwicklungen.

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kurz zum gestrigen
generalstreik in oakland:

(...) "Die Gruppe Occupy Oakland hatte zu dem Streik aufgerufen, an dem sich viele Lehrer und städtische Angestellte beteiligten. Die meisten Geschäfte in der Innenstadt von Oakland hätten ihre Läden geschlossen, berichtet der US-Sender CNN. Auch der Hafen von Oakland – einer der bedeutendsten in den USA – habe seinen Betrieb eingestellt, teilte der Betreiber mit. In Oakland werden jährlich Ein- und Ausfuhren im Umfang von 39 Milliarden Dollar verschifft. Der Betreiber sagte, er hoffe, dass am Donnerstag die Arbeit wieder aufgenommen werden könne." (...)

vor dem hafen von oakland am zweiten november
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foto von vt vassilev via wikipedia

durchaus eine erstaunliche entwicklung, wie ich finde. am rande gab´s wieder stress mit den cops, aber das war wirklich am rande und nicht der schlagzeilenträchtige krawall, den einige medien daraus machen. ebenso sind viele soliaktionen quer durch die usa zu vermerken, die sich explizit auf den streik in oakland bezogen haben.

noch ein bericht dazu aus der täglichen sendung von democracy now von gestern - es zeigt u.a., dass die beteiligung tatsächlich groß gewesen ist.



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zum schluß noch
ein brief aus kairo an die occupy-bewegung in den usa, den ich zwar unter vorbehalt verlinke, weil ich bisher keine hinweise auf die möglichen verfasserInnen finden konnte (nein, ich möchte keine namen wissen, aber zumindest einen beleg für die authentizität); der aber nichtsdestotrotz etliche interessante passagen enthält, v.a. in hinsicht auf die sog. gewaltfrage:

(...) "In unsere eigenen Besetzungen von Tahrir trafen wir auf Leute, die unter Tränen den Tahrirplatz betraten, weil es das erste Mal war, das sie durch jene Straßen liefen, ohne von der Polizei belästigt zu werden; nicht nur die Ideen sind wichtig, diese öffentlichen Räume sind elementar für die Möglichkeit einer neuen Welt. Dies sind öffentliche Plätze. Plätze für Versammlung, Freizeit, Treffen und Interaktion – diese Plätze sollten der Grund sein, warum wir in Städten leben. Wo der Staat und die Interessen der Besitzer sie unzugänglich, exklusiv oder gefährlich gemacht haben, liegt es an uns, sicherzustellen, dass sie sicher, inklusiv und gerecht sind. Wir müssen sie weiterhin für jedermann öffnen, der eine bessere Welt gestalten möchte, besonders für die marginalisierten, ausgeschlossenen und für jene Gruppen, die am meisten gelitten haben.

Was ihr in diesen Räumen tut ist weder so grandios und abstrakt noch alltäglich wie “echte Demokratie”; die aufblühenden Formen des Umsetzens und des sozialen Engagements, die in den Besetzungen betrieben werden, vermeiden die leeren Ideale und den schalen Parlamentarismus, die das Wort Demokratie mittlerweile repräsentiert. Also müssen die Besetzungen weitergehen, weil niemand übrig ist, um auf Reformen zu drängen. Sie müssen weitergehen, weil wir das erschaffen, worauf wir nicht länger warten können.

Aber die Ideologien von Besitz und Anstand werden sich erneut manifestieren. Ob durch den offenen Widerstand von Grundbesitzern oder öffentlichen Verwaltungen gegen eure Camps oder durch subtilere Versuche, Räume durch Verkehrsregeln, Regeln gegen das Campen oder Gesundheits- und Sicherheitsregeln zu kontrollieren. Es gibt einen direkten Konflikt zwischen dem, was wir aus unseren Städten zu machen versuchen und was das Gesetz und die Polizeisysteme, die dahinter stehen, uns gestatten.

Wir haben uns solch direkter und indirekter Gewalt gegenübergestellt, und tun das immer noch. Diejenigen, die gesagt haben, die ägyptische Revolution sei friedlich, haben nicht die Schrecken wahrgenommen, denen uns die Polizei ausgesetzt hat, noch haben sie den Widerstand und sogar die Gewalt wahrgenommen, die die Revolutionäre gegen die Polizei eingesetzt haben, um ihre versuchten Besetzungen und Widerstände zu verteidigen: nach den Angaben der Regierung selbst wurden 99 Polizeiwachen in Brand gesetzt, Tausende Polizeiautos zerstört und alle Büros der regierenden Partei wurden überall in Ägypten niedergebrannt. Barrikaden wurden errichtet, Polizeibeamte zurückgeschlagen und mit Steinen beworfen, noch während sie mit Tränengas und scharfer Munition auf uns schossen. Aber am Ende des 28. Januars hatten sie sich zurückgezogen, und wir hatten unsere Städte erobert.

Es ist nicht unser Wunsch, Gewalt auszuüben, aber es ist noch weniger unser Wunsch, zu verlieren.

Wenn wir nicht aktiv Widerstand leisten, wenn sie kommen, um sich zu nehmen, was wir zurückgewonnen haben, dann werden wir mit Sicherheit verlieren. Verwechselt die Taktik, die wir verfolgten, als wir “friedlich” riefen, nicht mit einer Fetischisierung der Gewaltlosigkeit; wenn der Staat sofort aufgegeben hätte wären wir vor Freude überwältigt gewesen. Aber da sie versucht haben, uns zu missbrauchen, uns zu schlagen, uns zu töten, wussten wir, dass es keine andere Möglichkeit gab, als zurück zu schlagen. Hätten wir uns zu Boden geworfen und es erlaubt, uns zu verhaften, zu foltern und zu Märtyrern gemacht zu werden um “eine Aussage zu machen”, wären wir um nichts weniger blutig geschlagen und getötet worden. Seid darauf vorbereitet, die Dinge zu verteidigen, die ihr besetzt habt, die ihr errichtet, denn nachdem alles andere von uns genommen wurde, sind diese wiedereingenommenen öffentliche Räume sehr kostbar für uns." (...)


mit diesen sehr treffenden worten verabschiede ich mich für heute.

Sonntag, 30. Oktober 2011

notiz: griechenland - medizinische selbsthilfe entwickelt sich

noch eine entwicklung, die erwähnenswert ist:

(...) "Die brutalen Sparmaßnahmen, die die griechische Regierung und die Troika (EC/ECB/IMF) durchprügeln, führen zum totalen Kollaps des "Wohlfahrtsstaats" mit massiven Kürzungen und Kündigungen im Gesundheitsbereich, mit wachsender Armut, Arbeitslosigkeit und sozialem Ausschluß. Als Antwort auf diese Entwicklungen, die das Leben tausender betreffen, hat eine Initiative Freiwilliger in Thessaloniki eine Struktur des Widerstands eingerichtet.

Am 7. November 2011 wird die "Soziale Apotheke der Solidarität" ihre Pforten öffnen und zwar im 1. Stock des Hauses in der Asopou Straße 24 (im Stadtteil von Vardari). Dieser Raum wurde vom Arbeitszentrum von Thessaloniki der Initiative der Gesundheitsarbeiter_innen zur Verfügung gestellt.

Die medizinische Praxis wird an Werktagen täglich kostenlos für alle griechischen und ausländischen Bürger_innen, die keine soziale Absicherung haben, geöffnet sein und sowohl allgemeinmedizinische Hilfe anbieten, als auch neurologisch, kinderärztlich, psychiatrisch, zahnärztlich und pharmakologisch zur Seite stehen." (...)


ich muss mal suchen, ob ich einen artikel auf "spon" neulich wiederfinde, in dem es ebenfalls um den kollaps des griechischen gesundheitswesens ging - dort wurde davon berichtet, wie die pfleger einer psychiatrischen klinik inzwischen hauptsächlich den tag über damit beschäftigt sind, in der nachbarschaft und der stadt nahrung für ihre patientInnen zu organisieren - das budget lässt keine ausreichende versorgung mehr zu, und in naher zukunft steht die komplette schliessung an. was dann mit den "psychos" passiert? na, die landen dann auf der strasse, wenn ihnen nicht irgendwie von solchen selbstverwalteten projekten wie oben skizziert geholfen wird. willkommen im freien westen im 21. jahrhundert!

notiz: "occupy marines"

ich möchte das folgende thema vorziehen, weil ich die berichterstattung über die gleich skizzierten entwicklungen nicht nur hierzulande für gelinde gesagt unzureichend halte. der angekündigte beitrag zu meinen eigenen erfahrungen bei "echte demokratie jetzt" verschiebt sich daher, was aber für mich auch den vorteil hat, dass ich das nächste treffen dafür mit einfliessen lassen kann.

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ich finde es verblüffend und bezeichnend, dass die derzeitigen entwicklungen rund um occupy in den usa zumindest im deutschsprachigen raum - großbritannien stellt in europa gerade eine ausnahme dar - kaum einmal im kontext dargestellt werden. dabei ist das, was sich seit letzter woche nach den
polizeilichen riots von oakland dort abspielt, etwas, was sich von form und inhalten her nicht nur drastisch von den europäischen bewegungen unterscheidet, sondern in den usa selbst auch zu einer spezifischen öffentlichen diskussion über das verhältnis gesellschaft - polizei - armee geführt hat. war es zuerst ein sergeant des "marine-corps" in new york, der sich verbal mit den cops anlegte - darüber ist etwas weiter unten in den beiträgen zu lesen -, so entwickelte sich aus der schweren verletzung eines irakkriegsveteranen durch die polizei in oakland nicht zuletzt durch die filmische und fotografische dokumentation der ereignisse eine enorme dynamik, in deren folge bisher für mich unbekannte teile der us-historie im 20. jahrhundert wieder ins bewusstsein gespült werden. und einmal mehr wird die besondere rolle der army in den usa deutlich, die ich im letzten beitrag schon erwähnt hatte.

GIs in new york

und nein, dass sind keine verkleideten prä-halloween-gestalten, sondern tatsächlich army-angehörige. es gibt mittlerweile eine wahrnehmbare öffentliche strömung in den usa nicht nur von veteranen, sondern auch aktiven soldaten, wozu auch angehörige der paramilitärischen nationalgarde gehören, die sich aktiv - und von den anderen okkupanten freundlich begrüsst - in den camps und den aktionen von occupy bemerkbar macht. ein hintergrund dafür bilden vermutlich die besonderen bezugnahmen aus den usa auf die (unvollendete) revolution in ägypten, die dort aufmerksam beobachtet wurde und deren anfänglich bewusste und positive bezugnahme auf die ägyptische armee offensichtlich eine spezielle saite in der kollektiven us-mentalität angeschlagen hat. es bleibt allerdings zu hoffen, dass auch die heutige rolle des militärs in ägypten ebenfalls mindestens im hinterkopf präsent ist.

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eine zusammenfassung der entwicklung seit der verwundung des soldaten scott olsen liefert ein
blogbeitrag der zeitschrift "the nation", in dem nicht nur nationale und internationale effekte des ereignisses dargestellt werden, sondern auch eine verbreitete sich auf die geschichte deutlich wird:

(...) "Iraq Veterans Against the War featured a statement on its website Wednesday night that read: “It’s ironic that days after Obama’s announcement of the end of the Iraq War, Scott faced a veritable war zone in the streets of Oakland last night. He and other protesters were surrounded by explosions and smoke (tear gas) going off around him as people nearby carried him injured while yelling for a medic. This disturbing video of the incident shows how veterans are now fighting a war at home.” (...)

der begriff "war at home" - bei dem die corporations und bankster den enemy bilden, taucht inzwischen öfter auf und deutet sowohl auf eine grundsätzlich vorhandene affinität zum militärischen in größeren bevölkerungsteilen dort hin als auch darauf, dass die diversen polizeiaktionen der letzten wochen durchaus niederschlag im kollektiven bewusstsein vieler aktivistInnen finden. ich lasse mal meine eigene position dazu für den moment beiseite, weil ich primär eine entwicklung darstellen möchte, die alle aufmerksamkeit verdient.

im verlinkten artikel von "the nation" wird dann zum ende in der historie gegraben und ein geschehen zum vergleich an den tag geholt, von dem ich bisher nichts wusste - die
"bonus-army", bestehend aus tausenden veteranen des weltkriegs I, campierte im sommer 1932 während der "großen depression" des 20. jahrhunderts vor den stufen des capitols in washington und forderte von der regierung versprochene soldzahlungen - eine aktion, die zuerst zu konfrontationen mit der polizei, später mit aktiven army-einheiten und zu zwei toten führte, bevor die regierung dann irgendwann einlenkte. und schon damals waren sich anscheinend etliche veteranen im nachhinein über ihre rolle in der armee durchaus im klaren, wie ein zitat eines "mayor generals smedley darlington butler" deutlich macht - ein zitat, welches aufgrund seiner klaren benennung der realität auch jahrzehnte später gewürdigt werden muss:

"I spent 33 years and four months in active military service and during that period I spent most of my time as a high class thug for Big Business, for Wall Street and the bankers. In short, I was a racketeer, a gangster for capitalism. I helped make Mexico and especially Tampico safe for American oil interests in 1914. I helped make Haiti and Cuba a decent place for the National City Bank boys to collect revenues in. I helped in the raping of half a dozen Central American republics for the benefit of Wall Street. I helped purify Nicaragua for the International Banking House of Brown Brothers in 1902–1912. I brought light to the Dominican Republic for the American sugar interests in 1916. I helped make Honduras right for the American fruit companies in 1903. In China in 1927 I helped see to it that Standard Oil went on its way unmolested. Looking back on it, I might have given Al Capone a few hints. The best he could do was to operate his racket in three districts. I operated on three continents."

frei übersetzt:

"Ich verbrachte 33 Jahre und vier Monate im aktiven Militärdienst, und während dieser Periode verbrachte ich die meiste Zeit als ein Profiverbrecher für das Big Business, die Wall Street und die Banker. Ich war ein Bandenmitglied, ein Gangster im Dienste des Kapitalismus. Ich half dabei, Mexico und speziell Tampico 1914 für amerikanische Ölinteressen zu sichern. Ich half dabei, Haiti und Cuba zu einem Platz für die Jungs der National City Bank zu machen, an dem sie ordentliche Einnahmen machen konnten. Ich half bei der Vergewaltigung eines halben Dutzends zentralamerikanischer Republiken für den Profit der Wall Street. Ich half dabei, Nicaragua für die internationale Bank der Brown Brothers zwischen 1902 und 1912 zu "reinigen". Ich sorgte für Klarheit in der Dominicanischen Republik 1916 für die amerikanischen Zuckerinteressen. Ich half dabei, 1903 Honduras klar zu machen für die amerikanischen Früchtekonzerne. 1927 in China half ich Standard Oil, unbehelligt ihren Interessen nachgehen zu können.

Zurückblickend, könnte ich Al Capone ein paar Tipps geben. Seine Bande in drei Bezirken arbeiten zu lassen, ist das Beste, was er tun könnte. Ich arbeitete auf drei Kontinenten."


von zeit zu zeit kommentiere ich zitate ja mit der empfehlung, darüber ausführlich zu meditieren. das hier ist wieder so ein fall. kürzer und prägnanter lässt sich die reale funktion - einer beliebigen armee eines beliebigen kapitalistischen landes - kaum mehr auf den punkt bringen. ich hatte ja im letzten beitrag aus einer früheren filmbesprechung zitiert, in der es u.a. um genau diese rolle der us-army aus sicht der dortigen "eliten" ging. diese besprechung hatte ich damals mit der anmerkung begonnen, dass ich als bewohner dieses landes für die rolle der us-army während der militärischen niederschlagung des nationalsozialismus durchaus dankbar bin, was aber keineswegs bedeutet, sich den blick für ihre untaten vorher und nachher trüben zu lassen. beim nachdenken über das obige sehe ich mich gezwungen, einen vergleich mit der rolle der polizei anzustellen - ihre primäre funktion (das gilt auch für die justiz) ist der schutz des herrschenden systems; und zwar vor allem anderen der schutz des sog. "eigentums". alle symptome von wahnsinn und antisozialer kriminalität, die dieses system täglich in unzähligen formen hervorbringt, werden gewissermaßen von ihr "mitverwaltet", um einen ungestörten geschäftsbetrieb zu gewährleisten. und die tatsächliche hilfe, die sie für konkrete menschen in konkreten momenten auch bedeutet, stellt aus der perspektive lediglich ein nebenprodukt dar.

ähnlich lässt sich das besonders für die us-army sehen, auch und gerade in bezug auf nazi-deutschland. es darf inzwischen als historisch gesichert gelten, dass damals bestimmte fraktionen des us-capitals - namentlich als repräsentanten dafür lassen sich u.a. general motors, coca-cola und einige banken nennen - den aufstieg hitlers und der nazis nicht nur wohlwollend betrachteten, sondern mindestens indirekt finanziell unterstützten. das ist keine entschuldigung für das mehrheitliche verhalten in deutschland damals, aber die rolle der usa in der geschichte war und ist bis heute mehr als zwiespältig. die benannte fraktion des us-kapitals machte bis weit in den laufenden zweiten weltkrieg gute geschäfte mit den nazis, general motors über die opel-connection sogar mittels lieferungen für die deutsche rüstungsindustrie. meines wissens wurde das erst 1943 gestoppt und führte nach kriegsende 1945 in den usa zu bestrebungen seitens der damaligen administration, die verantwortlichen industriellen und banker wg. "hochverrats" anzuklagen, was jedoch - nicht besonders überraschend - im sande verlief. (btw:
hier lässt sich etliches werbematerial von coca-cola im "dritten reich" betrachten... ich finde es vor diesem hintergrund immer wieder allerliebst, den sog. "antideutschen" bei ihrem demonstrativen konsum von mac donald-fraß und coca-cola als "antifaschistischem" akt zuzuschauen.)

aber zurück - ich habe diese kleine abschweifung deshalb unternommen, um eines klar zu machen: wenn es unter den aktiven und ehemaligen angehörigen der us-army ein wachsendes bewusstsein über die eigene historische rolle, im zitat von butler auf den punkt gebracht, geben sollte, und wenn ihnen die systemische gewalt, die sie ansonsten selbst ausserhalb der us-grenzen ausüben, nun selbst in solchen formen wie in oakland entgegentritt (und ebenso in struktureller form, nämlich im elend und der obdachlosigkeit vieler ehemaliger kameraden sowie dem ökonomischen und psychosozialen elend von familien und freunden), dann ist das von einer potenziellen brisanz, die wir uns hier kaum vorstellen können und die sich anhand des fotos oben ansatzweise erahnen lässt. das wort feind steht da nicht zufällig.

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nochmal zur konkreten sache in oakland: in die öffentlichkeit brachte es auch der folgende
vergleich eines ebenfalls im irak stationiert gewesenen marines, der sich das vorgehen der polizei betrachtet hat und zum schluß kommt, dass der einsatz von tränengasmunition und gummigeschossen wie dort letzte woche geschehen, übertragen auf ein erklärtes kriegsgebiet wie den irak dort als verboten angesehen werden würde. eine sache nicht nur für juristen.

und zum schluß noch der link zu
occupy marines. einen schönen sonntag noch.

Donnerstag, 27. Oktober 2011

notiz: "Wahrscheinlich ist es allein diese Ignoranz, die dieses System noch retten kann." [update am 28.10.]

so lautet der letzte satz eines beitrags bei "spon", mit der sich die redaktion gewissermaßen selbst die eigene merkbefreiung betreffend ihrer heutigen "eurorettungsjubelchöre" ausstellt. ich hatte dieses phänomen schon ftrüher bei anderen themen auf "spon" angesprochen - die eine hand weiß nicht, was die andere schreibt:

(...) "Wir rennen nicht zum nächsten Geldautomaten und heben alles ab, was geht. Wir stehen nicht bei der Bank in der Schlange und auch nicht beim Goldhändler. Wir gehen zur Arbeit, danach zum Einkaufen. Und hoffen, dass es schon irgendwie gut gehen wird. Auch wenn wir keine Ahnung haben, wie. Wir sind ganz ruhig." (...)

ja-ha. das ist das kaninchen vor der schlange auch immer. bekanntlich mit wenig erfolg.

zu risiken und nebenwirkungen dieser so called "rettung" lesen Sie zb. bei
gaertner, in der berliner zeitung oder auch in den kommentaren der querschüsse, dort besonders die von M.E., der bspw. schreibt:

"Ergänzung zum Schuldenschnitt: die 50%-Vereinbarung wurde nicht mit den einzelnen Banken geschlossen, sondern mit dem internationalen Bankenverband. Dem gehören aber bei Weitem nicht alle Gläubigerbanken Griechenlands an.

Jede einzelne Bank hat die Möglichkeit, diese Vereinbarung für das eigene Haus abzulehnen, wobei natürlich die Mitgliedsbanken des internationalen Bankenverbandes schon unter dem Druck stehen, der Vereinbarung ihres Verbandes zu folgen.

Aber jetzt kommt der eigentliche Knackpunkt: die Vereinbarung wurde unter dem Vorbehalt geschlossen, dass eine bestimmte Quote an Banken erreicht werden muss, die sich der Vereinbarung anschließen. Die Höhe der Quote ist mir leider nicht bekannt.

Wird diese Quote nicht erreicht, tritt auch der internationale Bankenverband von der Vereinbarung zurück und der Schuldenschnitt kommt nicht zustande.
Man wird also erst in einigen Wochen wissen, ob überhaupt etwas aus dieser Aktion wird."


und so entpuppt sich das ganze als weitere folge aus der elitären endlos-soap "tarnen, tricksen, täuschen, zeit schinden und den eigenen arsch retten". fortsetzung folgt, solange das publikum nicht endlich beginnt, die erbärmlichen darsteller von der bühne zu jagen und das ganze stück abzusetzen.

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ein update zum
update von gestern: die polizeilichen riots gegen occupy oakland sind dann doch noch um einiges schwerwiegender gewesen, als zumindest ich gestern einschätzte. nicht zuletzt liegt das daran, dass ein schwerverletzter irakkriegsveteran mit kopfverletzungen im koma liegt (wer das jetzt als ironie der geschichte begreift, sollte sich klar machen, dass der mann nach zwei einsätzen im irak begonnen hat, sich bei den "veterans for peace" gegen die kriege der usa zu engagieren). das allein hat schon einen ordentlich polarisierenden effekt in den breit patriotismus-geschwängerten ("our troops") usa. aber noch drastischer fallen inzwischen viele öffentliche reaktionen nach ansicht der szenen aus, die sich rund um den verwundeten veteranen abgespielt haben:



zu sehen ist, wie eine gruppe aktivistInnen versucht, dem bewusstlos vor der polizeisperre liegenden mann zu helfen - und dabei aus den reihen der polizei mit etwas beworfen wird, was viele für eine sog. blend(schock)granate halten - ich denke, hier sehen wir eine "abgespeckte" version einer solchen.

das klima in oakland ist allgemein nach diesen szenen ziemlich zerrüttet, nicht nur in der dortigen lokalpolitik, in der sich die bürgermeisterin inzwischen versucht, von der polizeiführung zu distanzieren. occupy oakland ruft inzwischen für die stadt in der nächsten woche zu einem generalstreik auf, und landesweit fanden in anderen städten - u.a. in new york - solidaritätsdemonstrationen statt. weiteres soll folgen.

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edit am 28.10.: es gibt den
aufruf zum generalstreik in oakland nebst einigen interessanten infos zur (bewegten) sozialgeschichte dieser stadt auch übersetzt:

"Wir, die gemeinsamen Besetzer des Oscar-Grant-Platz, schlagen vor am Mittwoch, 2. November 2011 Oakland zu befreien und die 1% außer Dienst zu stellen.

Wir schlagen einen stadtweiten Generalstreik vor und laden alle Studenten und Schüler ein, dem Unterricht fern zu bleiben. Arbeiter, die nicht zur Arbeit gehen, Schüler die nicht in die Schule gehen, mögen sich in der Innenstadt von Oakland zusammen finden, um die Stadt zum Stillstand zu bringen.

Alle Banken und Firmen sollten an diesem Tag schließen oder wir werden gegen sie an marschieren.

Wenn wir einen Generalstreik ausrufen, fordern wir gleichzeitig viel mehr. Leute, die in der Nachbarschaft, Schulen, Stadtteil-Organisationen, Freundeskreisen, am Arbeitsplatz, Familien aktiv sind, möchten wir ermutigen, sich in einer Weise selbst zu organisieren, dass sie in der Lage sind an der Schließung der Stadt teilzunehmen, in welcher Form sie das als angemessen und machbar empfinden.

Die ganze Welt schaut auf Oakland. Lasst uns ihr zeigen, was möglich ist!" (...)


und
hier gibt es interessante statements von ehemaligen oder aktiven der us-army. das sollte im auge behalten werden - ich hatte vor ein paar jahren anlässlich einer filmvorstellung zur us-army u.a. das folgende geschrieben, was mir weiter gültig erscheint:

(...) "täter und opfer zugleich, sind bis heute überproportional viele angehörige der deklassierten us-amerikanischen bevölkerungsteile als kerne der kämpfenden truppen vertreten - schwarze, latinos und viele sonstige arme, auch mit weißer hautfarbe. während die offizierskaste immer noch mehrheitlich aus der schicht der sog. wasps, white-anglo-saxon-protestants, stammt, also der privilegiertesten und auch formal "gebildesten" klasse der usa. mittels der struktur der army schaffen es also bis heute die angehörigen der us-eliten, gleich zwei aus ihrer sicht nützliche funktionen zu verbinden: zum einen gewährt die army eine gewisse materielle und ökonomische sicherheit, die unter den sich verschärfenden kapitalistischen bedingungen für viele verlockend ist, ebenso wie die aussicht auf ein mögliches höhersteigen innerhalb der gesellschaftlichen hierarchien (was gerade für angehörige der verarmten afroamericans ansonsten hauptsächlich nur per sportlicher karriere oder aber im show- und musikbusiness möglich ist - und dieser weg ist real nur für ganz wenige offen.) die army lässt sich also bereits durch diese option als instrument zur abschöpfung sozial produzierter frustration begreifen. zum anderen aber verheizen die sog. eliten diese soldaten dann regelmässig bei ihren verschiedenen und groß angelegten globalen antisozialen aktionen zwecks eigenem machterhalt und expansion" (...)

und genau diese skizzierte struktur könnte durch solche ereignisse wie in oakland für viele soldaten potenziell spürbar werden, mit nicht absehbaren folgen. der zustand des verletzten veteranen wird übrigens weiterhin als "kritisch" betrachtet, mit negativer tendenz.

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es ist nichts neues, dass seitens grosser teile der westlichen "eliten" seit geraumer zeit aufs pseudokommunistische china gestarrt wird, gilt das doch als neuer begriff einer autoritär-kapitalistischen "idealgesellschaft", in der viele probleme der hiesigen führungskasten (anscheinend) nicht vorhanden sind (was natürlich nicht stimmt). jedenfalls möchte ich für heute mit einem zitat den beitrag beenden, welches dieses erwähnte sympathisierende starren einmal mehr völlig verständlich erscheinen lässt - der
klassenkämpfer jin liqun, vorstandsvorsitzender einer chinesischen investmentgesellschaft, über seine visionen für europa:

„Europa fehlt nicht wirklich das Geld. Es muss sich seiner Situation bewusst werden und erkennen, dass seine Probleme gelöst werden können. Die Wurzel des Problems ist das überforderte Sozialsystem, das seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa aufgebaut wurde. Das Arbeitsrecht begünstigt Faulheit und Trägheit. Die Menschen müssen etwas härter und länger arbeiten und sie sollten innovativer sein. Wir (die Chinesen) arbeiten wie verrückt.“

das wörtchen "verrückt" trifft es schon ganz gut, aber völlig anders, als es dieser CEO meint.

Freitag, 21. Oktober 2011

notiz: occupy - fragmente und ergänzungen [update am 26.10.]

zuerst sei einmal mehr auf mrs. mop verwiesen, die heute eine sehr schöne antwort auf all das genöle und gejaule geschrieben hat, was sich nicht nur in vielen blogs derzeit abspielt.

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eine weitere
einschätzung speziell von occupy frankfurt, die in teilen gute gedanken enthält und vor allem für solidarische kritik stehen kann.

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es gibt ein ganz informatives
blog von occupy berlin.

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für morgen gibt es mittlerweile neben etlichen "unorganisierten" aufrufen via twitter/facebook auch welche von attac und dem dgb (*stöhn*). das lässt sich momentan nicht vermeiden, aber vermeiden lassen sollte sich eine entwicklung, in der sich speziell der dgb an die spitze setzt. es dürfte an der basis durchaus etliche leute geben, mit denen sich das gespräch lohnt, aber was die funktionäre betrifft, so muss ich wohl nicht weiter begründen, warum da hopfen und malz verloren ist. eine
terminübersicht für morgen.

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rück- und überblicke: das labournet mit einer kommentierten
linksammlung zur entwicklung von occupy speziell in den usa sowie eine interessante sammlung zum 15. oktober in diversen ländern, darunter frankreich, australien, neuseeland, südafrika und chile.

apropos
chile:

"Als die Polizisten den Mann an Händen und Füßen in den vergitterten Bus zerren, hebt wütender Gesang unter den Demonstranten an. "Pinochets Erziehung wird fallen", singen sie wieder und wieder. Die zornige Zeile auf den früheren Diktatoren ist altbekannt, dennoch zeigen die chilenischen Proteste für freie Bildung in dieser Woche in Santiago ein neues Gesicht. Denn die Menschenmenge, die sich den Polizisten vor dem chilenischen Präsidentenpalast La Moneda in den Weg stellt, besteht nicht aus Jugendlichen. Stattdessen singen Herren in dunklen Anzügen Parolen gegen das Regime, grauhaarige Protestler in Lederschuhen schwenken Fahnen mit Schriftzügen wie "Bildung ist ein Grundrecht!". Ein untersetzter Brillenträger im gelben Freizeithemd rangelt mit den Polizisten, eine Mittvierzigerin im grauen Sommerkleid ruft kreischend um Hilfe. (...)

Die Forderungen der Jugendlichen finden in der chilenischen Gesellschaft zahlreiche Befürworter. Das zeigt sich nicht nur bei den Straßenprotesten in Santiago, sondern auch in nüchternen Zahlen. In einer groß angelegten Umfrage sprachen sich jüngst knapp 90 Prozent der Teilnehmer für ein gebührenfreies Bildungssystem aus, die Kernforderung der Studenten. Über eine Million Chilenen hatten sich an der Abstimmung beteiligt." (...)


und auch da geht´s teils militant zur sache, ohne dass das sofort eine breite entsolidarisierung mit sich bringen würde.

nachzutragen bleibt zum 15. oktober auch, dass zwar die ca. zweihunderttausend in rom eine beeindruckende zahl darstellen, aber das europäische land mit der größten
massenmobilisierung einmal mehr spanien gewesen ist:

(...) "Zentren des Protestes gegen die Banken und die Neoliberale Politik in Spanien waren Madrid mit einer halben Million Indignados rund um die Puerta del Sol und Barcelona mit geschätzten 60 000 Demonstrationsteilnehmern. In Sevilla versammelten sich 40 000, in Zaragoza 30 000 und in Palma 10 000. Insgesamt wurde in 70 spanischen Städten demonstriert." (...)

die 60.000 in barcelona sind dabei die polizeiliche schätzung, andere gehen dort von bis zu 150.000 demonstrantInnen aus.

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aus den usa gibt es vom letzten samstag vom times square - schätzungen gehen dort von 40. bis 50.000 demonstrantInnen aus - in new york ein video, welches mich über die woche immer wieder beschäftigte, weil sich anhand der ganzen szene etliches über die usa bzw. das selbstverständnis vieler menschen dort lernen lässt:




wir sehen und hören den (ex-)sergeant shamar thomas vom us-marinecorps, der sinngemäß den cops u.a. folgendes zu sagen hat: "Das ist keine Kriegszone" "Das sind unbewaffnete Leute, es ist nicht mutig diese Leute zu verletzen" "Warum verletzt ihr US-Staatsbuerger?" "Wenn ihr kämpfen wollt, geht nach Irak und Afghanistan" "Wie könnt ihr nachts schlafen?" "Wenn ihr jemand umbringen wollt, geht nach Irak!"

das sorgte in den usa für einigen wirbel, und zwar nicht nur in der medialen öffentlichkeit. es gab in der folge nicht nur vereinzelt zb. solche
statements zu lesen:

“talking to my friends and family who are vets form "nam" to iraq and Afghanista­n. we're discussing­, what going on... im im pretty sure that the military will fire on the police before their own people just like what happened in egypt.. the police were beating people then the military showed up.. cept the military is made up of mostly under 30 year olds (just like here) and they would not fire on their friends and community. and that whole "i was just following orders" thing isnt going to work for the cops just like it didnt for the germans after ww2..

"no honor in beating unarmed civilians" get ready to see a whole lot more soldiers in these protest.. this isnt the freedom they signed up to defend.”


ich denke, dass das auch für leserInnen mit rudimentären englisch-kenntnissen einigermaßen verständlich sein sollte.

jenseits der tatsache, dass die us-army von ihrer struktur tatsächlich mehrheitlich ein sammelbecken für - nun ja, prekär lebende us-bewohnerInnen darstellt, die in ihren funktionen dann mithelfen, diese prekären verhältnisse zu verteidigen, staune ich immer wieder über die zutage tretenden unterschiede in der "mentalität" zwischen den usa und europa. nicht zuletzt diese unterschiede lassen mich in der beurteilung der us-proteste zurückhaltend sein, denn es ist schlicht nicht möglich, hiesige erfahrungen und lehren eins zu eins zu übersetzen - die soziale matrix in den usa sieht in vielen teilen extrem anders aus als hier.

wer ein paar stunden zeit hat, kann sich auf den inzwischen sehr umfangreichen
sonderseiten der"huffington post" über unzählige berichte und kommentare selbst ein aktuelles bild zur situation in den usa machen. lesetipp!

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edit am 26.10.: weil´s gerade so zum obigen passt - ich frage mich, was mr. thomas wohl zu den szenen aus oakland in kalifornien letzte nacht zu sagen hat? "this is not a war zone..." wirklich nicht?




nach einer - wenn man nach vielen videos und berichten geht - ziemlich massiven und aggressiven räumung des dortigen occupy-camps eskalierte die situation in den abendstunden danach - verhaftungen, tränengas und nicht zuletzt einige verletzte durch gummigeschosse passen ganz gut zu den szenarien, die sich gerade quer durch die usa entwicklen - ich habe längst den überblick darüber verloren, in wie vielen städten es jeden tag neuen stress zwischen occupy-leuten und den cops gibt. einiges lässt sich wie gesagt bei den oben verlinkten seiten der huffpost nachlesen, die auch bilder von den erwähnten verletzten haben - nichts für sensible seelen. oakland war aber jetzt ein erster trauriger höhepunkt, und die bilder gehen landesweit durch die usa und werden einerseits die dortige gesellschaftliche polarisierung verstärken, andererseits und damit zusammenhängend vermutlich auch weitere leute ins nachdenken über die innere verfassung des "land of the free, home of the brave" bringen.

ansonsten bleibt bei der vielzahl an ähnlichen bildern rund um den planeten nur anzumerken, dass die prügelschergen des systems wirklich überall gleich scheisse rüberkommen.

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zur diskussion unten: ich verfolge das mit interesse, bin aber durch lohnarbeitszwänge gerade nicht in der lage, mich dabei groß einzumischen. allerdings bin ich mittlerweile beim hiesigen ableger von "echte demokratie jetzt" aktiv, und werde versuchen, am wochenende mal ein paar erste nähere innenansichten aus meiner perspektive zu liefern, die durchaus auch als antworten auf etliches in den kommentaren verstanden werden könnten. eins schon vorweg: ich bin nicht euphorisch, war aber vom ersten längeren plenum, an dem ich teilnahm, durchaus angenehm überrascht. aber mehr wie gesagt zum wochenende.

Donnerstag, 20. Oktober 2011

notiz: griechische "kommunisten" verteidigen das parlament [update 2 am 21.10]

wie war das nochmal mit dem satz, das geschichtliche tragödien später als komödien wiederkehren würden? aktuell scheint sich das nicht zu bewahrheiten, denn die nachrichten aus athen von heute erinnern mich spontan an einiges aus der spanischen revolution - history repeating...

"14:25 MEZ Vor allem in der Filellinons- und der Voukourestioustr. gibt es Zusammenstöße zwischen AnarchistInnen und StalinistInnen.

Der Großteil des Syntagma-Platzes wird von Gewalt beherrscht. Es fliegen mehr Mollis und Steine auf die StalinistInnen. Davor versuchte die Polizei von der Stadioustr. aus auf den Platz zu kommen und die AnarchistInnen so einzukesseln.

14.20 MEZ Am laufenden Band werden schwer verletzte DemonstrantInnen (min. 20) in das Medizinzentrum auf dem Syntagma-Platz gebracht. PAME-Mitglieder scheinen direkte Kontakte mit Polizisten zu haben und liefern ihnen DemonstrantInnen aus. Sie griffen sogar militante DemonstrantInnen an. Jetzt greifen DemonstrantInnen die Bullen und die PAME-Wichser an.

AUF DEM SYNTAGMA WIRD DRINGEND VERSTÄRKUNG BENÖTIGT!

14.00 MEZ Auf dem Syntagma eskalieren die Auseinandersetzungen; Molotov-Cocktails fliegen in Ansammlung der Stalinisten.

13:50 MEZ Mitglieder der Bewegung „Den Plirono“ (ich bezahle nicht) ergirffen als erstes Initiative gegen einen stalinistischen „Sicherheitsposten“ in der Nähe des Hotel Great Britain. Dann kamen anti-autoritäre Blöcke, ebenso wie das anarchistische Komitee für soziale Selbstbestimmung.

Die Auseinandersetzungen eskalierten als Demonstranten versuchten das Parlament zu erreichen. Ein sehr großer anarchistischer Block griff die stalinistische Linie an. Sie stehen sich direkt am Hotel Great Britain gegenüber. Die Polizei feuert Tränengas. Die Auseinandersetzungen sind sehr ernst. Leuchtsignale wurden in die Menge gefeuert. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Anarchisten und Stalinisten fliegen Steine und Flaschen. Demonstranten versuchten durch die Reihen der stalinistischen Gewerkschaft PAME zu brechen und zum Parlament zu kommen. Am Syntagma Platz beleidigen die Stalinisten die Demonstranten und verprügeln einige. "


manmanman...

(und ja, die liveberichte stammen zwar von einer seite mit anarchistischen sympathien, werden aber durch andere livestreams bestätigt.)

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edit: so, ich war jetzt ein paar stunden unterwegs und zwischendurch haben sich die nachrichten eher noch verschlechtert - inzwischen gibt es einen bestätigten
todesfall, und zwar eines dreiundfünfzigjährigen mannes und "pame"-mitglieds. es scheint medial zuerst davon berichtet worden zu sein, dass er aufgrund eines steinwurfs während der oben beschriebenen auseinandersetzungen einen herzinfarkt erlitten habe; das wurde offensichtlich als erstes von griechischen medien berichtet. der arzt des krankenhauses in athen, welches die erfolglose notfallbehandlung durchführte, sagt jedoch etwas anderes - von äusseren verletzungen sei nichts zu sehen und der infarkt hänge wohl hauptsächlich mit einer überdosis an eingeatmeten substanzen aus dem tränengas zusammen, welches von der polizei genutzt wird.

die situation im moment ist verworren und es ist von ferne betrachtet eine ähnliche unsicherheit zu konstatieren wie nach dem tod von drei bankangestellten bei den streiks und protesten im mai dieses jahres. es dürfte auch einige zeit dauern, um die heutigen auseinandersetzungen aufzudröseln, zumal auch berichte über den einsatz von "agent provocateurs" eingehen. das sollte nicht von den grundsätzlichen konflikten innerhalb der griechischen linken hinwegtäuschen, die sich heute zumindest z.t. manifestiert haben. jedenfalls müssen sich beide seiten an die nase fassen - die kke/pame wegen ihrer blockade einer möglichen aufstandssituation sowie ihrer schlägermethoden gegen (nicht nur) anarchistische und andere fraktionen aus der undogmatischen linken; letztere aber ebenso wg. des nicht zu tolerierenden einsatzes von molotov-cocktails gegen kommunistische gruppen, egal wie reaktionär diese sein mögen. und das schreibe ich deshalb, weil ich selbst mit nur rudimentären kenntnissen über die innerlinken konflikte in griechenland nicht ausschliessen kann, dass hier wirklich anarchistische militante agiert haben - und eben keine verkleideten cops, was natürlich eine weitere möglichkeit sein kann.

ich hoffe, es wird aus den beteiligten gruppen in griechenland direkt stellungnahmen geben.

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edit 2: es ist ein einziges trauerspiel, was sich da gestern getan hat - und nach ansicht einiges bisher vorliegender berichte sehe ich keinen grund, meine einschätzungen zu revidieren - das folgende video zeigt ein teil des geschehens vor dem parlament:




ein anarchosyndikalistisches blog schreibt dazu:

"Die Stalinisten haben eine Kette gebildet. Sie stehen mit Baseballschlägern und Knüppeln bewaffnet VOR der Polizeikette und verhindern den Weitermarsch der Demonstranten auf das Parlament, die für gestern dessen Erstürmung angekündigt hatten. In Griechenland werden die Stimmen lauter die KKE und PAME als das bezeichnen was sie sind: totalitäre Rotfaschisten auf der Seite der kapitalistischen Ordnung. Parallelen zum Mai 1968 in Frankreich werden auffällig, als die dortige KP mit allen Mitteln gegen die wilden Streiks der Arbeiter und das Herannahen der sozialen Revolution agierte. In Griechenland besteht ohne Zweifel eine ähnliche Situation. Der Kapitalismus hat abgewirtschaftet und die Mehrheit der Menschen ist offen für anti-kapitalistische Ideen."

und ich sehe da tausende von nicht vermummten demonstranten aller altersklassen vor der - mit helmen und knüppeln ausgestatteten - kette der kke/pame.

btw: ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das attribut "stalinistisch" wirklich für die mehrheit zutreffend ist - tatsache ist aber, dass es sich bei der kke und ihrer gewerkschaft "pame" um eine hierarchisch und orthodox ausgerichtete kommunistische partei "alten" typs handelt, die die ganzen unheilvollen "traditionen" dieser parteien mit sich schleppt. was ebenso für die marginalisierte
dkp gilt, die ihrer "schwesterpartei" treu zur seite steht. die letzten sätze in ihrer erklärung können sie sich dabei in die haare schmieren, denn faktisch haben gestern die "kommunisten" aller wahrscheinlichkeit nach die parlamentsbeschlüsse in athen, die eine weitere spirale der verelendung einleiten werden, mit ihrem handeln überhaupt erst möglich gemacht. ebenso ist bezeichnend, dass sie in alter schlechter manier jeden militanten widerstand als polizeigesteuert hinstellen - und das ist in so einer totalität einfach bullshit und verdient das etikett verschwörungstheorie. natürlich gibt es polizeispitzel und under-cover-provokateure, und das nicht erst seit gestern. aber die welt ist nicht so einfach gestrickt, wie es ärgerlicherweise bspw. das opablog suggeriert. und damit ausblendet, dass es gestern nach verschiedenen berichten auch militantes handeln von sog. normalbürgerInnen in athen zu beobachten gab. ebenso wie es selbst hierzulande in der vergangenheit - gerne totgeschwiegen - an der startbahn west in frankfurt, in wackersdorf und gorleben der fall war.

aber es ist eine alte erfahrung mit solchen "kommunisten", dass ihnen spontaner - auch militanter - widerstand "von unten", unkontrolliert und vor allem nicht unter ihrer kontrolle (das ist der eigentliche und wesentliche aspekt - die machtfrage), nicht geheuer und ein greuel ist - das zieht sich von der russischen revolution über den spanischen bürgerkrieg und frankreich 1968 bis ins heutige athen. als eine konsequenz ergibt sich daraus nicht nur eine spaltung, sondern in ihrer terminologie auch eine "objektiv konterrevolutionäre" funktion - und zwar von ihnen selbst.

es hat gestern nacht wohl als reaktion in mehreren städten angriffe auf parteibüros der kke gegeben. und bei all dem ist nicht zu vergessen, dass die kke gestern nicht nur die "autonomen" oder anarchisten bekämpft hat, sondern so ziemlich alle oppositionellen kräfte, die nicht unter ihrer ägide stehen - von anderen linken splittergruppen wie trotzkisten angefangen bis hin zu breiten basisbewegungen wie "ich zahle nicht". es wird sich zeigen, wie das künftige verhältnis zwischen all diesen strömungen und der kke aussehen wird. so wie jetzt geht das jedenfalls nicht weiter.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

notiz: der aktuelle systemstatus nährt sich rasant der zone "ramsch"

aktuell in griechenland- der heute begonnene generalstreik, der morgen weitergehen soll und nach gerüchten möglicherweise in einen unbefristeten übergehen könnte, trägt seinen namen zu recht - laufende berichte (deutschsprachig) unter dem ersten link; auch der britische "guardian" hat zum streik und der "europäischen schuldenkrise" generell ein live-blog laufen.

nicht nur nach dortigen berichten war es heute morgen in athen wohl so, dass eine stürmung des parlaments in der luft lag, was nicht nur von tausenden bereitschaftspolizisten, sondern auch durch eine menschenkette der griechischen (und von ihrer programmatik und den methoden her wohl teils noch stalinistisch ausgerichteten) kommunistischen partei verhindert wurde. aktuell gibt es in verschiedenen teilen athens und anderer städte immer noch auseinandersetzungen zwischen streikenden und der polizei, ebenfalls ist einiger bruch zu verzeichnen.

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der "guardian" war es auch, der als erstes medium von der neuesten
trickserei rund um die geplante "mutter aller rettungssschirme", den eurofonds "efsf", berichtete:

(...) "Wie die "Financial Times Deutschland" ("FTD") berichtet, will Schäuble ihn auf eine Billion Euro hebeln. Der britische "Guardian" geht unter Berufung auf EU-Diplomaten sogar noch weiter: Ihm zufolge haben sich Deutschland und Frankreich auf eine Summe von zwei Billionen Euro geeinigt." (...)

jenseits aller aktuellen dementis beeindruckt vor allem die dreistigkeit, mit der die kapitalmarionetten aus dem politik-betrieb inzwischen die halbwertszeiten ihrer aussagen herunterschrauben. man erinnere sich nochmals an die "bundestagsdebatte" neulich über den "rettungsschirm" und vergleiche die dort getätigten aussagen mit der neuen entwicklung.

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aber womöglich orientieren sich die politzombies auch nur am entsprechenden handeln der untoten aus der sog. finanzwelt. der eigentliche - in meinen augen - hammer des tages kommt aus den usa und wurde gestern von markus gärtner in seinem
blog veröffentlicht - weil die wichtigsten aussagen dort bereits enthalten sind, zitiere ich mal die einleitenden absätze:

"Auweia, die Zahlen klingen dramatisch, und sie stellen alles in den Schatten, wovor man sich in Europa dieser Tage fürchtet: Bloomberg berichtet gerade, dass die Bank of America Derivate aus dem Investmentbanking bei Merrill Lynch in eine Gesellschaft verlegt, die von der Einlagensicherung abgedeckt wird. Laut dem Office of the Comptroller of the Currency (OCC) umfassten die Derivate Ende Juni ein Volumen von 75 Billionen (ja, 75.000 Mrd.) Dollar, wie Bloomberg schreibt.

Die Quellen für diese Information werden nicht genannt, es sollen mehrere sein. Damit deutet sich an, wie auf der anderen Seite des Atlantiks, in Amerika, die Vorbereitungen auf einen möglichen Kollaps des europäischen Finanzsystems getroffen werden, mit der Verschiebung der Derivate – zu einem großen, aber nicht exakt bekannten Teil Garantiegeschäfte für europäische Schuldpapiere – in ein Orbit, für das die US-Einlagensicherung, sprich der amerikanische Steuerzahler, aufkommt." (...)


er schreibt weiter, dass ebenfalls von der investmentbank "j.p. morgan" derivate in ähnlicher weise verschoben worden sind, und zwar im umfang von bis zu 79 billionen dollar - und ja, es handelt sich hier nicht um us-amerikanische milliarden, sondern tatsächlich um billionen. man sollte sich bei solchen zahlen daran erinnern, dass das gesamte reale jährliche "bruttosozialprodukt" der welt auf 50 billionen dollar geschätzt wird und erhält einen kleinen eindruck von den dimensionen, um die es inzwischen geht. aber das wichtigste sind diese beiden fakten: erstens lässt sich eine solche transaktion tatsächlich nur als prävention im hinblick auf einen vorhergeahnten bankrott der eurozone interpretieren, und zweitens ist die ablagerung dieses toxischen finanzmülls auf (us-)staatskosten etwas, was in den inzwischen über hundert ständigen "occupy!"-camps quer durch die usa allerhöchstes entzücken hervorrufen dürfte.

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mrs. mop
berichtet derweil weiter vom camp in frankfurt vor der "europäischen zentralbank", welches ebenso wie das kleinere camp in hamburg vor der "hsh nordbank" noch existiert. inzwischen gibt es international neue aufrufe in sachen "occupy" für das nächste wochenende, aber dazu in den nächsten tagen mehr - dann auch noch mit einem globalen überblick, der angesichts der sich überschlagenden ereignisse allerdings zwangsläufig nur fragmentarisch sein kann.

nachtrag: gerade gefunden -
tomasz konicz zur geplanten "hebelung" des "efsf":

(...) "Ab einem gewissen Schwellenwert werden die Summen, mit denen die Krisenpolitik derzeit hantiert, unvorstellbar. Welchen Bezug haben Beträge mit zwölf Nullen zur Lebenswirklichkeit jener Bevölkerungsmehrheit, die mit permanenten Verzichtsforderungen und sozialen Erosionsprozessen konfrontiert ist? Hilft es, zwei Billionen Euro auf rund 570 Millionen Hartz-IV-Monatssätze umzurechnen, ohne daß dies absurd wirkt? Vor allem: Glaubt noch jemand von den Beteiligten, daß diese Schulden jemals beglichen werden?

Die grotesken Dimensionen besagen, daß die Verschuldungsprozesse an ihre Grenzen stoßen. Sie fungierten jahrzehntelang als Konjunkturtreibstoff der Weltwirtschaft. Das Limit dieser alle Gesellschaftsbereiche umfassenden und auf den Finanzmärkten realisierten Schuldenmacherei ist dann erreicht, wenn ein kritischer Anteil der Marktteilnehmer sich der Absurdität des Unterfangens bewußt wird. In diesem Moment kann es schnell gehen: Lawinenartige Flucht- und Spekulationsbewegungen dürften dann zur berüchtigten »Kernschmelze« des Weltfinanzsystems führen, die 2008 durch staatliche Verschuldungsprozesse hinausgezögert wurde." (...)


yo, ich glaube, inzwischen sind wir in einer phase, in der es ganz schnell gehen kann: auslöser können die entwicklungen in griechenland (und demnächst portugal, spanien, italien...) genauso sein wie eine "herunterstufung" frankreichs oder auch gewisse desaströse entwicklungen in den usa und - nicht aus dem blick verlieren - china. dabei kann der trigger inzwischen genauso aus widerstandsentwicklungen und möglichen folgen bestehen wie in den verfallsprozessen innerhalb des globalen finanzsystems selbst. ende gelände und schicht im schacht.

konicz schliesst seinen beitrag wie folgt:

(...) "Für die Linke wird es höchste Zeit, ernsthaft über grundlegende System­alternativen zum Krisenwahnsinn nachzudenken und sie in die öffentliche Debatte zu bringen."

nicht nur für die "linke", wie ich anmerken möchte - das geht letztlich alle an. in diesem sinne sehen wir uns hoffentlich am nächsten wochenende auf den strassen!

Sonntag, 16. Oktober 2011

notiz: ein sonniger occupy-nachmittag im oktober - zunächst lokal

jubel, trubel, heiterkeit: gestern hat in bremen der "freimarkt" begonnen, nichts anderes als das "oktoberfest" des nordens (und ähnlich groß und monströs). was bedeutete, dass einerseits die innenstadt eh voll von leuten war und andererseits zwei beliebte und sich eigentlich anbietende ziel- und treffpunkte für demos aller art gerade von einem ableger des eigentlichen marktes besetzt sind, nämlich marktplatz mit rathaus und der sich anschließende domshof, ein platz, der rundherum wirklich zugeknallt mit bankfilialen aller art ist. so ging´s also am bahnhof los, genauer gesagt auf einer grünfläche vor dem überseemuseum.

wer war da? mehr als ich dachte; ich hatte mir allerdings vorher auch aus gründen verkniffen, überhaupt mit irgendwelchen erwartungen hinsichtlich zahlen und motivationen der teilnehmerInnen dort hinzugehen. jedenfalls waren trotz einiger fluktuation und unübersichtlichkeit wg. verkehrsknotenpunkt hbf so zwischen 300 - 500 leute da - was für eine stadt wie bremen wenig erscheinen mag und im vergleich zu bspw. anti-akw-aktionen auch ist. bloß war das hier tatsächlich eine fast reine netz-mobilisierung, mit der erschwernis einer nichtöffentlichen facebook-seite. dafür war´s dann doch erstaunlich.

zu sehen waren viele "attac"-fahnen, eine gruppe von anonymous in anzügen und mit den obligatorischen masken (so in der häufung hat das durchaus was), eine fahne der "piraten", eine riesentransparent der "arbeiterkommunistischen partei iran"; zwei ältere leute, die mit einem selbstgebastelten pappschild neue "aufklärung zu 9/11" forderten; die landeschefin der hiesigen "linke" mitsamt einigen genossInnen, plus viele ältere semester ab 50+, die mir vom habitus her wie gewerkschafter rüberkamen. also die üblichen verdächtigen? nicht ganz: eine große gruppe sehr junger leute etwa von 15 bis 25 und etliche leute, die vom outfit und ebenfalls habitus her nicht groß vom umherströmenden feier- und shoppingvolk zu unterscheiden waren.

die leute, die das ganze aus dem boden gestampft haben - ich habe mit ihnen zwischendurch ein paar kurze gespräche geführt (und dabei auch meine klage bezgl. facebook vorgebracht) - hatten zwei kleine zelte aufgestellt sowie ein - leider völlig unzureichend, weil viel zu klein und leise - mikro mit verstärker organisiert. alles tatsächlich an jeder partei und sonstigen organisation vorbei. polizei war in beschränktem rahmen (drei wannen) im hintergrund präsent und hielt sich sehr zurück.

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so, und dann wurde es ab 16.00 interessant - während die ersten minuten eine gruppe von wie neohippies daherkommenden jungen mit bongos und didgeridoo musik machten, wuchs die menge zunächst noch an und verharrte in unzähligen einzelgesprächen, bei denen es tatsächlich und hauptsächlich nach dem, was ich so mitbekam, um die aktuelle situation und die perspektiven darin ging. bei der gelegenheit traf ich auch
quirinus, der vielleicht noch einige fotos nachreichen wird.

dann begann eine der organisatorInnen zu sprechen und ging nach der begrüßung auf ihre eigenen motivationen und vorstellungen ein, wobei nicht nur sie wert drauf legte, dass die nächsten stunden von allen anwesenden selbst mit inhalten und aktionen gefüllt werden sollten. ebenfalls betonte sie, dass es nicht (nur) darum ginge, das bankensystem zu kritisieren, sondern "ganz grundsätzlich" in dieser gesellschaft etwas nicht stimmt. danach rief sie kurz dazu auf, mittels einer menschenkette noch weitere teilnehmerInnen von einem nahegelegenen platz abzuholen. was passierte, und anschließend gab es eine art kundgebung mit beiträgen eines spanischen studenten, der auf deutsch etwas zur M15-bewegung in spanien erzählte, was ich grundätzlich sehr spannend fand, leider aber aufgrund der miesen anlage weiter weg kaum zu verstehen war. er ging dabei u.a. auch auf den widerstand gegen zwangsräumungen ein und erhielt viel applaus. dann kamen ein vertreter des hiesigen
umsonstladens, der sehr berechtigt und unter viel applaus darauf hinwies, dass die unterscheidung zwischen finanz und "real"wirtschaft nicht haltbar und das ganze ökonomische system zu hinterfragen sei.

als nächstes gab es ein beitrag von "anonymous", der zuerst für heiterkeit - der redner musste seine maske für das mikro etwas hochziehen, konnte aber danach erst mal nix mehr von seinem text sehen - und dann für ordentlich stimmung sorgte. die rede war ein durchaus populistischer und radikal daherkommender rundumschlag gegen das ganze system, der aber aufgrund seiner klaren ansagen und der technik des "chantens" von parolen, die die gruppe benutzte, viel anklang fand. im anschluß kam noch ein vertreter der gerade aktuell hier laufenden bildungsproteste, die primär von schülerInnen getragen werden, zu wort und rief dazu auf, im sinne der heutigen aktion die angesetzten aktionen wie schulbesetzungen und streiks in den kommenden wochen zu unterstützen. dann gabe es wieder ein junge frau aus dem umkreis des orga-teams, die weiteres zu ihren eigenen intentionen erzählte und nach meinem verständnis sinngemäß etwa auf das hinarbeitete, was naomi klein in new york so bemerkenswert fand und was ich im letzten beitrag unten zitiert hatte - die art und weise des unmittelbaren umgangs unter- und miteinander zu ändern. so sollte eines der zelte etwa als massagezelt dienen, es wurde das von den camps in spanien und den usa entlehnte konsensprinzip erklärt und die dazugehörigen pantomimischen zeichen für zustimmung, ablehnung und veto, "weil verbale äusserungen den redefluss und die konzentration beim zuhören stören". irgendwann zwischen all dem hörte ich einen neben mir stehenden von "einer demonstration neuen typs" murmeln, und das traf es zu diesem zeitpunkt zumindest ein bißchen - die stimmung war recht entspannt und irgendwie erwartungsvoll, wobei ich mich auch frage, wie viele der anwesenden in diesen momenten gerade realisierten, dass es hier auch um ihre eigenen konsumgewohnheiten - die sind gerade bei "linken" demos vorhanden - ging.

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tja, und dann kam es zu einem kleinen bruch: nach all den reden wurde eine pause angekündigt, die von einigen anwesenden jüngeren - ich schätze mal, aus der antifa-szene - zu einer spontanen kreuzungsbesetzung am strassenbahn- und busknotenpunkt unmittelbar vor dem hbf genutzt wurde. das rief in der folge dann die anwesende polizei auf den plan, die - allerdings ohne helme - nun deutlich mehr präsenz zeigte. aus dieser blockade entwickelte sich dann eine spontandemonstration durch die proppevolle innenstadt und sogar durch die fußgängerzonen, was die polizei ansonsten bei anderen gelegenheiten gewohnheitsmässig unterbindet. hier wäre aufgrund des ungestörten zusammentreffens von demonstration und shoppender bevölkerung einiges an informationsvermittlung und auch agitation möglich gewesen, was leider aufgrund nicht vorhandener flugblätter und auch fast keinerlei parolen nicht stattfand. ich musste mich irgendwann zu diesem zeitpunkt wg. meiner gerade vergangenen erkältung und frierens ausklinken und ging mit einem kopf voller gedanken meiner wege.

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wie ich das alles fand? nun, es heisst dicke bretter bohren - in meinen gesprächen mit den aufrufenden leuten kam heraus, dass das alles tatsächlich sehr spontan entstanden ist, und auch "m15" sowie "ows" für sie das auslösende moment waren. weitere pläne hatten sie noch nicht, ausser der vorstellung, dass der tag ein start sein soll - für weitere vernetzung, um sich dann als nächstes konkret an den angesprochenen bildungsprotesten zu beteiligen. für mich selbst habe ich gemerkt, dass ich jenseits allen aktionismus tatsächlich im laufe des nachmittags klar hatte, dass ich selbst der phase des kennenlernens und der vernetzung momentan die höchste priorität einräume, und einige der vorgestellten "techniken" bezgl. selbstorganisierter veranstaltungen recht interessant finde. es ist schade, dass wir nun hier gerade vor dem kommenden winter stehen - die zeit für camps ist ungünstig,aber diese form bzw. noch zu suchende adäquate könnte tatsächlich jenseits bisheriger - schlechter und eingefahrener linker gewohnheiten - einiges neue bringen und v.a. neue alltagserfahrungen in einer neuen situation mit sich bringen. an diesem punkt schliesst sich der kreis mit einigen aussagen der organisatorInnen für mich - nicht nur das, was grundsätzlich "politisch"-ökonomisch schief läuft, sondern dazu gehörend auch das ganz praktische und alltägliche miteinander (statt des sozialdarwinistisch-kapitalistisch und letztlich soziopathischen gegeneinanders) als qualitativ neue erfahrungsmöglichkeit zu materialisieren. das scheint mir tatsächlich ein weg zu sein, der das ausprobieren lohnt, weil er ganz basal an der grundsätzlich isolierenden traumatischen matrix ansetzt, durch die un- und mittelbar die allermeisten menschen hier in ihrem verhalten festgelegt sind. das schliesst weder aus, sich gezielter ökonomische und politische strukturen vorzunehmen, noch behindert es das - eher im gegenteil könnte das eine möglichkeit sein, einen tatsächlich halbwegs stabilen punkt zu etablieren, von dem aus eine wirkliche, weil auch in den menschen selbst fundierte, umwälzung möglich erscheint. dazu kommt die nicht gering zu schätzende "prophylaxe" gegen strömungen von rechts, die in solchen prozessen enthalten ist, weil in so einem rahmen auch persönliche interventionen und konfrontationen bei und mit menschen möglich sind, die aufgrund ihrer inneren struktur eventuell für verdinglichende ideologische konstrukte offen sind. die rechten hardliner, egal ob nun neoliberale nach hayek oder aber offene nazis, werden so nicht erreicht, aber das ist auch nicht der punkt. es geht um die "schwankenden", und in der hinsicht ist die derzeitige reale und mediale präsenz von occupy unschätzbar - weil sie viele beobachterInnen ebenfalls dazu zwingt, für sich selbst stellungen zu beziehen, und damit kritisierbar macht.

so, und das obige kann auch gleich mal als teil meiner antwort auf die argumentation von demon driver weiter unten in den kommentaren verstanden werden - ich finde die teils so borniert und v.a. aus dem elfenbeinturm heraus, dass ich mir eine direkte erwiderung für den moment eigentlich ersparen möchte, weil das auf einen schweren streit hinauslaufen würde. aber einen punkt doch dazu: wenn man deiner argumentation, oder auch denen von "konkret"-gremlitza, dem "gegenstandpunkt" oder auch "exit" folgt, so gibt es den richtigen moment für eine fundamentale umwälzung - niemals. immer wird zuviel "falsches bewusstsein", zuwenig "aufklärung" oder gar reaktionäres im spiel sein, um die selbst aufgelegten meßlatten spielend zu unterlaufen. ich kriege mittlerweile bei solchen argumenten echt die krätze, weil sich das letztlich als völlig ignorant gegenüber den lebensrealitäten von milliarden herausstellt und am ende auf ein explizites "ihr seid blöd, wir sind schlau und geben uns lieber einem rotweingeschwängertem weltschmerz hin" hinausläuft, anstatt die ärmel hochzukrempeln und wenigstens zu sagen "okay, wir versuchen zumindest das, was uns möglich erscheint". kritik ohne konkrete und mindestens mittelbar umsetzbare alternativen zu äussern, mag in bestimmten historischen phasen zu rechtfertigen sein. in der phase jedoch, in der wir uns mittlerweile befinden, ist das nichts weiter als selbstzentriertes herumjammern. im übrigen halte ich deine inhaltliche ausrichtung auf die produktionsverhältnisse nicht für den eigentlichen knackpunkt , aber das ist eine andere diskussion.

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zum globalen geschehen in den nächsten tagen mehr.

Freitag, 14. Oktober 2011

assoziation: aktuelle und inhaltliche anmerkungen zu occupy-everything

zunächst das aktuelle: in new york ist z.zt. früher morgen, und bekanntlich hatte der bürgermeister bloomberg für just diesen moment damit gedroht, unter dem deckmäntelchen einer "säuberungsaktion" das camp im ("privaten") zuccotti-park zu räumen. damit wird es erstmal nichts, die ganze sache ist aufgeschoben worden, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich in den letzten stunden tausende unterstützerInnen im park eingefunden und gleichzeitig auch sog. "öffentliche personen" aus politik- und kunstbetrieb der usa eingeschaltet haben. ausführliche berichte natürlich bei occupy wallstreet selbst; das landesweite geschehen lässt sich beim liveblog der "huffington post" ganz gut verfolgen, so auch die ebenfalls sehr angespannten situationen in denver und san diego. gleichfalls ist dort ein anderer bericht zu finden, nachdem inzwischen an ca. 150 hochschulen quer durch die usa solidaritätsaktionen für occupy wallstreet laufen bzw. für die nächsten tage angekündigt sind.

*

kurzer szenenwechsel: tausende kilometer weiter östlich am mittelmeer, genauer in griechenland, geht es inzwischen auf die entscheidende zielgerade - im "gelben forum" berichtet eine userin, die als auswanderin in griechenland lebt, folgendes
zur situation:

(...) "Das Land kommt wegen der vielen Streiks langsam zum Komplettstillstand. Kaum noch ein Tag, an dem Busse und Bahnen fahren (schlimm vor allem für die Region Athen, dort streiken auch die Taxifahrer), insgesamt sieben Ministerien sind besetzt. Davon betroffen vor allem das Finanzministerium vom dicken Venizelos. Dort, wo eigentlich alles koordiniert werden soll, was die "Troika" betrifft, geht schon seit Tagen nichts mehr.

Jetzt haben die Finanzbeamten u.a. auch der Steuerstellen im ganzen Land einen ganzwöchigen Streik ausgerufen. Die Zollbeamten wollen ab heute 10 Tage streiken, was schon sehr bald zu Engpässen bei Lebensmitteln und Benzin/Diesel führen wird.

Der Müll in den Städten Athen und Thessaloniki überflutet die Straßen, bereits seit mehr als zwei Wochen streiken die Müllarbeiter. Mehr als 100.000 Tonnen sollen in Athen auf der Straße liegen, es stinkt bestialisch, die Gesundheitsbehörden warnen eindringlich vor einer "tickenden Zeitbombe." In Thessaloniki-Zentrum das selbe Bild.

Die Zentrale der PPT (also der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft) ist besetzt und blockiert. Dort sollten in diesen Tagen die Rechnungen ausgedruckt werden, über die auch die zusätzliche Immosteuer eingetrieben werden soll. Das geht nicht. Nun droht die Regierung, die Rechnungen von einem externen Dienstleister drucken und versenden zu lassen. Ob sich da einer findet? Denn der Staat zahlt derzeit überhaupt niemandem mehr Geld aus, der nicht Pensionär oder Beamter ist."


dazu auch mehr bei indymedia:
"Hoffnung auf unbefristeten Generalstreik". es könnte gut sein, dass eine mögliche und medial vermittelte globale eigendynamik beim morgigen weltweiten aktionstag in griechenland den letzten tropfen bedeutet, der das fass zum überlaufen bringt. währenddessen kommen aus dem land berichte von schulkindern, die im unterricht vor hunger ohnmächtig werden. die besteallerwelten! (TM)

*


mrs. mop hatte gestern bereits über die versuche in den usa seitens "liberaler" und "demokratischer" persönlichkeiten geschrieben, das "ows"-movement zu vereinnahmen, nicht zuletzt als wahlkampfhilfe für obama. weitere eher suspekte "unterstützer" sind im anfangs verlinkten blog der "huffpost" auszumachen, so etwa lech walesa, ehemals in unendlich fernen zeiten mal sprachrohr der "solidarnosc" in polen und späterer präsident ebenda; und - besonders pikant im lichte des jüngsten "terror"plots in den usa - der religiöse oberclown nr.1 im iran, ayatollah ali khamenei. aber das macht vielleicht auch deutlich, dass die occupy-bewegung vor dem hintergrund der aktuellen globalen lage in den usa das potenzial hat, tatsächlich nicht nur für die obama-administration ein ernstes problem zu werden, sondern ein mögliches szenario auch darauf hinauslaufen könnte, schwere soziale spannungen innerhalb der usa derart zu verschärfen, dass das letztlich einen inneren zerfall einleiten könnte. vor dieser möglichkeit verstehe ich solche einlassungen wie aus dem iran jedenfalls.

*

thema unterstützung: die sog. kunstszene ist ebenfalls wach geworden; im rahmen der 13. "documenta" wurde von einer teilnehmenden gruppe folgendes
schreiben veröffentlicht:

"An die Generalversammlung und Bezugsgruppen von Occupy Wall Street,

Vor vierzehn Monaten besuchte eine Gruppe aus der New Yorker Beaver Street, die nur wenige Häuserblöcke südlich Eurer Besetzungs-Aktion verläuft, das Amerikanische Sozialforum in Detroit. Sie war auf der Suche nach Anregungen für neue Formen von Kultur. Diese Reise zu einem Knotenpunkt der heutigen sozialen Bewegungen war nicht nur symbolischer Natur.

Die Stadt Detroit ist so etwas wie der Inbegriff von Apokalypse und der Verlassenheit, die jeden erwartet, der glaubt, dass sowohl der Kapitalismus als auch unser Planet diese Krise überleben könnten. Die Frage, die unsere Reise beherrschte, war: Wo und wie kann sich die Kunst in gesellschaftlichen Bewegungen verorten?

Im 2011 hat ein neues Zeitalter begonnen, und wir haben versucht, uns einen Begriff davon zu machen." (...)


weiteres im link; ich will dabei nun nicht näher auf ihre betrachtungen zur rolle von kunst in nder aktuellen lage eingehen, obwohl es dazu sicher einiges anzumerken gibt. eher ist interessant, wie sie sich einem vorwurf an ows nähern, der seit beginn in den letzten wochen immer und immer wieder zu vernehmen war:

(...) "Euer Mangel an Forderungen reagiert auf die Vielzahl von Forderungen und Anordnungen, denen unser Imaginäres tagtäglich nachgibt.
Euer Mangel an Forderungen lässt Raum für Diskussionen und Ideen, die sich während der gemeinsam verbrachten Zeit entwickeln können.
Euer Mangel an Forderungen verweigert sich der Tatsache, dass das Schiff nicht von jenen abstrakten Algorithmen und ökonomischen Gesetzen gesteuert wird, die auf wundersame Weise immer nur dem einen Prozent zu nutzen scheinen.

Eure Handzettel, eure Communiqués und Flugblätter sind daher nicht einfach eine Forderung an die Herrschenden. Sie wollen nicht einfach neue Privilegien, Rechte oder Schutzmaßnahmen. Sie sind Leuchtfeuer der Hoffnung, Liebe, Verweigerung und Solidarität – Gedichte für eine Multitude, die sich in einem der Zentren des Empire einen gemeinschaftlichen Raum erschafft und neu bedenkt, wie ein gemeinsamer Horizont aussehen könnte. Die Wälder, unser Wasser, unsere Luft, unsere Erde, unsere Meere sind unsere Gemeingüter. Unsere Arbeit, unsere Ideen, unsere Worte, unsere Beziehungen ebenfalls. Sie können weder einem Staat noch einem privaten Unternehmen gehören, da sie weder von einer Grenze umschlossen, noch von einer einzigen Organisation kontrolliert werden können; sie bilden die Grundlage des Lebens. Doch von uns wird erwartet, toxische Schulden und toxischen Müll als gemeinsames Schicksal akzeptieren." (...)


das sind einige bedenkenswerte ansätze drin, wie ich finde - und ja, in der derzeitigen situation macht es aus verschiedenen gründen sinn, noch auf ganz konkrete forderungen zu verzichten. das in meinen augen z.zt. wichtigste hat sinngemäß und implizit vor ein paar tagen
naomi klein bei ihrem besuch an der wall street gesagt:

(...) "Ich rede über einen Wandel der zugrundeliegenden Werte, die unsere Gesellschaft bestimmen. Das ist schwierig in eine einzige medienfreundliche Forderung zu bringen, und es ist auch schwierig herauszufinden, wie es zu tun ist. Aber es ist nicht weniger dringend weil es schwierig ist.

Das ist es, was ich auf diesem Platz vor sich gehen sehe. In der Art und Weise wie ihr euch gegenseitig ernährt, einander warm haltet, frei Informationen austauscht und medizinische Versorgung, Meditationskurse und Empowerment-Trainings erprobt. Mein Lieblingsplakat ist hier: “Ich kümmere mich um dich.” In einer Kultur, die Menschen beibringt, den Blick aufeinander zu vermeiden, zu sagen: “Lasst sie sterben”, das ist eine zutiefst radikale Aussage.

Ein paar abschließende Überlegungen. In diesem großen Kampf gibt eine einige Dinge, die nicht von Bedeutung sind:
– was wir tragen
– ob wir unsere Fäuste schütteln oder Friedenszeichen machen
– ob wir unsere Träume für eine bessere Welt für die Medien entsprechend verpacken

Und hier sind ein paar Dinge, die von Bedeutung sind:
- unser Mut
- unser moralischer Kompass
- wie wir miteinander umgehen

Wir haben einen Kampf mit den mächtigsten wirtschaftlichen und politischen Kräften auf dem Planeten aufgenommen. Das ist beängstigend. Und je mehr diese Bewegung an Stärke zunimmt, um so beängstigender wird es werden. Seid euch immer der Versuchung, auf kleinere Ziele auszuweichen, bewusst – sagen wir, etwa auf die Person, die gerade bei diesem Treffen neben dir ist. Immerhin ist das ein Kampf, der leichter zu gewinnen ist.

Gebt dieser Versuchung nicht nach. Ich meine nicht, das ihr nun nicht mehr ansprecht, wenn jemand Mist baut. Aber behandelt euch dieses Mal so, als wenn Ihr vorhabt in einem Kampf nebeneinander zu arbeiten für viele, viele Jahre. Denn die bevorstehende Aufgabe erfordert nicht weniger als das." (...)


die erfahrung - und vielleicht, gerade in den usa, das erste mal für viele - einer prinzipiell selbsorganisierten und funktionierenden sozialen struktur - das ist es, was all jene aktivitäten auf den plätzen und strassen dieser welt - ob in kairo, athen, madrid oder new york - so wichtig werden lässt, nicht nur, aber das vor allem. denn das ist letztlich nichts anderes als, wie unbeholfen und schwankend zunächst auch immer, die potenzielle möglichkeit für gelebte authentische individualität in einer kollektivität. der unverzichtbare nucleus für alles, was sich später möglicher- und wünschenswerterweise als soziale bewegung manifestiert. dieser prozeß braucht und hat seine eigene entwicklungszeit und wird sich zukünftig vielleicht unspektakulärer, aber nichtsdestotrotz wirkungsvoll, äussern - ein beispiel für das gemeinte wären die nach dem verlassen der camps in spanien folgenden
aktionen gegen zwangsräumungen:

(...) "Die Wohnungsfrage gehört zu den zentralen Anliegen der Bewegung der »Empörten«, welche am 15. Mai 2011 erstmals groß in Erscheinung trat. Die aktuellen Proteste wurden von Kommissionen der 15.-Mai-Bewegung zur Wohnungsfrage gemeinsam mit der PAH organisiert. Sie sind auch Träger des Widerstands gegen Zwangsräumungen und konkreter Solidaritätsaktionen für davon bedrohte Familien.

Nachdem an verschiedenen Orten Räumungen verhindert werden konnten, werden solche Demonstrationen von den Behörden mittlerweile gewaltsam beendet." (...)


wichtig ist, dass räumungen tatsächlich kollektiv verhindert wurden. die reaktionen des systems überraschen nicht, werden aber unvermeidlich die nächste phase des nachdenkens bei vielen beteiligten einleiten. und so kann, in einem quasi dialektischen wechselspiel, am ende ein zustand heranreifen, bei dem dann auch die systemfrage gestellt werden wird. das passiert nicht von selbst und in einem luftleeren raum, sondern das ist letztlich auch für mich ein grund, warum ich mich morgen an protesten beteiligen werde, deren inhaltliche ausrichtungen ich an vielen punkten noch als zu kurz greifend empfinde.

*

denn klar sollte auch sein - und den stammleserInnen hier werde ich nichts neues erzählen: was sich da bereits aktuell und möglicherweise morgen umfassender manifestiert, ist letztlich ausdruck einer weiteren entwicklungsphase, in der gerade die bevölkerungen der westlichen gesellschaften aktzeptieren werden müssen, dass nicht nur aus sozusagen verteilungsgerechtigkeitsgründen, sondern auch aus gründen mit namen wie
exponentialität und entropie die party - zu der eh immer nur eine kleine minderheit wirklich reingelassen wurde - definitiv vorbei ist. auch, um die auf diese dämmernde erkenntnis aller wahrscheinlichkeit folgende extreme frustration zu konfrontieren, betrachte ich für mich persönlich die proteste als nötig.

*

zum schluß noch ein text, der mir vieles erspart, was ich selbst an anmerkungen zu den (nicht-)reaktionen seitens der "radikalen linken" vorgehabt hatte - er trifft viele
richtige punkte, und besonders einige sätze aus dem folgenden abschnitt stellen in gewissem sinne auch eine antwort auf die kommentare von @d.d und w-day weiter unten dar:

(...) "In der Möglichkeit gegen diese Selbstabschaffung der Politik zugunsten der Wirtschaftsinteressen vorzugehen, besteht der große Wert der neuen Bewegung in den USA. Mit Occupy Wallstreet gibt es nun endlich eine erfolgreiche emanzipatorische soziale Bewegung, die der rechten Tea Party das Wasser abgraben könnte. Der rechte Populismus hat immer dort eine Chance, wo die Linke bei ihren ureigensten Themen versagt. Versagen das könnte am konkreten Beispiel auf den Punkt gebracht heißen, dass man lieber die antisemitischen Untertöne zählt, dass man der Bewegung vorrechnet, wie sehr sie im Fetischismus verfangen sei, wenn sie nicht die systemimanenten Zwänge des Wertgesetzes in Rechnung stellt. Dass man also auf einer bestimmten Lesart einer bestimmten Ausprägung des westlichen Marxismus aufbaut, die von Lukacs über die Frankfurter Schule zu Moishe Postone führt und diese gegen die ursprünglichen Autoren so sehr überbetont, dass kein Ausweg aus der kapitalistischen Entfremdung mehr denkbar erscheint.

Ganz sicher gibt es in einer Bewegung deren Erfolg darauf beruht, dass sie von der Basis her aus ganz unterschiedlichen Strömungen entstanden ist und von den verschiedensten Menschen getragen wird, keine einheitliche Meinung über alle Themen, geschweige denn über die gemeinsame Sache an der alle partizipieren. Vielmehr findet sich ein sehr plurales Bild von Denkansätzen und Motivationen und darunter sind dann mit Sicherheit auch solche, die Linke nicht gut finden können. Zum Beispiel Antisemitismus. Von einzelnen Äußerungen auf die gesamte Bewegung zu schließen ist aber ein Denkfehler. Ein anderer Fehler besteht darin zu verkennen, dass der Ort nicht etwa aufgrund einer fetischistischen Verblendung ausgewählt und daher falsch gewählt sei. Die Wall Street ist gerade, wie man ja sehen kann, als das (scheinbar) diffuse Symbol in der Lage einerseits einen Antagonismus in Erscheinung treten zu lassen und andererseits als konstitutives Außen dazu zu dienen, die heterogenen Strömungen und die vielen verschiedenen Menschen in der Gegnerschaft zu der Wirtschaftspolitik, die ihre Leben bedroht oder zerstört zu vereinen. Das bedeutet nicht, dass sich die gewaltfrei-partizipierenden Menschen bei Occupy Wall Street der Illusion hingeben, ihre Probleme wären gelöst, wenn ein paar Bankster aufgeknüpft würden. Deutsche Linke die so etwas unterstellen, verstehen einfach nicht, dass es sich bei der Aktion darum dreht, gegen das Übergreifen des Ökonomischen auf das Politische anzukämpfen und zwar nicht mit Marx-Exegese, sondern indem gegen das Verdrängen der Politik durch die neoliberale Ideologie ein Mehr an Politik gesetzt wird, welches von einer breitestmöglichen Basis her organisiert wird." (...)


ich erspare mir weitere anmerkungen besonders zu jenen sich "antideutsch" nennenden oder auch angehauchten - sie werden von der dynamik dieses jahres - den arabischen aufständen, israelischen protesten und jetzt occupy wall street- letztlich selbst als historische irrläufer der besonders bizarren sorte kenntlich gemacht werden.

*

zum schluß noch der passende song zur zeit, der schon einige jahrzehnte auf dem buckel hat, aber geradezu paradigmatische aussagen für das heute enthält:




in diesem sinne: ich wünsche einen schönen tag morgen auf öffentlichen plätzen und strassen.

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